Der Königsweg zum Frieden

Der Mensch darf nicht daran gehindert werden, seinem inneren Verlangen nach Wahrheitserkenntnis zu folgen und sich auf die Suche nach Gott zu machen. Mit dieser Forderung fasst Weihbischof Dr. Andreas Laun das Recht des Menschen auf Gewissens- und Religionsfreiheit zusammen. Für ihn ist die Botschaft der Kirche von der Religionsfreiheit in der „Würde des Menschen“ begründet. Christenverfolgung, Papstbotschaft und Religionsfreiheit, diesen Bogen spannt Laun auf dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse. Der Weltfriede sei bedroht. Der Ausweg bestehe in der Verteidigung der Religionsfreiheit, nicht nur gegen islamistische Übergriffe, sondern vor allem gegen die totalitären Bestrebungen, eine Welt ohne Gott aufzubauen. Doch eine solche Welt werde zur Hölle und nie zum Paradies.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Seine Neujahrbotschaft hat Papst Benedikt XVI. vor allem dem Thema der Religionsfreiheit gewidmet und das ist angesichts der Ereignisse nicht verwunderlich: mörderische Anschläge auf Kirchen und überhaupt auf Christen, wo immer sie sind, hasserfüllte Kritik an der Kirche, bösartiger Spott über Christen und – im modernen Deutsch – Hatespeech wie in Stürmer-Zeiten! In vier Schritten möchte ich die Zuschrift des Papstes an die Welt aufnehmen: Wie ist die Lage des Christentums und insbesondere die der katholischen Kirche, die unvergleichlich mehr angegriffen wird als alle anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften? Was ist Religionsfreiheit und „wo“ ist deren Begründung in der „Würde des Menschen“ am leichtesten zu erkennen? Und schließlich: Vorstellung eines Projektes zum nachhaltigen Bedenken der Botschaft von der Religionsfreiheit als Antwort der Kirche auf eine Bedrohung des Weltfriedens! (siehe unten)

1. Christenverfolgung heute und morgen?

Auch wenn Christen in Europa bisher – noch nicht? – blutig verfolgt werden, unbestreitbar ist: Seit geraumer Zeit herrscht auch in traditionell „urkatholischen“ Ländern eine sich steigernde Feindseligkeit gegen die Christen! Und das in jenem Europa, das, in geschichtlichen Dimensionen gedacht, gerade erst zwei grauenhafte Diktaturen überstanden hat, deren Markenzeichen auch ihr Christenhass war! Manche Zeugen dieser Zeit leben noch und bezeugen das unfassbare Leid, das diese Systeme mit ihrer Ideologie über die Menschen gebracht haben, über alle, nicht nur über Christen! Und das heutige Europa? Ja, es erinnert sich, es baut Erinnerungsstätten an das Schreckliche und ruft bei jeder Gelegenheit vor sich her: „Nie mehr wieder!“ Aber zugleich lässt es schon wieder die Gedanken zu, die damals das Unheil hervorbrachten: den Traum von der Allmacht des Staates, der alles kann und darf, wenn es nützlich scheint, vor allem wenn die Mehrheit es will! Mit diesem Rechtspositivismus kann man Abtreibung zu einem Recht machen, vor allem im Kontext einer vorgeburtlichen Selektion von Behinderten, und folgerichtig denkt man nach über die Zulassung von Euthanasie. Wenn aber jemand sagt: „Haben die Nazis nicht ganz ähnlich gedacht und gehandelt?“, ist man empört und, damit die Verlogenheit nicht offenbar wird, verweigert man jede Diskussion! „Die Schlange ward zerhackt nur, nicht getötet“, heißt es bei Shakespeare und dem Inhalt nach gleichlautend formuliert B. Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“ Der tiefste Grund dieser Entwicklung und der sie tragenden Blindheit ist die Gottlosigkeit, die nicht mehr betet: Lehre uns deine Gebote zu verstehen! Darum versucht man ein Europa ohne Gott zu bauen.

Aber während man behauptet, nur ein Europa ohne Gott anzustreben, wird aus einem neutral gottlosen Bauplan ein aggressiv gottloser Plan: Gott soll nicht nur aus der Öffentlichkeit, er soll auch aus dem Denken und vor allem aus den Herzen der Bürger verschwinden. Die Nazis wollten Europa „judenrein“ machen und meinten, so die Deutung Papst Benedikts XVI. bei seinem Besuch in Auschwitz, mit den Juden eigentlich den Gott Israels zu treffen! Die heutigen Atheisten wollen Europa wortwörtlich „gottlos“ machen und, da man Gott nicht direkt angreifen kann und Gott auch heute über die, die ihn stürzen wollen, lacht (Ps 2), richtet sich der Hass der Gotteshasser aller Zeiten gegen die Anhänger Gottes.

Zur Situation gehört es: Die „frei“ genannten Bürger werden von den Herrschenden mehr und mehr als „Untertanen“ verstanden, mit Hilfe der modernen Technik macht man sie daher zu „gläsernen Menschen“ und Wesen, die man auf allen möglichen Ebenen „umbauen“ und „umprogrammieren“ kann! Das Ziel ist dabei vor allem der politisch korrekte Bürger, funktionierend in seinem Denken, funktionierend in seinem Handeln. Um dieses zu erreichen, entzieht man die Kinder so früh als möglich den Familien, „verstaatlicht“ sie sozusagen. Das geht, indem man die Familien unter Druck setzt und dann noch leichter krank-reden kann. Man übergibt die Kinder zur „Entlastung der Eltern“, heißt es schmeichelnd, „geschultem Personal“, das, so die Suggestion, den unqualifizierten Eltern nicht nur in Ausnahmefällen, sondern grundsätzlich überlegen ist, um die Kinder zu erziehen. Politisch korrekt lernen sie dann frühzeitig, wie man Kondome benützt und dass Mama und Papa nur „Rollenspieler“ sind und ohnehin vom „Affen abstammen“, was man „glauben muss“ im Unterschied zu den „Märchen“, die die Kirche erzählt. Und wer sich dem zu widersetzen versucht, ist ein Störelement, das korrigiert werden muss und, wenn das nicht geht, auszugrenzen ist und, im schlimmsten Fall, mit Sanktionen zu rechnen hat! Wer sieht nicht, wie Europa bei seinem neuen „Turmbau von Babel“ in Richtung eines totalitären Staates treibt?

Daraus entsteht absolut unvermeidlich eine Gefahr für die Instanz, die dieser Entwicklung entgegensteht: Gefahr für die Kirche also! Denn, könnte man sagen, der totalitäre Staat wird wieder machen, was Jesaja und dann Johannes der Täufer für die Ankunft des Messias forderten: „Macht eben die Hügel und gerade die Wege!“, räumt also alles weg, was störend im Wege steht – also die Kirche! Aber die Kirche wird auch in diesem Fall wie schon so oft der Fels sein, den auch die modernen Bulldozer der Hölle nicht wegräumen können. Wirklich ein Fels? Natürlich, heute wie damals wird es auch die sich unterwerfenden Christen geben, diejenigen, die sich verführen lassen und, wenn die Angriffe sich steigern und brutaler werden, die Verräter, die Feiglinge und solche, die nur schweigen und durchzutauchen versuchen. Aber die Kirche als solche und viele einzelne ihrer Glieder werden standhalten – mit ihrem Zeugnis für die Wahrheit und für Gott. Durchaus möglich, dass dieses Zeugnis auch wieder blutig sein wird. Sicher ist aber: Einmal mehr werden die „Pforten der Hölle“ sie nicht überwältigen, werden am „Felsen“, auf dem Jesus Seine Kirche gebaut hat, scheitern!

Niemand weiß, wie es wirklich kommen wird. Zur Situation gehört aber auch: Wie schon ihre Vorgänger treten auch die neuen Kirchen-Verfolger auf mit dem Anspruch, die Welt menschlicher zu machen! Als ob die Erfahrung aller Christenverfolgungen nicht gezeigt hätte: Der Versuch, ein gottloses Paradies zu errichten, hat früher oder später immer und bei allen Völkern in einer menschlichen Hölle geendet. Und schon die Wege zu diesen „Paradiesen“ führten durch ein „rotes Meer“ von Blut, das man als „Kollateralschaden“, als sich lohnenden Preis für das kommende Paradies oder auch als gerechte Strafe für die „ungläubigen und widerspenstigen Christen“ deutete, das man noch nie wirklich unterscheiden konnte von einem Hochsicherheitsgefängnis und Friedhof.

Man sollte es nicht als „im Grunde nicht ernst gemeint“ lesen, wenn Papst Benedikt XVI. den Jugendlichen zur Vorbereitung auf das Weltjugendtreffen in Madrid sagt: „Tatsächlich ist in dem kulturellen Kontext, in dem wir heute leben, eine extrem säkularistische Denkströmung weit verbreitet, die Gott aus dem Leben der Menschen und der Gesellschaft ausschließen möchte und so versucht, ein ,Paradies‘ ohne ihn zu schaffen. Doch die Erfahrung lehrt uns, dass eine Welt ohne Gott zur Hölle wird: Es herrschen Egoismus und Spaltungen in den Familien, Hassgefühle zwischen Menschen und Völkern, Mangel an Liebe, Freude und Hoffnung vor.“

2. Die Antwort der Kirche: Religionsfreiheit!

Auf diesem Hintergrund wundert es wirklich nicht, wenn Benedikt XVI. bei seiner Weltfriedensbotschaft zum 1.1.2011 vor allem über die Religionsfreiheit als Königsweg zum Frieden spricht!

Man weiß, wie sehr auf dem 2. Vatikanischen Konzil um die genaue, treffende, wirklich katholische Lehre von der Religions- und Gewissensfreiheit gerungen wurde! Angesichts dessen, wie und wie oft dieses Menschenrecht in der Geschichte der Welt, leider manchmal auch von Christen, mit Füßen getreten und ohne schlechtes Gewissen missachtet wurde, kann man die Verabschiedung des Dokumentes über Religionsfreiheit („Dignitatis humanae“) nur als Sternstunde der Menschheit bezeichnen! Sie, diese Lehre, zu verkünden wird in Zukunft zu einem Kernstück der Predigt an die Weltgemeinschaft gehören müssen!

Aber wie das immer zu sein pflegt, die Akzeptanz auch klarer Lehren bedarf ihrer Zeit! Tatsächlich blieben manche an missverständlichen Worten und suggestiven Formulierungen hängen. So fragte man, ob denn der „Irrtum ein Recht haben“ könne, und gab sich, die Frage lässt es ahnen, selbst die Antwort dazu: Nein, natürlich nicht, der Irrtum hat kein Recht! Es musste richtigstellend erklärt werden: Nicht der Irrtum, wohl aber der Irrende hat Rechte!

Ebenso irreführend war es für nicht wenige, zu erfahren, dass Papst Gregor XVI. die Gewissensfreiheit doch verurteilt habe? Aber auch hier war es letztlich leicht, die erlösende Antwort zu geben: Natürlich wussten das auch die Konzilsväter! Keine Rede davon, dass sie den Papst von damals jetzt korrigieren und bloßstellen wollten! Vielmehr: Papst Gregor XVI. hat nicht die Freiheit des Gewissens als irrig abgelehnt, sondern die Freiheit vom Gewissen. Darum bleibt sein Nein ganz und gar gültig, aber ebenso wahr, katholisch und nicht revidierbar ist die Lehre des Konzils von der Freiheit des Gewissens! Vom Anspruch der Offenbarung auf Wahrheit wird dadurch kein Jota weggenommen!

Vertieft man sich aber in die Lehre des Konzils, sieht man rasch: Der Kern dieser Lehre ist glasklar. Sie gleicht der Wurzel, dem Stamm und der Krone eines Baumes: Menschenwürde, Streben in Freiheit und Wahrheit über Gott und den Menschen! Von der Krone zur Wurzel gedacht heißt das: Der Mensch ersehnt die Wahrheit und deren Erkenntnis ist die Baumkrone. Der Mensch hat ein Recht darauf, in Freiheit, nur von seinem Gewissen geleitet, dieser Sehnsucht nachzugehen. Die dabei für den Menschen so kostbare Freiheit ist der Stamm des Baumes. Und schließlich: Das Recht auf die nötige Freiheit gründet in der Würde des Menschen, sie ist die Wurzel!

 

E. G. Lessing und die Antwort der Kirche: Wer diese Lehre einmal verstanden hat, versteht auch: So suggestiv die berühmte Ringparabel im „Nathan der Weise III,7“ von E. G. Lessing auch sein mag, sie trägt nicht wirklich, sie begründet Religionsfreiheit und Toleranz nicht, weil diese nicht auf Kosten der Wahrheit gesichert werden können: Lessings Nathan argumentiert in seiner Parabel mit drei gleichen, nicht unterscheidbaren Ringen. Auf den Einwand Saladins hin, dass es doch offenkundige Unterschiede der Religionen gibt, hält Nathan entgegen: Aber nicht unterscheidbar sind sie in einem entscheidenden Punkt: „Denn gründen sich alle nicht auf Geschichte? Und Geschichte muss doch wohl allein auf Treu und Glaube angenommen werden!“ Also: Alle Religionen gründen in Geschichten, die die Väter ihren Kindern erzählt haben, und diese, die Kinder, glauben eben jeweils lieber dem eigenen Vater als einem fremden Menschen! So hat jeder seine Geschichte und hält sie für wahr, aber niemand kann wissen, welche die wirklich wahre ist, wenn es die Wahre überhaupt geben sollte. Die Lösung lautet dann: „Es eifre jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach!“ Jeder möge die Kraft seiner Religion, die „vor Gott und den Menschen angenehm macht“ und damit die wahre ist, „mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun und mit innigster Ergebenheit in Gott“ erweisen. Damit glaubt Lessing die Gefahr zu bannen: Wenn es keine Wahrheit gibt, die in Wirklichkeit nur Bestechung durch Vorurteil wäre, ungesicherte Geschichte, die man glauben kann oder auch nicht, warum sollte man sich gegenseitig bekriegen? Dann sollte es, so scheint es Lessing und seinen vielen Bewunderern, leicht sein, nur noch Toleranz, gegenseitige Anerkennung und Liebe zu üben, jeder im Namen seiner Religion, und der Friede der Welt wäre endlich gerettet!

Die Kirche stellt die Frage anders: Gibt es einen Grund für alle, den Andersgläubigen zu achten, zu ehren und ihm die Freiheit zu lassen, auch wenn beide von der Wahrheit „ihrer Geschichte“ felsenfest überzeugt sind? Die Frage richtet sich an jede Religion, aber besonders an die Kirche mit ihren Dogmen, derentwegen sie so gerne der systemimmanenten, besonders gefährlichen Intoleranz verdächtigt wird.

Aber, so überraschend es für viele klingen mag, es ist gerade diese Kirche mit ihren Dogmen, die den Grund für Freiheit und Toleranz nennen kann – und zwar mit einer Art Dogma: Der gesuchte Grund für Religionsfreiheit besteht in der Würde jedes Menschen, aus der sich das Menschenrecht auf Freiheit in Fragen der Religion ableitet. Man könnte auch sagen: Menschenwürde und Religionsfreiheit sind Inhalt katholischer Dogmatik! Je fester jemand daran glaubt, desto ungefährlicher für seine Umgebung wird er sein! Gefährlich ist nicht, dass man etwas für absolut wahr hält, sondern nur bestimmte Inhalte solchen Für-wahr-Haltens! B. Pascal sagt: „Niemals begeht man das Böse so gründlich und so freudig, als wenn man es aus Gewissen tut.“ Das ist wahr und gilt für alle Lehren, die Böses legitim erscheinen lassen und durch Autoritäten wie Staat oder Religion gedeckt zu sein scheinen: Islamisch begründete Ehrenmorde sind ebenso ein Beispiel wie das Recht auf Abtreibung in der westlichen Welt. Es bleibt dabei: Die Frage ist nicht, ob man überzeugt ist, sondern wovon man überzeugt ist! Religionsfreiheit tastet den Wahrheitsanspruch nicht an, vielmehr lebt sie selbst von Überzeugung und Wahrheit, dass der Mensch eine Würde besitzt, aus der sich das Freiheitsrecht auf Religion ergibt.

Dass es so ist, beweist die Erfahrung: Gerade die Heiligen, die für Wahrheit und Dogma bereit waren, ihr Leben zu opfern, waren auch diejenigen, die die Religionsfreiheit lebten sogar in Zeiten, in denen ihre Umwelt noch anders dachte! Man denke an Gestalten wie Martin von Tour, Franz von Assisi, Franz von Sales und viele, viele andere!

Diese Lehre von der Religionsfreiheit ist keine Sonderlehre irgendeiner Religion, sondern ist dem Menschen von Gott „ins Herz geschrieben“ und dort „ablesbar“, auch wenn es in manchen kulturellen Umgebungen schwierig sein mag. Leichter kann es werden mit der Bereitschaft, sich gegebenenfalls dabei „Lesehilfe“ geben zu lassen, zum Beispiel vom Papst der römisch-katholischen Kirche am Beginn des Jahres 2011: Schon in der 2. Nummer seines Schreibens erinnert der Papst an Dignitatis humanae, das Konzilsdokument, mit der lapidaren Feststellung: „Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der Würde des Menschen selbst verankert!“ Von welcher „Würde“ ist dabei die Rede? Der Papst erinnert an Psalm 8,4-7, wo der Beter staunend fragt: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt.“ Damit ist im Grunde alles gesagt: Der Mensch ist offen für das Geheimnis Gottes, seine Würde besteht „in der Fähigkeit, über die Materie hinaus eine höhere Wahrheit zu suchen“. Dabei, bei dieser Suche, darf er von niemandem unter Druck gesetzt werden, weder hindernd noch drängend, in diesem Sinn hat der Mensch das Recht auf Religionsfreiheit!

3. Menschenwürde – das Kind als privilegierter Ort des Erkennens

Papst Johannes Paul II. hat von einem „Evangelium des Lebens“ gesprochen, ebenso gut könnte man von einem „Evangelium der Freiheit“ reden. Die wichtige Frage ist dann: Wie verkündet man dieses Evangelium von der Freiheit? Wenn diese Freiheit in der Menschenwürde gründet, wie macht man diese Würde so sichtbar, dass sie von möglichst  vielen erkannt wird?

Gegenfrage: Wie kommt man zur Erkenntnis der Schönheit von Frühlingsblumen? Nicht durch Beratungen, nicht durch Abstimmungen, nicht durch Fachleute, sondern dadurch, dass man hingeht, die Augen aufmacht und das jährlich wiederkehrende Wunder der Schönheit selbst sieht! So ist es auch mit der Menschenwürde: Man muss sie „sehen“! Ihre Schönheit entdecken kann man paradoxerweise gerade auch dort, wo sie missachtet wird: In dem Roman Dostojewskis von den Brüdern Karamasov versteht Staretz Sossima das, was Menschenwürde ist, erst in dem Augenblick, in dem er seinen Diener ins Gesicht schlägt und diesem das Blut aus der Nase rinnt, und Mutter Teresa entdeckte sie vor allem in den Gesichtern der auf der Straße Sterbenden!

Menschenwürde sichtbar nur in ihrer Missachtung? Nein, viel besser in der noch unberührten Schöpfung, in den Gesichtern der Kinder! Jede Mutter weiß es und wohl auch der Vater, wenn sie sich in das Gesicht ihres Kindes vertiefen. Aber nicht nur die Eltern, jeder Mensch kann in den Augen schon eines kleinen Kindes den ganzen Menschen und seine ganze Würde „sehen“. Denn die Augen eines Kleinkindes sind bereits etwas ganz anderes als der noch so rührende Blick des treuen Hundes! In den Kinderaugen sieht man von Anfang an die Person mit ihrer Würde, mit ihren Rechten und man weiß intuitiv von ihren Fähigkeiten und Begabungen, die man zwar noch nicht kennt, aber die in ihr schlummern. Und man sieht und weiß: Die Würde dieses heranwachsenden Menschen ist unabhängig von künftigen Doktor- und anderen Titeln, auch wenn das Kind behindert sein sollte, es besitzt seine Würde unverlierbar! Und schließlich: Die Augen des Kindes machen es sehr leicht zu glauben: Der Mensch ist geschaffen nach dem Abbild Gottes, er ist nicht ursächlich erklärbar als das „Produkt“ einer biologischen Entwicklung! Kurz gesagt: Die Schrift Gottes über Würde und darum auch Religionsfreiheit steht, sagt Paulus, im „Herzen jedes Menschen“, aber sie lässt sich auch in den Augen eines Kindes ablesen. Diese sind sozusagen das Fenster, durch das hindurch man den Menschen und die Herrlichkeit, die ihm Gott mitgegeben hat, sieht, ihm zu eigen vom Augenblick seiner Empfängnis an bis zum Tod! Darum gibt es Religionsfreiheit, die Freiheit jedes Menschen bei seiner Suche nach seinem Gott und dem Gott aller Menschen!

Das ist die Lehre der Kirche über die für den Frieden so notwendige Religionsfreiheit!

"Epiphanie" - Denkstätte zur Religionsfreiheit

Im Stift Heiligenkreuz wird derzeit ein ungewöhnliches Kunstwerk vollendet. Ursprünglich sollte es seinen Platz in Wien finden, doch die Nähe zur Päpstlichen Hochschule Benedikt XVI. scheint geradezu providentiell. Der „Denkstätte“ liegt die Überzeugung zugrunde, dass sich die Vernunft letztlich durchsetzen wird. Je ehrlicher der Mensch seinem Herzen folgt und nach seinem Geist urteilt, umso klarer treten die wahren Werte hervor.

Von Weihbischof Andreas Laun

Es passt zu dem Anliegen des Papstes: 2011 steht ein Projekt vor der Vollendung, das schon Jahre herangereift ist, vom Künstler „Epiphanie“ genannt: Nicht ein „Denkmal“ in Form einer Figur, wie es deren viele gibt, sondern ein „Denkmal“ im Vollsinn des Wortes, also eine Stätte, die zum Denken anregt, über das „Evangelium von der Freiheit“, besonders über die für alle anderen Freiheiten grundlegende Religionsfreiheit. Ein Kunstwerk, das Epiphanie ist, weil es die Botschaft „offenbar“ macht!

Zielgruppe dieses Denkmals sind alle Menschen, Katholiken und andere Christen, Juden, Gläubige jeder Religion, auch Atheisten, wirklich alle Menschen!

Wie kam es dazu? Ausgangspunkt war die schmerzliche Beobachtung: Unsere europäischen Städte sind zwar immer noch geprägt von großen Kunstwerken, die an Menschen, Ereignisse und vor allem auch an Gott erinnern. Aber neu baut und gestaltet man fast nur noch profan, ohne irgendein „Empor die Herzen!“, ohne „sursum corda“! Oft genug sinnlos oder betont hässlich. Man platziert an schönen Plätzen verrostete Eisenstücke, stellt Skulpturen für Berühmtheiten auf, die für den so Dargestellten eigentlich ehrenrührig sind, und belegt solche Dinge ebenso mit dem Begriff „Kunst“ wie die Pietá von Michelangelo und andere Herrlichkeiten!

Aus dieser schmerzlichen Beobachtung entstand die Idee: Nicht kritisieren, anders handeln, geleitet vom Willen zur Schönheit und von einer Idee, die die Gedanken nach oben lenkt!

 Wir wollen mit dieser „Epiphanie“ an etwas erinnern, was alle, Gläubige und Ungläubige, brauchen und auch alle bejahen können! Die Frage war: Was könnte dies sein? Die Antwort lautete: die Freiheit jedes Menschen bei seiner Gottessuche, gegründet auf der Würde, die Gott ihm gegeben hat!

Entstanden ist die Idee zu diesem Projekt auf der Donauinsel in Wien und hat auf Umwegen ihren Platz in Heiligenkreuz im Wienerwald gefunden, sehr passend  zur Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI., die sich ebenfalls dort befindet.

Das Projekt besteht in einem großen Glasmosaik, Epiphanie genannt! In der Mitte des Bildes sieht man ein Kind, um das sich die Menschen scharen. Philippe Lejeune, ein französischer Künstler, Bruder des großen verstorbenen Forschers und Nobelpreisträgers Jerome Lejeune, ein enger Freund von Papst Johannes Paul II., betrachtet das Bild als Höhepunkt seines Schaffens. In der Ausgestaltung sollen dem Betrachter die zentralen Begriffe der kirchliche Lehre in Erinnerung gerufen werden: Wahrheit, Freiheit, Menschenwürde!

 Was noch fehlt, sind die finanziellen Mittel: Die Fertigstellung des Bildes erfordert laut Kostenvoranschlag rund 80.000 Euro! Denjenigen, die sie ermöglichen, machen wir, das Team, drei  Angebote:

Eine Wallfahrt nach Rom, zusammen mit Prinz Gundakar v. Liechtenstein, dem Präsidenten unseres Vereins, und mit Weihbischof Andreas Laun, dem „Erfinder“, und anderen Freunden des Projektes. Zum Rom-Programm gehören soll auch der Besuch einer Audienz beim Hl. Vater! Zudem sollen die Namen derer, die die Realisierung des Projektes ermöglicht haben, nahe am Denkmal dokumentiert werden!

Zur weiteren Planung gehört ein Symposion über Religionsfreiheit an der Hochschule, zu dem besonders die Förderer des Projektes herzlich eingeladen sind!

Mehr zu dem Projekt findet sich im Internet: www.moderner-sakralbau.at

Zum Bild: Auf einer halbkreisförmigen Wand ist das Bild „Epiphanie“ angebracht. Auf der Außenwand sind die Gründertexte der Religionen graviert. In der Mitte steht ein Gnomon (= Schattenzeiger) aus Stahl, dessen Schatten über das Bild wandert. Die parabolförmige Wandfläche mit dem Bild ist eine Sonnenuhr. Durch eine Öffnung im Zeiger wird zu einem bestimmten Tag das Licht gebündelt und beleuchtet so eine bestimmte Stelle im Bild.

25 Jahre Assisi

Vor 25 Jahren hatte Papst Johannes Paul II. die Führer der verschiedenen Religionen zu einem Friedenstreffen nach Assisi eingeladen. Sie sind ihm gefolgt und ließen die Begegnung zu einem großartigen Zeugnis vor der Weltöffentlichkeit werden. Doch blieben auch viele Fragen offen. Geht eine solche Versammlung mit dem Papst in der Mitte der Religionsführer nicht in Richtung Synkretismus? Ist ein solches gemeinsames Friedensgebet nicht eine Anerkennung der anderen Religionen als Heilsweg und damit ein Verrat an der christlichen Sendung? Die Augen der besorgten Gläubigen waren seither auf Joseph Kardinal Ratzinger gerichtet. Wiederholt brachte er zum Ausdruck, dass Assisi noch aufgearbeitet werden müsse. Nun möchte er diese Aufgabe dadurch erfüllen, dass er selbst zu einem solchen Treffen einlädt. Dies hätte niemand erwartet.

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Wie aus heiterem Himmel traf die Ankündigung Papst Benedikts XVI. sowohl Befürworter als auch Gegner des historischen Friedenstreffens der Religionsführer 1986 in Assisi, dass er zum 25jährigen Jubiläum dieses Ereignisses in die Fußstapfen seines Vorgängers treten möchte und 2011 selbst ein solches Treffen in Assisi abhalten werde. Tatsächlich hatte er als vormaliger Präfekt der Glaubenskongregation immer wieder seine Anfragen zum Ausdruck gebracht und dazu aufgefordert, sich mit der Thematik vorbehaltlos und ehrlich auseinanderzusetzen. Es wird sogar die etwas humorvolle Aussage von ihm zitiert, dass er zwar in diesem berühmten Pilgerzug nach Assisi mitgefahren, aber in der umgekehrten Richtung im Abteil gesessen sei. Benedikt XVI. wird nun das Jubiläumstreffen dazu nützen, seine eigenen Akzente zu setzen und Fehler, die vor 25 Jahren gemacht worden sind, zu vermeiden. In den Grundzügen aber, so brachte er bereits zum Ausdruck, wird er die „Idee Assisi“ von Johannes Paul II. vollkommen übernehmen. Dies hängt wohl auch mit der bevorstehenden Seligsprechung, aber ebenso mit der zunehmenden Christenverfolgung auf der ganzen Welt zusammen, über die er tief bestürzt ist. Assisi leuchtet heute umso heller als prophetisches Zeichen für die Zukunft der Menschheit und den christlichen Missionsauftrag.

Gebet um den Frieden

Kaum jemand hat sich so eindeutig für die UNO oder den Vereinigungsprozess Europas als Instrumente des Friedens ausgesprochen wie Johannes Paul II. Und doch war es genau er, der in die Welt hinausrief: Der Friede ist ein Geschenk Gottes, er kann von uns Menschen allein nicht gemacht werden. Und für diese grundlegende Wahrheit sollten alle Religionen gemeinsam vor der Welt Zeugnis ablegen. So war Assisi zuallererst ein Gebetstreffen um den Frieden. Damit beginnen natürlich auch die Fragen. Doch schon Johannes Paul II. betonte, dass die Vertreter der Religionen zwar nicht gemeinsam beten, aber zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Kritisiert wurde vor allem, dass den einzelnen Gruppen katholische Kirchen zur Verfügung gestellt worden waren, so dass beispielsweise eine Buddha-Figur auf einem Tabernakel zu stehen kam. Benedikt XVI. wird versuchen, alles zu vermeiden, was unnötig Anstoß erregen könnte, doch am Grundsatz des Gebetstreffens wird er festhalten.

Zeugnis für den Frieden

Am eindrucksvollsten waren in Assisi die Ansprachen Johannes Pauls II. vor der gesamten Versammlung sowie vor einzelnen Gruppen. Wie folgsam sich die Muslime um den Papst scharten, um seinem Appell zu lauschen, im Namen von Religion auf jede Art von Gewalt und Terror zu verzichten, bleibt unvergesslich. Die Führer der Religionen gaben vor der Welt ein Zeugnis, dass die unterschiedlichen religiösen Überzeugungen keinen Grund für Unfrieden darstellen. Wie die verschiednen Religionsgruppen in Assisi friedlich versammelt waren, beteten und sich untereinander austauschten, so können sie auf der ganzen Welt zusammenleben und eine Zivilisation des Friedens und der geistigen Werte des Menschen aufbauen.

Diktatur des Relativismus

Dass ein aggressiver Säkularismus jede Art von Religion aus dem öffentlichen Leben entfernen und ins Private abdrängen möchte, ist für Benedikt XVI. eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Mit dieser Entwicklung geht das Argument einher, dass der Grund für Unfrieden eben darin bestehe, dass jede Religion für sich den Anspruch erhebe, die Wahrheit zu vertreten. Wolle man den Frieden in der Welt erlangen, müssten die Religionen auf diesen Anspruch verzichten und zugestehen, dass ihre Lehren nur relativ sind. Genau diesen Druck, den die Baumeister einer säkularen Gesellschaft auf die Religionen, vor allem aber auf die katholische Kirche mit ihrem unfehlbaren Lehramt ausüben, bezeichnet Benedikt XVI. als „Diktatur des Relativismus“. Dieser Diktatur ist eine klare Absage zu erteilen. Jeder Gläubige hat das Recht, von seiner Glaubenslehre überzeugt zu sein. Darin besteht ja das unaufgebbare Wesen von Religion überhaupt, dass jeder Gläubige vom Wahrheitsgehalt seiner religiösen Auffassung überzeugt ist. Gleichzeitig gehört zum Wesen von Religion, dass die Gläubigen ihren Glauben gemeinsam verwirklichen und in der Öffentlichkeit bezeugen dürfen. Assisi steht für dieses Recht auf Religionsfreiheit, aber auch dafür, dass der Wahrheitsanspruch der Religionen kein notwendiger Grund für Unfrieden ist. Johannes Paul II. betrachtete es als Erfüllung des christlichen Missionsauftrags, sich dafür einzusetzen, dass dieser Weg freigehalten wird. Denn, so seine feste Überzeugung, wenn die Wahrheit verkündet werden kann, wird sie sich kraft ihrer selbst durchsetzen.

Das geistige Erbe Johannes Pauls II.

Die Ankündigung der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. am 1. Mai 2011 wurde fast ausnahmslos mit großer Freude aufgenommen. Die weltlichen Medien sprechen vor allem von der großen Popularität, die dieser Papst bis heute genieße. Doch Pfarrer Erich Maria Fink verbindet mit der Seligsprechung die Hoffnung, dass das geistige Erbe, das Johannes Paul II. hinterlassen hat, wieder mehr ins Blickfeld des kirchlichen Lebens gelangt. Seines Erachtens nämlich besteht die Gefahr, dass das Pontifikat dieses großen Papstes nur äußerlich bewertet wird, sein Denken und seine Lehrverkündigung aber in Vergessenheit geraten.

Von Erich Maria Fink

Paulus – Vater der Völker

Karol Wojtyla (1920-2005) hatte ein außergewöhnliches pastorales Charisma. Er verstand es, mit seinen symbolträchtigen Gesten, mit dem Ausdruck seiner Emotionen, mit der ganz persönlichen Zuwendung seinen Gesprächspartnern gegenüber die Herzen der Menschen für das Evangelium zu gewinnen. Als Papst (seit 1978) entwickelte er eine einzigartige Apostolatstätigkeit, die den ganzen Erdkreis umspannte. Seine Auslandsreisen verliehen dem Amt des Papstes ein neues Aussehen. Der Petrusdienst wird seitdem ganz anders wahrgenommen und auch anerkannt. In den Augen der Menschheit – und darin kann er mit dem hl. Apostel Paulus verglichen werden – war Johannes Paul II. ein „Lehrer der Völker“, oder noch besser ausgedrückt ein „Vater der Völker“.

Johannes – Verkünder des Logos

Sein Doppelname verweist zugleich auf den hl. Evangelisten Johannes. Sicherlich hatte Johannes Paul II. ein schauspielerisches Talent. Doch allein darauf lässt sich sein missionarischer Erfolg nicht zurückführen. Er hatte den Menschen etwas zu sagen. Seine Botschaft war überzeugend. Sie kam aus der mystischen Tiefe seiner persönlichen Verbindung mit Gott und vermittelte in allen Bereichen eine übernatürliche Hoffnung. Seine Gedankenwelt ähnelt der Verkündigung des hl. Apostels Johannes, der mit seinem Evangelium den göttlichen Logos bezeugte. Ständig im Aufbruch nach neuen Ufern versuchte Johannes Paul II., der ganzen Welt die göttliche Würde eines jeden Menschen zu künden.

Unermüdliches geistiges Schaffen

Johannes Paul II. hinterließ ein einzigartiges geistiges Erbe. Er entfaltete sein Denken durch alle Phasen seines Lebens hindurch ständig weiter. Nirgends weist seine Gedankenführung Brüche auf. Wie er in jungen Jahren begonnen hatte, so führte er sein schöpferisches Werk bis zum Lebensende fort. Mit einem ungeheuren Ideenreichtum fügte er seinem Gedankengebäude Schritt für Schritt neue Bausteine hinzu. Indem er seine Überlegungen auf nahezu alle Bereiche der Wirklichkeit anwandte, vervollständigte er nach und nach sein geistiges Mosaik. Nie legte er selbst eine systematische Zusammenfassung seines Denkens vor. Doch präsentiert sich sein geistiges Schaffen in einer geradezu vollkommenen Geschlossenheit.

Lehre über die menschliche Person

Karol Wojtyla entwickelte einen eigenständigen philosophischen und theologischen Ansatz. Dabei ging er vom sog. „Personalismus“ aus. Er analysierte den Dynamismus, die Struktur der menschlichen Person und deutete von ihr aus die gesamte Wirklichkeit. Die beiden entscheidenden Angelpunkte sind für ihn einerseits die Selbstbestimmung der Person, also die Freiheit im personalen Handeln, andererseits die Subjektivität der Person und zwar im Sinn des inneren Reichtums der Seele bzw. des Herzens. In ihm erblickt Wojtyla die natürliche wie die übernatürliche Erfüllung des Menschen. Die Subjektivität macht demnach also auch den Grad der Heiligung des Gläubigen in seinem Tugendleben aus. Auf dieser Grundlage schuf Wojtyla eine überzeugende Synthese verschiedener geistesgeschichtlicher Strömungen vom Altertum bis in die Gegenwart. Richtschnur war ihm die christliche Offenbarung. Doch machte er eine genaue Unterscheidung zwischen seiner Philosophie, die auf der reinen Erfahrungsebene aufbaut, und seiner Theologie, die die Offenbarung mit einbezieht. So konnte er den Anspruch erheben, dass seine Lehre über die menschliche Person für alle Menschen über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg Gültigkeit besitzt.

Revolutionärer Aufbruch in der Theologie

Ob als Jugendseelsorger, Professor, Bischof oder Papst, Karol Wojtyla blieb sich immer treu. Was er sich im Lauf seines Lebens erarbeitet hatte, floss ohne Abstriche in seinen Petrusdienst ein. Besonders seine theologischen Aussagen, also seine Darstellungen über Themen des Glaubens, erhalten ihr eigentliches Gewicht erst dadurch, dass sie auf dem Hintergrund seines gesamten Denkens verstanden werden. Viele Zeitgenossen hielten seine Enzykliken, Katechesen oder Ansprachen lediglich für eine Sammlung geistlicher oder pastoraler Impulse, denen keine größere theologische Relevanz zukomme. In Wirklichkeit aber stellen sie die Anwendung des gesamten Denkansatzes Karol Wojtylas auf die unterschiedlichsten Fragen des Lebens und des Glaubens dar. Werden seine Schriften in dieser Konsequenz gelesen und gedeutet, lassen sie derart Neues aufscheinen, dass im Grunde genommen von einem revolutionären Aufbruch in der Theologie, vor allem im Selbstverständnis der Kirche gesprochen werden kann.

Dynamische Sicht der Wirklichkeit

Im Denken Wojtylas geht es nicht nur um die katholische Sexualmoral. Auch die sog. „Theologie des Leibes“ darf nicht auf diese Fragen reduziert werden, wie manche Publikationen anmuten lassen. Sein Denken berührt besonders die Systematische Theologie und tritt gestaltend in sie ein. Hervorzuheben sind in erster Linie das Gottesbild und die Vorstellung von der Teilhabe des Menschen am göttlichen Leben. Ohne die Wurzeln der Tradition aufgeben zu müssen, gelang es Wojtyla, anstelle einer eher statischen Betrachtungsweise der Wirklichkeit eine dynamische Sicht einzuführen. Den Schlüssel dafür bietet ihm die philosophische Einordnung des „personalen Handelns“ (vgl. Hauptwerk Wojtylas „Person und Tat“). Der hl. Thomas von Aquin ging noch davon aus, dass das gesamte Wesen des Menschen mit seinem natürlichen Geschaffensein gegeben ist. Alle Handlungen sind für ihn etwas, was zum Wesen nur noch hinzukommt, also nicht im eigentlichen Sinn „wesentlich“ ist. Wojtyla dagegen zeigt auf, dass nicht nur dem personalen Sein selbst, sondern in entsprechender Weise ebenso dem personalen Handeln „wesentliche“ Bedeutung zukommt. Das Sein des Menschen wird damit dynamisch verstanden, das Mensch-Sein als Prozess.

Zukunftsfähiger Denkansatz für den katholischen Glauben

Spätestens an diesem Punkt durchbrach Wojtyla die Grenzen der Scholastik eines hl. Thomas von Aquin und öffnete die katholische Theologie für die Errungenschaften neuzeitlichen Denkens wie z. B. die Entdeckung der personalen Subjektivität und des interpersonalen Austausches. Aber gerade dadurch widersteht er den Versuchungen einer theologisch verbrämten Geschichtsphilosophie, wie sie über Hegel und Heidegger beispielsweise durch Karl Rahner in die katholische Theologie Eingang gefunden hat. Der Ansatz von Wojtyla ist geeignet, genau diese Verirrungen zu überwinden – wie z. B. die radikale Aufhebung des Unterschieds zwischen transzendenter und immanenter Trinität – und die katholische Theologie dennoch zukunftsfähig zu gestalten.    

Einführung der Mystik in die Theologie

Mit seiner Methode entwickelte Wojtyla auch ein philosophisch-theologisches Instrumentarium, mit dessen Hilfe er Wirklichkeiten, die im Bereich der Mystik liegen, für die Theologie und die kirchliche Lehre fruchtbar machen konnte. Erfahrungen, die bisher nur als Erlebnisse beschrieben worden waren, artikulierte er mit einer teilweise von ihm selbst entworfenen Begrifflichkeit und erschloss sie für seine philosophische und theologische Anthropologie. So begann er vor allem mit der Behandlung der Schriften des hl. Johannes vom Kreuz und bezog die Erkenntnisse in seine Gesamtdarstellung ein. Auch die Beschäftigung mit den Offenbarungen der hl. Sr. Faustyna Kowalska sind der theologischen Reflexion zuzuordnen. Nur von daher sind sowohl die zielstrebige Heiligsprechung der polnischen Ordensschwester als auch die selbstbewusste Einführung des Festes der Göttlichen Barmherzigkeit am ersten Sonntag nach Ostern durch Johannes Paul II. zu verstehen.

Seligsprechung als Chance

Mit seinem Denken setzte Wojtyla neue Akzente. Schon die Wahl zum Papst verlieh seinem geistigen Wirken eine grundsätzliche Wende. Denn seine Äußerungen gewannen von diesem Augenblick an einen lehramtlichen Charakter. Nun wird er selig gesprochen. Damit beginnt sein Lebenswerk in einem noch anderen Licht aufzuleuchten. Seit dem Tod Johannes Pauls II. ist es um seine Lehrverkündigung bedenklich still geworden. Es ist zu hoffen, dass die Seligsprechung zu einem Durchbruch führt und seinem geistigen Erbe zur verdienten Aufmerksamkeit im Leben der Kirche verhilft. Ein kleiner Impuls in diese Richtung stellt die Wahl des Datums der Seligsprechung am 1. Mai 2011, nämlich dem Barmherzigkeitssonntag, dar. Auf diesen Tag drängte besonders der ehemalige Privatsekretär Johannes Pauls II. und jetzige Erzbischof von Krakau, Kardinal Stanislaw Dziwisz. Auch ihm ist es ein großes Anliegen, dass das geistige Erbe des Papstes nicht der Vergessenheit anheim gegeben wird. Anders verhält es sich mit den kritischen Stimmen von konservativer Seite. Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass in die Versöhnungsgespräche und Vermittlungsversuche mit der sog. Piusbruderschaft die harschen Angriffe auf das Pontifikat Johannes Pauls II. fallen. Aber auch diese Herausforderung stellt eine Chance dar. Denn es zwingt die Kirche letztlich dazu, darüber nachzudenken, was Papst Johannes Paul II. in seiner Lehrverkündigung tatsächlich zum Ausdruck gebracht und wie dieses Denken sein pastorales Handeln geprägt hat. Immer deutlicher wird dadurch zum Vorschein kommen: Johannes Paul II. geht als großartiger „Menschenfischer“, aber auch als großer Denker in die Geschichte ein.

Den Umgang mit den Fremden Einüben

Beim Neujahrsempfang am 15. Januar 2011 in Herzogenaurach ging Erzbischof Dr. Ludwig Schick von Bamberg auf das heiß diskutierte Thema „Integration“ ein. Mit erfrischender Klarheit legte er den gesellschaftspolitischen Standpunkt der katholischen Kirche dar. Zur Thematik hatte er Dr. Albert Schmid als kompetenten Referenten eingeladen. Viele Jahre hat dieser als Präsident das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ in Nürnberg geleitet, das sich unter seiner Führung die Integration zur besonderen Aufgabe gemacht hat. Schmid entfaltete auf seine Weise die Perspektiven einer gelungenen Integration. Auch wenn Erzbischof Schick seinen Vortrag nur als Hinführung verstanden wissen wollte, so stellt er doch die entscheidenden Momente aus christlicher Sicht dar. Es ist eine programmatische Zusammenfassung der Verpflichtung eines jeden Gläubigen, sich das Anliegen zu Eigen zu machen.

Von Erzbischof Ludwig Schick, Bamberg

1. Brennendes Thema „Integration“

Sehr bewusst habe ich für den Neujahrsempfang 2011 das Thema „Integration“ gewählt. Nicht erst seit und schon gar nicht wegen des Buches von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“ ist mir das Thema Integration sehr wichtig. Thilo Sarrazin weist – ohne Zweifel – auf Versäumnisse und Defizite bei der Integration in Deutschland hin; mit seinen ‚falschen Thesen‘ über Rassen und Religionen ist sein Buch aber ein „Bremsklotz“ für Integration und ein „Sprengsatz“ gegen das friedliche Zusammenleben in Deutschland.

Integration muss vor allem aus zwei Gründen zum Topthema in unserer Gesellschaft werden: 1. wegen des demografischen Wandels in Deutschland und 2. wegen der Globalisierung weltweit. Ohne Integration wird es zum „Clash of Civilizations“ – zum „Kampf der Kulturen“ kommen. Mit guter Integration werden wir die Zukunft Deutschlands und der internationalen Gemeinschaft zum Wohl aller gestalten können. Darauf habe ich schon öfter hingewiesen und tue es heute erneut.

2. Was hat Kirche mit Integration zu tun?

Immer wieder habe ich bei der Beschreibung des Auftrags der Kirche in unserer Zeit den Propheten Jeremia zitiert. Er schrieb 500 vor Christus: „Bemüht euch um das Wohl der Stadt … und betet für sie zum Herrn“ (Jer 29,7). Kirche hat den Auftrag, sich um das Wohl der Stadt zu sorgen und am Gemeinwohl aktiv mitzuwirken. Als Christen dürfen wir uns nicht hinter unsere Kirchenmauern und in unsere Sakristeien zurückziehen. Wenn wir das tun, verraten wir den Auftrag Christi, dazu beizutragen, den Menschen ‚das Leben in Fülle‘ zu bereiten.

3. Kirche ist kein ‚Alleskönner‘ und muss kein ‚Allesmacher‘ sein!

Bei der wunderbaren Brotvermehrung sagt Jesus den Jüngern, die die Menschen wegschicken wollen: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Die fünf Brote und zwei Fische, die sie einbringen konnten, machten viele satt (vgl. Mk 6,30-44).

Der Beitrag der Kirche ist wesentlich für das Gelingen der Gesellschaft. Ich denke dabei an das Wort von Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Die Gesellschaft lebt von Voraussetzungen, die sie sich selbst nicht geben kann.“ Diese Voraussetzungen kann und muss die Kirche für die Integration einbringen.

4. Welche Voraussetzungen sind das?

Konkret kann man den Beitrag der Kirche in drei Stichworte zusammenfassen: Würde, Werte und Tugenden.

• Die Kirche muss die Würde eines jeden Menschen, unabhängig von seiner Hautfarbe, Rasse oder Religion, Gesundheit, Intelligenz in Wort und Tat einbringen und einfordern. Der Glaube „an den einen Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde“, befähigt und verpflichtet sie dazu.

• Sie muss die Werte der Freiheit, des Friedens, des Rechtes, der Toleranz, der Treue und Verlässlichkeit, der Wahrhaftigkeit und der Geduld predigen und lehren.

• Sie muss die Tugenden des Fleißes, des Anstandes und Benehmens, der guten Berufsarbeit und des Engagements für das Gemeinwohl in der Politik und im Ehrenamt fördern. Sie muss Kinder, Jugendliche und Erwachsene in die Tugenden einführen.

5. Würde, Werte und Tugenden sind Grundvoraussetzungen für die Integration

Oft habe ich schon die Forderung wiederholt, dass alle Verantwortungsträger in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft, dazu da sind: zu inspirieren, zu moderieren und zu integrieren. Alle Verantwortungsträger müssen die Menschen inspirieren, dass diese ihren Einsatz für die Integration leisten. Ohne das Mitwirken derer, die integriert werden sollen, ist keine Integration möglich. Die, die Integration fördern sollen, müssen ebenfalls vom rechten Geist geleitet sein.

Die Verantwortungsträger müssen moderieren, das heißt, die richtigen Leute am richtigen Ort zum richtigen Tun zusammenbringen, damit Integration vorangeht. Die Verantwortungsträger müssen integrieren, d. h. rechtliche und berufliche, soziale und kulturelle Möglichkeiten für die Integration schaffen.

Die Kirche muss selbst Integrationsarbeit durch ihre Institutionen leisten, was sie auch tut. Die 330 Kindergärten in unserem Erzbistum Bamberg leisten wichtige und hervorragende Integrationsarbeit. In vielen unserer Kindertagesstätten, besonders in Nürnberg, Erlangen, Fürth, aber auch in Hof, sind bis zu 70 Prozent der Kinder „Kinder mit Migrationshintergrund“. Sie werden inspiriert, moderiert und integriert, damit sie sich in unserer deutschen Gesellschaft heimisch fühlen und einmal am Wohl und Wehe Deutschlands mitzuwirken bereit sind.

Über die Kinder und mit den Kindern werden die Eltern besser integriert. Wir bauen derzeit unsere Kindertagesstätten zu Familienstützpunkten aus, nicht zuletzt für die Familien mit Migrationshintergrund.

Was für die Kindergärten gilt, gilt auch für unsere kirchlichen Schulen. Ebenso wird durch die katholischen Jugendgruppen Integrationsarbeit geleistet. In ihnen gilt grundsätzlich das Motto: ‚Nicht Ausländer raus, sondern Ausländer willkommen‘.

Die Pfarreien sind Integrationszentren.

Die Kirche unterhält Personalpfarreien für Polen, Italiener, Spanier, Vietnamesen, Kroaten etc., die der Integration dienen.

Unsere Caritas hat Integrationsbeauftragte, die sich um Asylanten kümmern.

Wir haben ca. 130 meist indische Ordensschwestern und ca. 40 Priester aus Indien und Polen, die uns in der Pastoral und Caritas helfen. Sie sind integriert, weil sie selbst und das Erzbistum sich für ihre Integration eingesetzt haben.

6. In unserer globalen Welt muss Integration ein „Dauerthema“ sein!

Solange Menschen zusammenleben, wird Integration nötig sein. Wir sind zu kurzatmig bei der Integration. Integration ist ein „Dauerauftrag“. Wer bei den Integrationsbemühungen nachlässt, weil er sie für abgeschlossen hält, hat verloren.

Bereits in der Bibel ist Integration ein ganz wichtiges Thema. Dabei wird auch schon deutlich, dass Integration gelingen und misslingen kann, wie Integration vorangeht und dass man immer dranbleiben muss. Pfingsten ist z. B. ein Modell gelungener Integration. Meder, Parter und Elamiter, die in Jerusalem sind, verstehen sich auf einmal durch die Herabkunft des Heiligen Geistes. Bei der Integration darf man auch auf Gottes Hilfe bauen. Er will die eine integrierte Menschenfamilie. Integration wird in allen Briefen des Apostels Paulus gefordert. Juden und Griechen ruft er zur Integration auf. Paulus klagt auch über misslungene Integration, z. B. bei der Abendmahlsfeier in Korinth und fordert Besserung. Es werden auch konkrete Anweisungen für Integration gegeben. Die Wahl der sieben Diakone in der Apostelgeschichte ist z. B. eine Maßnahme der Integration. Die sieben Diakone wurden in der Gemeinde von Jerusalem gewählt, weil in ihr die ‚Witwen der Hellenisten‘ vernachlässigt wurden und diese sich beklagten. Um diesem Missstand abzuhelfen, wird mit den sieben Diakonen das Personal verstärkt. Modell für heute? Wir brauchen für Integration mehr Personal in den Kindertagesstätten, Schulen, Asylantenheimen, in den Beratungseinrichtungen etc.

7. Integration muss auch als umfassende gesellschaftliche Aufgabe gesehen werden!

Wir konzentrieren uns derzeit oft nur oder zu sehr auf die Integration von Immigranten. Sie ist gut und wichtig. Aber sie wird nur gelingen, wenn wir insgesamt eine integrierte Gesellschaft sein wollen.

Die Integration muss die Behinderten, die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger, die Straffälliggewordenen und vor allem unsere Kinder und Jugendlichen einbeziehen. Nur wenn wir insgesamt und alle umfassende Integration wollen, wird sie auch mit den Immigranten gelingen.

8. Integration zielt auf eine integrierte Gesellschaft ab

Nach Max Weber setzt ‚gerechte Gesellschaft rechte Gemeinschaft‘ voraus. Wir müssen mit allen in Deutschland Lebenden eine Gemeinschaft zu bilden versuchen. Gemeinschaft bedeutet: miteinander denken und fühlen, einander achten und wertschätzen. Das kann der Staat nicht machen. Dazu sind die Familien, Nachbarschaften, Kirchen, Vereine, Kulturinstitute da. In diese nichtstaatlichen Institutionen und freie Initiativen muss bei uns viel mehr investiert werden. Dazu muss auch der Sonntag erhalten und die Arbeitszeit geregelt werden. Sie sind unabdingbar für Gemeinschaftsbildung.

Ohne Gemeinschaft keine Gesellschaft. Diese Zusammenhänge müssen bei uns besser gesehen werden. Gesellschaft gibt es nur dann, wenn Gemeinschaft vorhanden ist.

9. Integration und Versöhnung hängen engstens zusammen

Zwischen Menschen, besonders verschiedener Kulturen, wird es trotz besten Willens immer wieder zu Zerwürfnissen kommen. Integration gelingt nur dann, wenn wir Mechanismen und Formen der Versöhnung in der Gesellschaft haben. Der Zusammenhang von Versöhnung und Integration muss besser gesehen werden.

Neuordnung des Kommunionempfangs im Petersdom

Schon seit längerer Zeit spendet Benedikt XVI. bei öffentlichen Papstmessen nur noch die kniende Mundkommunion. Immer deutlicher wird, dass er diese Form der Kommunionspendung für den Petersdom generell bevorzugt. Prof. Dr. Manfred Hauke unterstreicht, dass es sich dabei zunächst um eine Vorsichtsmaßnahme handelt. Denn im Rahmen der großen Gottesdienste sei die Gefahr einer Verunehrung des Allerheiligsten sehr groß. Unübersehbar sei aber auch, dass der Papst mit seinen Akzenten ein Zeichen für die ganze Kirche setzen wolle. Nur durch eine Stärkung der Ehrfurcht vor dem Herrn in der Eucharistie könne der Glaubenverfall in der Kirche überwunden werden.

Von Manfred Hauke

Mit gutem Beispiel vorangehen

Am 24. Dezember des vergangenen Jahres gab der Präfekt der Sakramentenkongregation, Kardinal Cañizares Llovera, ein Interview über die schon früher geäußerte Absicht Papst Benedikts XVI., eine „neue liturgische Bewegung“ in Gang zu bringen.[1] In den weihnachtlichen Tagen wurde den Kommunionspendern und deren Begleitern (den „gentiluomini“) im Petersdom mitgeteilt, dass sie nach Möglichkeit die Kommunizierenden dazu einladen sollten, das Allerheiligste Sakrament in der Form der Mundkommunion zu empfangen. Bereits zuvor hatte Papst Benedikt für die von ihm gereichte Kommunion die kniende Mundkommunion praktizieren lassen. Ein in Rom lebender Journalist meint dazu: „Die Entscheidung Benedikts XVI. dient in erster Linie zur Stärkung der Sakralität des Augenblickes und der Verehrung des im Zeichen des Brotes real anwesenden Christus. Gleichzeitig wird damit der Gefahr der nicht seltenen Missbräuche beim Kommunionempfang der bei Papstmessen anwesenden großen Menschenzahl entgegengewirkt. Immer wieder ist es vorgekommen, dass die Heilige Kommunion in einem Massenandrang nicht würdig empfangen wurde oder dass Menschen die Hostie etwa als ‚Souvenir‘ einsteckten. Der Papst folgt damit der einzigen vom Missale Pauls VI. vorgesehenen Weise der Austeilung der Heiligen Kommunion an die Gläubigen und beabsichtigt, mit seiner Weise der Feier der Liturgie als ‚gutes Beispiel‘ voranzugehen und Akzente zu setzen.“[2]

Der Heilige Vater als Nostalgiker? Wider den „Kurzzeit-Traditionalismus“

Zweifellos wird es nicht an Stimmen fehlen, welche die neu akzentuierte Praxis als „Nostalgie“ verteufeln und als „Rückschritt“. In einer Art von „Kurzzeit-Traditionalismus“ kleben sie verbissen an den nicht immer sehr soliden Bräuchen, die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als die große Mode galten. Das gilt auch für andere Themen, etwa für die inzwischen im Bereich der theologischen Wissenschaft neu erschlossene Praxis der Ausrichtung des liturgischen Gebetes auf das Kreuz hin und gen Osten.[3] Auf die Frage des Journalisten Andrea Tornielli, ob dergleichen nicht „Nostalgie“ sei, antwortete Kardinal Cañizares: „Der Verlust des Sinnes für das Heilige, das Geheimnis Gottes, ist eine der schwerwiegendsten Folgen, die sich einem wahren Humanismus entgegenstellen. Wer meint, die Wiederbelebung, Neuaneignung und Stärkung des Geistes der Liturgie … sei einfachhin die Rückkehr in eine überholte Vergangenheit, verkennt die Wahrheit der Dinge. Die Liturgie in das Zentrum des kirchlichen Lebens zu stellen, ist keineswegs nostalgisch, sondern im Gegenteil die Garantie dafür, auf dem Weg in die Zukunft zu sein.“[4]

Eine gläubige Neuentdeckung des Allerheiligsten Sakramentes

Die Erneuerung der Kirche setzt dabei gerade auf junge Menschen, die das Geheimnis der Eucharistie neu entdecken. Als ich vor einigen Jahren eine Vortragsreise in die USA unternahm und dabei das größte Priesterseminar der Vereinigten Staaten besuchte, St. Mary‘s on the Lake (Mundelein, Erzbistum Chicago), erhielt ich die bemerkenswerte Information, dass zahlreiche Priesterberufungen aus der sich stark verbreitenden Übung der „ewigen Anbetung“ in den Pfarreien hervorgehen. Im stillen Gebet vor dem Allerheiligsten Sakrament, im Glauben an den gegenwärtigen auferstandenen Herrn, reifen Lebensentscheidungen, die auch in der gegenwärtigen winterlichen Kirche einen neuen Frühling fördern können. Dabei ist ganz selbstverständlich der Glaube an die eucharistische Gegenwart mit der innigen Bereitschaft verbunden, den gegenwärtigen Herrn auf den Knien anzubeten. Dieses Vor-Christus-Niederfallen ist bereits eine elementare Reaktion der Jünger Jesu bei ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen (vgl. Mt 28,17).

Als ich im Tessin die Kinder meiner Pfarrei auf die erste Heilige Kommunion vorbereitete (über mehrere Jahre hinweg war ich nebenbei auch Pfarradministrator), erklärte ich immer auch das praktische Verhalten bei der Messfeier. Als ich mit den Kindern über die eucharistische Wandlung und das Sich-Niederknien während des Hochgebetes sprach, da meinte ein kleiner, sehr intelligenter Junge ganz spontan: „Ja, wenn das so ist – warum knien wir uns da eigentlich nicht bei der Kommunion hin?“ Ich konnte nicht anders als ihm Recht geben, auch wenn die konkreten Verhältnisse keine praktische Umsetzung dieser logischen Folgerung erlaubten, zumindest nicht als ständige Übung für alle. Der kleine Junge hatte meines Wissens niemals die kniende Mundkommunion gesehen, aber aus einem lebendigen eucharistischen Glauben ergibt sich diese Folgerung ganz natürlich.

Die Praxis der frühen Kirche

In der alten Kirche gab es noch keine kniende Mundkommunion, aber die damalige Praxis der Handkommunion war dem vom Heiligen Vater nun deutlich empfohlenen Kommunionritus sicherlich ähnlicher als die heutige Form, die Kommunion auf der Hand zu empfangen. Die Grundhaltung in der alten Kirche wird von Augustinus beschreiben, der betont: Niemand empfängt den Leib Christi, wenn er ihn nicht zuvor angebetet hat.[5] Als Cyrill von Jerusalem (im 4. Jh.) den Neugetauften in seinen Mystagogischen Katechesen den Kommunionempfang erklärt, beschreibt er, wie die Christen den Leib des Herrn auf der rechten Hand empfangen und ihn dann mit dem Munde aufnehmen. Es musste also die rechte Hand über der Linken liegen und nicht umgekehrt, wie es heute der Fall ist. Niemand wäre es eingefallen, eine so kostbare Gabe „mit links“ anzunehmen. Cyrill betont außerdem die Notwendigkeit, keine Teilchen verloren gehen zu lassen, denn der heilige Leib des Herrn ist kostbarer als Gold und Edelsteine.[6]

Gründe und praktische Möglichkeiten für die kniende Mundkommunion

Ein kurzer Hinweis wie dieser ist nicht der Ort, ausführlicher über die Gründe für die Bevorzugung der knienden Mundkommunion zu handeln.[7] Es geht hier jedenfalls um eine nachdrückliche Geste der Anbetung und einen treffenden Ausdruck der Ehrfurcht vor dem heiligsten Sakrament. Es wird deutlicher, dass wir die Eucharistie demütig empfangen und sie nicht eigenmächtig an uns reißen.

In der liturgischen Praxis der deutschsprechenden Länder kann die kniende Mundkommunion gefördert werden, wenn dazu auch im Gotteshaus konkret die Möglichkeit besteht in der Form einer Kniebank, an der entlanggehend die hl. Hostie gereicht wird. Dabei wird niemand zur Mundkommunion gezwungen, aber es wird dazu einladend die Gelegenheit geboten. Auch auf diese Weise können wir den Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland vorbereiten. Die Neuakzentuierung des Kommunionempfangs im Petersdom ist ganz sicher ein Weihnachtsgeschenk des Heiligen Vaters an die ganze Kirche, nicht zuletzt an die katholischen Christen in deutschen Landen.

Über den wahren Fortschritt in der Liebe zu Christus

Nachdenklich machen jedenfalls einige Gedanken des hl. Peter Julian Eymard (1811-65), eines seelsorglich überaus erfolgreichen Apostels der eucharistischen Anbetung und Gründers der Ordensgemeinschaft der Eucharistiner. Von ihm stammende goldene Worte, die auch heute zu beherzigen sich lohnt:

„Unser Heiland darf vor diesem gleichgültigen, ungläubigen Geschlecht nicht verborgen bleiben, die Sonne der Heiligen Eucharistie muss aufgehen, um all die nächtlichen Schrecken zu zerstreuen und um das Eis, das sich über viele Seelen gelegt hat, zum Schmelzen zu bringen.“

„Oft habe ich nachgedacht, welches Heilmittel der allgemeinen Gleichgültigkeit und Lauheit abhelfen könnte, die in so erschreckender Weise sich so vieler Katholiken bemächtigt haben. Ich finde nur ein einziges: die Heilige Eucharistie, die Liebe zum eucharistischen Heiland!“

„Ein Jahrhundert schreitet voran oder geht zurück in dem Maß, in welchem das allerheiligste Sakrament verehrt wird … Überlassen wir uns dem heiligen Einfluss der eucharistischen Sonne und das Antlitz der Erde wird erneuert werden!“[8]


[1] Vgl. Armin Schwibach: Eine „neue liturgische Bewegung“?, kath.net vom 28.12.2010, www.kath.net/detail.php?id=29503. Zum Ursprung des Gedankens siehe Manfred Hauke: Klaus Gamber als „Vater“ einer „neuen liturgischen Bewegung“, Forum Katholische Theologie 25 (2009) 1-38.
[2] Schwibach, a.a.O.
[3] Vgl. Uwe Michael Lang: Conversi ad Dominum. Zu Geschichte und Theologie der christlichen Gebetsrichtung, Johannes Verlag, Einsiedeln-Freiburg i.Br. 22003.
[4] Andrea Tornielli: Basta con la messa creativa, in chiesa silenzio e preghiera, Il Giornale, 24.12.2010; www.ilgiornale.it/interni/il_cardinale_canizares_basta_messa_creativa_chiesa_silenzio_e_preghiera/24-12-2010/articolo-id=495921-page=0-comments=1 (Interview mit Kardinal Cañizares Llovera).
[5] Vgl. Enarrationes in Psalmos 98,9 (Corpus christianorum, series latina 39, 1385).
[6] Vgl. Catecheses mystagogicae 5,21 (Fontes christiani 7, 162).
[7] Dazu findet sich Weiteres bei Martin Lugmayr: Handkommunion. Eine historisch-dogmatische Untersuchung, Stella Maris Verlag, Buttenwiesen 2001; Ders.: Die Praxis der Handkommunion auf dem Prüfstand, Forum Katholische Theologie 25 (2009) 139-154; Athanasius Schneider: Dominus est. Es ist der Herr. Gedanken eines Bischofs aus Zentralasien über die heilige Kommunion, SJM-Verlag, Neusäß 2008.
[8] Die Zitate finden sich in Ferdinand Holböck: Das Allerheiligste und die Heiligen. Eucharistische Heilige aus allen Jahrhunderten der Kirchengeschichte, Christiana-Verlag, Stein am Rhein 21986, 368 (das Werk ist jetzt erhältlich im Fe-Medienverlag, Kisslegg).

„Wie ist Gott?“

Prof. Dr. Karl Wallner OCist, Rektor der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, strahlt in seinem neuen Buch „Wie ist Gott?“[1] Zuversicht aus. Der christliche Glaube hat gerade in unserer Zeit eine Zukunft. Im Gespräch, das unsere Zeitschrift mit ihm führen durfte, geht P. Wallner auf die großen Herausforderungen ein, denen das Christentum heute gegenübersteht. Er begründet, warum er das Christentum für die erfolgreichste Religion der Weltgeschichte hält, warum er dem christlichen Europa eine Zukunft einräumt und warum er an das neue Pfingsten der Kirche glaubt, das sich Papst Johannes Paul II. erhofft hat. Mit derselben positiven Haltung blickt er auch auf das Friedenstreffen in Assisi voraus.

Interview mit Karl Wallner OCist

Kirche heute: Sie haben sich die Aufgabe gestellt, das christliche Gottesbild zu erklären. Was hat Sie dazu bewogen?

P. Wallner: Ich leide schon seit langem darunter, dass wir in der Kirche nur über Zweit- und Drittrangiges oder sogar Letztklassiges reden. Durch meine Öffentlichkeitsarbeit für unsere Choral-CD „Chant – Music for Paradise“ kam ich mit vielen kirchen- und glaubensfernen Society-Journalisten in Kontakt. Ich habe gemerkt, dass diese oft viel substantieller Fragen gestellt haben als Kirchenjournalisten: Da war Interesse für Gott, für Gebet, für Spiritualität zu spüren.

Kirche heute: Für wen haben Sie das Buch geschrieben?

P. Wallner: Das Buch richtet sich an normale Menschen, Christen wie Nicht-Christen, die sich für das interessieren, was wir eigentlich von Gott glauben. Ich habe es extra so geschrieben, dass es jeder lesen kann, man muss dazu nicht Theologie studiert haben. In Wien musste eine Dialogveranstaltung zwischen einer katholischen Pfarre und einer muslimischen Gruppe abgebrochen werden: Die Muslimen wollten über die Gottessohnschaft Jesu Christi reden, wollten über das Konzil von Nizäa und das Konzil von Konstantinopel reden… Die Katholiken hatten davon keine Ahnung. Ich habe mein Buch im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt und sofort war ich von Muslimen, sogar von Imamen umringt, die sich für das Thema interessierten. Wir befinden uns schon lange in einem Wettbewerb mit anderen Religionen, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen daher wieder das Wesen des Christentums begreifen.

Kirche heute: Auch von christlichen Denkern kann man das Wort vom „historischen Scheitern des Christentums“ hören. Was würden Sie dazu sagen?

P. Wallner: Tatsächlich steht beim Propheten Jesaja das bedrohliche Wort: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“ Es ist keine ausgemachte Sache, dass das Christentum auf ewig so prägend und stark bleibt, wie in den letzten 2000 Jahren. Von einem „historischen Scheitern des Christentums“ zu sprechen ist aber übertrieben! Zur Zeit gibt es leider eine erfolgreiche antichristliche Propaganda, die dem Christentum alles Schlechte nachsagt und im gleichen Augenblick die anderen Formen der Religiosität mit naiver Sympathie bedenkt. Tatsache ist, dass das Christentum die Botschaft von einem liebenden und verzeihenden Gott in die Welt gebracht hat, die Botschaft von der gleichen Würde aller Menschen, die Botschaft von der Freiheit und Gleichwertigkeit des Menschen. Das Christentum hat die Sklaven befreit, die Frauen emanzipiert und den westlichen Humanismus, samt seinen liberalen Ausblüten, ermöglicht. Das Christentum ist die erfolgreichste Religion der Weltgeschichte.

 

Kirche heute: Was betrachten Sie in der heutigen Zeit als größte Gefahr für den christlichen Glauben?

P. Wallner: Den Verfall der Gebetspraxis und des Glaubenswissens. Christlicher Glaube spricht ja beides an: Herz und Verstand, Gefühl und Denken. Mir fällt auf, dass die Menschen immer weniger beten können – obwohl sie eine große Sehnsucht nach einer inneren Verbindung mit Gott haben; und dass sie immer mehr über ihren Glauben Bescheid wissen. Als Mönche versuchen wir beiden Defiziten entgegenzuwirken: indem wir unser Kloster zu einer Schule des Gebetes für junge Leute machen – die übrigens in Massen kommen – und indem wir alles tun, um das Glaubenswissen weiterzugeben. An der Hochschule, in Fernkursen, in Vorträgen, und vor allem auch durch Bücher.

Kirche heute: Worin besteht für Sie der fundamentale Unterschied zwischen dem Christentum und den anderen Religionen?

P. Wallner: Hier halte ich mich ganz an die Erkenntnis, die der reformierte Theologe Karl Barth so stark akzentuiert hat: Religion ist die Suche des Menschen nach Gott, der Weg des Menschen in das Göttliche hinaus. Christentum ist von der Wurzel her anders: Es ist der Weg Gottes auf den Menschen zu, ja in den Menschen hinein. Kurz gesagt: Religion ist „Mensch zu Gott“; Christentum ist „Gott zum Menschen“.

Kirche heute: Wie beurteilen Sie auf diesem Hintergrund das geplante Treffen verschiedener Religionsführer mit Papst Benedikt XVI. in Assisi – 25 Jahre nach der historischen Begegnung mit Johannes Paul II.?

P. Wallner: Papst Benedikt XVI. möchte mit dem neuerlichen Assisi-Treffen zeigen, dass die Religionen dazu da sind, um den Frieden zu fördern! In einer Zeit, wo vor allem Christen Opfer von terroristischen, religiös motivierten Verbrechen werden, ist das Zusammensein von Religionsführern ein wichtiges Signal! Im Namen der Religion darf es nie wieder Krieg, Terror, Gewalt und Hass geben.

Kirche heute: Es gibt auch Stimmen, die ein solches Treffen kritisch sehen. Sie befürchten, dass dadurch das Zeugnis des christlichen Glaubens verdunkelt wird. Wie lässt es sich mit dem christlichen Selbstverständnis vereinbaren? Welche Aufgabe hat dabei der Papst?

P. Wallner: Inzwischen hat man durch zwei solcher Treffen auch von Seiten der Kirche her gelernt, wie man so ein Treffen abhalten kann, ohne dass es dabei zu Missverständnissen kommt. Weder der selige Johannes Paul II. noch Papst Benedikt XVI. wollen durch eine solche Konferenz leugnen, dass nur in Jesus Christus „das Heil zu finden ist“ und wir niemanden sonst haben, „durch den wir gerettet werden“ (Apg 4,12).  Im Gegenteil. Es gehört aber zu unserem katholischen Verständnis, dass wir zwar davon überzeugt sind, dass sich uns Gott in letzter Weise geoffenbart hat. Alle anderen Gottesbilder sind defizitär, manchmal sogar Götzen. Darum wird es bei dem Treffen auch nicht zu einem gemeinsamen Gebet kommen, weil der Papst klar zeigen will: Es ist nicht der gleiche Gott, zu dem die einzelnen Religionen beten.

Kirche heute: Was ist nach Ihrer Auffassung das Entscheidende, um den Menschen unserer Zeit das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu vermitteln?

P. Wallner: Ich merke soviel Unwissenheit: da stellen sich treue Kirchgänger tatsächlich den göttlichen Vater als Mann mit langem Bart vor; da ist der Heilige Geist für viele nicht mehr als eine niedlich gurrende weiße Taube… Kein Wunder, dass die Moslems unsere Religion ablehnen. Ich erlebe, wie die Esoterik immer noch stark ist und viele Anhänger findet, vor allem unter den ausgebrannten und kirchlich ausgekühlten Wohlstandsmenschen. In Meditationsseminaren öffnet man sich dem „göttlichen Licht“ in sich selbst und ist plötzlich fasziniert von der neuen Dimension der Innerlichkeit, die man da entdeckt. Aber das haben doch wir Christen noch viel besser: Der Heilige Geist ist die Kraft, die in uns wohnt, ja er ist Gott selbst, der als Liebe, Licht, Freude, Glück, Kraft… in unsere Herzen eingegossen ist. Wir sollten das Terrain nicht den anderen Religionen und New Age überlassen. Der dreifaltige Gott deckt alle Dimensionen menschlicher Sehnsucht ab. Wie können wir ihn besser kennenlernen? Hoffentlich durch das Lesen meines Buches.

Kirche heute: Sie orientieren sich in Ihrem Buch sehr stark an dem Theologen Hans Urs von Balthasar. Was ist für Sie das Besondere in seinem Denken?

P. Wallner: Hans Urs v. Balthasar, der 1988 zwei Tage vor seiner Erhebung zum Kardinal der Kirche gestorben ist, hat die Mode der 1970er und 1980er Jahre in der Theologie nicht mitgemacht: da wollte man plötzlich „von unten her“, vom Menschen her denken. Theologie wurde da plötzlich unter der Anleitung existentialistischer Selbstinterpretation betrieben; man war sosehr mit dem Menschen beschäftigt, dass man auf Gott vergaß. Und Balthasar hat in dieser Zeit genau das Gegenteil gemacht: Er hat von Gott und auf Gott hin gedacht. Durch die übernatürliche Unterstützung der Schweizer Mystikerin Adrienne von Speyr († 1967) ist er sehr tief in das Geheimnis der Dreifaltigkeit vorgedrungen. Balthasar ist „der“ Theologe der Dreifaltigkeit.

Kirche heute: Wie kann man heutzutage den Wahrheitsanspruch des Christentums begründen?

P. Wallner: Mit der „Logik des Kreuzes“, die Paulus im 1. Kapitel des 1. Korintherbriefes beschrieben hat. Dass es große Götter oder einen allmächtigen Gott gibt, glauben ja in irgendeiner Form alle Religionen. Dass es etwas Absolutes geben muss, das sagt uns sogar die Philosophie. Aber dass Gott sich in seiner Größe so offenbart, dass er ein kleines Kind geworden ist; dass er seine Allmacht so offenbart, dass er für uns ohnmächtig geworden ist; dass er seine Lebendigkeit so zeigt, dass er für uns am Kreuz gestorben ist – das ist „unerfindbar“. Alle anderen „Gottesbilder“ kann sich die menschliche Phantasie selbst ausdenken. Das christliche Gottesbild nicht! Es ist fundamental anders. Der gekreuzigte Gott ist der wahre Gott, weil niemand von sich aus auf einen solchen Gedanken kommen könnte.

Kirche heute: Auf welche Weise kann man ihrer Meinung nach junge Menschen dafür begeistern, sich mit der christlichen Offenbarungsreligion zu beschäftigen?

P. Wallner: Indem man die jungen Leute zum Gebet führt! Zumindest bei mir war es so und ich erlebe es jetzt auch als Jugendseelsorger sehr stark: Das erste ist, dass man einmal im Herzen von Gott berührt wird; man erfährt seine Gnadenmacht; man tritt ein in eine neue Dimension des Seins, indem sich plötzlich eine Luke in eine andere Welt öffnet. Dieses emotionale Angerührtwerden durch die Wirklichkeit Gottes steht fast immer am Anfang der Bekehrung. Darum versuchen wir hier im Kloster auch Gelegenheiten zu schaffen (Jugendgebete, Jugendtage…), wo Gott die Chance bekommt, sich bei den Jugendlichen „zu melden“. Aber das ist zu wenig! Emotionen sind kurzlebig. Dann muss diese Herzensberührung in Verstandeswissen fortgesetzt werden. Dann muss es Katechesen, Unterweisungen, Seminare geben, die den Inhalt des Glaubens weitergeben. Es ist ja fast ein Vorteil, dass die jungen Leute heute so wenig aus Erziehung und Religionsunterricht mitgenommen haben: dadurch erscheint ihnen der Glaube – wenn er richtig gelehrt wird – dann plötzlich spannend, neu und interessant.

Kirche heute: Hat das christliche Europa eine Zukunft?

P. Wallner: Selbstverständlich! Ich liebe es, bei dem Kirchenschriftsteller Eusebius die Ereignisse zu lesen, die an der Wurzel der Christianisierung Europas standen: das war die Konstantinische Wende. Durch singuläres Eingreifen hat Gott eine 300-jährige blutige Christenverfolgung innerhalb kürzester Zeit in einen Triumph des Kreuzes Christi umgewandelt. Warum soll das nicht auch heute gehen? Gott hat nicht abgedankt, ich erlebe ihn in den vielen Bekehrungen, die sich um mich herum ereignen, als höchst aktiv und höchst allmächtig. Ich würde mir nur wünschen, dass wir aufhören, innerhalb der Kirche und durch zweit- und drittrangige Themen zu blockieren. Und dass wir aufhören, über die Finsternis zu schimpfen. Gegen die Dunkelheit kommt man nur an, indem man eine Kerze anzündet.

Kirche heute: Wird die katholische Kirche ein neues Pfingsten, einen neuen Frühling erleben, wie es Johannes Paul II. erwartet und in seiner „Vision der Hoffnung“ verkündet hat?

P. Wallner: Ja, ganz sicher. Aber dieses neue Pfingsten kommt durch unser Gebet, durch unser Leiden, durch unser treues Opfer. Auch durch das Blut vieler Märtyrer. Aber es kommt. Ich bin froh, dass ich Christ bin und damit zu der siegreichen Bewegung gehöre, die seit 2000 Jahren die Welt für die Liebe Gottes erobert.

Kirche heute: Wie danken Ihnen von ganzem Herzen für das wunderbare Gespräch.


[1] Karl Josef Wallner: Wie ist Gott? Die Antwort des christlichen Glaubens, Media Maria Verlag, 1. Aufl. 2010. Zu bestellen unter Tel. 07303-952331-0, Fax: 07303-952331-5 oder mit E-Mail an: buch@media-maria.de – Internet: www.media-maria.de

Benedikt - Franziskus - Dominikus

Von Pater Notker Hiegl OSB ist eine bewegende Autobiographie[1] erschienen. Der Titel „In der Freude des Herrn“ lehnt sich an den Wahlspruch der Familie Hiegl an. Er lautet: „Die Freude im Herrn ist unsere Stärke“. Im ersten Teil schildert P. Notker eindrucksvoll das Leben der Donauschwaben und das furchtbare Schicksal ihrer Vertreibung. Im zweiten Teil geht es um seinen Berufungsweg und sein pastorales Wirken, im dritten Teil um seinen besonderen Einsatz für die Kapelle „Maria Mutter Europas“ und die Gebetsgemeinschaft für ein christliches Europa. Nachfolgend das Schlusswort der Autobiographie, die ihrem Titel auf außerordentliche Weise gerecht wird. Sie stellt ein großartiges Zeugnis von der liebenden Vorsehung Gottes und einem erfüllten gottgeweihten Leben dar.

Von Notker Hiegl OSB

Suche nach der Persönlichkeit des hl. Benedikt

Benedikt, Franziskus und Dominikus, alle drei Ordensgründer sind mir im Herzen nahe und als Benediktiner müsste ich ohne Weiteres sagen: Der heilige Benedikt steht mir am Nächsten. Na ja, na gut! Benedikt ist 480 in Nursia geboren. Einige Jahre, wahrscheinlich drei Jahre, sechs Semester, lebte er in Rom und studierte Wissen. Bis er merkte: Weisheit wäre mehr. Daraufhin flüchtete er nach Subiaco und wurde dort wiederum drei Jahre lang ebenfalls Student, aber nicht der Rhetorik, der Staatswissenschaft oder irgendeines anderen weltlichen Wissenstandes, nein er wurde Einsiedler, um auf die Weisheit im Herzen zu hören, welche von Gott her eingegeben wird. Sie wurde ihm verliehen. Einsiedler der Umgebung wählten ihn zu ihrem Oberen, doch zog er sich von ihnen bald ob innerklösterlicher Reibungsflächen wieder zurück, gründete neue Gemeinschaften, ein Dutzend wohl, bekam mit dem Weltklerus der Umgebung Schwierigkeiten ob der nun ins Kloster fließenden Spenden, statt in den Pfarrsäckel, er passte einfach nicht mehr in die Gegend von Subiaco. So zog er sich in den Süden Italiens mit einigen Getreuen zurück und gründete das weltberühmte Kloster Monte Cassino. Hier schrieb er auch um 520 die Regula, die heute noch als Benediktinerregel geltende Satzung mit 73 Kapiteln. Weise und gut, wetterfest und Grundlage aller andern Ordensregeln im Westen bis zum heutigen Tage. Die heilige Scholastika, seine Zwillingsschwester, sei hier erwähnt mit ihrem Sturmgebet, das den gesetzestreuen Bruder bei einem abendlichen geistlichen Gespräch mit ihrem Liebesgebet übertraf. Eine ganz und gar herrliche Episode, welche das Bitten und Flehen, die Tränen und die Liebe über das doch oft herbe und menschenunfreundliche Gesetz stellt. Am 21. März 547 oder 548 starb Benedikt stehend vor dem Altar, gestützt durch seine monastischen Freunde. Ein großer Mann, wahrlich. Warum habe ich dann doch am Anfang „Naja, na gut“ gesagt. Einfach darum, weil Papst Gregor der Große uns in seinem Zweiten Buch der Dialoge zwar den Gesetzgeber und Gründervater des monastischen Lebens vor Augen stellt, aber nicht so sehr den Menschen Benedikt als solchen, mit seinem persönlichen Sosein, seinen Schwächen und seinem Ringen um das Verbleiben in der Liebe Gottes; die Schilderung seines Daseins mit der Aufzählung der verschiedenen Wundergeschichten, welche die orientalischen Heiligen übertrumpfen sollen – so von Gregor uns vorgegeben –, das ist mir, meinem Gefühl, meinem Herzen doch zu wenig. Seine Regel leuchtet, seine historische Person etwas weniger. Dass kein Missverständnis aufkommt: Ich bin gerne Benediktiner, von Herzen gerne, die feierliche Liturgie, mein schwarzes Ordenskleid mit dem Skapulier, die Möglichkeit als so Gezeichneter Gottes Wort und die Sakramente weiterzugeben in den Pfarreien als Benediktinerpfarrer, die Gemeinschaft, die Jungfräulichkeit, die persönliche Armut und das Stehen unter dem Abte im Gehorsam, die Stabilitas, die Conversio, das sind für mich alles hohe Werte, welche auf den Heiligen zurückgehen – aber noch mal gesagt, mehr auf seine Schriften, welche natürlich auch über ihn persönlich Zeugnis geben, aber das Handfeste an der Persönlichkeit des Monte-Casino-Abtes fehlt mir irgendwie. Gottes Gnade hat mich dennoch in ein Benediktinerkloster, und zwar in das im Oberen Donautal geführt. Deo gratias. Und hier durfte ich ja mein „Suscipe me Domine“ singen. Grund zum Danken ohne Unterlass.

Besondere Nähe zum hl. Franziskus

Franziskaner bin ich nicht geworden. Zwar kannte ich Franziskaner in Rottweil am Neckar, als ich dort vom Bischöflichen Konvikt aus ins Albertus-Magnus-Gymnasium ging, auch kannte ich die Franziskaner vom Weggental in Rottenburg aus der Zeit, als ich im Bischöflichen Knabenseminar in Rottenburg weilte und dort das Eugen-Bolz-Gymnasium bis zum Landesexamen besuchte, doch Gott wollte mich einfach in Beuron bei den Benediktinern haben. Gut so, obwohl mir der heilige Franziskus von allen Ordensgründern der Liebste und persönlich Nächste ist. „Ein Narr, fangt ihn, ein Narr!“, so schrien die Leute hinter dem jungen Franz von Assisi her. Sein Vater sperrte ihn in den Keller und zerrte ihn sogar vor das nahegelegene bischöfliche Gericht auf dem offenen Marktplatz. Stellen wir uns das einmal vor! – Franz gab bei dieser Szene sein vornehmes Kleid und seine ganze Barschaft dem „nur vernünftig“ denkenden Kaufmann und Vater zurück und sprach in Gottes Geist närrisch gelassen: „Bis hierher habe ich Pietro Bernadone meinen Vater genannt. Von jetzt an aber will ich dem Herrn dienen und einzig und allein sein: „Vater unser im Himmel!“ Das war nicht von Anfang an so: Der junge Franziskus hing mit allen Sinnen am Leben. Er warf mit vollen Händen das Geld seines Vaters hinaus. Franziskus sang vom Morgen bis zum Abend als Jugendkönig von Assisi tolle Liebeslieder und umgab sich mit ausgelassenen Freunden, die es liebten, auf Kosten des reichen Kaufmannssohnes zu leben. Dann kam eine bittere Enttäuschung. Gefangenschaft und Krankheit machten ihn mürbe. Er verkroch sich monatelang in eine Höhle und begann über sein bisheriges Leben nachzudenken: Was hat das alles für einen Sinn? Der Erfolg dieser Meditation war die Erkenntnis, dass sein bisheriges Leben auf Nichtigkeiten aufgebaut war. Seine Jugendjahre waren dahin und vor der Nachwelt wird er sich einmal ob solchen Leichtsinnes schämen müssen. Er pilgerte, noch in Samt und Seide, nach Rom. Da packte es ihn endgültig. Die Gnade überwältigte ihn. Er tauschte mit einem Bettler vor dem Petersdom die Kleider und ging mit einem durchlöcherten Gewand, wenn man es überhaupt noch so nennen konnte, heimwärts. Nach der oben bereits geschilderten Szene mit seinem Vater Bernadone war er aus dem elterlichen Hause ausgeschlossen. Er nahm nun Wohnung im zerfallenen Kloster San Damiano, das er neu aufbaute. 1209 pilgerte Franz erneut nach Rom, um für die vielen jungen Leute, die sich ihm anschlossen, die päpstliche Bestätigung einer Ordensregel zu erlangen. Der Papst hatte vorher eine Vision: Er sah die Lateranbasilika wanken und ein junger Mann stützte sie. In Franz erkannte er diesen jungen Mann. Welche Freude erfüllte beide! Innerhalb einiger Jahre schlossen sich Franz über 5.000 junge Männer an; sie strömten von überall her in Assisi zusammen, um für die Zukunft zu beraten. Da auch Mädchen und Frauen, entsprechend wie bei Benedikt die heilige Scholastika, voll heiligem Eifer auf Franz und seine Mitbrüder schauten und das Mädchen Klara, durch seine Predigt entflammt, dasselbe Ideal anstrebte, entstand bald auch der zweite Orden, der Orden der Klarissen. Ebenso wollten Laien diesen Idealen nacheifern. Was tun? Alle können ja nicht die Welt verlassen und in ein Kloster eintreten. So gründete Franz den so genannten „Dritten Orden“ für die Weltleute. Ein Segen für die Kirche bis zum heutigen Tag. Freilich erlebte Franz auch bittere Enttäuschungen, die in keinem Leben ausbleiben, er brachte sie mit dem Kreuz tragenden Herrn in Verbindung. Schon zu seinen Lebzeiten ging man von den höchsten Idealen ab. Franz wurde dafür von Gott mit den heiligen Wundmalen ausgezeichnet, als er auf dem Berg Alverna sein vierzigtägiges Fasten hielt. Auf dem Höhepunkt seines Lebens dichtete er sein Sterbelied, den „Sonnengesang“. Sein Tod und sein Heimgang in den Himmel war am 3. Oktober 1126. Seit dem 3. Oktober 2007 segne ich immer wieder auch die Tiere, zu denen Franz ebenso eine tiefe Verbindung hatte, da er den Vögeln und den Fischen predigte. Bei der letzten Tiersegnung auf dem Gnadenweiler waren neben den Tierhaltern folgende Tiere zur Segnung anwesend: 2 Kamele, 4 Lamas, 20 Rinder und 20 Ziegen, 10 Pferde und 10 Schafe, 9 kleine dreitägige Lämmer, Hunde und Katzen ohne Zahl, Meerschweinchen und Hamster, Hasen und auch eine Hausspinne in einem Weckglas. Das Kind, welches die Spinne mitgebracht hatte, ließ dieselbe nach der Predigt wieder ins Freie, weil der heilige Franziskus dies sicherlich gerne gehabt hätte. Eine kleine Eva hatte auch noch seinen Teddybär zur Segnung mitgebracht. Heiliger Franziskus, segne Mensch und Tier auf dem Gnadenweiler vom Himmel aus.

Herzensverbindung mit dem hl. Dominikus und anderen Ordensmitgliedern

Nun noch einige Worte zum heiligen Dominikus, zu dem ich allmählich auch eine Herzensverbindung bekam, und hier wiederum mehr zu einigen seiner Ordensmitglieder. Zunächst sah ich hier in Beuron auf dem Rosenkranzaltar neben dem Mittelbild als Seitenfiguren zwei überaus wertvolle Barockgestalten, nämlich die heilige Drittordensdominikanerin Katharina von Siena mit der Dornenkrone auf dem Haupt und dem Kreuz in ihrer Hand sowie auf der Gegenseite der Altarnische den heiligen Dominikus persönlich, beide im Zusammenhang auch mit der Rosenkranz-Übergabe von Seiten Mariens. Beim heiligen Dominikus ist seitlich seiner Füße ein Hund dargestellt mit einer brennenden Fackel in seiner Schnauze. Bevor Dominikus im Jahre 1170 das Licht der Welt in Spanien erblickte, hatte seine Mutter einen merkwürdigen Traum: Sie sah ein Hündlein, das mit einer brennenden Fackel im Maul die Welt durcheilte. Im Leben des Dominikus ist dieser Traum wahr geworden. Priester, Mönche und Nonnen in großer Zahl waren vor allem in Südfrankreich durch eine anti- und außerkirchliche Armutsbewegung ermordet worden. Dominikus war innerlich von dieser kirchlichen Notsituation stark bewegt. Um die Häretiker auf den Weg zur Einheit mit der Kirche zurückzuführen, lebte er die Frohbotschaft zuerst selbst in völliger Armut – zu gleicher Zeit und in gleicher Intention wie der heilige Franziskus. Die Armutsbewegung der Katharer und Albigenser war sicherlich gut, sie hätte sich aber innerhalb der Kirche entfalten sollen. Dominikus vertiefte sich in stundenlangem Gebet und Betrachtung in die Wahrheit Christi und predigte sie dann dem Volke. Am Ende sang er dann noch meist Jesus- und Marienlieder. Er suchte sich Gleichgesinnte und fand sie. So entstand 1216 der Dominikaner- oder Predigerorden. 5 Jahre später, 1221, war die Fackel seines Lebens niedergebrannt. Am 8. August erlosch sein Leben im Heimatkloster Bologna, 13 Jahre später, 1234, wurde er schon heiliggesprochen. Heinrich Seuse und Thomas von Aquin, beides Dominikaner, verehre ich sehr ob ihrer Fackelglut, die im Orden stets gepflegt wurde, bis zum heutigen Tag, wie ich es vor allem in den letzten Jahren im Dominikanerinnenkloster St. Peter am Bach in Schwyz, bei aller menschlichen Begrenzung erleben durfte. Über den heiligen Heinrich Seuse habe ich schon einen eigenen Abschnitt geschrieben, hier möchte ich die für mich so wichtige Glut der Liebe des heiligen Thomas von Aquin hervorheben zum Allerheiligsten Altarsakrament. Viele fromme, besinnliche und lustige Anekdoten wären aus seinem Leben hier aufzuzählen, jedoch will ich dies Buch abschließen mit einem Wort von ihm, das er sterbend gesprochen hat, als er nochmals all seine Werke von höchster theologischer Bedeutung ansah. Da konnte er nur sagen ob der Schwäche menschlicher Ausdruckskraft im Vergleich zur wahren Wirklichkeit: „Es ist alles Stroh, Stroh und nochmals Stroh“ zur wahren Größe des Gemeinten. Auch ich kann nur diesen einen Satz an den Schluss all meiner Vitaerzählungen im Vergleich zur Gott geschenkten Wirklichkeit sagen: „Es ist alles Stroh, Stroh und nochmals Stroh“.


[1] Notker Hiegl OSB: In der Freude des Herrn. Eine Autobiografie, Beuroner Kunstverlag, 1. Aufl. 2010, Format 16 x 23,5 cm, gebunden mit Schutzumschlag, 272 S., € 24,90; ISBN: 978-3-87071-220-4; www.klosterkunst.de

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