Armenisch-katholischer Patriarch dankt dem Papst

Helft uns Christen im Osten auf dem Weg zur Einheit!

Noch nie hätten sich die armenischen Christen so eins gefühlt wie beim Gottesdienst mit Papst Franziskus am Barmherzigkeitssonntag dieses Jahres. Diesen Eindruck schildert Seine Seligkeit Nerses Bedros XIX., Patriarch von Kilikien und Oberhaupt der katholischen Armenier. Denn beim Gedenken an den armenischen Genozid vor hundert Jahren waren im Petersdom nicht nur die armenischen Katholiken vertreten, angeführt von ihrem Patriarchen, der seit dem 18. Jahrhundert seinen Sitz im Libanon hat. Anwesend waren auch die beiden Oberhäupter der Armenischen Apostolischen Kirche, die nicht in voller Einheit mit Rom steht, nämlich „Seine Heiligkeit Karekin II., oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, und Seine Heiligkeit Aram I., Katholikos des Großen Hauses von Kilikien“, wie sie der Papst in seinem Grußwort betitelte. Zudem nahm auch der Präsident der Republik Armenien, Serž Sargsyan, an der Feier teil. Alle waren sie geschart um den Nachfolger des hl. Petrus. Wenn auch nur der katholische Patriarch Nerses Bedros XIX. mit dem Papst konzelebrieren konnte, so sei doch deutlich geworden, dass dem Schritt zu einer sichtbaren Einheit letztlich nichts mehr im Weg stehe.

Interview mit Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmouni von Syrien

Kirche heute: Eure Seligkeit, nach den historischen Begegnungen in Rom sind Sie hierher nach Moskau gekommen. Was hat Sie dazu bewogen?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Für mich war es sehr wichtig, Moskau zu besuchen, um anlässlich der Hundertjahrfeier des Genozids der armenischen Opfer zu gedenken und unseren Gläubigen zu helfen, ein Zeugnis für den christlichen Glauben zu geben, den sie vom hl. Gregor, dem Erleuchter, geerbt haben.

Während meines Aufenthalts in Russland hatte ich die providentielle Gelegenheit, Seine Seligkeit Kirill I., den Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, zu besuchen, ebenso den Apostolischen Nuntius in Moskau, Exzellenz Ivan Iurcovic, den lateinischen Metropoliten von Moskau, Exzellenz Paolo Pezzi, sowie den Armenischen Apostolischen Bischof, Exzellenz Ezras Nersissian, und andere.

Kirche heute: Könnten Sie kurz Ihre Situation als Oberhaupt der Armenisch-katholischen Kirche vorstellen?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Die Armenisch-katholische Kirche gehört zur Familie der katholischen Ostkirchen. Nach einer heiligen Überlieferung kamen im ersten Jahrhundert die hl. Apostel Thaddäus und Bartholomäus nach Armenien und predigten dort das Evangelium. Der Missionar, der die Bekehrung Armeniens einleitete, war der hl. Gregor, genannt der „Erleuchter“ Armeniens. Er trat in den Dienst des Königs Tiridates II. von Armenien und es gelang ihm, den König im Jahr 301 zu bekehren. Tiridates wiederum half Gregor, das ganze Land zum Christentum zu führen. 301 war Armenien das erste Land, welches das Christentum als offizielle Staatreligion ausrief.

Im Jahr 1740 wurde Abraham Bedros Ardzivian zum Patriarchen von Kilikien gewählt. Zwei Jahre später, also 1742, erkannte Papst Benedikt XIV. die Wahl an und errichtete formell die Armenisch-katholische Kirche. 1749 baute die Armenisch-katholische Kirche das Kloster Bzommar im Libanon als Sitz des Patriarchen. Während des armenischen Genozids in den Jahren 1915 bis 1918 wurden die armenischen Katholiken in die benachbarten Länder zerstreut, vor allem in den Libanon und nach Syrien.

Heute haben wir hauptsächlich in Armenien, Russland, Frankreich, Nord- und Südamerika und im Nahen Osten Gemeinden. Die Armenisch-katholische Kirche hat eine Bischofssynode mit 16 Mitgliedern, drei Ordensgemeinschaften und viele Schulen, insbesondere in den Ländern des Nahen Ostens.

Kirche heute: Sie haben am 12. April 2015 im Petersdom mit Papst Franziskus einen Gottesdienst zum Gedenken an den armenischen Völkermord vor 100 Jahren gefeiert. Wie haben Sie diese Feier erlebt und welche Bedeutung messen Sie ihr bei?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Die Göttliche Liturgie, die von Papst Franziskus am 12. April 2015 in Erinnerung an die eineinhalb Millionen Opfer des armenischen Genozids im Petersdom gefeiert wurde, war ein historisches und unvergessliches Ereignis. Zum einen gab es den Armeniern die Möglichkeit, ihre Einheit um den Bischof von Rom zum Ausdruck zu bringen, zum anderen, um Gerechtigkeit und die Anerkennung des armenischen Genozids international einzufordern. Am bedeutendsten war, dass Papst Franziskus in seiner Predigt sagte: „Die Armenier wurden im ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts getötet.“ Das Wort „Völkermord“ hatte eine außerordentliche Wirkung auf die internationale Gemeinschaft und es veranlasste die Türkei, ihren Botschafter aus der Vatikanstadt abzuberufen.

Der Papst aber besteht auf der Tatsache, dass diejenigen, die angesichts einer Ungerechtigkeit Schweigen bewahren, Komplizen dieser Ungerechtigkeit werden. Infolgedessen haben einige Länder wie Bolivien, Österreich, Deutschland und die Europäische Union den armenischen Genozid anerkannt. Sie sollten zu den 21 Ländern hinzugefügt werden, die ihn schon zuvor erkannt hatten.

Kirche heute: Was denken Sie über die Ernennung des Mönchs Gregor von Narek als Kirchenlehrer durch die katholische Kirche? Welche historische Bedeutung hat dieser Schritt?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Der hl. Gregor von Narek war ein großer Theologe, Mystiker und Dichter, der seine geistliche und kirchliche Erfahrung sowohl durch sein Leben als auch seine dogmatische Lehre verkündete, indem er seine Theologie auf dem Weg der Schönheit, der Tiefe der theologischen Ideen, der Neuartigkeit seines Denkens und der Kraft seiner poetischen Worte vermittelte, der immer geschätzt wurde, sowohl auf der volkstümlichen Ebene als auch auf der Ebene der Vertreter der Kultur. Die Werke des hl. Gregors haben jeden Aspekt des religiösen Lebens und der Kultur Armeniens durchdrungen. Und jetzt hat Papst Franziskus dem hl. Gregor von Narek eine universale Rolle in der Kirche zugewiesen, indem er ihn zum 36. Kirchenlehrer der Weltkirche ernannte.

Kirche heute: Welche Rolle spielt die Armenisch-katholische Kirche und vor allem Ihr Patriarchat für die ökumenischen Beziehungen zwischen der Armenischen Kirche und Rom?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Die Armenisch-katholische Kirche ist Teil der weltweiten römisch-katholischen Kirche unter der geistlichen Führung des Papstes von Rom zusammen mit anderen katholischen Ostkirchen. Ihre Besonderheit beruht in den außerordentlichen, starken und historischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, vor allem seit 1742.

Kirche heute: Was erwarten Sie von der katholischen Kirche im Westen?

Patriarch Nerses Bedros XIX.: Während ihrer langen Geschichte hat die katholische Kirche eine wichtige und unverzichtbare Rolle für die Vereinigung der Christen des Ostens gespielt. Diese Bedeutung ist nicht einfach eine Sache der Vergangenheit. Heute, mehr als zu jeder anderen Zeit, müssen die Armenisch-katholische Kirche und alle Christen, die im Westen leben – also nicht nur die Christen im Osten –, in Einheit zusammenarbeiten, um in all den Krisenregionen den Frieden wiederherzustellen, besonders in Syrien und im Irak. Gott segne euch alle!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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Papst Franziskus fordert gemeinsamen Ostertermin aller Christen

Als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Einheit betrachtet Papst Franziskus die Einführung eines einheitlichen Termins für das Osterfest in der Ost- und Westkirche. Wiederholt hat er unterstrichen, dass die katholische Kirche bereit wäre, dafür ihre bisherige Praxis aufzugeben. Er habe in diesem Anliegen sowohl an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios I. als auch an den Moskauer Patriarchen Kyrill I. geschrieben. Am 12. Juni 2015 ging er bei einem Priestertreffen in der Lateranbasilika erneut auf dieses Thema ein. Nachfolgend einige Anmerkungen, die er dazu im Rahmen eines fast zweistündigen Gesprächs machte.

Von Papst Franziskus

In Finnland, wo sich die orthodoxen Christen in der Minderheit befinden, ist die orthodoxe Kirche bereit, Ostern zusammen mit den Lutheranern zu feiern. Es darf kein Ärgernis entstehen! Wenn etwa jemand sagt: „Mein Christus ist heute auferstanden und dein Christus wird kommende Woche auferstehen“, so ist dies ein Skandal.

Seit der Zeit des sel. Paul VI. versucht die Kirche, ein gemeinsames Datum für Ostern zu finden. Ich denke, dies ist etwas ganz Entscheidendes. Wir müssen uns sehr dafür einsetzen, dass ein endgültiger Termin festgesetzt wird. Nur um ein Beispiel zu nennen, meinetwegen der zweite Sonntag im April.

Wir können nicht weitermachen wie beispielsweise sehr traditionelle Klöster in der orthodoxen Kirche, welche meinen, der Termin müsse nach dem 14. Nisan sein. Denn dieses Datum bewegt sich jedes Jahr nach vorne, zuerst um einen Tag, dann um eine Woche, und so riskieren wir, dass wir in 60 Jahren Ostern im August feiern würden. Deshalb müssen wir eine Übereinkunft treffen.

Seit Johannes Paul II. ist die katholische Kirche bereit, ein festgesetztes Datum anzuerkennen. Sie würde dafür auf die Ausrichtung nach dem ersten Frühlingsvollmond verzichten.

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Das wertvolle Erbe des hl. Johannes Pauls II.

Brücke zur Armenischen Kirche

Mit seinem Besuch in Armenien 2001 hat der hl. Papst Johannes Paul II. die Grundlage für die heutigen Beziehungen zur Armenischen Apostolischen Kirche gelegt. Ohne seinen Brückenschlag wären Zeichen der Einheit, wie wir sie am 12. April 2015 im Petersdom erlebt haben, nicht denkbar gewesen. Bei all seinen Auslandsreisen wusste Johannes Paul II., welche Themen er ansprechen musste, um Tore für eine neue Zukunft aufzustoßen. Feinfühlig, ja prophetisch brachte er die zartesten Saiten in den Herzen der Völker zum Klingen. Einen solchen Schatz hinterließ er auch in Armenien, wo das Christentum nach alter Überlieferung bereits 301 – möglicherweise ist das historisch richtige Datum 314 – zur Staatsreligion erklärt worden war. Jedenfalls feierte die Armenische Apostolische Kirche, eine der altorientalischen bzw. orientalisch-orthodoxen Kirchen, 2001 ihr 1700-jähriges Jubiläum. Dazu wurde am 23. September 2001 in Eriwan eine neuerrichtete Kathedrale zu Ehren des hl. Gregorios des Erleuchters eingeweiht. Drei Tage später durfte in diesem Heiligtum Papst Johannes Paul II. unter Anwesenheit des Staatspräsidenten einen ökumenischen Gottesdienst feiern. Am darauffolgenden Tag unterzeichnete er zusammen mit dem Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, Karekin II., dem Katholikos aller Armenier, eine gemeinsame Erklärung. Einige Auszüge aus der Erklärung und der Predigt es Papstes.

Von Johannes Paul II.

Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

Auszug aus der Gemeinsamen Erklärung vom 27. September 2001, in der sich genau dieselbe Formulierung findet, die nun aus dem Mund von Papst Franziskus so großes Aufsehen erregt hat, damals aber kaum wahrgenommen wurde:

 Die Ermordung von anderthalb Millionen armenischen Christen ist das, was generell als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird, und die spätere Vernichtung von Tausenden von Menschenleben unter dem ehemaligen totalitären Regime sind Tragödien, die in der Erinnerung der heutigen Generation noch immer lebendig sind. Diese sinnlos niedergemetzelten Unschuldigen sind nicht heiliggesprochen worden, aber viele von ihnen waren mit Sicherheit Bekenner und Märtyrer im Namen Christi.

Verehrung des hl. Gregorios im Petersdom

In seiner Predigt am 26. September 2001 erinnerte Johannes Paul II. zunächst an das Jubeljahr 2000, in dem Reliquien des hl. Gregorios des Erleuchters, des Begründers des christlichen Armeniens, nach Rom gebracht wurden. In seiner Enzyklika „Ut unum sint“ vom 25. Mai 1995 hatte Johannes Paul II. die Verehrung von Heiligen anderer Konfessionen als besonderen Weg zur Einheit bezeichnet:

Für mich persönlich ist es eine große Freude, mit Eurer Heiligkeit diese ökumenische Liturgie zu leiten. Sie ist gleichsam die Fortsetzung unseres gemeinsamen Gebets vom vergangenen Jahr in der Petersbasilika in Rom. Dort haben wir zusammen die Reliquie des hl. Gregorios des Erleuchters verehrt, und der Herr gewährt uns heute, hier in Eriwan dieselbe Geste zu wiederholen. Ich umarme Eure Heiligkeit mit derselben brüderlichen Zuneigung, mit der Sie mich während Ihres Besuchs in Rom begrüßt haben.

Als sich König Tiridates III. durch die Predigt des hl. Gregorios bekehrte, wurde die lange Geschichte des armenischen Volkes von einem neuen Licht erhellt. Die Universalität des Glaubens verband sich unauflöslich mit eurer nationalen Identität. Der christliche Glaube fasste für immer Wurzeln in diesem Land um den Berg Ararat, und das Wort des Evangeliums beeinflusste sehr stark die Sprache, das Familienleben, die Kultur und die Kunst des armenischen Volkes.

Vorbereitung der Ernennung eines Kirchenlehrers

Die Ankündigung der Ernennung des armenisch-orthodoxen Mönchs Gregor von Narek zum Kirchenlehrer durch Papst Franziskus am 21. Februar 2015 kam überraschend. Doch die Worte Johannes Pauls II. über die liturgischen Texte der Armenischen Kirche bereiteten einen solchen Schritt bereits vor, ohne Gregor von Narek beim Namen zu nennen:

Während die Armenische Kirche ihre eigene Identität bewahrte und weiterentfaltete, bemühte sie sich, auch den Dialog mit anderen christlichen Traditionen zu pflegen und aus deren geistlichem und kulturellem Erbe zu schöpfen. Schon von den Anfängen an wurden nicht nur die Heiligen Schriften, sondern auch die Hauptwerke der syrischen, griechischen und lateinischen Väter ins Armenische übersetzt. Die armenische Liturgie ließ sich von den liturgischen Traditionen der Kirche des Orients und des Okzidents inspirieren. Dank dieser außergewöhnlichen geistigen Öffnung war die Armenische Kirche im Lauf der Geschichte besonders empfänglich für das Anliegen der Einheit der Christen. Heilige Patriarchen und Kirchenlehrer wie Isaak der Große, Babghèn von Otmus, Zacharias von Dzag, Nerses Snorhali, Nerses von Lambron, Stefan von Salmasta, Jakob von Julfa u.a. waren bekannt für ihren Eifer im Hinblick auf die Einheit der Kirche.

Lehre des Nerses Snorhali über die Ökumene

Papst Johannes Paul II. rief die Prinzipien für einen fruchtbaren Dialog in Erinnerung, wie sie der armenische Kirchenlehrer Nerses Snorhali vertreten hatte. In Hochachtung und Demut rief er aus, als Papst mache er sich diese Erkenntnisse zu eigen:

In seinem Brief an den byzantinischen Kaiser beschrieb Nerses Snorhali einige Grundprinzipien des ökumenischen Dialogs, die immer noch voll gültig sind. Bei seinen vielen intuitiven Erkenntnissen besteht er auch darauf, dass die Suche nach der Einheit Aufgabe der ganzen Gemeinschaft ist und man deshalb nicht zulassen darf, dass innerhalb der Kirchen Spaltungen entstehen. Er lehrt weiter, dass eine Heilung der Erinnerungen notwendig ist, um den Groll und die Vorurteile der Vergangenheit zu überwinden; unerlässlich sind auch gegenseitige Achtung und Sinn für Gleichheit unter den Gesprächspartnern, die die einzelnen Kirchen vertreten; er sagt auch, dass die Christen tief davon überzeugt sein müssen, dass die Einheit grundlegend ist, nicht wegen eines strategischen Vorteils oder politischen Verdienstes, sondern im Interesse der Verkündigung des Evangeliums, wie es Christus uns aufträgt. Die Erkenntnisse dieses großen armenischen Lehrers sind Frucht einer außerordentlichen pastoralen Klugheit, und ich mache sie mir zu eigen, während ich heute unter euch bin.

„Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Als Papst Paul VI. und Katholikos Vasken I. im Jahr 1970 den Friedenskuss tauschten, setzten sie den Anfang für eine neue Epoche brüderlicher Kontakte zwischen der Kirche von Rom und der Armenischen Kirche. Diesem Treffen folgten weitere wichtige Besuche. Ich selbst habe in besonders guter Erinnerung die Besuche Seiner Heiligkeit Karekin I. in Rom, zuerst als Katholikos des Großen Hauses von Kilikien, dann als Katholikos von Etschmiadzin. Nachdem er als Beobachter am II. Vatikanischen Konzil teilgenommen hatte, nutzte Katholikos Karekin I. jede Gelegenheit, um brüderliche Beziehungen und praktische Zusammenarbeit unter den Christen des Ostens und des Westens zu fördern. Ich hätte ihn sehr gern hier in Armenien besucht, aber sein schlechter Gesundheitszustand und dann sein vorzeitiger Tod verhinderten es. Ich danke dem Herrn, dass er uns diesen großen Mann der Kirche geschenkt hat, ein kluges und mutiges Vorbild der Einheit der Christen.

Anerkennung der Gültigkeit der Taufe und Eucharistie

Johannes Paul II. bekräftigte, dass die katholische Kirche die Gültigkeit der Eucharistie in der Armenischen Kirche anerkennt. Gleichzeitig erinnerte er an die unerlässliche Bedeutung des Petrusamtes für eine sichtbare Einheit:

Mein Besuch heute bezeugt unsere geteilte Sehnsucht, zur vollen Einheit zu gelangen, die der Herr für seine Jünger gewollt hat. Wir befinden uns in der Nähe des Ararat, wo nach der Überlieferung Noahs Arche landete. Wie die Taube mit dem Ölzweig des Friedens und der Liebe zurückkehrte (vgl. Gen 8,11), so bitte ich, dass mein Besuch gleichsam eine Weihe der schon unter uns bestehenden reichen und fruchtbaren Zusammenarbeit ist.

Zwischen der katholischen Kirche und der Kirche Armeniens besteht eine wahre und enge Einheit, weil beide die apostolische Nachfolge bewahrt und gültige Sakramente haben, insbesondere die Taufe und die Eucharistie. Dieses Bewusstsein muss uns anspornen, noch eifriger zu wirken und unseren ökumenischen Dialog zu verstärken. In diesem Dialog des Glaubens und der Liebe darf keine noch so schwierige Frage außer Acht gelassen werden. Im Bewusstseins der Bedeutung des Amtes des Bischofs von Rom bei der Suche nach der Einheit der Christen bat ich – in meiner Enzyklika Ut unum sint – die Bischöfe und die Theologen unserer Kirchen, nachzudenken, um „Formen zu finden, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag“ (95). Das Beispiel der ersten Jahrhunderte des Lebens der Kirche kann uns bei dieser Unterscheidung hilfreich sein. Mein inniges Gebet ist, dass dieser „Gabenaustausch“, von dem die Kirche des ersten Jahrtausends ein so schönes Beispiel gegeben hat, wieder Wirklichkeit wird. Die Erinnerung an die Zeit, in der die Kirche mit „beiden Lungen“ atmete, soll die Christen des Ostens und des Westens anspornen, gemeinsam in der Einheit des Glaubens und in Achtung der legitimen Verschiedenheit fortzuschreiten, indem sie einander als Glieder des einen Leibes Christi annehmen und stützen (vgl. Novo millennio ineunte, 48).

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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Russisch-Orthodoxer Metropolit Methodius im Interview

Für die Bekehrung Russlands ist noch viel zu tun

Der russisch-orthodoxe Metropolit Methodius Nemzow, geb. 1949, ist seit 2010 Erzbischof von Perm. Zunächst umfasste seine Diözese das ganze Permer Gebiet im West-Ural. Im Zug der laufenden Reform der kirchlichen Strukturen durch die Russisch-Orthodoxe Kirche wurde 2014 das Territorium aufgeteilt und im Norden eine eigene Diözese mit Sitz in der Stadt Solikamsk geschaffen, die in etwa dem Gebiet entspricht, für das Pfarrer Erich Maria Fink als katholischer Seelsorger zuständig ist. Bislang verwaltet Metropolit Methodius auch diese neue Diözese Solikamsk als Administrator, während sein Bistum den offiziellen Namen „Diözese von Perm und Kungur“, einer Stadt im Süden der Region, erhielt. Damit aber befindet sich Pfarrer Fink derzeit noch im Verantwortungsbereich des Metropoliten, mit dem ihn eine freundschaftliche Beziehung verbindet. Mit großem Wohlwollen und geradezu väterlicher Zuneigung gratuliert er ihm und seiner Pfarrei regelmäßig per Telegramm zu den großen kirchlichen Festen wie Weihnachten und Ostern. Im Rahmen des lebendigen Dialogs, in dem sich beide befinden, gewährte er Pfarrer Fink nachfolgendes Interview.

Interview mit Metropolit Methodius, Perm/Russland

Kirche heute: Eminenz, wie haben Sie zu Ihrer geistlichen Berufung gefunden?

Metropolit Methodius: Meine Mama war ein gläubiger Mensch. In den letzten Lebensjahren trat sie ins Kloster ein. Und diese Atmosphäre in der Familie – wenn also das Innere und das Äußere nicht in Widerspruch zueinander treten, sondern harmonisch aufeinander abgestimmt sind – hat meine Wahl bestimmt. Von Kindheit an ging ich in die Kirche, diente am Altar und sang im Chor. Nach dem Schulabschluss musste ich mit dem Segen des Geistlichen Starez vom Kloster der Dreifaltigkeit und des hl. Sergius, des Archimandriten Theodoret Worobjew, gest. 1973, die Eisenbahnfachschule besuchen, da der Eintritt in ein Seminar für einen jungen Mann zur damaligen Zeit praktisch unmöglich war. Aber der Gedanke ans Seminar und der Wunsch, Priester zu werden, haben mich nicht verlassen. Nach der Ausbildung an der Fachschule trat ich 1969 in das Priesterseminar von Odessa und 1972 in die Leningrader Geistliche Akademie ein.

Kirche heute: Können Sie kurz den Weg beschreiben, den Sie im kirchlichen Dienst bisher zurückgelegt haben?

Metropolit Methodius: Als Student an der Akademie legte ich die Mönchsgelübde ab und wurde zum Priester geweiht. Danach begann ich eine wissenschaftliche Laufbahn an der Moskauer Geistlichen Akademie. Seit 1976 arbeitete ich im Amt für die Außenbeziehungen der Kirche.

1980 begann mein bischöflicher Dienst, zunächst in Irkutsk, danach an der Kathedra von Woronesch-Lipetsk, wo ich fast 21 Jahre lang tätig war. Dann wurde ich zum Oberhaupt des ersten Metropolitan-Verbandes der Russisch-Orthodoxen Kirche in Kasachstan ernannt. Im Jahr 2010 erhielt ich eine neue Berufung – in Perm.

Kirche heute: Sie sind in der Zeit des Bolschewismus groß geworden. Haben Sie Unterdrückung oder Repressalien wegen Ihrer religiösen Ausrichtung erfahren?

Metropolit Methodius: Man muss sagen, dass es für jeden gläubigen Menschen eine schwierige Zeit war und dass der Druck, dem die gesamte Kirche ausgesetzt war, direkt oder indirekt jeden ihrer Mitglieder erfasste, angefangen vom Patriarchen bis zum einfachen Pfarrangehörigen. Ich hatte sehr gute und vertrauensvolle Beziehungen zum verstorbenen Patriarchen Pimen Iswekow, gest. 1990. Er erhob mich auch in den Rang eines Bischofs. In einem Gespräch vertraute er mir an, dass er sich all die Jahre seines Patriarchats hindurch wie ein Vogel in einem goldenen Käfig gefühlt habe.

Kirche heute: Wie beurteilen Sie den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes Ende der 80er Jahre?

Metropolit Methodius: Als Willen Gottes – als guten und vollkommenen!

Kirche heute: Kennen Sie die Marienerscheinungen von Fatima?

Metropolit Methodius: Dieses Ereignis ist mir bekannt.

Kirche heute: Die Gottesmutter hat 1917 sowohl die Herrschaft einer atheistischen Ideologie als auch die anschließende Bekehrung Russlands vorausgesagt. Eine sehr ähnliche Prophetie gibt es vom hl. Seraphim von Sarow. Sehen Sie in der derzeitigen Entwicklung Russlands eine solche Bekehrung?

Metropolit Methodius: Den Abfall und die Bekehrung Russlands zu Gott hat nicht nur der Ehrwürdige Seraphim von Sarow vorausgesagt. Kurz vor diesen schrecklichen Wirren, die das ganze Reich erfassten, sah auch der Gerechte Johannes von Kronstadt diese Ereignisse voraus. Ich denke, dass sich der Prozess der Bekehrung, der vor einigen Jahrzehnten begann (nach 1988), noch in seiner Entwicklung befindet. Er ist auf keinen Fall abgeschlossen. Und für jeden von uns gibt es noch viel zu tun, damit die Botschaft vom auferstandenen Christus zu einem Teil unseres Lebens wird. Erst dann können wir von Bekehrung sprechen.

Kirche heute: Worauf legen Sie in Ihrer pastoralen Arbeit Wert? Welche Akzente versuchen Sie zu setzen?

Metropolit Methodius: Auf meinem Lebensweg begegnete ich hervorragenden geistlichen Leitern, unter denen ich das Glück hatte, aufzuwachsen und zu arbeiten. Sie vermittelten mir ein Gespür für Besonnenheit. Von ihm versuche ich mich in meiner Tätigkeit leiten zu lassen: nicht aus der Hüfte zu schießen, nichts mit Gewalt durchzudrücken, sondern die beste Lösung für den Menschen zu finden, welche in dieser oder jener Situation den größtmöglichen Nutzen bringt. Das wichtigste Argument für einen Hirten ist sein Leben und nicht ein formaler Dienst für Gott und die Menschen.

Kirche heute: Welche Bedeutung kommt Ihrer Ansicht nach der Priesterausbildung zu? Wie versuchen Sie diese Aufgabe in Ihrer Diözese zu erfüllen?

Metropolit Methodius: Die Welt und die Gesellschaft von heute entwickeln sich rasant und so entwickeln sich auch die Anforderungen an die Kirche, an die Priester. Ich erinnere meine Priester an die Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung, der Erhöhung ihres Kenntnisstandes, der Belesenheit. Ein Priester muss nach den Worten des Apostels bereit sein, jedem, der nach seiner Hoffnung fragt, mit Bescheidenheit und Ehrfurcht eine Antwort zu geben (1 Petr 3,15).

Diejenigen, die heutzutage zum ersten Mal einen Schritt über die Schwelle einer Kirche machen, suchen nach einer Antwort auf viele Fragen, nicht nur in Bezug auf das häusliche Leben oder die kirchlichen Riten, sondern vor allem auf Fragen nach der Rettung der Seele, der Suche des Weges zu Gott. Und davon, wie der Priester einen Menschen empfängt, was und wie er spricht, hängt ab, ob dieser Mensch in der Kirche bleibt, ob er von neuem über die Kirchenschwelle treten möchte.

Heute verfügt die Diözese über ein eigenes Priesterseminar, wo die Kandidaten für den Priesterstand und die Geistlichen, welche in den Pfarreien ihren Dienst ausüben werden, intern und extern ausgebildet werden. In manchen Fällen ist es notwendig, administrative Mittel anzuwenden in Bezug auf einige, die nicht bereit sind, beim Erwerb der notwendigen Kenntnisse für die normale Ausübung einer pastoralen Tätigkeit mit der Zeit zu gehen. Ein Priester ohne Ausbildung, ohne Wissen, ohne kirchliche, geistliche Erfahrung ist ein blinder Chirurg mit einem Skalpell.

Kirche heute: Wie sehen Sie die Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche in der russischen Gesellschaft von heute?

Metropolit Methodius: Die Kirche ist Teil der Gesellschaft. Unsere Gemeindemitglieder sind Politiker und Wissenschaftler, Arbeiter in verschiedensten Bereichen und Branchen, Rentner, Studenten und Schüler. Die Kirche in unserem Land war schon immer ein wichtiger festigender und verbindender Faktor, unabhängig von der politischen und sozialen Zugehörigkeit ihrer Gläubigen. Besonders deutlich ist dies an den Wendepunkten unserer Geschichte zu sehen. In der Kirche, beim Kelch Christi, sind wir alle eins und wir müssen lernen, diese Einheit auf unser alltägliches Leben, auf die Tätigkeit und auf die Verpflichtungen gegenüber jedem Mitglied unserer Gesellschaft zu übertragen. Wir müssen lernen, in jedem Menschen ein Abbild Gottes zu sehen.

Kirche heute: Gibt es Bemühungen, um die volle Einheit zwischen dem Moskauer Patriarchat und den Altritualisten, die sich im 17. Jahrhundert unter Patriarch Nikon abgespalten haben, wiederherzustellen?

Metropolit Methodius: Spaltung ist immer ein Schmerz. Die Folgen dessen, was unserer Kirche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts widerfahren ist, sind bis heute spürbar. Ein Teil der Altritualisten ist Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts zur offiziellen Kirche zurückgekehrt. Dabei haben sie die Verwendung der alten liturgischen Riten (die zwei ausgestreckten Finger, die Feier des Gottesdienstes nach den alten Büchern u.a.) und den altrussischen häuslichen Lebensstil bewahrt. Auf dem Landeskonzil der Russisch-Orthodoxen Kirche im Jahr 1971 wurde ein weiterer wichtiger Schritt getan: Es wurde die Entscheidung über die „Aufhebung der Bannflüche“ gegen die alten Riten und über ihre Anerkennung als ebenso heilswirksam wie die neuen Riten und als ihnen gleichwertig getroffen. Aber die erwartete und volle Annäherung von Seiten der Altgläubigen erfolgte nicht. Derzeit gibt es eine Synoden-Kommission für die Altritualisten und die Einheit im Glauben, welche einen Dialog führt, gemeinsame Veranstaltungen durchführt, alte Gesänge, alte Formen des Gottesdienstes und Ikonenmalerei  studiert.

Kirche heute: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil?

Metropolit Methodius: Die Kirche entwickelt sich, und zwar vor allem auf der Suche nach vielfältigen Möglichkeiten, um die Herde zu Christus zu führen, darunter auch durch die pastoralen Bestimmungen, welche das Zweite Vatikanische Konzil getroffen hat.

Kirche heute: Was schätzen Sie an der Verkündigung und an der Pastoral von Papst Benedikt XVI.?

Metropolit Methodius: Mit großem Interesse habe ich zwei Teile des Buchs „Jesus von Nazareth“ von Papst Benedikt XVI. gelesen, in dem der Autor, als Hirte und Theologe, mit einer langjährigen Diensterfahrung, dem Leser die Erfahrung vermittelt, sich unserem Herrn zu nähern.

Kirche heute: Wie sollte nach Ihrer Vorstellung der gemeinsame Weg zwischen der katholischen Kirche und der Russisch-Orthodoxen Kirche gestaltet werden?

Metropolit Methodius: Abgesehen von der dogmatischen und theologischen Forschung ist es ein Weg im Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen: der Schutz und die Verteidigung der grundlegenden christlichen und allgemein menschlichen Werte, die heute vom säkularen Bewusstsein in Frage gestellt werden.

Kirche heute: Hoffen Sie auf eine sichtbare Wiederherstellung der Einheit zwischen der Ost- und Westkirche?

Metropolit Methodius: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21), so hat der Herr gebetet, so betet auch Seine Kirche. Ich hoffe, dass früher oder später der Wille Gottes verwirklicht wird, wenn alle Verwirrungen und Missverständnisse, die sich im Lauf der Jahrhunderte angehäuft haben, gelöst werden.

Kirche heute: Welche Erwartungen haben Sie an das geplante Panorthodoxe Konzil?

Metropolit Methodius: Das Panorthodoxe Konzil, das für 2016 geplant ist, soll eine Reihe von disziplinären Fragen in der Familie der Orthodoxen Kirchen klären, die sich über viele Jahrhunderte angesammelt haben, eine gemeinsame Konzeption erarbeiten und eine gesamtkirchliche Antwort auf die modernen Herausforderungen geben.

Kirche heute: Welche Verbindung haben Sie zur Armenischen Kirche?

Metropolit Methodius: Die Beziehungen zur Armenisch-Apostolischen Kirche sind traditionell gut, brüderlich. In Perm gibt es eine große armenische Gemeinde. Viele ihrer Mitglieder nehmen aktiv am Leben der Permer Diözese teil und helfen beim Bau von orthodoxen Kirchen. Wir wiederum unterstützen die Errichtung einer armenischen Kirche im Zentrum von Perm.

Kirche heute: Was wünschen Sie unseren Lesern im Westen?

Metropolit Methodius: Bleiben Sie gute Christen ungeachtet der Irrungen und Wirrungen der modernen Zeit! Nur wenn wir so den Weg unserer irdischen Pilgerschaft vollenden,  können wir die Hoffnung haben,  Kinder und Freunde Gottes zu werden – durch Seine Gnade.

Kirche heute: Eminenz, wir danken Ihnen von ganzem Herzen für das offene und aufschlussreiche Gespräch!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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Befreiende Antwort auf Kritik und Lieblosigkeit

Das Geschenk des Humors

Geht es um die Einheit der Kirche, um die Treue zum Papst oder um die Verteidigung von Inhalten des katholischen Glaubens gegenüber Angriffen weltlicher Medien, so rät Professor Dr. Anton Štrukelj zum Humor. In dieser Gabe habe auch Hans Urs von Balthasar die Stärke und Freiheit der Gläubigen gesehen.

Von Anton Štrukelj

Die Kirche ist in Christus so eins, dass der Papst seine Einheitsfunktion nicht ausüben kann, wenn nicht alle zusammen im Geist zu Christus hin so gehorsam sind, wie Christus es im Geist zum Vater hin war. Ist die Beziehung der Gläubigen zu den Beamteten, dem Papst, den Bischöfen und Priestern, nicht von Liebe durchblutet, so drängt man deren Amt in die Bürokratie, die man nachträglich beklagt und kritisiert, ohne seinen Teil an Verantwortung daran zu bekleiden."[1]

Auf die Angriffe gegen Papst und Kirche reagiert Hans Urs von Balthasar mit einer befreienden Antwort. Er weist hin auf das Geschenk des Humors. Der Humor der Heiligen ist das spezifische, unverkennbare Charisma des Katholischen: „Irgendwo ist es humorvoll, wenn die katholische Kirche auf die Reformation mit den Putten des bayerischen Barocks antwortet."[2]

Wie frisch und ermutigend wirken diese Gedanken Balthasars: „Das Buch über den Humor der Heiligen bleibt noch zu schreiben. Ein kurzes Kapitel daraus hat uns Goethe in seinem ,Philipp Neri, der humoristische Heilige‘ geschenkt… Aber welche Heiterkeit schon bei Irenäus, wenn er die schillernden Seifenblasen der gnostischen Weltsysteme aufsticht, bei Klemens von Alexandrien, wenn er mit diesen Systemen wie ein Jongleur mit Kugeln spielt; welche knabenhafte Abenteuerlust in Bonaventuras ,Wanderkarte des Geistes zu Gott‘. Wieviel blitzender Humor (während man solchen bei den feierlichen Reformatoren vergeblich sucht) bei Ignatius von Loyola und Teresa von Avila, vom behaglichen Lachen Claudels (mitten in den Tränen der Leidenschaft) ganz zu schweigen, welch heitere grandezza bei Péguy, wenn er seine christliche Seele für alle heidnischen und jüdischen Werte öffnet und dann (in Eve) alle Schätze lächelnd an der Krippe niederlegt, welch liebevolle Nachsicht für die Mängel der Christen (die sie sich als lodernde Fackeln wünschte) bei Madeleine Delbrêl. Und mit gutem Gewissen darf ich für die Catholica einen Augenblick den Humor von C.S. Lewis (seine Märchen, schöner als die Brentanos) und den Ljeskows annektieren, für die das Leben mit all seinen Schrecken ein einziges paradoxes Wunder war."[3]

Der Humor ist aber nicht nur eine Antwort an die Kritiker. Mit Humor kann man wohl auch sich selbst korrigieren und befreien. Wie oft warnt Papst Franziskus vor dem Klerikalismus und auch vor dem Karrierismus. Der Humor ist also nicht nur die beste Reaktion auf die negative Kritik, sondern gleichzeitig ein Ausdruck der inneren Freiheit. Die Kirche Christi war immer und bleibt „der Hort der Freiheit“.[4] Wie oft haben die Christen in Rom, ausgerechnet in Rom, den Hort der Freiheit des Geistes Christi (2 Kor 3,17), der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes (Röm 8,21), der Freiheit des Christenmenschen gefunden!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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[1] Hans Urs von Balthasar: Kleine Fibel für verunsicherte Laien, Johannes Verlag Einsiedeln, Trier 31989, 81.
[2] Hans Urs von Balthasar: Der antirömische Affekt. Wie läßt sich das Papsttum in der Gesamtkirche integrieren?, Johannes Verlag Einsiedeln, Trier 21989, S. 251.
[3] Ebd., 252.
[4] Ebd., 220-234.

Gemeinsamer Heiliger der Ost- und Westkirche

1000 Jahre hl. Wladimir – Chance für die Ökumene

Am 15. Juli 2015 werden es genau 1000 Jahre, dass der Kiewer Großfürst Wladimir gestorben ist. Im Jahr 988 hatte er das Volk der Rus‘ zur Taufe geführt. Das 1000-jährige Jubiläum der Taufe Russlands wurde 1988 während der sog. Perestroika mit großer Euphorie begangen. Festschriften von kirchlicher und politischer Seite leisteten ihren Beitrag. Papst Johannes Paul II. verfasste ein eigenes Apostolisches Schreiben mit dem Titel „Euntes in mundum“ – „Geht in alle Welt“. Mit der Feier des Jubiläums waren große Erwartungen verbunden, und zwar an einen Umbruch im Osten, die keineswegs enttäuscht wurden. Doch um das jetzige Jubiläum ist es nach Pfarrer Erich Maria Fink bedenklich still. Er ruft dazu auf, das Fest des hl. Wladimir am 15. Juli, immerhin ein 1000-jähriges Jubiläum, sowohl als Chance für die Ökumene mit den slawischen Ostkirchen als auch für die Bemühungen um den Frieden in Europa zu nützen.

Von Erich Maria Fink

Gemeinsame Frucht der einen apostolischen Kirche

Papst Johannes Paul II. rief immer wieder in Erinnerung, dass die Evangelisierung der slawischen Völker zu einer Zeit stattgefunden hat, als Ost- und Westkirche noch in voller Einheit miteinander standen. Deswegen wird Großfürst Wladimir, der die Kiewer Rus‘ zur Taufe geführt hat, sowohl von der katholischen Westkirche als auch von den orthodoxen Kirchen des Ostens als Heiliger verehrt. Gleichzeitig hebt Johannes Paul II. hervor, sowohl Konstantinopel als auch Rom hätten jeweils ihren unverwechselbaren Anteil zur Ausformung eines neuen christlichen Kulturkreises geleistet. Denn nachdem vom ersten Jahrhundert an im Osten die griechisch-byzantinische und im Westen die lateinische Liturgie mit ihren kulturellen Eigenheiten gewachsen waren, bildete sich mit der Übersetzung der Bibel und der liturgischen Texte ins Altslawische eine völlig neue kirchliche Tradition heraus. Entscheidend für die weitere Entwicklung waren die politischen Entscheidungen, aber auch die menschlichen Lebensumstände des hl. Wladimir. Heute stellt die Russisch-Orthodoxe Kirche, welche natürlich nicht die einzige Frucht der damaligen Weichenstellungen ist, die größte in sich geschlossene orthodoxe Glaubensgemeinschaft dar und spielt deshalb für den ökumenischen Dialog mit der Orthodoxie eine Schlüsselrolle.

Vorbereitung durch die heiligen Cyrill und Methodius

Die Christianisierung im Kiewer Staat hatte schon vor der Massentaufe im Dnjepr begonnen. Johannes Paul II. weist auf diese Vorgeschichte hin und spricht von einem Prozess der Christianisierung. „Im Land der Rus‘ wurde er durch die Versuche vorbereitet“, so schreibt Johannes Paul II., „welche die Kirche von Konstantinopel im 9. Jahrhundert unternommen hat.[1] Danach, im Verlauf des 10. Jahrhunderts, begann der christliche Glaube dank jener Missionare in die Region vorzudringen, die nicht nur von Byzanz her kamen, sondern auch aus den Ländern der benachbarten Westslawen, welche die Liturgie in slawischer Sprache und nach dem Ritus der heiligen Cyrill und Methodius feierten – sowie aus den Ländern des lateinischen Westens. Wie die alte so genannte Nestor-Chronik (,Povest‘ Vremennykh Let‘) bezeugt, gab es im Jahre 944 zu Kiew eine christliche Kirche, die dem Propheten Elija geweiht war.[2] In diesem schon bereiteten Umfeld ließ sich die Fürstin Olga um das Jahr 955 aus freiem Entschluss und öffentlich taufen und blieb danach ihren Taufversprechen immer treu. An sie habe der Patriarch Polyeuktos im Verlaufe ihres Besuches in Konstantinopel vom Jahre 957 einen gleichsam prophetischen Gruß gerichtet: ,Gesegnet seist du unter den russischen Frauen, weil du das Licht geliebt und die Finsternis vertrieben hast. Darum werden dich seligpreisen die russischen Söhne bis zur letzten Generation.'[3] Olga hatte allerdings nicht die Freude, ihren Sohn Swjatoslaw als Christen zu sehen. Ihr geistliches Erbe wurde von ihrem Enkel Wladimir übernommen, der Hauptperson bei der Taufe von 988; er nahm den Christenglauben an und förderte die bleibende und endgültige Bekehrung des Volkes der Rus‘. Wladimir und die Neubekehrten verspürten die Schönheit der Liturgie und des religiösen Lebens der Kirche von Konstantinopel.[4] So übernahm die neue Kirche der Rus‘ von Konstantinopel das gesamte Erbe des christlichen Ostens und alle ihm eigenen Schätze auf dem Gebiet der Theologie, Liturgie und Spiritualität, des kirchlichen Lebens und der Kunst“ (Nr. 3).

Aber eben die historisch so folgenschwere Entscheidung, von Anfang an für die byzantinische Liturgie die altslawische Sprache zu verwenden, schreibt Johannes Paul II. dem hl. Wladimir zu: „Dank seiner Weisheit und Intuition und aus Sorge für das Wohl der Kirche und des Volkes stimmte Wladimir in der Liturgie anstelle des Griechischen der altslawischen Sprache zu und ,benützte sie als wirksames Werkzeug, um die göttlichen Wahrheiten allen Menschen dieser Sprache näherzubringen‘.[5] Wie ich in meinem Rundschreiben Slavorum Apostoli geschrieben habe,[6] hatten die heiligen Cyrill und Methodius, auch wenn sie sich des kulturellen und theologischen Vorranges des griechisch-byzantinischen Erbes, das sie in sich trugen, bewusst waren, dennoch den Mut, sich zum Wohl der slawischen Völker einer anderen Sprache und auch einer anderen Kultur zu bedienen, um den Glauben zu verkünden“ (Nr. 3).

Bleibende Kontakte der heiligen Rus‘ zum Westen

Johannes Paul II. bezeichnet es als eine Pflicht, die historische Wahrheit über die Beziehungen des christlich gewordenen Russlands zum Westen und insbesondere zum römischen Papst anzuerkennen. Dazu sollte Johannes Paul II. ausführlich zu Wort kommen: „Es war Gottes Wille, dass die Mutter Kirche in sichtbarer Einheit und zu einer Zeit missionarischer Ausdehnung im Westen wie im Osten diese ihre neue Tochter, die an den Ufern des Dnjepr geboren wurde, in ihren Schoß aufnahm …, es herrschte volle Gemeinschaft zwischen Ost und West, zwischen Rom und Konstantinopel, mit gegenseitigen Beziehungen. Und es ist die ungeteilte Kirche des Ostens und des Westens gewesen, welche die Kirche von Kiew aufgenommen und unterstützt hat. Bereits die Fürstin Olga hatte von Kaiser Otto I. einen Bischof erbeten – und im Jahre 961 auch erhalten –, „der ihnen den Weg zur Wahrheit zeige“; es war der Mönch Adalbert von Trier, der sich auch tatsächlich nach Kiew begeben hat, wo allerdings das fortdauernde Heidentum ihn daran hinderte, seine Mission zu erfüllen.[7] Fürst Wladimir war sich dieser Einheit der Kirche und Europas bewusst; darum unterhielt er Beziehungen nicht nur mit Konstantinopel, sondern auch mit dem Westen und mit Rom, dessen Bischof als derjenige anerkannt war, der der Gemeinschaft der ganzen Kirche vorstand. Nach der Chronik des Nikon habe es Gesandtschaften zwischen Wladimir und den Päpsten jener Zeit gegeben: mit Johannes XV. (der ihm als Geschenk gerade zum Taufjahr 988 einige Reliquien vom heiligen Papst Klemens gesandt habe als deutliche Anspielung auf die Mission der heiligen Cyrill und Methodius, die jene Reliquien von Cherson nach Rom gebracht hatten) und mit Silvester II.[8] Bruno von Querfurt, von demselben Silvester II. zur Missionspredigt ausgesandt mit dem Titel ,Erzbischof der Völker‘ (archiepiscopus gentium), besuchte um das Jahr 1007 Fürst Wladimir, genannt ,König der Russen“ (rex Russorum).[9] Später gab auch der heilige Papst Gregor VII. den Fürsten von Kiew den Königstitel, und zwar in seinem Brief vom 17. April 1075, der an ,Demetrius (Isjaslaw), König der Russen, und seine Gattin, die Königin‘ (Demetrio regi Ruscorum et reginae uxori eius) adressiert war; diese hatten nämlich ihren Sohn Jaropolk auf Pilgerfahrt zu den Apostelgräbern (ad limina apostolorum) gesandt und damit erreicht, dass ihr Reich unter den Schutz des heiligen Petrus gestellt wurde.[10] Diese Anerkennung der vom Fürstentum Wladimirs erworbenen staatlichen Souveränität durch einen römischen Papst verdient hervorgehoben zu werden; denn dank der Taufe von 988 hatte jener seinen Staat auch politisch gefestigt, wobei er seine Entwicklung und die Integration der Völker, die zu jener Zeit innerhalb seiner damaligen wie auch späteren Grenzen wohnten, förderte. Diese prophetische Tat, in die Kirche einzutreten und das eigene Fürstentum in den Kreis der christlichen Nationen einzuführen, trug ihm den ehrenvollen Titel eines Heiligen und eines Vaters derjenigen Nationen ein, die in der Folge aus jenem Fürstentum hervorgingen“ (Nr. 4).

Ringen zwischen christlichem Glauben und Heidentum

Den Quellen zufolge, die auch von Johannes Paul II. zitiert werden, gab es schon vor der offiziellen Taufe der Kiewer Bevölkerung im Großfürstentum christliche Gemeinden. Aber die Christianisierung verlief dennoch nicht einfach. Große Teile widersetzten sich und hielten lieber an ihren heidnischen Gewohnheiten fest. So kam es zu einem sog. „Doppelglauben“, ein bis heute in Russland bekanntes Phänomen. Dabei handelt es sich um eine Form der Religiosität, bei der christliche Elemente mit heidnischen vermischt sind. Lange Zeit hatte die Russisch-Orthodoxe Kirche damit zu kämpfen.

Es begann schon damit, dass sich die Adeligen Wladimir widersetzten, als er sich durch die Bergpredigt dazu verpflichtet fühlte, für die Notleidenden zu sorgen. Ähnlich wurde mit großem Befremden seine plötzliche Unsicherheit gegenüber der Todesstrafe aufgenommen. Hatte sich doch Wladimir gegen seine Widersacher mit roher Gewalt durchgesetzt und seine Herrschaft gefestigt, indem er sogar seinen Halbbruder Jaropolk umbringen ließ. Noch mehr erregte er bei den betreffenden Müttern Widerwillen, als er zur Heranbildung eines heimischen Klerus begabte Kinder aus hochgestellten Familien in kirchlichen Einrichtungen zusammenführte und in der Schrift unterrichten ließ. 

Als größte Herausforderung aber wurde die christliche Ehe erlebt. Wladimir selbst war um das Jahr 960 als uneheliches und jüngstes Kind seines Vaters Swjatoslas I. zur Welt gekommen, der sich wie gesagt bis zuletzt gegen die Annahme des Christentums gesträubt hatte. Seine Mutter war Maluscha, die Haushälterin seiner christlichen Großmutter Olga. Er selbst hatte bis zu seiner Taufe wohl fünf Frauen und unzählige Konkubinen.

Wladimir war ein geschickter Diplomat. Als der byzantinische Kaiser Basileios II. durch Aufstände bedrängt war, bot er ihm seine Hilfe an und schickte ein ansehnliches Heer nach Konstantinopel. Dafür aber bat er um die Hand der Schwester des Kaisers, der „pupurgeborenen“ Prinzessin Anna. Als Bedingung musste er sich verpflichten, sich taufen zu lassen und in seinem Fürstentum das Christentum anzunehmen. Darauf konnte er sich einlassen, denn mit der Frage der Religion hatte er sich bereits intensiv auseinandergesetzt und sich sowohl über den Islam, das Judentum und die christlichen Formen der Gottesverehrung informiert.

Er erfüllte sein Versprechen und wurde zunächst selbst auf den Namen Basil getauft. Dazu gibt es zwei unterschiedliche Überlieferungen: entweder an Epiphanie oder am 28. Juli 988. Auch was den Taufort betrifft, werden sowohl Kiew als auch Chersones bei Sewastopol auf der Halbinsel Krim genannt. Später führte er seine Untertanen zum christlichen Glauben. Auf diesem Weg wurde das byzantinische Christentum auf Jahrhunderte bei den ostslawischen Völkern verwurzelt, Wladimir selbst aber hatte sich eine bedeutende Stellung unter den christlichen europäischen Mächten gesichert. Er starb am 15. Juli 1015 in Berestowo, sein Lebenswerk aber wurde von seinem Sohn Jaroslaw zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt, nachdem zuvor die beiden Söhne Boris und Gleb ermordet worden waren. Dazu merkt Johannes Paul II. an: „Vielleicht war für die Verbreitung dieser Spiritualität nicht ganz unbedeutend die Erinnerung an den unschuldigen Tod von Boris und Gleb, den Kindern Wladimirs, die von ihrem Bruder Svjatopolk getötet worden sind"[11] (Nr. 7). Wladimir selbst wurde wohl schon im 11. Jahrhundert zu einem Heiligen erhoben.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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[1] Vgl. das Rundschreiben, mit dem der Patriarch Photius im Jahre 867 verkündet, dass das Volk mit dem Namen Rhos einen Bischof angenommen hat: ep. I, 13: PG 102, 736-737; vgl. auch Les regestes des acles du patliarcat de Constantinople I, II (Les regestes von 715.1043), hrsg. durch V. Grumel (Paris 1936), Nr. 481, 88-89.
[2] Poverst‘ Vremennykh Let, Ed. D. Likhacev (Moskau-Leningrad 1950) 235 ff.
[3] Vgl. Filaret Gumilevskyj: Leben der Heiligen, Juli-Band (Petersburg 1900) 106 (auf Russisch).
[4] Vgl. hierzu den Bericht der Poverst‘ Vremennykh Let (siehe Anm. 2).
[5] Johannes Paul II.: Rundschreiben Slavorum Apostoli, 12: AAS 77 (1985) 793.
[6] Vgl. ebd., 11-13: AAS 77 (1985) 791-796.
[7] Die Angabe stammt von einigen deutschen Quellen: z.B. Lamperti Monachi Hersfeldensis opera, Ed. O. Holder-Egger (1894) 38.
[8] Vgl. Nikonovkaja Letopis ad 6494, in „Polnoe sobranie russkich letopisej“, IX (Petersburg 1862) 57.
[9] Vgl. Petri Damiani Vita beati Romualdi, c. XXVII: PL 144, 978 (Kritische Ausgabe von G. Tabacco, in „Fonti per la storia d'Italia“, 94 [Rom 1957] 58).
[10] Vgl. Gregorii VII registrum, II, 74: Ed. E. Caspar, 236-237, in „Epistulae selectae in usum scholarum ex Monumentis Germaniae Historicis separatim editae“, t. II (Neudruck 1955) 236-237.
[11] Vgl. Acta Sanctorum, unter dem 2. September (Venedig 1756) 633-644.

Gender-Lehrpläne sind eine Irrlehre

Protestiert im Namen eures Erziehungsrechts!

Wie in Niedersachsen so sind nun auch in Baden-Württemberg die schulischen Lehrpläne nach dem Gender Mainstreaming von der Regierung beschlossen worden. Christa Meves ruft die Eltern auf, diese verhängnisvolle Irreführung ihrer Kinder nicht einfach hinzunehmen. Sie dürfen sich das Erziehungsrecht nicht aus der Hand nehmen lassen. Gegen die unverantwortlichen Gender-Lehrpläne bietet sie unter www.vfa-ev.de Argumentationshilfen auf dem Boden von Fachwissen an.

Von Christa Meves

Es sind befremdliche schulische Maßnahmen im niedersächsischen Ministerium anberaumt worden: Gender Mainstreaming soll hierzulande fächerübergreifend dem Unterricht hinzugefügt werden. Das heißt: Die Jugendlichen sollen nicht etwa nur in einem Fach über geschlechtliche Zusammenhänge aufgeklärt werden, sondern die Behörde will ihnen als eine HAUPTSACHE (so heißt das Wort Mainstreaming ins Deutsche übersetzt) eine neue Lehre über die Geschlechter in allen Schulfächern vermitteln.

Die Kinder sollen nun erfahren, dass es nicht mehr vorgegeben ist, dass Mann und Frau sich zusammenfinden, um mit den daraus erwachsenen Kindern eine Familie zu bilden, sondern dass ihnen als „Gender“ eine Fülle weiterer Möglichkeiten geschlechtlichen Umgangs offen stehe. Den Schülern und Schülerinnen soll beigebracht werden, dass die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau nicht eine biologische angeborene Gegebenheit ist. Sie sollen neu lernen, dass es gleichrangig möglich ist, als Lesbe, Schwuler, Bisexueller, Transsexueller, Transgender, Intersexueller oder als sexuell vielfach Wechselnder zu leben (LSBTTIQ). Es soll damit ausgeschaltet werden, dass die Jugendlichen es für selbstverständlich halten, ihr Geschlechtsleben nach ihren angeborenen Körperformen auszurichten. Die Schüler sollen lernen, dass sie selbst die Form ihres Geschlechtslebens bestimmen können. Dass Mann und Frau angeboren und zur Ehe miteinander bestimmt seien, sei ein überholtes Vorurteil, das jetzt überwunden werden müsse.

Aber das ist eine Irrlehre! Dass der Mensch als ein Mann oder als eine Frau durch diese Welt gehen soll – so weiß es jetzt die Hormonwissenschaft ganz genau –, wird bereits unmittelbar bei der Zeugung festgelegt und durch die Einwirkung von Geschlechtshormonen im ungeborenen Kind zur Entfaltung gebracht. Im Alter von 4 bis 7 Jahren merkt das Kind das dann und beginnt sich als Junge nach dem Vater und als Mädchen nach der Mutter auszurichten, um eines Tages ein Mann und ein Vater, als Mädchen eine Frau und eine Mutter werden zu wollen.

Neuerdings soll nun in der Grundschule den Kindern vermittelt werden, dass es auch anders gehen könne. Sie könnten auch hier schon wählen, was sie werden wollen, wenn sie erwachsen sind, z.B. als Junge eine Frau und als Mädchen ein Mann. Das aber sind und bleiben Abweichungen vom angeborenen vorgegebenen Geschlecht, die nach Gender Mainstreaming nun als normal gelehrt und angeregt werden sollen.

Liebe Eltern, Ihnen allen wird dieses neue Unterrichtsziel absurd erscheinen und dieses Konzept als eine ausgefallene Mode, die, so denkt man, bald wieder verschwinden wird. Aber dennoch kann diese Irrlehre für manche unserer Kinder heute zur Verführung werden. Wenn z.B. Jungen in diesem Alter keinen Vater haben, der ihnen ein Vorbild ist, oder den sie nicht nachahmen möchten, weil er säuft, schlägt oder einfach weg ist, während die Mama das Leben packt und gut drauf ist, kann der kleine Sohn in diese Schiene geraten und dann sogar später meinen, er hätte von Anfang an anders sein wollen als es sein Geschlecht vorgibt. Im Jugendalter können solche Kinder dann doch aufgeschlossen sein für die neue Mode. Vielen Eltern in deutschen Ländern, aber auch in manchen anderen europäischen Ländern ist das aber gar nicht recht. Sie demonstrieren vor den Parlamenten; denn dieses Gender Mainstreaming wird in vielen Instituten der EU bereits öffentlich programmiert. Deshalb werden die Unterrichtsmaterialien jetzt bereits dieser Theorie entsprechend verändert.

Eltern! Mit dieser so international programmierten Lehre könnt Ihr nicht einverstanden sein! Denn, wenn sie Erfolg hat, wird es immer weniger Familienbildung geben, und der Geburtenschwund wird immer größer werden. Damit wird die Hoffnung auf Zukunft in Wohlstand immer mehr gefährdet! Erst recht nicht könnt Ihr dann auf Großelternschaft hoffen. Die Enkel bleiben dann aus! Dieser „Hauptstrom“, der jetzt eingerichtet werden soll, entspricht nicht den Wünschen, die die Mehrheit der Menschen heute in Europa hat: Sie wollen in gesunden zusammenhaltenden Familien leben.

Wehrt Euch, Ihr Eltern, gegen solche Schulpläne! Unser Grundgesetz sagt: Die Erziehung der Kinder liegt zuvörderst in der Hand der Eltern. Das Recht zum Widerstand ist auf Eurer Seite!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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Hat das Alte Testament für Christen keine Bedeutung mehr?

Die eine Offenbarung der Liebe Gottes

Weihbischof Dr. Andreas Laun weist die jüngsten Versuche evangelischer Theologen, sich vom Alten Testament zu verabschieden, vehement zurück. Es gibt nach Laun nur eine einzige große Offenbarungsgeschichte der Liebe Gottes zu uns Menschen. Altes und Neues Testament gehören zusammen und erklären sich gegenseitig. Gleichzeitig hat Weihbischof Laun Verständnis für diejenigen, welche mit einzelnen Abschnitten des Alten Testaments Schwierigkeiten haben, besonders mit solchen, in denen Gott zu Gewalt gegenüber anderen Völkern auffordert. Doch Laun lädt dazu ein, das Alte Testament als Ganzes zu betrachten und die Absichten Gottes, die sich hinter all seinem Tun verbergen, verstehen zu lernen.

Von Weihbischof Andreas Laun

Heftige Debatte in der Evangelischen Kirche

Unter evangelischen Christen gibt es zurzeit eine heftige Diskussion über die Frage, welche Bedeutung das Alte Testament für die Christen hat. Die Debatte hatte der Berliner evangelische Theologe Notger Slenczka ausgelöst. Er plädiert dafür, die Schriften des Alten Testaments sollten für Christen keinen normativen Rang mehr haben. Sie verkündeten „in keinem möglichen Sinn“ Jesus von Nazareth „und das in ihm liegende Heil“. Vielmehr seien sie „Texte einer Fremdreligion“, nämlich des Judentums. Diese Auffassung stieß bei namhaften Theologen auf scharfe Ablehnung. Widerspruch kam auch vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm.

Thesen Markions aus dem 2. Jahrhundert

Geschichtlich gesehen handelt es sich um ein uraltes Problem: Ein gewisser Markion hat schon im zweiten Jahrhundert das Alte Testament als Zeugnis eines alten, bösen Gottes verworfen. Die christliche Religion lasse sich darum aus keiner alten Schrift herleiten. Sie sei mit Jesus völlig neu in die Welt gekommen. Jesus habe sich immer auf einen bisher fremden, guten Gott bezogen, der mit dem Gott des Alten Testamentes nichts gemein habe. Prof. Slenczka meint nun, das Alte Testament sei wirklich nicht gleichen Ranges wie das Neue Testament, es handle nicht von Jesus und sei nicht an die Kirche gerichtet. Christen erzählten eine „andere Geschichte von Gott als das AT es tut“, es sei Zeugnis einer anderen Religion!

Ist das Alte Testament Zeugnis einer anderen Religion?

Nun, dagegen ist zu sagen: Wenn das so wäre, wäre Jesus selbst kein „Christ“ gewesen; denn er beruft sich immer wieder auf das Alte Testament: Er geht wie alle Juden in die Synagoge und bezieht eine Verheißung des Propheten Jesaja auf sich selbst – als Erfüllung des Schriftwortes (Lk 4,21)! Ähnliches ereignet sich bei seiner Rede vom „Eckstein“ und seine Gegner verstehen Ihn nur allzu gut (Lk 20,17). Auch seinen Tod sieht Jesus als Erfüllung der Schrift (Lk 22,37). Es ist oft und oft dasselbe Bild: Immer wieder deutet Jesus Sein Leben und Sterben als Erfüllung der Schrift. Er tut dies auch nach seiner Auferstehung gegenüber den Emmausjüngern. Jesus antwortet auf ihre Enttäuschung einmal mehr mit dem Verweis auf die Schrift und die Propheten (Lk 24,25-27): „Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Auch in seinen Gleichnissen bedient sich Jesus immer wieder vieler Bilder aus dem Alten Testament!

Das Neue Testament ist die Erfüllung des Alten

Auch Paulus müsste man die Kompetenz absprechen, über das Evangelium angemessen zu reden: Mit glühender Liebe spricht er über sein Volk und die bleibenden Gaben, die Gott diesem Volk unwiderruflich gegeben hat! Außerdem ist es Paulus (Röm 11,17ff), der mit Nachdruck und Anschaulichkeit darlegt, wie Juden und Christen zusammengehören – wie ein Baumstamm mit seinen Zweigen!

Wer die Jesusbücher von Papst Benedikt gelesen hat, sieht, wie dieser ständig auf biblische Texte des Alten Testaments und des Neuen Testaments zurückgreift, sie in Beziehung setzt und ihre Zusammengehörigkeit erklärt. Der große Exeget Klaus Berger dazu: „Schon Augustinus hat gesagt: „Das Neue Testament ist im Alten verborgen, das Alte Testament im Neuen offenbart!“ Und Berger ergänzt: Auch umgekehrt, denn „oft ist das Alte Testament wie ein Bilderbuch für die Auslegung manch schwieriger Sätze im Neuen!“

Jesus vermittelt kein anderes Gottesbild als das Alte Testament

Der Haupteinwand gegen das Alte Testament ist durch die Jahrhunderte immer derselbe: Ist das Gottesbild des Alten Testaments nicht ein anderes als das des Neuen Testaments, also des Gottesbildes Jesu?

Die Antwort: Erstens: Nein! Jesus betet keinen anderen, nur ihm eigenen Gott an, sondern den Gott Abrahams, den unfassbar einzigen und einen Gott. und Er tut dies nicht als Professor, sondern als der Sohn!

Zweitens: Jesus spricht manch ebenso hart klingende Worte wie manche Worte im Alten Testament. Solche Texte befremden den heutigen Menschen nicht nur im Alten Testament, sondern auch im Neuen Testament. Man denke daran, wie Jesus über die Hölle und den Teufel spricht. Darf man folgern, Jesus hätte keinen Gott der Liebe verkündet, sondern einen Gott der Gesetze und der harten Bestrafung, also einen Gott der „Rache“? Und was die Stellen im Alten Testament betrifft, an denen Gott schreckliche Weisungen zu geben scheint, sollte man bedenken: Es geht nicht um „Berichte“, wie wir Heutigen sie von den Grausamkeiten in den KZs, vom Archipel Gulag und von anderen Genoziden in Asien oder Afrika kennen, sondern nur um eine, zugegeben, sehr drastisch ausgedrückte Botschaft: Gott verteidigt Sein Volk, Er rettet es und setzt Seine Pläne durch! Und dabei lässt Er uns schon im Alten Testament, erst recht im Neuen Testament wissen: Seine Berufung gilt letztlich allen Menschen! Er will das Heil aller!

Drittens: Auch das Alte Testament ist eine einzige Liebeserklärung Gottes an Seine geliebten Menschen, an Sein Volk, zu dem zu gehören alle Menschen berufen sind, wie z. B. der Prophet Jesaja in einem wunderbaren Bild erklärt: „Auf, werde licht; denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz…“ (Jes 60,1ff). An anderer Stelle, an der das Alte Testament die Erwählung des Volkes erzählt, heißt es: „Nicht weil ihr zahlreicher als die anderen Völker wäret, hat euch der Herr ins Herz geschlossen und ausgewählt; ihr seid das kleinste unter allen Völkern. Weil der Herr euch liebt und weil er auf den Schwur achtet, den er euren Vätern geleistet hat, deshalb hat der Herr euch mit starker Hand herausgeführt und euch aus dem Sklavenhaus freigekauft, aus der Hand des Pharao…“ (Deut 7,7-8). Diesen Satz könnte man als Deutungsschlüssel für das ganze Alte Testament bezeichnen. Denn dieses ist die Geschichte der Liebe und Treue Gottes, der Treue und Untreue seines Volkes und dann wieder des Erbarmens und der Vergebung und der Erneuerung des Bundes.

Höhepunkt der einen Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch

Man braucht, um das zu verstehen, nur den Propheten Hosea (Hos 11,8) lesen, den auch Papst Benedikt XVI. (in seiner Enzyklika „Gott ist die Liebe“, Nr. 10)  als „Kronzeugen“ der leidenschaftlichen Liebe Gottes zu den Menschen zu Wort kommen lässt, oder auch die erschütternde Geschichte Gottes mit „seiner Braut, wie sie der Prophet Ezechiel (Ez 16,1-62) erzählt: Die Braut wird zur Dirne, aber Gott nimmt sie schließlich doch wieder in den Bund Seiner Liebe auf. Und so wiederholt sich die Geschichte wieder und wieder: Gott liebt die Menschen, auch trotz ihrer Untreue Er ist und wohnt bei ihnen, Er rettet sie und straft nur, um sich dann wieder erbarmen zu können! Die Geschichte Jesu im Neuen Testament ist nicht eine „andere Geschichte von Gott“ oder gar die einer „Fremdreligion“, sondern der Höhepunkt der einen, großen Gott-Mensch-Geschichte: Gott ist bei Seinem Menschen von der Schöpfung an, Er bricht auch nach dem Sündenfall das Gespräch nicht ab, Er kümmert sich um sie, auch um Kain nach dessen Mord! Beim Menschen ist und bleibt Er bis zu dem: „Und Er hat unter uns gewohnt“ im Prolog des Johannes-Evangeliums. Die Nähe zum Menschen wird durch die Menschwerdung und in der Eucharistie unüberbietbar groß und diese Nähe ist eine Nähe der Liebe (Joseph Ratzinger: Gott ist uns nah, Augsburg 2001, 75ff).

Zusammenfassung: Gottes Offenbarung von Anfang an

Alles zusammenfassend kann man nochmals das AT zitieren. Dort heißt es: „Denn der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott. Er lässt dich nicht fallen und gibt dich nicht dem Verderben preis und vergisst nicht den Bund mit deinen Vätern, den er ihnen beschworen hat. Forsche doch einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde schuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum andern Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses? … Weil er deine Väter liebgewonnen hatte,  hat er alle Nachkommen eines jeden von ihnen erwählt und dich dann in eigener Person durch seine große Kraft aus Ägypten geführt … Heute sollst du erkennen und dir zu Herzen nehmen: Jahwe ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst. Daher sollst du auf seine Gesetze und seine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte, achten, damit es dir und später deinen Nachkommen gut geht und du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt für alle Zeit“ (Deut 4,31-40). Ebenso voller Trost heißt es bei Jeremia: „Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe – Spruch des Herrn –, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben“ (Jer 29,11). Viele andere Stellen könnte man noch zitieren und sich fragen: Was soll denn Gott noch sagen, dass wir Menschen Ihm endlich seine Liebe zu uns glauben, Seine Liebe vom Anfang bis zu dem herrlichen Ende, das wir noch erwarten bei der Wiederkunft des Herrn?!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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Der Einsatz der Kirche für die Jugend (Teil I)

Johannes Paul II.: Die Einzigartigkeit der Jugendzeit

Am 21. Mai 2015 fand im Fuldaer Priesterseminar ein wichtiges Treffen zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag 2016 in Krakau statt. Auf Einladung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) der Deutschen Bischofskonferenz trafen sich zusammen mit Jugendbischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zahlreiche Verantwortliche der deutschen Diözesen, Verbände, Orden, Neuen Geistlichen Gemeinschaften, Kirchlichen Bewegungen und Initiativen für den bevorstehenden Weltjugendtag. Zur inhaltlichen Vertiefung hielt Kurienbischof Dr. Josef Clemens, Sekretär des für die Organisation der Weltjugendtage zuständigen Päpstlichen Rates für die Laien, ein Grundsatzreferat. Er beleuchtete den Einsatz der Kirche für die Jugend von Johannes Paul II. über Benedikt XVI. bis hin zu Papst Franziskus. Zu den drei Pontifikaten legte er zuerst „die grundlegenden Elemente der Sicht des jeweiligen Papstes in Bezug auf die jungen Generationen“ dar und wandte sich in einem zweiten Schritt dem „spezifischen Beitrag“ des jeweiligen Papstes „zu den betreffenden Weltjugendtagen“ zu. Wir veröffentlichen die wertvollen Ausführungen in einer Artikelserie und beginnen mit dem prophetischen Blick Johannes Pauls II. auf die Bedeutung der Jugend für die Zukunft der Kirche.

Von Bischof Josef Clemens, Rom

Die Jugend – „meine Hoffnung“

Am Tag seiner feierlichen Amtseinführung, dem 22. Oktober 1978, grüßte Papst Johannes Paul II. nach dem ersten Angelus-Gebet – improvisierend – die zahlreichen auf dem Petersplatz versammelten Jugendlichen mit Worten, die als eine konzise Synthese seiner persönlichen und pastoralen Haltung gegenüber den jungen Generationen anzusehen sind: „Ihr seid die Zukunft der Welt, die Hoffnung der Kirche! Ihr seid auch meine Hoffnung."[1] Diese wenigen Worte lassen die grundsätzliche Haltung des Papstes gegenüber den Jugendlichen erkennen: Er liebte und suchte die Jugend, er vertraute ihr und sah in ihr eine große Hoffnung für die Kirche und für die Welt.

Und bereits am 8. November 1978 sagte er bei einer Sonderaudienz für 10.000 italienische Schulkinder in St. Peter: „Der Papst hat alle gern, jeden einzelnen Menschen und alle Menschen zusammen, aber er hat eine Vorliebe für die Jüngsten, denn sie hatten auch im Herzen Christi einen bevorzugten Platz; er verweilte gern unter Kindern und Jugendlichen (Mk 19,14; Lk 18,16); die Jugend rief er in besonderer Weise zu seiner Nachfolge auf (Mk 19,21) … Ich danke euch also herzlich, dass ihr zu mir gekommen seid und mir das kostbare Geschenk eurer Jugend, eurer von Freude und Leben erfüllten Augen, eurer vor Begeisterung strahlenden Gesichter mitgebracht habt. Bei dieser ersten Begegnung mit euch möchte ich nicht nur meine herzliche Liebe, sondern auch meine Hoffnung zum Ausdruck bringen. Ja, meine Hoffnung, denn ihr seid die Verheißung von morgen. Ihr seid die Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft."[2]

Das junge Gesicht der Kirche

Rückblickend schrieb er am 31. März 1985 zum Internationalen Jahr der Jugend, das die UNO ausgerufen hatte: „Während ich also voller Dankbarkeit in die Vergangenheit zurückschaue, richte ich meinen Blick auf die jungen Menschen, mit denen ich vom Beginn meines Petrusamtes an einen bevorzugten Dialog aufgebaut habe. Ich erinnere mich, dass ich zum Abschluss jenes ersten Angelus einen besonderen Gruß an sie richtete und sagte: ‚Ihr seid die Zukunft der Welt, die Hoffnung der Kirche. Ihr seid auch meine Hoffnung.‘ Ich muss anerkennen, dass die Antwort der Jugendlichen wirklich ermutigend gewesen ist. Heute möchte ich ihnen dafür danken, dass sie mir in diesen Jahren immer nahe gewesen sind, und ich möchte sie wissen lassen, dass ich auch weiterhin auf sie zähle. Ich empfehle sie dir, Maria, denn du bist die immerwährende Jugend der Kirche. Hilf ihnen, offen zu sein für den Willen Gottes und bereit, großherzig eine gerechtere und brüderlichere Welt aufzubauen."[3]

Schließlich hob er in diesem Brief an seine „geliebten Freunde“ hervor: „Die Kirche blickt auf die Jugendlichen; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen – in euch allen und in jedem einzelnen von euch."[4]

Enormes Potential an Gutem

Der neue Papst erkannte in den Jugendlichen das junge Gesicht der Kirche und er war fest überzeugt, dass die Kirche ihren Enthusiasmus und ihre Frische benötigt. In der Lebensfreude der Jugend – so sagte er – „spiegelt sich etwas von der ursprünglichen Freude wider, die Gott hatte, als er den Menschen erschuf. Gerade diese Freude erfahren die Jugendlichen in sich selbst. Sie ist überall gleich, doch sie ist auch stets neu und einmalig."[5] Und so entdeckte der Papst in den jungen Menschen ein enormes Potential des Guten und schöpferischer Möglichkeiten: Dieser Reichtum erfordert die Aufmerksamkeit und das Zuhören der Kirche noch bevor sie Antworten auf ihre Fragen und Orientierungen auf ihre spezifischen Bedürfnisse geben könne: „Wo immer auf der Welt ich junge Menschen treffe, warte ich zunächst auf das, was sie mir von sich selbst, von ihrer Gesellschaft, von ihrer Kirche sagen. Und immer mache ich ihnen folgendes bewusst: ,Das, was ich euch sage, ist wirklich nicht wichtig; wichtiger ist das, was ihr mir sagen werdet. Ihr werdet es mir mit euren Worten sagen, doch auch mit eurer Gegenwart, eurem Gesang, vielleicht auch mit eurem Tanz, euren Ausführungen und nicht zuletzt mit eurer Begeisterung.‘"[6]

904 Stellungnahmen zum Thema Jugend

Papst Johannes Paul II. hat sich sein ganzes Leben mit den großen Herausforderungen und den Chancen der Jugendpastoral auseinandergesetzt, die einigen bereits als ein verlorenes Feld erschien. Papst Wojtyła hat in den 27 1/2 Jahren seiner Amtszeit außerordentlich viele Begegnungen mit Jugendlichen veranstaltet und nicht weniger als 904 Stellungnahmen (Predigten, Reden, Botschaften, Briefe) zum Thema Jugend abgegeben, die drei umfangreiche Bände mit 2.242 Seiten füllen.[7]

Nach etwa fünfzehn Pontifikatsjahren (1993) greift der italienische Journalist Vittorio Messori im Interviewbuch „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“ die Sicht des Papstes über die Jugend auf und fragt ihn, ob diese wahrhaft der Wirklichkeit entspreche oder ob sie nicht vielmehr eine immer neue Illusion der Erwachsenen sei.[8] Und Johannes Paul II. antwortet ihm: „Wie ist die Jugend von heute? Was sucht sie? Man könnte sagen, dass sie so ist wie immer. Es gibt etwas im Menschen, das keinen Änderungen unterworfen ist … Gerade in der Jugend findet das seine Bestätigung, vielleicht sogar mehr als in jedem anderen Lebensalter. Das hindert aber nicht, dass die jungen Leute von heute auch anders sein können als die von früher."[9]

Stärke des jugendlichen Idealismus

Der Papst erinnert an die schmerzhaften Erfahrungen der Generationen, die – wie er – den Krieg und andere entmenschlichende Ereignisse erlebt haben. Diese haben jedoch in den Jugendlichen Züge eines großen Heroismus freigelegt: „Gerade in jener Zeit der schrecklichen Menschenverachtung, als der Preis für ein Menschenleben so geringgeschätzt wurde wie vielleicht nie zuvor, gerade damals wurde das Leben eines jeden kostbar; es bekam den Wert einer unentgeltlichen Gabe."[10] Und diese Erfahrungen der Heldenhaftigkeit haben dem Papst selbst geholfen, seine persönliche Berufung zu finden. Die heutigen Jugendlichen wachsen hingegen in einem anderen Kontext auf: Sie leben in einer Konsumgesellschaft und machen die Erfahrung einer großen Freiheit. Dies besagt jedoch nicht, dass sie traditionelle Werte ablehnen oder der Kirche fernbleiben würden. Auch die Jugendlichen von heute besitzen Idealismus als eine ihrer Charakteristika, der sich vielfach in der Form der Kritik und nicht einfachhin in einem tätigen Einsatz, wie bei den vorausgehenden Generationen, äußert.[11]

Sinn der jungen Menschen für Gemeinschaft

Bereits der junge Priester Karol Wojtyła hatte die Einzigartigkeit der Jugendzeit entdeckt, die nicht nur eine natürliche Passage im Laufe des Lebens darstellt, sondern „sie ist eine Zeit, die die Vorsehung jedem Menschen als eine Aufgabe gegeben hat. In dieser Zeit sucht der Jugendliche, wie der junge Mann aus dem Evangelium, die Antwort auf grundlegende Fragen. Er sucht nicht nur den Sinn des Lebens, sondern auch ein konkretes Lebensprojekt, um mit dem Aufbau seines Lebens zu beginnen."[12] Hier kommt mir das bekannte Sprachspiel von Gabe und Aufgabe in den Sinn, d.h. die Jugendzeit ist eine besondere Gabe, der ebenso eine besondere Aufgabe entspricht. Daher ist die Rolle der Eltern und Erzieher von fundamentaler Bedeutung, da die Jugendlichen wohlwollende und sichere Begleiter benötigen.

Johannes Paul II. findet im Sinn für Gemeinschaft eine zweite Charakteristik des jugendlichen Alters. „Die jungen Menschen … wissen, dass sie für die anderen und mit den anderen leben müssen; sie wissen, dass ihr Leben insofern einen Sinn hat, als es zu einer unentgeltlichen Gabe an den Nächsten wird."[13] Hier ist auch der Ort der verschiedenen Berufungen, zum Priestertum, zum Ordensleben und zur Ehe – und der folgenden Lebensentscheidung. Alle diese Berufungen sind jedoch als Geschenke zu betrachten.

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[1] Johannes Paul II.: Angelus-Gebet, 22.10.1978, in: O.R. dt., Nr. 43, 27.10.1978, 3. Nur die italienische Tagesausgabe des L’Osservatore Romano (O.R., 23./24.10.1978, 2) gibt den exakten Ablauf des ersten Angelus-Gebetes und der Grußworte von Papst Johannes Paul II. am 16.10.1978 auf dem Petersplatz wieder! Vgl. Johannes Paul II.: Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, hrsg. von Vittorio Messori, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, ²1994,153.
[2] Vgl. Johannes Paul II: Ansprache bei der Sonderaudienz für zehntausend italienische Schulkinder in St. Peter, 8.11.1978, in: O.R. dt., Nr. 46, 17.11.1978, 12.
[3] Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben „Dilecti amici“ an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend, 31.3.1985, Vatikanische Polyglott-Druckerei, Vatikanstadt 1985 (= O.R. dt., Nr. 13, 29.3.1985, 5-11, 5), Nr. 1; vgl. Paul Josef Cordes: Der Papst im Gespräch mit jungen Menschen, in: O.R. dt., Nr. 13, 29.3.1985, 12.
[4] Dilecti amici, Nr. 15.
[5] Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 153.
[6] Ebd.
[7] Vgl. Ulrich Cyrille Miyigbena (Hrsg.): Giovanni Paolo II parla ai giovani. Opera Omnia. Collana completa di tutti i discorsi rivolti ai giovani nell’arco del pontificato nelle lingue originali, 3 Bände, Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 2011; vgl. auch Päpstlicher Rat für die Laien (Hrsg.): Der Heilige Vater spricht zur Jugend. 1980-1985, in: Laien heute, Nr. 30, Vatikanstadt 1985.
[8] Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 146.
[9] Ebd.
[10] Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 147.
[11] Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 147f.
[12] Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 150.
[13] Ebd.

Deutschlandtreffen der Charismatischen Erneuerung

Oasen in der Glaubenswüste

Das Deutschlandtreffen der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche (CE) fand dieses Jahr vom 14. bis 17. Mai in und um die Kreissporthalle in Künzell bei Fulda statt. Etwa 1.400 Teilnehmer wurden beim „Mittendrin“ geistlich gestärkt. „Ein Segen sein“ lautete diesmal das Motto. Es machte von vornherein deutlich, dass es nicht nur ums Auftanken ging.

Von Beate Dahinten

Christen sind dazu berufen, Salz und Licht in der Welt zu sein – oder, um ein Bild von CE-Vorsitzendem Diakon Helmut Hanusch zu gebrauchen – „Oasen zu sein in der Glaubenswüste, die sich immer weiter ausbreitet“. Mit viel Leidenschaft und markanten Worten warb er im Abschlussgottesdienst dafür, die spezifische Berufung als Charismatische Erneuerung mehr zu leben, sowohl als Bewegung und Gruppe wie auch als Einzelne. Er rief dazu auf, sich vom Heiligen Geist neu erfüllen und im Alltag leiten zu lassen. „Wo charismatisch drauf steht, muss auch charismatisch drin sein“, sagte Helmut Hanusch. Alles andere sei eine Mogelpackung.

Den Sendungsauftrag, aus der Freude über die Begegnung mit Jesus heraus, hatte zuvor auch Paul Metzlaff betont. Der frühere Mitarbeiter in der Jugendarbeit der CE ist inzwischen im Referat Glaubensbildung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz tätig. Er machte deutlich, dass sich die katholische Kirche spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Notwendigkeit zur Mission wieder neu bewusst wird, und bezog sich ausdrücklich auf das Schreiben „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus. Dabei hatte der Sendungsauftrag schon vor dem Vaticanum am Ende jedes Gottesdienstes gestanden: Das lateinische Schlusswort „Ite missa est“ bedeutet: „Geht, jetzt ist Sendung“. Und wo dieser Auftrag befolgt wird, „werden wir neu und die Kirche“, sagte Paul Metzlaff.

Wesentlichen Anteil an der Stärkung der Teilnehmer für diesen Auftrag hatte Hauptreferent Dale Kauffmann. Der Leiter von „King’s Kids International“, einem Arbeitszweig des weltweiten Missionswerks „Jugend mit einer Mission“, führte anschaulich vor Augen, wie wichtig das Miteinander der Generationen in der Familie Gottes ist: von den ganz Jungen als Pfeilspitze über die mittlere Generation als Schaft und den Älteren als die Federn, die dem Pfeil Stabilität und Richtung geben.

Nicht weniger beeindruckend, wie authentisch Dale Kauffmann die Liebe vor Augen stellte, die Gott jedem Einzelnen entgegenbringt, eine Wertschätzung, die nicht auf Leistung beruht, sondern auf der Identität als Kinder Gottes. Und er ermutigte die Teilnehmer, einander mit derselben Wertschätzung zu begegnen, die Menschen mit Gottes Augen zu sehen – eine wichtige Voraussetzung, um ihnen die Frohe Botschaft weiterzusagen.

Zu den vielen Höhepunkten gehörten die Besuche prominenter Gäste. Der Fuldaer Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez brachte seine enge Verbundenheit mit der CE zum Ausdruck und seine Freude, wieder bei dem Treffen dabei zu sein. „Bei euch fühl’ ich mich immer mittendrin“, sagte Diez unter dem Beifall der Teilnehmer, „das ist immer für mich eine Energie-Erfahrung, eine Erfahrung des Heiligen Geistes.“

„Ein großes, dickes Lob“ gab es auch von Henning Dobers, Vorsitzender der Geistlichen Gemeindeerneuerung in der Evangelischen Kirche (GGE): „Die Katholiken sind einfach gut drauf“, sagte er. Weiter wies Dobers auf den gemeinsamen Kongress „Pfingsten 21“ nächstes Jahr in Würzburg hin. Die Grüße der Initiative „Miteinander für Europa“ überbrachte Gerhard Proß.

Wie immer beim „Mittendrin“ gab es viel Lobpreis, ein großes Spektrum an Workshops sowie Möglichkeiten für persönliche Segnung und Seelsorge. Für die Kinder und Jugendlichen wurde das Thema „Ein Segen sein“ altersspezifisch vermittelt. Ein Highlight für die Familien war die Mitmach-Show von Kinderliedermacher Daniel Kallauch.

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Einladung zum 1000plus-TAG am 25. Juli 2015 im Gospel Life Center e.V. in Feldkirchen bei München

Pro Femina eröffnet neue Beratungsstelle für Schwangere

Von 2009 bis Ende 2014 wurden im Rahmen des Projekts 1000plus über 7.500 Frauen beraten, davon befanden sich deutlich mehr als 80% im existenziellen Schwangerschaftskonflikt. In den Konfliktfällen, in denen die Frau ihre Entscheidung mitgeteilt hat, haben sich rund 70% für ihr Baby entschieden. Die Beratungsorganisationen von 1000plus stellen keine Beratungsscheine nach § 219 StGB aus. Die Beratung wird zu 100% aus Spenden finanziert.

Von Paula von Ketteler

Ab 1. September wird 1000plus nun auch in München mit einer „Beratungsstelle Bayern“ für ungewollt schwangere Frauen vertreten sein. Neben Heidelberg wird München damit zum zweiten Standort einer Beratungsstelle von Pro Femina. Der Verein unterhält außerdem auch eine dezentral arbeitende Online-Beratung. Ziel ist es, mit der neuen Beratungsstelle mittelfristig rund 1.000 weiteren Frauen im Schwangerschaftskonflikt Beratung und Hilfe zur Verfügung stellen zu können.

Laut Pro Femina übersteigt der Bedarf an Beratung die vorhandenen Kapazitäten bei Weitem, weshalb sich 1000plus laufend um einen Ausbau der Beratungsstrukturen bemüht. Im vergangenen Jahr wurden im Rahmen von 1000plus insgesamt 2.191 Frauen beraten, für dieses Jahr lautet das Ziel 3.000 Beratungsfälle. Die Frage, wie man Frauen im Schwangerschaftskonflikt erreichen könne, sei bereits beantwortet, so die Frauenhilfsorganisation. Vielmehr fehle es noch an den finanziellen Mitteln, um ausreichend qualifizierte Beraterinnen mit einem klaren Ja zum Leben einstellen zu können.

„Der Ausbau unserer Beratungsarbeit wird – wie alles, was wir bei 1000plus bisher erreicht haben – nur gelingen, wenn sich viele Menschen dahinter stellen, mit anpacken und das ihre dazu beitragen,“ so Kristijan Aufiero, Projektleiter von 1000plus. Daher haben die am Projekt beteiligten Organisationen Pro Femina e.V., Die BIRKE e.V. und die STIFTUNG JA ZUM LEBEN für die „Beratungsstelle Bayern“ eine eigene Spendenkampagne gestartet. Mit Hilfe eines „matching fund“ wird jede Spende für den Aufbau der neuen Beratungsstelle durch eine kleine Gruppe von Großspendern verdoppelt. Start der Spendenaktion ist der bevorstehende 1000plus-TAG München am 25. Juli.

In einem Brief an die Unterstützer des Projekts erläutert Kristijan Aufiero die Gründe für die Standortwahl München: Bereits jetzt erhalte 1000plus sehr viele Beratungsanfragen von ungewollt schwangeren Frauen aus Bayern. Auch auf der von Pro Femina betriebenen Beratungsplattform vorabtreibung.net rangiere München an zweiter Stelle nach Berlin. Zudem sei die bayerische Landeshauptstadt aus der ganzen Metropolregion mit ihren 5,8 Millionen Einwohnern problemlos innerhalb von einer Stunde erreichbar. Durch gezielten Ausbau der Werbemaßnahmen für diese Region können hier betroffene Frauen noch besser erreicht werden. Nicht zuletzt biete München sehr gute Möglichkeiten, gute und langfristige Mitarbeiter zu finden.

1000plus leistet Beratung und Hilfe für ungewollt Schwangere im gesamten deutschsprachigen Raum. Seit Projektstart im Jahr 2009 hat 1000plus über 7.500 Frauen im Schwangerschaftskonflikt beraten und ihnen geholfen, eine Perspektive für ein Leben mit ihrem Kind zu entwerfen.

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Online-Petition an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

Ehe bleibt Ehe!

Ehe bleibt Ehe!

Motiviert durch das Votum der Iren zur „Homo-Ehe“ versuchen jetzt auch bei uns gut vernetzte Gruppen den Durchmarsch. Zigtausend Unterzeichner fordern von Bundeskanzlerin Merkel die „Ehe für alle“. Mehrere rot-grün regierte Bundesländer haben eine Bundesratsinitiative zur „Öffnung“ der Ehe angekündigt. Es ist höchste Zeit dagegen aufzustehen. Die Initiative Demo für alle hat als erste Maßnahme einen Appell an Angela Merkel entworfen, den jeder online (Link siehe unten) mit seiner „Unterschrift“ unterstützen kann.

Aktionsbündnis Demo für Alle 

Wer die Ehe umdefiniert, raubt dem Kind sein natürliches Recht auf Vater und Mutter“ (Hedwig von Beverfoerde, Aktionsbündnis DEMO FÜR ALLE). „Wer die ,Ehe für Alle‘ fordert, wird sich bald noch wundern, was dann alles gern Ehe sein würde. Wer einmal glaubt, Ehe umdefinieren zu können, der wird es auch ein zweites, drittes oder vielfaches Mal tun“ (Birgit Kelle, Frau 2000plus).

Am 21. Juni 2015 veranstaltete das Aktionsbündnis DEMO FÜR ALLE in Stuttgart eine Demonstration für die Verteidigung der Ehe, für die Familie und den Schutz ihrer Kinder vor Sexualisierung und Gender-Indoktrination. Mit mehr als 4.600 Teilnehmern konnte die Protestaktion einen Rekord verzeichnen. Es war bereits das fünfte Mal, dass das Bündnis zum Protest aufgerufen hatte. Am 11. Oktober ist in Stuttgart wieder eine solche Aktion geplant.

Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Dörflinger und Thomas Bareiß verurteilten in ihrem Grußwort das Ansinnen der grün-roten Landesregierung, den Menschen vorschreiben zu wollen, „wie wir zu leben und wie wir unsere Kinder zu erziehen haben.“ Auch die sog. „Ehe für Alle“, die anlässlich der aktuellen Debatte erstmals ebenfalls im Zentrum der Demo stand, kritisierten die beiden und machten deutlich, dass es hierbei „im Kern nicht um Gleichstellung geht, sondern am Ende des Tages um die Abschaffung der Ehe.“

Appell an Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Dr. Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

jedes Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter. Denn es ist unsere Natur, dass der Mensch aus dem Liebesakt eines Mannes mit einer Frau gezeugt wird. Den verbindlichen Rahmen dafür bietet seit jeher die Ehe. Das Wesen der Ehe als Lebensbund zwischen Mann und Frau ist nicht von menschlichen Gesetzgebern erfunden, sondern vorstaatlich und kann weder von Parlamenten noch vom Zeitgeist verändert werden. Die Ehe ist Keimzelle der Familie und der Gesellschaft. Allein deswegen steht sie im Grundgesetz unter dem besonderen Schutz des Staates.

Selbstverständlich können auch Menschen gleichen Geschlechts Verantwortung füreinander übernehmen. In Deutschland hat Rot-Grün 2001 – in bewusster Abgrenzung zur Ehe – dafür ein eigenes Institut geschaffen, die Eingetragene Lebenspartnerschaft. 14 Jahre später fordern sie plötzlich die „Ehe für Alle“.

Das staatliche Institut Ehe für gleichgeschlechtliche Verbindungen zu „öffnen“ wäre indes ein gigantischer Etikettenschwindel – mit gravierenden Folgen. Es gäbe keinen Grund mehr, das Ehe-Institut nicht noch mehr auszuweiten. Alle Arten von Polygamie müssten demnächst ebenso als „Ehe“ anerkannt werden. Da auch gleichgeschlechtliche „Ehe“partner ein Recht auf eigene Kinder geltend machen, wären Volladoption, künstliche Befruchtung und – besonders verwerflich – Legalisierung der bei uns strafbaren, da zutiefst menschenunwürdigen Leihmutterschaft zwingende Folge.

Das natürliche Recht des Kindes auf Vater und Mutter würde damit abgeschafft. Dazu jedoch hat niemand, keine Lobbygruppe, keine Regierung und kein Parlament das Recht!

Ich bitte Sie deshalb, allen Forderungen, die Ehe zu öffnen, entschieden entgegenzutreten und klarzustellen: Ehe bleibt Ehe – und zwar zwischen Mann und Frau.

Mit freundlichen Grüßen

[Ihr Name]

 

Unterschreiben können Sie die Petition online unter:

www.citizengo.org/de/24468-ehe-bleibt-ehe

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Unverdächtiger Zeuge berichtet über die Zeit des Dritten Reichs

Erfahrungen von Victor Klemperer mit Katholiken

Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes macht Diplomtheologe Reinhold Braun auf das Zeugnis von Victor Klemperer (1881-1960) aufmerksam. Dabei geht es ihm vor allem um die Eindrücke, welche der jüdisch-stämmige Philologe und Politiker während des Dritten Reichs und am Ende des Zweiten Weltkriegs von überzeugten Katholiken gewonnen hat. Klemperer, der nach dem Krieg als Abgeordneter der Volkskammer am Aufbau der DDR mitwirkte, hatte seine Alltagserfahrungen in Tagebüchern genau festgehalten. Eine erste Dokumentation veröffentlichte er bereits 1947, doch erschienen seine umfangreichen Aufzeichnungen erst ab 1995.

Von Reinhold Braun

Unverdächtiger Zeitzeuge

Wer war Victor Klemperer? Victor Klemperer (1881-1960) war Jude, Protestant, Kommunist – also alles Mögliche, nur nicht Katholik. Was war Victor Klemperer? A) Obwohl er Sohn eines Rabbiners war, ließ er sich am 22.3. 1912 protestantisch taufen. B) Er machte wissenschaftliche Karriere und lehrte seit 1920 als Professor für Romanistik in Dresden. 1935 entließen ihn die Nationalsozialisten. C) Klemperer schrieb sehr interessante Tagebücher. Besonders bemerkenswert sind seine Aufzeichnungen von 1933 bis 1945, in denen er seine Alltagserlebnisse als von den Nazis stigmatisierter Jude in Deutschland beschreibt. Es sind Dokumente des Grauens. Er beschreibt seine Situation zutreffend als „Sklaverei“. D) Nach dem Krieg trat Klemperer der KPD bei. Er machte Karriere in der „DDR“ und gehörte sogar der so genannten Volkskammer an.

Aufenthalt im Gebiet katholisch geprägter Sorben

Von 12. bis 14. Februar 1945 kam der „Feuersturm“ durch das alliierte Bombardement über Dresden. Nicht nur das „Judenhaus“, in dem Klemperer und seine Frau Eva wohnten, wurde zerstört, sondern weite Teile Dresdens. Vorher war Klemperer als jüdisch-stämmig registriert und damit schikaniert, gedemütigt, ausgebeutet. Am 13.2. legte der den Judenstern ab, weil er davon ausging, dass jetzt die Verwaltung in Dresden nicht mehr funktionierte. Klemperer zog dann, am 18.2., zu seiner ehemaligen Hausgehilfin nach Piskowitz im Gebiet der (wie er selber schreibt) „Wenden“ (= Sorben). Es ist eine katholisch geprägte Gegend. Klemperer schreibt: „… die große Anzahl von Marien- und Heilandbildern an Häusern, an Felsen, überall. Ein Christus mit steinerner Säule an der kleinen Brücke.“[1] Über die katholische Verwandtschaft der ehemaligen Haushälterin schreibt er: „Mit gleicher Selbstverständlichkeit und Herzlichkeit begrüßten uns ihre Angehörigen, die sofort über uns im Bilde waren."[2] Einen Verwandten charakterisiert er ausdrücklich als „leidenschaftlich anti-nazistisch, katholisch, tschecho- und slawophil“.[3]

Flucht nach Bayern und Begegnung mit Fritz Gerlich

Ab 3.4. flohen Klemperer und seine Frau Richtung Bayern. Sie landeten schließlich, am 12.4., in Unterbernbach, einem katholischen Dorf nach Aichach. Klemperers Erfahrungen mit Katholiken dort: „Der Wirt erzählte …, dass er niemals in der Partei, dass er katholischer Geselle gewesen, und wie er mit der SA gerauft und sich Respekt verschafft habe."[4] Besonders beeindruckt scheint Klemperer von Fritz Michael Gerlich, dem katholischen Konvertiten. Von Gerlich erfuhr Klemperer über Frau Steiner, die in Unterbernbach lebte. Sie war die Ehefrau von Johannes Steiner, Redaktionskollege von Gerlich und später Mitinhaber des für seine Kirchenführer berühmt gewordenen Verlags Schnell&Steiner. Klemperer schreibt: „Frau Steiner … rühmte sich also, wie oft ihr Mann, der am ,Geraden Weg‘ Redakteur gewesen, unter Gerlich, ,dem schärfsten Gegner der Nationalsozialisten, den sie in Dachau totgeschlagen haben‘, wie oft er, wie oft sie beide Juden geholfen, Leute aufgenommen, verborgen und befördert hatten, die ohne Papiere waren."[5]

Katholiken in der Nazi-Zeit – Fazit

A) In seinem bekannten Buch zur Sprache des Dritten Reiches „LTI“ (= Lingua Tertii Imperii) zieht Prof. Dr. Klemperer folgende Bilanz aus seinen Erfahrungen damals: „Wer es ernst nahm mit dem katholischen Glauben, der stand jetzt dicht neben den Juden in gleicher Todfeindschaft wider Hitler."[6] B) Katholiken/innen waren für Prof. Victor Klemperer in der Nazizeit: Menschen, die ihm selbstverständlich geholfen haben; die sich freundlich in ihrer Mehrheit zeigten; die gegen die Nazis waren. Und das bezeugt ein Mann, der von Haus aus Ressentiments gegen Katholiken hatte.

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[1] Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1942-45, Aufbau-Verlag Berlin 1995, 1. Aufl., 680.
[2] A.a.O., 681.
[3] A.a.O., 681.
[4] A.a.O., 761.
[5] A.a.O., 768.
[6] Victor Klemperer: LTI, Reclam Leipzig 31975, 3. Aufl., 349.

Wie ein Nahtod-Erlebnis das Leben eines Menschen verwandeln kann

Gott ist die Liebe

Gott ist die Liebe

Im Media Maria Verlag ist ein Buch von Josef Atzmüller erschienen, der durch seine zahlreichen Vorträge einem ausgedehnten Publikum bekannt ist. Das neue Buch mit dem Titel „Gott ist die Liebe. Ich habe es erfahren"[1] vermittelt einen tiefen Einblick in das Leben, das sich hinter seinem religiösen Engagement und vielgefragten Zeugnis verbirgt.

Von Erich Maria Fink

Zunächst führt Josef Atzmüller den Leser zu seinem Schlüsselerlebnis hin, in dessen Licht er sein ganzes Leben interpretiert. Es handelt sich um eine sog. „Nahtod-Erfahrung“, die er 1964 im Alter von 16 Jahren gemacht hat. Ein Blinddarmdurchbruch war vom behandelnden Arzt nicht rechtzeitig erkannt worden, sodass sich eine unheilbare Bauchfellentzündung einstellte. Auf erschütternde Weise berichtet Atzmüller, wie er seinen Tod erlebte. Als die Ärzte den letzten Tag gekommen sahen, informierten sie seine Eltern und nächsten Bekannten, um sich im Krankenhaus von Josef zu verabschieden. Diese allerdings glaubten, Josef in einem bewusstlosen Zustand vorzufinden, da er sich weder durch Bewegungen noch durch Worte bemerkbar machen konnte. Auch hatte er an diesem 19. Dezember die Sterbesakramente empfangen, bis schließlich sein Tod festgestellt und der leblose Körper für das Begräbnis hergerichtet wurde.

Ausführlich beschreibt Atzmüller, wie er den Weg ins Jenseits erlebt hat und wie ihn die damit verbundenen Erfahrungen für immer geprägt haben. Sie sollten zum Ausgangspunkt eines nachhaltigen apostolischen Wirkens werden, in dessen Mittelpunkt das Zeugnis über die Berührung mit Gott als grenzenloser Liebe steht. So bildet das letzte Viertel des Buchs, das mit den Worten „Brüder und Schwestern bitten mich um Rat“ überschrieben ist, einen ganz eigenständigen Teil. Unabhängig von seiner Biografie zeigt Atzmüller an verschiedenen Beispielen auf, wie er hilfesuchenden Menschen Wegweisungen erteilt, welche sich aus seiner Lebenserfahrung ergeben.

Einerseits ist die Lebensbeschreibung sehr durchdacht aufgebaut. Immer wieder schließen sich Kreise und man versteht, warum Atzmüller einzelne Details an früherer Stelle eben auf ganz bestimmte Weise gedeutet hat. Andererseits nimmt sein Weg ständig unerwartete Wendungen. Und das macht sein Zeugnis so spannend und einzigartig.

Sein Nahtod-Erlebnis nennt Atzmüller eine „Jenseitserfahrung“. Die Kirche ist in der Beurteilung solcher Phänomene zurückhaltend. Sie erklärt in der Regel, dass es sich zwar um einen Sterbevorgang handelt, bei dem sich die unsterbliche Seele vom Körper loslöst. Doch handele es sich eben nicht um einen wirklichen Tod. Deshalb könne auch nicht von einem Eintritt ins „Jenseits“ im eigentlichen Sinn des Wortes gesprochen werden, sondern höchstens von Einblicken, die sich aus der Unabhängigkeit von körperlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten und Bindungen ergeben. Atzmüller wagt zwar philosophische und theologische Auswertungen seiner Erinnerungen. Doch hält er sich bewusst in Grenzen und beschränkt sich letztlich darauf, wie sich im Licht seiner damaligen Empfindungen sein Gottesbild, sein Verständnis von Sünde und sein unerschütterliches Gottvertrauen herausgebildet haben.

Das Verhältnis Atzmüllers zur katholischen Kirche, wie er sie konkret erlebt hat, gleicht einer Gratwanderung. Er spart nicht mit kritischen Anmerkungen, lässt am Ende aber doch ein unzweideutiges Bekenntnis zur Lehre und zu den Schätzen der Kirche aufleuchten.

Insgesamt ist es erstaunlich, wie ein Mann, der 1971 in die Computerbranche eingestiegen ist, in einem weltweiten Consulting-Unternehmen Karriere gemacht und anschließend als selbständiger Unternehmensberater gearbeitet hat, immer in lebendiger Verbindung mit Gott geblieben ist und sein Leben bewusst aus dem Glauben heraus gestaltet hat. Neben seinem bewegten Berufsleben steht ein abenteuerliches Auf und Ab in seiner Familie. Doch auch im Scheitern seiner Beziehung reift seine Persönlichkeit und wächst sein Glaube. Ohne den inneren Frieden und das versöhnte Verhältnis zu Gott zu verlieren, wagt er über die Annullierung seiner Ehe einen glücklichen Neuanfang.

Für Atzmüller ist Gott wunderbare, grenzenlose Geborgenheit. Die Nähe Gottes, die er erleben durfte, vermittelte ihm ein bleibendes Gefühl von unendlicher Freude, Gelassenheit und Liebe. Und so ist für ihn Sünde all das, was diese Liebe verletzt. Doch Gott bietet jedem Menschen die Möglichkeit an, sich aus der zerstörerischen Kraft der Sünde zu befreien. Als wichtigste Voraussetzung dazu sieht Atzmüller die Demut. Wenn wir unseren Stolz überwinden und unser Versagen bekennen, macht Gott, so pflegt es Atzmüller zu formulieren, „aus unserem Mist sogar noch einen guten Dünger“. Das ganze Leben ist für ihn eine Vorbereitung auf die Ewigkeit. Ohne Hemmungen spricht er vom Fegfeuer und lädt dazu ein, seine Probleme bei der Heiligen Messe in das Opfer Christi einzuschließen und von der Macht der Liebe Gottes verwandeln zu lassen. Und eine besondere Nähe verspürt er zum Kirchenvater Dionysius Areopagita, den er für den größten Mystiker des Abendlandes hält.

Atzmüller sieht sich selbst als „einen Menschen, der im Jenseits war, der dem Licht des Schöpfers begegnet ist“, wie er im Vorwort schreibt. „Für ihn ist ein Leben nur dann wirklich gelungen, wenn er sich im Licht der Ewigkeit in einer vollkommenen Geborgenheit, in der Liebe des Schöpfers, letztendlich befindet. Auch in dieser Welt können wir diesem Himmel oft schon ganz nahe sein, wenn wir den Mut haben, uns vom Geist des Schöpfers führen zu lassen. Nicht vollkommen und perfekt zu sein, führt uns zum Ziel, sondern vielmehr Demut und Gottvertrauen. Es sind jene Eigenschaften, die uns schon in dieser Welt Gelassenheit, Frieden und Freude schenken.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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[1] Josef Johann Atzmüller: Gott ist die Liebe. Ich habe es erfahren. Geb., 13,5 x 20,5 cm, 224 S., ISBN 978-3-9454011-5-6, Euro 15,95 (D), 16,40 (A). Bestell-Tel. 07303-952331-0, Fax: 07303-952331-5 oder mit E-Mail: buch@media-maria.de – Verlagshomepage: www.media-maria.de

Der Betrachter erahnt das Mysterium des Gottmenschen

Auge in Auge mit dem Antlitz Christi

Die Grab-Reliquie, welche in Turin aufbewahrt und nur zu bestimmten Zeiten ausgestellt wird, gehört zu den größten Schätzen des Christentums. Die Seele des Betrachters wird zu einer innigen Vereinigung mit Christus hingeführt. Um eine solche geistliche Wirkung zu erzielen, wurde auch eine Faksimile-Reproduktion der Kopfpartie des Turiner Grabtuchs geschaffen.

Von Daniel Langhans

Die Ausstellung des Turiner Grabtuchs, die am 24. Juni zu Ende gegangen ist, hat wieder unzählige Menschen aus aller Welt zu einer Begegnung der ganz besonderen Art mit Christus geführt. Warum machen sich so viele gläubige Menschen auf die Pilgerreise nach Turin, nur um das Grabtuch zu betrachten? Sie wollen unserem Heiland nahe sein, sich ihm nahe fühlen. Dabei gibt uns die Vielfalt der positiven Hinweise gerade auch auf naturwissenschaftlicher Basis die Zuversicht, dass es sich tatsächlich um das Grabtuch des gekreuzigten Christus handelt und wir vor demselben Tuch stehen können, das bereits im Johannes-Evangelium (Joh 19,4) als „langes Leinentuch“ erwähnt wird.

Mag der Austausch von Argumenten für die Wissenschaft wichtig sein – der Eindruck, den der Betrachter des Turiner Grabtuchs gewinnt, ist erschütternd. Vor dem durch Leiden erwirkten Ausdruck völliger Erschöpfung und zugleich überirdischer Ruhe dieses Antlitzes gerät der Betrachter unwillkürlich ins Verstummen. Es ist buchstäblich eine „Begegnung der anderen Art“, das heißt: wenn wir in dieses Antlitz blicken, dürfen wir tatsächlich etwas erahnen „vom Mysterium des Gottmenschen Jesus Christus“, wie bereits der sel. Papst Paul VI. festgestellt hat.

Solche Begegnung einer größeren Zahl von Menschen zugänglich zu machen – ob als Erinnerung an die Pilgerreise oder besonders auch für diejenigen, die nicht nach Turin pilgern können –, dient die Faksimile-Edition des katholischen Verlegers Klaus Düsterhöft, der sich seit der Errettung des Tuches beim Brand des Turiner Doms am 12. April 1997 intensiv mit dem Turiner Grabtuch beschäftigt hat.

Was macht nun dieses Faksimile des Verlages Kunstkreis so besonders – abgesehen davon, dass es in einer manuellen Schablonen-Drucktechnik perfekt hergestellt wurde und der markante Fischgrat-Leinenstoff in Stärke, Dichte und Struktur mit dem Originaltuch identisch ist? Es ist die Position! Ein 4-Meter-Tuch kann man sinnvollerweise nur in horizontaler Weise zeigen. Hier jedoch, bei dem originalgetreuen Abbild der Kopfpartie, schauen wir direkt – sozusagen Auge zu Auge – in das Antlitz des Gekreuzigten! Wie will man mit Worten beschreiben, was die Seele in solchen Momenten anrührt: „Jesus, wirke Du in meinem Innern!“

Die vorliegende Faksimile-Reproduktion ist hervorragend geeignet zum Einsatz in Gebetsgruppen, bei Exerzitien und katechetischen Schulungen, aber ganz besonders auch als „Ikone aller Ikonen“ für den privaten Bereich. Wir wünschen diesem Faksimile von Herzen eine weite Verbreitung.

Prälat Prof. Ghiberti im August 2000:

Das Faksimile des heiligen Grabtuchs von Turin, das von der Kunstkreis Verlags-GmbH geschaffen worden ist, hat zwei kostbare Instrumente zur Grundlage: zum einem das offizielle Foto, das während einer Privatausstellung am 25. Juni 1997 von Giandurante aufgenommen wurde, und zum anderen eine exakte Stoff-Reproduktion des Originaltuchs, die von dem Textiltechniker Vercelli entwickelt und auf dem Sindone(Grabtuch)-Forschungskongress im März 2000 als weltweit konkurrenzlos beste bewertet wurde. Diese beiden Faktoren zusammen mit der aufgeklärten und geduldigen Leidenschaft des Verlegers Klaus Düsterhöft haben ein beneidenswertes Ergebnis von Identität und warmer Nähe zwischen Faksimile und Original erzielt.

Ein Bild von einem Bild zu machen, scheint normalerweise nichts Besonderes zu sein. Aber nicht so bei unserem Faksimile – einer vollkommenen und liebevollen Nachahmung jenes geheimnisvollen ‚Zeichens‘, das als Echo der Stimme des Evangeliums zu verstehen ist. Die Tatsache seiner Existenz hilft dabei, die stumme Botschaft der Liebe des unschuldig Gekreuzigten gegenwärtig zu machen, der durch sein Leiden die Welt gerettet hat. Als echter Diener des Evangeliums setzt es in unseren Häusern den Ruf fort, den viele Pilger gespürt haben: „Wenn das der Preis seiner Liebe gewesen ist, wie wird Deine Antwort sein?“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 7/Juli 2015
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