Unser Bild vom Islam im Licht des „arabischen Frühlings“

Ist der Dialog mit dem Islam angesichts zahlreicher Bedrohungen, die von Muslimen ausgehen, naiv? Oder ist das Feindbild ‚Islam’ einfältig, gar von heimlichen Interessen genährt? Was ändert sich durch den „arabischen Frühling“? Und was kann die Kirche in diesem brisanten Spannungsfeld zum Frieden in der Welt beitragen, einem Frieden, der oft – so scheint es! – nur mit militärischen Mitteln erzwungen werden kann? Um einen ehrlichen und gut informierten Umgang mit dem Islam aus christlicher Sicht ringt Dr. Andreas Fisch[1] vom Sozialinstitut Kommende Dortmund und erinnert dabei an die für den Zeitgeist durchaus provokante Lehre und Praxis der Katholischen Kirche.

Von Andreas Fisch

Duisburg-Marxloh. Zahlreiche Geschäfte für Brautmoden, muslimische Frauen mit und ohne Kopftuch, manche der Bäckereien machen sich gar nicht erst die Mühe, deutschsprachige Schilder aufzustellen, so selbstverständlich ist Türkisch als Umgangssprache in diesem Viertel geworden. In diesem Umfeld macht eine Ordensfrau im vollen Ornat erstaunliche Erfahrungen: Ein muslimischer Familienvater in Begleitung seiner Familie fragt sie schüchtern, ob seine Familie sie zum Essen einladen dürfe, sie würden gern von ihrem Gottesglauben hören. In einem türkischen Café sucht der Besitzer freundlich das Gespräch mit ihr und bei der Verabschiedung lehnt er eine Bezahlung vehement ab. Dann kommt eine direkte Konfrontation: Der Ordensfrau kommen drei junge geistliche Würdenträger des Islam entgegen. Türkische Jugendliche beobachten die Szene feixend von einer Parkbank aus. Vor der Ordensfrau bleiben die drei Imame stehen und verneigen sich wortlos. Sie erwidert diese Respektbezeugung. Wortlos ziehen alle vier ihrer Wege und lassen bass erstaunte Jugendliche zurück. Als von diesen Erlebnissen nach einem Gottesdienst der katholischen Gemeinde erzählt wird, wehren die Deutschen ab: „Nein, nein, die Muslime schotten sich ab. Das kann gar nicht sein, alles Ausnahmen!“

Die meisten Deutschen unterstellen Muslimen Sympathie für Terroristen

Eine solch unterschiedliche Wahrnehmung verblüfft und ist doch typisch für Deutschland. Umfragen (REMID 2007) kommen zu dem Ergebnis, dass die generelle Ablehnung von Muslimen bei Deutschen leicht gestiegen ist, der Islam kulturell sogar bis zu 74 Prozent abgewertet wird. 64 Prozent der Deutschen unterstellen Muslimen Sympathie für Terroristen. Auf einen Zeitungsartikel, der die undifferenzierte Sicht der Deutschen auf „den“ Islam kritisiert, reagierte eine Leserbriefschreiberin empört, dass es ja nun eindeutig die Schuld der Muslime wäre, denn sie begingen Terrorakte und Ehrenmorde. Machtlos sind alle Differenzierungen, wenn jemand das Feindbild „Islam“ verinnerlicht hat und glaubt, Muslime planten eine Weltverschwörung und würden dafür ihre „Feinde“ gezielt belügen und täuschen; darum dürfe „man“ ihnen nicht trauen.

Was könnte ein Grund dafür sein, dass nicht nur die Deutschen beim Islam besonders kritisch sind? Ich erinnere mich an eine vergleichbare Erfahrung während eines Aufenthalts als Missionar auf Zeit im tropischen Nordosten Brasiliens. Von den mehrheitlich dunkelhäutigen Bewohnern wurde ich darauf angesprochen, warum „die Deutschen“ „immer“ Menschen mit dunkler Haut umbringen würden? Ich entgegnete, dass dies eine kleine Gruppe gewaltbereiter Rechtsextremer sei, keineswegs „die Deutschen“. Mir wurde wohlwollend versichert, dass ich eine Ausnahme sei, aber wenn sie von Deutschland in der Zeitung läsen, dann wäre wieder ein Mensch wegen seiner Hautfarbe von Deutschen angegriffen worden; die Zeitungen sind seriös, die Berichte trafen (leider) zu. Es war mir nicht möglich, diese Vorurteile zu zerstreuen, zumal mein Status als Ausnahme unangezweifelt blieb. In ähnlicher Weise scheint die Wahrnehmung „des Islams“ und „der Muslime“ in Deutschland geprägt und nicht anfechtbar zu sein. Zahlreiche Unterstellungen und ausgewählte Zeitungsberichte prägen Stereotype, während schlichtweg Unwissenheit und der eklatante Mangel an Erfahrungen im Umgang mit Muslimen diese festigen. Gerade bei den aufgeregten Debatten über den Islam wäre deutlich zu differenzieren. Nach obiger Studie können dies 81 Prozent der Deutschen beim Islam schlichtweg nicht, wie sie selber zugeben. Fast immer wird Religion als Ursache herangezogen, wo die soziale Lage, die Tradition oder die Herkunft aussagekräftiger wäre. Oder der Islam als Religion wird gleichgesetzt mit Fundamentalismus und Gewaltbereitschaft. Dabei gibt es in allen Religionen harmlose Fundamentalisten und Gewaltbereitschaft, die ein ideologisches, auch religiöses Deckmäntelchen nur zum Schein übergeworfen hat. Diese fehlenden Unterscheidungen verdrehen die Wahrnehmung und beschwören zum Teil Phantom-Konflikte herauf statt die wahren Konflikte aufzuarbeiten und einem wahren Frieden den Weg zu ebnen, wie es das Anliegen von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war und ist.

Erschütterungen durch die Aufstände in arabischen Ländern

Die meisten dieser Vorurteile werden in diesen Wochen durch den so genannten „arabischen Frühling“ massiv erschüttert. In den Volksaufständen in Tunesien, Ägypten, Syrien, Jemen, Libyen und anderen arabischen Ländern demonstrieren Muslime unter Einsatz von Leib und Leben wider korrupte Regime. Muslime setzen nicht auf ein Kalifat im Sinne Osama Bin Ladens und der Taliban, sondern hoffen auf Demokratie und Freiheit, Frieden und Wohlstand. Während des Freitagsgebets auf dem Tahrirplatz in Ägypten schützten Christen Muslime vor bezahlten Schlägern und umgekehrt Muslime Christen während der Sonntagsmesse. Bei den Revolutionen in arabischen Ländern sind die Islamisten der al-Qaida fern. Ein solch gewaltiger Wandel ist nach dem welterfahrenen CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering von „historischer Bedeutung“, und zwar auch für Europa (FAZ vom 29.04. 2011, S.20).

Statistiken zeigten schon früher, dass die Opfer der Terrorakte von al-Qaida mehrheitlich Muslime und nicht etwa Christen sind. In der US-amerikanischen Studie „Deadly Vanguards: A Study of al-Qa’ida’s Violence Against Muslims“ (Dez. 2009) vom Combating Terrorism Center sind die Opfer von 2004 bis 2008 gar zu 85 Prozent Muslime (Non-Westeners), obwohl die Anschläge von Madrid 2004 und London 2005 einbezogen sind. Die Reaktion von Muslimen auf den Tod Osama Bin Ladens ist darum überwiegend Erleichterung.

Dr. Sherief Hany von der koptischen Kirche erläutert, dass interreligiöse Konflikte in Ägypten politisch provoziert werden: „Während des Mubarak-Regimes wurden Minderheiten angegriffen, nur weil Mubarak an der Macht bleiben wollte. Er hat ein schmutziges Spiel gespielt. Denn Kopten haben Muslime angegriffen, Muslime haben Kopten angegriffen und niemand hat ihn angegriffen oder seinen Rücktritt erzwungen“ (zitiert aus: http:// www.tagesschau.de/ausland/aegypten816.html). Auch in den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Salafisten (eine muslimische Minderheit in der mehrheitlich sunnitisch-muslimischen Bevölkerung Ägyptens) im Mai 2011 könnte der politische Hintergrund das bewusste Schüren von religiösen Konflikten durch das frühere Regime sein. In anderen arabischen Ländern erhalten sich korrupte und unterdrückerische Regime die Unterstützung der Westmächte, indem sie die extremistische Bedrohung eines Teils ihrer Bevölkerung übertreiben, wenn nicht gar inoffiziell unterstützen, um dieses „Argument“ zu behalten.

Die Schweizer Volksabstimmung für ein Minarett-Verbot im November 2009 wurde ironischerweise auch durch den damaligen Konflikt mit dem Libyen-Regime emotionalisiert. Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi hatte im Juli 2009 vorgeschlagen, die Schweiz aufzulösen und an die Nachbarländer zu verteilen und im September 2009 bei der UNO einen entsprechenden Antrag gestellt (Anlass Gaddafis war die rechtmäßige Festnahme seines Sohnes Hannibal und von dessen Frau durch die Schweiz). Mit ihrer Wut über das Regime der Familie Gaddafi finden sich die Schweizer Bürger nun im Geiste an der Seite der Demonstranten in Bengasi wieder.

Aber hat nicht derjenige Recht, der darauf hinweist, dass die Muslime in Deutschland sich nicht oder keineswegs deutlich genug vom weltweiten Terror durch militante Muslime distanzieren? Eine sozialethische Orientierung fordert hier, nicht mit unterschiedlichem Maß zu bewerten. Jemand würde sich lächerlich machen, würde er behaupten wollen, Kardinal Meisner unterstütze die militanten Terrorakte von Protestanten und Katholiken in Nordirland, da er sich noch nie von ihnen distanziert habe. Warum sollte Kardinal Meisner für ein anderes Land und gar für eine andere Konfession die Verantwortung tragen? Das Ausbleiben einer öffentlichen Verurteilung Meisners als heimliche Unterstützung zu deuten, bliebe eine infame Unterstellung. Muslimen gegenüber wird diese bösartige Unterstellung regelmäßig erhoben und – das ist das Erschreckende daran! – sie bleibt unwidersprochen, ohne danach zu fragen, welche Verbindung Muslime in Deutschland zu einem Entwicklungsland, zu einem Kriegsgebiet oder zu einem politisch instabilen Staat wie Somalia haben könnten, und ohne zu fragen, welcher Rechtsschule des Islams die Attentäter angehören: Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten, Schafiiten, Imamiten, Ismailiten, Zaiditen, Ibaditen, Sufisten und einige andere mehr.

Gegen den plakativen Vorwurf an Muslime, sich nicht (genügend) vom Terror zu distanzieren, möchte ich zwei unmissverständliche Distanzierungen in Erinnerung rufen: einmal allgemein bei der großen Demonstration am 21. November 2004 in Köln mit Günter Beckstein (CSU) als Redner und mit 25.000 vorwiegend muslimischen Teilnehmer(inne)n, die öffentlich erklärten, dass Dschihad nicht Terror und nicht den Tod unschuldiger Menschen bedeute.

Zum anderen erfolgte die Distanzierung von Terror landesspezifisch: Im September 2004 entführte eine islamistisch-militante Gruppe „Islamische Armee im Irak“ im kriegsgebeutelten Irak die französischen Journalisten Georges Malbrunot und Christian Chesnot und drohte beide hinzurichten. Die Irakische Gruppe ernannte sich eigenmächtig zum vermeintlichen Vollstrecker des Willens der französischen Muslime: Die Forderung der Militanten war es, dass der französische Staat das Kopftuchverbot für Schülerinnen rückgängig machen sollte. In diesem Fall sahen sich die französischen Muslime direkt vereinnahmt. Deshalb stellten sich muslimische Schüler(innen), deren Eltern, Geistliche und der französische Zentralrat der Muslime mit einer eindeutigen Erklärung hinter den laizistischen Staat und auch hinter das besagte Gesetz. Damit entzogen die muslimischen Verbände in Frankreich der islamistisch-militanten Gruppe ihre vermeintliche Legitimation und erreichten durch eine Delegation im Irak die Freilassung der beiden Journalisten.

Wie handelt die katholische Kirche in diesem brisanten Spannungsfeld?

Prophetische Zeichen im Handeln der Päpste

Nach der Katholischen Soziallehre besitzt jeder Mensch Würde. Diese Würde äußert sich unter anderem darin, dass jeder Mensch sich freiheitlich für Gottes Liebe öffnen kann. Diese Würde spricht dem Menschen zu, ein „Zweck an sich“ mit der Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung zu sein (Immanuel Kant). Diese Würde beinhaltet eine prinzipielle Gleichheit und den gleichen Anspruch auf Anerkennung; Nicht-Anerkennung ist dagegen eine Form der Unterdrückung (Charles Taylor). Konkret wird die Menschenwürde in den Menschenrechten, unter anderem in der Religionsfreiheit, wie sie die Erklärung Dignitatis Humanae über die Religionsfreiheit (1965) im Zweiten Vatikanischen Konzil als „tiefe Wertschätzung für den Menschen, für seinen Verstand, seinen Willen, sein Gewissen und seine Freiheit“ (Johannes Paul II., Redemptor hominis, 12) begründet. Die Konzilsväter halten in der Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen an der Wahrheit der Offenbarung in Jesu Christi eisern fest, räumen jedoch ein, dass der Heilige Geist um der Menschen willen auch in anderen Religionen wirkt, die „nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (Nr. 2,2).

Für die Praxis der Katholischen Kirche möchte ich vor allem, aber nicht nur an den soeben selig gesprochenen Johannes Paul II. erinnern. Seine Gesten im Dialog mit den Religionen sind geradezu prophetische Zeichenhandlungen. Dazu zählt zweifelsfrei die Einladung Johannes Pauls II. zu den interreligiösen Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi 1986 und 2002. Der geschuldete Respekt vor den eigenständigen Gottesvorstellungen ließ in der Praxis kein gemeinsames Gebet zu, sehr wohl aber nacheinander abfolgende Gebete im gemeinsamen Anliegen des Friedens. Ferner sei daran erinnert, wie Johannes Paul II. am 14. Mai 1999 nach einer Audienz von irakischen Christen und Muslimen die Heilige Schrift der Muslime, den Koran, küsste. Als eine „Geste des Respekts“ begrüßte der damalige Patriarch der Chaldäisch-Katholischen Kirche in Bagdad, Raphael I. Bidawid, dies. Wie alle prophetischen Zeichen, die dem Zeitgeist – auch in der Kirche! – widersprechen, erregten sich die Gemüter von Christen an diesem prophetischen Zeichen; wie schon bei seinem Kampf gegen den Antisemitismus in Polen stieß der Papst hier bei bestimmten Katholiken an die Grenzen seiner Überzeugungskraft. Die frühzeitige Seligsprechung Johannes Pauls II. gibt diesem eine späte Bestätigung für sein Handeln. Tatsächlich ist eine solche Zeichenhandlung und die in interreligiöser Zusammenarbeit gelebte Caritas oft wirkungsvoller in ihrer Botschaft als gelehrte Debatten. Das dabei über Jahrzehnte gewachsene Vertrauen ist das notwendige Fundament, um sich gemeinsam gegen alle religiös vereinnahmte Gewaltbereitschaft zu stellen. Eine Frucht dieser christlich-islamischen Verständigung ist die Erklärung gegen den Terroranschlag auf das World Trade Center am 11.9.2001 des Vatikans zusammen mit der Al-Azhar-Universität in Kairo/Ägypten, eine der angesehensten Lehrinstanzen der islamischen Welt. Veröffentlicht wurde die gemeinsame Erklärung nur einen Tag nach dem schrecklichen 9/11, nämlich am 12. September 2001. Gleichwohl ist dies ein langsam gewachsenes Vertrauen, das auch wieder verloren gehen kann.

Der amtierende Papst Benedikt XVI. hat mit einem aus dem Kontext seiner Rede gerissenen Zitat in der Regensburger Universität 2006 einen weltweiten Eklat ausgelöst. Anschließend unternahm Benedikt XVI. jedoch eine überzeugende Verständigungspolitik mit muslimischen Würdenträgern und klärte die Missverständnisse auf. Einen Höhepunkt im selben Jahr stellte sein Besuch der Blauen Moschee (Istanbul) auf Socken dar. Sein meditatives Innehalten und Gebet machte einen tiefen Eindruck auf türkische Muslime: Die Zeitung „Milliyet“ schrieb mit ehrlicher Anerkennung, der Papst habe „wie ein Muslim“ gebetet. Auch auf seiner Jordanienreise im Mai 2009 spricht Benedikt XVI. von seinem „tiefen Respekt für die muslimische Gemeinde“.

Ein Zeichen solidarischer Nachbarschaft mit einer muslimischen Gemeinde kann auch im Kleinen erfolgen und gleichwohl einen großen Sturm entfachen: So geschah es, als die katholischen Kirchengemeinden St. Theodor und St. Elisabeth im Erzbistum Köln 2007 eine Kollekte zum Bau der benachbarten Moschee als Geste der Anerkennung und des Respekts sammelte. Als Gemeindemitglieder dieses Geld freiwillig und privat für diesen Zweck spendeten, brach ein Sturm der Entrüstung auf die kleine Gemeinde nieder, dass Christen Muslime unterstützten, obendrein, nachdem im Erzbistum gerade Sparmaßnahmen verabschiedet worden waren. Auch diese kleine freundschaftliche Geste wird in einem insgesamt feindlich gesonnen Umfeld zum prophetischen Zeichen wider den gesellschaftlichen Zeitgeist. Die Gemeindemitglieder sahen dies offenbar so und spendeten für diese einmalige Aktion ein Vielfaches der üblichen Sonntagskollekte.

Das Gegenteil zur Verständigungspraxis von Gemeinden und Päpsten ist die Ankündigung einer öffentlichen Verbrennung des Korans in Gainesville/Florida 2010 durch den „christlichen“ Pastor Terry Jones, die zu Verbrennungen des Korans durch einige freie und freikirchliche Christengemeinden in den USA geführt hat.

Mit ihren Zeichenhandlungen bekunden Päpste und Gemeindemitglieder dagegen ihren Respekt für eine abrahamitische, monotheistische Religion und befürworten einen unvoreingenommenen Dialog gegen alle populistischen Klischees über „die Muslime“ und „den Islam“. Damit stellen sie sich aktiv gegen jegliche ideologische Instrumentalisierung von Religionen für einen „Kampf der Kulturen‘: sei es die Instrumentalisierung durch Terrorgruppen wie al-Qaida, die ihre politisch motivierte Gewalt religiös verbrämt, sei es durch Regime in muslimischen Ländern oder andere politische Kreise und Parteien auch in europäischen Ländern, die aus dem Feindbild „Islam“ politischen Gewinn ziehen. Der selig gesprochene Johannes Paul II. hat in diesem ehrlichen Dialog als Kampf gegen den Missbrauch von Religionen einen wichtigen und eigenständigen Beitrag der Katholischen Kirche zum Weltfrieden erkannt.


[1] Dr. Andreas Fisch, geb. 1971 in München, machte nach dem Abitur zunächst eine Tischlerlehre, studierte anschließend Katholische Theologie und nach einem Auslandsaufenthalt als „Missionar auf Zeit“ bei den Pallottinern in Brasilien Volkswirtschaftslehre für das „Diplom in Christlichen Sozialwissenschaften“. 2006 promovierte er zum Thema „Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität in Deutschland“ und arbeitet seit 2007 als Referent für Wirtschaftsethik am Sozialinstitut Kommende Dortmund.

Benedikt XVI. zur Neuevangelisierung

Eines der größten Anliegen Benedikts XVI. ist die Neuevangelisierung. Nicht umsonst hat er dazu einen eigenen Päpstlichen Rat ins Leben gerufen, den er gerade Schritt für Schritt ausgestaltet. Prof. Dr. Stephan Horn SDS[1] zeigt in seinem Beitrag auf, was dem Papst beim Thema Neuevangelisierung unter den Nägeln brennt. Pater Horn ist mit dem Denken Benedikts XVI. seit jeher vertraut. Als ehemaliger Assistent von Prof. Ratzinger ist er heute Sprecher des „Schülerkreises von Papst Benedikt XVI.“ und 1. Vorstand der „Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung“[2], die aus dem Schülerkreis erwachsen ist.

Von Stephan Otto Horn SDS

Neuevangelisierung – mit diesem Wort ist ein gewaltiges Thema angesprochen, weil es das Drama der Entkirchlichung und der Abwendung vom christlichen Glauben in den Blick bringt. Wie kann eine grundlegende Annahme des Glaubens bei den vielen geschehen, die zwar getauft sind, aber doch nie in ein wirklich persönliches Verhältnis zu Christus gelangt sind? Wie können in die Mauer der Abweisung und Gleichgültigkeit Breschen geschlagen werden? Wo zeigen sich Ansatzpunkte, um Menschen zum Glauben zu führen, die in einer säkularisierten Familie und Umgebung aufgewachsen sind und nun Tag für Tag darin leben?

Päpstlicher Rat für die Neuevangelisierung

Für die Bezeugung und Verkündigung des Evangeliums hat sich in den letzten Jahrzehnten das Wort „Evangelisierung“ eingebürgert, von Erstevangelisierung im Blick auf Regionen, in denen die frohe Botschaft noch kaum verkündet wurde, und von Neuevangelisierung, wo in alten christlichen Ländern der Glaube seine Kraft verloren hat, wo eine Säkularisierung des Denkens und Lebens im Gange ist. In diesen Worten von der Erstevangelisierung und der neuen Evangelisierung schwingt die ganze Dramatik der Glaubenssituation in Europa mit. Kürzlich hat Papst Benedikt von neuem darauf hingewiesen, dass es in unserem Kontinent Bereiche gibt, in denen geradezu eine Erstevangelisierung notwendig ist.

In dem Wort von der Neuevangelisierung schwingt aber auch die Überzeugung mit, dass in der gegenwärtigen Lage des Glaubens neue Wege der Bezeugung des Glaubens notwendig sind. Wichtige Einsichten dazu hat Papst Benedikt vorgelegt. Einsichten, die für uns von großer Bedeutung sind. Wie drängend für Benedikt XVI. die neue Evangelisierung ist, zeigt sich schon darin, dass er im vergangenen Jahr einen Päpstlichen Rat dafür gegründet hat, obwohl er die Zahl der kurialen Institutionen eher verringern wollte. Diesem Thema gilt auch die nächste Bischofssynode.

Auseinandersetzung mit einer säkularen Welt

Schon vor Jahren hat Kardinal Ratzinger darauf hingewiesen, dass die Kirche den Weg der Evangelisierung zwar nie unterbrochen habe, dass aber angesichts des fortschreitenden Prozesses der Entchristlichung neue Bemühungen nötig seien. Wir können nicht einfach weitermachen wie bisher. In seinem neuen Interviewbuch mit Peter Seewald „Licht der Welt“ weist Papst Benedikt aber auch auf ein anderes Phänomen hin. Viele Christen tragen zwar den Glauben in sich, aber zugleich Überzeugungen der säkularen Welt. Sie wissen beides nicht recht zu vermitteln. Die säkulare Welt zeigt freilich sehr unterschiedliche Gesichter. In „Licht der Welt“ hat Papst Benedikt auf Habermas, einen der großen Repräsentanten der säkularen Welt verwiesen: „Jürgen Habermas hat gemeint, es ist wichtig, dass Theologen da sind, die den Schatz, der in ihrem Glauben verwahrt ist, so zu übersetzen vermögen, dass er in der säkularen Welt ein Wort für diese Welt ist“ (5. 84). Aber neuerdings stehen wir andererseits vor ganz anderen Bestrebungen, vor einem kämpferischen Atheismus, vor dem Phänomen einer aggressiven Form einer Toleranz, die sich intolerant dem christlichen Glauben entgegensetzt. Der Glaube soll völlig ins Private abgedrängt werden und keinen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben dürfen. (Es gibt viele Beispiele dafür, so das Beispiel des Kampfes gegen das Kreuz in öffentlichen Gebäuden oder des Kalenders von Brüssel, in dem zwar Festtage anderer Religionen, nicht aber christliche Feste verzeichnet sind.)

In einem Artikel zur Neuevangelisierung hat Joseph Ratzinger als Kardinal vor der Versuchung gewarnt, mit dem Bemühen um Neuevangelisierung die Erwartung zu verbinden, rasch große Massen zum Glauben führen zu können. „Neuevangelisierung kann nicht besagen wollen: Sogleich die großen von der Kirche entfremdeten Massen mit neuen raffinierten Methoden anziehen…, sondern es von neuem wagen mit der Demut des kleinen Senfkorns, dabei aber Gott überlassen, wann und wie es wachsen wird.“ Damit meint der Kardinal gewiss nicht Mutlosigkeit oder eine falsche Form von Bescheidenheit. Er misstraut freilich Massenbewegungen, da sie rasch wieder in sich zusammensinken.

Frucht eines Lebens des Gebets

Zugleich weiß er, dass wir mit unseren Kräften allein niemand für den Glauben gewinnen können. Dazu ein längeres Zitat: „Die Worte und die ganze Kunst der Kommunikation können die menschliche Person nicht in ihrer Tiefe gewinnen, zu der das Evangelium vordringen muss. Vor kurzem las ich die Biographie des Pfarrers von Bassano di Grappa, eines sehr guten Priesters unseres Jahrhunderts. In seinen Aufzeichnungen finden sich herrliche Worte, die Frucht eines Lebens des Gebetes und der Betrachtung sind. In Bezug auf unser Thema sagt dieser Pfarrer zum Beispiel: ‚Jesus predigte tagsüber, während der Nacht betete er.‘ Mit dieser kurzen Bemerkung wollte er sagen: Jesus musste die Jünger von Gott erwerben. Das gilt für immer. Nicht wir können die Menschen gewinnen. Wir müssen sie von Gott für Gott erhalten. Alle Methoden sind nutzlos ohne das Fundament des Gebetes. Das Wort der Verkündigung muss immer durchdrungen sein von einem intensiven Gebetsleben…“ Der Kardinal deutet das Gleichnis vom Senfkorn tiefer, indem er es mit dem johanneischen Wort vom Samen verbindet, der nur Frucht bringen kann, wenn er in die Erde fällt und stirbt. Fruchtbarkeit ist in der Neuevangelisierung zu erwarten, wenn wir bereit sind, den Widerspruch gegen das Evangelium auszuhalten und für es zu leiden.

Die Bereitschaft, in der neuen Evangelisierung mitzuwirken, darf uns also nicht in einen Aktivismus hineintreiben. Sie muss vielmehr ihren Ausgang nehmen von einer immer tieferen Verbindung mit dem Herrn, von einer Übereignung an ihn, damit er selbst in unserem Sein und Tun sichtbar werden kann. Hier rühren wir an ein zentrales Element der spirituellen Theologie von Joseph Ratzinger. Glaube heißt für ihn, gemäß dem Wort des Apostels Paulus in Gal 2,19f., sich Christus so anheim zu geben, dass sich geradezu ein Subjektwechsel vollzieht. Christus lebt nun in uns. Aber indem wir uns an ihn verlieren, gewinnen wir uns neu. So kann Christus in uns wirken. Er allein kann durch den Heiligen Geist die Menschen berühren und an sich ziehen.

Freude von entscheidender Bedeutung

Ganz wichtig ist im Blick auf die neue Evangelisierung Ratzingers Beschreibung des Glaubens als Freude. In seinen Erwägungen über „Glaube als Vertrauen und Freude-Evangelium“ sieht er die Entfremdung von der Kirche in einem ganz engen Zusammenhang mit Erfahrungen von Freudlosigkeit. „Das Gefühl, das Christentum stehe der Freude entgegen, der Eindruck des Quälerischen und Unfrohen, ist sicher ein weit stärkerer Grund der Entkirchlichung als all die theoretischen Probleme, die der Glaube heute aufgeben mag.“ So verwundert es nicht, dass Joseph Murphy Ratzingers Theologie als „Einladung zur Freude“ beschreiben konnte. Für Ratzinger ist „die Freude von entscheidender Bedeutung für die Verkündigung des Glaubens in der heutigen Welt…, sie ersteht, wenn man sich von der Liebe Gottes umfangen lässt. Sie vermag alle Prüfungen und alle Widerwärtigkeiten zu bestehen. Die Freude ist wie die Liebe das Herz und das Wesen des christlichen Lebens“ (Invitation à la joie, S. 25).

Vermittlung des Sühnetodes Jesu

In seinem Interviewbuch „Licht der Welt“ betont der Papst sehr stark die Notwendigkeit des Gesprächs mit der modernen säkularen Welt. Das heißt für ihn zunächst: Wir müssen die Wahrheit des Glaubens neu auszudrücken versuchen. Was meint er damit? Ich erinnere mich lebhaft an ein theologisches Gespräch des Papstes und seines Schülerkreises in Castelgandolfo – im Sommer 2009. Zwei berühmte evangelische Theologen waren geladen, um Themen des Jesusbuches des Papstes aufzunehmen. Einer von ihnen, Professor Stuhlmacher, nahm eine Thematik des zweiten Bandes auf, nämlich die Frage des Sühnetodes Jesu als des Messias. Er betonte, dass der irdische Jesus in der Tat seinen bevorstehenden Tod als Sühne verstanden habe, und er tat dies im Wissen, dass ein großer Teil seiner evangelischen Kollegen diese Sicht nicht teilen. Aber für ihn waren die Worte der Evangelien so klar, dass man auch heute unbedingt daran festhalten müsse, den Tod Jesu als einen Sühnetod zu verstehen und zu bezeugen.

Papst Benedikt konnte dem gewiss zustimmen. Aber er war, wie wir spüren konnten, nicht davon überzeugt, dass dies genüge. Es müsse danach gesucht werden, dem heutigen Menschen einen Zugang zu dieser Schau zu ermöglichen. Schon im genannten Interview-Buch ist ihm beim Gespräch mit Seewald gerade dort, wo es sich um die Neuevangelisierung dreht, das gleiche Thema in den Sinn gekommen. Er betont, Religiosität müsse auch „neue Ausdrucks- und Verstehensformen finden“. Wörtlich sagt er dann: „Der Mensch von heute begreift nicht mehr so ohne Weiteres, dass das Blut Christi am Kreuz Sühne für seine Sünden ist. Das sind Formeln, die groß und wahr sind, die aber in unserem ganzen Denkgefüge und unserem Weltbild keinen Ort mehr haben, die übersetzt und neu begriffen werden müssen. Wir müssen beispielsweise wieder verstehen, wie das Böse wirklich aufgearbeitet werden muss. Man kann es nicht einfach wegschieben oder vergessen. Es muss von innen her aufgearbeitet, verwandelt werden. … Das heißt, dass wir in einem Zeitalter sind, in dem eine neue Evangelisierung nötig ist, in dem das eine Evangelium in seiner großen, bleibenden Rationalität und zugleich in seiner die Rationalität übersteigenden Macht verkündet werden muss, um neu in unser Denken und Verstehen zu kommen.“

Umarmung von Christsein und Modernität

Unter dem Gespräch mit der Moderne versteht Papst Benedikt freilich noch mehr als ein neues Aussprechen des Glaubens. Es geht ihm vor allem auch um eine neuartige Verknüpfung des gelebten Glaubens mit jenen Elementen der säkularen Welt, die dem Glauben nicht entgegenstehen, sondern in eine neue Verbindung mit ihm gebracht werden können. Es darf nicht bei einem „unvergorenen Mit- und Nebeneinander von christlichem Grundwillen und einer neuen Weltanschauung“ bleiben, „die das ganze Leben prägt. Insofern verbleibt eine Art von Schizophrenie, eine geteilte Existenz. Wir müssen danach trachten, dass beides, soweit es sich vereinbaren lässt, sich ineinander fügt. Das Christsein darf nicht zu einer Art archaischer Schicht werden, die ich irgendwie festhalte und gewissermaßen neben der Modernität lebe. Es (das Christsein) ist selbst etwas Lebendiges, etwas Modernes, das meine gesamte Modernität durchformt und gestaltet – und sie insofern regelrecht umarmt.

Dass hier ein großes geistiges Ringen erforderlich ist, habe ich nicht zuletzt jüngst durch die Gründung eines ‚Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung‘ zum Ausdruck gebracht. Wichtig ist, dass wir versuchen, das Christentum so zu leben und zu denken, dass es die gute, die rechte Moderne in sich aufnimmt – und zugleich sich dann von dem scheidet und unterscheidet, was eine Gegenreligion wird.“

Neue Bewegungen und Schulen des Gebets

Papst Benedikt erhofft für unsere Zeit Gestalten wie den hl. Benedikt, der in einer Zeit von Zerfall und Umbruch in die Tiefe des einsamen Gesprächs und der Berührung mit Gott hinabgestiegen ist und dann hinaufsteigen konnte, um mit den Söhnen, die er um sich sammelte, nach dem Untergang des Römischen Reiches Europa neu aufzubauen. Er erwartet viel von solchen „kreativen Minderheiten“, wie es die Söhne Benedikts waren. So rief er seine Zuhörer in Subiaco am Vorabend seiner Wahl zum Papst dazu auf, Zeugen zu sein und zum Aufbau kreativer Minderheiten beizutragen. Deshalb schätzt er die Gemeinschaften und Bewegungen, die vor allem seit dem Konzil entstanden sind, außerordentlich. Sie können Lebensräume öffnen, in denen besonders junge Menschen vom Glauben und dem christlichen Leben angezogen werden und darin hineinwachsen können. Lernorte des Glaubens! Glauben besagt für ihn ein existentielles Geschehen, das Begehen eines neuen Weges. Von da aus eröffnet sich uns eine Dimension der Neuevangelisierung, die über eine theoretische Vermittlung des Glaubens weit hinausreicht.

Der Papst lehrt uns den Glauben zu verstehen als Eintreten in den Gebetsdialog Jesu mit dem Vater. Dieser besagt, mit ihm zu Gott Vater zu sagen und sich ihm voll Vertrauen anheim geben, sich von ihm beschenken zu lassen. Gott verkünden heißt demnach nicht einfach, über ihn zu sprechen. Joseph Ratzinger kann vielmehr geradezu sagen: „Gott verkünden bedeutet: einführen in die Beziehung mit Gott, beten lehren“. Glaubensverkündigung ist damit nicht einfach Zeugnis und Belehrung, sondern Einführung, Einführung ins Gebet, in die Gottesbeziehung. Denn nach der Überzeugung von Joseph Ratzinger zeigt sich die Evidenz der Existenz Gottes nur durch die Erfahrung des Lebens mit Gott. Und er fügt hinzu: „Deshalb sind die Schulen des Gebetes und die Gebetsgemeinschaften so wichtig.“

Die große Aufgabe dieser Stunde

Durch sein ganzes neues Interviewbuch zieht sich wie ein roter Faden die Überzeugung, dass wir Christen heute die Priorität Gottes neu zur Geltung bringen müssen. „Ich glaube, unsere große Aufgabe ist jetzt … in erster Linie die Priorität Gottes neu ans Licht zu bringen. Heute ist das Wichtige, dass man wieder sieht, dass es Gott gibt, dass Gott uns angeht und dass Gott uns antwortet. Und dass umgekehrt, wenn Er wegfällt, alles andere noch so gescheit sein kann – aber dass der Mensch dann seine Würde und seine eigentliche Menschlichkeit verliert und damit das Wesentliche zusammenbricht. Deswegen, so glaube ich, haben wir heute als neuen Akzent die Priorität der Gottesfrage zu setzen.“ An anderer Stelle seines Buches betont er dies ebenso: „Wir müssen vor allen Dingen versuchen, dass die Menschen Gott nicht aus den Augen verlieren. Dass sie den Schatz erkennen, den sie haben. Und dass sie dann selber, aus der Kraft des eigenen Glaubens heraus, in die Auseinandersetzung mit dem Säkularismus treten und die Scheidung der Geister zu vollziehen vermögen. Dieser gewaltige Prozess ist der eigentliche, große Auftrag dieser Stunde.“


[1] P. Stephan Otto Horn ist Mitglied der Gesellschaft des Göttlichen Heilandes (Salvatorianer) und Postulator im Seligsprechungsprozess des Gründers der Salvatorianerinnen und Salvatorianer, P. Franziskus Maria vom Kreuze Jordan. Von 1981-1986 war er Professor für Dogmatik in Augsburg und von 1986-1999 Professor für Fundamentaltheologie in Passau.
[2] www.ratzinger-papst-benedikt-stiftung.de

Krippenmuseum im Dienst der Evangelisierung

Im schwäbischen Oberstadion widmet sich ein gläubiger Bürgermeister mit großem Enthusiasmus einer Form der Evangelisierung, die eine phänomenale Wirkung entfaltet. In einem ehemaligen Pfarrstadel errichtete er ein Krippenmuseum besonderer Art. Es bietet nicht nur eine Ausstellung von Krippen, sondern führt in das ganze Leben Jesu ein. Wozu? Zur Weitergabe des Glaubens, so die freimütige Antwort des Bürgermeisters. Seit seiner Eröffnung kurz vor Weihnachten 2008 konnte das Museum bereits 65.000 Besucher verzeichnen.

Von Erich Maria Fink

Entstehungsgeschichte

Die denkmalgeschützte Pfarrscheuer von Oberstadion geht auf das Jahr 1612 zurück. Seit vielen Jahrzehnten machten sich kirchliche und politische Gemeinden Gedanken darüber, wie das Gebäude im Zentrum des Dorfs sinnvoll genutzt werden könnte. 1979 wurde ernsthaft erwogen, die Scheuer zum Rathaus umzubauen. Doch als die Gemeinde 1993 ebenfalls in der Ortsmitte das Areal einer Brauerei erwerben konnte, wurde der Plan aufgegeben und das neue Rathaus im ehemaligen Sudhaus dieser Brauerei eingerichtet. Außerdem wurde in den Komplex eine Gedenkstätte für den bekannten Geistlichen Christoph von Schmid aufgenommen, der von 1816 bis 1827 Pfarrer von Oberstadion war. 1999 schenkte Julie Deininger-Eggert der Gemeinde eine eindrucksvolle Tonkrippe, die in der Christoph-von-Schmid-Gedenkstätte aufgestellt wurde. Denn von ihm stammt der Text des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“, das ihn auf der ganzen Welt berühmt gemacht hat.

Als 2003 aufwendige denkmalschützende Maßnahmen für den Pfarrstadel anstanden, wandte sich Pfarrer Josef Kreidler an die Gemeinde. Zunächst wurde beim Land Baden-Württemberg ein gemeinsamer Antrag auf Umnutzung zu einem „Haus der Vereine“ eingereicht. Doch dieser Vorstoß blieb erfolglos. Schließlich hatte Bürgermeister Manfred Weber die Idee, das Gebäude in ein ganzes Krippenmuseum umzuwandeln. Der Gedanke kam ihm im Oktober 2005, als er mit seiner Frau Sonja in Südtirol Urlaub machte. In Bozen fiel den beiden ein Laden mit vielen Krippenfiguren auf. Besonders angesprochen fühlten sie sich von den Tonfiguren einer der bekanntesten Tonkünstlerinnen der Welt, nämlich von Angela Tripi aus Sizilien. Ihre Werke erinnerten sie an die Krippenfiguren in ihrer Heimatkirche, welche von dem Künstler Sebastian Osterrieder stammen und jedes Jahr während der Weihnachtszeit in der St.-Martinus-Kirche aufgestellt werden. Als Manfred Weber die Figuren betrachtete, kam ihm der Gedanke, ein Museum zu gründen, welches die Krippen das ganze Jahr über zeigt. Und schon stand ihm die Pfarrscheuer vor Augen, die als Aufstellungsraum geeignet wäre. Seine Inspiration wurde Wirklichkeit. Am 14. Mai 2007 begann der Umbau und am 19. Dezember 2009 konnte das Gebäude seiner neuen Bestimmung als Krippenmuseum übergeben werden.

Zeugnis eines engagierten Christen

Dieses erste kommunale Krippenmuseum in Europa ist dem persönlichen Glauben des Bürgermeisters zu verdanken. Als überzeugter Katholik legt er offen für seine Beweggründe Zeugnis ab. Im offiziellen Grußwort schreibt er: „In dieser ehemaligen Scheune wird die christliche Heilsgeschichte mit der Geburt des Erlösers würdig in Szene gesetzt. Franz von Assisi hat im Jahr 1223 in Greccio zum ersten Mal das Heilsgeschehen mit echten Tieren und Menschen dargestellt. Die Betrachter sollten nacherleben, was zwölfhundert Jahre zuvor in Bethlehem geschehen war. In unserem Krippenmuseum befinden sich hervorragend in Szene gesetzte Kunstwerke. Kunstvoll gestaltet sind Figuren, Landschaften, Gebäude. Besucher werden in das Heilsgeschehen, von der Geburt Jesu bis zur Auferstehung, hineingenommen. Das Krippenmuseum hat ja auch die Aufgabe: Weitergabe des Glaubens!“

Man kann sich leicht vorstellen, dass ein solches Unternehmen nicht nur Befürworter hat. Aber Manfred Weber ließ und lässt sich nicht beirren. Mit immer neuen Impulsen verleiht er dem Krippenmuseum Leben und Aus-strahlung. Seine Gegner sind angesichts der einzigartigen Erfolgs-geschichte des Museums inzwischen zurückhaltend geworden. Die über-raschenden Zuschüsse der sog. LEADER-Aktionsgruppe Ober-schwaben, des Landes Baden-Württemberg, der Europäischen Union, der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie einer Reihe von Firmen kamen Bürgermeister Weber bei der Verwirklichung seines Vorhabens sehr zugute. Und er ist überzeugt: „Was zunächst als unmöglich erschienen war, wurde Realität. Man konnte regelrecht erkennen, dass Gott seine Hände im Spiel hatte.“

Konzept des Krippenmuseums

Mit einer Ausstellungsfläche von 600 Quadratmetern ist das Krippen-museum in Oberstadion nun das zweitgrößte dieser Art in Deutschland. Inzwischen wurde auch das Christoph-von-Schmid-Zimmer in das Museum integriert. Das Konzept des Museums weist einerseits einen Querschnitt der Krippen-baukunst in Italien, Österreich und Deutschland auf. Andererseits will es bewusst Inhalte des christlichen Glaubens vermitteln. So sind im Erdgeschoß heimatliche und alpenländische Krippen ausgestellt, während im Dachgeschoß, wo sich auch ein Sonder-ausstellungsbereich befindet, „orientalische“ und italienische Krippen stehen. Und den katechetischen Teil erklärt eine Broschüre mit den Worten: „Eine Darstellung des ‚Freudenreichen Rosenkranzes‘ im Erdgeschoss verknüpft religiöse Aussagen dieses Gebets mit den religiösen Inhalten der Krippen-Darstellung. Weitere elf Ereignisse aus dem Leben Jesu erzählt eine sog. Jahreskrippe. Theologische Inhalte werden auch dargestellt in Krippen mit den Motiven ‚Letztes Abendmahl‘ und ‚Verrat Jesu‘. Diese Erweiterung des Krippen-Themas auf andere Elemente des Lebens Jesu macht das Krippenmuseum Oberstadion zu einem in seiner Art einmaligen Museum in der ‚Krippenmuseumslandschaft‘ Europas.“

Aktuelle Sonderausstellungen

Das Museum zeigt rund 200 Krippen, teils historische, teils zeitgenössische. Unter anderem sind nun Figuren von Angela Tripi zu sehen, aber auch Werke der Gebrüder Tobias und Herbert Haseidl aus Oberammergau. Von ihnen wurden auch die Szenen der Jahreskrippe geschaffen.

Eine Sonderausstellung, die seit dem 1. Advent 2010 bis Oktober 2011 aufgebaut ist, heißt „Krippen aus dem Orient“. Über 140 Krippenkunstwerke aus der Volksrepublik China und Hongkong, aus Bangladesch, Indien, Sri Lanka, Indonesien, Taiwan, Thailand, Nepal, Japan, Süd-Korea, den Philippinen, aber auch aus der Türkei, aus Georgien, Syrien und Israel legen ein beredtes Zeugnis über den christlichen Glauben in Asien ab. Die meisten Ausstellungsstücke sind eine Leihgabe von Sieglinde und Udo Hergesell aus Neunkirchen-Seelscheid, die sich einen großen Teil ihres Lebens leidenschaftlich mit der Krippenkunst beschäftigt haben.

Eine andere Sonderausstellung ist seit Palmsonntag 2011 zu sehen und dauert noch bis Februar 2012. Sie ist dem bedeutendsten Krippenbauer Europas, Claudio Mattei aus Bergamo, gewidmet. Die Ausstellung heißt „Claudio Mattei und seine Krippenfreunde aus Ponte San Pietro“ und zeigt in 25 verschiedenen Dioramen Ereignisse aus dem Leben Jesu, von der Geburt über die Jugendjahre und die Passion bis zur Auferstehung. So versucht der Bürgermeister bewusst auch durch die Sonderausstellungen sein Ziel zu verfolgen, nämlich einen Beitrag zur Evangelisierung zu leisten. Und auch den Besuch der vielen Gruppen überlässt er nicht dem Zufall. Mit pastoralem Gespür kümmert er sich um die Betreuung der Besucher. Er hat er einen gläubigen Führer engagiert, der den Gästen des Museums jederzeit zur Verfügung steht.

Georg Häfner – Lebensbild des neuen Seligen

Am 15. Mai 2011 wurde Pfarrer Georg Häfner im Würzburger Kiliansdom als Märtyrerpriester selig gesprochen. Er war am 12. Dezember 1941 ohne richterlichen Beschluss in den berüchtigten Priesterblock des KZs Dachau gebracht worden, wo er am 20. August 1942 an den Folgen der Misshandlungen und Unterernährung starb. Rund 1700 Menschen nahmen an der Seligsprechungsfeier teil. Unter ihnen war auch Prälat Hermann Scheipers, der mit Häfner im KZ Dachau inhaftiert war. Bevor Kardinal Amato das Dekret des Papstes verkündete, führte der diözesane Postulator, Domdekan Monsignore Günter Putz, in das Leben Georg Häfners ein und begründete, warum dieser ein Vorbild für den Glauben und ein Seliger der Kirche sei.

Von Domdekan Günter Putz

Georg Häfner wird am 19. Oktober 1900 als Sohn des städtischen Arbeiters Valentin Häfner und dessen Ehefrau Babette in Würzburg geboren. Nach dem Besuch des Alten Gymnasiums in Würzburg 1910 bis 1918 und dem bestandenen Kriegsabitur studiert er – nach einem einjährigen militärischen Hilfsdienst unter anderen in Lüttich – Theologie in Würzburg von 1919 bis 1924. In dieser Zeit tritt er dem katholischen Studentenverein Unitas bei. Wichtig für sein eigenes spirituelles Werden ist sein Eintritt in den Dritten Orden vom Berge Karmel. Häfner hatte durch die Karmelitinnen in Himmelspforten, wo er seit früher Kindheit bei der Hl. Messe ministrierte, den Geist des Karmel in seiner jugendlichen Aufbauphase aufgenommen.

Die Priesterweihe empfängt er am 13. April 1924 in der Michaelskirche zu Würzburg. Am Ostermontag feiert er im Kloster Himmelspforten Primiz. Nach Kaplanstätigkeiten in Motten (1924), Goldbach (8.2.-17.3.1925), Mürsbach (1925-1928), Altglashütten (1928-1934) wird er Pfarrer in Oberschwarzach (12. November 1934).

Sein pastorales Wirken als Pfarrer fällt zusammen mit der Nazi-Diktatur. Als eifriger, überzeugter Geistlicher nimmt er seine Verpflichtungen und Aufgaben sehr ernst. Unausweichlich kommt es zum Konflikt mit den Nationalsozialisten. Der ruhige und eher introvertierte Geistliche wird politisch ein „Gegner“, ein Verfolgter. Der Bericht der bischöflichen Visitation vom 15. Juni 1938 charakterisiert ihn als eifrigen, gewissenhaften Seelsorger: „Die harmonische Visitation im Pfarrbezirk Oberschwarzach hat wohlbefriedigt. Die Kinder zeigen gute religiöse Kenntnisse. Am Kommunionempfang beteiligten sich erfreulicherweise gegen 700 Gläubige. (…) Für den pastorellen Eifer wird dem H. H. Pfarrer der oberhirtliche Dank ausgesprochen.“ – Die Verdächtigung, Ablehnung und Verfolgung Häfners durch die Nazi-Anhänger nimmt zu, wie die erste Vernehmung seitens der Nazi-Behörden am 26. Januar 1941, das Verbot des Religionsunterrichtes am 22. August 1941 und das für die Einweisung ins KZ einleitende Denunziationsschreiben des Ortsgruppenleiters vom 17. August 1941 verdeutlichen. Die Schutzhaft wegen staatsabträglichen Verhaltens wird am 3. Oktober 1941 angeordnet. Am 31. Oktober 1941 erfolgt die Verhaftung.

Trotz eines Schreibens des Generalvikars Miltenberger um Freilassung wird Häfner am 12. Dezember 1941 ins KZ Dachau abtransportiert. Der Gefangene mit der Nr. 28876 stirbt am 20. August 1942 um 7.20 Uhr infolge von Phlegmone eines Hungertodes. Häfners eindeutige Abwehrhaltung zum Dritten Reich bringt ihn ins KZ. Die Verweigerung des Hitler-Grußes, seine klaren Warnungen in der Predigt verdichten sich in einem Ereignis, das schließlich zu seiner Inhaftierung führt: die Beerdigung des Forstwarts Michael Wünsch.

Gerade sein pastorales Vorgehen macht deutlich: Häfner hat nicht in erster Linie das Nazi-Regime bekämpft, sondern in der konsequenten Wahrnehmung seines priesterlichen Dienstes ist er Opfer seiner Gewissensüberzeugung geworden, ja im Grunde seiner seelsorglichen Pflicht. Um den Parteigenossen Wünsch mit der Kirche auszusöhnen und ihm ein kirchliches Begräbnis zu ermöglichen, legt er ihm durch seinen Kaplan eine Erklärung vor, nach der dieser seine standesamtlich geschlossene Ehe vor Gott und seinem Gewissen für ungültig halte. Damit wird die Verhaftung Häfners ausgelöst und konsequent durchgeführt.

Häfners Lebenszeugnis bekommt in der Gefangenschaft in Dachau seine eigentliche Leuchtkraft. Das Leben, Wirken, Leiden und Sterben Georg Häfners erschließt sich am eindringlichsten durch ihn selbst. Zuverlässig und authentisch vermitteln seine Briefe aus Schutzhaft und KZ einen gottergriffenen, christusverbundenen, seelsorglich motivierten Geistlichen, der Gottes Gegenwart an einem Ort äußerer Gottlosigkeit lebendig werden lässt. Aus seinen Gefangenschaftsbriefen lässt sich eine autobiografische Sinndeutung dieser Leidenszeit erschließen. Nicht die Zweitursachen deuten sein Leben aus, sondern die Erstursache: Gott. Häfner ist ein Berufener – als Christ, als Priester, als Gefangener. Sein Leben aus dem Glauben hilft ihm zur richtigen Seins-Deutung. Er klagt nicht seine Übeltäter oder die Rädelsführer an, die ihn in die missliche Lage gebracht haben.

So erweist sich Häfners pastorale Einstellung als Treue zu Christus. Aus der erfahrenen Gottesnähe nimmt er den ihm anvertrauten Dienst der Versöhnung radikal ernst. Es bleibt nichts Anderes als: keine Feinde zu haben, mit allen gut zu sein, mitzuwirken am erlösenden Weltgrundgesetz des dreifaltigen Gottes: Liebe sein, Liebe offenbaren, Liebe geben, damit die Menschen das Leben haben, und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10).

So wird in der Leidenszeit in Dachau in der Gestalt Georg Häfners ein Zeuge des Herrn lebendig, der sich ganz und gar in Gott beheimatet weiß. Er, der Gott als Grund seines Lebens erfährt, wird in eine Welt ohne Gott gesandt, um existentiell eine Welt mit Gott aufleuchten zu lassen. Ein Märtyrer der Versöhnung, ein Priester einer innigen Kreuzesliebe, ein Bote des Glaubens steht am Ende vor uns. Mit seinem Vermächtnis aus seinem Gefangenschaftsbrief vom 9. Dezember 1941: „Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachtragen, mit allen wollen wir gut sein“, stellt sich Häfner mit seinem ganzen Lebenszeugnis unter die Bitte Jesu Christi am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,33).

 

Trost und Kraft im Gebet

„Schon als Kind sah man ihn oft mit Gebetbuch und Rosenkranz. Sowohl als Ministrant in Himmelspforten als auch als Ferienkind im Geburtsort seines Vaters in Impfingen fiel seinen Spielkameraden und Verwandten auf, dass er sich oft zurückzog, um im Gebet bei Gott zu verweilen. Er tauchte innerlich ganz in Gottes Gegenwart ein und fand einen tiefen Zugang zum gegenwärtigen Herrn in der Hl. Eucharistie. Auf die Feier der Hl. Messe bereitete er sich als Priester in Stille vor und nahm sich genügend Zeit für die Danksagung. Die tägliche Anbetung vor dem Tabernakel war ihm selbstverständlich. Dieses Bei-Gott-Verweilen ließ ihn die Frohe Botschaft als lebensnahe Wirklichkeit erfahren, die aufbaut und heilt. Das war mehr als ein harmloses frommes Ausweichen in eingebildete Gefühlswelten. ,Ich setze mein ganzes Vertrauen in das Gebet‘, schrieb er vor seinem Abtransport von Würzburg nach Dachau. Und aus dem Konzentrationslager Dachau heraus schrieb er: ,Trost und Kraft und alles finden wir im Gebet und in der Hingabe an Gott.‘“

Aus der Predigt des Würzburger Bischofs Friedhelm Hofmann (Bild) anlässlich der Seligsprechungsfeier für den Märtyrerpriester Georg Häfner

„Was lehrt uns unser Seliger heute? Er lehrt uns: stark zu sein im Glauben, keine Angst zu haben vor denen, die die Kirche und ihre Diener erniedrigen mit Verleumdungen und Verfolgungen. Die Geschichte zeigt, wie die katholischen Priester zu jeder Zeit und in jedem Teil der Erde immer Zeugnis gegeben haben für die wahre Heiligkeit, indem sie die Menschheit zum Guten und Wahren erzogen haben, in der Verteidigung der fundamentalen Rechte jeder menschlichen Person, zum Leben und zur Gewissensfreiheit.“

Aus der Schlussbotschaft von Angelo Kardinal Amato S.D.B. (Bild) anlässlich der Seligsprechungsfeier für den Märtyrerpriester Georg Häfner in Würzburg

Maria ist unsere Hoffnung!

Allen, die meinen, Marienverehrung sei für die Zukunft der Kirche nicht unbedingt erforderlich, rief Reinhard Kardinal Marx am 7. Mai 2011 in Altötting zu: „Das Gegenteil ist der Fall!“ Zum Auftakt des siebenjährigen „Reigens“ der bayerischen Diözesen, die sich bis zum Jahr 2017 der Reihe nach in einem offiziellen Weiheakt der Gottesmutter anvertrauen wollen, hielt er eine kraftvolle Predigt. Den Anfang der Marienweihen machte heuer die Diözese Passau. Anhand der biblischen Texte zum Fest der Schutzfrau Bayerns stellte der Münchener Erzbischof drei wesentliche Merkmale einer gesunden marianischen Frömmigkeit heraus. Nachfolgend wesentliche Auszüge aus der Ansprache des Kardinals.

Von Reinhard Kardinal Marx, München-Freising

Die Bayern und die Gottesmutter – das ist Ausdruck einer tiefen Verbundenheit. Die Geschichte Bayerns ist eine Geschichte unseres Leitworts „Mit Maria auf dem Weg“ durch alle Höhen und Tiefen hindurch. Wir schauen auf die Frau, die uns Jesus geboren hat, die ihn uns immer wieder von neuem zeigt. Und wenn wir uns ihr weihen, gehen wir auf dem Weg, den Er uns zeigt, der Er selber ist. Was bedeutet, sich Maria zu weihen?

Die jetzige Zeit lieben und sich der ganzen Welt zuwenden

Aus dem Galater-Brief des hl. Paulus hören wir das Wort von der Geburt Christi: Geboren von einer Frau, geboren unter das Gesetz, als die Zeit erfüllt war. Maria zeigt uns, dass wir Ja sagen müssen zur jeweiligen Zeitstunde, in die wir hineingestellt sind. Denn „die Zeit ist erfüllt“; das gilt nicht nur für den Augenblick damals bei der Geburt des Herrn. Die Zeit ist grundsätzlich erfüllt mit der Geburt Christi, mit seiner Auferstehung, mit seiner Himmelfahrt, mit dem, was wir das Ostergeheimnis nennen. Und diese erfüllte Zeit ragt in die irdische Zeit hinein, orientiert sie und richtet sie auf das eigentliche Ziel aus.

Das bedeutet für uns, dass wir uns auch als Kirche und in unserer persönlichen Frömmigkeit nicht in eine Vergangenheit hineinversetzen, die wir verklären, oder in eine Zukunft, die noch gar nicht da ist, sondern die jetzige Zeit lieben – auch diese moderne Gesellschaft mit ihren vielfältigen Herausforderungen für unseren Glauben – und sie nicht verteufeln. Was nicht angenommen wird, kann nicht gerettet werden, sagen die Kirchenväter.

Marianische Frömmigkeit heißt: die Welt annehmen. Warum? Weil Maria Jesus geboren hat, den Bruder aller Menschen, schwarz und weiß, gläubig und ungläubig, Mann und Frau. Das ist die einzigartige Botschaft des christlichen Glaubens, unverwechselbar mit allen anderen Weltanschauungen und Religionen. Manche Theologen nennen es die „okzidentale“, die abendländische Frömmigkeit. Das Besondere dieser Frömmigkeit ist die Zugewandtheit zur Welt: von oben her, vom Himmel her auf die Erde und die Menschen schauen. Wir verehren einen Gott, der der Gott der Menschen geworden ist, der sich in jeden einzelnen Menschen verliebt hat. In einer Zeit der Globalisierung muss die Kirche diese universale, globale Botschaft verkünden, die alle Menschen einschließt. Christen ziehen sich nicht zurück, sondern sie wissen, dass sie einen Gott gefunden haben, der in Jesus ein Gesicht angenommen hat. Und dieses Gesicht soll der ganzen Welt als die heilende und befreiende Botschaft gezeigt werden – nicht missmutig und lamentierend, nicht ängstlich und verhuscht, sondern kraftvoll und mit Freude, mit großer Gelassenheit und mit langem Atem. Das ist marianische Frömmigkeit.

Kraftvoller Einsatz als „Ecclesia militans – streitende Kirche“

Was uns die Geheime Offenbarung zeigt, ist eine ganz andere, vielleicht für manche immer wieder neu verstörende Weihnachtsgeschichte. In dieser Vision des Apostels Johannes wird uns die Kirche bzw. Maria als die Frau gezeigt, die das Kind gebären soll. Maria steht hier für die ganze Kirche. Der Drache aber will nicht, dass das Kind zur Welt kommt. Er bedroht die Frau und will das Kind auffressen. Also kein beruhigendes, sondern ein aufregendes und streitbares Bild! Am Ende heißt es: Der Drache wird diese Frau weiter verfolgen. Wir könnten es etwas provokativ so formulieren: Marianische Frömmigkeit bedeutet auch: Ja sagen zum Streit. Die Kirche soll nicht aus Streithansln bestehen und überall zum Streit aufrufen, aber sie soll im Zeugnis deutlich machen, dass dieses Kind, das geboren wird, kein harmloser Mensch ist. Diese Botschaft ist anspruchsvoll, sie bringt Klarheit, wie Jesus im Evangelium sagt. Natürlich ist sie auch immer wieder missverstanden worden, auch in unserer bayerischen Geschichte, als eine Botschaft, mit der man in den Krieg zieht. Das ist vom Evangelium her sicher nicht geboten. Aber eine recht verstandene marianische Frömmigkeit zeigt, dass der Glaube bei vielen Menschen zum Widerstand herausfordert und dass diese streitbare Botschaft um der Menschen willen gesagt werden muss.

Vom Evangelium her muss durch die Bischöfe und durch die Priester, aber auch durch jeden Gläubigen immer wieder bezeugt werden, dass Gott kein einziges Menschenleben gleichgültig ist, vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an bis zum letzten Atemzug, und dass ihm besonders die Armen, die Schwachen, die Kranken, die Unterdrückten und die Ausgebeuteten aller Welt am Herzen liegen. Wenn wir als Kirche für den Schutz des Lebens auftreten, dann geht es, wie es Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Caritas in veritate gesagt hat, um eine neue humanistische Synthese: Wir sprechen vom ganzen Menschen, von der Freiheit des Menschen in allen Dimensionen, auch von seiner Entfaltung und seinen Bildungsmöglichkeiten her, vom Kampf für die Freiheit und die Menschenrechte her. Das ist nicht voneinander zu trennen, mal links mal rechts, mal konservativ mal progressiv – das gehört zusammen. Genau das ist das Spezielle der christlichen Botschaft.

Und die Gottesmutter zeigt immer wieder auf die Bedürfnisse der Menschen, auf die Unterdrückten, wie sie im Magnifikat gesungen hat. Sie predigt die Befreiung der Armen, der Kranken und der Schwachen. Deswegen darf es uns nicht wundern, wenn immer wieder Auseinandersetzungen entstehen. Aber – und da soll uns Maria helfen – es sollen Auseinandersetzungen sein um des Evangeliums willen, um der Menschen willen, um der Wahrheit willen, wie es der Heilige Vater in seinen Predigten und in seinen Enzykliken so kraftvoll verkündet. Im recht verstandenen Sinn also: Ja zum Streit! Ecclesia militans – streitende Kirche! Das heißt nicht, dass wir in der Kirche ständig übereinander herfallen und uns gegenseitig beschimpfen, sondern streitende Kirche bedeutet: Streit, Engagement, kraftvoller Einsatz für das Evangelium und für die Menschen um dieses Jesus willen, der der Bruder aller Menschen geworden ist.

Dynamische Verwandlung aller Verhältnisse

Das Evangelium von der Hochzeit von Kana ist ein österliches Evangelium, obwohl es am Anfang des Johannes-Evangeliums steht. Es heißt eigentlich: Ja zur Verwandlung, zur dynamischen Veränderung. Maria steht hier in einem geistlichen Geschehen. Und natürlich ist hier über das Wunder hinaus auch die Eucharistie gemeint. Die Mitte unseres Glaubens, die Mitte des christlichen Lebens ist nicht der Status quo, sondern die Verwandlung, die Veränderung, die Umwandlung aller Verhältnisse, angefangen von unserem Herzen.

Der Heilige Vater hat in einer großartigen Meditation auf dem Weltjugendtag in Köln bei der Eucharistischen Anbetung den Jugendlichen erklärt, was Jesus getan hat, indem er durch eine andere Haltung hin zum Kreuz und zum Opfer die Welt von innen her verwandelt und so die Eucharistie ermöglicht hat. In der Eucharistie, in der Feier der Hl. Messe wird deutlich, dass die Welt verwandelt ist und wird. Und das ist immer ein neuer Auftrag: Es ist einmalig und endgültig geschehen, aber wir und die ganze Schöpfung müssen in der Kraft des Geistes in diese dynamische Verwandlung aller Verhältnisse des ganzen Kosmos, der ganzen Schöpfung hineingetrieben werden. Verwandlung betrifft auch die Kirche immer wieder von neuem. „Was Er euch sagt, das tut“ – damit aus dem Wasser unserer Hoffnungslosigkeiten und Gleichgültigkeiten das Fest der Eucharistie entstehen kann, das Fest der österlichen Verwandlung, worauf die ganze Schöpfung zuläuft. Dafür sind wir Zeugen und deswegen ist die sonntägliche Feier der Eucharistie so entscheidend, nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt, dass das nicht vergessen wird.

Wenn wir uns als Kirche in Bayern mit Maria auf den Weg machen, dann ist das ein Weg der Hoffnung, ein Weg der Zuversicht. Die Patrona Bavariae, die Mariensäule in München, ist ein Zeichen für die gesamt-bayerische marianische Orientierung, aber sie soll eben auch in all den vielen Gnadenorten unserer Bistümer deutlich werden. Gerade hier in Altötting ist die Verbundenheit zur Mariensäule besonders gegeben, aber das gilt auch für alle anderen Orte, die kleinen und großen wunderbaren schönen Marienwallfahrtsorte, die wir in unserer bayerischen, schwäbischen und fränkischen Landschaft haben. Wir gehören in diesem Land Bayern zusammen und stehen unter dem Schutz unserer Patrona, der Schutzfrau Bayerns. Mit ihr den Weg zu gehen, gibt uns Hoffnung. Heute beginnen wir diesen Weg, indem sich das Bistum Passau mit dem Bischof an der Spitze neu der Gottesmutter weiht und damit ein Zeichen der Hoffnung setzt, ein Zeichen dafür, dass wir überzeugt sind: Wir sind mit Maria auf dem Weg der Hoffnung!

„So bin ich Gott begegnet“

Eine Autobiographie, die es in sich hat:[1] Ein Mann erzählt die Geschichte seiner „ungewöhnlichen Bekehrung“ auf dem Hintergrund der Geschichte des letzten Jahrhunderts. Hellmut Laun wurde 1902 geboren und starb 1981. Im Vorwort gibt er den Grund für die Veröffentlichung seiner Geschichte an: „Der einzige Wunsch ist es, Menschen, die heute nach Gott suchen, zu helfen, die richtige Tür zu ihm zu entdecken; sie zu ermuntern, unermüdlich an ihr anzuklopfen.“ Hellmut Laun ist Vater des Salzburger Weihbischofs Dr. Andreas Laun, der zentrale Stellen dieses Hörbuchs selbst gelesen hat und das Werk mit einem Vor- und Nachwort umrahmt.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Dass ein Buch in irgendeine andere Sprache übersetzt wird, ist schon viel, aber in elf Sprachen? Und jetzt, nach rund 30 Jahren seit der deutschen Erstauflage, ist bereits die 8. Auflage in Vorbereitung und zugleich ist das Buch auch als Hörbuch erschienen! Das alles kommt selten vor, vor allem, wenn zwei von diesen Übersetzungen „von selbst“ entstanden sind, ohne Vermittlung, ohne Empfehlung und andere Strategien des Autors oder seiner Mitarbeiter. Dazu kommt: Viele Leser, nicht nur einer, haben mir, dem Sohn des Verfassers, zurückgemeldet: „Sie haben mir den Schlaf geraubt, denn ich habe das Buch, das Sie mir gegeben haben, am Abend angefangen zu lesen und konnte nicht mehr aufhören, erst gegen Morgen war ich damit fertig!“ Eine Reaktion, die bestätigt und die lächeln lässt. Aber die eigentlich wichtigen Reaktionen sind natürlich all die, die sagen: „Das Buch hat meinen Glauben gestärkt.“ Eine alte Ungarin (die ungarische Übersetzung war überhaupt die allererste) schrieb mir: „Jetzt habe ich wieder mehr Mut und fürchte mich nicht mehr vor dem Sterben!“ Wenn die Botschaft nur diese eine alte Frau erreicht hätte, die Mühe, das Buch zu schreiben und zu drucken, hätte sich gelohnt!

Die Rede ist von „So bin ich Gott begegnet“ von Hellmut Laun! Der erste Anstoß zu dem Buch kam von keinem Geringeren als Franz Kardinal König von Wien! Irgendwann, zu einer Zeit, in der er noch nicht Kardinal war, sondern Theologieprofessor, hat ihm mein Vater seine Geschichte erzählt, und er, offenbar tief beeindruckt, antwortete: „Herr Laun, diese ihre Geschichte sollten Sie niederschreiben!“ Mein Vater tat es lange Zeit nicht, einerseits, weil es ihm indiskret und peinlich schien, mit den wunderbaren Erlebnissen der Öffentlichkeit sein Inneres preiszugeben, andererseits, weil er beruflich gefordert war, und zugleich, weil es damals die Zeitumstände, den Nationalsozialismus und den Krieg, zu bestehen galt. Erst kurz vor seinem Tod, in den späten 70er-Jahren, gelang es mir, ihn zu überzeugen: „Es ist Deine Pflicht, Zeugnis abzulegen!“ Zum ungestörten Schreiben lud ich ihn in die Wiener Pfarre Krim ein, in der ich damals als Kaplan tätig war, und so konnte er sich erinnern und sein Erinnern niederschreiben, wobei er für die zentralen Abschnitte auf einige wenige Blätter zurückgreifen konnte, die er unmittelbar nach den Erlebnissen zunächst nur für sich selbst aufgeschrieben hatte.

Wie gesagt, jetzt ist das Buch auch als Hörbuch zu haben! Der Anstoß dazu war die sehbehinderte Frau meines Neffen! Ich erzählte ihr von dem Buch, und dabei wurde mir bewusst: Sie wird es nie lesen können! Dann fielen mir noch Begegnungen mit Blinden ein und auch einer Frau im Wachkoma, die, man weiß es nicht genau, vielleicht jedes Wort hören und verstehen könnte?! Ein Freund von mir las, ich selbst übernahm nur die mir besonders kostbaren Abschnitte, in denen mein Vater von seinen wahrhaft außergewöhnlichen Erlebnissen erzählt. Ein Hörbuch, gemacht nur für Sehschwache oder sonst Behinderte? Keineswegs, ich selbst habe mir mit Freude und Gewinn schon manches Buch beim Autofahren „vorlesen“ lassen und damit zugleich die Fahrt „verkürzt“, aber natürlich kann man auch beim Bügeln und anderen eintönigen Tätigkeiten „nebenbei“ zuhören!

Auch erfolgreiche Bücher müssen „gewartet“ werden, vor allem wenn sie „in die Jahre“ kommen und es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann der Verlag die Restexemplare los werden will! Das war beim Buch meines Vater zwar noch nicht der Fall, aber das Erscheinen des Hörbuches, die nächste und 8. Auflage in Deutsch und die vielleicht in Kürze erscheinende Ausgabe in Norwegisch motivieren mich zu sagen: Es ist nicht nur ein spannendes Buch, nicht nur historisch lehrreich für die heutige Generation, die ja ausnahmslos die „Gnade der späten Geburt“ genießt, es ist vor allem – und dazu wurde es geschrieben – ein Buch des Glaubens, ein Zeugnis für Christus und Seine geliebte Kirche! In Zeiten der Kirchenkrise, worin immer diese bestehen mag, ein zeit-gemäßes, ein not-wendiges, ein weg-weisendes Buch zum Lesen od. zum Hören, wie auch immer!


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[1] Hellmut Laun: So bin ich Gott begegnet, Buch, 8. Auflage, 152 S., Euro 13,40, ISBN 978-3-7721-0269-1; Hörbuch (Gesamtspieldauer 6,5 Std.) auf 6 CDs für Euro 19,90 oder in der Download-Variante für Euro 13,30 erhältlich unter www.kathshop.at

„Die Dynamik der Liebe“

„Die Wahrheit kann untergehen, aber sie ertrinkt nicht!“ So kommentiert Weihbischof Dr. Andreas Laun eine Entdeckung, die er für sensationell hält. Die Brisanz der Thematik hat ihn sogar veranlasst, zusammen mit Experten ein ganzes Buch darüber zu schreiben. Am 1. Mai 2011 ist die Publikation unter dem Titel „Dynamik der Liebe“ erschienen.[1] Sie zeigt, dass sich die katholische Lehre über Empfängnisverhütung und Familienplanung zwar zeitweise verdrängen lässt, doch letztlich erweist sie sich immer wieder als Wahrheit.

Von Weihbischof A. Laun

Gibt es jemand, der heiratet und dabei nicht hofft und an diese seine Hoffnung auch glaubt, sie für „sicher“ hält: dass beide, er und seine Partnerin, in ihrer und gerade durch ihre Ehe glücklich sein werden – und das „bis der Tod euch scheidet“? Die heutigen Statistiken scheinen solche Hoffnung als Träume, als Illusionen zu verhöhnen: So viele, viele Ehen zerbrechen, auch wenn sie noch „so schön“ angefangen haben!

Sollen wir angesichts dieser Meldungen nur die Achsel zucken und das vielfache Unglück laufen lassen nach dem Motto der Resignation: „So ist eben das Leben, und da kann man nichts machen“?

Gute Menschen handeln angesichts einer Not oder eines Unglücks. Sie beginnen nachzudenken: Was sind die Ursachen, was können wir tun, was gibt uns in Zukunft mehr Sicherheit! Wir sind herausgefordert herauszufinden: Was sind die Gründe, dass so viele Ehen in Scheidung enden, was müssen wir vermeiden, was können wir tun, damit mehr Ehen gelingen und sich viele Paare noch im hohen Alter sagen können: „Ich liebe Dich!“?

Wenn man so fragt, kommen viele Antworten, man redet dann von Treue, von Gesprächskultur, von Geduld, von Behutsamkeit und davon, dass Liebe etwas anderes ist als nur Sex und auch etwas anderes als Herrschaft des Einen über den Anderen. Auch über Kinder und Kinderwunsch wird man wohl reden müssen – und noch manch Anderes.

Aber jetzt die große Überraschung: Wer seine Ehe gesund halten will, sollte sich schleunigst von Verhütung verabschieden! Wenn man das sagt, lachen die Leute und spotten oder werden wütend: „Was reden Sie für einen Unsinn? Im Gegenteil, die Erfindung der Pille und die Kondome erleichtern das Liebesleben und dadurch fördern sie die Liebe.“

Nun, die erste Nachricht über einen Zusammenhang zwischen Verhütung und Scheidung kam aus den USA und schien mir zunächst zu fantastisch, als dass ich sie leicht geglaubt hätte. Aber die Frage ließ mich nicht los, je mehr mir klar wurde, wie sensationell diese Entdeckung wäre – natürlich immer nur, wenn sie der Wahrheit entspricht! Unüberprüft übernehmen sollte man keine Mitteilung, vor allem nicht eine von dieser Brisanz und solchem Gewicht! Darum entschlossen wir uns in dem katholischen Referat für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis NER (Natürliche Empfängnisregelung) des Familienzentrums der Diözese Feldkirch und dem INER (Institut für Natürliche Empfängnis Regelung) die genannte Untersuchung durch Wiederholung im deutschsprachig-europäischen Raum zu prüfen: Das Arzt-Ehepaar Rhomberg erklärte sich dankenswerterweise dazu bereit und nach einigen Monaten lag das Ergebnis auf dem Tisch. Es bestätigt, dass es wirklich so ist: Ehepaare mit Verhütungspraxis haben mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass ihre Ehe in Brüche geht, als Ehepaare, die die Natürliche Empfängnisregelung leben! Paare, die die Natürliche Empfängnisregelung leben, haben nur eine Scheidungsrate von drei Prozent.

Das Ergebnis ist wirklich eine Sensation und kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden! Es ist, wie wenn man ein Mittel gefunden hätte, um rund die Hälfte aller Krebskranken zu heilen, oder eine Möglichkeit, den Benzin- und Ölverbrauch schlagartig um 50 Prozent zu senken! Statistisch gesehen ist die Verhütungs-Praxis einer der Gründe für die dramatisch angewachsene Häufigkeit von Scheidung!

Dieser Satz ist nicht eine Frage der Religion und des Glaubens, sondern beruht auf einer Beobachtung! Und man muss ihn auf sich wirken, auf der Zunge zergehen lassen. Er ist, zugegeben, beim ersten Hören unglaubwürdig, beim ersten Nachdenken hingegen aufregend in höchstem Maß und dann fordert er Nachdenken und kritische Prüfung: „Wenn das wahr wäre, was müsste man daraus für Konsequenzen ziehen?“ Die logische Folge wäre selbstverständlich: „Ausstieg aus der Verhütungs-Industrie und Praxis“! Denn wer nicht verhütet, sondern den Weg der Natürlichen Empfängnisregelung geht, hat offenbar viel mehr Aussicht auf dauerhaftes Glück in seiner Ehe. Außerdem erspart er nicht nur sich und dem Partner, sondern auch seinen Kindern unendlich viel Leid!

Darum haben wir das vorliegende Buch „Die Dynamik der Liebe“ geschrieben: Um den Menschen die gute Botschaft zu bringen, um sie zu einer Lebensweise zu motivieren, das der Liebe in ihrer Ehe eine deutlich höhere Überlebenschance bietet als das, was heute gang und gäbe ist: Motivieren, weil sich doch jeder Mensch nach dauerhafter Liebe sehnt, und motivieren durch Verstehen, warum Verhütung nicht nur Kinder verhütet, sondern zugleich die Liebe schädigt, und motivieren durch Hören auf die positiven Erfahrung vieler, vieler Anderer! Nehmen Sie und überzeugen Sie sich! Weglegen können Sie es immer noch, aber sollte Ihre Ehe nicht einen Versuch wert sein? Und ist das nicht wirklich sensationell: Eine sexuelle Lebensweise, die die Zahl der Scheidungen reduziert!

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[1] Maria Eisl/Andreas Laun (Hrsg.): Die Dynamik der Liebe – Neue Gesichtspunkte zur Natürlichen Empfängnisregelung nach Rötzer, Paperback, 100 S., 24x19 cm, mit farbigen Fotos und grafischen Darstellungen, Euro 10,80, ISBN: 978-3-902336-99-6

Sylvesterorden für Mechthild Löhr

Die CDL-Vorsitzende Mechtild Löhr erhielt im April dieses Jahres für ihr Engagement in Kirche und Gesellschaft den päpstlichen Sylvester-Orden. Frau Ingrid Malzahn stellt den Lebensweg und den vielseitigen Einsatz von Mechthild Löhr kurz vor. Auch vonseiten unserer Zeitschrift KIRCHE heute möchten wir unterstreichen, dass Frau Löhr eine solche Anerkennung verdient hat.

Von Ingrid Malzahn

Mechthild Löhr ist als erfolgreiche Personal- und Unternehmensberaterin bekannt. Daneben engagiert sie sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in Kirche und Gesellschaft. Derzeit ist sie vor allem auch Bundesvorsitzende der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL). Bis vor kurzem wohnte sie in Königstein. Nun ist sie mit ihrem Ehemann, Prof. Dr. Andreas Löhr, nach Glashütten gezogen – denn die beiden brauchten mehr Raum für Büros. Dort, in ihrem Büro, erreichte sie auch der Anruf des Bischofs von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, welcher gerade auf einer Pilgerreise im Heiligen Land weilte. Er durfte einer völlig überraschten Frau Löhr mitteilen, dass er soeben vom Heiligen Vater gebeten worden sei, ihr in seinem Namen den päpstlichen Sylvesterorden zu überreichen.

Wer diese sympathische, warmherzige Frau kennt, weiß, dass sie die Auszeichnung für ihr langjähriges engagiertes Wirken in katholischen Verbänden und im Lebensschutz wirklich verdient hat. Am 18. April 2011 verlieh ihr der Limburger Bischof stellvertretend für Papst Benedikt XVI. in feierlichem Rahmen im kleinen Spiegelsaal der Bischofsresidenz den Sylvesterorden. Es handelt sich um eine der höchsten päpstlichen Auszeichnungen für Laien, welche sich um die katholische Kirche verdient gemacht haben. Der Orden, benannt nach Papst Sylvester (314-325), wurde 1841 von Papst Gregor XVI. gestiftet und 1905 von Papst Pius X. erneuert. Seither wird er auch an Frauen vergeben, die als „Sylvester-Dame“ ganz besondere Privilegien genießen. Zum Beispiel dürfen sie bei offiziellen Anlässen eine spezielle Uniform tragen. In einer sehr persönlichen Ansprache hob Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst Frau Löhrs unermüdlichen Einsatz für das Lebensrecht aller Menschen hervor, vom Embryo bis zum Greis, sowie ihr Bemühen, all jenen eine Stimme zu geben, die sich selbst nicht zur Wehr setzen können, in den Medien oder auch im Bundestag.                                                                                  

Mechthild Löhr wurde 1960 in Tönisvorst (NRW) geboren. Nach dem Abitur am Gymnasium der Schwestern Unserer Lieben Frau am Niederrhein studierte sie an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Bonn Politische Wissenschaft, Philosophie und Staatsrecht. Bereits als Schülersprecherin und Studentin war sie Mitorganisatorin zahlreicher theologischer und philosophischer Seminare für die Jugend. Neben ihrem Beruf als Personal- und Unternehmensberaterin stand sie von 1993 bis 1996 als erste Frau dem Bund Katholischer Unternehmer vor, zu dessen Bundesvorstand sie bis 2001 zählte. Und ganz im Sinn der Katholischen Soziallehre unterstützt sie seit 1996 die Guardini-Stiftung, Berlin, in diversen Schlüsselpositionen und ist stellvertretende Vorsitzende im Ethikrat der Pax-Bank e.G. Außerdem leitete Mechthild Löhr von 2000 bis 2006 für den Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) den Arbeitskreis „Allgemeinbildendes Schulwesen“ und war lange Jahre Mitglied im Ausschuss „Bildung/Berufliche Bildung“.

Als im Jahr 2000 der katholische Fernsehsender EWTN (Eternal Word Television Network) auch hier in Deutschland an den Start ging – er erreicht heute mehr als 13 Millionen TV-Haushalte –, war sie maßgeblich am Aufbau und Erfolg des Senders beteiligt und ist bis heute aktives Mitglied des Programm-Komitees.

Nachdem sie 1996 den „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), eine Initiative in der CDU/CSU mit heute 5000 Mitgliedern, beigetreten war – also einer politisch ausgerichteten Vereinigung von Lebensschützern –, übernahm sie zuerst den Landesvorsitz in Hessen, wurde dann von 2002 bis 2004 Pressesprecherin auf Bundesebene, bis sie 2002 zur Bundesvorsitzenden gewählt wurde.

Sie ist eine gefragte Expertin für Stellungnahmen zum Thema Lebensschutz in Zeitungen und anderen Publikationen, bei Fernsehauftritten und im Hörfunk. Sie organisierte die vielbeachteten Berliner Symposien zu aktuellen Themen wie: „Status des Embryos“, „Sterben in Würde“ oder „Kinder – Wunsch und Wirklichkeit“. Durch engen Kontakt mit Journalisten, Wissenschaftlern, Politikern und Geistlichen gelang es ihr, das gesellschaftliche und öffentliche Bewusstsein für bioethische Fragen zu schärfen und in den Fokus der politischen Auseinandersetzung zu tragen.

Mechthild Löhr nahm die hohe päpstliche Auszeichnung mit großer Freude und Dankbarkeit entgegen. Sie sieht den päpstlichen „Ritterschlag“ zur „Sylvester-Dame“ als Motivation und Verpflichtung, sich auch weiterhin mit ganzer Kraft insbesondere auf dem Gebiet des Lebensschutzes und des Lebensrechts aller Menschen einzubringen.

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