Die göttliche Sendung der Familie

Papst Benedikt XVI. nahm die Eröffnung einer Pastoraltagung der Diözese Rom am 6. Juni 2005 zum Anlass, um eine grundlegende Betrachtung über die göttliche Sendung der Familie vorzutragen. Seine programmatischen Impulse sind für die pastorale Arbeit weltweit von unschätzbarem Wert. Er zeigt glasklar auf, wo wir bei der Verteidigung von Ehe und Familie mit unserer Argumentation ansetzen können. Zugleich macht er deutlich, dass der Einsatz für Ehe und Familie gleichsam die Speerspitze der Neuevangelisation bildet.

Von Papst Benedikt XVI.

Das Thema unserer Tagung lautet: „Familie und christliche Gemeinschaft: Bildung der Person und Weitergabe des Glaubens“. Die Voraussetzung, von der man ausgehen muss, um die Sendung der Familie in der christlichen Gemeinschaft und ihre Aufgaben für die Bildung der Person und die Weitergabe des Glaubens verstehen zu können, bleibt immer die Bedeutung, die der Ehe und Familie im Plan Gottes, des Schöpfers und Erlösers, zukommt. Das also bildet den Kern meiner Ausführungen, wobei ich mich auf die Lehre des Apostolischen Schreibens Familiaris Consortio (Zweiter Teil, Nr. 12-16) beziehe.

Das anthropologische Fundament der Familie

Ehe und Familie sind in Wirklichkeit keine soziologische Zufallskonstruktion, sie sind nicht das Ergebnis besonderer historischer und wirtschaftlicher Situationen. Im Gegenteil, die Frage der richtigen Beziehung zwischen Mann und Frau hat ihre Wurzeln im tiefsten Wesen des Menschseins und kann ihre Antwort nur von daher finden. Das heißt, sie kann nicht getrennt werden von der alten und immer neuen Frage des Menschen über sich selbst: Wer bin ich? Was ist der Mensch? Und diese Frage kann ihrerseits nicht von der Gottesfrage getrennt werden: Existiert Gott? Und wer ist Gott? Wie ist sein wahres Gesicht? Die Antwort der Bibel auf diese beiden Fragen ist einheitlich und folgerichtig: Der Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen, und Gott selbst ist Liebe. Daher ist die Berufung zur Liebe das, was den Menschen zum echten Ebenbild Gottes macht: Er wird in dem Maße Gott ähnlich, in dem er ein Liebender wird.

Aus dieser fundamentalen Verbundenheit zwischen Gott und dem Menschen folgt eine weitere: die unauflösliche Verbindung zwischen Geist und Körper: Der Mensch ist nämlich Seele, die im Körper Ausdruck findet, und Körper, der von einem unsterblichen Geist belebt wird. Auch der Körper des Mannes und der Frau hat also sozusagen einen theologischen Charakter; er ist nicht bloß Körper, und was am Menschen biologisch ist, ist nicht nur biologisch, sondern ist Ausdruck und Erfüllung unseres Menschseins. Ebenso ist die menschliche Sexualität nicht etwas, das neben unserem Personsein steht, sondern zu ihm gehört. Erst wenn sich die Sexualität in die Person integriert hat, vermag sie sich selbst einen Sinn zu geben.

So entsteht aus den zwei Verbindungen – des Menschen mit Gott und, im Menschen, des Körpers mit dem Geist – eine dritte: die Verbindung zwischen Person und Institution. Die Ganzheit des Menschen schließt nämlich die Dimension der Zeit ein, und das „Ja“ des Menschen ist ein Hinausgehen über den gegenwärtigen Augenblick: Das „Ja“ bedeutet in seiner Ganzheit „immer“, es bildet den Raum der Treue. Nur innerhalb dieses Raumes kann jener Glaube wachsen, der eine Zukunft bietet und zulässt, dass die Kinder, Frucht der Liebe, an den Menschen glauben und an dessen Zukunft in schwierigen Zeiten. Die Freiheit des „Ja“ erweist sich somit als Freiheit, die imstande ist, das Endgültige anzunehmen: Der erhabenste Ausdruck der Freiheit ist also nicht die Suche nach der Lust, ohne je zu einer echten Entscheidung zu gelangen. Diese ständige Offenheit scheint die Verwirklichung der Freiheit zu sein, aber dies ist nicht wahr: Der wahre Ausdruck der Freiheit ist vielmehr die Fähigkeit, sich für eine endgültige Hingabe zu entscheiden, in der sich die Freiheit dadurch, dass sie sich hingibt, selbst ganz wiederfindet.

Konkret erschließt das persönliche und gegenseitige „Ja“ von Mann und Frau den Raum für die Zukunft, für das wahre Menschsein eines jeden von ihnen und ist zugleich für das Geschenk eines neuen Lebens bestimmt. Daher muss dieses persönliche „Ja“ auch ein öffentlich verantwortetes „Ja“ sein, mit dem die Ehegatten die öffentliche Verantwortung für ihre Treue übernehmen, die auch die Zukunft der Gemeinschaft sichert. Keiner von uns gehört nämlich ausschließlich sich selbst; jeder ist deshalb aufgerufen, in seinem Innersten die eigene öffentliche Verantwortung zu übernehmen. Die Ehe als Institution ist also keine widerrechtliche Einmischung der Gesellschaft oder der Obrigkeit, die Auferlegung einer Lebensform von außen im privatesten Bereich des Lebens; sie ist vielmehr der wesenseigene Anspruch des Vertrags der ehelichen Liebe und der Tiefe der menschlichen Person.

Die verschiedenen heute festzustellenden Auflösungstendenzen bezüglich der Ehe, wie uneheliche Lebensgemeinschaften und die „Ehe auf Probe“, bis hin zur Pseudo-Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts sind hingegen Ausdruck einer anarchischen Freiheit, die sich zu Unrecht als wahre Befreiung des Menschen ausgibt. Eine solche Pseudofreiheit beruht auf einer Banalisierung des Körpers, die unvermeidlich die Banalisierung des Menschen einschließt. Sie unterstellt, dass der Mensch mit sich machen könne, was er wolle: Sein Körper wird so zu einer zweitrangigen Sache, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet etwas Manipulierbares, von der er nach Belieben Gebrauch macht. Der Libertinismus, der sich als Entdeckung des Körpers und seines Wertes ausgibt, ist in Wirklichkeit ein Dualismus, der den Körper dadurch, dass er ihn sozusagen außerhalb des wirklichen Seins und der Würde der Person ansiedelt, verächtlich macht.

Ehe und Familie in der Heilsgeschichte

Die Wahrheit von Ehe und Familie, die in der Wahrheit vom Menschen verwurzelt ist, hat ihre Verwirklichung in der Heilsgeschichte gefunden, in deren Mittelpunkt das Wort steht: „Gott liebt sein Volk“. Die biblische Offenbarung ist zuallererst Ausdruck einer Liebesgeschichte, der Geschichte vom Bund Gottes mit den Menschen: Deshalb konnte die Geschichte der Liebe und Verbindung eines Mannes und einer Frau im Bund der Ehe von Gott als Symbol der Heilsgeschichte angenommen werden. Die unaussprechliche Tatsache, das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen, erhält seine sprachliche Gestalt aus dem Vokabular von Ehe und Familie – positiv wie negativ: Die Annäherung Gottes an sein Volk wird in der Tat in der Sprache der ehelichen Liebe dargelegt, während die Treulosigkeit und der Götzendienst Israels als Ehebruch und Prostitution bezeichnet wird.

Im Neuen Testament geht Gott in seiner Liebe so weit, dass er selbst in seinem Sohn Fleisch von unserem Fleisch, wahrer Mensch wird. Auf diese Weise hat die Verbindung Gottes mit dem Menschen ihre höchste, unumkehrbare und endgültige Form angenommen. Und so wird auch für die menschliche Liebe ihre endgültige Form festgelegt, jenes gegenseitige „Ja“, das unwiderruflich ist: Sie entfremdet den Menschen nicht, sondern befreit ihn von den Entfremdungen der Geschichte, um ihn zur Wahrheit der Schöpfung zurückzubringen. Der sakramentale Charakter, den die Ehe in Christus annimmt, bedeutet also, dass das Geschenk der Schöpfung zur Gnade der Erlösung erhoben worden ist. Die Gnade Christi ist keine äußerliche Hinzufügung zur Natur des Menschen, sie tut ihr keine Gewalt an, sondern befreit sie und stellt sie gerade dadurch wieder her, dass sie sie über ihre eigenen Grenzen erhebt. Wie die Menschwerdung des Gottessohnes ihre wahre Bedeutung am Kreuz offenbar werden lässt, so ist die echte menschliche Liebe Selbsthingabe und kann nicht bestehen, wenn sie sich dem Kreuz entziehen will.

Dieses tiefe Band zwischen Gott und dem Menschen, zwischen der Liebe Gottes und der menschlichen Liebe, findet auch in manchen negativen Tendenzen und Entwicklungen Bestätigung, deren Last wir alle spüren. Die Herabsetzung der menschlichen Liebe, die Unterdrückung der wahren Liebesfähigkeit erweist sich in unserer Zeit nämlich als die geeignetste und wirksamste Waffe, um Gott aus dem Bewusstsein des Menschen zu streichen, um Gott aus dem Blick und Herzen des Menschen zu entfernen. In ähnlicher Weise führt der Wille, die Natur von Gott zu „befreien“, dazu, die Wirklichkeit der Natur, einschließlich der Natur des Menschen, aus den Augen zu verlieren; diese wird auf eine Gesamtheit von Funktionen verkürzt, über die man nach Belieben verfügen kann, um eine scheinbar bessere Welt und eine angeblich glücklichere Menschheit aufzubauen; statt dessen wird der Heilsplan des Schöpfers zerstört und damit die Wahrheit über unsere Natur.

Die Kinder

Auch in der Zeugung der Kinder spiegelt die Ehe ihr göttliches Vorbild, Gottes Liebe zum Menschen, wider. Bei Mann und Frau lassen sich Vaterschaft und Mutterschaft, ebenso wie der Körper und die Liebe, nicht auf das Biologische eingrenzen: Das Leben wird nur dann ganz weitergegeben, wenn mit der Geburt auch die Liebe und der Sinn weitergegeben werden, die es ermöglichen, zu diesem Leben „Ja“ zu sagen. Von daher wird ganz klar, wie sehr es der menschlichen Liebe, der tiefen Berufung von Mann und Frau widerspricht, ihre Verbindung systematisch gegen das Geschenk des Lebens zu verschließen und noch mehr, das werdende Leben zu beseitigen oder zu verletzen.

Kein Mann und keine Frau können jedoch allein und nur aus eigenen Kräften den Kindern auf angemessene Weise die Liebe und den Sinn des Lebens schenken. Denn um zu jemandem sagen zu können: „Dein Leben ist gut, auch wenn ich deine Zukunft nicht kenne“, braucht es eine höhere Autorität und Glaubwürdigkeit, als sie das Individuum sich selbst geben kann. Der Christ weiß, dass diese Autorität jener umfassenden Familie übertragen ist, die Gott durch seinen Sohn Jesus Christus und die Gabe des Heiligen Geistes in der Geschichte der Menschen geschaffen hat, nämlich der Kirche. Er erkennt, dass hier jene ewige und unzerstörbare Liebe am Werk ist, die dem Leben eines jeden von uns einen beständigen Sinn sicherstellt, auch wenn wir die Zukunft nicht kennen. Aus diesem Grund erfolgt die Gründung jeder einzelnen christlichen Familie im Rahmen der größeren Familie der Kirche, die sie unterstützt, mitträgt und gewährleistet, dass Sinn herrscht und dass auch in Zukunft über ihr das „Ja“ des Schöpfers ruht. Und umgekehrt wird die Kirche von den Familien aufgebaut, „kleinen Hauskirchen“, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil genannt hat (vgl. Lumen gentium, 11; Apostolicam actuositatem, 11), das damit einen alten Ausdruck der Kirchenväter aufgriff (vgl. hl. Johannes Chrysostomos: In Genesim serm., VI, 2; VII, 1). Im selben Sinn heißt es in Familiaris Consortio: „Die christliche Ehe … ist der natürliche Ort, wo sich die Eingliederung der menschlichen Person in die große Familie der Kirche vollzieht“ (Nr. 15).

Die Familie und die Kirche

Aus alldem ergibt sich eine klare Konsequenz: Die Familie und die Kirche, konkret die Pfarreien und die anderen Formen kirchlicher Gemeinschaft, sind zur engsten Mitarbeit an jener grundlegenden Aufgabe aufgerufen, die in der Bildung der Person und, untrennbar davon, in der Weitergabe des Glaubens besteht. Wir wissen sehr wohl, dass für eine glaubwürdige Erziehungsarbeit die Vermittlung einer richtigen Theorie oder einer Lehre nicht genügt. Es braucht etwas viel Größeres und Menschlicheres, nämlich jene täglich gelebte Nähe, die der Liebe eigen ist und ihren Platz zuallererst in der familiären Gemeinschaft findet, aber dann auch in einer Pfarrei oder kirchlichen Bewegung oder Vereinigung, wo sich Menschen treffen, die sich um die Brüder und Schwestern, besonders um Kinder und Jugendliche, aber auch um Erwachsene, Alte, Kranke und eben auch um Familien kümmern, weil sie ihnen in Christus zugetan sind. Der große Schutzpatron der Erzieher, der hl. Johannes Bosco, erinnerte seine geistlichen Söhne daran, dass „die Erziehung Sache des Herzens ist und Gott allein ihr Herr ist“ (Epistolario, 4, 209).

Die zentrale Stellung in der Erziehungsarbeit und besonders in der Glaubenserziehung, die der Höhepunkt der Bildung der Person und ihr angemessenster Horizont ist, hat konkret die Gestalt des Zeugen: Er wird zum eigentlichen Bezugspunkt, da er Rechenschaft gibt über die Hoffnung, die sein Leben trägt (vgl. 1 Petr 3,15), und da er von der Wahrheit, die er vorlegt, persönlich betroffen ist. Andererseits verweist der Zeuge niemals auf sich selbst, sondern auf etwas, oder besser, auf jemanden, der größer ist als er, dem er begegnet ist und dessen zuverlässige Güte er erfahren hat. So findet jeder Erzieher und Zeuge sein unübertreffliches Vorbild in Jesus Christus, dem großen Zeugen des Vaters, der nichts von sich aus sagte, sondern so sprach, wie es ihn der Vater gelehrt hatte (vgl. Joh 8,28).

Aus diesem Grund muss die Bildung des christlichen Menschen und die Weitergabe des Glaubens unbedingt auf der Grundlage des Gebetes, der persönlichen Freundschaft mit Christus und – in ihm – der Betrachtung des Antlitzes des Vaters erfolgen. Und dasselbe gilt natürlich für unseren gesamten missionarischen Einsatz, besonders für die Familienpastoral: Die Familie von Nazaret möge daher für unsere Familien und für unsere Gemeinden neben einem Lebensvorbild auch der Inhalt unseres ständigen und vertrauensvollen Gebetes sein.

Die Bedrohung durch den Relativismus

Das Verhältnis zwischen Erzieher und zu Erziehendem ist seiner Natur nach eine heikle Angelegenheit: Es ruft nämlich die Freiheit des anderen auf den Plan, die, wenn auch noch so sanft, immer zu einer Entscheidung herausgefordert wird. Weder die Eltern, noch Priester oder Katecheten, noch andere Erzieher können an die Stelle der Freiheit des Kleinkindes, des Schulkindes oder des Jugendlichen treten, an den sie sich wenden. Und besonders das christliche Angebot stellt die Grundfrage nach der Freiheit, wenn es zum Glauben und zur Umkehr aufruft. Ein besonders tückisches Hindernis für die Erziehungsarbeit stellt heute in unserer Gesellschaft und Kultur das massive Auftreten jenes Relativismus dar, der nichts als definitiv anerkennt und als letzten Maßstab nur das eigene Ich mit seinen Gelüsten gelten lässt und unter dem Anschein der Freiheit für jeden zu einem Gefängnis wird, weil er den einen vom anderen trennt und jeden dazu erniedrigt, sich ins eigene „Ich“ zu verschließen. Innerhalb eines solchen relativistischen Horizonts ist daher wahre Erziehung gar nicht möglich: Denn ohne das Licht der Wahrheit sieht sich früher oder später jeder Mensch dazu verurteilt, an der Qualität seines eigenen Lebens und der Beziehungen, aus denen es sich zusammensetzt, ebenso zu zweifeln wie an der Wirksamkeit seines Einsatzes dafür, gemeinsam mit anderen etwas aufzubauen.

Es ist daher klar, dass wir nicht nur versuchen müssen, den Relativismus in unserer Bildungsarbeit zu überwinden, sondern auch aufgerufen sind, seiner zerstörerischen Vorherrschaft in Gesellschaft und Kultur entgegenzutreten. Deshalb ist neben dem Wort der Kirche das Zeugnis und das Engagement der christlichen Familien in der Öffentlichkeit sehr wichtig. Sie müssen besonders immer wieder und nachdrücklich für die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, für den einzigartigen und unersetzlichen Wert der auf der Ehe beruhenden Familie und für die Notwendigkeit gesetzlicher und administrativer Maßnahmen zur Unterstützung der Familien bei ihrer Aufgabe der Zeugung und Erziehung der Kinder eintreten, eine Aufgabe, die für unsere gemeinsame Zukunft wesentlich ist.

Priestertum und geweihtes Leben

Eine letztes Wort betrifft die Sorge um Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben: Wir wissen alle, wie sehr die Kirche sie nötig hat! Damit diese Berufungen entstehen und zur Reife gelangen, damit sich die berufenen Personen ihrer Berufung würdig erweisen, ist zuerst das Gebet entscheidend, das in keiner christlichen Familie und Gemeinde fehlen darf. Aber grundlegend ist auch das Lebenszeugnis der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen, die Freude, die sie darüber zum Ausdruck bringen, dass sie vom Herrn berufen worden sind. Und ebenso wesentlich ist das Beispiel, das die Kinder in der eigenen Familie erhalten, und die Überzeugung der Familien selbst, dass die Berufung der eigenen Kinder auch für sie ein großes Geschenk des Herrn ist. Die Entscheidung für die Ehelosigkeit aus Liebe zu Gott und den Brüdern, die für den Priesterberuf und das geweihte Leben gefordert wird, und die Wertschätzung der christlichen Ehe gehören in der Tat zusammen: Beide machen, in zwei unterschiedlichen und sich ergänzenden Lebensformen, das Geheimnis des Bundes zwischen Gott und seinem Volk gewissermaßen sichtbar.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Forderungen des „Spanischen Familienforums“ zum Schutz von Ehe und Familie

Das Spanische Familienforum („Foro Español de la Familia“), organisierte am Samstag, den 18. Juni 2005, in der Hauptstadt Madrid einen Protestmarsch, an dem mehrere hunderttausend Menschen teilnahmen, darunter an die 20 Bischöfe. Er wandte sich gegen das inzwischen vom spanischen Parlament angenommene Gesetz, das homosexuelle Partnerschaften als „Ehe“ legalisiert und ihnen das Recht auf die Adoption von Kindern einräumt. Die erfolgreiche Demonstration veranlasste die Organisatoren dazu, ein „Bündnis für die Familie“ auszurufen und die Fortsetzung dieses öffentlichen Zeugnisses anzukündigen. Gleichzeitig formulierten sie einen Forderungskatalog zum Schutz von Kindheit, Ehe und Familie, der nicht nur für die Situation in Spanien, sondern für den weltweiten Einsatz zugunsten der christlichen Familie Aktualität besitzt.

Nachfolgend einige Punkte aus den Forderungen:

• Rücknahme des Gesetzes zur Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe

• Aufforderung an christlich gesinnte Politiker, vom Recht der Verfassungsklage gegen das Gesetz Gebrauch zu machen

• Reform des Scheidungsgesetzes

• Investitionen für Familienpolitik gemäß den EU-Standards (2,2% des Bruttoinlandsproduktes)

• Steuersenkungen und finanzielle Unterstützungen für Familien wie Kinder-, Erziehungs- und Mutterschaftsgeld

• Gesetzesreformen in der Wirtschaft, die der Elternschaft entgegenkommen

• Bildung eines Bündnisses zur Senkung der Mietsätze

• Wahrung des elterlichen Rechts auf Erziehung durch landesweite Abkommen

• Errichtung einer offiziellen Anhörungsstelle der Regierung für Familienvertreter sowie eines „runden Tischs“ zum Austausch über die Anliegen der Familien

• Schaffung einer Pressestelle unter Beteiligung der Familien, die sich für die Verteidigung der Rechte von Kindern einsetzt

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Katholische Heiratsvermittlung im Internet

Weihbischof Dr. Andreas Laun ist stolz auf sein jüngstes „Kind“: Er hat – gleichsam als Geburtshelfer – eine Heiratsvermittlung über das Internet ins Leben gerufen. Sie will speziell denjenigen helfen, die einen Partner mit katholischer Grundhaltung suchen. Weihbischof Laun ist von der neuen Einrichtung voll überzeugt, ja begeistert. Nachfolgend gibt er die Geschichte eines jungen Paares wieder, das ihm den entscheidenden Anstoß für die Initiative gegeben hat.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Der „Bedarf“ ist groß

Kathtreff.org – ab jetzt gibt es eine katholische Heiratsvermittlung im Internet. Warum? Weil ein „Bedarf“ vorliegt. Denn es gibt mehr junge Menschen, als man meinen möchte, die sich nach Liebe und Familie sehnen, aber aus irgendeinem Grund nicht und nicht den Partner finden, mit dem sie sich das gemeinsame Leben vorstellen können.

Wie kommt Weihbischof Laun auf diese Idee? Die Antwort besteht in einer schönen Geschichte, die ich gerne erzähle oder noch besser, ich gebe das Wort den „Betroffenen“, den inzwischen glücklich Verheirateten:

Vorurteile gegen Heiratsanzeigen

„Wir haben uns im Mai 2003 durch ein Zeitungsinserat kennen gelernt und gleich im anderen den Wunschpartner entdeckt, der alle Erwartungen übertraf. Wir haben uns am 25. Juni in Medjugorje verlobt und am 25. Oktober 2003 in Kloster Banz geheiratet.

Es gibt viele Vorurteile gegenüber Heiratsanzeigen. Ein Gedanke ist der, diese Form der Suche ,nicht nötig‘ zu haben. Wir beide haben auf unserem langen Weg des Suchens viele nette gläubige Menschen kennen gelernt (wir waren zur Zeit unseres Kennenlernens fast 41 bzw. 35 Jahre alt). Doch gerade unser großer persönlicher Anspruch sowohl im religiösen als auch menschlichen Bereich haben es uns immer wieder unmöglich gemacht, uns auf ,nicht wirklich ganz überzeugende‘ Kontakte tiefer einzulassen. Sicher war es aber letztlich die göttliche Vorsehung, die sowohl diesen Zeitpunkt als auch diesen Weg für uns bestimmt hat.

Zunächst habe ich damals nicht gleich auf die Anzeige meiner späteren Frau reagiert. Ich hatte sie zunächst in der Zeitschrift leben gelesen, war aber nach meinen bisherigen Misserfolgen mit Anzeigen so entmutigt, dass ich zunächst nicht vorhatte, nochmals auf eine Anzeige zu reagieren. Bei einem Besuch wurde mir angeboten, die Tagespost zu lesen. Dort las ich dem Wortlaut nach wieder das gleiche Inserat. Das machte mich stutzig und ich schrieb mir die Chiffre-Nummer auf. Exakt in dem Moment, als ich zuhause gerade darüber nachdachte, ob ich nun darauf reagiere oder nicht, rief eine Bekannte an, die um mein Anliegen wusste, und fragte, ob ich die Anzeige gelesen hätte und nicht doch darauf antworten wolle. Nach diesem dreimaligen Anstoß bin ich darauf eingegangen. Wir interpretieren es heute als göttlichen Anstoß, obwohl wir nicht glauben, dass es unbedingt eines solchen Zeichens bedarf, um darin einen Weg der Vorsehung zu sehen. Auch konnten wir erleben, dass man es nicht immer im Herzen vorher spüren kann, wenn man etwas tun sollte, sondern manchmal rein sachliche Überlegungen dazu ausreichen.

Gott ins „Handwerk pfuschen“?

Ein weiteres Vorurteil gegen Inserate ist die Sorge, Gott ins ,Handwerk zu pfuschen‘ und selber etwas zu machen, was man besser Gott überlassen sollte. Wir hätten uns auch auf ,natürlichem Wege‘ kennen lernen können. Wir waren beide im Jahr 2000 mit ,Jugend 2000‘ von Augsburg auf dem Weltjugendtag in Rom, bei vier Bussen reiste der eine in dem einen, der andere im anderen mit. Es scheint wohl Gottes Wille gewesen zu sein, dass wir uns nicht auf ,natürlichem Wege‘, sondern über eine Anzeige kennen lernten. Wir verstehen es auch als ein Zeichen, um anderen zu zeigen, dass sich die göttliche Vorsehung auch durchaus eines menschlichen Mitwirkens wie hier eines Inserates bedienen kann. Außerdem haben wir erlebt, dass man Beziehung auch durch Anzeigen nicht ,machen‘ und so Gott ,ins Handwerk pfuschen‘ kann. Beziehungen, die zu einer glücklichen Ehe führen, sind und bleiben ein göttliches Geschenk, mit und ohne Anzeige. Wir können aber auf dem Weg mitwirken, weitere Möglichkeiten zu erschließen, dass Gott sein Heil schenken kann, das aber trotzdem ,erbetet, gesucht und erwartet‘ werden will.

Wir sind jetzt überglücklich, doch vorher hatten wir uns nach derart häufigen Misserfolgen schon gefragt, ob mit uns etwas nicht stimme oder ob wir zu unrealistisch anspruchsvoll seien. Wir können heute nur jedem raten, den Mut nicht zu verlieren, Gott immer wieder mit Vertrauen zu bitten und auch vielleicht weniger vertraute Wege zu nutzen sowie lieber lange zu warten als halbherzige Kompromisse einzugehen.

Wie viel hat uns Gott geschenkt!

Wir hatten auch eine gemeinsame Bekannte, die von unserer beiden dringenden Anliegen wusste und uns schon viel früher eine Begegnung hätte ermöglichen können. Auch darin sehen wir ein Zeichen, wie wichtig es ist, die Problematik der unerfüllten Ehepartnersuche, die so schmerzhaft sein kann, nicht totzuschweigen, sondern in seiner näheren Umgebung mit Feingefühl und ,innerem Hinhören‘ auf mögliche Not zu reagieren. Das kann auch bedeuten, jemandem z.B. auf die Existenz von ,Kathtreff‘ hinzuweisen.

Wenn es der Richtige oder die Richtige ist, kann es dann sehr schnell gehen. Schon vor unserem ersten Treffen konnten wir sehr bald unsere tiefe Übereinstimmung sowohl in Fragen des Glaubens und der Einstellung zur Ehe als auch in menschlicher Hinsicht bewundern. Es war nicht nur z.B. eine Kassette über die Ehe von Pater Buob, die wir austauschten, sondern es war vor allem das bisherige Lebenszeugnis, das diese Haltungen bezeugte und uns schnell Gewissheit gab. So war schon die erste persönliche Begegnung nur noch wie ein überglücklicher Vollzug von etwas, was schon immer so geplant gewesen sein muss. Ich konnte mich nach wenigen Stunden nicht mehr zurückhalten, meiner Frau einen Heiratsantrag zu machen, und sie hat ohne Zögern eingewilligt. Das mag sehr leichtsinnig klingen, aber das sind wir beide nicht. Es zeigt nur, wie viel Gott zu schenken vermag.

Wenn wir die weitere Geschichte erzählen würden, so könnte sie als völlig übertrieben erscheinen. Es war für uns, als ob Gott uns schon jetzt für die lange und extrem schmerzvolle Zeit des Suchens und Wartens mit seiner Überfülle entschädigen wollte. Einer der Höhepunkte war unsere Begegnung mit dem Hl. Vater Johannes Paul II. und seinem Brautsegen sowie das so ersehnte Geschenk unseres ersten Kindes Bernhard Maximilian, der uns am 20. Oktober 2004 geschenkt wurde.

Abschließend wünschen und hoffen wir sehr, dass Gott den Dienst von ,Kathtreff‘ segnen möge und es so vielen jungen Menschen erleichtert wird, den passenden katholischen Ehepartner nach Gottes Plan zu finden.“

Zielgruppe: katholische Christen

Diese Geschichte hat mich, den Weihbischof, der die beiden dann auch trauen durfte, nicht losgelassen. Die Gesichter der jungen Menschen, die sich nach Ehe sehnen und niemand zu finden scheinen, standen vor mir. „Sollte ich ihnen auch Inserate empfehlen?“, dachte ich, aber dann: „Natürlich nicht, das gegebene Medium ist das Internet!“ Kurze Zeit später traf ich gute Freunde, erzählte von der Idee – und sie machten sich erbötig, die Sache in die Hand zu nehmen.

Darum gibt es jetzt www.kathtreff.org. Das Besondere an „Kathtreff“ ist: seine Zielgruppe sind katholische Christen. Pages, die ähnliche Dienste anbieten, aber ohne die religiöse Zugehörigkeit zu berücksichtigen, gibt es zur Genüge, ebenso Anbote der Evangelikalen und anderer christl. Gruppen. Darum jetzt „Kathtreff“: für katholische Christen, die einen (auch) im Glauben „gleichgesinnten“ Partner suchen. Natürlich kann ihnen der Computer weder das wirkliche Kennenlernen und schon gar nicht die Entscheidung abnehmen. Aber die Voraussetzungen zur Entscheidung schaffen und die Möglichkeit dazu erleichtern – das kann er, der Computer, und darum soll er es auch tun. Wir brauchen Familien, die ihr Leben auf dem Fundament des Glaubens der Kirche aufbauen. Dazu ist nicht „jedes Mittel recht“, aber unter anderem auch das Internet. Katholiken suchen einen Partner und finden keinen? Wenn Sie, lieber Leser, selbst einen Partner suchen oder jemand kennen, der das tut, dann sagen Sie ihm doch: Versuch es doch mit „kathtreff.org“! Warum eigentlich nicht?

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Familie: Kraftquelle für Schule und Leben

Es kann nicht bestritten werden, so Professor Dr. Reinhold Ortner, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der elterlichen Zuwendung und der Leistungsfähigkeit der Kinder besteht. Alle Bildungsprogramme sind zwecklos, wenn sie die familiäre Geborgenheit als entscheidenden Lernfaktor ignorieren. Es gibt keine Alternative zur „heilen Familie“, um lebenstüchtige Menschen heranzubilden. Die Auflösung von Ehe und Familie beschwört „eine Lawine von kommenden Gewalttätern und traumatisierten Menschen“ hervor. Prof. Ortner fragt: Wollen wir tatsächlich ein so wertvolles Gut wie die Familie verschleudern?

Von Reinhold Ortner

Worin besteht die wesentliche Wurzel der gewaltigen demographischen und gesellschaftlichen Krise, in der wir uns heute befinden? Wir haben einen entscheidenden Wert verloren: Der Einsatz für die Familie zählt nicht mehr! Man sieht keinen Sinn darin, zugunsten der Familie selbstlose Nächstenliebe und Opferbereitschaft aufzubringen. Die Folge ist ein Ozean seelischer Nöte und Tränen. Für unsere Kinder bedeutet der Verlust familiärer Geborgenheit eine schleichende bis massive Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit, Motivation und sittlich-religiösen Erziehung.

In unserer Gesellschaft hat sich eine Lebenseinstellung breit gemacht, die den hohen Wert der Familie weit unterschätzt oder leugnet. Daraus resultieren auch die derzeit gesellschaftspolitisch vorangetriebenen Interessen und Tendenzen, Familien zu „sortieren“: Väter und Mütter in die industrielle Produktion, Kinder schon ab dem Baby-Alter zur „Sozialisierung“ in zentralisierte Lerninstitutionen, Kranke und Alte in ein Versorgungsheim... Das hört sich rationell, ökonomisch und zweckdienlich an! Aber ist das auch gut so?

Forderungen aus der „PISA“-Studie

Die „PISA“-Studie, die statistisch erfassbare Schulleistungen in verschiedenen Ländern vergleicht, hat den Kindern hierzulande ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Nun ist die Aufregung groß und es wird gefordert: „Unsere Schulen müssen mehr leisten. Uns gebühren höhere Rangstufen. Wir sind es uns schuldig, im internationalen ‚Schulleistungs-Olympia‘ schulische Medaillenränge zu erringen.“ Schon arbeiten Bildungsmacher an der Optimierung eines Systems für Spitzenerfolge im schulischen Lernen.

„Wofür oder für wen?“ frage ich. „Wir wünschen alle das Wohl unserer Kinder“, bekomme ich zur Antwort. Diesem ehrenwerten Wunsch kann ich nur zustimmen. Doch kennen wir auch dieses Wohl? Besteht es vorrangig in der Forcierung von Leistungs- und Lernpower? Bedenken wir bei alledem, dass das Wohl unserer Kinder zuallererst einmal die Bereinigung negativer gesellschaftlicher Bedingungen erfordert, die aus ideologischen Gründen oder verfehlter Gesellschaftspolitik nicht angetastet werden dürfen? Heute wissen sich ungezählte Kinder nicht mehr in sicheren und vertrauensvollen zwischenmenschlichen Bindungen, sie erfahren zu wenig Liebe, Geborgenheit, Zuwendung, Selbstwertbestätigung, Ermutigung und Verständnis für ihre Bedürfnisse. Wie sollen sie da noch ihr Leben bewältigen, den erwarteten Lernerfolg bringen und „volle Leistung“ zeigen?

Genau hier liegt schrecklich viel im Argen! Zu einem „geglückten Leben“ führen nämlich nicht Spitzenergebnisse beginnend mit der ersten „Leistungsdisziplin“ des Töpfchengehens, sondern zuallererst das Erleben liebender Zuwendung und das Festigen eines Urvertrauens zum Leben. Dies kann nur aus emotionaler Geborgenheit heraus erwachsen. Hierzu brauchen wir die verlässliche Elternliebe, die Stärkung der Familie sowie deren enge Zusammenarbeit mit pädagogischen Institutionen.

Übersteigerte Leistungserwartung an Kinder

Viele meiner ehemaligen Studenten, die heute im Lehrerberuf stehen, klagen: „Eltern setzen uns unter ‚Abitur-Druck‘. Dabei leiden deren Kinder an Lern- und Verhaltensstörungen, mit denen sie selbst nicht fertig werden. Doch die Erfüllung ihrer überspannten Leistungserwartungen fordern sie geradezu hysterisch ein.“ Mir kommt der Verdacht, dass das angebliche „Wohl der Kinder“ in Wirklichkeit „Prestige“, „Konsumsteigerung“, „Weltwirtschaftlicher Gewinn“, oder vielleicht „Ideologie“ heißt. Wer fragt denn Kinder nach ihren Sorgen und Nöten und wonach sie sich sehnen? Um nicht missverstanden zu werden: Leistung kann Freude machen, ist wichtig und daher grundsätzlich gut. Doch wir wissen heute, dass Wunsch und Fähigkeit, etwas leisten zu wollen und zu können, ohne emotionale Ausgeglichenheit, Stabilität und psychische Gesundheit nur wenig Erfolg haben. Pädagogen, Psychologen und Kinderärzte warnen daher vor einer ungeduldigen „Überzufuhr“ an Leistungsdruck und -erwartung.

Natürlich ausgewogenes Wachsen

Wenn wir ein junges Bäumchen pflanzen, verbinden wir damit die Hoffnung, dass es seine Wurzeln fest im Erdreich verankert, eine gut gewachsene Krone entfaltet und zur rechten Zeit gute Früchte hervorbringt. Nicht nur jeder Gärtner weiß, dass einerseits eine naturgemäße Zufuhr von Sonne, Nährstoffen und Wasser unabdingbar ist und dass andererseits eine ungeduldige übermäßige Zufuhr an Kunstdünger und Bewässerung sowie schlechtes Licht junge Pflanzen schädigt und absterben lässt. Natürlich geschütztes Wachsen bringt kräftigere und gesündere Ergebnisse als ungeduldige Treibhauszüchtungen auf die Schnelle.

Frohe Entfaltung der Kinder

Wenn wir Kinder in ihr Leben „einpflanzen“ wollen – welche Hoffnung verbinden wir damit? Sie sollen sich gesund, froh und glücklich entfalten, fest im Leben stehen, „Früchte tragen“ und schließlich Sinn und Endziel ihres persönlichen Lebens sicher erreichen. Auch ein Kind braucht hierfür „Licht“ und „Sonne“. Pädagogisch heißt das vor allem: Liebe, Annahme, Zuwendung, Sicherheit, Geborgenheit. Ebenso benötigt es „Nährstoffe“ und lebensnotwendige „Wasserzufuhr“, pädagogisch gesprochen: Selbstwertbestätigung, Ermutigung, Lob, Anerkennung, Verständnis. Dies alles mobilisiert Energien, mit deren Hilfe das Kind seine existenziellen „Wurzeln“ ins Erdreich des Lebens schlägt, seine „Krone“ entfaltet und einmal gute Lebensfrüchte erbringt.

Ungesunde „Treibhausmethoden“

Mangelt es an diesen Kräften, gibt es da bald ein schwaches, verkrüppeltes und im Sturm unsicheres „Bäumchen“. Wenn dann Erwachsene enttäuscht sind und ungeduldig beginnen, mit ehrgeizig verstärkten „Treibhausmethoden“ nachzuhelfen, sterben Lebensfreude und Eigendynamik des Kindes noch mehr ab. Der Grund zu einer psychischen Erkrankung ist damit gelegt. Jedes dritte Kind in unserer Gesellschaft ist belastet oder bereits psychisch krank. Genau dies muss heute eine der Hauptsorgen hinsichtlich des Wohles unserer Kinder sein. Vielleicht sollten wir darüber mehr nachdenken.

Es ist tiefe menschliche Sehnsucht, im Herzen glücklich zu sein. Sollten wir nicht unseren Kindern dabei helfen? Selbstverständlich müssen sie etwas lernen und leisten. Nichts gegen Leistung. Aber diese darf nicht der dominierende Maßstab für den Wert eines Menschen sein. In meiner Beratungspraxis begegne ich Kindern, die liebend gerne etwas leisten möchten, aber es einfach nicht schaffen. Sie können nicht über ihre Grenzen hinaus. Wird das nicht erkannt, nisten sich psychische Nöte und tiefe Verletzungen ein. „Ich bin unglücklich, müde, traurig, weil mir meine Eltern nicht glauben, dass ich so gerne in der Schule besser wäre, es aber nicht fertig bringe! Ich glaube, ich bin ein Versager“, so sagte mir kürzlich Marco. Wir sollten Nöte von Kindern wie Marco ernst nehmen. Jedes Kind freut sich über eine vollbrachte Leistung. Fragen wir doch, warum ein Kind eine Hürde nicht schafft! Sind die Leistungsmarken zu hoch gesetzt oder leidet es an seiner Lebensweise, an seinem Lebensumfeld?

Folgen der Übersexualisierung

Schon jetzt hat jedes dritte Schulkind Verhaltensstörungen. Viele hören kaum mehr auf Eltern und Lehrer. Die Zunahme von psychischen Erkrankungen ist zu einem erheblichen Teil die Folge einer längst „selbstverständlich gewordenen“ würdelosen Übersexualisierung in unserer Gesellschaft und der damit zusammenhängenden Zersetzung und Auflösung von Ehen und Familien. Kinder wachsen in einem gesellschaftlichen Klima der moralischen Nivellierung auf. Sie bleiben ohne sachliche und emotionale ethische Richtungsweisung. So kommen sie in einer egoistischen Welt „unter die Räder“. Hier liegen ebenso die Wurzeln für die zunehmende Gewalt unter Kindern und Jugendlichen wie auch für die Haltung „Null Bock auf Lernen“. Der Kinderschutzpräsident Hilgers sieht „eine Lawine von kommenden Gewalttätern und traumatisierten Menschen“ auf die Gesellschaft zurollen, die ohne Liebe und Geborgenheit innerhalb einer Familie aufwachsen mussten. „Traumatisierte emotional unterversorgte Kinder sind lernunfähig“, so Hilgers.

Ergebnisse der Hirnforschung

Wichtiger als statistisch unterkühlte akademische Leistungsstudien à la „PISA“ sollten uns natürliche gesunde Familien sein, welche durch Fördermaßnahmen die von Gott zugedachte Aufgabe auch erfüllen können. Keine andere „Familienform“ oder Institution, kein Hort, keine Ganztagsbetreuung oder Ähnliches kann einem Kind die elementaren existenziellen Erlebensgrundlagen in solcher Kraft und Tiefe schenken wie Geborgensein innerhalb einer liebenden Familie.

Nach Erkenntnissen des Hirnforschers Verny produziert das junge Gehirn bis zum 3. Geburtstag tausend Billionen Synapsen. Es bereitet damit die Grundlagen von Denken, Fühlen und Kreativität für die weitere Entwicklung vor. Eine Vernachlässigung in den ersten Lebensjahren kann fatale Folgen für die Ausprägung des kindlichen Gehirns haben. Art, Güte und Dauer elterlicher Zuwendung haben darauf mehr Einfluss als wir je für möglich hielten. Wie das Gehirn Sauerstoff braucht, um nicht abzusterben, so benötigt das sich entfaltende Bewusstsein eines Kindes herzliche und liebevolle Annahme, persönliche Zuwendung, schützende Geborgenheit.

Wissenschaft: Bedeutung elterlicher Zuwendung

Moderne Hirnforschung bestätigt, was seit Jahrtausenden in der Pädagogik als selbstverständlich gilt: Man erhält seine umfassende, einmalige Lebensausstattung als Kind am besten von liebevollen, festen Bezugspersonen, bei denen man Geborgenheit, Vertrauen, selbstlose, aufopfernde Güte und liebende Annahme um seiner selbst willen erleben darf. Kraftquelle für Lernen und Lebensbewältigung ist und bleibt zuallererst eine gute Familie: Sie mobilisiert und stärkt unser „Ja“ zum Leben. Naturwissenschaftliche Ergebnisse bestätigen damit: Es ist die Kraft der Liebe und Geborgenheit, welche qualitative und quantitative Grundlagen für Lernfähigkeit, Motivation, Ausdauer und Begabungsentfaltung schafft.

Genau jene Lernfaktoren aber stehen vielen Kindern heute nur mehr unzureichend zur Verfügung. Wir sollten Müttern und Vätern, Erzieherinnen und Lehrern solche Erkenntnisse deutlich bestätigen. Stattdessen wird ihnen heute bis zum Überdruss eingeredet, dass institutionelle Betreuung „Unfähigkeit und Versagen“ der Eltern ausschließen müsse. Und dies könne schließlich nur von der „pädagogisch bahnbrechenden Erkenntnis“ einer an der Gesellschaft orientierten Sammelbetreuung für alle Kinder jeden Alters verwirklicht werden.

Sozialistisches Erziehungsexperiment gescheitert

Gerade diese Gesellschaft verschleudert schon seit einiger Zeit das wertvolle Gut „Familie“. Angesichts der dadurch schon verursachten pädagogischen Scherbenhaufen greifen Bildungspolitiker dennoch erneut zu (bereits historisch gescheiterten) sozialistischen Erziehungsexperimenten staatlich organisierter Rundumbetreuung ab dem Baby-Alter. Dabei besitzen diese Modelle nicht einmal die Qualität einer Notlösung, nehmen sie doch Familienzersplitterung, wachsende Entfremdung oder Entwurzelung ebenso in Kauf wie sie neueste Gehirnforschungen missachten.

Wir sollten endlich begreifen, dass uns nicht immer nur das Wirtschaftswachstum und der Umweltschutz, sondern viel dringender der Familien- und Kinderschutz vorrangig am Herzen zu liegen hat. Es gäbe keine „schlechte“, „lernunwillige“ oder „moralisch ausgebrannte“ Jugend, hätte unsere von Konsum-Materialismus und Ego-Liberalismus besessene Gesellschaft sie nicht über Jahrzehnte hinweg der von ihr selbst produzierten Dekadenz ausgeliefert.

Wer in die Tiefe der Herzen unserer Kinder und Jugendlichen schaut, kann ihre wahren Wünsche und Sehnsüchte erkennen:  Nein – nicht noch mehr Taschengeld, Elektronik, Modekleidung, neues Mountain-Bike, Karibik-Urlaub, DVD-Player, Top-Handy, Sport-, Musik-, Mal-, oder Ballettunterricht, auch keine die Fantasie beschmutzenden Medien- und Werbe-Schamlosigkeiten… Nein, es ist etwas ganz anderes: In der Tiefe des Herzens wartet die Sehnsucht, sich geliebt zu fühlen.

Keine Alternative zur „heilen Familie“

Nun wissen wir alle, wie schnell schwere Probleme in Ehen und Familien einbrechen. Neben so genannten heilen Familien gibt es heute zunehmend mehr Alleinerziehende und Ersatzfamilien. Ein Schuldurteil darüber steht niemandem zu. Eine andere Sache ist es allerdings, schuldige Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft zu brandmarken. Vom Sinn der Schöpfung her ist der Familie die Aufgabe zugedacht, Kindern alle grundlegenden menschlichen Werte erleben zu lassen. Wer Familie nur als gesellschaftliche Institution oder Rechtsangelegenheit sieht, wird ihr nicht gerecht. Sie ist die Gemeinschaft, in der man von klein auf mit körperlicher, psychischer und geistiger Lebensausstattung ausgerüstet werden soll. Psychologie und Pädiatrie erkennen: Zu den vorrangigen Garanten psychischer und physischer Gesundheit gehört die ihren Kindern Liebe und Geborgenheit schenkende Familie. Eine solche „heile Familie“ ist daher immer als anzustrebender „Soll-Zustand“ anzusehen. Um diesem Ziel näher zu kommen, müssen wir den heutigen „Ist-Zustand“ dringend verbessern. Hierfür stehen wir alle in der Verantwortung.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Weitergabe des Glaubens in der Familie

Die Eltern sind die ersten Glaubenszeugen für ihre Kinder. Durch ihr persönliches Beispiel erreichen sie die Herzensmitte der Kinder und hinterlassen dort Spuren, so schrieb Papst Johannes Paul II. („Familiaris Consortio“, Nr. 60). Im Folgenden einige konkrete Aspekte der Weitergabe des Glaubens in der Familie.

Von Mag. Kurt Reinbacher

Erziehungsaufgabe ist unersetzlich

Vor allen anderen Einrichtungen (Schule; Pfarre) haben die Eltern die fundamentale Aufgabe, ihre Kinder in den Glauben einzuführen. Sie sind „die ersten und hauptsächlichen Erzieher“, wie Papst Johannes Paul II. im Brief an die Familien geschrieben hat. Alle anderen Einrichtungen sind demgegenüber „subsidiär“, d.h. sie haben nur unterstützende Funktion und werden gewissermaßen im Auftrag der Eltern tätig. Das Erziehungswirken der Eltern ist ursprünglich, unersetzlich und unveräußerlich. Die Kirche sagt sogar, es sei so entscheidend, „dass es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist“ (Familiaris Consortio, 36). Kraft Taufe, Firmung und insbesondere durch das Sakrament der Ehe empfangen die Eltern eine eigene Weihe, das „Amt“ der Glaubensverkündigung an ihre Kinder.

Glaubensweitergabe durch Beispiel

Die Eltern sind durch ihr Wort und ihr Beispiel die ersten Glaubenszeugen für ihre Kinder. Dabei muss man feststellen, dass das Vorbild weit stärker wirkt als das Wort. Am wirksamsten ist das Leben der Familie selbst. „Leben entzündet sich am Leben“, so formuliert es P. Josef Kentenich, der Gründer der Schönstattbewegung, einmal sehr treffend. Der Mensch lernt durch Nachahmung. Auf diese Weise wächst auch die Familie als Hauskirche, als Kirche im Kleinen. Sie wird zum Ort, „wo das Evangelium empfangen und gelebt, in das Leben übersetzt und ausgestrahlt wird“ (Enzyklika über die Evangelisierung in der Welt von heute).

„Wirkfaktoren“ religiöser Erziehung

Verschiedene Faktoren tragen zum Gelingen der Glaubenserziehung bei. Ich nenne sie „Wirkfaktoren“.

Die Atmosphäre

Ein erster wichtiger Punkt ist die Atmosphäre, das Klima, das zu Hause herrscht. Die wichtigste Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung, für Lebens- und Liebensbefähigung sowie für die Weitergabe des Glaubens sind die Liebe und die Einheit der Eltern.

Wie erleben die Kinder ihre Eltern? Sind sie zärtlich zueinander? Wie reden sie miteinander? Sind sie als Einheit erlebbar, oder gibt es ständig Spannungen oder gar Konkurrenzkämpfe? Können die Kinder nach einem Streit wieder Versöhnung erleben oder bleibt die „dicke Luft“? Treten die Eltern den Kindern gegenüber als Einheit auf oder untergraben sie dauernd ihre Autorität, indem getroffene Entscheidungen vom Anderen relativiert werden usw.? Dieser Gleichklang kann nur hergestellt werden, wenn Eltern miteinander immer wieder offen auch über Details in der Erziehung sprechen: Was sind meine/deine Grundhaltungen und Werte? Was wollen wir unseren Kindern vermitteln? Wo ziehen wir Grenzen?

Die Beziehung von Mann und Frau zueinander ist wirklich ein „Schlüssel“ für „erfolgreiche“ Erziehung. Nur so wird ein Haus auch zum Heim, in dem man sich wohl fühlt.

Das Familiengebet

Das Gebet in der Familie entfaltet sich in dreifacher Weise: es ist das persönliche Gebet jedes Einzelnen, das Gebet als Ehepaar und das Gebet der Eltern mit den Kindern, also das Familiengebet. In „Familiaris Consortio“ heißt es: „Christliche Eltern haben die besondere Aufgabe, ihre Kinder zum Gebet zu erziehen“ (Nr. 60).

Dabei kommt es auf die Beschaffenheit des Gebets an. Nicht die Pflichterfüllung steht im Vordergrund (Gebete verrichten), vielmehr geht es um die Erhebung der Seele zu Gott, um eine Begegnung mit der Liebe in Person. Um aber diese Begegnung nicht der Beliebigkeit zu überlassen, gehört zur Hauskirche eine regelmäßige „Hausliturgie“. Auch dabei ist das Vorbild unersetzlich. Indem die Kinder ihre Eltern täglich im Gebet erleben, lernen sie allmählich, die einfachen Grundgebete mitzubeten. Dabei gilt der Grundsatz: Beten lernt man durch Beten – indem wir es einfach tun.

Jede Familie soll ihren persönlichen Stil entwickeln. Wichtig ist nicht die Quantität, sondern die Regelmäßigkeit. Mögliche Formen einer „Hausliturgie“ sind: Morgengebet, Abendgebet, Tischgebet, Engel des Herrn, das spontane Gebet sowie der ganze Gebetsschatz der Kirche (Psalmen, Litaneien u.a.).

Eine besondere Form ist der Rosenkranz als Familiengebet. Er enthält das Evangelium in komprimierter Form. Beim Rosenkranz ist es Maria, die uns in die Geheimnisse ihres Sohnes einführt. Die Kinder sind zunächst einfach mit dabei, eingetaucht in die Gebetsatmosphäre. Später können sie selbst vorbeten.

Für viele Familien ist das gemeinsame Abendgebet ein Fixpunkt. Auch der Vater ist dabei. Mögliche Elemente: Kreuzzeichen, Lieder, Danksagung (bei der jeder aussprechen kann, was heute schön war und wofür er Gott danken möchte), Gesätz des Rosenkranzes, Weihegebet, Anrufung des Schutzengels, Abschnitt aus der (Kinder-)Bibel, Elternsegen.

Formen und Gebräuche

Einen besonderen Platz soll das Lesen der Hl. Schrift haben. Die Bibel darf in keinem christlichen Haushalt fehlen. Eine Möglichkeit ist die Vorbereitung des Sonntags. Bereits am Samstagabend kann sich die Familie mit den Lesungen auf den Sonntag einstimmen. Wir hören die Texte, der Vater – Vorsteher der Hausliturgie – hält eine Betrachtung und jeder versucht, sie mit seinem Leben in Verbindung zu bringen. An den übrigen Tagen könnte das Tagesevangelium einen festen Platz haben, z.B. im Rahmen des Morgengebets. Der selige Ladislaus Batthiany hielt seinen Kindern jeden Morgen beim Frühstück eine kurze Katechese zum Tagesevangelium. Das Vorlesen aus der Kinderbibel hat in vielen Familien einen festen Platz im Rahmen des „Einschlafrituals“.

Nicht fehlen darf der Segen der Eltern, z.B. am Abend oder beim Verlassen des Hauses. Er ist „priesterlicher“ Dienst der Eltern an ihren Kindern. Die Hauskirche hat keine Sakramente, aber Sakramentalien. Das sind äußere heilige Zeichen mit Segenswirkung.

Wesentliches Element der Hausliturgie ist der Hausaltar. Das ist der Ort im Haus, wo für uns die Gegenwart Gottes anschaulich wird. An diesen Platz, den man dem Kirchenjahr entsprechend schmücken kann, gehören ein Kreuz, Muttergottesbild, Weihwasser, die Heilige Schrift, Gebetbücher, Blumen, Taufkerzen u.a.

Ein wichtiges Moment der Familienliturgie stellt auch die Wallfahrt dar. Selbst bei Familienausflügen am Sonntagnachmittag kann man einen Kurzbesuch in einer Kirche machen und eine kurze Andacht halten. Inhalt des Gebets ist das ganze Familienleben (Freude, Leid, Hoffnung, Geburten, Todesfälle…). Ziel ist es, die Kinder allmählich zum kirchlichen Leben hinzuführen.

Die Eucharistie ist „Quelle und Höhepunkt“ für jedes christliche Leben. Deshalb ist der Sonntag als Tag des Herrn und Tag für die Familie tatsächlich die Mitte unseres ganzen christlichen Lebens. Man sollte die Kinder schon früh zum gemeinsamen Kirchgang mitnehmen. Auch wenn sie Vieles noch nicht bewusst aufnehmen, erleben sie doch die andere Atmosphäre in der Kirche und erfassen das Geschehen. Die Erklärung und Hinführung zum Verständnis der Hl. Messe geschieht in der Familie. Wenn sie so vorbereitet sind, ist die Gefahr der Langeweile nicht so groß.

Ebenso wichtig ist die Hinführung zum und der regelmäßige Empfang des Sakraments der Beichte. Eine Frucht der Versöhnung mit Gott besteht darin, dass wir auch in der Familie zur Vergebung fähig werden.

Religiöse Bildung

Die eigene Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten (z.B. durch gute Literatur wie Zeitschriften, Katechismus oder Heiligenbiographien sowie durch geistliche Begleitung) bildet auch die Grundlage für eine gute und fundierte religiöse Erziehung.

Oft ergeben sich in alltäglichen Momenten etwa am Mittagstisch oder beim gemeinsamen Spiel Glaubensgespräche. Die Eltern sollten wachsam sein und in einfacher Weise „Rede und Antwort“ stehen. Gerade in schwierigen Fragen des Glaubens und Lebens vermitteln sie ihren Kindern auf diesem Weg Sicherheit. Manchmal ist es nötig, Glaubensgespräche mit den Kindern aus einem Anlass heraus gezielt zu fördern (z.B. „Halloween“-Feier in der Schule). Darüber hinaus ist eine systematische Katechese notwendig. Es muss eine regelmäßiger Zeitpunkt gefunden werden, um die Kinder in die grundlegenden Glaubenswahrheiten einzuführen. In manchen Familien eignet sich dazu der Sonntagnachmittag oder Abend. Andere sparen im Rahmen des Abendgebets mit den Kindern eine Zeit für eine kurze Katechese aus.

Es gibt hervorragende Hörspielkassetten und Videos (Bibel, Heilige), die die religiöse Erziehung der Eltern unterstützen können. Ideal geeignet ist auch die neue Religionsbuchreihe „Glaube und Leben“, die den ganzen Glauben der Kirche in einfacher und klarer Sprache darbietet.

Gute Freunde

Es ist sinnvoll, für die Kinder noch vor der Jugendzeit einen guten Freundeskreis anzubahnen (z.B. Gebetskreise, gläubige Jugendgruppen, Familienkreise) und den Kontakt zu Personen (z.B. Priester, Taufpate) herzustellen, denen sie sich anvertrauen. Natürlich sind sie in der Wahl ihrer Freunde frei. Aber um sich entscheiden zu können, braucht es Wahlmöglichkeiten, und dafür sind die Eltern verantwortlich.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
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Findet Europa zum Leben zurück?

„Kinderlos“ – heißt das neue Buch von Stephan Baier, mit dem Untertitel: „Europa in der demographischen Falle“.[1] Der Einstieg ins Thema ist „mathematischer“ Natur, denn eigentlich rechnet Stephan Baier[2] dem Leser nur vor, in welche Richtung die Entwicklung geht. Denn die seit langem bekannte, jetzt aus der Verdrängung geholte Tatsache ist: Ganz Europa ist „kinderlos“, die Zahl der Geburten ist deutlich unter jene gefallen ist, die zur Erhaltung der Bevölkerung nötig wäre.

Buchbesprechung von Weihbischof Andreas Laun

„Wunschkind“ statt „Kindersegen“

Aber nicht nur die Zahlen sind andere geworden, schon vorher und heute als „common sense“ die Einstellung zum Kind ist anders als früher: Für Abraham und die Völker aller Zeiten war das Kind ein „Segen“, die Menschen sprachen von „Kindersegen“, sie fürchteten Kinderlosigkeit und Frauen, die „gesegneten Leibes“ und „guter Hoffung“ waren, „erwarteten“ ihre Kinder, die Gott ihnen „schenkte“. Die Geburt nannte man ein „freudiges Ereignis“. Und heute? Die öffentliche Meinung kennt zwar das „Wunschkind“, willkommen, ja, aber eben nur in Abhängigkeit vom Wunsch der Eltern. Fehlt dieser, gilt das Kind als Gefahr, wenn es entstehen könnte, als Störung, wenn es da ist, als Missgeschick, wenn man die mangelhafte Verhütung bedenkt, und ein Kostenfaktor auf viele Jahre hin, der die Erfüllung der eigenen Wünsche in Gefahr bringt. Dem Faktum der Kinderlosigkeit und der Einstellung zum Kind entspricht die Politik: Im Namen der Gleichheit fördert man die DINK-Ehe („Double income no kids“ – S. 43) und Homo-„Ehe“, die wirkliche Familie hingegen wird zur Kasse gebeten und strukturell benachteiligt.

Kirche und Gesellschaft im Tiefschlaf

Auf diese Katastrophe antwortet S. Baier zuerst mit einer Analyse und dann mit seinen Vorschlägen. Eine Gesellschaft (und auch Kirche), die angesichts der Zahlen und der Gesamtentwicklung „nicht aufschreckt, muss sich im Tiefschlaf befinden“ (31). Baier tut alles, um sie aus diesem herauszureißen! Denn das demographische Problem ist nicht ein, sondern das Problem unseres Sozialstaates schlechthin (40). Die schlimmen Folgen sind: die nicht mehr bezahlbaren Sozialleistungen, der wirtschaftliche Abstieg (39ff.) und die Islamisierung Europas (53). Frage der Ideologie? Nein, der Mathematik, sagt S. Baier (39). Also müsste man die Probleme auch mit dem Rechenstift in der Hand lösen können? Möchte man meinen! Doch da stößt man wieder auf Ideologie, und wer gibt schon gerne zu, sich geirrt zu haben? Gar nicht zu reden von jener politischen Umkehr, die nicht nur angezeigt, sondern der schlechthin einzige Ausweg wäre.

Merkmale der kinderverhindernden Ideologie

Die Merkmale der Kinder verhindernden Ideologie sind hinlänglich bekannt: auf der einen Seite jenes Denken, das nur noch dem Ich, seiner Karriere und seinem „Fun“ verpflichtet ist, auf der anderen die entsprechenden Mittel, die die Störung namens Kind verhindern: Verhütung, die Abtreibung (67ff. – Baier: „gesellschaftlicher Wahnsinn“), die Förderung der Homosexualität (115). „Wenn Lemminge auf den Abgrund zurasen“, titelt Baier diesen Abschnitt und fügt in bitterer Ironie hinzu: „Alles läuft falsch, aber das wenigstens konsequent.“ Dann erklärt er, was jedes Kind verstehen kann: Die abgetriebenen Kinder fehlen (und das ist Mitschuld auch kirchlicher Kreise, die den Kampf für auch das Kind schützende Gesetze längst aufgegeben haben und nicht mehr sehen, dass jede Abtreibung ein „Abschied vom Rechtsstaat“ ist, 73-75). Die Folgen jenes Denkens, das kein Naturrecht mehr kennt (87), sind auch noch andere, jetzt „entkriminalisierte“ Tötungen: Euthanasie, Verbrauchen menschlicher Embryonen und pränatale Selektionsprogramme, die Baier unter dem provokant fragenden Titel: „Die Endlösung der Behindertenfrage?“ bespricht (105). Auch die Scheidungen tragen auf ihre Weise zur Kinderlosigkeit bei.

„Zahlen können grausam sein!“

Hilft uns Zuwanderung aus der Misere? Jein, sagt Baier, denn dann wird die heutige Bevölkerung eben eine vergreiste Minderheit sein und Europa wird, wie EU-Kommissar Bolkestein und auch der Islamforscher Lewis meinen, am Ende des Jahrhunderts muslimisch sein (57). Beklemmender Rückblick auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte: „Weder Gottes Gebote noch die Warnungen der Kirche, weder die Erfahrungen der Menschheitsgeschichte noch die reine Vernunft haben uns Europäer davon abgehalten, Ehe und Familie zu demontieren. Jetzt aber schlägt die Mathematik zurück“ Und: „Zahlen können grausam sein!“ (141)

Auswege aus der Katastrophe

Worin sieht Baier nach dieser niederschmetternden Analyse den Ausweg? Es gibt ihn, aber er bedarf eines radikalen Umdenkens und politischer Entschlossenheit. „Diese kinderlose Gesellschaft braucht eine Renaissance der Mütterlichkeit“, fordert der Verfasser und verteidigt mit Blick auf die absurde Idee der „Homo-Ehe“ die Frauen: „Welch eine Beleidigung für alle Mütter zu behaupten, ein Mann könne sie in ihrer Mütterlichkeit ersetzen“ (165). Entscheidend ist: Die Familie muss anerkannt werden: zuerst im Denken, dann aber auch auf der Ebene des Geldes: „Gerechter Lohn für getane Arbeit“, und diese Arbeit ist eben die Kindererziehung. Diese ist nicht eine Aufgabe der Gesellschaft, die sie gnädig an Eltern delegiert (wie Willy Brandt törichterweise meinte), sondern eine Aufgabe von Vater und Mutter, die der Staat subsidiär zu stützen hat (179).

Eltern als „Familien-Manager“

Nötig ist, sagt Baier im Anschluss an J. Liminski, die Familie als Unternehmen anzuerkennen und die Eltern als „Familien-Manager“ (179f). Was ist dann mit der Karriere? Baier antwortet mit einem „lebensgeschichtlich verschobenen Karrieremodell“ (193), in etwa nach dem Prinzip: „Karriere ab 40, arbeiten bis 80“ (180). Kritisch gefragt: Warum sollen Frauen gerade in jenem Lebensabschnitt Karriere machen, in dem sie fähig sind, Kinder zu bekommen und zu umsorgen (191)? Zu diesem Umdenk-Prozess gehört auch die Änderung des Wahlrechts zu Gunsten der Kinder nach dem demokratischen Grundsatz: „One child, one vote“. Schon vor Jahren forderte Otto von Habsburg damit das Kinderwahlrecht, von den Sozialisten Europas abgelehnt wie so vieles andere (200). Noch unmittelbarer wirksam wäre die Änderung des Erbrechtes: Warum, fragt Baier, soll der Staat nach einem schon einmal versteuerten Geld nochmals greifen dürfen, einem Geld, das die jungen Familien dringend brauchen würden?

Kirche muss „Meinung machen“

Kinder sind im allgemeinen Interesse. Alle brauchen sie, auch die, die keine haben (können). Eigentlich müsste es einleuchten: Der Staat braucht Kinder, die Wirtschaft braucht Kinder, kein Volk kann ohne Kinder leben. Ein Missionar, der in Südamerika lebt, erzählte mir von einem Indianerstamm, der angesichts seiner Verelendung beschloss, keine Kinder mehr in die Welt zu setzen. Europa ist reich wie nie zuvor – und ausgerechnet jetzt sollten wir uns selbst ausrotten und von der Erde verschwinden lassen? Dem Buch S. Baiers könnte man auch, in Abwandlung eines bekannten Werbe-Slogans, den Titel geben: „Entweder Sie haben Kinder oder Sie brauchen welche!“ Schwer zu verstehen ist das alles nicht, aber ich fürchte, die Verantwortlichen werden Schwierigkeiten haben, die nötigen Folgerungen zu ziehen. „Mathematik kann grausam sein“, sagt Stefan Baier, aber dass er dieses Buch für uns alle geschrieben hat, ist Barmherzigkeit: Vielleicht wachen die Verantwortlichen in Staat und Kirche endlich auf und handeln, jeder nach seinen Möglichkeiten: die Kirche sollte vor allem „Meinung machen“, die Politik die Weichen stellen. Wer weiß, vielleicht findet Europa doch noch zurück zum Leben.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8/9 August/September 2005
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Stephan Baier: Kinderlos – Europa in der demographischen Falle, MM Verlag, Aachen 2004, 210 S., ISBN: 3-928272-16-0.
[2] Stephan Baier, 1965 geboren, 1984 Abitur am „Robert Schuman Gymnasium“ in Cham, 1984-1990 Studium der Katholischen Theologie an der Universität Regensburg, der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und der Ludwig-Maximilians-Universität München, dort 1990 Diplom. Seit 1980 in verschiedenen Funktionen in der Paneuropa-Bewegung aktiv. 1991-1994 Pressesprecher der Diözese Augsburg. 1994-1999 Parlamentarischer Assistent von Dr. Otto von Habsburg im Europäischen Parlament und dessen Pressesprecher. Zugleich Tätigkeit als freier Journalist mit den Themenschwerpunkten Europa-Politik, Ost- und Südosteuropa, Theologie und Geschichte. Seit 1999 Österreich- und Europa-Korrespondent der katholischen Tageszeitung „Die Tagespost“. Etwa 2.700 europa- und gesellschaftspolitische, theologische und zeitgeschichtliche Veröffentlichungen in mehr als 30 Zeitungen und Zeitschriften. Seit 1991 verheiratet, 5 Kinder. Wohn-, „aber nicht sesshaft“ in Graz.

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