75 Jahre Gebetsstätte Wigratzbad

Am 8. Dezember 2010 beginnt die diözesane Gebetsstätte Wigratzbad ein Jubiläumsjahr zu ihrem 75jährigen Bestehen. Direktor Thomas Maria Rimmel, der das Pilgerzentrum seit über zehn Jahren im Namen des Bischofs von Augsburg leitet, hat intensive Vorbereitungen getroffen, um das Jahr zu einem besonderen Gnadenereignis werden zu lassen. Er gewährt einen Einblick in die Hintergründe und stellt die pastorale Bedeutung des Jubiläumsjahres heraus.

Von Thomas Maria Rimmel

Die Gebetsstätte Wigratzbad begeht vom 8. Dezember 2010 bis zum 8. Dezember 2011 ein Jubiläumsjahr. Seit 75 Jahren wird an diesem Heiligtum die Gottesmutter als „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg“ verehrt. Dieser Titel für die Jungfrau Maria geht auf ein besonderes Erlebnis der Gründerin der Gebetsstätte, Fräulein Antonie Rädler (1899-1991), zurück. Er wurde von der Kirche geprüft und bestätigt.

Anfänge im Jahr 1936

1936 errichtete Antonie Rädler aus Dankbarkeit für die Errettung aus den Händen nationalsozialistischer Glaubensfeinde, die ihr mehrfach nach dem Leben getrachtet hatten, eine Lourdesgrotte. Im Oktober desselben Jahres wurde sie vom Ortspfarrer feierlich eingeweiht. Bereits in der Oktav des Hochfestes der Unbefleckten Empfängnis Mariens erklang in dem Kapellchen zum ersten Mal der himmlische Ruf „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!“ Seitdem ist dieser Gesang in der Gebetsstätte Wigratzbad nie mehr verstummt. Zahlreiche Gebetserhörungen wurden von den Pilgern der „Unbefleckt empfangenen Mutter vom Sieg“ zugeschrieben, so dass sich immer größere Scharen von Betern im Heiligtum einfanden.

Eröffnung mit Kardinal Stafford

Das Jubiläumsjahr wird am 8. Dezember 2010, dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, um 13.30 Uhr mit einem Pontifikalhochamt feierlich eröffnet. Hauptzelebrant ist der emeritierte amerikanische Kurienkardinal James Francis Stafford aus dem Vatikan. Ihm ist die Gebetsstätte Wigratzbad bekannt, da im Zug der Angliederung (Affiliation) unseres Heiligtums an die Päpstliche Basilika Santa Maria Maggiore in Rom unter seiner Zuständigkeit als Großpönitentiar die damit verbundenen vollkommenen Ablässe bewilligt wurden.

Stafford hatte als zuständiger Ortsbischof von Denver im Jahr 1993 den ersten Weltjugendtag in den USA erfolgreich organisiert und über Nacht weltweite Berühmtheit erlangt. Auf diesem Hintergrund berief ihn Papst Johannes Paul II. 1996 zum Organisator der Weltjugendtage, nämlich zum Präsidenten des Päpstlichen Rats für die Laien. Von 2003 bis 2009 versah er das Amt des Großpönitentiars.

„Jubiläumsweg“ mit zwölf Stationen

Eine herausragende Form, das Jubiläumsjahr mitzufeiern, bildet der sog. „Jubiläumsweg“ mit zwölf Stationen. Er führt von der Lourdesgrotte durch die Heiligtümer der Gebetsstätte bis zur Ölbergskapelle, in der sich das Grab der Gründerin befindet. Mit ihr ist dort auch Pater Johannes Schmid C.P. beerdigt, der als Mitbegründer des Gnadenorts gilt.

Mit einem Schreiben vom 8. September 2010 gewährte die Apostolische Pönitentiarie allen Pilgern, die während des Jubiläumsjahres diesen Jubiläumsweg gehen und die vorgesehenen Gebete verrichten sowie die üblichen Ablass-Bedingungen (Beichte, Kommunion und Gebet nach der Meinung des Heiligen Vaters) erfüllen, einen Vollkommenen Ablass (Prot. N. 951/10/I). Das Dokument aus dem Vatikan enthält eine bemerkenswerte Ausweitung: „Alte Menschen, Kranke und alle, die aus einem schwerwiegenden Grund das Haus nicht verlassen können, haben gleichermaßen die Möglichkeit, den vollkommenen Ablass zu gewinnen, wenn sie die Absicht haben, jegliche Sünde zu vermeiden und sobald als möglich die drei üblichen Bedingungen zu verrichten, und wenn sie sich innerlich mit den Jubiläumsfeierlichkeiten oder -wallfahrten verbinden und ihre Gebete und Schmerzen oder Beschwerden des eigenen Lebens durch Maria dem barmherzigen Gott aufopfern.“

Ähnlich war schon beim 150-Jahr-Jubiläum in Lourdes (2007/2008) ein Jubiläumsweg eingerichtet worden, der allerdings nur vier Stationen umfasste (die Grotte, das Geburtshaus, der Taufbrunnen der hl. Bernadette Soubirous und die Kapelle im Hospiz), dafür aber durch die ganze Stadt führte. Auch in Lourdes wurde den Wallfahrern, die den Weg betend und betrachtend zurücklegten, ein vollkommener Ablass gewährt.

Monatliche Stationsgottesdienste

Der Begriff „Stationsgottesdienst“ kommt vom lateinischen Wort „statio“ (Halt, Station) bzw. von „stare“ (stehen, stehen bleiben). In Rom wurden während der Fastenzeit und bei anderen Gelegenheiten (z.B. an Heiligenfesten) Stationsgottesdienste gefeiert. Nach alter römischer Tradition versammelten sich die Gläubigen zunächst bei einer kleineren Kirche und zogen von dort aus in einer Prozession zu einer der großen Basiliken (z.B. nach Santa Maria Maggiore). Dort hielt die Prozession an (statio: Halt), um in der Basilika einen Gottesdienst zu feiern.

So werden wir uns jeweils um 10.45 Uhr bei einer der zwölf Stationen versammeln, nach einer Einführung das Jubiläumsgebet sprechen und daraufhin zur Sühnekirche ziehen, um dort eine Hl. Messe unter dem Thema der jeweiligen Station zu feiern. Bei der Auswahl der Stationen haben wir uns an Festgeheimnissen oder an der Zeit im Kirchenjahr orientiert.

Wir beginnen am 29. Januar 2011 bei der Pater-Pio-Klause und erinnern uns an die besondere Verehrung, die der hl. Pater Pio dem Jesuskind entgegenbrachte, am 11. Februar, dem Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, an der Lourdesgrotte, am 11. März in der Fastenzeit beim „Herrn im Elend“ in der Krypta, am 15. April kurz vor der Karwoche in der Ölbergskapelle, am 13. Mai bei der Fatimastatue, am 10. Juni am „Herz-Jesu-Freialtar“, am 8. Juli, also im Monat des Kostbaren Blutes, beim Altarkreuz, am 19. August, an dem sich die Jugendlichen auf dem Weltjugendtag in Madrid mit dem Papst zum Kreuzweg versammeln, an unserem Weltjugendtagskreuz, am 29. September bei der Steinfigur des hl. Erzengels Michael, am 7. Oktober in der Gnadenkapelle, denn das Rosenkranzfest von 1571 hieß ursprünglich „Fest Maria vom Sieg“, am 1. November bei der Statue Johannes Pauls II., der am Allerheiligenfest 1946 seine erste Hl. Messe gefeiert hat, und am 2. Dezember, der bereits in den Advent fällt, beim „Jesuskind“ in der Krypta.

„Jubiläumsgebet“ zur Heiligsten Dreifaltigkeit

Die Gebete, die für die einzelnen Stationen ausgewählt worden sind, spiegeln die Sendung der Gebetsstätte wider und lassen die Pilger an den besonderen Gnaden des Heiligtums teilhaben.

Darüber hinaus wurde von Pfarrer Erich Maria Fink ein eigenes „Jubiläumsgebet“ verfasst. Es hat eine trinitarische Struktur und wendet sich in seinen drei Strophen an die drei göttlichen Personen. Gleichzeitig orientiert es sich am Titel der Gottesmutter, der Fräulein Antonie Rädler im so genannten Engelsgesang offenbart worden ist, und nimmt die Sühne-Spiritualität auf, mit der Pater Johannes Schmid die Gebetsstätte geprägt hat.

So bildet die Anrufung „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!“ den Refrain des Jubiläumsgebets. Der Ruf wurde von Dr. Werner Löffler eigens für dieses Jubiläumsjahr mit einer sehr eingängigen Melodie vertont. Er wird sicher über das kommende Jahr hinaus als festes Element in die Wigratzbader Wallfahrtstradition eingehen.

Pastorale Bedeutung des Jubiläumsjahres

1. Mit dem Jubiläumsjahr legt die Gebetsstätte ein Zeugnis für die „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg“ ab. Wir bringen unseren Glauben und unsere Treue zum Gnadenwirken der Gottesmutter an diesem Heiligtum zum Ausdruck. Durch eine aktive Teilnahme erweisen die Gläubigen der Gnadenstätte einen Dienst und ermöglichen der Gottesmutter, von hier aus ihre mütterliche Liebe über die Welt auszugießen. Im Geist von Fatima gilt das Gebet des Jubiläumsjahres besonders dem Frieden unter den Völkern und der Bekehrung der Sünder.

2. Aus dem Gnadenquell des Heiligtums empfangen wir Segen für unser persönliches Leben. Wer sich auf den Jubiläumsweg und die vorgeschlagenen Gebete einlässt, darf neue Impulse für seinen Lebens- und Berufungsweg erwarten. Dabei bitten wir um viele Berufungen zum Priestertum und Ordensleben und vertrauen darauf, dass der Segen dieses Jubiläumsjahres hier an diesem Heiligtum die Herzen anrührt und Berufungen weckt.

3. Die Kirche gewährt jedem einen Vollkommenen Ablass, der die Muttergottes an ihrem Heiligtum in der vorgeschlagenen Weise verehrt. Dadurch unterstützt sie die Sendung und die pastorale Arbeit der Gebetstätte und bietet jedem Einzelnen die Fülle der Göttlichen Barmherzigkeit aus den Vereinten Herzen Jesu und Mariens an. Gleichzeitig erinnert sie die Gläubigen an den wertvollen Liebesdienst für die Verstorbenen. Sie lädt die Pilger ein, den Armen Seelen im Fegfeuer möglichst oft einen Vollkommen Ablass zuzuwenden und ihre Gemeinschaft mit ihnen zu vertiefen.

4. Der Jubiläumsweg beinhaltet vielfache katechetische Impulse. Die Stationen erinnern die Pilger an wichtige Geheimnisse der Offenbarung und führen sie in das große Panorama unseres christlichen Glaubens ein. Gleichzeitig formen sie die Gläubigen zu Aposteln der Neuevangelisierung und Verteidigern der unantastbaren Würde des menschlichen Lebens.

5. Das Jubiläumsjahr vertieft die Einheit mit Papst, Bischöfen und Priestern. Mit seinem Ablass verbindet es die Gläubigen auf ganz besondere Weise mit dem Heiligen Vater. Jesus hat Petrus und seinen Nachfolgern die Schlüssel des Himmelreichs übergeben und seine Kirche auf diesen unüberwindlichen Felsen gegründet. Die Gebete zum Jubiläumsjahr gelten besonders dem Lehramt des Papstes sowie allen Bischöfen und Priestern. Umgekehrt werden durch diese geistige Verbundenheit die Schlüsselgewalt des Petrusdienstes und die apostolische Vollmacht der Bischöfe und Priester für die persönliche Heiligung der Gläubigen fruchtbar.

6. „Ich danke den Gebetsstätten!“ (Benedikt XVI.) Nicht zuletzt soll das Jubiläumsjahr in einer tiefen Verbindung zum bevorstehenden XXVI. Weltjugendtag in Madrid stehen. Ausdruck dafür ist unser Weltjugendtagskreuz, das wir bewusst in den Jubiläumsweg einbezogen haben. Papst Benedikt XVI. dankte in seiner Botschaft an die Jugendlichen der ganzen Welt anlässlich des Weltjugendtags in Madrid 2011 ausdrücklich den Gebetsstätten für ihren Dienst an der Jugend und schreibt wörtlich: „Ich danke den Gebetsstätten!“

 

 

Wigratzbader Jubiläumsgebet

Gott, himmlischer Vater, von Ewigkeit her hast Du die selige Jungfrau Maria auserwählt, die Mutter Deines Sohnes zu werden. Für diese hohe Aufgabe hat sie von Dir die Fülle der Gnade empfangen. Schon im ersten Augenblick ihres Daseins hast Du sie vor jedem Makel der Erbsünde bewahrt und über Engel und Menschen gestellt. In ihrer Unbefleckten Empfängnis preisen wir Deine liebende Vorsehung und den geheimnisvollen Plan der Erlösung.

Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!

Herr, Jesus Christus, Du bist der Sohn Gottes, der am Herzen des Vaters ruht. Um uns vor dem ewigen Verderben zu retten, bist Du auf diese Welt zu uns herabgekommen. Demütig hast Du Dich der Fürsorge einer menschlichen Mutter anvertraut. Wir danken Dir, dass Du sie in Deiner überströmenden Liebe auch uns zur Mutter gegeben hast. Voll Vertrauen schauen wir auf Maria; denn sie hat alles in ihren gütigen Händen.

Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!

Gott, Heiliger Geist, in Deiner Kraft hat Jesus Christus die Macht des Bösen besiegt. Sein Kreuz und seine Auferstehung sind die Quellen unseres Heils. Durch die heilige Kirche gießt er Deine Gaben über die ganze Menschheit aus. Entzünde in uns den Geist der Buße und des Gebets! Mache unsere Sühne fruchtbar für den Sieg des Reiches Gottes! Durch die Vereinten Herzen Jesu und Mariens schenke uns die Freude und den Frieden!

Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!

 

Glühender Apostel des Unbefleckten Herzens Mariens

Der Passionistenpater Johannes Schmid gilt neben Frl. Antonie Rädler als Mitbegründer der Gebetsstätte Wigratzbad. Mit seinem Verkündigungsdienst hat er das Marienheiligtum der „Unbefleckt empfangenen Mutter vom Sieg“ wie kein anderer geformt. Von ihm stammt ein wunderbares Büchlein mit dem Titel „Das Unbefleckte Herz Mariens. Unsere Zuflucht und unser Weg“.[1] Anlässlich des bevorstehenden Jubiläumsjahres wird das Juwel von unserem Verlag „Kirche heute“ neu herausgegeben. Dazu schrieb der emeritierte Erzbischof Karl Braun von Bamberg, der seinerzeit von Amts wegen mit den Ereignissen in Wigratzbad befasst war, ein aktuelles Geleit-wort. Datiert ist diese Einführung, die zugleich ein persönliches Zeug-nis darstellt, auf den Gedenktag des Unbefleckten Herzens Mariä 2010.

Von Erzbischof em. Karl Braun, Bamberg

Ein heiligmäßiger Priester

Als Persönlicher Referent des Augsburger Bischofs und später als Domkapitular und Bistumstheologe, dem die Gebetsstätte Wigratzbad besonders anvertraut war, hatte ich bis zu meiner Bischofsernennung (1984) zahlreiche intensive Gespräche mit Pater Johannes Schmid. Als ich den heiligmäßigen Priester einmal bat, mir eine Widmung in ein Mariengebetbuch einzutragen, kam er diesem Wunsch spontan nach und schrieb: „Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führt.“ In dieser Geste offenbarte sich mir ein zentrales Anliegen, ja wir dürfen sagen: die Quintessenz des Lebens und der Verkündigung des „glühenden“ Apostels des Unbefleckten Herzens Mariens.

Aktueller Bezug zur Weltlage

Er war fest davon überzeugt: Die Verehrung dieses Herzens ist nicht etwa veraltet, sondern in einem wahren Sinn „zeitgemäß“. Sie gibt uns wertvolle Impulse, bewährte Hilfen und feste Zuversicht – und dies gerade auch angesichts einer wachsenden Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Verwirrung sowie eines immer deutlicher zutage tretenden Kampfes zwischen Licht und Finsternis, zwischen Satan und Maria, der sonnenumstrahlten himmlischen Frau (Offb 12). So wird mit der Herz-Marien-Verehrung auch ein höchst aktueller Bezug zur gegenwärtigen Weltlage erkennbar.

Der Sieg ist bereits verheißen

Schreckliche und oft unerklärliche Phänomene des Bösen in der Welt nehmen in einer Weise zu, die apokalyptische Visionen in den Blick rücken und zeigen, dass sich der Teufel von uns nicht verabschiedet hat. Sie erinnern uns aber auch an die „Siegerin in allen Schlachten Gottes“, Maria, die uns im Kampf mit dem „Drachen“ vorangeht. Wir wagen es, ihr mehr zuzutrauen als uns selbst und der ganzen Welt. In ihrem Unbefleckten Herzen geborgen, werden wir die Auseinandersetzung mit den überirdischen feindlichen Mächten (vgl. Eph 6,12) bestehen, denn der Sieg ist uns bereits verheißen (vgl. Offb 12,9b).

Mitte kirchlicher Frömmigkeit

Die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariens bedeutet kein Abgleiten auf Nebengleise der Frömmigkeit, sondern führt geradezu in ihren Mittelpunkt: Es ist der Weg von Maria zu Christus, zum dreifaltigen Gott. Als herausragender Akzent der Marienverehrung gehört die Herz-Mariä-Andacht zum qualifizierenden Bestandteil der Frömmigkeit in der Kirche. Mit der Verehrung des Herzens der Gottesmutter stellen wir uns unserer fundamentalen Lebensaufgabe: unser Leben in Christus zu erneuern. Dazu bedarf es jener Herzensgesinnung, die Maria vorbildhaft verkörpert und die wir uns durch die Weihe an ihr Unbeflecktes Herz zueigen machen. So gesehen ist die Herz-Mariä-Verehrung ein „Programm christlicher Lebensführung“ (P. Johannes Schmid) und fordert uns auf, dieses im Leben zu verwirklichen. Denn „es genügt nicht, Maria und ihre Größe nur zu kennen. Man muss sich ihr nähern und im Glanz ihrer Gegenwart leben“ (Papst Pius XII.).

Buch für junge Menschen

Die Neuauflage des Buches „Das Unbefleckte Herz Mariens“ von P. Johannes Schmid möge einen wünschenswert breiten Leserkreis von neuem für die Verehrung des Herzens der Gottesmutter begeistern und helfen, das eigene Leben nach dem Herzschlag Mariens zu gestalten. Das Buch trage dazu bei, Sünder aus der Nacht der Gottesferne herauszuführen, junge Menschen aus der Atmosphäre giftiger Verführung, laue Christen aus dem Nebel der Halbheit und religiösen Gleichgültigkeit, Gutgewillte aus der Verzagtheit und Hoffnungslosigkeit. Allen aber mache es bewusst: „Das Unbefleckte Herz Mariens ist unsere Zuflucht und der Weg, der uns aus aller Not hinaus zu Gott führt“ (P. Johannes Schmid).


[1] P. Johannes Schmid CP: Das Unbefleckte Herz Mariens. Unsere Zuflucht und unser Weg. TB , 12 x 18 cm, Paperback, 288 S., Stückpreis: € 9,90 zzgl. Versandkosten. Bestelladresse: Kirche heute Verlags-gGmbH, Postfach 1406, D-84498 Altötting, Tel. 08671-880430, Fax: 08671-880431 – Internet: www.kirche-heute.de

Abschied von einem großen Europäer

Am 1. Oktober 2010 verstarb Bischof Charles Caruana von Gibraltar im Alter von 77 Jahren. Mit großem Eifer hatte er sich für das Heiligtum „Unserer Lieben Frau von Europa“ in seiner Diözese eingesetzt. Er sah darin einen Aufruf und ein Hoffnungszeichen für das christliche Europa. Daran anknüpfend gründete er im vergangenen Jahr die Gebetsgemeinschaft „Maria Mutter Europas“. Pater Notker Hiegl OSB, der den Anstoß zu dieser europäischen Partnerschaft im Zeichen Mariens gegeben hatte, schildert den eindrucksvollen Abschied von Bischof Caruana.

Von Notker Hiegl OSB

Bereits am 2. Oktober 2010 erhielt ich vom Rektor des Heiligtums „Unserer Lieben Frau von Europa“ in Gibraltar, Fr. Charles Azzopardi, ein englischsprachiges E-Mail mit der Trauer-Nachricht, Bischof (Emeritus) Charles Caruana sei von unserem Herrn am 1. Oktober, dem Fest der kleinen heiligen Theresia von Lisieux, zu sich heimgerufen worden. Tief bewegt gab ich diese Meldung sofort an unseren Vater Erzabt Theodor Hogg OSB in Beuron, an Direktor Thomas Maria Rimmel von Wigratzbad, an Pfarrer Erich Maria Fink von Beresniki im Ural, an Bischof Peter Bürcher von Reykjavik sowie an Dr. Otto von Habsburg in Pöcking weiter, allesamt „europäische Freunde“ des lieben, hoch verehrten verstorbenen Bischofs Charles Caruana in Gibraltar – im Zeichen der Gebetsgemeinschaft „Maria Mutter Europas“ und ihres „Sieges“ über die Gefahren aller Zeiten.

„Europäische Schiffswallfahrt“ 2010

Mit großer Freude wurde Bischof Caruana heuer zur Bodensee-Schiffswallfahrt erwartet, die jedes Jahr am Fest „Mariä Himmelfahrt“ von der Gebetsstätte Wigratzbad „für ein christliches Europa“ durchgeführt wird. Gehört hatte der Bischof von dieser Prozession zum Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz im Mai letzten Jahres. Anlässlich der 700-Jahr-Feier des Heiligtums „Unserer Lieben Frau von Europa“ in Gibraltar hatte er mit mir und Pfarrer Erich Maria Fink aus Beresniki am 5. Mai 2009 in diesem Schrein der Gottesmutter eine europaweite Gebetsvereinigung besiegelt. Die Urkunde mit unseren drei Unterschriften sowie der Unterschrift von Walter Kardinal Kasper wurde von ihm zu Beginn der anschließenden Jubiläums-Messe im Festzelt, an der 17 Bischöfe und 3 Kardinäle teilnahmen, auf den Altar gelegt. Bei dieser Gelegenheit durften wir seine außerordentliche Freundlichkeit, Bescheidenheit und Demut kennen lernen. Schon damals wurde eine Mitwirkung an der Schiffsprozession mit einem Pontifikalgottesdienst im Wigratzbader Heiligtum „Maria vom Sieg“ für das Jahr 2010 ins Auge gefasst. Und er freute sich ehrlich auf den Besuch. Es war geplant, dass ich ihn am 14. August 2010 auf dem Stuttgarter Flugplatz Echterdingen abholen und zu einer Andacht im Gnadenweiler Heiligtum bringen würde. Er sollte in der Erzabtei St. Martin in Beuron übernachten und am 15. August zu den großen Festlichkeiten nach Wigratzbad kommen. Doch drei Tage vor „Mariä Himmelfahrt“ kam die überraschende Nachricht, dass Bischof Caruana ins Spital nach La Linea, dem spanischen Teil Gibraltars, eingeliefert werden musste. Es hörte sich nicht dramatisch an; denn als Krankheits-Ursache wurde lediglich ein „offenes Bein“ angegeben. Schnell wurde das „Wigratzbader Programm“ umdisponiert: Ich konnte den gerade in Beuron weilenden Abt (em.) Raphael aus Siegburg einladen, der anstelle des Bischofs in der großen Pilgerkirche von Wigratzbad das Pontifikalamt feierte, assistiert von Pfarrer Fink, der die Festpredigt hielt, und mehreren konzelebrierenden Priestern.

Letzter Brief an den kranken Bischof

Am 30. September schilderte ich in einem letzten Brief an den erkrankten Bischof die wunderschöne Fatima-Schiffsprozession auf dem Bodensee und machte die Bemerkung, dass ja im kommenden Jahr nach seiner Genesung ein „erneuter Anlauf“ möglich wäre. Ich beschrieb ihm die romantische Fahrt des „Sakraments-Schiffes“, ablegend in Bregenz (Österreich), die Begleitung durch ein Zweitschiff, welches wie alle andern dazu stoßenden Schiffe über Funk mit dem Hauptschiff in Verbindung standen, den etwas stürmischen Bodensee, die Gebete und Gesänge der etwa 3.000 Gläubigen für ein friedliches Europa, das Auftauchen der anderen Schiffe bei der schon nächtlichen Fahrt, z.B. aus Rorschach (Schweiz) und aus Lindau (Deutschland) und wie die Schiffe alle zusammen beim Dreiländereck einen „Europa-Stern“ bildeten, die gut sichtbare Monstranz auf einem Altar im Heckteil unseres Schiffes, vor der junge Erwachsene der „Jugend 2000“ knieten und in ununterbrochenem Gebet und Gesang den Herrn anbeteten, und schließlich das gewaltige Feuerwerk am Ende der Seeprozession. Außerdem teilte ich dem Bischof mit, dass ihm von hier aus Genesungswünsche zugesandt wurden und an seiner Statt Diözesanbischof Elmar Fischer aus Feldkirch eine Ansprache hielt, in der er an ein im Glauben vereintes und starkes Europa appellierte. Europa sei mehr als eine Wirtschafts- oder Militäreinheit, Europa sei vor allem eine biblische Werte-Gemeinschaft in Jesus und Maria.

Zeugnis der Kondolenz-Schreiben

Auf die vollkommen überraschende Nachricht vom Heimgang des Bischofs hin, die ich also zwei Tage später erhielt, beauftragte mich unser Erzabt, ein Kondolenzschreiben an den Rektor des dortigen Heiligtums zu senden. Darin hob ich die Güte und Mitmenschlichkeit des verstorbenen Oberhirten hervor. Dem Internet konnte ich entnehmen, dass aus vielen Ländern Europas – Italien, Spanien, Schottland, England, Island, Russland, Lettland –, aber auch aus den USA, Kanada, China, aus Afrika, also aus Ländern rund um den Erdball Beileidsschreiben eingegangen waren. Eine zweite Kondolenz-Liste führte weitere Namen auf, die ich zur Ehre des von uns so sehr verehrten Verstorbenen einfach hier anführen möchte: Obispo de Almeria, Obispo de Cordoba, Obispo Antonio Ceballos Atienza, Arzobispo de Granada, Obispo de Jaen, Obispo Carlos Lopez, El Opispo de Bagdad, Shlemom Warduhi, der gerade in Gibraltar weilte und sofort in aramäischer Sprache, der Sprache der ersten Christen, eine Totenmesse für den verstorbenen Freund hielt … und viele andere Kondolenz-Anschriften. Bischof Charles Caruana hat in seiner Person unzähligen Menschen die Menschenfreundlichkeit Jesu aufgezeigt.

Übertragung des Requiems im Fernsehen

Am Dienstag, den 5. Oktober 2010, begann um 16.30 Uhr die Trauerfeier für den im Krankenhaus in La Linea, nur wenige Kilometer vom Bischöflichen Sitz entfernt, im Alter von 77 Jahren verstorbenen Bischof. Das staatliche Fernsehen GBC übertrug live gut zwei Stunden lang die gesamte Feier. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass er im vergangenen Jahr von Papst Benedikt XVI. für das Heiligtum „Maria Mutter Europas“ zur 700-Jahr-Feier die „Goldene Rose“ erhalten hatte. Zunächst zeigte das Fernsehen den Verstorbenen im Sarg ruhend, angetan mit priesterlichen Gewändern und weißer Mitra. Dann wurde der Sarg geschlossen, geziert mit einem einfachen Kreuz, darunter eine Messingplatte mit den Lebensdaten des Verstorbenen. Kein großes Blumengebinde, sondern nur eine einfache weiße Rose ruhte obenauf, sein bischöfliches Birett daneben. Der Sarg wurde abwechselnd von kanadischen Marinesoldaten, britischen Kadetten und einer zivilen Ehrenformation von der nahen Kapelle durch das Regierungsgebäude mit den drei Arkaden bis auf die gegenüberliegende Seite zum städtischen Rathaus getragen. Der von drei- bis fünfstöckigen Gebäuden umgebene Platz war mit Gläubigen vollkommen gefüllt. Anwesend waren Politiker wie der Gouverneur von Gibraltar und der Bürgermeister, Vertreter der jüdischen und der moslemischen Glaubensrichtung, Bischöfe der englischen Hochkirche und vor allem auch die Verwandten des Verstorbenen, seine beiden Brüder (einer von ihnen ist Erster Minister von Gibraltar), seine Schwester, Nichten und Neffen. Die Kardinäle Bertone und Antonelli und die Bischöfe trugen blaue Marien-Messgewänder. Der Sarg stand neben der Osterkerze. Es folgte ein einfaches Requiem mit der Lesung aus dem Buch Jesaja über das kommende Friedensreich, Psalm 23 und dem Evangelium nach Johannes mit dem Jesus-Wort: „Ich bin das lebendige Brot“. Der Prediger ging speziell darauf ein: Bischof Caruana verstand diese Jesus-Nähe existenziell und lebte aus dieser eucharistischen Wahrheit. Die meisten Gläubigen empfingen die Kommunion in der ehrfürchtigen Form mit dem Mund, wie es in den südlichen Ländern Europas noch vorrangiger Brauch ist. Als nach den verschiedenen Trauer-Adressen am Schluss des Gottesdienstes das österliche Halleluja des Chores erklang und der Sarg von sechs Garde-Soldaten hinausgetragen wurde, klatschte das gläubige Volk in Dankbarkeit seinem verschiedenen Bischof zu. Bei mir selbst brachen in diesem Moment die Tränen aus. Der große Europäer, der große Marien-Verehrer, der große Jesus-Liebhaber, Bischof Charles Caruana, den ich nur kurz, anderthalb Jahre, kennen durfte, er ruht nun zu Füßen des Altares „de la Virgen de Europa“. Amen. Halleluja!

Pater Ludwig Kondor: Ein Leben für Fatima

Dr. Dr. P. Andreas Resch CSsR (geb. 1934) ist Theologe und Leiter des von ihm gegründeten „Instituts für Grenzgebiete der Wissenschaft“ (IGW). Er beschäftigte sich jahrelang auch mit dem Phänomen der Marienerscheinungen, die er „in den Grenzbereichen des Lebens und der Heilsgeschichte“ ansiedelt. In seinem Beitrag würdigt er den „selbstlosen Einsatz“ von Pater Ludwig Kondor (1928-2009) für die Botschaft von Fatima. Dabei stellt er ein höchst interessantes Gespräch mit P. Kondor vor, das der Filmemacher Michael Mayr unmittelbar vor dessen Tod aufgenommen hat.

Von Andreas Resch

Am 28. Oktober 2009 starb in Fatima, Portugal, P. Ludwig Kondor, Steyler Missionar (SVD) und langjähriger Vizepostulator für die Seligsprechung der Seher von Fatima, Francisco und Jacinta Marto. Ludwig Kondor wurde am 22. Juni 1928 in Csikvánd, Komitat Györ-Moson-Sopron, Ungarn, geboren. Nach der Grundausbildung studierte er ab 1940 im Internat der Benediktiner-Abtei von Györ, später im Internat der Zisterzienser in Székesfehérvár. 1946 trat er in die Kongregation der Steyler Missionare ein und legte die ersten Gelübde ab. Ab 1948 studierte er in Ungarn Philosophie, musste aber auf Anordnung des Generaloberen seines Ordens vor der kommunistischen Christenverfolgung nach Österreich flüchten, zuerst nach Mödling und später nach Salzburg. 1950 wurde er vom Orden nach St. Augustin bei Bonn versetzt, wo er seine theologische Ausbildung abschloss und am 28. August 1953 zum Priester geweiht wurde. 1954 wurde er zum Vizepräfekt des Ordensseminars in Fatima ernannt. In Portugal förderte er u.a. auch den Aufbau zahlreicher kirchlicher Einrichtungen.

1961/62 wurde Pater Kondor zum Vizepostulator im Seligsprechungsverfahren der beiden Seherkinder von Fatima bestimmt, das am 13. Mai 2000 mit deren Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II. in Fatima abgeschlossen wurde.[1] Pater Kondor galt weltweit als wichtigster Experte für die Marienerscheinungen von Fatima. Er war ein Mann von hohem Wissen, großer Hilfsbereitschaft und beeindruckender priesterlicher Echtheit. 1963 errichtete er das Büro „Secretariado dos Pastorinhos“, das als „Büro der Hirtenkinder“ bekannt wurde, und gab von da an einen Newsletter in sieben Sprachen mit Informationen über Fatima heraus. Mit dem Werk „Schwester Lucia spricht über Fatima“[2]  legte er eine viel beachtete Schrift vor. Zudem engagierte er sich für die frühere „Blaue Armee Mariens“ und später für das Fatima-Weltapostolat.

Interview von historischer Bedeutung

2009 zeichnete der Filmproduzent Michael Mayr von der Filmgruppe München ein ausführliches Gespräch mit P. Kondor auf. Es wurde unter dem Titel „Leben für Fatima“[3] als Video herausgegeben. Die Aufnahmen haben inzwischen historische Bedeutung erlangt. Im Gespräch hebt P. Kondor zunächst eine Besonderheit der Fatimabotschaft hervor, die ihn persönlich sehr beschäftigte: „Nicht nur Gott, sondern auch das Unbefleckte Herz Marias wird zutiefst verletzt. Das war für mich eine Überraschung. Das habe ich in meinem Leben weder in theologischen Büchern noch im Leben von Heiligen gelesen, dass jemand aufgefordert wurde, Marias Unbeflecktes Herz zu sühnen.“

Weiter berichtet er von seinem Engagement in Fatima: „Zu Beginn meiner Arbeit habe ich sofort eine Offsetmaschine in das Büro gestellt. Wir begannen mit einem kleinen Mitteilungsblatt. In unserem Büro haben wir alles vorbereitet und an alle Bischöfe der Welt versandt. So haben wir das Leben der Seherkinder bekannt gemacht. Die ganze Welt hat darauf unheimlich reagiert.

Ich habe dieses Ereignis natürlich nicht nur in Schriften studiert – an erster Stelle, auf Anordnung des Bischofs, in der Beschreibung von Schwester Lucia –, sondern auch im persönlichen Gespräch mit ihr. 1961/62 wurde ich ja auch zum Vizepostulator für die beiden Seherkinder ernannt. Von da an konnte ich mit Schwester Lucia sprechen, wann immer es notwendig war.“

Außergewöhnliches Zeugnis von Sr. Lucia

Aus seiner Zusammenarbeit mit Sr. Lucia dos Santos schildert er eine weithin unbekannte Initiative: „Da sie [Lucia] eines Tages nicht mehr unter uns sein würde, stellte ich mir die Frage: Wie ist das alles gewesen? Mit diesem Gedanken habe ich sie so weit gebracht, dass sie einverstanden war, die Ereignisse, die Erlebnisse der Seher und die sechs Erscheinungen der Mutter Gottes von einer sehr guten Malerin, einer Schwester in Fatima, malen zu lassen. Ich besorgte dazu die nötigen Vollmachten.

Die Malerin, vom gleichen Orden wie Lucia, brachte ich zu ihr nach Coimbra. Dort fertigte sie nach Lucias Vorgaben Skizzen an. Ich legte Fotos von den betreffenden Stellen vor, damit alles wahrheitsgetreu gemacht werde. Um aber sagen zu können, dass diese Arbeit unter den Augen Lucias entstand, musste ich nochmals die Erlaubnis einholen. Ich brachte dann Schwester Lucia im Geheimen nach Fatima. Dort weilte sie zwei Wochen lang bei der Malerin und hat alles korrigiert.“

Im Film stellt P. Kondor eines dieser Bilder vor und betont: „Es wäre wirklich schade, wenn wir das nicht gemacht hätten.“

Seligsprechung von Jacinta und Francisco

Danach geht P. Kondor auf die Unversehrtheit des Körpers von Jacinta ein: „An dem Tag aber, 1935, 15 Jahre nach dem Tod, hat man nur das Gesicht freigestellt. Da durfte man nicht den ganzen Körper zeigen. Erst beim Seligsprechungsverfahren hat man den ganzen Körper für unversehrt befunden.“ Und zum Verfahren selbst erklärt er: „Die ganze Welt und vor allem die Bischöfe haben sich für Fatima interessiert. Ich konnte als Vizepostulator 300 Briefe nach Rom bringen, wo Bischöfe, sogar aus China, sich dafür aussprachen, dass die Kinder würdig seien, seliggesprochen zu werden. Das sei wichtig für die Welt der Kinder und für die pastorale Arbeit insgesamt.

Es gibt zwei Wege zur Seligsprechung: das Martyrium und die Heroizität der Tugenden. Märtyrer sind jene Kinder, die in den Familien gestorben sind, die unschuldigen Kinder. Bei jenen, die das christliche Leben auf heroische Weise geführt haben, wie die Seher, besagt das, dass sie für die Kirche gelebt haben. In diesem Fall waren Wunder notwendig, die wir als auf ihre Fürbitte hin gewirkt bestätigen konnten.“

Entscheidende Rolle der Päpste

P. Kondor hebt hervor, wie die Päpste in die Ereignisse von Fatima involviert waren: „Im Marianischen Jahr 1950 wurde auf diesem Platz [vor der Basilika] bekannt gegeben [vom päpstlichen Delegaten, Kardinal Todeschini], dass nicht nur die Pilger 1917 das Sonnenwunder gesehen haben, sondern auch ein anderer, Pius XII., vor der Verkündigung [des Dogmas am 1. November 1950] der Aufnahme Marias mit Leib und Seele in den Himmel. Gott wollte die Botschaft von Fatima durch Pius XII. dadurch bestätigen, dass er das Sonnenwunder von Fatima im Vatikanischen Garten sehen durfte, und zwar dreimal.“

Zum Attentat auf Papst Johannes Paul II. meint P. Kondor: „Ich glaube, [das Attentat] am 13. Mai 1981 war die Mahnung an den Papst, auf Fatima zu schauen. Er hat dann den Weihetext verfasst und kam schließlich 1982 nach Fatima, um die Weihe selbst vorzunehmen. Stellen Sie sich vor: Der Papst steht im Zentrum des Geheimnisses. Die Kinder sehen den Berg, wo Christus gekreuzigt wird. Die Leute kommen aus den zerstörten Städten dorthin und werden alle niedergeschossen, als sie sich dem Kreuz nähern. Das sind die Märtyrer der Zeit. Dann kommt der weiß gekleidete Bischof, von dem die Kinder wussten, dass es der Heilige Vater ist. Die Kinder sehen, wie der Papst zum Kreuz hinkommt, niedergeschossen wird und tot zusammenbricht. Der Papst sagte, dass eine Hand die Waffe und die Kugel geleitet habe und er so gerettet wurde. So kam Fatima durch die Kirche in die Öffentlichkeit.“

Die prophetischen Aussagen über Russland

„Wichtig war für mich die spezielle Aussage Marias: ‚Russland verbreitet seine Irrlehren, aber Russland wird sich zum Schluss bekehren.‘ Ich habe diese Sache sehr genau verfolgt und mit Schwester Lucia darüber gesprochen. Auch sie achtete mit großer Spannung darauf, wann dies geschehen wird. Ich habe ebenso mit Kardinälen gesprochen und auch der Papst fragte sich: Wann wird das geschehen? Wir wussten, dass die Voraussetzung dafür die Weihe Russlands an das Unbefleckte Herz Marias war.

Die Weihe wurde 1917 vorausgesagt. Damals sagte die Erscheinung: ‚Ich komme wieder.‘ Sie kam 1929. Lucia schrieb an Papst Pius XII. Papst Pius XII. versuchte die Weihe vorzunehmen, allein während des Zweiten Weltkrieges fehlten die Bischöfe. Dann kam das II. Vatikanische Konzil. Ich war mit dem Bischof dabei und hatte die Aufgabe, diese Forderung Marias in Rom unter den Bischöfen bekannt zu machen. Sie haben sich bereit erklärt – es waren 800 Bischöfe, welche die Bitte, er möge mit ihnen zusammen diese Weihe vorschlagen, direkt an den Papst herangetragen haben.

Lucia schreibt in ihrem Büchlein,[4] dass Gorbatschow, der Chef der Kommunistischen Partei Russlands, am 1. Dezember 1990 zum Papst gegangen ist. Und Gorbatschow, so Schwester Lucia, hat den Papst um Entschuldigung und Verzeihung gebeten für das, was er und seine Partei gegen ihn und die Kirche gemacht haben. Ich wollte diese Sachen natürlich veröffentlichen, wurde jedoch ermahnt, dies nicht zu tun, denn ich habe das aus dem Tagebuch des Papstes erfahren.“

Das Gespräch zeigt, welche entscheidende Rolle P. Kondor für Fatima gespielt hat. Er erfüllte seinen Auftrag aus innerer Berufung mit letzter Hingabe.


[1] Vgl. Andreas Resch: Die Seligen Johannes Pauls II. 1996 – 2000. Innsbruck, Resch 2010; ders.: I Beati di Giovanni Paolo II 1996 – 2000. Vaticano, Libreria Editrice Vaticana, 2004.
[2] Luís Kondor: Schwester Lucia spricht über Fatima. Erinnerungen der Schwester Lucia. Fatima, Secretariado dos Pastorinhos, 51987.
[3] Michael Mayr: Leben für Fatima. DVD-Video, Länge 108 Min., Filmgruppe München 2009, Euro 19,90,–. Bestelladresse: Filmgruppe München, Rottmannstraße 9, D-80333 München, mit E-Mail an: michael.mayr @filmgruppemuenchen.de
[4] Lucia Maria: Wie sehe ich die Botschaft durch die Zeit und durch die Ereignisse? Fatima, Carmelo de Coimbra, Secretariado dos Pastorinhos, 2006.

Rechtsprechung und Moral

Welche Rolle spielt die Moral bei der Rechtsprechung in einer „pluralistischen“ Gesellschaft? Dieser Frage geht Prof. Dr. Horst Seidl nach. Er stellt fest, dass sittliche Grundsätze nur noch insofern Berücksichtigung finden, als sie in der Gesellschaft allgemein anerkannt sind. Wenn nicht, so werden sie auch von den Gerichten nicht mehr unter Strafe eingefordert. Umso wichtiger erscheint es, sich in der Öffentlichkeit ständig um die Klärung ethischer Fragen zu bemühen. Anhand zweier aktueller Beispiele, insbesondere der Präimplantationsdiagnostik (PID), versucht Dr. Seidl, eine solche Beurteilung aus moralischer Sicht vorzunehmen.

Von Horst Seidl

Empirismus: Reduktion auf Erfahrungen

In unseren Tagen erleben wir Gerichtsurteile über moralisch bedenkliche Ereignisse, die in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen, aber in den anschließenden Diskussionen ungeklärt offen bleiben, wenn es um ihre ethische Beurteilung geht. Die einen berufen sich auf einen sog. „Pluralismus“ in der Gesellschaft, da diese sich in kontinuierlichem Wandel befinde und keine festen ethischen Maßstäbe mehr zulasse, andere hingegen halten noch an unveränderlichen Normen der Sittlichkeit aus dem christlichen Glauben fest. Sie sind aber auch aus der traditionellen Ethik begründbar. Sie muss sich heute freilich gegen den „Pluralismus“ der Werte verteidigen, der von einer philosophischen Richtung, dem sog. Empirismus, verbreitet worden ist. Er reduziert die menschliche Erkenntnis auf die Erfahrungen, die immer wieder auf Neues gehen und sich somit unaufhörlich wandeln, und zwar im theoretischen wie im praktischen Bereich. Hiernach sind sittliche Normen immer subjektiv und werden weitgehend zur Privatsache individueller Erfahrungen.

Diese Richtung ist seit der Antike (was ihre Vertreter bis heute ignorieren) oft gründlich widerlegt worden, im Namen des Verstandes (ratio), der mit seiner Erkenntnis über die Erfahrungen hinausgeht und zu Wissenschaften mit bleibenden Einsichten in Wesensmerkmale der Dinge und des Menschen gelangt, sowie in ethisch objektive Normen seines Handelns, vor allem die Tugenden.

Schwierige Lage der Rechtsprechung

Im Folgenden sollen aus den Tagesereignissen zwei diskussionswürdige Fälle ausgewählt und erörtert werden. Der erste Fall betrifft die Praxis der Präimplantationsdiagnostik (PID), der zweite die Praxis der Prostitution. Da zu beiden Fällen positiv entscheidende Gerichtsurteile ergingen, wandte ich mich zu meiner Information hierüber an zwei namhafte Juristen der älteren Generation, Prof. W. Odersky (BGH-Präs. a.D.) und Prof. H. Tröndle (OLG-Präs. a.D.). Ihre Antworten haben mir die gegenwärtig schwierige Lage der Rechtsprechung klargemacht: Diese ermittelt zwar das Recht im Bewusstsein sittlicher Grundsätze (die teilw. auch im Grundgesetz verbürgt sind), kann sie aber nicht unter Strafe fordern, sondern müsste sie eigentlich bei den Bürgern voraussetzen. Wenn aber jene sittlichen Grundsätze in der Öffentlichkeit durch einen „Pluralismus“ in Zweifel gezogen und nicht mehr ohne weiteres allgemein anerkannt werden, hat sich dem die Rechtsprechung mehr oder weniger anzupassen. Sie kann dann gerichtliche Urteilsentscheidungen nicht mehr aus moralischen Gesichtspunkten begründen, welche in die subjektive Privatsphäre verwiesen werden, sondern mehr aus sog. objektiven Sachverhalten sozialer und wirtschaftlicher Art.

Gleichwohl aber erwartet die Rechtsprechung, dass in der Gesellschaft die für Erziehung, Bildung und Kultur zuständigen (staatlichen und kirchlichen) Institutionen sich ständig um eine Klärung in Fragen sittlicher Grundsätze bemühen, um ihnen allgemeine und objektive Geltung zu verschaffen. Dem gilt auch (von meinem Ethikfach aus) der vorliegende kleine Beitrag einer vor allem ethischen Erörterung.

Urteil zur Präimplantationsdiagnostik (PID) 

Im erstgenannten Fall geht es um einen PID praktizierenden Arzt, der drei Embryonen absterben ließ (tötete?) und durch Selbstanzeige seines Tuns eine juristische Klärung herbeiführen wollte. Das gefällte Urteil des BGH, dass Gentests an künstlich befruchteten Embryonen nicht strafbar sind, hat große Unruhe in der Öffentlichkeit hervorgerufen,[1] besonders bei Katholiken, wie bei CDU-Politikern, wegen des möglichen Missbrauchs. Aber auch unabhängig davon stellt sich, ethisch gesehen, die Frage, ob das Urteil noch der Intention des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) und dem mit ihm verbundenen ethischen (und christlichen) Anspruch voll genügt. Das Gerichtsurteil rechtfertigt den vorliegenden Fall hauptsächlich damit, dass das ESchG nicht zum Austragen aller in vitro entstandenen Embryonen verpflichtet, sondern nur von drei: „Es steht nicht im Gesetz, dass alle befruchteten Eier übertragen werden müssen“.

Bedenken gegen das Gerichtsurteil

Hierzu stellen sich mir folg. Bedenken:

a) Das ESchG geht von der schon vorhandenen In-vitro-Fertilisation aus. Ethisch betrachtet, ist diese aber völlig unannehmbar: Die eheliche Handlung der Eltern, die zum Embryo in utero führen würde, wird in ihrem personalen Vollzug durch den technischen Eingriff des Mediziners unterbrochen. Überdies fehlt dem Embryo in vitro die wichtige Verbindung zur Mutter. Zu den vermuteten erblichen Schäden kommen vermutlich noch seelische hinzu, auch beim gesunden Embryo. Von dem „Nebeneffekt“ überzähliger Embryonen ganz zu schweigen.

b) Das ESchG, das von der Praxis der In-vitro-Fertilisation ausgeht, konnte nur einen schwachen Kompromiss mit Mindestforderungen bieten. Ein Gerichtsurteil hat die Möglichkeit, entweder die Schwäche dieses Gesetzes auszunützen, oder es positiv in der Intention des Gesetzgebers zu verstärken. Seine positive Intention betrifft den Schutz des Embryos als erzeugt „nach dem Willen einer Frau und eines Mannes“,[2] gegen jede Manipulation zu einem „nicht zu seiner Erhaltung dienenden Zweck“ (was Tötung ausschließt), und lässt die künstliche Befruchtung nur „zum Zweck der Schwangerschaft der Frau“ zu.[3]

Die das Gerichtsurteil ablehnenden CDU-Politiker sehen mit Recht die Menschenwürde in Frage gestellt, die als allgemein objektives, sittliches Gut zu verteidigen ist, und halten zudem eine Präzisierung des ESchG für notwendig. Meines Erachtens wäre darauf hinzuwirken, dass künftig die In-vitro-Fertilisation, die das absolute Gut des Menschenlebens antastet, nicht mehr angewandt wird, wenn sich auch eine seit Jahren geübte Praxis nicht von heute auf morgen abschaffen lässt.

Fall aus dem Prostitutionsgewerbe

Der zweite Fall betrifft das Prostitutionsgewerbe, das in Deutschland weit verbreitet und daher gesetzlich geregelt wird, vor allem zum Schutz von zwangsweise Prostituierten und gegen kriminelle Bedrohung. Doch hebt die gesetzliche Regelung nicht die bislang geltende Ansicht der Prostitution als sittenwidrig auf. Nun scheint aber diese Ansicht durch ein sogleich zu erörterndes Gerichtsurteil wieder eingeschränkt zu werden, welches Schlagzeilen in der Presse hervorgerufen hat, dass nach ihm Prostitution nicht mehr sittenwidrig sei.[4] Es ging um die Einrichtung einer sog. Anbahnungsgaststätte zu einem Bordell, die der Betreiberin verweigert wurde, mit dem Hinweis auf das Gaststättengesetz, § 4 Abs. 1 Nr. 1. Sie erhob dagegen Klage, da sie sich in ihrem Freiheitsrecht verletzt sah. Das Verwaltungsgericht erkannte ihre Klage als berechtigt an und legte den fraglichen § 4 zu ihren Gunsten aus.

Der § 4 des GastG hat das Gemeinwohl, dem eine Gaststätte dienen soll, im Blick und versagt die Einrichtung einer Gaststätte für den Fall, „dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil er beispielsweise befürchten lässt, dass er der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird“. Das Gericht sah im vorliegenden Fall diese Voraussetzung nicht erfüllt; „denn die Klägerin leistet mit dem Betrieb ihres ,Café P.‘ nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG der Unsittlichkeit Vorschub“.

In seiner Begründung unterscheidet das VG u.a. zwischen den subjektiven moralischen Gefühlen der Individuen und den Verhaltensweisen der Menschen, die als objektive Sachverhalte zu ermitteln sind, und zwar von Soziologie und Psychologie, nicht von der Ethik.

Diese Unterscheidung erscheint mir jedoch aus ethischer Sicht unhaltbar. Alle ethisch zu beurteilenden Handlungen haben doch immer zwei untrennbar verbundene Seiten, eine subjektive und eine objektive, und es ist gerade die moralische Aufgabe der Menschen, beide miteinander zur Übereinstimmung zu bringen; denn der Einzelne kann, wie schon Aristoteles sagt, nur nach dem handeln, was ihm subjektiv als gut erscheint, aber er soll sich bemühen, dass dieses mit dem objektiven Guten übereinstimme.

Freilich muss hierüber jeder eine vernunftmäßige Erkenntnis erwerben, geleitet von einer klugen Erziehung in guten Sitten und Traditionen, die im christlichen Europa besonders vom christlichen Glauben geprägt sind, wie ihn die Kirche lehrt. Der philosophischen und theologischen Ethik kam hierbei immer eine maßgebliche Aufgabe zu. Dagegen lässt der oben erwähnte Empirismus, mit seiner These des „Pluralismus“, auf moralischem Gebiet keine objektive Vernunfterkenntnis mehr gelten, sondern nur noch eine subjektive, die von immer neuen Erfahrungen (Glücksgefühlen) abhängt.

Das VG folgt der Neuregelung des ProstG und des darauf fußenden Strafgesetzes, das der Tatsache Rechnung trägt, dass es in Deutschland ca. 2.000 Prostituierte, unter sehr verschiedenen, teilweise kriminellen Bedingungen, gibt. Daher muss es strafgesetzliche Regelungen geben,[5] die aber nur die Zwangsprostitution unter Strafe stellen (§ 180a, Nr. 1, Allgemeines). Das StGB setzt zur frei ausgeübten Prostitution fest, dass sie „grundsätzlich straffrei, wenngleich sozial unerwünscht“ ist, bei „Zurückdrängung eines Allgemeininteresses an ,Sittlichkeit‘ aus dem Kreis straflegitimierender Rechtsgüter“. „Geschützt sind persönliche Freiheit und wirtschaftliche  Unabhängigkeit“ der  Prostituierten (Nr. 2). Definiert wird die Prostitution (Nr. 3) als „eine zu Erwerbszwecken ausgeübte, wiederholte, entgeltliche Vornahme sexueller Handlungen mit zumeist wechselnden Partnern, bei welcher die sexuelle Beziehung nicht in ein persönlich-emotionales Verhältnis integriert und dies auch nicht angestrebt ist; es handelt sich somit um eine Dienstleistungsbeziehung…“ Doch stellt das StGB abschließend fest (Nr. 5): „Die Gesamt-Regelung bleibt freilich widersprüchlich“, nicht zuletzt wegen des Verständnisses von „Prostitution als ,normaler‘ Berufstätigkeit“.

Verlassen wir den juristisch-strafrechtlichen Bereich und blicken auf die Prostitution aus rein ethischer Sicht, so stellt sich die Frage, inwiefern sie „sozial unerwünscht“ ist, und was das „Allgemeininteresse an Sittlichkeit“ hierüber zu sagen hat, das für das StGB zurückgestellt werden musste.

Beurteilung aus ethischer Sicht

1. Die Prostitution ist mit dem Gemeinwohl (s.o. GastG § 4) unvereinbar, da dieses nicht nur einen von Konflikten und Kriminalität freien Zustand der Bürger bedeutet, wie das VG es versteht, sondern vielmehr das Zusammenleben der Bürger in Glück und Wohlergehen, das Bürgertugenden voraussetzt, wie Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit, auch Treue der Eheleute und Keuschheit. Es geht hier im sexuellen Bereich der Menschen um eine innere und äußere Ordnung der Vernunftherrschaft über den Leib und den Trieb, welche nur durch die Ehe gewährleistet wird. Die sexuelle Liebe zwischen Mann und Frau, die in der Ehe aufeinander zugeordnet sind, ist in ihre vernunftvolle, personale Liebe integriert. Hiergegen bringt die Prostitution in die sexuellen Beziehungen eine Unordnung, die nicht mehr dem Gemeinwohl dient.

2. Abwegig ist daher der Versuch, die Verhältnisse zwischen Prostituierten und Kunden mit denen der Ehe zu vergleichen und von „Anbahnung“ zur Prostitution, parallel zur Eheanbahnung, sowie von den Kunden als „Freiern“ zu sprechen, als würden sie wie um eine Braut werben.

3. Das Verhalten der Prostitution wird der menschlichen Person nicht gerecht. Die Liebe, auch die sexuelle, ist immer ein gesamtmenschlicher Vollzug und deshalb ein personaler, weil Person (per Definition) das Individuum in seiner leiblich-seelischen Einheit ist. Der von der Klägerin (s.o. VG-Urteil) verwendete Ausdruck „körperlicher Liebe“ ist in sich widersprüchlich.

4. Die Isolierung der Sexualität von der gesamtmenschlichen Liebe desintegriert die Person und beschädigt die personale Freiheit, wie auch die Menschenwürde, wenn anders sie in der Vorordnung der Vernunft vor dem Trieb liegt, der an sich gut ist, aber der Führung durch die Vernunft in den Tugenden bedarf. Jeder hat zwar die (im GG verbürgte) Menschenwürde, muss sich ihrer aber im Leben immer erst wieder würdig erweisen, was eine moralische Aufgabe bleibt.

5. Schließlich verlieren auch die sozialen Begriffe der „Arbeit“ und „Dienstleistung“ ihren hohen sittlichen Wert, der den Menschen adelt; sie werden nun auf sexuelle Handlungen reduziert. Unserer menschlichen Gesellschaft ist damit nicht mehr „gedient“; sie werden wahrlich „sozial unerwünscht“.


[1] Siehe FAZ, 6. und 7. Juli 2010.
[2] Gesetz zum Schutz von Embryonen, von 1991/ 2002 (mit Änderungen) §1 (1), 6.
[3] Ebenda §2 (2).
[4] S. „Streit“ 1/2001, „Urteil VG Berlin, §§15II i.V.m. 41 Nr.1 GastG Prostitution nicht sittenwidrig“.
[5] Siehe Strafgesetzbuch, 57. Auflage von 2010 (Thomas Fischer).

Zur Islam-Debatte

Bundespräsident Christian Wulff im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayip Erdogan bei seinem jüngsten Staatsbesuch in der Türkei. Kurz zuvor hatte er mit seiner Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit heftige Diskussionen ausgelöst. Er stellte fest: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Kein Bekenntnis also zu den in Deutschland lebenden Moslems, sondern zum Islam als solchem. In Anspielung darauf sagte er nun vor der Großen Nationalversammlung in Ankara: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei“, und rief die Türkei zum Schutz der Christen in ihrem Land auf. Ist es damit getan? Ist die Sache so einfach?

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Europa wird ganz allein muslimisch“, sagte neulich Libyens Gaddafi angesichts der Diskussionen um die Rechtsstellung des Islam in Europa. Das stand dann in der größten österreichischen Zeitung! Eigentlich keine aggressive Bemerkung, wie man sie zu anderer Zeit von Gaddafi schon gehört hat, sondern eine Behauptung, die ihn sichtlich freut und, aus seiner Sicht gesehen, auch freuen darf! Erstaunlich ist aber: Die Europäer regen sich nicht darüber auf! Freilich, zur Entrüstung gibt es keinen Grund, es ist, könnte man sagen, nur eine Vermutung des Herrn Gaddafi und eine solche ist doch nicht verboten? Nein, erzürnt dürfen die Europäer wirklich nicht sein, aber was man erwarten würde ist: Aufregung und aufgeregte Diskussion darüber, ob das wahr ist und ob Gaddafis Vorhergesagte begründet ist, ob stimmt, was er sagt? Ganz grundlos hat er diese Voraussage wirklich nicht gemacht. Denn auch er hat beobachtet und jeder, der es sehen will, sieht es auch: Die Europäer sind derzeit nicht mehr bereit, ihre eigenen Kinder in hinreichender Zahl zu gebären, die Muslime hingegen haben Kinder, viele Kinder, und niemand hat das Recht, ihnen das zu verübeln! Die andere Frage ist: Wenn es so ist, warum kein Erschrecken in Europa? Weil sich die Muslime, von schwarzen Schafen abgesehen, die es überall gibt, ordentlich benehmen?

Ja, aber merkwürdigerweise unterbleibt eine andere Frage: Niemand scheint beunruhigt durch den absoluten Machtanspruch, den diese religiös begründete Ideologie enthält und auch offen kundtut? Denn muslimische Mehrheit heißt natürlich auch Scharia, also islamisches Gesetz und „Islam“ heißt bekanntlich Unterwerfung! Mohammed hat seine Religion mit dem Schwert verbreitet, den heutigen Muslimen genügen Mehrheiten, und noch kein Volk, das die Macht hatte, hat den „Einheimischen“ dennoch die alte Macht überlassen! Daher die Frage: Ist denn Freiheit nicht ein hoher Wert Europas, einer der höchsten? Die gleichen Europäer, die ihr „Wertsystem“ preisen wie das Gelobte Land und Paradies (nur ohne Gott!), die gleichen Europäer, die ihre jüdisch-christlichen Wurzeln verleugnen und sich spürbar freuen, wenn in der Kirche der gleiche Schmutz aufgedeckt wird (wie er in den eigenen Reihen in viel größerer Menge vorhanden ist, aber zugedeckt bleibt), die gleichen Europäer, die die Kirche behandeln wie den letzten Dreck, eben diese Europäer schmeicheln schon jetzt bei jeder Gelegenheit dem Islam, sie gehen über dessen unheimliche Forderungen und die unmenschlichen Folgen mancher seiner Lehren hinweg, und diejenigen, die auch kritische Fragen stellen wollen, werden sofort diffamiert und als Hetzer beschimpft! Die Schwierigkeit besteht gerade darin: Menschen mit „Migrationshintergrund“ irgendwie ungerecht zu behandeln, wäre Unrecht, Emotionen gegen sie zu schüren, wäre nicht nur Unrecht, sondern gefährlich für alle, Muslime und Europäer. Aber ebenso gefährlich ist es, über Schwierigkeiten nicht zu reden, Schwierigkeiten zu verdrängen, diejenigen, die reden wollen, am ernsthaften Dialog zu hindern und sie gesellschaftlich zu vernichten (zum Beispiel durch Entlassung)!

Gaddafi sollte man eigentlich danken, die Zukunft, wie er sie sieht, so deutlich anzusprechen. Wenn wir Europäer auch dann nicht reagieren, ist uns nicht mehr zu helfen und wahrhaftig nicht seine Schuld! Kein Unrecht, keine Hetze, aber unbedingt Dialog über alles und jedes, entschlossen und auch mutig! Das müsste unser Programm sein! Ist es unser Programm?

Umfrage zur Natürlichen Empfängnisregelung

Am 4. Oktober 2010 starb im 91. Lebensjahr Prof. Dr. med. Josef Franz Rötzer, der große Pionier der „Natürlichen Empfängnisregelung“ (NER). Im Verlauf von mehr als 50 Jahren Erfahrung mit Tausenden von Ehepaaren entwickelte er als erster weltweit eine Vorgangsweise, welche als „sympto-thermale Methode“ (STM) bezeichnet wird und die Verlässlichkeit der „Pille“ nicht nur erreicht, sondern sogar übertreffen kann.[1] Dadurch eröffnete er den Ehepaaren einen Zugang zu einer verantworteten Elternschaft, in der die Fruchtbarkeit auf natürliche Art – ohne medikamentös einzugreifen – verstanden, angenommen und gelebt wird. Für seine Forschungsergebnisse und sein unermüdliches Engagement erhielt er hohe päpstliche Auszeichnungen. Denn er hatte einen neuen Weg zur Verwirklichung erfüllter Sexualität gebahnt, welcher der Morallehre der Kirche ganz und gar gerecht wird. Aus Dankbarkeit für das Lebenswerk von Dr. Rötzer veröffentlichen wir eine Umfrage zur NER aus dem Jahr 2008. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls von Dr. Rötzer gegründeten „Institut für Natürliche Empfängnisregelung“ (INER), Vöcklabruck, durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass Paare, die NER praktizieren, eine Förderung der Kommunikation, eine Verbesserung der Partnerbeziehung und eine Stabilisierung ihrer Familie erleben.

Von Walter Rhomberg

Die Natürliche Empfängnisregelung und ihre Beziehung zu Humanae vitae

Die Enzyklika Humanae vitae vom Jahre 1968 ist ein Lehrschreiben des Papstes und sollte eine entsprechende Beachtung finden. Geschwächt durch die damaligen (auch kirchlichen) Gegenstimmen wurde der Inhalt der Enzyklika nie populär, obwohl sich jetzt nach vierzig Jahren ihre Wahrheit und prophetische Kraft herausstellt. Dabei handelt es sich bei näherem Hinsehen um ein tragisches Missverständnis: Die katholische Lehre befürwortet ein erfülltes Sexualleben der Eheleute – gleichzeitig will sie aber auch vor einer gewissen Versklavung schützen. Sie empfiehlt den Leuten natürliche Methoden der Empfängnisregelung (NER), die den Eheleuten lediglich ein geringes Opfer an Enthaltsamkeit an wenigen Tagen abverlangen und die durchaus leicht zu erlernen sind. Aber nein, selbst dieses geringe Opfer wird oft zurückgewiesen und stattdessen nur in künstlichen Methoden der Empfängnisregelung (-verhütung) das Heil gesehen, wobei man sich in törichter Weise bewusst oder unbewusst einer großen Palette von lebensbedrohlichen Nebenwirkungen aussetzt.

Bekannte Vorteile der NER

Die sympto-thermale Methode (STM), erstmals 1965 von Prof. Josef Rötzer veröffentlicht, ist eine von mehreren Methoden der natürlichen Empfängnisregelung (NER). Sie beruht auf der Kombination der Beobachtung des Zervix-Schleims der Gebärmutter und der Messung der morgendlichen Aufwachtemperatur. Die natürliche Methode der Empfängnisregelung nach Rötzer legt Wert auf die Einhaltung einer periodischen sexuellen Abstinenz während der wenigen fruchtbaren Tage im Zyklus einer Frau, wenn die Verantwortung für ein Kind nicht übernommen werden kann.

Die bisher bekannten Vorteile der Methode liegen zunächst in ihrer Natürlichkeit und damit im Fehlen von Nebenwirkungen und Komplikationen. Es sind keine Arztbesuche nötig. Man muss sich einmal den Wert einer Methode vor Augen halten, die keinerlei Nebenwirkungen hat! Abgesehen von ethischen Bedenken (nidationshemmende Wirkung von Spirale und Hormonpräparaten und damit Möglichkeit einer – meist unbewussten – Frühabtreibung) sind die Nebenwirkungen der künstlichen Verhütungsmethoden, wenn sie auftreten, oft schwerwiegend [vgl. Literaturhinweise unter Nr. 6, 7 und 8]. Zu erwähnen sind Thrombosen und Embolien sowie ein erhöhtes Krebsrisiko (Brustkrebs, Leber- und Gebärmutterhalskrebs) [7]. Nebenbei sind in jüngster Zeit auch bei der Samenleiterunterbindung des Mannes (Vasektomie, Sterilisierung) Nebenwirkungen beschrieben worden, die zu denken geben. Neben dem lästigen und nicht seltenen Post-Vasektomie-Schmerz-Syndrom besteht auch die Möglichkeit schwerer Infektionen und sogar einer Demenzentwicklung [7,9]. Warum wird beim Thema Familienplanung ein völlig unzureichender Maßstab beim Patientenschutz angelegt? Alle bedenklichen Nebenwirkungen, die mit der Anwendung künstlicher Verhütungsmethoden verbunden sind, wären mit NER leicht vermeidbar. Natürlich sind die angegebenen Komplikationen relativ selten, doch müssen dabei die hohen Verschreibungszahlen z.B. der „Pille“ und die Tatsache bedacht werden, dass es sich um gesunde junge Frauen handelt [6]. Den meisten Frauen ist auch nicht bewusst, dass sie Risikofaktoren haben können (hoher Blutdruck, Rauchen, Migräne, erbliche Neigung zu Thrombosen etc.), die dann bei Anwendung der „Pille“ eine echte Gefahr von ernsten Gesundheitsstörungen sein können.

Die Methode ist äußerst verlässlich – vorausgesetzt, dass schriftliche Zyklusaufzeichnungen geführt und die bekannten Regeln eingehalten werden – und erreicht einen so genannten Pearl-Index (PI) von 0 bis 0.9 (PI = Anzahl ungeplanter Schwangerschaften / 100 Frauenjahre). Sie kann im Selbststudium aus dem Lehrbuch [1] oder in Kursen [2] mit geringem Zeitaufwand erlernt werden.

Zudem bilden in der medizinischen Praxis entsprechende Zyklusaufzeichnungen bei unregelmäßigen Zyklen und Zyklusstörungen die Grundlage, um allfällige Ursachen dafür aufzudecken und eine Regulierung ohne Hormone durchzuführen. Die Aufzeichnungen, welche die Grundlagen einer verlässlichen natürlichen Empfängnisregelung (NER) sind, können auch Paaren mit verminderter Fruchtbarkeit zu der ersehnten Schwangerschaft verhelfen. Darüber hinaus hat die NER aber auch in einem übergeordneten Sinn Vorteile: Sie führt zu einem erhöhten Selbstwertgefühl bei der Frau und fördert die Kommunikation zwischen den Ehepaaren [3].

Warum ist die NER so wenig bekannt?

Nur 5 % der Österreicher praktizieren die natürliche Empfängnisregelung (NER) [5]. Die NER ist in ihrer Einfachheit und Verlässlichkeit nicht genug bekannt. Für die noch begrenzte Popularität der NER gibt es mehrere Gründe:

1. Mangelndes Interesse der Medien;

2. begrenztes Wissen um die Methode in der offiziellen Medizin;

3. zu wenig Information durch kirchliche Institutionen (z.B. in der Ehevorbereitung);

4. dominierendes Lobbying der Pharma-Industrie (für die Pille, Spirale, etc.);

5. der scheinbare Komfort der künstlichen Methoden schwächt das Interesse an der NER.

Es können hier nicht alle Gründe im Detail diskutiert werden. Leider haben die wichtigen Massenmedien in der Regel kein Interesse, die Methode bekannt zu machen oder sie seriös zu diskutieren, da sie dem „Zeitgeist“ nicht entgegenkommt. Wie viele, zum Teil belanglose Informationen stehen dagegen über Diäten, Bewegungsübungen und dergleichen in den entsprechenden Journalen!

Ein wichtiger Informationsfaktor wäre ohne Zweifel die Stimme der Ärzte, doch haben in der Medizin Methoden, die nichts kosten und vielleicht nur einmal abrechenbar sind, einen geringen Stellenwert. Selbst unter Ärzten ist die Methode der NER wenig bekannt, weil sie auch im Medizinunterricht an den Universitäten kaum gelehrt wird, obwohl sie bei richtiger Anwendung der „Pille“ sicher ebenbürtig ist. Erst langsam findet diese Tatsache Eingang in manche Lehrbücher der Frauenheilkunde. In Diskussionen hat man den Eindruck, dass viele Mediziner die Methode irrtümlicherweise mit der alten Knaus-Ogino-Methode gleichsetzen und deshalb an ihrer Verlässlichkeit zweifeln. All dies führt dazu, dass die Frau nicht in optimaler Weise beraten wird.

Eine internationale Umfrage zur NER

Auf Anregung und im Auftrag des Referates für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg (Weihbischof Andreas Laun) und des Arbeitskreises NER der Diözese Feldkirch (Bischof Elmar Fischer) und mit Zustimmung des Instituts für Natürliche Empfängnisregelung (INER) wurde 2008 eine Umfrage unter den Mitgliedern dieses Instituts durchgeführt. Es sollte geklärt werden, welchen Einfluss die natürliche Empfängnisregelung (NER), hier speziell die sympto-thermale Methode nach Rötzer, auf die Beziehung der Eheleute und das Familienleben hat, und wie NER von denen gelebt wird, die die Methode vertreten oder sie auch lehren (INER-Mitglieder).

Im Juli 2008 wurden Kuverts mit je 2 Fragebögen (für Frau und Mann) an 1131 INER-Mitglieder in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien (Region Südtirol) verschickt. Die Fragebögen enthielten je 14 Fragen mit 37 detaillierten Antwortmöglichkeiten. Die Fragen bezogen sich auf Alter, Geschlecht, Schulbildung, Zivilstatus, Beschäftigung, finanzielle Situation, Kinderzahl, religiöses Bekenntnis, religiöse Praxis, Praxis der NER sowie persönliche Konsequenzen aus dem Leben mit NER. Am Ende des Fragebogens blieb Raum für Bemerkungen und Kommentare. Die Auswertung erfolgte zum Stichtag 31.12.2008. Die Rücklaufquote betrug 44 %. Die Möglichkeit, auf dem Fragebogen persönliche Kommentare und Bemerkungen zu machen, wurde von 58 % der Antwortenden genutzt.

Charakteristika der Umfrageteilnehmer

Die Antworten kamen von 332 Männern (41 %) und 479 Frauen (59 %). Das mediane Alter lag zwischen 40 und 49 Jahren. Die Teilnehmer hatten eine relativ hohe Schulbildung: 50 % hatten einen Fach(hoch)schul- und 40 % einen Hochschulabschluss.

Bezüglich ihrer Berufszufriedenheit gaben 96 % der Umfrage-Teilnehmer an, dass sie entweder sehr zufrieden (46 %) oder zufrieden (50 %) seien, nur 4 % verneinten dies. Die finanzielle Situation der Teilnehmer wurde von 83 % als ausgeglichen und von 16 % als angespannt bezeichnet, 1 % der Befragten waren in einer Notsituation.

Unter den Befragten waren 91 % verheiratet (davon 97 % kirchlich), 3 % ledig, 3 % geschieden, 2 % in Lebensgemeinschaften und 1 % verwitwet. Die mediane Ehedauer lag bei 20 Jahren (Streubreite 0.1-50 Jahre). Voreheliche sexuelle Beziehungen mit anderen Partnern wurden in 29 % angegeben. Die mediane Zahl der Kinder in den Familien betrug 3 (0 -11).

Die Umfrageteilnehmer (aller vier Länder) waren zu 74 % römisch-katholisch und zu 20 % protestantisch. 4 % gehörten anderen Konfessionen an, 2 % waren konfessionslos. Es gab keine wesentlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber signifikante Unterschiede in der Religionszugehörigkeit innerhalb einzelner Länder, z.B. 95 % Katholiken in Österreich gegenüber 49 % in der Schweiz.

Die religiöse Praxis der Teilnehmer wurde entsprechend ihrer Antworten bezüglich Gottesdienstbesuch, persönlichem Gebet und Gebet mit dem Ehepartner beurteilt.

Ergebnisse

• Gründe für die Wahl der NER (STM) zur Empfängnisregelung

Vier Gründe machten 92 % aller Antworten auf die Frage aus, warum gerade die NER zur Geburtenregelung ausgewählt wurde: Wunsch nach einer natürlichen Methode, Tipp von Freunden, ethisch-religiöse Überlegungen und Angst vor Nebenwirkungen bei Anwendung künstlicher Verhütungsmethoden. Nur 5 % der Befragten lernten die NER/STM bei Ehe-Vorbereitungskursen kennen!

• Zur Praxis der Methode

Die durchschnittliche Dauer der Zyklusaufzeichnungen der Frauen lag bei 17 Jahren (Streubreite 1-40), die Dauer der Anwendung der Methode ebenfalls bei 17 Jahren. Gleichzeitig gaben 40 % der befragten Frauen an, während ihrer gegenwärtigen Ehe auch künstliche Kontrazeptiva angewandt zu haben.

Aus der Angabe, die Methode nach Rötzer authentisch zu leben (83 %) und während der jetzigen Ehe auch künstliche Verhütungsmethoden anzuwenden (40 %) resultiert ein scheinbarer Widerspruch. Leider wurde im Fragebogen nicht nach dem Zeitpunkt einer solchen Anwendung gefragt. So kommt es wohl öfter vor, dass diese Methoden (hormonelle Kontrazeption, Kondome, Spirale) z.B. zu Beginn einer Ehe angewandt wurden, zu einer Zeit, als die Rötzer‘sche Methode dem Paar noch nicht bekannt war. Dies ist eine Erklärung für den Widerspruch.

• Kommunikation und Zufriedenheit im Familienleben

Die Umfrage ergab, dass 61 % der Teilnehmer die NER (STM) als Bereicherung ihrer persönlichen Beziehung zum Partner empfanden, 63 % meinten, dass das Familienleben schöner und glücklicher wurde, indem NER gelebt wurde. Die Kommunikation mit dem Partner wurde nach 61 % der Befragten verbessert, 15 % verneinten dies und 24 % sagten: „Ich weiß nicht.“ In diesem Zusammenhang gaben einige der Befragten einen Zusatzkommentar ab und wiesen darauf hin, dass diese Fragen für sie nicht exakt zu beantworten sind, weil die Kommunikation mit dem Partner oder das Familienleben von Beginn an gut gewesen seien und daher kein Vergleich möglich ist. Es war aber dem Großteil klar, dass NER die Möglichkeit eröffnete, mit dem Partner besser über Sexualität zu sprechen: 85 % bejahten diese Frage.

• Periodische Abstinenz

Eher überraschend war das Ergebnis bezüglich der Frage: „Empfinden Sie – trotz eines höheren Anspruchs – die periodische Abstinenz als positiv?“ Ein „Ja“ kam von 592 Personen (82 %), ein „Nein“ von 87 (12 %). Nur 40 Personen (6 %) meinten, dass die STM nach Rötzer kaum zu leben sei. (Rate auswertbarer Antworten 92 %).

Indirekte Aussagen zur periodischen Abstinenz im Zusammenhang mit der sympto-thermalen Methode ergaben sich aus den freiwilligen Kommentaren. Dort wurde die Enthaltsamkeit in 31,5 % der Kommentare der Frauen angesprochen und überwiegend als günstig eingestuft, und zwar aus zwei Gründen: erstens war es für viele Frauen angenehm, dem Partner nicht jederzeit zur Verfügung stehen zu müssen (ein Grundbedürfnis?), und zweitens steigert die periodische Enthaltsamkeit in den Augen dieser Frauen die Vorfreude und Freude an der Sexualität beträchtlich.

• Scheidungsraten

Eine Ehe-Scheidung wurde von 25 Personen angegeben (11 Männer und 14 Frauen). Dies entspricht einer Scheidungsrate von 3 %. Die Scheidungen waren nicht mit dem religiösen Bekenntnis korreliert, wohl aber in gewisser Weise mit der religiösen Praxis der Befragten. Dabei überrascht es nicht zu sehen, dass eine Korrelation zwischen optimaler religiöser Praxis und einer niedrigen Scheidungsrate besteht, aber es muss auch auf die relativ niedrige Scheidungsrate von 12,5 % bei den Personen mit „nicht-optimaler religiöser Praxis“ hingewiesen werden.

Die Ehen sind nach einer medianen Zeit von 12 Jahren (Streubreite 1-26 Jahre) geschieden worden. In der Subgruppe der geschiedenen Paare wurden gewisse Trends festgestellt: Die mediane Zahl der Kinder betrug 2 (2-6). Nur die Hälfte der Geschiedenen (12) praktizierten die NER, 1 Paar tat dies teilweise. Künstliche Verhütungsmethoden wurden während der Ehe von 17 geschiedenen Paaren angewandt, 5 verneinten dies und 3 gaben diesbezüglich keine Auskunft. Der Gebrauch künstlicher Verhütungsmethoden in 17 von 22 auswertbaren Paaren (77 %) ist signifikant häufiger als beim Gesamtkollektiv (40 %).

Neue Aspekte nach dieser Umfrage

Aus den Antworten der Umfrage darf geschlossen werden, dass die sympto-thermale Methode die Kommunikation unter den Ehepartnern fördert und den Dialog über intime Themen erleichtert. Sie erhöht den gegenseitigen Respekt unter den Eheleuten und bringt Frieden in die Ehe. Die Resultate stimmen mit einer früheren Publikation von Mercedes Wilson (USA) überein, wonach die NER mit einer verbesserten Partnerbeziehung und größerer Familienstabilität verbunden ist [3].

Die Stabilität von Familien kann auch im Hinblick auf die Scheidungsrate eines Kollektivs gemessen werden. Die Gesamt-Scheidungsrate bei dieser Umfrage liegt bei 3 %. Diese Rate wird von mehreren Faktoren bestimmt. Einen wesentlichen Einfluss hat sicher die religiöse Überzeugung. Wie erwartet, waren Scheidungen bei Eheleuten mit religiöser Praxis eher selten (1,7 %) und unter denen, welche zusätzlich regelmäßig mit ihrem Partner beteten, noch seltener (0,6 %). Auch diese Beobachtung stimmt vollständig mit den Daten von Mercedes Wilson [3] überein. Wie erwähnt fällt auf, dass die Scheidungsrate auch bei nicht-optimaler religiöser Praxis mit 12,5 % immer noch deutlich unter den Durchschnittswerten der deutschsprachigen europäischen Länder liegt. So erreichte beispielsweise im Jahr 2007 die Scheidungsrate in Österreich 48 % (37 % in Tirol bis 60 % in Wien) [4].

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Praktizieren von NER per se ein Faktor ist, der die Stabilität einer Ehe fördert. Was stabilisiert eine Ehe – abgesehen vom sakramentalen Element – besser als eine gute Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen, Selbstbeherrschung und das Gefühl der Geborgenheit? All dies wird durch die sympto-thermale Methode (STM) gefördert. Eine Verbesserung der Kommunikation zwischen den Partnern durch die Praxis der STM nach Rötzer ist eine Tatsache – nur 15 % der Befragten verneinten diesen Aspekt. Im übrigen, und dies ist ein sehr interessanter Punkt, scheint das Familienleben glücklicher zu sein, wenn die periodische Enthaltsamkeit in die Praxis der STM einbezogen wird und die fruchtbaren Tage nicht systematisch durch den Gebrauch künstlicher Verhütungsmethoden „überbrückt“ werden.

Obwohl die periodische Enthaltsamkeit ein Hauptgrund von Kritik und Klagen über die Methode ist, zeigt – auch eher überraschend – ein Drittel der freiwilligen Kommentare in den Fragebögen, dass diese Enthaltsamkeit auch ihre positiven Seiten hat. Sie scheint, besonders bei der Frau, einem natürlichen Bedürfnis zu entsprechen und die Freude an der Sexualität zwischen den Eheleuten aufrecht zu erhalten. So kommt es, dass trotz der Vorbehalte gegen die Methode, die von Kritikern immer wieder als „praktisch nicht lebbar“ hingestellt wird, und die auch die gelegentlichen Schwierigkeiten mit der Messung der Aufwachtemperatur einschließt, nur 1 von 453 Frauen die NER/STM anderen Leuten nicht empfehlen würde.

Forderungen für die Zukunft

Auf welchen Wegen können Frauen diese überaus nützliche Methode kennen lernen, wenn sie nicht zufällig vom Institut für Natürliche Empfängnisregelung gehört haben? Eine gute Möglichkeit, von der Methode zu hören, wären natürlich Ehevorbereitungskurse. Überraschenderweise gaben aber nur 5 % der Befragten an, dass sie die STM auf diesem Wege kennen gelernt haben. Hier besteht ein eindeutiges Defizit im Lehrangebot der Kirche. Auch Priestern fehlt hier sehr oft das nötige Wissen, das im Hinblick auf die Inhalte der Enzyklika Humanae vitae für sie von Interesse sein müsste.

Es wurde viel über die Enzyklika Humanae vitae geschrieben. Mit der NER könnte der Bevölkerung ein probates Mittel in die Hand gegeben werden, gemäß den Empfehlungen dieser Enzyklika zu leben. Die nähere Betrachtung der Methode erleichtert vielleicht auch eines Tages die Revision der Königsteiner- bzw. der Maria Troster Erklärung des Jahres 1968 durch die Bischöfe. – In diesem Zusammenhang muss erneut und dringend auf die mögliche frühabtreibende Wirkung einiger künstlicher Verhütungsmethoden hingewiesen werden. Diese müssen, wie die bewusst durchgeführten mechanischen Abtreibungen auch, unter allen Umständen vermieden werden, denn das Elend der häufigen und frühen Zerstörung eines Menschenlebens ist Gott ein Gräuel.

Die sympto-thermale Methode der NER würde eindeutig eine stärkere Lobby brauchen. Da die Methode die Familie stabilisiert, keine unerwünschten Nebenwirkungen hat und bei richtiger Anwendung sehr verlässlich ist, müsste sie dringend weitere Verbreitung finden, zum Beispiel auch durch Aufnahme in den akademischen Unterricht und in die Lehrbücher der Gynäkologie.

Die Details der Umfrage können bei [10] nachgelesen werden. Wir danken Lic. Maria Prügl vom Referat für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg für ihren besonderen Einsatz bei der Organisation der Umfrage und ihrer Finanzierung.

 

Literatur:

1. J. Roetzer: Natürliche Empfängnisregelung. Die sympto-thermale Methode. Herder, Freiburg-Basel-Wien, 33. Aufl., 2009.
2. www.iner.org.
3. M. A. Wilson: The practice of natural family planning versus the use of artificial birth control: family, sexual and moral issues. Catholic Social Science, Rev. Vol VII, Nov. 2002.
4. Statistics Austria 2008, www.statistik.at
5. G. Doblhammer, W. Lutz, Ch. Pfeiffer: Family- and Fertilitysurvey (FFS) 1996. Austrian Institute for Family Studies, Vol. 28: pp 54; 162.
6. H. Winkler (Ed.): Orale Antikonzeption und Thromboserisiko. Pharmainformation. Unabhängige Information für Ärzte/innen. Innsbruck, Vol 24 (4): 4, 2009. www2.i-med.ac.at/pharmakologie/pharmainfo.html
7. R. Ehmann: Ist die „Pille“ wirklich nur ein Verhütungsmittel? Zur nidationshemmenden Wirkung eines Hormonpräparates. Medizin und Ideologie, Teil 1-5: Hefte 4/06, 1/07, 2/07, 4/07 und 1/08.
8. R. Süßmuth (Hrsg): Empfängnisverhütung. Fakten, Hintergründe, Zusammenhänge. Hänssler Verlag 2000.
9. S. Weintraub, C. Fahey, N. Johnson et al.: Vasectomy in men with primary progressive aphasia. Cogn Behav Neurol 19 (4): 190-3, 2006.
10. www.familie.kirchen.net (Internationale Studie 2009 – Natürliche Empfängnisregelung und eheliche Liebe).


[1] Josef Rötzer: Natürliche Empfängnisregelung. Die sympto-thermale Methode – der partnerschaftliche Weg. ISBN: 3-451-23983-3, 144 S., Euro 14,95.

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