Abtreibung und Strafe

Die öffentliche Ehrung der Wiener Abtreibungsklinik durch Bürgermeister Häupl hat in den vergangenen Wochen eine neue Abtreibungsdiskussion ausgelöst. Empört mussten auf der einen Seite die Befürworter feststellen, dass es in der Gesellschaft immer noch Kreise gibt, die sich mit der Fristenlösung nicht abfinden können. Auf der anderen Seite wurde sichtbar, wie schwer sich die Kirche tut, ihren Protest adäquat zu artikulieren. Weihbischof Dr. Andreas Laun geht der Frage nach, wie man in Diskussionen mit dem Thema „Abtreibung und Strafe“ umgehen sollte.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Der aktuelle Anlass

In Österreich hat der Wiener Bürgermeister Michael Häupl im September 2009 die erste und größte Abtreibungsklinik des Landes geehrt und damit natürlich Proteste von Seiten der Kirche provoziert. Am Tag der Ehrung demonstrierten viele Menschen, wohl hauptsächlich Christen, vor dem Wiener Rathaus. Auffallend sind aber die in etwa zeitgleichen Äußerungen aus kirchlichen Kreisen: „Niemand ruft nach Strafe für verzweifelte Frauen“, oder auch: „Die Kirche will nicht strafen, nur helfen!“ Ähnlich lauteten die Meldungen nach dem Besuch Papst Benedikts XVI., der auch das Thema Abtreibung angesprochen hatte, allerdings ohne den Begriff „Fristenregelung“ in den Mund zu nehmen. Manche deuteten diese Auslassung als eine Art Zustimmung des Papstes zur Gesetzeslage in Österreich. Daher stellt sich die Frage: Gibt es zum Thema „Abtreibung und Strafe“ eine verbindliche Lehre der Kirche? Es stellt sich aber auch die Frage, wie man in Diskussionen mit dem Thema Strafe umgehen soll, da erfahrungsgemäß der Begriff Strafe starke, das Gespräch verhindernde Emotionen auslöst.

Recht des Menschen auf Schutz

Auf diese Fragen ist zunächst in aller Kürze zu antworten:

Wer erklärt, er wolle keine Bestrafung für Abtreibung und dies noch dazu pauschal, ohne weitere Einschränkung tut, hat die Fristenregelung, genau genommen sogar die totale Freigabe der Abtreibung akzeptiert und sollte sich bewusst werden, in welche „Gesellschaft“ er sich damit begibt.

Zudem ist leicht festzustellen, dass die Kirche und ihre Tradition keinen Zweifel lassen: Der Staat hat die Pflicht, Menschenrechte zu schützen und sollte daher Abtreibung bestrafen.

Angesichts der emotionalen Blockade, die der Begriff Strafe auslöst, sollte man immer nur davon sprechen, dass in einem Rechtsstaat alle Menschen das Recht auf Schutz besitzen!

Da heute aber viele Christen, auch Diakone, Priester und höhere kirchliche Würdenträger mit ähnlichen Worten wie Feministinnen öffentlich zu erklären pflegen, Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, sollten nicht bestraft werden, ist eine genauere Analyse der Frage vonnöten.

Verboten, erlaubt und „Recht auf Abtreibung“!

Es ist nicht zu leugnen: Die genannten Stellungnahmen klingen gut und christlich. Aber man muss fragen: Sind sie wahr, sind sie wirklich menschlich, stimmen sie mit der Haltung der Kirche überein, geben sie wirklich katholische Lehre wieder? Misstrauisch machen sollte auch der Umstand, dass diese Formulierung weitestgehend der Diktion jener entspricht, die die Abtreibung als Frauenrecht verteidigen!

Abtreibung ist in Österreich rechtswidrig, auch wenn sie nicht bestraft wird.[1] Aber die öffentliche Meinung deutet das Fehlen der Strafe längst als „erlaubt“ und dann ist der Schritt zum „Recht auf Abtreibung“ tatsächlich nur noch ein kleiner. Der nächste Schritt ist es dann, die Abtreibenden zu ehren, weil sie den Frauen ja nur zu ihrem Recht verholfen haben! Es ist nicht zu sehen, wie man dieser Logik entkommen könnte!

Wahr ist natürlich, dass es besonders Aufgabe der Kirche sein muss, schwangeren Frauen in Notlagen beizustehen, und wahr ist es selbstverständlich auch, dass die Kirche keine Strafgesetze im Sinn des Staates erlassen kann. Aber davon abgesehen ist an der Formulierung so gut wie alles falsch, was nur falsch sein kann:

Unterschied zur Fristenregelung?

Erinnert man sich, mit welcher Kraft damals, 1975, die ganze Kirche Österreichs, unter Führung von Kardinal König, in den Jahren der Durchsetzung der Fristenlösung durch die damalige absolute sozialistische Mehrheit, gekämpft hat.[2] kann man nur erschrecken: Was ist geschehen, dass die gleiche Kirche, die damals keinen Zweifel kannte und so aufopfernd kämpfte, heute entweder schweigt oder die Fristenlösung zu akzeptieren scheint? Denn die zitierten Sätze lassen sich mit einem klaren Nein zur Fristenregelung nicht verbinden, lassen sich von der Position der Feinde nicht mehr unterscheiden! Der Kern des Gesetzes ist ja eben dies: Keine Strafe für Abtreibungen innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft!

Man könnte – sicher zu Unrecht, aber von der Logik her eben doch – denken: diejenigen, die so reden, gehen noch weiter, sie beschränken das „nicht strafen“ nicht einmal zeitlich, und ihre Einschränkung „nur wenn die Frau verzweifelt ist“, greift, wie die Analyse zeigen wird, überhaupt nicht!

Von der pauschalen Freigabe der Abtreibung zu unterscheiden ist allerdings der Vorschlag des Volksbegehrens, das damals, 1975, von der „Aktion Leben“ organisiert und von der Kirche mitgetragen wurde. Denn auch darin war enthalten: Keine Bestrafung, wenn die Abtreibung wegen nicht anders abwendbarer Gefahr für das Leben der Mutter vorgenommen wurde und wenn sich die Frau in einer „nicht anders abwendbaren, außergewöhnlicher Bedrängnis“ und „nach Beratung“ zur Abtreibung entschlossen hatte. So ungenau auch diese Formulierungen letztlich sein mögen, klar war für die Träger des Volksbegehrens: Abtreibung wird bestraft und muss bestraft werden, nur in seltenen, tragischen Fällen kann das Gericht von der Strafe absehen! Denn die Unterzeichner des Volksbegehrens waren „überzeugt, dass menschliches Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis bis zum Tod geschützt werden muss."[3]

Die Kirchenstrafe der Exkommunikation

Die Kirchenstrafe: Wenn die Kirche wirklich gegen das „Strafen“ derer ist, die abtreiben, warum geht sie nicht mit gutem Beispiel voran und straft selbst auch nicht mehr, auch nicht mit ihren Mitteln? Denn bekanntlich bedroht sie jeden, der abtreibt oder an einer Abtreibung mitwirkt, mit Exkommunikation. Das mag den Betroffenen gleichgültig sein, im Verständnis der Kirche ist es eine schwere Strafe. Im CIC, dem Gesetzbuch der Kirche, heißt es nämlich:

„Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Verbrechen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation. „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu“,[4] so dass sie von selbst durch Begehen der Straftat eintritt. „Mit dieser Sanktion stellt die Kirche diese Straftat als eines der schwersten und gefährlichsten Verbrechen hin und spornt so den, der sie begeht, an, rasch auf den Weg der Umkehr zurückzufinden. Denn in der Kirche hat die Strafe der Exkommunikation den Zweck, die Schwere einer bestimmten Sünde voll bewusst zu machen und somit eine entsprechende Umkehr und Reue zu begünstigen“, kommentiert Papst Johannes Paul II. diesen Paragraphen des Kirchengesetzes in seiner Enzyklika Evangelium vitae.[5]

„Verzweifelte Frauen“?

Die Formulierung, niemand fordere, „verzweifelte Frauen zu bestrafen“, ist unklar, weil sie den Sachverhalt, um den es geht, durch die Wortwahl ausblendet und die Gedanken des Hörers suggestiv in die falsche Richtung lenkt und in ihm an das Mitleid appelliert, das jeder anständige Mensch mit „verzweifelten“ Menschen, besonders mit „verzweifelten Frauen“ spontan empfindet! Aber Strafgesetze richten sich nie gegen „Frauen“, als ob das Frausein ein Bestrafungsgrund wäre. Bestraft werden nie Frauen, Männer, Schwarze oder Brillenträger, sondern immer nur Täter, wer sie auch seien, männlich, weiblich, schwarz, mit und ohne Brille oder sonstige Eigenheiten!

Unbeachtet bleibt, dass wahrscheinlich sogar die Mehrheit der abtreibenden Ärzte männliche Gynäkologen sind, nicht Frauen, und bei ihnen höchstens die Kasse, nicht aber die „Verzweiflung“ eine Rolle spielt.

Die nach Einschränkung klingende Beschreibung der Frauen als „verzweifelt“ ist eigenartig: Kann ein Gericht feststellen, wer verzweifelt ist und wie sehr er oder sie es ist? Werden auch bei anderen Straftaten nur „nicht verzweifelte Täter“ bestraft, „verzweifelte“ hingegen nicht? Zudem kann und wird jede Frau sagen, sie wäre „verzweifelt“ gewesen und sie sagt damit insofern die Wahrheit, weil keine Frau gerne abtreibt und ihre natürliche Angst „Verzweiflung“ nennen kann und wird!  Damit wird nicht bestritten, dass das Gericht Milderungsgründe geltend machen kann und soll, die einer besonderen Notlage Rechnung tragen. Zudem: Wer Strafe für Abtreibung verlangt, denkt in erster Linie an die Bestrafung jener, die für Abtreibung Werbung und mit ihr Geschäfte machen. Auch könnte man das Kind auch gegen den Willen der Mutter retten!

Die pauschale Beschreibung der Frauen, die eine Abtreibung wollen, als „verzweifelt“ ist zudem fern der Realität: Abgesehen davon, dass keine Frau, wie schon gesagt, gerne und ganz leicht zur Abtreibung geht: Viele, sehr viele Frauen in Europa heute treiben aus ganz anderen Gründen als „Verzweiflung“ ab. Wer sagt, man sollte „verzweifelte Frauen“ nicht bestrafen, suggeriert in Wirklichkeit: „wegen Abtreibung keine Frau bestrafen“. Das geht sogar über die „Fristenregelung“ hinaus, zumal diese – unabhängig von irgendwelchen „Verzweiflungszuständen – immerhin noch einen beschränkenden Zeitrahmen etabliert.

Offen bleibt bei all dem, was mit dem abtreibenden oder zur Abtreibung drängenden Mann geschehen soll? Geht auch er frei, wenn er Verzweiflung nachweisen kann, wird er überhaupt gefragt?

Zur „Verzweiflungsthese“ gehört auch noch die Frage: Was begründet die Verzweiflung? Natürlich, es gibt viele Gründe, hier und jetzt kein Kind bekommen zu wollen. Aber wenn man von der Frau verlangt, nicht abzutreiben, mutet man ihr eigentlich nur einige Monate Schwangerschaft zu, dann könnte sie das Kind ohne das geringste Problem zur Adoption abgeben. Dass eine Schwangerschaft beschwerlich sein kann, ist nicht zu bestreiten. Aber ist das wirklich ein Grund zur „Verzweiflung“, der „legitimiert“ zu töten, ein Grund, der das Leben eines Kindes aufwiegt?

Diskriminierung der Strafe: Wer sagt, niemand wolle „verzweifelte Frauen bestrafen“, macht mit der Formulierung glauben, Strafe sei ebenso ungerecht wie unmenschlich! Ausgeblendet wird dabei, dass die gerechte Strafe nicht nur Sühne für ein Unrecht oder Verbrechen ist, sondern vor allem auch Schutz der Opfer! Aber davon ist in dieser Formulierung nicht die Rede! Dass für gewöhnlich derjenige, der sich angesichts solcher Worte über die herzlosen Menschen empört, die Strafe für Abtreibung fordern, für den Dieb seiner Brieftasche oder gar seines Autos sehr wohl nach Strafe ruft, wird selten bemerkt oder als Argument gelten gelassen!

Die Abtreibungsopfer: das Kind, die Frau, der Arzt und andere!

Die genannte Formulierung verschweigt das Opfer, vor allem das Kind. Die Rede von der Strafe steht ohne Bezug auf das, was bestraft und was durch das Gesetz beschützt werden soll: Es wird weder gesagt, was „abtreiben“ ist, nämlich das Töten des ungeborenen Menschen, noch, wer getötet wird, nämlich das Kind, und schon gar nicht, dass das Gesetz nicht nur „Täterinnen und Täter“ straft, sondern eine bedeutende Schutzwirkung hat:

Das Gesetz schützt und rettet Kinder: Es ist wahr, manche Frauen würden auch trotz eines Gesetzes abtreiben, aber einige würden es nicht tun, und das bedeutet: Es würden Kinder gerettet werden, wenn es ein Strafgesetz gäbe! Dass eine angemessene Bestimmung des Strafrechts tatsächlich manche Abtreibung verhindern würde, beweist die Untersuchung von B. Wimmer-Puchinger, die selbst eine Befürworterin der Fristenlösung ist:[6] Etwa 65% der befragten Frauen sagte, sie würden nicht abtreiben, wenn Abtreibung verboten wäre! In einem Land mit z. B. 100.000 Abtreibungen im Jahr würden also rund 35.000 Kinder überleben! Man stelle sich eine Schar von 35.000 fröhlicher, lärmender, spielender Kinder vor, wer wagt es dann noch zu sagen, ein solches Verbots-Gesetz wäre wirkungslos?

Das Gesetz schützt Frauen gegen den Druck der Männer und überhaupt den der Umgebung. Zudem schützt das Gesetz die Frauen vor den Leiden der Frauen nach der Abtreibung (Post-abortion-syndrom) und damit vor sich selbst, vergleichbar jenen Gesetzen, die Menschen zu hindern suchen, sich selbst Schaden zuzufügen, wie dies jede Tafel tut, die verbietet, in einen Lawinenhang einzufahren! Das Gesetz schützt aber auch die Ärzte gegenüber der Versuchung, dem Drängen mancher Frauen und vielleicht ihrer Vorgesetzten zu widerstehen! So gesehen müsste man das berühmte Wort von Mutter Teresa: „Jede Abtreibung hat zwei Opfer, das Kind und die Frau!“ eigentlich ergänzen: Jede Abtreibung hat viele Opfer, nämlich das Kind, die Frau, den Arzt und vielleicht auch einen verzweifelten Vater und andere Menschen, die das Kind nicht retten konnten!

Wann beginnt „der Mensch“?

Jeder, der Abtreibungs-Diskussionen kennt, weiß: Die Befürworter des Rechtes auf Abtreibung behaupten immer, vor der Geburt, wenigstens in den ersten Monaten, sei „es“ ja noch kein Mensch! Nie hört man: „Ja, es ist natürlich ein Mensch, das wissen wir, aber wir haben das Recht, ihn oder sie zu töten!“ Ich erinnere mich sogar an eine Diskussion im Österreichischen Fernsehen, in der Johanna Dohnal, eine der radikalsten Verfechterinnen von freier Abtreibung in Österreich, der Vertreterin der „christlichen“ ÖVP,[7] die erklärte, „es sei ein Mensch, aber auch sie sei gegen Strafe“ erwiderte: „Wenn ich überzeugt wäre, es ist ein Mensch, wäre ich für Bestrafung!“ In einer anderen TV-Diskussion über das Thema Abtreibung verlangte der Moderator von vornherein, dass keine der Teilnehmerinnen das Wort „Kind“ benützen dürfe, was aber keine der Frauen durchhielt, jeder rutschte das „Kind“ heraus! Das zeigt: Auch die Befürworter der freien Abtreibung haben eine panische Scheu zu denken oder gar zuzugeben, dass bei der Abtreibung Kinder, also Menschen getötet werden und sie dies für rechtens hielten. Übrigens ist es wichtig festzuhalten: Dies unterscheidet die heutige Abtreibungs-Ideologie in einem sehr wichtigen Punkt von der Tötungs-Ideologie der Nazis!

Wenn das wahr ist, wenn also auch bei den Befürwortern der Abtreibung das Tabu des Tötens eines Menschen wenigstens in der Theorie respektiert wird, sind jene Christen nicht mehr zu verstehen, die trotz ihrer Überzeugung, dass bei jeder Abtreibung ein Mensch getötet wird, bereit sind zuzugestehen, dass diejenige, die töten, straflos bleiben!

Die kirchliche Lehre ist eindeutig

Wie steht es mit der Behauptung, kein Christ fordere eine Bestrafung derer, die abtreiben? Der Katechismus der römisch-katholischen Kirche (KKK), fordert sehr wohl Strafe: „In dem Augenblick, in dem ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen des Schutzes beraubt, den die bürgerliche Gesetzgebung ihnen gewähren muss, leugnet der Staat die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn die Staatsmacht sich nicht in den Dienst der Rechte jedes Bürgers stellt, und in besonderer Weise dessen, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des Rechtsstaates untergraben … Als Folge der Achtung und des Schutzes, die man dem Ungeborenen vom Augenblick seiner Empfängnis an zusichern muss, muss das Gesetz die geeigneten Strafmaßnahmen für jede gewollte Verletzung seiner Rechte vorsehen“.[8]

Ebenso lässt Evangelium vitae, die große Lebensenzyklika von Papst Johannes Paul II. nicht den geringsten Zweifel an der Position der Kirche zu: „Das Recht auf Abtreibung, Kindestötung und Euthanasie zu fordern und es gesetzlich anzuerkennen, heißt, der menschlichen Freiheit eine perverse, abscheuliche Bedeutung zuzuschreiben: nämlich die einer absoluten Macht über die anderen und gegen die anderen. Aber das ist der Tod der wahren Freiheit!"[9] Und weiter unten heißt es: „Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewusstseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht."[10]

Keine Kapitulation vor dem Zeitgeist!

Die oben zitierten Sätze sind nichts anderes als eine, von den jeweils Sprechenden selbst wahrscheinlich gut gemeinte, aber nicht bemerkte Kapitulation vor dem Zeitgeist! Wenn die Kirche sich selbst treu bleiben will, darf sie niemals aufhören, den Fall der heutigen Abtreibungsgesetze zu verlangen, genauso zäh und unerbittlich wie der römische Senator Cato, der mit seinem „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ die Zerstörung von Karthago, dem Erzfeind Roms, verlangte! Ebenso müssen Katholiken dabei bleiben zu sagen: „Istam legem abortus esse delendam!“

Hoffnungslos? Im Augenblick hinsichtlich einer unmittelbaren politischen Umsetzung sicher, aber nicht für eine Kirche, die die grauenhaftesten, atheistischen Ideologien bereits überlebt hat, die in Jahrhunderten denkt und, was noch viel mehr ist, auf die Hilfe Gottes vertraut!

Das Zeugnis der Kirche auf Weltebene ist ungebrochen

Tröstlich ist es zu wissen, dass die Katholiken auf der Ebene der Weltkirche keineswegs wanken, sondern die kath. Position mehr oder weniger mutig, aber im Wesentlichen ohne Abstriche verteidigen: Wo immer Abtreibung irgendwie erlaubt werden soll, protestieren die Bischöfe des jeweiligen Landes! Tröstlich ist es auch zu wissen, dass es immer auch Menschen ohne enge Kirchen-Beziehung gibt, die das Gesetz, das Gott ihnen ins Herz geschrieben hat,[11] sehr wohl zu lesen imstande sind und darum feststellen, „dass in allen Ländern der Welt, die man die gesitteten nennt, die Gesetze der Menschen und der Religionen den Frauen verbieten, die keimende Frucht ihrer Leiber abzutreiben."[12] Dieser Satz J. Roths könnte tatsächlich auch in jedem Lehrbuch der katholischen Soziallehre stehen! Dass er eines glücklichen Tages wieder der Wirklichkeit entspricht und die Mehrheit der Menschen so denkt, dafür muss man kämpfen!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
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[1] So die Ansicht des Obersten Gerichtshofes oder auch der Volksanwaltschaft. Vgl. dazu F. Bydlinski/Th. Mayer-Maly: Mensch von Anfang an, Wien 2008.
[2] Vgl. Sagmeister: Die Grundwerte und die Reform des Abtreibungsgesetzes in Österreich, Salzburg 1981.
[3] Sagmeister: Grundwerte, 126.
[4] CIC 1398.
[5] EV 62.
[6] Wimmer-Puchinger B.: Empirische Untersuchung zum Schwangerschaftsabbruch, Wien 1983, 55: Auf den Satz „Ich würde mich auch dann bemühen, einen Arzt für den Schwangerschaftsabbruch zu finden, wenn es das Gesetz der Fristenlösung nicht gäbe“, antworten 64,7% mit Ja, aber 35,3% mit Nein!
[7] Während die ÖVP 1975 noch gegen das Gesetz der Fristenlösung kämpfte und, Schulter an Schulter mit der Kirche, das Volksbegehren mittrug, verbietet sie heute in ihrem „Perspektiven-Papier“ ihren Mitgliedern, die Fristenlösung wieder in Frage zu stellen!
[8] KKK 2273.
[9] EV 20.
[10] EV 57.
[11] Röm 2,15.
[12] Roth J.: Gesammelte Werke, Bd.3, Köln 1991, 618.

Abtreibung – Ideologie und Geschäft

Die Journalistin Alexandra Maria Linder M.A. hat mit ihrem kürzlich erschienenen Buch über das Milliardengeschäft der Abtreibungslobby ein Tabu gebrochen.[1] Selten zuvor hat jemand so offen über die unbehelligten Machenschaften der verschiedenen Wirtschaftszweige gesprochen, die an der massenweisen Tötung ungeborener Kinder verdienen. Schonungslos deckt sie die Interessen der Pharma- und Kosmetikindustrie auf. Mutig und sachlich präsentiert sie die ungeheuerlichen Fakten, um nicht zuletzt die Politik herauszufordern und ihr eine Hilfe zu bieten, die wirklichen Gründe für den Abtreibungsskandal anzugehen und eine ethisch vertretbare Medizin zu fördern.

Von Alexandra Maria Linder

Abtreibung ist die häufigste nicht-natürliche Todesursache der Welt, eine Tatsache, die anhand der offiziell von den Vereinten Nationen oder der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Statistiken nachgeprüft werden kann: An Aids sterben jedes Jahr weltweit ca. 2,5 Millionen Menschen, an Hunger 11 Millionen, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen 17 Millionen – an Abtreibung sterben über 40 Millionen Kinder sowie angeblich 70.000 Mütter. „Angeblich“ deshalb, weil diese Zahl im Unterschied zu den anderen nicht belegt werden kann. Nichtsdestoweniger nutzen Organisationen sie, um ein ganz neues Menschenrecht zu fordern: das Menschenrecht auf Abtreibung.

Politisch motivierte Werbekampagnen

Was sich unglaublich anhört, findet sich inzwischen ganz offen, unter anderem bei Amnesty International, bei CEDAW (Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen) oder der IPPF (Int. Vereinigung für geplante Elternschaft, die Dachorganisation der deutschen „Pro“ Familia). Die UNFPA, die Bevölkerungskommission der Vereinten Nationen, darf offiziell keine Werbung für Abtreibungen machen, darf aber sehr wohl Nicht-Regierungs-Organisationen finanziell unterstützen. Unter diesen Organisationen sind dann auch diejenigen, die offen oder heimlich Abtreibungen bewerben und durchführen. Die Argumentation lautet: weil Frauen an heimlichen Abtreibungen in Ländern, in denen Abtreibung verboten ist, sterben, muss man die Abtreibung „sicher und legal“ anbieten. Dies ist die aktuellste Stufe einer ideologischen Ausrichtung, die bis zur Haltung „Sex haben ohne Angst vor Schwangerschaft, mit Hilfe von künstlicher Verhütung und Abtreibung als Sicherung dahinter“ geht.

Um dies durchzusetzen, werden Begriffe umdefiniert: aus Schwangerschaft bedeutet Zeugung eines Kindes wird Schwangerschaft bedeutet Einnistung eines befruchteten Eis in die Gebärmutter. So kann man problemlos alles als Verhütung bezeichnen, was zwischen der Zeugung und der Einnistung des Kindes eingreift. Die Mittel bewirken dann keine Frühabtreibung, sondern Spätverhütung. Aus dem Kind wird Schwangerschaftsgewebe oder ein Fruchtsack, damit man nicht offenlegen muss, dass es sich um einen Menschen handelt, der abgetrieben wird. Frauen, die bei illegalen Abtreibungen sterben, werden in die Rubrik der „Müttersterblichkeit“ integriert, um die Öffentlichkeit zu gewinnen – denn jeder vernünftige Mensch stimmt natürlich zu, dass man gegen Müttersterblichkeit etwas unternehmen muss.

Milliardengeschäft mit der Massentötung

Zu ideologischen Strömungen kommt das Geschäft. Mit Verhütung und Abtreibung werden Milliardenumsätze gemacht, mittlerweile vor allem in den Staaten der so genannten Dritten Welt, die durch ihre Bevölkerungszahlen höhere Gewinnaussichten versprechen als die inzwischen demographisch nicht mehr interessanten Industrieländer.

Sind künstliche Verhütung und Abtreibung wirklich die Hilfe, die benötigt wird? Wenn man in der so genannten Dritten Welt sinnvoll helfen will, muss man Bildung, Gesundheitsfürsorge, die Vor- und Nachsorge bei Schwangerschaft und die Versorgung von Neugeborenen verbessern sowie echte Aufklärung betreiben. Man müsste inhaltlich berücksichtigen, dass natürliche Familienplanung (so belegt eine neue Studie der Universität Heidelberg) ebenso sicher ist wie die Pille, mit den zusätzlichen Vorteilen, dass es keine Hormonbelastung mit gesundheitlichen Negativ-Folgen gäbe und keine Frühabtreibungen zwischen Zeugung und Einnistung des Kindes. Außerdem könnte dies dem Respekt des Mannes vor der Frau dienen, denn mit Pille und Kondom steht sie ständig zur Verfügung, während bei der natürlichen Familienplanung Rücksichtnahme gefragt ist – ein wahrhaft emanzipatorischer Aspekt, der in diesen Staaten nicht erwähnt wird und bei uns gesellschaftlich keine Rolle mehr spielt, in den 70er Jahren aber als bedenklich angesehen wurde (z.B. von Alice Schwarzer). Und es entstünden deutlich geringere Kosten – damit natürlich auch keine Gewinne für die Produzenten.

Zellen abgetriebener Kinder in Impfstoffen

Auch in ganz anderen Bereichen lässt sich mit Abtreibung viel Geld verdienen: Seit Jahrzehnten werden z.B. viele Impfstoffe, die Virenerkrankungen vorbeugen, auf Zellen von abgetriebenen Kindern kultiviert. Es gibt weltweit keinen Impfstoff gegen Windpocken, der ohne solche Zellen hergestellt wurde. Auch für die kombinierte Masern-Mumps-Röteln-Impfung gibt es in Deutschland keine Alternative, während zum Beispiel in Japan ethisch unbedenkliche Impfstoffe vorhanden sind. Man kann solche Impfstoffe auch auf den Zellen von Affen, Hunden, auf bebrüteten Hühnereiern oder Hefezellen kultivieren. Die Kleinstkinderzellen sind aufgrund der Verträglichkeit (keine Allergien), der Sicherheit (keine Übertragung tierischer Krankheiten) und der Lukrativität (schneller und besser produzierbar) für die Herstellung attraktiver. Rein zahlenmäßig handelt es sich nicht um immer wieder neue abgetriebene Kinder, sondern die meisten dieser Impfstoffe basieren auf Zell-Linien von zwei in den 60er Jahren abgetriebenen Kindern, die die Kürzel MRC-5 beziehungsweise WI-38 tragen. Seit einigen Jahren kommt eine Zell-Linie von einem dritten getöteten Kind hinzu: PER.C 6. Da nur diese und weitere Kürzel verwendet werden, haben Mediziner und Apotheker in der Regel keine Kenntnis von solchen Fakten. Die Forscher aber wissen genau, an was für Zellen sie arbeiten – so hat auch der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen, der seinen Preis für die Entwicklung eines (auf Hefezellen kultivierten) Impfstoffes gegen Gebärmutterhalskrebs erhalten hat, im Verlauf seiner Forschungstätigkeit auch mit den Zellen abgetriebener Kinder gearbeitet.

Im Bereich der Impfstoffe und der neuen medizinischen Möglichkeiten wie monoklonale Antikörper oder Gentherapie-Produkte geht es weniger um die Anzahl der getöteten Kinder als vielmehr um die ethische Dimension: darf man aus abgetriebenen Kindern Medizin herstellen?

Unbehelligtes Walten der Pharma- und Kosmetikindustrie

In anderen Bereichen gibt es mittlerweile eine Tendenz zur generellen Verwertung der toten Kinder in großem Stil: für Anti-Aging-Behandlungen im Ausland (z.B. Russland, Barbados) wird ständig neues, von Abtreibungen stammendes „Material“ geliefert. Solche Frischzellen kann man in den Handrücken spritzen, in Hautcremes verarbeiten oder medizinisch nutzen. Versuche, mit Kleinstkinderzellen oder ganzen Organen der getöteten Kinder Transplantationen vorzunehmen, gibt es ebenfalls schon seit den 60er Jahren. Begehrt sind vor allem Zellen zur Behandlung von Alzheimer, Parkinson, von Rückenmarkserkrankungen, bestimmten Formen der Diabetes oder Multipler Sklerose und Amyotropher Lateralsklerose. Solche Therapien werden versuchsweise auch in Deutschland getestet: für die Behandlung eines Parkinson-Patienten werden etwa 6-12 (die Angaben schwanken) Kinder benötigt. Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Parkinson-Patienten würde die offizielle Anzahl von in Deutschland abgetriebenen Kindern schon nicht mehr ausreichen, um alle Patienten zu behandeln, abgesehen davon, dass man nicht jedes dieser Kinder dafür nutzen könnte. Somit ergäbe sich für eine umfassende Behandlung ein Markt sowohl für den Import von Kindern als auch für neue Verdienste aus Sicht der Medizin, denn solche Behandlungen sind aufwendig und teuer.

Schluss mit der allgemeinen Tabuisierung

Diese und weitere Themen (z.B. embryonale Stammzellforschung und In-vitro-Fertilisation) werden vor allem im Hinblick auf die Kommerzialisierung in dem Buch „Geschäft Abtreibung“ behandelt. Wichtig war mir als Autorin, dass die Fakten und die Zahlen zur Untermauerung in sachlicher Weise, kompakt, umfassend und lesbar dargestellt werden. Die allgemein übliche Tabuisierung der Thematik dient weder den Betroffenen noch der Gesellschaft, sie fördert nur die Möglichkeit, mit dem Tod der Kinder und dem Leid der Familien fast unentdeckt viel Geld zu verdienen – diese Geschäfte und der ideologisch bestimmte Umgang mit bestimmten Menschen müssen zusammengefasst und offengelegt werden, damit sich politisch und gesellschaftlich etwas ändert. Dafür wurde dieses Buch geschrieben.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Alexandra Maria Linder: Geschäft Abtreibung, Augsburg 2009, geb., 176 S., ISBN 978-3-86744-084-4, Euro 18,90 (D), Euro 19,50 (A).

Sieg der Sühne

Der bekannte Schriftsteller Alfons Sarrach hat ein neues Buch über den Gnadenort Wigratzbad geschrieben, das in Kürze erscheinen wird. Wie er dazu kam und was ihn dabei bewegte, das schildert er auf ergreifende Weise in nachfolgendem Artikel. Der Beitrag verspricht ein spannendes Buch. Der Autor hat es unter den Titel gestellt: „Sieg der Sühne. Wigratzbad – Marias Botschaft an den Menschen“.[1] Er gibt darin nicht nur die Geschichte des Heiligtums wieder, sondern erschließt dem Leser die Botschaft, die mit diesen Ereignissen verbunden ist. Er selbst ist von Wigratzbad zutiefst berührt und misst seiner Sendung eine außerordentliche Bedeutung für Kirche und Welt bei.

Von Alfons Sarrach

Freundschaft mit Bischof Stimpfle

Die Entstehung dieses Buches hat einen merkwürdigen Hintergrund. Am Anfang stand ein Interview, das im Jahre 1978 der damalige Oberhirte von Augsburg, Dr. Josef Stimpfle, dem politischen Redakteur der Esslinger Zeitung gegeben hat. Es ging um Europa und um die Menschenrechte.

Aus dem Pressegespräch wurde eine langjährige Freundschaft. Denn während des Gedankenaustauschs erfuhr der Bischof, dass sein Gegenüber gerade im Begriff war, drei kranke verlassene Kinder aus Indien zu holen und ihnen mit seiner Frau in der Nähe von Fulda ein Zuhause zu geben. Diese Entscheidung bildete die Basis für das gegenseitige Verstehen. Fortan nämlich besuchte Dr. Stimpfle die Familie in jedem Jahr am Rande der Fuldaer Bischofskonferenz. Das setzte er auch nach dem Rückzug in den Ruhestand fort.

Er bat mich mit bebender Stimme

Zur großen Überraschung lud er den Verfasser im Sommer 1996 zu einem Arbeitsessen nach Augsburg ein. Dort trug er ihm sein Anliegen vor: Es war die Gebetsstätte Wigratzbad in der Nähe von Lindau am Bodensee. Mit großem Ernst erzählte er seinem Gast die Hintergründe der Lebensgeschichte der christlichen Widerstandskämpferin und Mystikerin Antonie Rädler und bat ihn mit bebender Stimme, sich des Stoffes anzunehmen und ein Buch darüber zu verfassen. Er selbst wollte nach seinem Urlaub in der Schweiz mit ihm nach Wigratzbad fahren und ihn persönlich in alles einführen. Dazu kam es nicht mehr. Ganz plötzlich wurde der Bischof in die Ewigkeit abberufen.

Dadurch verzögerte sich das Vorhaben um lange Zeit, bis dem Autor im Jahre 2007 die notwendigen Unterlagen über die Entstehung der Stätte in die Hand fielen. Er machte sich an das Studium der Akten und kam vom Stoff nicht mehr los. Vor seinen Augen entfaltete sich die faszinierende Geschichte einer großen Mädchen- und später Frauengestalt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Abenteuer einer begnadeten Frau

Während die Menschen in Mitteleuropa und darüber hinaus einer verhängnisvollen Ideologie ihr Ohr liehen und nach und nach einem nationalen Siegesrausch verfielen, durchschaute diese begnadete Frau, in großer Vereinsamung, sehr bald die verhängnisvolle Entwicklung und setzte sich ihr entgegen. Bestätigt und bestärkt wurde sie von einer Frau aus der Ewigkeit, der Mutter des Herrn, die sich ihr gegenüber in der neu erbauten Grotte der Familie als „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg“ zu erkennen gab.

Von dem brutalen Machtapparat drohte sie in den folgenden Jahren zermahlen zu werden, wurde in Gefängnissen gequält und musste eine längere Zeit Zuflucht im Bregenzer Wald suchen. Aber sie überlebte das Regime unter abenteuerlichen Umständen. Danach versuchte sie gegen viel Unverständnis und Widerstand eine Einweihung der noch kurz vor Ausbruch des Krieges erbauten Kapelle zu erreichen, konnte jedoch die Bedenken der Behörden nicht zerstreuen, die ihr eine ungesunde Religiosität unterstellten.

Weitsichtige Entscheidung des Oberhirten

Erst im Herbst 1963 zog der geistige Frühling in Wigratzbad ein, als ein für damalige Verhältnisse blutjunger Bischof zum Oberhirten des zuständigen Bistums berufen wurde. Es war Dr. Josef Stimpfle. Bereits nach wenigen Wochen machte er sich auf den Weg, um die Stätte persönlich von allen Seiten unter die Lupe zu nehmen. Obwohl unbeabsichtigt, traf er auch auf die Seherin Antonie. Es folgte ein langes Gespräch, forschende Fragen und freimütige Antworten. Kurze Zeit danach wurde die unter großen Opfern erbaute – und in den letzten Tagen des Krieges vom Granathagel verschonte Kapelle – für den Gottesdienst freigegeben, nachdem man fast mehr als zwanzig Jahre darauf gewartet hatte.

Fortan explodierte der Pilgerstrom. Die Kapelle mit großer Krypta und mehreren Nebenräumen konnte die Beter nicht fassen. So wurde der Bau einer eindrucksvollen „Sühnekirche“ beschlossen – und errichtet, finanziert mit dem Privatvermögen der Seherin und mit Spenden der zahlreichen Pilger und vieler Menschen, die hier Heilung und seelische Genesung gefunden hatten.

Atmosphäre wahrer Liebe

Während Philosophen und Schriftsteller sich in den letzten zweihundert Jahren auf der Suche nach der Wahrheit im Kreise drehen oder Antworten anbieten, die in sich den Keim der Verzweiflung tragen, waren und sind es Visionäre und Mystiker, die den Menschen wieder Hoffnung schenken und Licht am Ende des dunklen Tunnels aufleuchten lassen, durch den sich die auf ihre Vernunft fixierte Menschheit quält. Wie anders sind die Massen zu erklären, die alljährlich an Orten wie Lourdes, Lisieux, Fatima, Medjugorje oder Wigratzbad anzutreffen sind und nicht selten gerade dort seelische Weichenstellungen vornehmen, die im Gegensatz zu dem stehen, was sie bisher gelebt haben. Sie entdecken die Atmosphäre wahrer Liebe.

Antonie war eine solche Mystikerin. Was sie mit ihrem geistigen Auge vorausgesehen hat, ist eingetreten, der Versuch des Menschen, trotz aller Enttäuschungen und bitterbösen Erfahrungen im 19. und 20. Jahrhundert, sein eigenes Ich zum Maßstab aller Wirklichkeit zu machen, auf den sich alles zu beziehen hat. Eine freudlose Ich-Gesellschaft breitet sich aus rund um den Globus, die alles zertrampelt, was einmal heilig war und dem Menschen den Weg zum Heil gewiesen hat. Antonies Antwort darauf war, sich selbst aufzuopfern, Sühne zu leisten und auf diese Weise den Menschen das Umdenken zu erleichtern, die Wiederentdeckung der Frohen Botschaft, dass Gott uns nahe ist und in der Eucharistie als Ewige Liebe unter uns wohnt.

Persönliche Erfahrung mit Sühne

Bei der Verfassung dieses Buches musste der Autor es erfahren. Er blieb von Leiden nicht verschont. Die ersten Zeilen waren kaum geschrieben, als bei seiner Frau ein schweres Krebsleiden entdeckt wurde. Über acht Monate schrieb er, ständig unterwegs zwischen Klinik oder Pflegeheim und der Wohnung. Nach der Erholung vom Tumor traten bei der Patientin Störungen bei der Wasserzirkulation im Gehirn auf, die zu Sprach- und Gehstörungen führten und zwei operative Eingriffe notwendig machten. Hinzu kam ein Oberschenkelhalsbruch in der Rehaklinik.

In wachen Zuständen zwischendurch fragte sie stets nach dem Fortschritt des Buchmanuskriptes über Wigratzbad und erinnerte an das dem Bischof von Augsburg gegebene Versprechen. In Träumen würde der verstorbene Oberhirte sie darum bitten. Mehr unbewusst als bewusst nahm sie an den Arbeiten intensiven Anteil. Ihr Leiden nahm sie als Sühneleiden im Geiste der Gebetsstätte an.

Vollendung des Opfers am Fest Maria Königin

Anfang August dieses Jahres eröffnete Prof. Dr. H.G. Höffkes vom Klinikum Fulda dem Autor mit bewegter Stimme, dass trotz intensiver Bemühungen keine Therapie mehr greife. „Es zählen nur noch Tage“, sagte er. Wir holten sie heim. Zwei Wochen vorher war das Buchmanuskript „Sieg der Sühne“ über Wigratzbad fertig geworden. Sie hatte es noch in Händen gehalten. Alle indischen Töchter konnten sich von ihr verabschieden, Verwandte und Freunde kamen aus ganz Deutschland. Aus Heroldsbach Erika Bachg. Von Papst Benedikt XVI. traf rechtzeitig ein Brief ein, in dem er versicherte, für die Patientin zu beten. Am 22. August, am Fest Maria Königin, rief sie Gott, die ewige Liebe, zu sich in sein Reich. Unendlich hatte sie sich auf diese Begegnung gefreut und ihr ins Auge geschaut, nachdem sie Gott ihr Leben angeboten hatte als weiteren kleinen Baustein für eine Stätte, die zu einer Botschaft der Mutter des Herrn an den Menschen geworden war.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Nach drei Auflagen derzeit (2015) nicht lieferbar.

Seliger Eustachius Kugler

Pater Leodegar Klinger, der Prior der Barmherzigen Brüder in Regensburg, hat den Seligsprechungsprozess seines Ordensbruders Eustachius Kugler als Vizepostulator betreut. Am 4. Oktober 2009 nun darf er das ersehnte Fest erleben. Um 14 Uhr wird Erzbischof Angelo Amato, der Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, im Hohen Dom zu Regensburg Frater Eustachius selig sprechen und anschließend den Reliquienschrein in feierlicher Prozession wieder vom Dom in die Krankenhauskirche St. Pius übertragen. In einem leuchtenden Zeugnis stellt P. Klinger den neuen Seligen vor.[1] Er ist überzeugt: Wer so lebt, wie Frater Eustachius, „in dem wirkt der Heilige Geist. Sein Herz ist durchflutet von göttlicher Liebe. In ihm lebt Gottes Friede und die Freude Gottes.“

Von Leodegar Klinger O.H.

Grundlegung des Glaubens in der Familie

Bruder Eustachius, mit bürgerlichem Namen Joseph Kugler, wurde am 15. Januar 1867 als jüngstes von sechs Geschwistern in dem kleinen oberpfälzischen Dorf Neuhaus bei Nittenau geboren. Sein Vater war ein einfacher Hufschmied und Kleinbauer. Er starb bereits mit 51 Jahren am 31. März 1874, als Joseph gerade die erste Klasse Volksschule besuchte. Gleichzeitig war die Oberpfalz damals eine arme Region. Begriffe wie „Sparen“ und „Verzichten“, „Opfer bringen“ und „Arbeiten“ gehörten zum täglichen Sprachgebrauch der Kinder. Dennoch hatten sie in der Familie ihr „Zuhause“, wo sie Geborgenheit und Liebe erfuhren. Den christlichen Glauben erlebten sie im täglichen gemeinsamen Familiengebet. Die Frömmigkeit wurde dem jungen Joseph zum Fundament für sein ganzes späteres Leben. Schon früh bekam er eine innige Beziehung zum „Vater im Himmel“ und zur „Himmelmutter“, wie er Maria oft nannte. Dies half ihm über manche Schwierigkeiten und harten Stunden in der Ausbildungszeit hinweg.

Entdeckung der Berufung im Umfeld seiner Arbeit

Aufgrund des frühen Todes seines Vaters begann Joseph gleich nach der Schulzeit 1881 in München eine Lehre als Bauschlosser. Dort stürzte er bei der Arbeit vom Gerüst und zog sich eine schwere Verletzung an seinem Bein zu. Infolge dieses Unfalls, verursacht durch einen ruppigen Baugesellen, litt er zeitlebens an einer Gehbehinderung. So kehrte er 1884 zu seiner Schwester nach Reichenbach zurück und erledigte bei seinem Schwager, dem Schmied Josef Reichenberger, Arbeitsaufträge. Die Barmherzigen Brüder hatten 1891 das ehemalige Benediktinerkloster als Ruine erworben und richteten es als Pflegeanstalt für „Geisteskranke und Epileptiker“ her. Für den Umbau des Gebäudekomplexes erhielt der Schwager den Auftrag für die anfallenden Schlosser- und Spenglerarbeiten. Auch Joseph wirkte als Schlosser mit und machte Bekanntschaft mit Subprior Frater Eligius Neumeier. Dieser kümmerte sich um seinen kranken Fuß und erreichte, dass sich die offene Wunde endlich schloss. Das gab Josef den Anstoß, sich näher mit dem Orden zu befassen. Zwei Jahre lang beobachtete er die aufopfernde Arbeit der Barmherzigen Brüder und kam zu der Überzeugung, dass dieser Dienst auch etwas für ihn wäre.

Hindernisse bei der Aufnahme in den Orden

Im Alter von fast 26 Jahren trat er schließlich am 11. Januar 1893 als Kandidat in das Kloster Reichenbach ein. Am 3. Juli erhielt er sein erstes Ordenskleid, den so genannten Devotionshabit, und den Ordensnamen Eustachius. Wenig später wurde er nach Bad Wörishofen in das Kurhaus „Sebastianeum“ versetzt. Beinahe hätte er dort seinen weiteren Weg im Orden beenden müssen. Am 11. Juli 1894  nämlich stimmten seine Mitbrüder gemäß den Ordensstatuten über seine Aufnahme als Novize ab. Wegen seiner Gehbehinderung fiel die Abstimmung negativ aus: Fünf schwarze Kugeln (Nein-Stimmen) standen gegen vier weiße Kugeln (Ja-Stimmen). Doch auf Weisung der Ordensleitung wurde die Abstimmung wiederholt und zeigte nun ein positives Ergebnis. Am 20. Oktober 1894 trat er in Neuburg an der Donau sein einjähriges Noviziat an. Dort legte er am 21. Oktober 1895 die einfache Profess ab. Nach drei weiteren Jahren des Einsatzes in der heimatlichen Pflegeanstalt Reichenbach erfolgte hier am 30. Oktober 1898 die feierliche Profess mit dem besonderen Versprechen, den Notleidenden ein Leben lang zu dienen. Keiner ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass der bescheidene, zurückhaltende, durch sein Fußleiden leicht körperbehinderte ehemalige Schlossergeselle zur höchsten Leitungsfunktion in der Bayerischen Ordensprovinz aufsteigen sollte.

Von seinen Mitbrüdern immer mehr geschätzt

Seit seinem Eintritt in den Orden hatte sich Bruder Eustachius liebevoll um die ihm anvertrauten Menschen gesorgt. Seine Mitbrüder schätzten ihn so sehr, dass er mehrfach als Prior berufen wurde.

Der Weg dahin führte über zahlreiche Einrichtungen des Ordens in Bayern: 1899 tat er zunächst Dienst in der Pflegeanstalt Gremsdorf. 1902 wurde er zum Krankenpflege- und Apothekendienst der Barmherzigen Brüder des Staatlichen Zuchthauses Kaisheim bei Donauwörth eingesetzt. 1905 übertrug ihm das Provinzkapitel bereits die Verantwortung als Prior für die Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Straubing. 1914 wurde er Prior in Gremsdorf und 1922 Prior des Konvents St. Wolfgang in Neuburg an der Donau.

Höchstes Leitungsamt in der Provinz

Im Juni 1925 überraschte das Provinzkapitel in Neuburg an der Donau mit einer unerwarteten Entscheidung: Frater Eustachius wurde zum Provinzial, zum Leiter der Bayerischen Ordensprovinz, gewählt. Dieses Amt versah er bis zu seinem Tod. In den turnusmäßig alle drei Jahre folgenden Wahlen wurde er viermal (1928, 1931, 1934 und 1937) wieder gewählt. Während des Zweiten Weltkriegs verlängerte sich die Amtszeit auf Anordnung der Generalleitung in Rom automatisch. Die erste im Juli 1946 angesetzte Nachkriegswahl erlebte er nicht mehr. Nach einer langen Krankheit – er litt mehrere Jahre an Magenkrebs und an einem Zwölffingerdarmgeschwür – verstarb er am 10. Juni 1946, einem Pfingstmontag, im Alter von 79 Jahren.

Eine seiner größten Leistungen war der Bau eines Musterkrankenhauses in Regensburg. Durch den Münchener Stararchitekten Prof. Albert Boßlet ließ er von 1927 bis 1930 im modernsten Dessauer Bauhausstil ein Doppelkrankenhaus errichten, einen Männer- und einen Frauenbau mit insgesamt 450 Betten (später St. Pius und St. Vinzenz genannt). Dem Gebäude wurde 1932 auch eine Krankenpflegeschule des Ordens angegliedert. Um die gewaltige Summe von 8,3 Millionen Reichsmark für den Bau aufzubringen, entwickelte er ein eigenes Finanzierungskonzept: eine Hypothekenbelastung aller Häuser des Ordens in Bayern mit entsprechenden Rückzahlungsverpflichtungen. Damit ging er ein gewaltiges Risiko ein, das auch von seinen Mitbrüdern scharf kritisiert wurde. Ihnen hielt er schlicht und einfach entgegen: „Ich habe das alles mit meinem Vater im Himmel ausgemacht. Es wird nichts fehlen!“ 1934 verlegte er auch den Sitz des Provinzialats von Neuburg an der Donau nach Regensburg.

„Dort ist unser Führer!“

Während der Zeit des Nationalsozialismus musste er als Provinzial über 30 entwürdigende Verhöre der Gestapo über sich ergehen lassen. Diese stand er in der Kraft des Glaubens mit beeindruckender Ruhe durch. Doch am 9. August 1937 brach er nach einem stundenlangen Verhör zusammen. Immer stellte er sich schützend vor seine Mitbrüder. Aber er konnte nicht verhindern, dass viele der ihm Anvertrauten der Schreckensherrschaft der Nazis zum Opfer fielen. Es tat ihm ungeheuer weh, als aus den Behinderteneinrichtungen Heimbewohner auf Lastwagen in Vernichtungslager abtransportiert wurden. In dieser schwierigen Zeit hatte er noch mehr gebetet. Er sah keinen anderen Weg, als vor dem Tabernakel die Last, die auf seinem Herzen ruhte, dem Erbarmen Gottes hinzuhalten.

Am 17. August 1943 forderte ein schwerer Bombenangriff auf die Messerschmitt-Flugzeugwerke in unmittelbarer Nähe des Regensburger Krankenhauses 400 Todesopfer; das Krankenhaus entging wie durch ein Wunder der Zerstörung. Während der rund 20 Luftangriffe kniete Bruder Eustachius in der Hauskapelle vor dem Tabernakel nieder. Als er gezwungenermaßen auf Anordnung des Luftschutzwarts den Luftschutzkeller aufsuchen musste, betete er dort unentwegt den Rosenkranz. Dass das Krankenhaus trotz der heftigen Angriffe von größeren Schäden verschont blieb, war mit reiner Vernunft nicht zu erklären.

Als Adolf Hitler – noch vor dem Krieg – Regensburg einen Besuch abstattete, fuhr er über die Prüfeningerstraße zum Rennplatz. Manche Brüder waren neugierig. Sie machten ihren Provinzial aufmerksam. Einige wollten ihn zum Fenster führen. Mit dem Fingerzeig in Richtung Krankenhauskirche sagte Frater Eustachius: „Dort ist unser Führer!“

„Alles aus Liebe zu Gott!“

Bei den jährlichen Exerzitien machte Frater Eustachius vom Jahr 1895 bis 1945 schriftliche Aufzeichnungen. Diese lassen die Ernsthaftigkeit und die Zielstrebigkeit erkennen, sich auf keinen Fall mit einem Weg der Mittelmäßigkeit in der Nachfolge Christi zu begnügen. Er wollte in Treue und Beharrlichkeit die Spuren Jesu nachgehen. Er wollte „Gott über alles lieben!“ (Aufz. 1895).

„Ich will und ich muss heilig werden und zu diesem Zweck will ich all meine Handlungen aus Liebe zu Gott ausführen!“ (Aufz. 1895).

„Der schnellste und leichteste Weg ist der Weg der Liebe. Alles aus Liebe zu Gott!“ (Aufz. 1897).

„Ich will Gott über alles lieben und den Nächsten wie mich selbst!“ (Aufz. 1897).

„Ich will recht oft rufen: Mein Jesus, erbarme dich meiner und meiner Kranken! Ich will den Kranken dienen wie der Person Jesu Christi“ (Aufz. 1900).

„Ich nehme mir vor, immer meine ersten Gedanken am Morgen Gott zu weihen und den ganzen Tag in Gottes Gegenwart zu wandeln!“ (Aufz. 1909).

„Gott ist die Liebe!“ – „Liebe Gott über alles!“ – „Alles aus Liebe zu Gott in Zeit und Ewigkeit!“ (Aufz. 1941).

Ein Mann des Gebets

Der sog. „bischöfliche Informativprozess“, die erste Stufe zu einem möglichen Seligsprechungsprozess, hat im Jahre 1963 unter Bischof Dr. Rudolf Graber begonnen. Die meisten Zeugen nannten Frater Eustachius einen „Mann des Gebetes!“ Sie beobachteten ihn, wie er häufig allein vor dem Tabernakel kniete und betete.

„Besuche recht oft Jesus im Allerheiligsten Altarsakrament! Auf dem Sterbebett wird dir das ein großer Trost sein!“ – „Trage all deine Ängste und Nöte und die der Provinz und des Ordens dem göttlichen Heiland im Tabernakel vor! Sag ihm, dass du dich in der Profess ihm geschenkt hast und dass du dich ihm jeden Tag neu schenken willst!“ (Aufz. 1937).

„Verrichte das Gebet gut! … Lebe gut in der Gegenwart Gottes und tue alles aus Liebe zu Gott!“ (Aufz. 1938).

„Das Gebet, vor allem das innerliche, ist die Seele des Ordensmannes.“ – „Ich will den Vater immer ganz kindlich bitten wie ein Kind!“ (Aufz. 1940).

„Betrachte es als ein großes Glück, täglich der heiligen Messe beiwohnen zu dürfen. Empfange mit großer Andacht die heilige Kommunion!“ (Aufz. 1902).

„Ich glaube, dass Jesus Christus in der heiligen Eucharistie gegenwärtig ist. Das heilige Messopfer ist das gleiche Opfer wie das Opfer am Kreuz.“ – „Empfange recht oft die heilige Kommunion und besuche recht oft den lieben Heiland im Tabernakel. Trage alle deine Nöte dorthin!“ (Aufz. 1943).

„Ich habe sofort die ganze Provinz der Gottesmutter geweiht“

Bruder Eustachius war Maria, die Gottesmutter, eine treue Wegbegleiterin. Von ihr und bei ihr hatte er das wahre, das echte Christsein gelernt.

„Verehre aus ganzem Herzen die seligste Jungfrau Maria und rufe sie vertrauensvoll in allen Versuchungen und in jeder Not an. Du wirst ihre Fürbitte erfahren. Die zarte Verehrung Mariens ist ein sicheres Zeichen deines Heiles!“ (Aufz. 1903).

„Im Augenblick des Todes meiner Mutter habe ich mich Maria geweiht und sie zu meiner Mutter erwählt. Ich will nochmals … alles, was ich bin und was ich habe, in ihre Hände legen!“ (Aufz. 1897 und 1924).

„Am 19. Juni 1925 bin ich zum Provinzial gewählt worden. Ich habe sofort die ganze Provinz der lieben Gottesmutter geweiht mit der Bitte, sie ganz nach ihrem Willen und dem ihres göttlichen Sohnes lenken zu wollen. Amen!“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
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[1] Mehr zum neuen Seligen siehe im Internet unter www.eustachius-kugler.de

Die Beichte im Licht von „Misericordia Dei“

Dr. Carlos Encina Commentz, der an der Apostolischen Pönitentiarie tätig ist, hat im Rahmen einer pastoralen Fortbildung über das Bußsakrament in der Gebetsstätte Wigratzbad die Grüße des Großpönitentiars, Kardinal James Francis Stafford, aus Rom überbracht und das Apostolische Schreiben „Misericordia Dei“ von Papst Johannes Paul II. „über einige Aspekte der Feier des Sakramentes der Buße“ vorgestellt. Nachfolgend sein äußerst praktischer und hilfreicher Vortrag in einer Bearbeitung für „Kirche heute“. Die Frage der Generalabsolution, auf die Don Carlos ausführlich einging, wurde aus dem Beitrag ausgeklammert und als eigener Artikel in dieses Heft aufgenommen.

Von Carlos Encina Commentz, Rom

Am 7. April 2002 veröffentlichte Papst Johannes Paul II. das Apostolische Schreiben „Misericordia Dei“. Dieser Tag war der 2. Sonntag der Osterzeit, der „Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit“, in Deutschland auch „Weißer Sonntag“ genannt. Das Motu Proprio beginnt mit den bezeichnenden Worten: „Durch die Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, der versöhnt, hat das Wort Fleisch angenommen im reinen Schoß der seligen Jungfrau Maria, um sein Volk von seinen Sünden zu erlösen und ihm den Weg des ewigen Heiles zu erschließen“ (Mt 1,21).

Das Wort „Misericordia“ (Barmherzigkeit) erscheint in der Heiligen Schrift sehr häufig, insgesamt über 400 Mal. Es gibt in der Bibel verschiedene Bedeutungsinhalte für Barmherzigkeit: Liebe, Zärtlichkeit, Erbarmen, Mitleid, Milde, Güte oder Gnade. Barmherzigkeit kann auch die Verbundenheit und Nähe zu einer Person bedeuten. Der Barmherzige ist bereit, mit anderen mitzuleiden. Er weint mit den Weinenden (vgl. Röm 12,15; Si 7,38). Gott ist barmherzig. Er ist Barmherzigkeit. Das bedeutet, dass Barmherzigkeit nicht nur ein Adjektiv Gottes ist, sondern seine Wesenseigenschaft. Gott ist immer barmherzig und kann nicht nicht-barmherzig sein. Seine Barmherzigkeit zeigt sich in jeder seiner Handlungen. Die Heilige Schrift bekräftigt, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich und ewig ist (vgl. 1 Chr 16,34; 2 Chr 5,13; 7,3.20.21; Ps 99,5; 105,1 etc.).

Es ist tröstlich, dass ein Dokument über die Beichte einen solchen Titel trägt. Bei der Veröffentlichung wurde es im Vatikan von drei Kardinälen vorgestellt: Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre; Kardinal Jorge Medina Estévez, damals Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, und Julián Herranz, damals Präses des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte. Ziel des Motu Proprio war es, theologische und kirchenrechtliche Aspekte des Bußsakraments kurz und möglichst eindeutig darzustellen bzw. in Erinnerung zu rufen. Angesichts der Orientierungslosigkeit und Verunsicherung in unserer Zeit, der Unwissenheit und Missverständnisse insbesondere in Bezug auf die Beichte, wollte es eine Hilfe anbieten und Klarheit schaffen.

In den lehramtlichen Ausführungen von Papst Johannes Paul II. stand das Bußsakrament keineswegs am Rand. Er wurde nicht müde, in Dokumenten und Ansprachen auf die Wichtigkeit dieses Sakraments hinzuweisen.

Einige Bemerkungen zum Inhalt des Schreibens können als Schlüssel für die Lektüre dienen.

Der einzige ordentliche Weg der Vergebung schwerer Sünden

„Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewusst ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird; allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden“ (Nr. 1a).

In diesem Abschnitt gibt das Dokument im Prinzip Can. 960 des Kirchenrechts (CIC) wieder. Dabei ist jedes Wort wichtig. Die (Ohren-) Beichte mit sakramentaler Lossprechung bildet den einzigen ordentlichen Weg der Versöhnung mit Gott und der Kirche. Das Bekenntnis der Sünden muss persönlich sein, direkt beim Beichtvater und nicht in Abwesenheit durch einen Stellvertreter, nicht per E-Mail, nicht per Fax oder Telefon.

Wenn der Pönitent die Sprache des Beichtvaters nicht spricht, darf er einen Dolmetscher hinzuziehen, der zum Beichtgeheimnis verpflichtet ist. Eine andere mögliche Variante ist das Aufschreiben der Sünden durch den Pönitenten, der den Text dem Beichtvater im Beichtstuhl zu lesen gibt. Manchen Pönitenten fällt es sehr schwer, ihre Sünden mündlich zu bekennen, weil sie z.B. unter einem Sprachfehler leiden oder sehr nervös sind. So kann der Beichtvater den Zettel lesen und nach einem Zuspruch ihm die Lossprechung erteilen. Das Bekenntnis der Sünden und die Absolution bilden eine Einheit.

Ausreichendes Angebot an Beichtgelegenheit

„Deshalb ist ,jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, zur Vorsorge dafür verpflichtet, dass die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten; des weiteren, dass ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen‘“ (Nr. 1b; vgl. Can. 986, § 1 CIC).

Der Mangel an Bereitschaft, die verwundeten Schafe aufzunehmen und ihnen entgegenzugehen, um sie in den Schafstall zurückzuführen, wäre für den, der durch die Priesterweihe in sich das Bild des Guten Hirten trägt, ein schmerzliches Zeichen fehlenden pastoralen Empfindens.

Gleichzeitig sprechen wir von einem Recht der Gläubigen ihren Hirten gegenüber. In Can. 213 heißt es: „Die Gläubigen haben das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen.“

Es ist wichtig, dass die Beichtzeiten einer Pfarrei bekannt sind. Beichtgelegenheit nach Anfrage scheint nicht die beste Lösung zu sein. Die Pönitenten wollen oft anonym bleiben, außerdem will man normalerweise den Priester nicht wegen einer Beichte extra in den Beichtstuhl rufen.

Beichtgelegenheit z. B. nur freitags oder samstags um 15 Uhr mag für Gläubige, die nicht arbeiten, günstig sein, ist aber zu wenig. Oft könnte man Priester im Ruhestand oder Ordensleute um Hilfe bitten, die sich diesem Dienst gerne annehmen würden. Sie sind von vielem entpflichtet, bleiben aber Priester auf ewig. Solange es ihre Kräfte erlauben, sollten sie sich diesem Apostolat mit Hochschätzung widmen. Ein Priester arbeitet für die Ewigkeit und durch das Beichthören kann er dem Sünder die Tore des Himmels öffnen.

Es gibt den Einwand, im selben Ort befinde sich ohnehin ein Kloster und die Gläubigen sollten dort die Patres aufsuchen. So wertvoll die Hilfe von Ordenspriestern ist, sie darf dennoch keine Lücke in die Beichtpraxis der eigenen Pfarrei schlagen. Gerade heute brauchen die Menschen breit gefächerte Anleitung und Hinführung zur Beichte.

Beichthören auch während der hl. Messe

„Die Ortsordinarien sowie die Pfarrer und Rektoren von Kirchen und Heiligtümern müssen periodisch überprüfen, dass tatsächlich die größtmöglichen Erleichterungen für die Beichte der Gläubigen bestehen. Empfohlen wird insbesondere die sichtbare Anwesenheit der Beichtväter in den Kultstätten während der vorgesehenen Zeiten, die Anpassung dieser Zeiten an die reale Lebenssituation der Pönitenten und die spezielle Bereitschaft dazu, vor den Messfeiern die Beichte abzunehmen und, sofern andere Priester zur Verfügung stehen, dem Bedürfnis der Gläubigen nach der Beichte auch während der Messfeier nachzukommen“ (Nr. 2).

Das Beichthören während der hl. Messe hat einen pastoralen Grund. Vor einigen Jahren wurde von dieser Praxis abgeraten, aber die Erfahrung hat das Gegenteil bestätigt. Beichten während der Messe ist keine Ablenkung von der „participatio actuosa“, der tätigen Teilnahme an der Eucharistie. Denn selbst, wenn der Pönitent einige Minuten von der Messfeier verpasst, so erhält er doch die Möglichkeit zur Umkehr und Wiederversöhnung mit Gott. Der Stand der heiligmachenden Gnade aber ist die entscheidende Voraussetzung für eine fruchtbare Verwirklichung der tätigen Teilnahme. Wir dürfen tätige Teilnahme nicht mit bloßem Mitmachen verwechseln. Dies wäre leerer Aktivismus. Es kann festgehalten werden, dass es angemessen ist, auch während der hl. Messe Beichtgelegenheit anzubieten. Denn nach der Lehre der Kirche ist es für die Gläubigen besser, im Stand der Gnade zu kommunizieren, selbst wenn dafür einige Minuten der hl. Messe verstreichen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Katholiken nur am Sonntag in die Kirche gehen. Wenn sie nun während der Eucharistiefeier sehen, dass Gläubige zur Beichte gehen, können sie durch dieses Beispiel angespornt werden, selbst das Sakrament der Versöhnung zu empfangen. Die Seelsorger müssen dabei die Haltung des guten Hirten einnehmen. Rein bürokratisches Verhalten kann keinen lebendigen Glauben aufbauen.

Beichte lässlicher Sünden fördert die Heiligkeit

„Da ,der Gläubige verpflichtet ist, alle nach der Taufe begangenen schweren Sünden, deren er sich nach einer sorgfältigen Gewissenserforschung bewusst ist, nach Art und Zahl zu bekennen, sofern sie noch nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direkt nachgelassen sind und er sich ihrer noch nicht in einem persönlichen Bekenntnis angeklagt hat‘ (Can. 988, § 1), muss jede Praxis missbilligt werden, die die Beichte auf ein allgemeines oder auf das Bekenntnis nur einer od. mehrerer für gewichtiger gehaltener Sünden beschränkt. Indem man der Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit Rechnung trägt, wird ihnen andererseits empfohlen, auch ihre lässlichen Sünden zu bekennen“ (Nr. 3).

Bei schweren Sünden müssen die Umstände genannt werden, die von wesentlicher Bedeutung sind, beispielsweise ob jemand Ehebruch begangen oder ob er Geschlechtsverkehr vollzogen hat, ohne verheiratet zu sein, oder ob es sich um ein sakrilegisches Verhältnis gehandelt hat. Andererseits muss die Beichte einfach sein. Es ist nicht notwendig, skrupulös alle Einzelheiten zu erzählen. Es genügt, dass der Beichtvater grundsätzlich versteht, was geschehen ist. Wenn es sich um ein delikates Thema wie Sünden gegen das Sechste Gebot handelt, ist es ratsam, nicht viele Fragen zu stellen, Es darf in keinem Fall dazu führen, dass der Pönitent ausgerechnet durch die Beichte zur Unkeuschheit verführt wird (im Sinn einer Sollicitatio ad turpia).

Auch wenn die Pönitenten nur verpflichtet sind, ihre Todsünden ausdrücklich zu beichten, wird ihnen dennoch eindringlich empfohlen, auch ihre lässlichen Sünden zu bekennen. Es wäre ein großer Fehler, den Gläubigen zu vermitteln, das Bußsakrament sei nur für schwere Sünden gedacht. Solches zu behaupten, würde dem Sakrament der Versöhnung sehr schaden. Zum einen könnten Leute, die das Bußsakrament empfangen, vorschnell unter die Kategorie des „schweren Sünders“ eingeordnet werden. Wer würde sich unter diesen Umständen überhaupt noch trauen, zur Beichte zu gehen? Zum anderen muss der Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit Rechnung getragen werden (vgl. LG 5). Es ist in jedem Fall fruchtbar, auch lässliche Sünden zu beichten. Denn das Bußsakrament erwirkt nicht nur die Vergebung der Sünden, sondern gibt immer auch neue Kraft, das Gute zu tun und das Böse zu meiden. Es stärkt die Seele, um auf dem Weg der Heiligkeit Fortschritte zu machen. Man könnte sagen, dass die „Batterien“ für das geistliche Leben aufgeladen werden.   

Der Beichtvater sollte den Pönitenten anleiten, über seine Sünden und nicht über seine guten Werke zu sprechen, nur seine eigenen Sünden und nicht die der anderen wie z. B. die des Ehegatten zu nennen. Auch sollten Pönitenten vom Beichtvater nie erwarten, dass er auf der Grundlage ihres Bekenntnisses nun auf andere Personen Einfluss nimmt, wie zum Beispiel durch den Hinweis: Nach mir kommt mein Sohn (mein Mann, meine Frau). Auch in dieser Weise darf der Priester nie von dem, was er in einer Beichte erfahren hat, Gebrauch machen.

Je seltener jemand beichtet, umso schwächer ist in der Regel das Bewusstsein für die Sünde. Wenn jemand, der mehrere Jahre nicht gebeichtet hat, nur sagen kann: „Ich habe gelogen“, oder wenn jemand beichtet: „Ich habe alle Sünden begangen außer Mord“, so ist dieses Bekenntnis ungenügend. Ein guter Beichtvater muss dann mit Geduld und Güte auf den Pönitenten eingehen und ihm helfen, sein Gewissen zu erkunden.

Wenn der Pönitent eine schwere Sünde überhaupt nicht bereut und sich nicht bessern will, darf der Priester ihm die Lossprechung nicht geben. Das Konzil von Trient definiert die Reue als „Seelenschmerz und Abscheu über die begangene Sünde, verbunden mit dem Vorsatz, fortan nicht zu sündigen“ (Konzil v. Trient: DS 1676). Wenn es wirklich unmöglich ist, die Absolution zu erteilen, muss der Priester dem Pönitenten die Gründe einfühlsam darlegen. Unterließe er eine solche Erklärung, wäre es eine Ungerechtigkeit und ein Mangel an Liebe. Er kann in einem solchen Fall anstelle der Lossprechung einen Segen geben.

Um in der rechten Weise reagieren zu können, muss ein Beichtvater in der Moraltheologie und im Kirchenrecht kompetent sein. Wenn er in einem bestimmten Fall dennoch nicht Bescheid weiß, sollte er dies in aller Demut dem Pönitenten gegenüber eingestehen und erklären, dass er sich darüber erkundigen werde.

Auch die Pönitenten sind verpflichtet, das Bußsakrament zu schützen. Es kommt vor, dass Gläubige erzählen: „Pater X hat mir dieses gesagt“, „Pater Y hat mir jenes gesagt“. In den vergangenen Jahren wurden sogar öfters Beichten simuliert und aus den Zusprüchen skandalöse Artikel verfasst und in Zeitungen veröffentlicht, um die Kirche anzugreifen und lächerlich zu machen. Ein solches Verhalten ist sakrilegisch und gilt nach dem Kirchenrecht als schweres Vergehen.

Vom rechten Ort der Beichte

In der letzten Nummer des Motu Proprio (Nr. 9) ist die Rede vom rechten Ort der Beichte. Vielfach wird die Form des Beichtgesprächs bevorzugt, bei dem sich der Pönitent und der Beichtvater gegenüber sitzen und miteinander sprechen. Man erwartet sich davon eine Hilfe, innere Barrieren zu überwinden. Doch ist zu bedenken, dass das Sündenbekenntnis für den Pönitenten nie angenehm ist. Geht der Schutz des Privaten verloren, ist es noch viel schwieriger, die Sünden wahrhaftig auszusprechen. Außerdem ist die Beichte von ihrem Charakter her nicht einfach ein Gespräch, sondern die Begegnung des „verlorenen Sohnes“ mit seinem Vater. Dazu macht sich der Pönitent vor Gott klein und bittet voll Reue um Vergebung. Der Beichtstuhl in „einer Kirche oder einer Kapelle“ „an einem offen zugänglichen Ort“ „mit einem festen Gitter versehen“ kann dafür eine Hilfe sein.

Er kann aber auch den Priester schützen. In vielen Fällen wurde von Pönitenten der Vorwurf des Missbrauchs durch Priester im Rahmen der Beichte erhoben. Gerade bei Frauen und verstärkt auch bei Kindern ist daher das Bußsakrament im Beichtstuhl zu empfehlen, um solchen Problemen von vornherein vorzubeugen.

Nützliche Verhaltensweisen eines Beichtvaters

Die Kirche möchte nicht alle Beichtväter über einen Kamm scheren. Jeder Mensch hat seine individuelle Prägung und dies ist auch im Fall des Beichtvaters zu respektieren. Dennoch können zusammenfassend einige allgemeine Empfehlungen für einen guten Beichtvater formuliert werden:

• pünktliche Beobachtung der Beichtzeiten;

• Treue zur Lehre der Kirche anstelle persönlicher Meinungen;

• flexibles und unbürokratisches Eingehen auf die Situation des Pönitenten;

• knapper, aber vollständiger Zuspruch, wenn eine große Schlange wartet (in komplizierten Fällen kann man einen Termin für ein ausführlicheres Gespräch vereinbaren);

• Verzicht auf unnötige Fragen, komplizierte Bußen, Gespräche über Dinge, die nicht zur Beichte gehören, sowie jede harsche, unfreundliche oder ungeduldige Reaktion.

Es wäre tragisch, wenn Gläubige wegen des mangelhaften Verhaltens eines Priesters nicht mehr zur Beichte gingen. Die Wahrheit muss gesagt werden, aber mit Liebe. Gerade in der Beichte sollten die Menschen die barmherzige Zuwendung des himmlischen Vaters zu seinen Kindern erfahren.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
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Kommentar zur Problematik der Generalabsolution

Im Motu Proprio „Misericordia Dei“ vom 7. April 2002 nimmt die Frage der Generalabsolution einen breiten Raum ein. Der Form, wie sie bis dahin in manchen Ländern gepflegt wurde, erteilte Papst Johannes Paul II. mit diesem Schreiben eine klare Absage. Die schweizerische Bischofskonferenz beispielsweise revidierte daraufhin ihre bis dahin in der Schweiz verbreitete Praxis. Dr. Carlos Encina Commentz, ein Mitarbeiter der Apostolischen Pönitentiarie, kommentiert die Thematik anhand des päpstlichen Schreibens.

Von Carlos Encina Commentz

Unter Nr. 4 des Apostolischen Schreibens „Misericordia Dei“ heißt es: Die Generalabsolution hat „den Charakter einer Ausnahme“ und „kann in allgemeiner Weise nur erteilt werden:

1º wenn Todesgefahr besteht und für den oder die Priester die Zeit nicht ausreicht, um die Bekenntnisse der einzelnen Pönitenten zu hören;

2º wenn eine schwere Notlage besteht, das heißt, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der Pönitenten nicht genügend Beichtväter vorhanden sind, um die Bekenntnisse der einzelnen innerhalb einer angemessenen Zeit ordnungsgemäß zu hören, so dass die Pönitenten ohne eigene Schuld gezwungen wären, die sakramentale Gnade oder die heilige Kommunion längere Zeit zu entbehren; als ausreichend begründete Notlage gilt aber nicht, wenn allein aufgrund eines großen Andrangs von Pönitenten, wie er bei einem großen Fest oder bei einer Wallfahrt vorkommen kann, nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen können“ (vgl. Can. 961, §1).

Viel wurde darum gestritten, was nun die „schwere Notlage“ betrifft und wie sie auszulegen sei. Dazu in aller Kürze Folgendes:

a) Es handelt sich um objektive Ausnahmesituationen, wie sie in Missionsgebieten, Kriegsgebieten oder in sehr abgeschiedenen Gegenden vorkommen können. Daher ist dies für unser heutiges Europa nicht zutreffend.

b) Die beiden im Kanon festgelegten Voraussetzungen für die schwere Notlage dürfen nicht voneinander getrennt werden; deshalb reicht allein die Unmöglichkeit, wegen Priestermangels den einzelnen die Beichte „ordnungsgemäß“ „innerhalb einer angemessenen Zeit“ abzunehmen, niemals aus; diese Unmöglichkeit muss mit dem Umstand verbunden sein, dass andernfalls die Pönitenten gezwungen wären, ohne ihre Schuld „längere Zeit“ die sakramentale Gnade zu entbehren.

c) Die erste Voraussetzung, die Unmöglichkeit, die Bekenntnisse „ordnungsgemäß“ „innerhalb einer angemessenen Zeit“ hören zu können, bezieht sich nur auf die Zeit, die für die unerlässliche, gültige und würdige Spendung des Sakramentes berechtigterweise erforderlich ist.

d) Was die zweite Voraussetzung betrifft, wird eine kluge Beurteilung abschätzen, wie lange, sofern keine Todesgefahr besteht, die Zeit der Entbehrung der sakramentalen Gnade sein muss, damit tatsächlich die Unmöglichkeit gemäß Can. 960 gegeben ist.

e) Es ist nicht zulässig, Situationen einer scheinbaren schweren Notlage zu erzeugen oder entstehen zu lassen, die sich aus der wegen Nichtbeachtung der oben angeführten Normen versäumten ordentlichen Spendung des Sakramentes ergeben, und noch weniger solche, die aus der Option der Gläubigen für die Generalabsolution entstehen, so als handele es sich um eine normale und den beiden im Rituale beschriebenen ordentlichen Formen gleichwertige Möglichkeit.

f) Der große Andrang von Pönitenten stellt allein keine ausreichende Notlage dar, weder bei hohen Festen oder Wallfahrten, noch aus tourismusbedingten oder anderen Gründen, die mit der zunehmenden Mobilität der Menschen zusammenhängen.

Das Urteil darüber, ob die gemäß Can. 961, §1, 2º erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, steht nicht dem Beichtvater, sondern dem „Diözesanbischof zu; dieser kann unter Berücksichtigung der Kriterien, die mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmt sind, feststellen, wann solche Notfälle gegeben sind“. Diese pastoralen Kriterien werden, nach den Gegebenheiten der jeweiligen Gebiete, Ausdruck des Bemühens um die vollkommene Treue zu den von der universalen Ordnung der Kirche formulierten Grundkriterien sein müssen, die sich im übrigen auf die aus demselben Sakrament der Buße in seiner göttlichen Stiftung herrührenden Forderungen stützen (Nr. 5).

Da es in einem für das Leben der Kirche so wesentlichen Gegenstand von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass unter den verschiedenen Episkopaten der Welt weitgehende Harmonie herrscht, sollen die Bischofskonferenzen gemäß Can. 455, § 2 des CIC so bald wie möglich der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung den Text der Normen zukommen lassen, die sie im Lichte des vorliegenden Motu proprio, unter Anwendung von Can. 961 des CIC zu erlassen oder zu aktualisieren beabsichtigen (Nr. 6).

Um den Ausnahmecharakter der Generalabsolution zu verstehen, muss Can. 962 immer im Hinterkopf behalten werden. Demnach müssen die Gläubigen, die die Absolution in einer Generalabsolution empfangen haben, ihre schweren Sünden in einer Beichte zu gebotener Zeit einzeln beichten (Nr. 8).

Was die persönliche Disposition der Pönitenten betrifft, wird Folgendes bekräftigt:

a) „Damit ein Gläubiger die sakramentale Absolution, die gleichzeitig mehreren erteilt wird, gültig empfängt, ist nicht nur erforderlich, dass er recht disponiert ist; er muss sich vielmehr gleichzeitig auch vornehmen, seine schweren Sünden, die er gegenwärtig nicht auf diese Weise bekennen kann, zu gebotener Zeit einzeln zu beichten.“

b) Soweit möglich, ist an die Gläubigen, selbst bei Todesgefahr, „die Aufforderung vorauszuschicken, dass sich jeder bemüht, einen Akt der Reue zu erwecken“.

c) Es ist klar, dass Pönitenten, die im Gewohnheitszustand der schweren Sünde leben und nicht beabsichtigen, ihre Situation zu ändern, die Absolution nicht gültig empfangen können.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2009
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