Liebe Leser

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Die diesjährige „Woche für das Leben“ lässt mit ihrem mutigen Thema aufhorchen. Es lautet: „Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“. Unerschrocken wird mit dieser Auflistung beim Namen genannt, worauf die Entwicklung der modernen Reproduktionsmedizin abzielt. Mediziner und Eltern wollen immer mehr Einfluss auf die Qualität des Kindernachwuchses nehmen. Der Mensch wird zum „Produkt“, das nach ständiger Optimierung verlangt. Kommerzielle Reproduktionszentren schießen wie Pilze aus dem Boden. Das gilt auch für Deutschland, obwohl hierzulande immer noch ein sehr weitreichendes Embryonenschutzgesetz in Kraft ist. Doch das Geschäft läuft im Grunde genommen völlig unkontrolliert. Kaum noch jemand fragt nach rechtlichen oder ethischen Grenzen.

Ohne Hemmungen werden künstlich Embryonen gezeugt und nach genetischen Gesichtspunkten selektiert. Hatte man zunächst nur nach Erbanlagen Ausschau gehalten, die zu Krankheiten und Behinderungen führen können, wird inzwischen auch eine „ausbalancierte Familienplanung“ vorgenommen und nach dem Geschlecht aussortiert.

Die Nachfrage boomt. Einerseits wächst die Faszination und Begeisterung für die Möglichkeit, sich im Blick auf Kinder die eigenen Wünsche zu erfüllen. Andererseits nimmt der Druck auf Eltern und Ärzte ständig zu. Beim geringsten Verdacht auf Anomalitäten drängen die verschiedensten Seiten zur Abtreibung. Der Gesetzgeber droht den Ärzten mit persönlicher Haftung für den Lebensunterhalt behinderter Kinder, Krankenkassen entziehen ihre Leistungen, die Gesellschaft zeichnet ein Bild von asozialem Verhalten, wenn bei entsprechender Diagnose keine Abtreibung vorgenommen wird. Und die vorgeburtliche Untersuchung wird zu einer moralischen Verpflichtung umgemünzt.

Die Dämme sind gebrochen. Wie konnte es in kürzester Zeit soweit kommen? Ganz wesentlich hat die Legalisierung der Abtreibung zu einem umfassenden Bewusstseinswandel beigetragen, zumal das Recht auf Abtreibung inzwischen als Menschenrecht eingefordert wird. Die massenhaften Spätabtreibungen, die auch in Deutschland bis zum Tag der Geburt vom Gesetz gedeckt sind, lassen eine Diskussion über die Vernichtung von befruchteten Eizellen geradezu als anachronistisch erscheinen.

Umso mehr sind wir Christen heute gefordert, uns dieser „Kultur des Todes“ entgegenzustellen und kompromisslos für die unantastbare Würde der ungeborenen Kinder vom Augenblick der Empfängnis an einzutreten. Zum ersten Mal fand die „Woche für das Leben“ 1991 auf Initiative der katholischen Kirche statt. Sie stand unter dem richtungsweisenden Thema „Schutz des ungeborenen Kindes“. Seit 1994 wird sie auch von der EKD mitgetragen. Dieses Jahr wird sie vom 29. April bis 6. Mai durchgeführt und mit einer gemeinsamen Feier in der evangelischen Martinskirche in Kassel eröffnet.

Doch verlangt der Einsatz für den Lebensschutz mehr als Worte. Hilfe, Unterstützung, konkreter Dienst am Leben sind gefordert. Und so haben wir mit dem Titelthema die Vorstellung einer neuen Ordensgemeinschaft verbunden, die in den USA zum Herzen der Lebensrechts-Bewegung geworden ist, die sog. „Schwestern des Lebens“ – „Sisters of life“. Auch uns in Deutschland würde diese Gemeinschaft gut tun.

Ostern ist das Fest des Lebens, des Sieges über den Tod. Liebe Leser, wir wünschen Ihnen von Herzen eine gnadenvolle Feier des Pascha-Mysteriums. Möge uns der Herr im Glauben stärken und mit neuer Freude an unserer christlichen Berufung erfüllen. Vergelt’s Gott für Ihre treue Unterstützung unseres Apostolats!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Die „Sisters of Life“ sind das spirituelle Kraftwerk der Lebensschutz-Bewegung in den USA

Schwestern des Lebens

Auf Anregung des New Yorker Erzbischofs Kardinal John O‘Connor, entstand 1991 in seiner Diözese die Ordensgemeinschaft „Sisters of Life“. Die „Schwestern des Lebens“ setzen sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für den Schutz der ungeborenen Kinder ein. Inzwischen bilden sie das geistliche Herz der Lebensschutz-Bewegung in den USA. Sie knüpfen Kontakte, organisieren Kundgebungen, sind beim „Marsch für das Leben“ präsent und begleiten die Aktionen mit intensivem Gebet. Schwangeren Frauen, die sich in einer Notlage befinden, bieten sie verschiedene Formen von Hilfe an, um ihnen die Annahme ihrer Kinder zu erleichtern. Bislang gehören der Gemeinschaft 106 Schwestern im Durchschnittsalter von 35 Jahren an. Einen kleinen Einblick in das Leben und Wirken der „Sisters of Life“ bietet Adelaide Mena, die als Journalistin für den Nachrichtendienst „Catholic News Agency (CNA)“ tätig ist. Die sehr erfolgreiche CNA wurde erst 2004 gegründet und fühlt sich ganz dem Auftrag der Neuevangelisierung verpflichtet.  

Von Adelaide Mena 

Die geistige Krise Europas hat zwei Brennpunkte: Priestertum und Ehe. Diese zwei „Sakramente im Dienst der Gemeinschaft und der Sendung“ stehen in besonderer Beziehung. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Bedeutung der Familie und die Zuordnung der beiden Sakramente mehrfach betont. Dabei wurde das alte Wort Hauskirche oder Häusliches Heiligtum als „für die Zukunft der Kirche entscheidend“ tituliert. Das Wort „Hauskirche“ ist nicht neu, neu aber ist die Wertschätzung von höchster kirchlicher Stelle. Christliche Familien sollen demnach das Ehesakrament und die darauf gründende Hauskirche wieder oder neu entdecken und damit auch ihre eigene Identität.

„Wir verstehen uns primär als geistliches Unternehmen, das für die Arbeit der Lebensschutz-Bewegung betet und arbeitet“, erklärte Schwester Mary Elizabeth SV, die Generalvikarin der Sorores Vitae. Dass die Lebensschutz-Bewegung wisse, dass sie sich auf das Gebet und die Unterstützung der Sisters of Life verlassen kann, das sei ihre Hoffnung: „Sie sind nicht allein und haben eine Familie von Schwestern, die sie sehr lieben und für sie täglich beten.“

Joseph Zwilling, Kommunikationsdirektor der Erzdiözese New York, in der die Schwestern-Kongregation 1991 gegründet wurde, ist der Meinung, dass die Schwestern bereits einen erheblichen kulturellen Einfluss haben. „Es sind 25 Jahre seit ihrer Gründung vergangen und die Schwestern des Lebens wachsen, sie blühen und sie sind einfach überall“, so Zwilling.

„Hilfe gesucht: Schwestern des Lebens“

Auch wenn es schwer messbar sei, wie viel das Gebet und die Mühen der Schwestern bereits bewirkt hätten, sagte Zwilling weiter: „Ich glaube wirklich, dass sie mit ihrem Gebet geholfen haben, durch ihr Vorbild.“ Dank der Schwestern hätten viele Menschen ihre Meinung zum Thema geändert; die Schwestern bewirkten ein Umdenken von Herz und Verstand: „Das wird, denke ich, langfristig ihr wichtigster Beitrag sein.“

Alles begann im Jahr 1990 mit einem Zeitungsartikel des damaligen New Yorker Erzbischofs Kardinal John O‘Connor. Auf dessen Idee gehe das ganze eigentlich zurück, so Zwilling. In den 1990er Jahren war Kardinal O‘Connor ein prominenter Kopf der Lebensschutz-Bewegung der Kirche wie der USA. O‘Connor verstand einerseits die Abtreibungsfrage als eine der drängendsten Fragen seiner Zeit. Andererseits wusste der Kardinal auch aus der langen Geschichte der Kirche, dass Glaubensgemeinschaften immer wieder in der Lage waren, bestimmte Herausforderungen anzupacken. In seiner Kolumne schlug Kardinal O‘Connor vor, es sei an der Zeit, dass sich ein weiterer Orden den Herausforderungen der Abtreibung stellt. Der Artikel hatte die schlichte Überschrift: „Hilfe gesucht: Schwestern des Lebens“.

Acht Schwestern folgten dem Aufruf und gründeten offiziell am 1. Juni 1991 eine Gemeinschaft. Als ersten Schritt bezogen sie vorübergehend eine Pfarrei in der Bronx. Sie beteten, fasteten, beteten das Allerheiligste Sakrament an, und unterschieden ihre Berufungen. Eine der ersten Frauen, die sich den Schwestern des Lebens anschloss, war Sr. Josamarie SV. „Keine von uns war vorher Nonne gewesen“, sagte sie. Zudem habe Gott „uns aus verschiedenen Sachen“ berufen. Die ersten Schwestern waren u.a. aus den Berufsgruppen der Wissenschaftler, Professoren, Bibliothekare gekommen.

Während sich die Schwestern auf ein Leben im Gebet und der pastoralen Sorge um die Schwächsten der Gesellschaft vorbereiteten, stellte Kardinal O‘Connor die Schwestern des Lebens anderen Mitgliedern der Lebensschutz-Bewegung vor, darunter auch Mutter Teresa.

Heute blüht der Orden. 106 Schwestern gehören ihm an, das Durchschnittsalter ist 35 – und weitere harren der Aufnahme: Derzeit befinden sich 15 Postulantinnen und 18 Novizinnen in Ausbildung.

Schwester Maria Elisabeth schloss sich den Schwestern 1993 an, nachdem sie ihren Abschluss an der Franziskanischen Universität von Steubenville gemacht hatte. Dort hatte sie einen Vortrag von Kardinal O‘Connor gehört. Bereits als Lebensschützerin aktiv, entschied sie sich, Teil der Lösung zu sein und Frauen andere Möglichkeiten anzubieten, als ihr Kind abzutreiben.

Ein Leben im Gebet

Tägliches Gebet und Kontemplation sind die Grundlage des Lebens der Schwestern. „Unsere Spiritualität ist eucharistie-zentriert und marianisch“, erklärt Schwester Maria Elisabeth. In ihren Klöstern wird täglich die heilige Messe gefeiert; die Schwestern beten gemeinsam das Stundengebet und verbringen eine Stunde in der Eucharistischen Andacht vor dem Allerheiligsten Sakrament.

Täglich beten die Schwestern auch den Rosenkranz gemeinsam, „um die Arbeit der Lebensschutz-Bewegung in unserem Land und auf der ganzen Welt zu unterstützen“. Das Vorbild Marias prägt die Spiritualität der Schwestern des Lebens, und dadurch auch, wie sie mit anderen Aspekten ihres Lebens umgehen: „Ein tiefer Teil unserer Spiritualität ist das Leben einer spirituellen Mütterlichkeit, und so nehmen wir Maria uns zum Vorbild“. Schwester Maria Elisabeth sagte weiter, dass das Ziel der Schwestern sei, die Präsenz Christi mit sich zu tragen und das „Ja“ Marias zum Leben und zu Jesus weiter zu tragen.

Ein Beispiel der Mütterlichkeit Mariens, das die Schwestern nachzuleben versuchen, ist die Entscheidung Marias, nach der Verkündigung zu ihrer Kusine Elisabeth zu reisen. „So wie beim Besuch die Präsenz Jesu in Maria ausstrahlte und ihre Kusine mit Freude erfüllte“, sagte Sr. Maria Elisabeth, „so können wir das gleiche Leben und die gleiche Macht in uns tragen und ausstrahlen lassen, um diese Frauen hoffentlich mit Freude und Hoffnung zu berühren, denen wir jeden Tag begegnen, die schwanger sind und Hilfe brauchen.“

Kontemplation und Apostolat

Als kontemplativer und apostolischer Orden bringen die Schwestern ihre Spiritualität so auch jenseits der Klostermauern in die Welt. Sie versuchen den Menschen mit Geduld und Aufmerksamkeit zu begegnen, und gerade schwangeren Frauen zu helfen, oder Frauen, die mit den Folgen einer Abtreibung ringen. Darüber hinaus widmen sie sich dem Studium der bioethischen und theologischen Hintergründe.

Ein konkretes Beispiel ihrer Arbeit ist die Holy Respite Mission. Hier können Frauen in Krisen-Situation eine Zuflucht finden. Dort, an der Upper West Side von Manhattan, leben die Frauen mit Schwestern in der Gemeinschaft, beten mit ihnen und können geschützt und umsorgt auch ihr Kind austragen. Erst wenn sie bereit sind, wieder ein „normales“ Leben zu führen, verlassen sie die Mission. Ein paar Häuserblöcke weiter betreiben die Schwestern ihre Visitation Mission. Hier gibt es „praktische Unterstützung für Frauen, die schwanger sind und sich in einer Krise befinden“, erklärte Sr. Maria Elisabeth. „Die meisten Frauen, die zu uns kommen, wurden von jemandem im Stich gelassen und wissen nicht, wie es weiter gehen soll.“ Jedes Jahr helfen die Sisters of Life ungefähr 1.000 Frauen auf diesem Weg.

Mit der Unterstützung einer Gruppe ehrenamtlicher Laien, den Mitarbeitern des Lebens, wird so Frauen konkret und praktisch geholfen. „Bei uns gibt es alles“, erklärt die Nonne, „von Windeln, Fläschchen, Kinderwägen über Krippen, Kleidung für stillende Mütter bis hin zur Umzugshilfe, Lebensläufe schreiben, Jobsuche.“ Die Mitarbeiter des Lebens tun noch mehr: Sie öffnen ihre privaten Häuser den bedürftigen Frauen und Kindern. Dort finden diese ein sicheres und vertrautes Umfeld, Freundschaft und Hilfe. Selbst kleine Gesten wie ein paar gute Gespräche oder regelmäßiger SMS-Kontakt mit werdenden Müttern könne schon einen großen Unterschied ausmachen.

„Ähnlich“, erklärte Sr. Maria Elisabeth, „verfährt der Orden mit Frauen, die abgetrieben haben und nun der Heilung bedürfen. Kardinal O‘Connor sei es von Anfang an besonders wichtig gewesen, dass Frauen, die an den Wunden einer Abtreibung leiden, geholfen werde“, erklärte Sr. Josamarie. Viele Frauen würden von anderen zur Abtreibung gezwungen, erklärte die Nonne, und würden dann mit ihren Gefühlen danach allein gelassen. Die Schwestern des Lebens sind auch für diese Frauen da. Sie beraten die Frauen und helfen ihnen, mit ihren Gefühlen der Trauer, des Zorns und anderen Emotionen zurecht zu kommen. Besondere Einkehrtage, an denen Frauen Zugang zur Beichte und der Eucharistie haben, sowie weiterer Beratung, werden für Betroffene organisiert. „Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Frauen das geheim halten und nicht mit anderen darüber sprechen“, sagte Sr. Maria Elisabeth. „Es ist eine schwere Belastung, die sie alleine schultern.“

Neben diesen Angeboten betreiben die Schwestern des Lebens auch ein Einkehrhaus in Stamford/Connecticut, engagieren sich bei Veranstaltungen für die Neuevangelisierung, etwa mit Vorträgen an Colleges und Universitäten sowie in Pfarreien.

Ihre Hoffnung, so Sr. Maria Elisabeth, sei es, „eine spirituelle Kraft zu sein, die eine neue Kultur des Lebens in den Köpfen und den Herzen von Männern und Frauen auf der ganzen Welt erweckt“. Angesichts der tausenden Menschenleben, welche die Schwestern des Lebens jedes Jahr berühren, scheinen die Ordensfrauen auf dem richtigen Weg zu sein.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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„Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“

Woche für das Leben 2017

Die diesjährige „Woche für das Leben“ nimmt sich eines brennenden Themas an. Es geht um die sog. „Reproduktionsmedizin“, die sich zu einem milliardenschweren Industriezweig entwickelt hat. Die wenigsten Menschen sind sich bewusst, wie zielstrebig und hemmungslos die „Herstellung von Designerbabys“ vorangetrieben wird. Es scheinen alle rechtlichen und ethischen Schranken gefallen zu sein. Was noch vor einigen Jahren als unvorstellbar galt, ist Wirklichkeit geworden und rollt wie eine bedrohliche Lawine auf uns zu. Der angebliche Dienst am Leben aber ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Wolf im Schafspelz. Als Christen haben wir die Pflicht, kompromisslos gegen diese „Kultur des Todes“ aufzustehen und die göttliche Würde jedes Menschen vom Augenblick der Zeugung an zu verteidigen.

Von Mechthild Löhr

Die „Woche für das Leben 2017“ steht unter dem Thema: „Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“. Es will auf neue Gefahren und Entwicklungen am Lebensanfang aufmerksam machen, was in der Tat dringend geboten ist. Denn längst droht die Zeugung eines Kindes immer öfter zum umfassend reproduktionsmedizinisch geplanten und optimierten „Produktionsprozess“ zu werden, in dem Eltern und Mediziner dem Ungeborenen erst nach Erfüllung bestimmter Kriterien den Weg ins Leben „erlauben“.

Die „freudige Erwartung“ weicht dabei einem besorgten „Daueralarm“, bei dem sich die Schwangere mehr in ein neunmonatiges Qualitäts-Kontroll-Verfahren voller Sorgen und Risiken eingespannt fühlt, anstatt eine erwartungsvolle Vorfreude auf das Kind erleben zu können. Der Blick auf die Schwangerschaft hat sich grundlegend verändert.

Möglichst nur noch „Wunschkinder“

Die Erwartung, dass eigentlich möglichst nur noch „Wunschkinder“ geboren werden sollten, ist schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Immer häufiger entscheiden sich Frauen für eine Abtreibung, nur weil sie ungewollt bzw. „überraschend“, also ohne expliziten Kinderwunsch, schwanger geworden sind. Laut Statischem Bundesamt sind dies in Deutschland jedes Jahr etwa 100.000 Frauen.

Wer hingegen das eigentlich selbstverständliche Recht auf Leben eines jeden ungeborenen Kindes verteidigt, wird in Debatten höchst erbittert angegriffen und öffentlich diffamiert.

Ein Großteil unserer Gesellschaft ist hoch motiviert, die Schöpfung, die Natur und das Klima nachhaltig zu schützen und darüber vom Kindergarten an intensiv aufzuklären, doch eine offene und faire Diskussion über einen besseren Schutz der ungeborenen Kinder wird keinesfalls zugelassen.

Ergebnisse der Wissenschaft werden ignoriert

Obwohl Medizin und Wissenschaft heute bis ins Detail hinein nachweisen, dass das Leben des Menschen mit der Zeugung beginnt, nämlich mit der Entstehung eines lebenslang unverwechselbaren Genoms, wird die akademische und rechtliche Auseinandersetzung darüber, ab wann dem Menschen eine unantastbare Würde zukomme, immer schärfer und kontroverser geführt.

Die einen (wie z.B. Pro Familia) behaupten nach wie vor, der Embryo sei nur Schwangerschaftsgewebe oder ein „befruchtetes Ei“, andere gehen frühestens ab der Nidation (rd. 14 Tage nach der Empfängnis) oder sogar erst nach der Geburt (wie Peter Singer oder Reinhard Merkel) von einem schützenswerten Menschenleben aus.

Eine rechtsethische „Wanderdüne“

Eine weltweite Legalisierung der Abtreibung hat den Damm gebrochen. Dieser Schritt hat in der Rechtsentwicklung eine rechtsethische „Wanderdüne“ in Gang gesetzt, die sich ständig weiter fortbewegt. Immer weiter ist das Verständnis dafür, dass es ethische Handlungsgrenzen geben muss und dass wir nicht alles tun dürfen, was wir praktisch und (medizin-)technisch können, geschwunden. Die breite Begeisterung für die beständige Optimierung des „Produktes“ Mensch macht immer größere Teile unserer Gesellschaft für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder blind.

Trennung von Sexualität und Fortpflanzung

Neben dem Wandel des Rechtsverständnisses hat sich die seit Mitte der Sechzigerjahre verfügbare Verhütungspille verhängnisvoll auf das ethische Empfinden ausgewirkt. Sie führte zum systematischen Auseinanderbrechen und zur bewussten Trennung von Sexualität und Fortpflanzung, von sexueller Beziehung und Elternschaft.

Dadurch hat sich die Haltung gegenüber Kindern überhaupt verändert. Die grundsätzliche Annahme von Kindern, die alle Weltreligionen und Kulturen bisher als notwenige Überlebensbedingung und als Lebensinhalt verstanden hatten, wird grundsätzlich in Frage gestellt. Sie galt fortan nur noch als eine mögliche Handlungsoption. In kurzer Zeit halbierten sich die Geburtenzahlen, und zwar nicht nur in Europa.

Selbstbestimmungsrecht der Frau

Die Selbstbestimmung der Frau wurde über das Lebensrecht des ungeborenen Kindes gestellt. Zunächst lautete die Argumentation, der Embryo sei ohnehin noch kein wirklicher Mensch, sondern nur Teil seiner Mutter. Und ihr stehe Wahlfreiheit zu.

Nun haben die anerkanntesten Menschenrechtsorganisationen und mit ihnen die offiziellen UN-Organe die Abtreibung bereits zum „Menschenrecht“ erklärt. Staaten verpflichten sich zur kostenlosen Finanzierung der Abtreibung als „medizinische Versorgung“, auf die jede Frau einen Anspruch habe.

Materieller Wohlstand als höchster Wert

Gleichzeitig hat sich als neue Grundregel durchgesetzt: Je weniger Kinder, desto hö-her der aktuelle, individuelle und materielle Lebensstandard. International wird diese kinderfeindliche Propaganda durch Politik und Medien verbreitet.

Konform zur dominierenden demografischen Hypothese von der drohenden Überbevölkerung als einem Hauptwachstumshindernis werden Abtreibungen und Verhinderung der Geburt jedes „überzähligen“ Kindes indirekt zu einer ethisch „klugen“ und „befreienden“ Tat umdefiniert.

Das attraktive Versprechen von mehr Wohlstand, mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit und mehr Spaß wird unterstützt durch einen häufig antifamiliär eingestellten radikalen Feminismus, der in Familienbindungen primär reproduktive Zwänge sieht. Kinder sollen möglichst nur noch ausdrücklich als Wunschkinder zum genau geplanten Zeitpunkt gezeugt und geboren werden.

Das Milliardengeschäft der Reproduktionsindustrie

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich eine weltweit bestens florierende Reproduktionsindustrie entwickelt, deren tatsächliches Ausmaß und Milliardengeschäft nur für Experten genauer erkennbar ist. Wir alle sind Zeugen dieser schleichenden dramatischen Entwicklung, die das Menschenrecht auf Leben Schritt für Schritt aus den Angeln hebt.

Aus der anfänglich geforderten schicksalshaften Befreiung der Frauen vom Reproduktionszwang mit gesundheitlichen Risiken ist eine umfassende Technisierung des gesamten Reproduktionsprozesses geworden, bei dem das Kind zu einem „Produkt“ mit Qualitätskontrolle wird.

Kind wird Ergebnis einer Güterabwägung

In beeindruckender Weise hat der Freiburger Philosoph Giovanni Maio in seinem empfehlenswerten Buch „Der Abschied von der freudigen Erwartung“ (2013) die Gefahren der neuen Entwicklung zum Ausdruck gebracht. Er beschreibt, wie fundamental sich die Beziehungen zwischen Vater, Mutter und Kind durch die Optimierungsprozesse im Rahmen der Reproduktionsmedizin verändern. Denn das Kind verdankt am Ende seine Existenz ausschließlich dem erklärten Willen der Mutter, sich für seine künstliche Zeugung, für seine Geburt und nicht für seine Abtreibung entschieden zu haben, als Ergebnis einer Güterabwägung und nicht einer lebendigen Liebesbeziehung.

Größter Widerspruch zu natürlicher Lebensweise

Wie stark sich das Bedürfnis und die Sehnsucht nach natürlicher, ökologischer Ernährung und Lebensweise, nach bewusster Natürlichkeit, nach schonenden Produktionsbedingungen auch entwickelt hat: bei der Verhütung und im reproduktionsmedizinischen Betrieb ist völlig Gegenteiliges zu beobachten. Konsequent und rücksichtslos werden heute abtreibungsfördernde und gesundheitsgefährdende Verhütungsmethoden auf der ganzen Welt intensiv beworben und millionenfach verkauft.

Millionen von Embryonen und Föten werden produziert, nach gesundheitlichen Qualitätskriterien selektiert und dann in der Mehrzahl zur Vernichtung freigegeben. Die Frage nach dem Recht auf Leben und der Achtung vor jedem Menschen vom Anfang seines Daseins an wird überhaupt nicht mehr gestellt und berücksichtigt.

Vom Kinderwunsch zum Designerkind?

Die aktuellen bioethischen Diskussionen markieren einmal mehr, wie sehr der Mensch bereit ist, sich selbst am Lebensanfang zum „Produkt“ zu deklassieren. Hierzu einige Fakten:

1. Laut WHO-Berichten werden jährlich weltweit 43,8 Millionen Kinder abgetrieben („Britisch Medical Journal“, 22. Jan. 2016). In Deutschland wurden seit 1973 offiziell 5,9 Millionen Abtreibungen erfasst. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. 97% davon erfolgten nach der sog. sozialen Indikation. Rund 80% der Abtreibungen wurden in Deutschland vom Staat vollständig finanziert.

2. Sechs Millionen Frauen nehmen in Deutschland täglich ihre Verhütungspille und das über Jahre und Jahrzehnte. Das bedeutet eine regelmäßige hormonelle Belastung mit Konsequenzen und erheblichen gesundheitlichen Risiken. In der EU mussten manche Pillen wegen Todesfolgen bereits vom Markt genommen werden.

Die „Pille danach“, seit 2015 rezeptfrei, enthält allein in einer Pille die gesamte Monatsdosierung einer täglichen Pille. Sie wurde seither bereits circa 1 Million Mal verkauft und ist jetzt preiswert beliebig verfügbar. Sie wird unkontrollierbar in jeder Apotheke jederzeit an jede, auch minderjährige Kundin verkauft.

3. Allein in Deutschland gibt es 130 kommerzielle Reproduktionszentren. Die Kundenwerbung im Internet verspricht problemlos gesunde Babys. „Von der Eizelle bis zum Kind bieten wir also komplett ‚alles aus einer Hand‘!“ Mit diesen Worten lädt z.B. ein Kinderwunsch-Zentrum ein: „Ihre Kinderwunschbehandlung erfolgt auf höchstem Niveau und diese Qualität wird seit vielen Jahren kontinuierlich von der DEKRA überprüft und regelmäßig nach DIN ISO 9001:2008 zertifiziert.“ Dennoch findet das ganze Geschäft weitestgehend rechtlich unkontrolliert und ohne jede staatliche Evaluierung statt. Kundin und Kunde kann heute de facto jeder werden: verheiratet, unverheiratet oder gleichgeschlechtlich lebend. Wie viele Zigtausende von Embryonen derzeitig in Deutschland kryokonserviert, d.h. eingefroren sind, ist nicht bekannt. Weltweit sind es inzwischen Millionen Embryonen, die auf Abruf und „Halde“ produziert sind.

4. Da inzwischen nahezu 15% der Paare mit Kinderwunsch nicht mehr ohne reproduktionsmedizinische Behandlung zeugungsfähig sind (Tendenz steigend) und auch das Alter der potentiellen Eltern immer weiter steigt, erfreut sich die In-vitro-Fertilisation (IVF) ständig wachsender Nachfrage. Die für die IVF bei der Frau notwendigen mehrmonatigen, manchmal mehrjährigen, hormonellen Hyperstimulierungen stellen hohe gesundheitliche Belastungen dar: physisch wie psychisch. Und dies bei gleichzeitig niedrigen Erfolgsaussichten: unter 30% „Baby-take-Home“ Quote und immer häufiger mit tödlichen fötalen „Mehrlingsreduktionen“.

5. Zwar ist die Leihmutterschaft in Deutschland offiziell noch nicht zulässig, sie wird jedoch bereits gefordert und ohnehin durch ausländische Leihmütter praktiziert. Gegen einen für sie erheblichen Geldbetrag tragen sie fremde Kinder aus und verzichten anschließend auf alle Rechte und Ansprüche.

Leihmutterschaft ist heute in manchen ärmeren Ländern alltäglich. Die Leihmütter sehen darin den einzigen Ausweg aus ihren prekären Lebenssituationen.

6. Das „Social freezing“ erfreut sich wachsender Akzeptanz, besonders forciert von dynamischen Unternehmen wie Apple und anderen High-Tech-Firmen. Hierbei werden jüngere Frauen mit oder ohne aktuellen Partner motiviert, frühzeitig ihre noch frischen Eizellen einfrieren zu lassen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt für IVF-Behandlungen nutzen zu können. Oft übernehmen die Firmen aus wirtschaftlichen Interessen die Kosten.

7. International gibt es inzwischen ganze Kataloge „online“, in denen man aussichtsreiche Spender/-innen von Samen- oder Eizellen einsehen und selektieren kann: nach Eigenschaften wie Größe, Farbe der Haare und Augen und nach IQ bzw. Ausbildungslevel und Beruf. – Noch ist dies in Deutschland untersagt. Allerdings gibt es starke Tendenzen, dies zu lockern. Am Markt ist der Handel ohnehin schwer kontrollierbar.

8. Inzwischen sind in Deutschland Zentren für Präimplantationsdiagnostik (PID) und Embryonenselektion eingerichtet. Der Selektionsbetrieb ist professionell organisiert. Nur wenige der bisher gestellten Anträge sind nicht genehmigt worden. Jedes Jahr steigen die PID-Zahlen weiter.

9. Seit 2012 sind „Nicht-invasive-Bluttests“, auch „Nicht-invasive pränatale Diagnostik“ (NIPD) genannt, ab der neunten Schwangerschaftswoche problemlos überall möglich und werden schon von vielen Krankenkassen bezahlt. Die Schwangere kann durch einen einfachen ungefährlichen Bluttest feststellen lassen, wie das Genom des Kindes aussieht. Man kann prüfen lassen, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt, und spricht unverhohlen von „Geschlechter balancierter Familienplanung“. Von den Kindern, bei denen ein Down-Syndrom festgestellt wird, werden 95% abgetrieben. Ähnlich verhält es sich bei den Chromosomenstörungen Trisomie 13 oder 18 oder dem Turner-Syndrom. Bei der Genanalyse gibt es heute keine technischen Limits mehr. Es ist allerdings noch zu teuer und datentechnisch zu umfangreich, um alle genetischen Besonderheiten herauszufinden. Doch ist dies nur eine Frage der Zeit. Junge prosperierende Firmen bieten NIPD jeder Schwangeren bereits für 400 Euro an.

10. Das neue „Qualitätsbewusstsein“ und der Anspruch auf die Geburt eines gesunden Kindes sind so gewachsen, dass, sobald eine Behinderung des Ungeborenen erkannt oder auch nur vermutet wird, fast alle betroffenen Kinder durch Spätabtreibungen bis zum Ende des 9. Monats abgetrieben werden. Da Ärzte bei gegebenenfalls nicht ausreichender Diagnose ihrerseits selbst schadens- und unterhaltspflichtig für ein behindertes Kind werden können, haben sie zusätzlich ein großes Interesse daran, im Zweifelsfall sofort eine Abtreibung zu empfehlen. Sofern sich Frauen trotz Behinderungen für ihr Kind entscheiden, werden sie inzwischen nicht selten mit negativen Kommentaren konfrontiert wie: „Muss denn das heute noch sein?“ „Welche hohen Kosten das alles verursacht!“ „Wem soll denn dieses Leben nützen?“ „Lohnt sich dieses Leben denn?“

Die Stunde des christlichen Zeugnisses

Das Rechtsbewusstsein für den konsequenten Schutz jedes menschlichen Lebens auch vor der Geburt (ebenso wie am Ende des Lebens) hat sich immer weiter verflüchtigt (vgl. dazu „Abtreibung – ein neues Menschenrecht?“, 2013, Hrsg. Büchner, Kaminski, Löhr). Trotz aller formalen Garantien und Rechtsvorschriften besitzt ein Kind vor der Geburt de facto keinen Schutz mehr. Denn bis zum Tag der Geburt ist eine Abtreibung in Deutschland jederzeit möglich, sofern die Mutter „glaubhaft“ physische oder psychische Belastungen vorbringt.

Die meisten jungen Menschen sind mit der Alltäglichkeit von jederzeit verfügbaren Abtreibungsangeboten aufgewachsen. Sicher: Wir reden gerne abstrakt von der elementaren Würde jedes Menschen. Doch über die konkreten, ständig wachsenden, bedrückenden, täglichen Gefährdungen gerade am Anfang des Lebens, sprechen wir sehr viel weniger gern. Die „Woche für das Leben 2017“ sollte Anstoß geben, dass wir uns als Christen dieser höchst drängenden Grundfragen unseres Lebens annehmen. Wir müssen den skandalösen Umgang mit menschlichen Embryonen, die kaltblütige Selektion und die überhebliche Anmaßung, Menschen nach eigenem Gutdünken herzustellen, ins Bewusstsein bringen und uns mit tiefer Überzeugung diesem aggressiven Angriff auf die Menschlichkeit entgegenstellen.

Die hl. Mutter Teresa hatte die Entwicklung klar erkannt. 1979 nützte sie ihre Nobelpreisrede für einen eindringlichen Appell gegen die aufkommende Abtreibungsmentalität. Ganz einfach sagte sie. „Jedes Kind hat das Recht, auf die Welt zu kommen, ob es erwünscht ist oder nicht.“ Es ist ermutigend, wie nachdrücklich auch Papst Franziskus das Recht auf Leben unterstützt und uns auffordert, unerschrocken gegen Abtreibung einzutreten. Denn sie ist die bewusste Tötung eines unschuldigen Menschen. Mit fester Überzeugung müssen wir uns für eine Kultur des Lebens einsetzen. Denn gerade im Blick auf die ungeborenen Kinder gilt das Wort Jesu: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mk 9,37).  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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Mein Weg mit dem Gründer von K-TV

Zum Heimgang von Pfarrer Hans Buschor

Am 1. März 2016 wurde der Augsburger Diözesanpriester Dr. Thomas Maria Rimmel für die Aufgabe als „Geistlicher Assistent bei K-TV“ freigestellt. Am 26. Februar 2017 ist nun Pfarrer Hans Buschor, der Gründer und Geistliche Leiter des katholischen Fernsehsenders, verstorben. Aus diesem Anlass wirft Dr. Rimmel einen kurzen Blick auf seinen Weg mit Pfarrer Buschor und K-TV.

Von Thomas Maria Rimmel

Am 11. September 1999 startete Pfarrer Hans Buschor mit der Ausstrahlung von K-TV, eines von ihm aufgebauten, ausschließlich spendenfinanzierten katholischen Fernsehsenders. Wenige Tage zuvor, am 1. September 1999, hatte ich die Stelle als Direktor der diözesanen Gebetsstätte Wigratzbad angetreten. Pfarrer Buschor nahm schon bald Kontakt mit mir auf und lud mich ein, im österreichischen Dornbirn Sendungen zu produzieren. Dort wie später in Wigratzbad moderierte ich auch mehrmals das „Tagesthema“.

Mit dem Aufblühen des Exerzitienhauses begann Pfarrer Buschor, an der Gebetsstätte Exerzitienvorträge aufzuzeichnen, um sie auf K-TV zu senden. Namhafte Referenten wie der Päpstliche Hausprediger Pater Raniero Cantalamessa OFMCap bereicherten fortan das Programm dieses Fernsehsenders. Später wurden sogar mehrtägige Volksmissionen aus der überfüllten Wigratzbader Sühnekirche live auf K-TV übertragen.

Es war die Anschaffung eines Übertragungswagens, die K-TV die Ausstrahlung von hl. Messen aus der Sühnekirche der Gebetsstätte ermöglichte. Außerdem wurde ein Regie-Raum im Untergeschoss der Kirche installiert. So konnte K-TV mit einer gewissen Regelmäßigkeit das Pilgeramt um 9.30 Uhr übertragen, das ich oft als Hauptzelebrant und Prediger feiern durfte. Bis heute überträgt K-TV aus dem Heiligtum der „Unbefleckt empfangenen Mutter vom Sieg“ auch Sühnenächte und insbesondere heilige Messen im außerordentlichen Ritus.

Am 15. März 2009 beging Pfarrer Hans Buschor sein 50. Priesterjubiläum. Dazu fand in der Dornbirner Studiokapelle ein Dankgottesdienst statt, der von K-TV live übertragen wurde. Bei der Predigt konnte ich sein Lebenswerk würdigen: Pfarrer Buschor, der zunächst den Film „Pater Pio, Vater von Millionen“ produziert habe, sei durch die Gründung des Fernseh-Apostolats K-TV schließlich selber zu einem „Vater von Millionen“ geworden.

Bis 2011 stand ich in der Verantwortung als Direktor der Gebetsstätte Wigratzbad. Anschließend folgte die Promotion an der Theologischen Fakultät der Universität Augsburg mit einer Arbeit über „Die Theologie des Leibes Papst Johannes Pauls II.“. 2013 ernannte mich der Augsburger Diözesanbischof Dr. Konrad Zdarsa zum leitenden Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Bad Wörishofen und damit zum achten Nachfolger von Pfarrer Sebastian Kneipp.

Im Dezember 2014 kontaktierte mich Pfarrer Buschor erneut, gratulierte mir zur Promotion und schrieb: „Wir alle würden uns freuen, wenn wir wieder Predigten von Dir übertragen dürften!“ Dabei äußerte er sein Interesse an Vorträgen aus der Kneippstadt über das ganzheitliche Naturheilverfahren dieses weltberühmten Wasserdoktors. „Zusätzlich zu den Vorträgen wäre ein Dokumentarfilm über das Leben und die Spiritualität von Pfarrer Kneipp sehr wertvoll“, so heißt es in seinem Brief.

Wegen seines angeschlagenen gesundheitlichen Zustands bat Pfarrer Buschor schließlich im September 2015 den Bischof von Augsburg, mich für eine „möglichst zeitnahe und vollzeitliche Mitarbeit“ bei K-TV freizustellen. Diese Freistellung für die Aufgabe als „Geistlicher Assistent bei K-TV“ erfolgte zum 1. März 2016. In Absprache mit der Diözese Augsburg umfasst dieser Auftrag eine „inhaltliche, konzeptionelle und organisatorische Verantwortung“. Von Bedeutung ist dabei das Bemühen um einen Brückenschlag zwischen dem privaten K-TV Fernsehen und denjenigen, die in der katholischen Kirche offiziell für den Verkündigungsdienst verantwortlich sind.

Meine letzte Begegnung mit Pfarrer Buschor sollte mein Besuch am 22. Februar 2017 bei ihm im Spital von Flawil sein. Wir sprachen noch über das Projekt „Bruder Klaus von der Flüe“ und meine Begegnung mit Pater Josef Rosenast, dem neuen Bruder-Klausen-Kaplan in Sachseln. Rosenast war über zwölf Jahre lang der für Pfarrer Buschor zuständige Generalvikar der Diözese Sankt Gallen. Pfarrer Buschor war sich der Ernsthaftigkeit seines Zustands bewusst und sagte: „Irgendwann geht jeder einmal in die Ewigkeit!“ Vier Tage später durfte er in das Haus des Vaters eingehen.

Der katholische Fernsehsender K-TV ist ein wertvolles Instrument für die in den letzten Jahrzehnten von den Päpsten immer wieder geforderte Neuevangelisierung. Im Rahmen des Auftrags, das Evangelium zu den Menschen zu bringen und Freude am Glauben zu vermitteln, verfolgt der Fernsehsender K-TV fünf Ziele:[1] 1. Die Menschen in eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus bringen. 2. Das Glaubenswissen vertiefen. 3. Die Menschen befähigen, über ihren Glauben zu sprechen. 4. Die Menschen anregen, den Glauben mit Taten zu bezeugen. 5. Den Gläubigen helfen, in der Kirche Heimat zu finden.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Vgl. Grundlagen und Ziele des Instituts für Neuevangelisierung der Diözese Augsburg auf deren Website.

Dem Erbe von Pfarrer Buschor verpflichtet

„Pater Pio hat K-TV gegründet“

Pfarrer Dr. Thomas Maria Rimmel, der Geistliche Assistent von K-TV, gibt einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des katholischen Fernsehsenders. Der Gründer Pfarrer Hans Buschor war vom Charisma des hl. Pater Pio von Pietrelcina durchdrungen und zugleich von der weltweiten Bedeutung der Fatima-Botschaft überzeugt. Diesem Erbe weiß sich das Fernsehapostolat auch in Zukunft verpflichtet.

Von Thomas Maria Rimmel

Der Name des katholischen Fernsehsenders K-TV ist Programm. „K“ steht für „Kephas“ und geht auf die Worte Jesu zurück: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen [Kephas] werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Die unerschütterliche Treue zum Hl. Vater und zum Lehramt der römisch-katholischen Kirche bilden die Säulen dieses Senders. Einen weiteren Pfeiler für K-TV erblickte Pfarrer Hans Buschor, der inzwischen verstorbene Gründer und geistliche Leiter des Senders, insbesondere in jenen Heiligen, die in bedrängter Zeit immer wieder Wegbereiter einer echten Erneuerung waren. Als Beispiele seien für das 13. Jahrhundert die hll. Dominikus (1170-1221) und Franziskus (1181/82-1226) genannt, für die Zeit der Gegenreformation Karl Borromäus (1538-1584).

Begegnung mit Pater Pio

Richtungweisend für den Fernsehsender waren zunächst die Begegnungen zwischen dem Schweizer Diözesanpriester Hans Buschor, dem Gründer von K-TV, und Pater Pio von Pietrelcina (1887-1968). Pater Pio OFMCap gehörte seit 1916 dem Konvent von San Giovanni Rotondo in Apulien an und erhielt dort am 20. September 1918 die Stigmata. „Trotz durch kirchliche Autorität auferlegten Schweigens wurde der Stigmatisierte bald in Italien und weltweit bekannt. So begannen […] die Wallfahrten der Gläubigen nach San Giovanni Rotondo aufgrund der zahlreichen Pater Pio zugeschriebenen Charismen: u.a. Bilokation, Prophetie, Herzensschau, Heilungen."[1]

Buschor pilgerte erstmals 1962 nach San Giovanni Rotondo und war von 1964 bis 1968 jeden Sommer dort. Schließlich erhielt er die Erlaubnis, eine heilige Messe mit Pater Pio zu filmen. Ursprünglich sollte die Aufnahme am Jahrestag seiner Stigmatisierung stattfinden, wurde dann aber auf einen Sonntag verschoben. Dass diese Aufnahmen historischen Wert erlangen würden, konnte beim Filmen niemand ahnen. Einen Tag später nämlich starb Pater Pio unerwartet. Buschor dokumentierte so die letzte heilige Messe dieses außergewöhnlichen Heiligen. Aus dem Material entstanden eine einstündige Dokumentation sowie ein eineinhalbstündiger Film mit dem Titel „Pater Pio, Vater von Millionen“, der Anfang der 1970er Jahre in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich in verschiedenen Kinos zu sehen war und Beachtung fand.

Über die Jahre hinweg entstand nicht zuletzt aus dem Erlös dieses Filmes K-TV. Aufgrund dieser Entwicklung formulierte Pfarrer Buschor in einem Gespräch mit Mitarbeitern am 28. Juni 2016 im schweizerischen Gossau prägnant: „Pater Pio hat K-TV gegründet.“ Dieser Kapuziner und seine Spiritualität, insbesondere die Feier der heiligen Messe, hätten ihn inspiriert, sich weiter im Bereich der visuellen Medien zu engagieren. Was diese Spiritualität von Pater Pio auszeichnet, verdeutlichte Papst Johannes Paul II. am 17. Juni 2002. Er bezeichnete Pater Pio am Tag nach dessen Heiligsprechung als „wahres Vorbild der Spiritualität und Menschlichkeit“, „der den gekreuzigten Christus aufrichtig liebte“.

Pater Pio habe im „Lauf seines Lebens“, so Johannes Paul II., „auch körperlich am Geheimnis des Kreuzes Anteil gehabt“ und sei trotz „Unverständnis von Seiten der ei-nen oder anderen kirchlichen Behörde“ „seinen Weg anspruchsvoller spiritueller Askese in tiefer Verbundenheit mit der Kirche“ gegangen. Im Zentrum seines priesterlichen Wirkens standen das Sakrament der Versöhnung und die Eucharistie. „Die heilige Messe war Mittelpunkt und Quelle seiner gesamten Spiritualität: ‚In der Messe‘ – so sagte er [Pater Pio] – ‚ist der gesamte Leidensweg enthalten.‘ Die Gläubigen, die sich um seinen Altar drängten, waren von der Intensität seines ‚Versunkensein‘ ins Geheimnis zutiefst beeindruckt und spürten die persönliche Teilnahme des Paters am Leiden des Erlösers.“

Fatima – unsere Hoffnung

Pfarrer Hans Buschor hat nicht nur den Dokumentarfilm „Pater Pio, Vater von Millionen“ produziert, sondern zudem die Dokumentation „Fatima unsere Hoffnung“. Diese Produktion kam Mitte der 1970er Jahre in die Kinos und war inhaltlich geprägt vom Kalten Krieg und der Angst, Russland würde seine Irrlehren über die ganze Welt verbreiten. Rettung gäbe es allein in der Annahme der Botschaften Unserer Lieben Frau von Fatima und somit in der Zuflucht zum Unbefleckten Herzen der Gottesmutter Maria.

Im portugiesischen Fatima erschien die Gottesmutter Maria von Mai bis Oktober 1917 sechs Mal den drei Seherkindern Jacinta, Francisco und Lucia. Diese Erscheinungen waren vorbereitet durch die Engelserscheinungen 1915 und 1916. Später erschien die Gottesmutter noch in Pontevedra (1925) und Tuy (1929). Die Botschaft von Fatima enthält einen „starken Aufruf zu einem authentisch christlichen Leben“ und „kann […] zu einer leichten Katechese des ganzen Evangeliums und einer kaum überbietbaren Pastoral verhelfen“, und das „mit der Verkündigung der Buße, der Bedeutung der Sühne, mit der schrecklichen Folge der Hölle und – allgemein – mit allen Sühnewerken und dem Beten des Rosenkranzes“.[2]

Pfarrer Buschor erklärte in einem Gespräch am 17. August 2016 in Gossau, die Botschaft von Fatima stimme mit der Spiritualität von Pater Pio überein. So wie die Vorsehung es wollte, dass der Geist von Pater Pio über K-TV verbreitet würde, sei der Sender auch gegründet worden, um die Anliegen Unserer Lieben Frau von Fatima bekannt zu machen. „K-TV macht die Botschaft von Fatima zum Prinzip“, so Buschor. Tatsächlich ist der „dreifache Aufruf Fatimas zur Sühne, zum Gebet und zur Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens"[3] im Sender stets präsent und nimmt in der Programmgestaltung einen beachtlichen Raum ein – und prägt diese. In den vergangenen Jahren hat K-TV allein 72 Sendungen – insbesondere Vorträge und Dokumentationen – über Fatima ausgestrahlt. Zudem überträgt der Sender die liturgischen Feierlichkeiten am 13. eines Monats samt Prozession und Vorabendprogramm live aus Fatima.

In Pontevedra gab die Gottesmutter am 10. Dezember 1925 weitere Hinweise über die Frömmigkeitsübung der ersten fünf Monatssamstage. Damals bat sie Lucia, ihr Versprechen mitzuteilen, „all jenen in der Todesstunde mit allen Gnaden, die für das Heil dieser Seelen notwendig sind, beizustehen, die fünf Monate lang jeweils am ersten Samstag beichten, die heilige Kommunion empfangen, einen Rosenkranz beten und mir während 15 Minuten durch Betrachtung der 15 Rosenkranzgeheimnisse Gesellschaft leisten in der Absicht, mir dadurch Sühne zu leisten“.[4] Diesem Aufruf der Gottesmutter möchte K-TV mit der Übertragung der allmonatlichen Sühnenächte zum Beispiel aus den diözesanen Gebetsstätten Wigratzbad und Marienfried gerecht werden. Das jeweilige Abendprogramm an den ersten Monatssamstagen in diesen Heiligtümern lädt ein zur Beichte sowie zum gemeinsamen und betrachtenden Rosenkranzgebet im Geist der Sühne. Auch die Mitfeier der heiligen Messe mit Empfang der heiligen Kommunion geschieht in der Absicht, Sühne zu leisten für die Sünden in der Welt.

Im Dienst der Evangelisierung

Zum Programm von K-TV gehört die regelmäßige Ausstrahlung von Gebetssendungen (Morgengebet, Angelus, nachmittägliche Gnadenstunde, eucharistische Anbetung, kirchliches Abendgebet). Dreimal täglich besteht die Möglichkeit, den Rosenkranz mitzubeten. Programmschwerpunkt ist allerdings die Live-Übertragung der Eucharistiefeier als „Quelle und […] Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11). Täglich wird wenigstens eine heilige Messe übertragen – auch in der außerordentlichen Form: aus der Studiokapelle in Gossau, aus Pfarrkirchen, Gebetsstätten, Wallfahrtsorten, Kathedralen, oder heilige Messen mit dem Papst. Dass die „Berechtigung und Bedeutung von medial übertragenen Gottesdiensten längst unumstritten“ ist, unterstreicht die Deutsche Bischofskonferenz im Vorwort der Leitlinien zu „Gottesdienst-Übertragungen in Hörfunk und Fernsehen“: „Sie sind ein liturgisches Angebot für Menschen in unterschiedlichen Situationen und können einen wichtigen Dienst der Evangelisierung leisten. So nehmen Gottesdienst-Übertragungen mittlerweile einen festen Platz in Hörfunk- und Fernsehprogrammen ein und erfreuen sich hoher und teils wachsender Akzeptanz."[5] Tatsächlich zeigt sich der „sonntägliche ZDF-Gottesdienst […] unter allen Kirchenprogrammen im deutschen Fernsehen absolut quotenstabil, und der Marktanteil wächst kontinuierlich“.[6]

Wenn die Liturgie auch der höchste Dienst der Kirche ist, so ist sie nicht der erste. Aktiv, würdig und fruchtbar kann der Mensch nämlich nur dann Liturgie feiern, wenn er das Evangelium angenommen hat und den Glauben der Kirche kennt. Daher weiß sich K-TV mit seinem Fernsehapostolat insbesondere der Verkündigung des Evangeliums sowie der Neuevangelisierung verpflichtet. „Da das Fernsehen zum zentralen Erzählmedium der Gesellschaft geworden ist, kann eine Evangelisation kaum an ihm vorbeigehen."[7] Auch hier hat K-TV seinen „Sitz im Leben“. Demzufolge möchten die übrigen Programmschwerpunkte „einen wichtigen Dienst der Evangelisierung leisten“: Generalaudienzen oder Reisen des Papstes, geistliche bzw. theologische Vorträge, Katechesen, Glaubenszeugnisse, Gesprächssendungen, Kinderstunden, Dokumentationen (übernommen auch von Ordensgemeinschaften, kirchlichen Hilfswerken oder Diözesen) und mehrmals die Woche das abendliche „Tagesthema“.

Wie Ulrich Fischer zu Recht feststellt, „ist K-TV kein offizieller kirchlicher Sender, erhält jedoch von kirchlicher Seite oft Zuspruch“.[8] So lobte Papst em. Benedikt XVI. diesen Fernsehsender im Dezember 2012 mit den Worten: „K-TV leistet wirklich einen apostolischen Dienst."[9]

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[1] H. Dovere: Pio da Pietrelcina, in: LThK 3 VIII, 307.
[2] S. De Fiores: Fatima, in: Marienlexikon 2 (1989) 447.
[3] Ebd., 449.
[4] Schwester Lucia spricht über Fatima. Erinnerungen der Schwester Lucia, Fatima 61996, 232.
[5] Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Gottesdienst-Übertragungen in Hörfunk und Fernsehen. Leitlinien und Empfehlungen, 2002. Aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Fassung der „Leitlinien für die mediale Übertragung von gottesdienstlichen Feiern“ (= Arbeitshilfen 72, 1989), Bonn 22007, 9.
[6] U. Fischer: Was senden die eigentlich? Kirchliche Fernsehsender in Deutschland, in: Communicatio Socialis 39 (2006), Nr. 2, 153.
[7] E. Bieger: Fernsehen. III. Praktisch-theologisch, in: LThK 3 III, 1241.
[8] Fischer, 145.
[9] Vgl. Image-Broschüre 2016 von K-TV. 

„Ich verspreche dir nicht, dich in dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen“

Zum 90. Geburtstag von Benedikt XVI.

Am 16. April 2017 wird Benedikt XVI. 90 Jahre alt. Es ist der Ostersonntag – ein schönes Zeichen. 1927, also im Jahr seiner Geburt, fiel der 16. April auf den Ostersamstag. Noch am selben Tag ließen Joseph und Maria Ratzinger ihr drittes Kind mit dem eben geweihten Osterwasser in der Pfarrkirche Sankt Oswald zu Marktl am Inn auf den Namen Joseph Aloisius taufen. In tiefer Verehrung blickt Weihbischof Dr. Andreas Laun auf Benedikt XVI., von dem er viel gelernt habe und dessen Schriften er immer wieder studiere. Er gratuliert ihm mit einer Betrachtung über den marianischen Charakter der Kirche, ausgehend vom Lebenszeugnis des bekannten vietnamesischen Bischofs François Xavier Kardinal Nguyên Van Thuân.

Von Weihbischof Andreas Laun

Einige Worte von Joseph Kardinal Ratzinger haben mir eine Anregung zur folgenden Meditation gegeben“, schreibt François Xavier Kardinal Nguyên Van Thuân in seinem Buch „Hoffnung, die uns trägt“, in dem er seine Vorträge bei den Exerzitien für Papst Johannes Paul II. und dessen Mitarbeiter in der Kurie niedergelegt hat. Er beginnt mit einem Zitat: „Kirche ist nicht Apparat, ist nicht bloß Institution, auch nicht eine der üblichen soziologischen Größen – sie ist Person. Sie ist eine Frau. Sie ist Mutter. Sie ist lebendig. Das marianische Verständnis der Kirche ist der entschiedenste Gegensatz zu einem bloß organisatorischen oder bürokratischen Kirchenbegriff. Kirche können wir nicht machen, wir müssen sie sein. Und nur in dem Maß, in dem der Glaube über das Machen hinaus unser Sein prägt, sind wir Kirche, ist Kirche in uns. Erst im marianischen Sein werden wir Kirche. Kirche wurde auch in ihrem Ursprung nicht gemacht, sondern geboren. Sie war geboren, als in der Seele Marias das Fiat erwacht war. Das ist das tiefste Wollen des Konzils, dass Kirche in unseren Seelen erwache. Maria zeigt uns den Weg.“

Dazu eine Anmerkung: Es ist noch nicht lange her, da erlebten wir eine kleine Revolution derer, die eine andere Kirche wollten als diejenige, die es gibt und die Jesus gegründet hat. Die Betreiber nannten sich „Wir sind Kirche“. Aber hinter der legitimen „Beschriftung“ verbarg sich genau jener Irrtum, den Ratzinger in dem von Thuan zitierten Wort aufgedeckt hat! Ja, fährt Kardinal Thuan fort, Maria ist das Modell der Kirche, aber die Kirche lebt heute in einer schmerzerfüllten, dramatischen, herrlichen Welt in einer Epoche, die die Züge einer „kollektiven, dunklen Nacht hat“, zitiert Thuan Papst Johannes Paul II.

Um dann zu erklären: Charakteristisch für diese Nacht ist unter anderem die Vorherrschaft des Rationalismus, der eine Kultur geprägt hat, die über die verschiedenen Wissenschaften darauf aus ist, die natürlichen Realitäten, die Situationen und auch den Geist, ja sogar das menschliche Leben zu manipulieren. Darum läuft die Menschheit Gefahr, Opfer eines bloßen Positivismus von „Tun“ und „Haben“ zu werden.

Die Antwort der Kirche auf diese Nacht ist, Liebe zu sein; denn „glaubhaft ist nur Liebe“ (Urs von Balthasar). Ohne Liebe bis zur Einheit gibt es keine Glaubwürdigkeit. Maria zeigt uns den Weg. Maria ist Liebe.

Dann meditiert der Kardinal über die biblischen Worte von und über Maria. Und seine Betrachtung bezieht wie immer wieder in seinem Buch ein ganz persönliches Erlebnis ein: 1957 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Lourdes und meditierte über das Wort Mariens an Bernadette: „Ich verspreche dir nicht, dich in dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen.“ „Ich hatte den Eindruck“, so Thuan, „dieses Wort sei auch an mich gerichtet“. Und „ich habe die Botschaft nicht ohne Angst angenommen.“ Später, in der Seelsorge schon erfolgreich, kam er nochmals nach Lourdes und dachte, „vielleicht gelten diese Worte doch nicht mir“.

Aber es kam anders! Am Fest Maria Himmelfahrt im Jahr 1975 wurde er verhaftet. „Mir wurde klar: 1957 wollte mich Maria vorbereiten!“ Es vergingen viele, über 20 Jahre „in der Finsternis der Gefangenschaft“, in der Thuan, ergeben in die Pläne der Vorsehung, ausharrte und betete, unter anderem auch zu Maria: „Wenn ich nicht bis zum Lebensende im Gefängnis bleiben soll, gewähre mir, an einem Deiner Feste freizukommen.“ Und tatsächlich, an einem 21. November, der Darstellung Mariens im Tempel, wurde Thuan zum zuständigen Minister gerufen und freigelassen. An einem Marientag also!

2002 ist Kardinal Thuan gestorben, ein besonderer Freund und im Geist „Verwandter“ des hl. Papstes Johannes Paul II. und auch von Benedikt XVI. Mit beiden verband ihn eine ganz besondere Liebe und Verehrung der Mutter Gottes Maria.

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Fundament aller Spiritualität

Es gibt Zeugnisse in der Geschichte der Kirche, in denen sozusagen alles, das ganze christliche Leben, enthalten ist wie in dem Fiat Marias. Ein solches Zeugnis aus unserer Zeit ist das, was Kardinal Nguyên Van Thuân Papst Johannes Paul II. und seinen Mitarbeitern in der Kurie, die der Kardinal immer hoch achtete, in einer Exerzitien-Woche erzählte, als persönliches Erleben und als Frucht seines Denkens.

Von Weihbischof Andreas Laun

In seinem Buch „Hoffnung, die uns trägt“ (ISBN 978-3-451-06370-1) erzählt François Xavier Kardinal Nguyên Van Thuân: „Während meiner langen Qual von neun Jahren Isolationshaft in einer Zelle ohne Fenster, manchmal tagelang elektrischem Licht ausgesetzt, manchmal in Finsternis, hatte ich das Gefühl, in der Hitze und Feuchtigkeit zu ersticken und war nahe daran den Verstand zu verlieren. Ich war noch junger Bischof mit acht Jahren pastoraler Erfahrung. Ich konnte nicht schlafen. Der Gedanke, die Diözese verlassen zu müssen, so viele Werke, die ich für Gott begonnen hatte, zugrunde gehen zu lassen, folterte mich. Mein ganzes Sein war von Auflehnung geschüttelt.

Eines Nachts hörte ich aus der Tiefe meines Herzens eine Stimme, die zu mir sagte: ,Warum quälst du dich so? Du musst unterscheiden zwischen Gott und den Werken Gottes. Alles, was du begonnen hast und fortsetzen möchtest – all das ist ein ausgezeichnetes Werk, es sind Werke Gottes, aber sie sind nicht Gott. Wenn Gott will, dass du das alles loslässt, dann tue es sofort und hab Vertrauen auf ihn. Gott wird die Dinge unendlich viel besser tun als du. Er wird seine Werke anderen anvertrauen, die wesentlich fähiger sind als du. Du hast allein Gott gewählt, nicht seine Werke.‘ Dieses Licht hat mir einen neuen Frieden gebracht, der meine Denkweise völlig veränderte und mir half, physisch eigentlich unerträgliche Momente zu überstehen. Von jenem Augenblick an erfüllte eine neue Kraft mein Herz und sie hat mich all die 13 Jahre hindurch begleitet. Ich spürte meine menschliche Schwäche, erneuerte diese Wahl angesichts schwerer Situationen und der Friede hat mich nie verlassen.“ Soweit der Bericht, aber man sollte Kardinal Thuân noch weiter zuhören. Er kommentiert seinen Bericht folgendermaßen: „Gott wählen und nicht die Werke Gottes. Das ist das Fundament des geistlichen Lebens zu allen Zeiten. Und es ist gleichzeitig die gültigste Antwort auf die Welt von heute. Es ist der Weg, auf dem sich die Pläne des Vaters für uns, für die Kirche und für die Menschheit unserer Zeit verwirklichen können.“

In etwa hat dasselbe wie Thuân wohl Kardinal Sarah mit dem Titel seines Buches „Gott oder nichts“ gemeint, oder auch Papst Benedikt in seiner Enzyklika „Gott ist Liebe“.

Was Thuân erzählt, ist eigentlich leicht zu verstehen. Man könnte vielleicht sagen: Es ist die Urversuchung vor allem des Klerus, sich in den Werken für Gott zu verlieren und Gott aus den Augen! Dabei braucht man gar nicht an das pastoral Nutzlose denken, mit dem auch Kleriker ihre Zeit manchmal vertun, sondern auch an Projekte, die an sich wirklich gut und sinnvoll sind. Und doch, es kann sich die Gefahr in ihnen verbergen, dass wir Gott zur Seite schieben oder von vornherein nicht auf den ersten Platz in unserem Herzen und Leben kommen lassen.

Persönliche Nachbemerkung

Mein Kalender war für die ganze Fastenzeit voll. Zwei Tage nach Aschermittwoch brach ich mir die Kniescheibe und ich musste den Kalender leeren von allem, was wichtig gewesen wäre und mir Freude gemacht hätte. Aber der Arzt hatte mir sechs Wochen Knie-Ruhe verordnet. Gerade als ich diese Termine-Lösch-Arbeit machte, las ich den zitierten Text von Kardinal Thuân. Dazu gebe ich keinen Kommentar mehr, sondern lade nur ein, nachzudenken über Ähnlichkeiten. Zur Beruhigung des Lesers: Ich sitze nicht in einer fensterlosen, feuchten Zelle, sondern in einer schönen Wohnung mit Ausgang auf eine Terrasse, mit Blick auf das manchmal auch sonnenbeschienene Salzburg und seine Berge. Zeit zum Nachdenken sollte sich jeder nehmen. Ich habe sie dank der Vorsehung, die mir zwischen Aschermittwoch bis Karfreitag mehr Zeit frei gemacht hat, als mir eigentlich lieb gewesen wäre. Aber wir wissen ja alle: Der Erzengel Gabriel hat Maria auch nicht wirklich um „Erlaubnis gefragt“, sondern ihr nur angekündigt, was Gott plant und tun wird. Gott bittet um unser Jawort zu den Absichten Seiner Vorsehung für uns, aber Er fragt uns nicht um Erlaubnis für Seine Pläne mit uns. An uns ist es zu glauben, dass Er nie aufhört, uns dabei zu lieben!  

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Kirchengeschichte – Licht und Schatten

Das Pontifikat Benedikts XVI.

Der bekannte Theologe, Philosoph und Historiker DDDr. Peter Egger (geb. 1948) aus Südtirol hat ein neues Buch verfasst, in dem er die wichtigsten Ereignisse der Geschichte der Kirche von ihrer Gründung bis ins 21. Jahrhundert prägnant vorstellt. Er beleuchtet auch die Hintergründe, um verschiedene Entwicklungen verständlich zu machen. Das fast 300 Seiten umfassende Werk trägt den Titel „Kirchengeschichte – Licht und Schatten“,[1] denn Egger möchte ohne Beschönigung aufzeigen, was in diesen bewegten Zeiten wirklich geschehen ist. Auf diesem Hintergrund versucht er auch, das Pontifikat Benedikts XVI. objektiv zu beschreiben.

Von Peter Egger

Paul II. im Jahr 2005 wurde Joseph Kardinal Ratzinger (*1927) zum Papst gewählt. Er gab sich den Namen Benedikt XVI. Joseph Kardinal Ratzinger war einer der prominentesten Theologen der Kirche und kannte als ehemaliger Präfekt der römischen Glaubenskongregation die gesamte katholische Kirche. Der Papst aus Deutschland kannte aber auch wie kein anderer die Krise der westlichen Welt und die vielen Schwierigkeiten innerhalb der Kirche.

1. Der Theologe auf dem Papstthron

a. Der Verkünder der christlichen Botschaft

Papst Benedikt XVI. blieb auch als Papst der große Theologe und Lehrer der christlichen Botschaft. Er verkündete trotz der „heulenden Wölfe“ das unverkürzte Evangelium und die un­verkürzte christliche Moral. Seine Ansprachen und Katechesen waren stets von großer Klarheit und ließen keine Mehrfachdeutungen zu.

b. Die Bücher und Schriften

Der deutsche Papst verstand es, durch sei-ne zahlreichen Bücher und Schriften die suchenden und kritisch fragenden Menschen anzusprechen. Seine Enzykliken Deus caritas est (2005), Spe salvi (2007) und Caritas in veritate (2009) fanden große Beachtung. Sein dreibändiges Werk Jesus von Nazareth (2006-2012) wurde zu einem Bestseller.

c. Die Diktatur des Relativismus

Papst Benedikt XVI. kam schon vor seiner Wahl bei der Eröffnung des Konklaves auf die geistige Gefährdung des Westens zu sprechen. Er wies darauf hin, dass die Ideologien von einem Extrem in das andere übergingen. Er warnte vor einer Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.

d. Die Auseinandersetzung mit der Gender-Ideologie

Ein weiteres zentrales Thema Papst Benedikts XVI. war die Gender-Ideologie. Er kritisierte an dieser Lehre, dass sie das Geschlecht nicht mehr als eine Vorgabe der Natur, sondern als ei­ne selbst gewählte soziale Rolle des Menschen betrachte. Der Papst verwies auf die tiefe Unwahrheit dieser Theorie und auf die in ihr liegende anthropologische Revolution.

2. Die Erneuerung der Kirche

a. Die würdige Feier der Liturgie

Papst Benedikt XVI. bemühte sich in besonderer Weise um eine würdige Feier der Liturgie. Immer wieder wies er darauf hin, dass bei der Eucharistie das tiefste Mysterium des katholischen Glaubens gefeiert werde. Der Papst gestattete neben der hl. Messe nach dem Ritus des II. Vatikanischen Konzils auch die Feier der hl. Messe nach dem tridentinischen Ritus.

b. Das „Jahr des Priesters“

Für 2009/2010 rief Papst Benedikt XVI. ein „Jahr des Priesters“ aus, das die Erneuerung und Vertiefung des Priestertums zum Ziel hatte. Im Jahr 2009 fanden in Ars spezielle Exerzitien statt, an denen 1300 Priester aus 90 Ländern teilnahmen. Im Jahr 2010 waren bei der Abschlussmesse auf dem Petersplatz in Rom 17.000 Priester aus über 100 Ländern anwesend.

c. Das „Jahr des Glaubens“

Für 2012/2013 rief Papst Benedikt XVI. ein „Jahr des Glaubens“ aus, das vor allem die Liturgie stärken sollte. Es sollten aber auch die Inhalte des Glaubens wiederentdeckt werden. Und schließlich sollte dieses Jahr auch dazu beitragen, dass das Zeugnis des Lebens der Gläubigen an Glaubwürdigkeit gewinnt.

d. Die „Entweltlichung“ der Kirche

Papst Benedikt XVI. wies darauf hin, dass die Kirche häufig Gefahr läuft, dass sie „zufrieden wird mit sich selbst, sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam ist und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden“ (Benedikt XVI.: Ansprache in Freiburg, 25. November 2011).

e. Der Brief an die Piusbruderschaft

Im Jahr 2009 verfasste Papst Benedikt XVI. einen persönlichen Brief an die traditionalistische Piusbruderschaft, in dem er die Bereitschaft zur Rücknahme der Exkommunikation von vier Bischöfen der Bruderschaft mitteilte. Der Papst wünschte aber, dass die Bruderschaft die notwendigen Schritte zur vollen Einigkeit mit der Kirche setzen sollte. Dazu gehörte die Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes und des II. Vatikanischen Konzils.

3. Der globale Einsatz

a. Die Reisen des Papstes in alle fünf Kontinente

Zahlreiche pastorale Reisen führten Papst Benedikt XVI. in die meisten europäischen Länder, nach Nord- und Südamerika, in den Nahen Osten, nach Afrika und nach Australien. Besonders schwierig waren die Reisen nach Auschwitz (2006), in die Türkei (2006), nach Israel (2009) und Palästina (2009).

b. Die Begegnung mit der Weltjugend

Bei seinen Reisen suchte Papst Benedikt XVI. stets den Kontakt mit der Jugend. Er reiste auch zu den Weltjugendtagen nach Köln (2005), Sydney (2008) und Madrid (2011). Diese Weltjugendtage mobilisierten Hunderttausende Jugendliche und waren ein entscheidender Beitrag zur Evangelisierung der jungen Generation.

c. Der Dialog mit den Konfessionen und Religionen

Papst Benedikt XVI. bemühte sich um den Dialog mit den Vertretern der Orthodoxen (Türkei 2006), der Anglikaner (Vereinigtes Königreich 2010) und der Lutheraner (Deutschland 2011). Es kam auch zu beeindruckenden Begegnungen mit Würdenträgern des Islam (Türkei 2006), des Judentums (Israel 2009) und der Weltreligionen (Assisi 2011).

4. Die leidvollen Erfahrungen

a. Die Regensburger Rede

Im Jahr 2006 hielt Papst Benedikt XVI. eine Rede in Regensburg, in der er über die Unvereinbarkeit von Religion und Gewalt sprach. Dabei zitierte er eine Aussage des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos (1391-1425), dass Mohammed seinen Anhängern vorgeschrieben habe, den Glauben durch das Schwert zu verbreiten. Nach dieser Rede kam es zu Protesten in der ganzen islamischen Welt.

b. Die Rehabilitierung Bischof Williamsons

Im Jahr 2009 gab es massiven Protest, als Papst Benedikt XVI. Bischof Richard Williamson von der Priesterbruderschaft Pius X. rehabilitierte. Der Bischof hatte kurz zuvor in einem Interview den Holocaust geleugnet. Der Papst war über dieses Interview nicht informiert worden, und so schien es, als ob er einen Leugner des Holocaust rehabilitieren wollte.

c. Die vielen Missbrauchsfälle

Papst Benedikt XVI. wurde auch in schmerzlicher Weise mit den vielen Missbrauchsfällen konfrontiert, die in den Jahren seines Pontifikats aufgedeckt wurden. Er setzte sich dafür ein, dass die schuldig gewordenen Priester bestraft und laisiert wurden. Der Papst traf sich auf seinen Reisen immer wieder mit den Opfern des Missbrauchs.

d. Die Entwendung geheimer Dokumente

Im Jahr 2012 musste Papst Benedikt XVI. erfahren, dass sein Kammerdiener Paolo Gabriele viele Geheimdokumente aus seinem Arbeitszimmer entwendet hatte. Die Dokumente wurden teilweise durch den Journalisten Gianluigi Nuzzi veröffentlicht. Der Kammerdiener wurde in einem Prozess verurteilt, aber zwei Monate später vom Papst begnadigt.

e. Die Anfeindungen in Deutschland

Papst Benedikt XVI. erlebte zahlreiche Anfeindungen im deutschen Sprachraum. Es kam immer wieder zu Widerspruch und Opposition durch führende deutsche Kardinäle, Bischöfe, Theologen und Politiker. Die Medien nutzten die oben genannten Vorkommnisse als Vorwand, um die Person des Papstes und seine Leitung der Kirche anzugreifen. Selten hat ein Papst von seinem eigenen Volk so viele Anfeindungen erleiden müssen wie Benedikt XVI.

5. Der Rücktritt des Papstes

a. Die Ankündigung des Rücktritts

Im Jahr 2013 kündigte Papst Benedikt XVI. den Rücktritt von seinem Amt an. Der Papst erklärte, dass seine Kräfte aufgrund des fortgeschrittenen Alters nicht mehr geeignet seien, „um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“. Die Überraschung über diese Ankündigung war groß und führte zu verschiedensten Spekulationen.

b. Der Rücktritt des Papstes

Am 28. Februar 2013 erfolgte der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Der Schritt des 85-jährigen Papstes wurde weltweit als mutige Entscheidung gewürdigt. Nach seiner Emeritierung übersiedelte er in das Kloster „Mater Ecclesiae“, das sich auf dem Gebiet des Vatikans befindet. In seinem neuen Domizil lebt der emeritierte Papst in einer kleinen Hausgemeinschaft. Sein früherer Privatsekretär Georg Gänswein steht ihm liebevoll zur Seite.   

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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[1] Peter Egger: Kirchengeschichte – Licht und Schatten, Media Maria, geb., 192 S., 13,5 x 20,5 cm, 13,95 Euro (D), 14,40 Euro (A), ISBN 978-3-9454013-1-6.

Frömmigkeitsformen in den Gemeinschaften der Reformation (Luther verstehen – Teil 9)

Wie beten Protestanten?

Die Spiritualität ist immer eine Frucht des theologischen Verständnisses. Die Frömmigkeitsformen erwachsen aus der kirchlichen Lehre. So spiegelt die in der Reformationszeit entstandene Art, das geistliche Leben auf privater wie auf gemeinschaftlicher Ebene zu gestalten, die theologischen Grundprinzipien der Reformation wider. Prägend waren vor allem die strenge Ausrichtung an der Bibel und die Ablehnung jeglicher Art von Werkgerechtigkeit. Gleichzeitig wirkte sich die neue Gnadenlehre nachhaltig auf das Frömmigkeitsleben aus, insbesondere das verkürzte Verständnis von den Sakramenten und der Gemeinschaft der Heiligen. Wenn sich Andreas Theurer im neunten Beitrag seiner Artikelserie zum Reformationsgedenken der Frage nach der Spiritualität im Protestantismus widmet, kann er dabei aus seiner eigenen langjährigen pastoralen Erfahrung als ehemaliger evangelischer Pfarrer schöpfen. Trotz einer klaren Sicht der Unterschiede zur katholischen Glaubenspraxis lässt er es an Wohlwollen gegenüber den Idealformen der Spiritualität im Protestantismus nicht fehlen.

Von Andreas Theurer

Wie in allen Bereichen des Protestantismus gibt es natürlich auch bei der Spiritualität eine große Bandbreite. Sinnvollerweise sollen hier Idealformen dargestellt werden, die als vorbildlich gelten, auch wenn es (ähnlich wie im Katholizismus) heute nur noch relativ wenige sind, die diese Frömmigkeitsformen auch regelmäßig praktizieren.

Abkehr von der mittelalterlichen Mystik

Der mittelalterlichen Mystik brachten die Reformatoren vor allem Misstrauen entgegen, da sie sich der unmittelbaren Bindung an das durch die Verkündigung von außen kommende biblische Gotteswort entzog und aus ihrer Sicht eine gefährliche Nähe zu Selbsterlösungsideen und Schwärmerei hatte. Mystische Ansätze, die in Luthers Theologie anfangs durchaus vorhanden waren, sind in der Folge – insbesondere durch den im Protestantismus seit dem 17. Jahrhundert überhand nehmenden Rationalismus – weitgehend wirkungslos geblieben.

Das Phänomen der „Herrnhuter Losungen“

Protestantische Spiritualität ist vor allem auf das biblische Wort konzentriert. Deshalb wird als das mit Abstand Wichtigste am Gottesdienst üblicherweise die Predigt angesehen. Als zentrale Aufgabe des Pfarrers – wesentlich bedeutsamer als die Spendung der Sakramente –wurde folglich auch zumeist die Verkündigung und Auslegung des Gottesworts empfunden. Weit verbreitet ist – besonders dort, wo der Pietismus Einfluss hat – das Lesen der „Herrnhuter Losungen“. Dabei handelt es sich um alttestamentliche Bibelverse, die von der „Brüderunität“ in Herrnhut in der Lausitz für jeden Tag ausgelost und zu denen dann ein thematisch passender Vers aus dem Neuen Testament sowie ein Gebet ausgesucht werden. Viele fromme Protestanten sehen in diesen Losungen sogar prophetische Hinweise, mit denen sie die Ereignisse des jeweiligen Tages deuten!

Persönliches Gebetsleben

Auch um die „Stille Zeit“ – am besten am frühen Morgen – bemühen sich viele fromme Protestanten. Sie lesen darin einen Abschnitt aus der Bibel, oft nach fortlaufenden Bibelleseplänen (teilweise auch mit Erklärungen), und beten. Vorformulierte Gebete sind dabei eher unbeliebt. Anbetung, Dank, Bitte und Fürbitte werden üblicherweise in freien Worten vor Gott gebracht.

Die geistlich meist sehr tiefen evangelischen Choräle, die früher oft als eine wichtige Stütze des geistlichen Lebens dienten, verlieren gegenüber dem modernen geistlichen Liedgut freilich auch im Protestantismus immer mehr an Bedeutung.

Das Tischgebet vor dem Essen ist in frommen Familien noch weithin üblich. Auch ein Abendgebet oder ein Gebet im Bett vor dem Einschlafen ist nicht ungewöhnlich. Das mehrmalige Glockenläuten im Tageslauf erinnert auch Protestanten (theoretisch) ans Gebet: morgens, mittags, zur Todesstunde Jesu und am Abend.

Eucharistische Frömmigkeit im Umbruch

Wie oft man als Protestant zum Abendmahl geht, ist sehr verschieden. Während in den lutherischen Kirchen die lutherische Messe die Normalform des Gottesdienstes und entsprechend häufig (mancherorts jeden Sonntag) ist, geht man in der reformierten Tradition nur ganz selten zum Sakrament des Altars. Typische Abendmahlstermine sind dann Karfreitag, Konfirmation, Buß- und Bettag und Silvester. Aber auch in Gemeinden dieser Prägung kann man seit einigen Jahrzehnten als Frucht ökumenischer Impulse, und um die „Kopflastigkeit“ evangelischer Gottesdienste zu vermindern, eine Neubesinnung auf das Altarsakrament feststellen und das Bestreben, wenigstens einmal im Monat das Abendmahl anzubieten.

Die früher in manchen Landeskirchen weit verbreitete Form des „angehängten Abendmahls“, also die Abendmahlsfeier im kleineren Kreis nach dem Schluss-Segen, wenn die Kirchgänger, die es eilig haben oder aus sonstigen Gründen nicht zur Kommunion gehen wollen, bereits auf dem Heimweg sind, bemühen sich die Kirchenleitungen heute aus theologischen Gründen zurückzudrängen. Zudem wird heute vielerorts darauf Wert gelegt, die bisher übliche sehr ernste Stimmung der Abendmahlsfeiern aufzuhellen und den Festcharakter und die Freude über die Sündenvergebung hervorzuheben.

Werktagsgottesdienste gibt es im Protestantismus nicht (außer natürlich bei besonderen Anlässen wie kirchlichen Feiertagen oder Kasualien). Wer öfter als einmal in der Woche in Gemeinschaft seinen Glauben leben will, geht – sofern angeboten – in die Bibelstunde des Pfarrers und in einen Gebets- oder Hausbibelkreis.

Keine Fastengebote

Alle Formen leiblicher Askese (vor allem das Fasten) standen den Reformatoren stets im Verdacht, Werkgerechtigkeit zu fördern. Daher gibt es im Protestantismus keine Fastengebote und Askese findet – wenn überhaupt – nur ganz freiwillig statt. Die populäre Aktion „7 Wochen ohne“ in der Fastenzeit propagiert auch mehr den selbst gewählten Verzicht und nicht das Verzichten auf bestimmte festgelegte Dinge (z. B. Fleisch).

Ablehnung des Kreuzzeichens

Die Sitte des sich Bekreuzigens ist – obwohl sie von Luther selbst den Gläubigen (in seinem „Morgensegen“) noch empfohlen wurde – schon seit Jahrhunderten ganz außer Gebrauch gekommen und wird heute als typisch katholisch empfunden und allgemein abgelehnt.

Anbetung nur als Lobpreis

In manchen Fällen werden auch für Katholiken geläufige Begriffe im evangelischen Kontext mit anderen Inhalten verwendet: „Anbetung“ ist bei jüngeren, vor allem charismatisch geprägten Christen durchaus beliebt. Allerdings verstehen sie darunter nicht die Anbetung des in der Eucharistie gegenwärtigen Heilands, sondern das Singen oder Beten von Lobliedern, oder Ihm im Gebet zu sagen, wie wunderbar man Ihn findet.

Keine vorformulierten Andachten

Eine „Andacht“ wiederum ist für Protestanten nicht eine vorformulierte Aneinanderreihung von Gebetsrufen (wie im Gotteslob), sondern das Lesen eines Bibelabschnitts und die daran anschließende Auslegung des Textes mit Anwendung auf die Zuhörer. Lied und Gebet gehören meist auch dazu.

Kein Zugang zur Gemeinschaft der Heiligen

Die Anrufung Marias und der Heiligen wird im Protestantismus völlig abgelehnt, weil sie nirgends in der Heiligen Schrift geboten wird und obendrein im Verdacht steht, Kontaktaufnahme mit Toten und somit Spiritismus zu sein. (Dieses Argument – so ungeheuerlich es uns vielleicht erscheinen mag – habe ich tatsächlich öfters, auch von Pfarrern, zu hören bekommen!)

Allgemein verbreitet ist auch die Befürchtung, die Verehrung Marias oder der Heiligen nehme Gott die Ehre und lenke uns vom Vertrauen auf Ihn ab.

Sehr oft werden Anbetung und Verehrung verwechselt – auch verursacht durch die volkstümliche katholische Praxis, die Anrufung Marias oder der Heiligen als „Gebet“ zu bezeichnen. Auch wenn dem Katholiken dabei klar ist, dass die Anbetung natürlich allein Gott gebührt, wird das von Protestanten leider oft als Götzendienst oder Abgötterei missverstanden.

Rationalistische Barrieren

Weit verbreitet ist auch der im Grunde rationalistische Einwand, man brauche sich nicht an Maria zu wenden, wenn man doch direkt mit Jesus sprechen kann. Dabei bleibt die Gemeinschaft der Heiligen völlig unverstanden. Es geht uns schließlich nicht darum, einen Dienstweg über die „Vorzimmerdame“ einzuhalten oder den Wirkungsgrad unserer Gebete zu steigern, indem wir sie grundsätzlich an den höchstrangigen Adressaten, den wir erreichen können, schicken, sondern es geht uns um die Gemeinschaft der Heiligen, also die Verbundenheit über Raum und Zeit hinweg mit denen, die uns im Glauben vorausgegangen sind.

Auch bei Luther keine Anrufung Mariens

Es ist immerhin auch für fromme Protestanten durchaus üblich, ihre Mitchristen um Fürbitte in den kleinen und großen Alltagssorgen zu bitten. Dass sie auch die jenseitige Welt in diese gegenseitige Fürbitte einbeziehen könnten, scheint ihnen dagegen zumeist ganz abwegig.

Von Luther heißt es oft, er wäre ein großer Marienverehrer gewesen. Er hat tatsächlich eine Auslegung zum Magnificat geschrieben, von der ein paar Zeilen sogar im neuen Gotteslob (10,3) stehen. Freilich gehört es ganz wesentlich zu Luthers Sicht auf Maria, dass sie als Person gar nichts Besonderes gewesen sei (also keine „Sündlose Empfängnis“!) und lediglich als im Prinzip austauschbares einfaches Mädchen, auf dessen „Ja“ es auch gar nicht wirklich ankam, der reichen Gnade Gottes teilhaftig geworden sei. Eine Anrufung Marias, damit sie für uns bittet, kam deshalb auch für Luther nicht in Frage.

Verbot des Gebets für Verstorbene

Auch das Gebet für Verstorbene ist für Protestanten ganz unmöglich und unerlaubt, da sie das Purgatorium leugnen und deshalb erwarten, dass jede Seele im Moment des Todes entweder in den Himmel oder in die Hölle kommt. In beiden Fällen ist die Fürbitte (wie übrigens auch nach katholischer Lehre) unnötig bzw. nutzlos.

Geistliche „Freizeiten“ statt Wallfahrten

Wallfahrten sind im Protestantismus nach wie vor unüblich (und im Sinn des „frommen Werkes“ oder verbunden mit Marien- oder Heiligenverehrung sowieso ganz unmöglich), wenngleich das Verreisen mit geistlichem Programm inzwischen sehr beliebt ist. Viele „Freizeiten“, bei denen man sich neben dem Urlaubserlebnis viel Zeit nimmt für die intensive Beschäftigung mit Glaubensfragen und unter geistlicher Begleitung mit Gleichgesinnten geistliche Gemeinschaft erlebt, ähneln durchaus dem, was wir als Exerzitien bezeichnen, und geben vielen Kraft und Motivation, im Alltag wieder mehr den Glauben zu leben.

Abgabe des „Zehnten“

Weit verbreitet ist unter frommen Evangelischen auch die Sitte, in Anlehnung an die alttestamtliche Regel zehn Prozent des Einkommens für Bedürftige oder die Mission zu spenden. Das geschieht zumeist in aller Stille und viele segensreich wirkende diakonische oder missionarische Einrichtungen, und natürlich auch alle Freikirchen, die ja keine Kirchensteuern einziehen, leben von dieser großen Opferbereitschaft ihrer Mitglieder.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

„Von der Kirche der Bekenner und Märtyrer lernen“

„Liebe siegt, nicht Rache“

Der islamistische Terror in Afrika und im Nahen Osten ist eine der größten Herausforderungen für die Kirche unserer Tage. Tobias Lehner, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei „Kirche in Not“, gibt einen Einblick in die verzweifelte Lage der verfolgten Christen. Er schildert aber auch das eindrucksvolle Zeugnis von Gläubigen, die sich der Hölle der Gewalt nicht beugen, sondern mutig ihre Beziehung zu Jesus Christus bekennen und nicht an Rache denken. Vor unseren Augen strahlt eine Märtyrerkirche auf.

Von Tobias Lehner

Ohne den Kreuzweg wären wir gestorben.“ Da sind sich die Marktfrauen von Memé im Norden Kameruns sicher. Es war der Nachmittag des 19. Februar 2016, einem Freitag – Zeit für die Kreuzwegandacht. „Als wir beteten, brach die Hölle los.“ Mitten im Zentrum der Kleinstadt an der Grenze zu Nigeria sprengten sich zwei Attentäter in die Luft, rissen 20 Menschen mit in den Tod. „Wären wir nicht in der Kirche gewesen, hätte es uns getroffen“, sagen die Frauen.

Das Trauma sitzt auch über ein Jahr nach den Anschlägen noch tief. „Es ist wie eine kollektive Psychose“, erklärt Bischof Bruno Ateba Edo. In seiner Diözese Marua-Mokolo werde jeder Gottesdienstbesucher nach Waffen und Sprengstoff abgesucht. „Findet ein Gottesdienst im Freien statt, dann halten sich die Gläubigen an den Händen und bilden eine Menschenkette. So wollen sie verhindern, dass sich Attentäter unter die Betenden mischen.“ Bischof Edo hat in Memé eine Anlaufstelle für Opfer und Hinterbliebene des Anschlags eingerichtet. Kirche in Not unterstützte ihn dabei.

Boko Haram: Terror trifft alle, Christen besonders im Visier

Auch wenn die Hintermänner des Anschlags nicht eindeutig ermittelt werden konnten: Für die Menschen hier besteht kein Zweifel, dass es sich um Terroristen von Boko Haram handelt. Die islamistische Sekte, deren Name „Westliche Bildung ist Sünde“ bedeutet, gehört zu den gefährlichsten Terrororganisationen weltweit. Über 15.000 Opfer gehen seit 2009 auf ihr Konto – Christen und Muslime gleichermaßen. „Aber wir Christen stehen besonders im Visier, weil unsere Religion als Verkörperung all der Werte gilt, die Boko Haram verteufelt“, sagt Bischof Oliver Dashe Doeme aus Maiduguri im Norden Nigerias, das als „Hauptstadt“ von Boko Haram gilt.

Auch wenn die Terrorgruppe in jüngster Zeit militärisch an Boden verloren hat: Die Angst vor der Rückkehr des Terrors ist allgegenwärtig. Von Sprengstoffattentätern geht jetzt die größte Gefahr aus. Daher bleiben die Menschen, die vor Boko Haram geflohen sind, lieber an ihren Zufluchtsorten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk zählt in Nigeria und den Anrainerstaaten insgesamt über 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Die Diözese Maiduguri versorgt sie mit Nahrung und Kleidung und betreut die Traumatisierten seelsorgerisch.

„Liebe siegt, nicht Rache“

„Der militante Islamismus, Hunger- und Naturkatastrophen und die politische Instabilität setzen die Christen Afrikas immer weiter unter Druck“, sagt die Geschäftsführerin von Kirche in Not Deutschland, Karin Maria Fenbert. „Wenn wir nicht in Afrika helfen, werden entsprechend mehr Flüchtlinge zu uns nach Europa kommen.“ Die Kirche Afrikas sei arm, aber lebendig. Von den über 1,1 Milliarden Bewohnern Afrikas sind rund 215 Millionen Katholiken. Ihre Zahl hat sich seit 1982 vervierfacht. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt 19 Jahre. „Das ,christliche Europa‘ kann von dieser Kirche der Bekenner und Märtyrer viel lernen“, so Fenbert.

Hört man Bischof Oliver Dashe Doeme zu, ist dieser Bekennermut in jedem seiner Sätze zu spüren: „Die Terroristen meinen, indem sie unsere Kirchen und Häuser niederbrennen, zerstören sie das Christentum. Doch das wird nie passieren.“ Das sei ihm seit jenem Erlebnis Ende 2015 zur Gewissheit geworden: „Ich betete in meiner Hauskapelle den Rosenkranz. Plötzlich sah ich Jesus. Er hielt ein Schwert in der Hand. Auf einmal wandelte sich das Schwert in einen Rosenkranz und ich hörte Jesus drei Mal sagen: ,Boko Haram ist besiegt.‘“ Das Gebet sei die wirksamste Waffe gegen den Terror. „Wir müssen den Kreislauf der Gewalt durchbrechen“, ist Dashe Doeme überzeugt. „Liebe siegt, nicht Rache.“

In 38 Ländern Religionsfreiheit massiv eingeschränkt

Dieser Botschaft versuchen auch andernorts viele verfolgte Christen zu folgen. Ihre Zahl steigt kontinuierlich. Der von Kirche in Not herausgegebenen Studie „Religionsfreiheit weltweit“ zufolge wird in 38 von 196 untersuchten Ländern das Menschenrecht auf Religionsfreiheit massiv eingeschränkt, in 23 dieser Länder werden Christen blutig verfolgt.

„Wenn du nicht konvertierst, erschießen wir dich“

Zwei von ihnen sind der 16-jährige Ismail und seine Mutter Jandrak aus dem Irak. Sie flohen vor wenigen Monaten aus dem umkämpften Mossul, nachdem sie dort zwei Jahre lang den Terror des IS überlebt hatten. „Wir wohnten in einem christlichen Dorf in der Ninive-Ebene“, erzählt Ismail. „Die Dschihadisten marschierten ein und verschleppten uns nach Mossul.“ Als sie sich weigerten, zum Islam zu konvertieren, seien sie geschlagen worden, erzählt Jandrak: „Sie nahmen mir den Jungen weg und warfen ihn ins Gefängnis.“ Dort musste Ismail Erschießungen und Folter mit ansehen. „Sie sagten zu mir: ,Wenn du nicht konvertierst, erschießen wir auch dich.‘“ Also sei er Muslim geworden. Heute schäme er sich dafür.

Zunächst hatte die Konversion ihm jedoch relative Freiheit gebracht: Er konnte wieder bei seiner Mutter leben. Bei einer Hausdurchsuchung sei jedoch seine Kette mit einem Kreuzanhänger gefunden worden, die er noch immer bei sich hatte. „Sie verprügelten mich und zwangen mich einen Monat lang, den Koran zu studieren.“ Die Möglichkeit zur Flucht kam erst, als die IS-Kämpfer angegriffen worden seien und sie unbeaufsichtigt zurückgelassen hätten. „Wir kämpften uns durch die Fronten, wurden mehrmals beschossen. Schließlich landeten wir in Erbil.“

Exodus der Christen setzt sich fort

Die Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebiets im Norden des Irak ist für viele Christen aus der Ninive-Ebene zum Rettungsanker geworden. Die Not hat den chaldäisch-katholischen Erzbischof Bashar Warda zu einer Art „Manager Gottes“ gemacht. „Als die ersten Flüchtlinge im August 2014 hier ankamen, schliefen sie auf dem Rasen vor dem Bischofshaus.“ In den folgenden Wochen musste das Erzbistum Erbil 26 Aufnahmelager errichten. „Innerhalb von zwei Monaten konnte eine Datenbank erstellt werden, so dass wir nach kurzer Zeit wussten, wer bei uns ist“, erläutert der Erzbischof.

Mittlerweile konnten die meisten Flüchtlinge aus den Camps in Wohnungen übersiedeln. Mit Hilfe von Kirche in Not wurden auch acht Schulen für christliche Flüchtlinge errichtet. „Viele Muslime schätzen die Qualität unserer Schulen. Darum liegt der Anteil der muslimischen Schüler mittlerweile bei 40 Prozent.“ Das sei ein wichtiger Schritt Richtung Zukunft.

Was diese Zukunft bringt, scheint in den letzten Wochen wieder äußerst ungewiss. Wollten Anfang des Jahres viele Christen in ihre zurückeroberten Heimatdörfer heimkehren, so ließ Warda aktuell wissen: „Die Menschen haben Angst vor der Rückkehr in ihre Dörfer: Der IS ist zwar in der Defensive, der Einfluss der Islamisten besteht aber unter der Oberfläche weiter.“ Er könne daher nachvollziehen, dass sich der Exodus der Christen aus dem Nahen Osten fortsetze – auch wenn ihn das sehr schmerze. Lebten Anfang des Jahrtausends noch 1,2 Millionen Christen im Irak, sind es heute nur noch etwa 300.000. „Organisationen wie Kirche in Not ist es zu verdanken, dass wir überhaupt noch von einer christlichen Präsenz im Nahen Osten sprechen können“, fügt Warda hinzu.

„Wir wollen so viele Gemeinsamkeiten finden, wie wir können“

Verschwindend klein und bedroht: Das ist auch die Situation der Christen in Pakistan. Obwohl sie nur zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind sie faktisch „vogelfrei“. Ein rigides Blasphemiegesetz verbietet jede missionarische Arbeit und stellt jede „Beleidigung des Islam und des Propheten Mohammed“ unter Strafe.

Christenfeindliche Übergriffe sind an der Tagesordnung: In trauriger Erinnerung bleibt der Bombenanschlag am Ostersonntag 2016 auf einen Freizeitpark in Lahore, bei dem über 72 Menschen getötet wurden – die meisten von ihnen Christen.

In solchen Fällen versuchen der Dominikanerpater James Channan und Großimam Abdul Khabir Azad schnell zu handeln. Sie besuchen die Angehörigen der Opfer und halten gemeinsam Kundgebungen ab. Ihr Ziel: Eine Eskalation zu verhindern. Darum unterstützt Kirche in Not ihre Arbeit. „Wir treten gemeinsam auf, um ein klares Zeichen des Friedens zu setzen“, erklärt Pater Channan. „Wir wollen so viele Gemeinsamkeiten finden, wie wir können.“

Der Großimam predigt bei Kundgebungen und besucht Moscheen auf dem Land. Deren Vorsteher seien oft Anstifter zu Gewalt. Auch ihm schlage viel Hass entgegen, so Azad: „Ich erhalte Morddrohungen. Aber ich werde nicht aufgeben.“ Sein Freund, der katholische Ordenspriester, veranstaltet interreligiöse Tagungen und gibt eine Zeitschrift heraus, um über den Islam aufzuklären und Vorurteile abzubauen. „Wir können nicht gegeneinander leben“, ist Channan überzeugt. „Evangelisierung und Dialog der Religionen sind die beiden Schienen, auf denen der Zug des Katholizismus fährt.“

Weitere Informationen und Spendenmöglichkeit: www.kirche-in-not.de

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Die Bedeutung der Familie als Hauskirche

Familien feiern das Kirchenjahr

Selbst kirchenferne Familien würden gerne mit ihren Kindern die Feste im Jahreskreis feiern, doch sie wissen oft nicht mehr, was und wie sie feiern sollen. Es mangelt an grundlegenden Kenntnissen des christlichen Glaubens. Verschiedenste Einflüsse haben zu einem Traditionsbruch geführt. Mit einem theologisch fundierten und zugleich praktisch ausgerichteten Büchlein bietet Maria Prügl (geb. 1948) nun eine Hilfe an. Es eignet sich sowohl für „Anfänger“ als auch für „Fortgeschrittene“. Familien sollen die christlichen Bräuche wieder kennenlernen und befähigt werden, sie aus dem Glauben heraus mit Leben zu erfüllen. Das Buch eignet sich besonders als Geschenk zu Familienanlässen wie Hochzeit, Taufe oder Weihnachten.

Von Maria Prügl

Eine christliche Familie sollte zuhause nicht bloß Advent, Weihnachten und Ostern feiern, sondern das ganze Kirchenjahr. So kann eine „Hauskirche“ entstehen, die tatsächlich in der Lage ist, den Glauben an die junge Generation weiterzugeben. Wie bedeutungsvoll die Familie als Hauskirche ist, zeigt eine wahre Begebenheit aus der Kirchengeschichte Japans:

Am 17. März 1865 feierte der französische Missionar Pater Petit Jean nach seiner Ankunft in Japan die heilige Messe am Fuß des Nagasaki. Nach 200 Jahren Abwesenheit von Missionaren – sie wurden umgebracht, die Kirchen zerstört oder als Lagerhäuser benutzt – glaubte niemand mehr, dass der Glaube auch nur in Resten überlebt hätte. Doch es stellten sich einige Japaner ein. Höflich, scheu, vorsichtig fragten sie Pater Jean nach seinem Glauben: Welchen Namen sein Gott habe, ob er Jesus Christus kenne, ob er die Muttergottes verehre, ob er ehelos sei und ob die Gläubigen einem gewissen Papst gehorchen würden?

Er konnte alles bejahen. Überglücklich erkannten sie ihn als Boten jenes wahren Glaubens, wie sie ihn von ihren Vorfahren überliefert bekamen. Über zwei Jahrhunderte blutige Verfolgung hatte der Glaube in den Häusern überlebt, ohne äußere Strukturen, ohne Kirchen und Priester.

Hauskirche ist die Katakombe sowohl in Zeiten der Verfolgung als auch des Glaubensabfalls der Säkularisierung.

Zum Kirchenjahr gibt es viele Bücher. Worin unterscheidet sich das Buch „Familien feiern das Kirchenjahr“?[1] Es versteht sich als praktische Wanderkarte in der Hauskirche. Eine solche Karte will – im Glauben fundiert – Wissen vermitteln, praktisch und unkompliziert sein. Das Feiern des Kirchenjahres soll bewährte Traditionen mit einer individuellen familiären Entfaltung dynamisch miteinander verbinden. Es ist eine hervorragende Möglichkeit zur Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation. Ein großer Theologe des vergangenen Jahrhunderts, Romano Guardini, hat in der liturgischen Erneuerungsbewegung das Wort geprägt: „Die Kirche erwacht in den Seelen.“ Wir könnten sagen: „Die Kirche erwacht in den Häusern.“ Wie uns der hl. Papst Johannes Paul II. eindringlich vor Augen stellte, „wird die Evangelisierung in Zukunft zu einem großen Teil von der ‚Hauskirche‘ abhängen“ (Familiaris consortio, Nr. 52).

„Hauskirche“ im Licht des Glaubens formen

Viele Christen haben nie etwas von der „Hauskirche“ gehört. Außerdem haben sie von „Kirche“ überhaupt ein negatives Bild, deshalb auch von „Hauskirche“. Es gibt zu diesem Thema zahlreiche Missverständnisse: Hauskirche ist weder ein Haus mit Kapelle, noch soll man sein Haus zu einem Kloster machen. Andere verbinden damit eine naive Vorstellung von Romantik und Brauchtum.

Hauskirche dagegen spricht nicht nur Gemüt und Gefühl an, sondern Verstand und Wissen. Hauskirche will den Glauben feiern und an die nächste Generation weitergeben. Wer den Grund eines Festes nicht weiß, nimmt nur die leeren Hüllen der Bräuche in Anspruch. Wer hingegen den Glauben kennt, kann gut und lebendig feiern, denn Bräuche sind die Seele des Volkes, wie Papst Benedikt XVI. sagte. „Hauskirche ist eine theologische Wahrheit ersten Ranges.“

So soll die Hauskirche zu einer „sprudelnden Quelle lebendigen Wassers“ werden, voll Geborgenheit und Weite, voll Leben und Freude, aber auch voll Weisheit, voll Tiefe und Gewissheit. Sie bildet selbstbewusste Familien mit gottgeschenkter, gesunder Autorität.

Wahrheitsfrage entscheidet über Europas Zukunft

Gelegentlich ermutigt unsere westliche Welt andere Völker und Kulturen, „ihre eigene Identität und Kultur“ zu retten und zu bewahren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch diese Identitätsfindung haben wir Europäer selbst dringend nötig. Wir erleben einen dramatischen Kulturverlust, der uns beunruhigen muss. Wir müssen wissen: Europas Identität ist untrennbar mit dem Christentum verbunden. Im Zeichen des Kreuzes hat Europa seine hohe Kultur hervorgebracht. Papst Benedikt XVI. benannte anlässlich des Österreich-Besuchs am 8. September 2007 in Mariazell Ursache und Folgen der tiefen Krise: „Wenn es Wahrheit für den Menschen nicht gibt, kann er auch letztlich nicht Gut und Böse unterscheiden. Und dann werden die großen und großartigen Erkenntnisse der Wissenschaft zweischneidig.“ Er ermahnte die Gläubigen, „unruhige und offene Herzen zu haben und unermüdlich nach Wahrheit zu streben. Christen müssen Menschen suchenden Herzens sein, wie Maria, Josef und die übrigen Heiligen, die sich nicht in Gewohnheiten einhausten, sondern nach dem Größeren Ausschau hielten. Pilgern heißt: eine Richtung haben, auf ein Ziel zuzugehen. Das gibt auch dem Weg und seiner Mühsal seine Schönheit.“ Die Wahrheitsfrage entscheidet über Europas Zukunft.

Durch den Glaubensverlust haben wir auch schöne Traditionen, sinnvolle Bräuche und gute Gewohnheiten verloren und neue noch nicht wieder geschaffen. Der Landwirt weiß: Im nicht bestellten Feld beginnt rasch Unkraut zu wuchern. Das gilt auch im geistigen Sinn. New Age und Geisterglauben, leere Riten und heidnische Bräuche nehmen den Platz ein. Viele Eltern sind zu Recht besorgt etwa über das Halloween-Spektakel. Den Kindern jedoch gefällt es, wie sie sagen, dass „ein Geist an ihrer Türe war“. Unschwer lässt sich die Sehnsucht nach dem Metaphysischen erkennen, heidnische Gepflogenheiten nehmen den Platz ein. „Wird der Glaube beim Fenster hinausgeworfen, kommt der Unglaube zur Tür herein“, sagt ein Sprichwort. Halloween zeigt stellvertretend das schon lange bestehende Defizit der Verkündigung des Glaubens, aber auch die Sehnsucht nach der Wahrheit. Hier ist die Familie als Hauskirche gerufen: Je gefestigter der Glaube, umso gesünder unser Feiern in der Hauskirche.

Feiern braucht Wissen und Bildung

Zur Feier des „Kirchenjahres“ bzw. des „Liturgischen Jahres“ heißt es im Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche: „Im liturgischen Jahr feiert die Kirche das ganze Mysterium Christi, von der Inkarnation bis zu seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. An bestimmten Tagen verehrt die Kirche mit besonderer Liebe Maria, die selige Gottesgebärerin, und feiert auch das Gedächtnis der Heiligen, die für Christus gelebt haben, mit ihm gelitten haben und mit ihm verherrlicht sind.“ (Nr. 242)

Deshalb beginnt jedes Kapitel im Buch „Familien feiern das Kirchenjahr“ mit der Frage: Was feiern wir im Kirchenjahr? Dann erst kommt die Frage: Wie feiern wir es in der Familie, der Hauskirche? Und weil die Liturgie Lehrmeisterin im Glauben ist, ist Liturgische Bildung unerlässlich: Der Inhalt bestimmt die Form. Wie das Kirchenjahr (in Einheit mit der ganzen Weltkirche) reich an Festen und Feiern ist, so auch das Jahr der Hauskirche und zwar das ganze Jahr! Das ist Intention dieses Buches. Für die geistige und intellektuelle Mitfeier des Kirchenjahres, ob persönlich oder als Familie, ist die Begleitung durch den Sonntags-Schott und den Wochentags-Schott (Messbuch mit den Tageslesungen) sowie durch das Stundengebet der Kirche unerlässlich. Bei den einzelnen Festen und Hochfesten nimmt das Buch jeweils darauf Bezug. Mehr dazu findet sich auch in meiner Publikation „Die Kirche erwacht in den Häusern“ (ISBN 978-3-902336-95-8).

Weniger ist mehr!

Das vorliegende Buch enthält eine reiche Sammlung an Feierkultur, Kult und religiösen Bräuchen. Nicht alles ist für alle und es ist sinnvoll, dass jede Familie die eine oder andere Anregung auswählt und zugleich ihre eigene familiäre Kultur entfaltet. So wachsen wertvolle Traditionen, die gemäß ihrem Wesen nur vorsichtig und mit Sachkenntnis verändert werden sollen. „Man muss feste Bräuche haben“, lässt Saint Exupery den Fuchs im Kleinen Prinzen sagen. Auch unsere Lebenserfahrung bestätigt, dass Kinder z.B. den zuverlässigen Ablauf ihres Weihnachtsabends lieben.

Außerdem will das Buch nur Anregungen geben, die in den Familien weiterentwickelt werden müssen. Es ist nicht fertig oder abgeschlossen. Jede Hauskirche kann es weiterschreiben. Sie muss ihren spirituellen und praktischen Reichtum sammeln und zusammentragen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Maria Prügl: Familien feiern das Kirchenjahr, kartoniert, 21 x 23 cm, 140 S., reich an Bildern, 18,50 Euro, versandkostenfreie Lieferung für Privatkunden aus Deutschland und Österreich, Tel. +43-7744-66380  E-Mail: info@ehefamiliebuch.at – Internet: www.ehefamiliebuch.at

Bedeutung der Kerzen in der Liturgie der Kirche

Christus, das Licht!

Am 2. Februar, also am vierzigsten Tag nach Weihnachten, feiert die Kirche das Fest der Darstellung des Herrn. Es ist bereits im 4. Jahrhundert bezeugt und seit frühester Zeit mit einer Lichterprozession verbunden. Die Segnung und das Tragen von Kerzen an diesem Tag hängt mit den Worten des greisen Simeon zusammen, der vom Heiligen Geist erfüllt die Sendung des Kindes als „Licht zur Erleuchtung der Heiden“ offenbart (Lk 2,30-32). In der Osternacht erschließt sich die volle Bedeutung dieses prophetischen Wortes, wenn die brennende Osterkerze mit dem dreimaligen Ruf „Lumen Christi“ begrüßt wird. Erzbischof em. Dr. Karl Braun geht dem Sinn des Gebrauchs von Kerzen in der Liturgie der Kirche und den religiösen Bräuchen der Christen nach.

Von Erzbischof em. Karl Braun, Bamberg

Auch im Zeitalter des Neonlichtes und des Laserstrahls erfreut sich das Kerzenlicht großer, ja sogar wachsender Beliebtheit. Selbst wenn das elektrische Licht uns in die Lage versetzt, die Nacht zum Tag zu machen, so wird es dennoch nur wenige Haushalte in unseren Breiten geben, die keinerlei Kerzen zuhause haben. Überall finden wir Kerzen in den unterschiedlichsten Farben, Formen und Größen und es erhebt sich die Frage, warum dies so ist, denn als Beleuchtungsmittel hat das Kerzenlicht doch kaum noch Bedeutung, es sei denn im Notfall.

Mehr als nur ein romantisches Beiwerk

Werden Kerzen aus Gründen der Nostalgie oder der Sentimentalität entzündet? Hin und wieder mag dies sicherlich mitschwingen, doch steht fest, dass sich viele Menschen, sei es an einem festlich gedeckten Tisch oder in einer besinnlichen Gesprächsrunde, an dem milden Licht einer brennenden Kerze erfreuen. Ihr Licht vermag die jeweilige Atmosphäre stark zu prägen und die Menschen in eine besondere Stimmung zu versetzen. Mir scheint sogar folgende Schlussfolgerung berechtigt: Je hektischer, automatisierter und darum unpersönlicher unsere Umwelt wird, umso stärker wächst die Vorliebe für Kerzen und das Fluidum, das sie verbreiten.

Auch in der Liturgie der Kirche hat die Kerze eine besondere Bedeutung. Zu jeder Messfeier werden Kerzen am Altar entzündet und im Ablauf des Kirchenjahres begegnen sie uns immer wieder; als Beispiele seien nur genannt der Adventskranz mit seinen vier Kerzen, die Lichtmesskerzen, die Osterkerze, die Kerze zur Erstkommunion oder die Kerzen am Marienaltar im Monat Mai. Es könnte nun voreilig gefolgert werden, die Kerzen im Kirchenraum hätten vor allem die Aufgabe, die Gläubigen in die rechte Stimmung zu versetzen. Doch diese Überlegung ist zu vordergründig. Sie steht in Gefahr, das Abbrennen von Kerzen zur Effekthascherei zu degradieren.

Um die Bedeutung des Kerzenfeuers zu erfassen, müssen wir ein wenig weiter ausholen: Feuer und Licht gehören, ähnlich wie Wasser, zu den Ursymbolen der Menschheit. Feuer ist die Quelle des Lichts und der Wärme, die wir zum Leben brauchen. Die Vorstellung von ewiger Nacht und Kälte vermittelt uns eine Ahnung von dem, was endgültiger Tod ist. Darum war das Feuer für viele Religionen nicht nur ein Sinnbild der Gottheit, sondern selbst wesenhaft göttlich und darum verehrungswürdig. Allerdings erfuhr man das Feuer auch als bedrohliche Naturkraft. Es ist unbändig und kennt, einmal entfacht, keine Beschränkung. Wo das Feuer aber gezähmt ist, wird es als Wohltat und Lebenskraft erfahren.

Das Licht einer Öllampe oder Kerze stellt die „gebändigte“ Form des Feuers dar und fand in vielen Religionen und heidnischen Kulten Eingang. Die Verwendung von Kerzen war bereits im heidnischen Kult der Antike weit verbreitet. Zum Beispiel spricht Cicero davon, dass man Weihrauch und Kerzen vor den Götterbildern verbrenne. Auch der Kirchenvater Tertullian, der um das Jahr 200 lebte, berichtet von dem heidnischen Brauch, an den Häusern Lampen zu Ehren der Götter anzuzünden. Dies war Grund genug, die an das Heidentum erinnernde Verwendung von Kerzen von den religiösen Bräuchen der Christen ferne zu halten. Dennoch hatte sich bis zum vierten Jahrhundert der Brauch, an den Gräbern von Märtyrern Kerzen anzuzünden, unter den Christen weit verbreitet, wie uns viele alte Texte belegen.

Die Kerze ein Symbol für Christus

Nicht nur in der Osternacht, sondern das ganze Jahr hindurch bekam die Kerze in den Gotteshäusern eine große Bedeutung als Beleuchtungsmittel. Um das Jahr 1000 waren Kerzenkronleuchter in den Kirchen allgemein üblich. Doch erfreute sich die Kerze ihrer großen Beliebtheit im kirchlichen Raum nicht so sehr aufgrund ihrer Bedeutung als Lichtquelle, sondern vielmehr aufgrund ihrer Symbolik und Zeichenhaftigkeit. Für die Feier der Liturgie ist dies sehr bedeutsam, denn Liturgie ist wesenhaft an äußere Zeichen gebunden.

Den Menschen früherer Zeiten war zeichenhaftes und symbolisches Denken geläufiger. Für sie war zum Beispiel Wasser nicht bloß die chemische Verbindung H2O, sondern sie sahen mehr darin: Leben, Wachstum, ein Geschenk Gottes und der Natur. In ähnlicher Weise war für sie Kerzenlicht nicht nur „Beleuchtung im Dunkeln“, sondern auch ein Hinweis auf Christus: Die Kerze verzehrt sich selbst im Verbrennen, ähnlich der Kerze verzehrte sich Christus in seiner Liebe für die Menschen.

Im Neuen Testament preist Simeon den Herrn als „das Licht zur Erleuchtung der Heiden“ (Lk 2,32). Christus der Herr nennt sich selbst „Licht der Welt“ (Joh 8,12). Das Licht erscheint vorerst als das geeignetste Sinnbild seiner Gottheit. Weil das Licht unter allen materiellen Dingen als das am wenigsten materielle erscheint, gilt es als passendes Symbol Gottes, des absoluten Geistes, den die Schrift als Licht (1 Joh 1,7) bezeichnet, von dem sie sagt, dass er die Quelle allen Lichtes (Ps 36,10), in Licht gekleidet sei (Ps 104,1f.) und in unzugänglichem Lichte wohne (1 Tim 6,16). Das materielle Licht bewegt sich mit fast unglaublicher Schnelligkeit, ist fleckenlos und rein, dringt überall hin, um belebend und verklärend zu wirken, es ist darum auch aus diesem Grund geeignet zur sinnbildlichen Darstellung des allgegenwärtigen, allbelebenden göttlichen Wesens.

Die menschliche Natur Christi sieht das Mittelalter im Wachs symbolisiert, das der Lichtflamme als Nahrung dient. Wie das reine Bienenwachs von der jungfräulichen Biene stammt, so ging der Leib Christi aus dem jungfräulichen Schoße der allerseligsten Jungfrau hervor. Aus dieser symbolischen Beziehung des Lichtes auf Christus erklärt sich die ausgedehnte Verwendung, die es im Laufe der Zeit in der katholischen Kirche gefunden hat. Lichter betonen die Gegenwart Christi im Allerheiligsten und am Altar bei der Feier der Eucharistie. Wenn bei der Spendung der Sakramente Lichter angezündet werden, so erinnern sie gleichfalls an Christus, den unsichtbaren Gnadenspender, so wie die zum Evangelium getragenen Kerzen beim feierlichen Gottesdienst Christus als das „Licht der Welt“ und unsere Freude über seine Offenbarung verkünden.

Bislang konzentrieren wir uns auf die Kerze und ihre Symbolkraft im liturgischen Geschehen. Doch ist die Bedeutung der Kerze im Leben der katholischen Kirche noch weitreichender. Dazu müssen wir nochmals zurück in die Kirchengeschichte blicken.

Mit der Kerze durchs Kirchenjahr

Vom 10. Jahrhundert an war es üblich geworden, Kerzen zu weihen. Dies geschah hauptsächlich an Mariä Lichtmess, am 2. Februar, oder am Fest der Darstellung des Herrn, wie dieser Festtag heute heißt. Über die natürliche Symbolkraft des Lichtes hinaus bekamen die Kerzen nun aufgrund ihrer Segnung einen besonderen Stellenwert in der Frömmigkeit der Gläubigen; dies drückt sich zum Beispiel im Blasiussegen aus, der am Tag nach Mariä Lichtmess mit zwei gekreuzten Kerzen erteilt wird.

Die geweihte Kerze wurde auch im privaten Bereich der Familie bedeutsam. Sie begleitete den Gläubigen durch das Kirchenjahr. Man entzündete sie in Drangsal und Not. So wurde die geweihte Kerze allmählich zum Zeichen göttlichen Beistandes – denken wir zum Beispiel an die Wetterkerze, die man bei Blitz und Unwetter entzündete und dabei um den Schutz Gottes flehte.

Auch der Adventskranz mit seinen Kerzen bekam im Lauf der Zeit eine wachsende Bedeutung im christlichen Frömmigkeitsleben. Er ist nicht nur Zimmerschmuck in der „Vorweihnachtszeit“, sondern ein Anruf zu Besinnung und Gebet in den Wochen des Advents.

Beachtung verdienen auch die vielen oft sehr kunstreich gefertigten Votivkerzen, die gläubige Menschen besonders an Wallfahrtsorten stifteten. Diese Kerzen hatten häufig eine erstaunliche Größe. Beispielsweise ist die größte Kerze in Andechs, eine Stiftung Augsburger Wallfahrer aus dem Jahr 1727, sage und schreibe 2 Meter und 40 Zentimeter hoch und wiegt ganze 84 Pfund. In der Wallfahrtskirche Sankt Salvator in Bettbrunn bei Ingolstadt lassen sich seit 1378 solche Votivkerzen nachweisen.

Auch im Aberglauben hat sie ihren Platz

Neben den positiven Anregungen für die Volksfrömmigkeit durch das Segnen von Kerzen ergaben sich aber auch Bräuche, die man dem Aberglauben zurechnen kann. Zur Illustration folgendes: Es gab zum Beispiel den Brauch, am Tag der Vermählung die Flamme der Hochzeitskerze zu beobachten, um Voraussagen über das zukünftige gemeinsame Eheleben zu machen. Eine helle, ruhige Flamme ließ auf eine harmonische Ehe hoffen. Flackerndes oder knisterndes Kerzenlicht bedeuteten Unglück und Streit. Funken aus der Lichtmesskerze waren für die Familie eine frohe Botschaft oder kündigten einen Gast an. Herablaufendes Wachs ließ auf Übel und Tod schließen. Es kam zu richtigen Kerzenorakeln. In der Oberpfalz gab es früher den Brauch, am Allerseelentag für jedes Familienmitglied eine geweihte Kerze anzuzünden. Gemeinsam blies man alle Kerzen aus. Wessen Docht dann am wenigsten lang fortglimmte, von dem nahm man an, er müsse als erster sterben. Diese wenigen Beispiele belegen anschaulich, dass hier die geweihten Kerzen missbraucht und Gegenstand des Aberglaubens wurden, da man meinte, das Segensgebet würde der Kerze wundersame Kräfte mitteilen. Doch sollten wir nicht überheblich und herablassend über diese Bräuche in den vergangenen Zeiten urteilen. Trotz dieser nicht zu billigenden Praktiken lebten jene Menschen zweifellos in einem tiefen und festen Glauben.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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Die Eucharistie ist die uns tragende Mitte

Das Geschehen im Abendmahlsaal – und wir?

Wer wirklich versteht, welches Geschenk uns Gott in der heiligen Eucharistie macht, wird immer Zeit für die heilige Messe finden. Das Sonntagsgebot der Kirche ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er empfindet es nicht als aufgezwungene Verpflichtung oder als schwere Last. Von der Liebe des Erlösers angezogen kann er gar nicht anders, als zu dieser Quelle des göttlichen Lebens hinzuzueilen und so oft wie möglich vom lebendigen Wasser zu trinken. Nach dem Empfang der ersten hl. Kommunion im Abendmahlsaal machte Jesus den Aposteln klar, dass ein christliches Leben nur aus diesem Sakrament heraus gelingen kann. „Ohne mich könnt ihr nichts vollbringen“, so erklärte er selbst die Notwenigkeit der Eucharistie anhand des Gleichnisses vom Weinstock und den Reben. Ohne den Lebenssaft verdorren sie und können niemals Früchte hervorbringen. In der nachfolgenden Predigt, die Erzbischof Karl Braun am Gründonnerstag 2015 in der Kloster- und Pfarrkirche St. Michael von Metten gehalten hat, kommen auch die Schwierigkeiten zur Sprache, denen wir heute im Zusammenhang mit dem Sonntagsgottesdienst begegnen.

Von Erzbischof em. Karl Braun, Bamberg

Folgendes aus dem Leben eines Christen unserer Zeit: 13 Jahre in einem kommunistischen Umerziehungslager in Nordvietnam, davon 9 Jahre in Einzelhaft. Der Gefangene war Bischof François Xavier Nguyên Van Thuân (1928-2002). In seiner brutalen Prüfung hat ihn die Eucharistie am Leben erhalten.

Zeugnis von Bischof Nguyên Van Thuân

Der vietnamesische Bischof berichtet: „Als ich 1975 ins Gefängnis geworfen wurde, musste ich oft an die Aussage der frühchristlichen Märtyrer von Abitene (4. Jh.) denken: ,Ohne das Herrenmahl können wir nicht leben.‘ Ich saß zunächst mit leeren Händen im Gefängnis. Wie ein lebender Toter hatte ich mich gefühlt, von allen vergessen. Doch man erlaubte mir, Gläubige meiner Diözese um ,Magenmedizin‘ zu bitten. Diese verstanden, was ich wollte, und schickten mir ein wenig Wein. Ein Gefängnisaufseher brachte mir das Päckchen. Nie werde ich meine Freude in Worte fassen können: Mit ein wenig Brot, drei Tropfen Wein und einem Tropfen Wasser in der hohlen Hand feierte ich Tag für Tag die Messe. Ich hatte die wahre Medizin für Seele und Leib: ,Arznei der Unsterblichkeit‘, um immer das Leben in Christus zu haben. Das waren meine schönsten Messfeiern. So habe ich mich Jahre hindurch vom Brot des Lebens und vom Kelch des Heiles gestärkt.“

Das also bedeutete dem späteren Kardinal die Eucharistie.

„Das ist heute“ bedeutet mehr als eine Zeitangabe

Was ist uns die Eucharistie wert? Was antworten wir Jesus, gerade am heutigen Abend – am Gründonnerstag, an dem er das Abendmahl gefeiert und den Auftrag gegeben hat: Tut dies zu meinem Gedächtnis, bis ich wiederkomme in Herrlichkeit?

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens genannt (vgl. Dekret „Christus Dominus“, 30). In der Feier der heiligen Messe wird Wirklichkeit, was im Abendmahlsaal begonnen hat. Und „das ist heute“, wie es im Hochgebet heißt. Nicht ein totes Andenken hat Jesus uns hinterlassen, sondern sich selbst unter den Zeichen von Brot und Wein, gegenwärtig in unserer Mitte. „Das ist heute“, ist also nicht bloß eine Zeitangabe. Es fordert uns, die wir im Hier und Heute leben, auf, unser Erdenleben als „eucharistisches Leben“ zu verstehen und zu verwirklichen: hier, jetzt, heute.

Sonntagspflicht: „Der bleibt in meiner Liebe!“

Wie ernst nehmen wir diese Aufforderung? Prägt die Eucharistie unser Leben? Ist sie uns tragende Mitte, Energiezentrum – so etwas wie ein „Dauertropf“, an dem wir hängen, damit wir „in Form bleiben“, nämlich in der Form Christi; damit wir stets in der Liebe des Herrn sind, von seiner Liebe gespeist werden und diese Liebe weitergeben können? Die Quelle dieser Liebe in jeder heiligen Messe – und gerade am Sonntag – neu zum Strömen zu bringen, ist auch Ziel der sogenannten Sonntagspflicht. Deshalb ist uns die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier nicht lästiges Gebot – sie ist nicht wegdenkbar und nicht ohne Not ersetzbar.

Heutige Umstände machen es schwerer

„Stell dir vor, Gott lädt ein und keiner kommt!“ Warum bloß bleiben die Kirchen sonntags so leer? Lauheit, Gleichgültigkeit und Wohlstand spielen sicher eine Rolle. Doch auch das ist zu bedenken: Sonn- und Feiertage entwickeln sich immer mehr zu normalen Arbeitstagen. Trotz einschlägiger Gerichtsurteile wird der arbeitsfreie Sonntag durch Politik und Wirtschaft weiter ausgehöhlt und so auch die Mitfeier der Sonntagsmesse erschwert. Das Familienleben hat sich stark, ja drastisch verändert. Selbst eifrige Gläubige tun sich schwer oder sind daran gehindert, stets das Sonntagsgebot zu erfüllen. Mehr denn je ist darum unser Einfallsreichtum gefragt. Eine Möglichkeit unter anderen könnte sein das Angebot einer Samstagsvorabend- oder Sonntagsabendmesse in der eigenen Pfarrei oder an einem anderen nahegelegenen Ort, nicht zuletzt auch Absprachen mit gleichgesinnten Familien, Angehörigen und Bekannten. Diese könnten auf ihre Weise „Sonntagshilfsdienst“ leisten.

Wir können nur schätzen, was wir kennen

Freilich stellt sich auch die Frage: Bleiben nicht viele deswegen zu Hause, weil sie kaum oder nicht mehr wissen, was die Eucharistie bedeutet, und sie deshalb diese auch nicht schätzen? Messe, das ist für sie vielleicht noch eine ganz nette, aber doch mehr oder weniger langweilige Gemeindeversammlung: entbehrlich, braucht man nicht unbedingt, man kann Gott doch ebenso im Wald begegnen, und die, die in die Kirche rennen, sind auch nicht besser als die anderen…

Ohne Zivilcourage keine Treue

Wer von uns hat nicht schon solch flotte Sprüche gehört oder kennt nicht die echten Schwierigkeiten? Wer erlebt nicht, dass ein Stück Zivilcourage dazu gehört, regelmäßig die Sonntagsmesse mitzufeiern? Gerade auch an diesem Punkt erfahren wir: In vielen Situationen müssen wir uns anpassen. Muss oder darf ich ausscheren? Wo ist es notwendig sich einzuordnen und wo muss ich Flagge zeigen und Rückgrat beweisen? In unserer zusehends immer weniger christlich geprägten Gesellschaft stehen gerade wir Christen als solche oft vor der Entscheidung, uns dem „main-stream“, der Eintagsfliege „Mehrheitsmeinung“ – man denkt, man sagt, man tut –, einzufügen oder bewusst christlich zu leben und zu handeln.

Viele werden mutlos und resignieren

Kommen wir uns dann nicht vor wie Fremde oder Außenseiter, deren Denk- und Lebensweise viele nicht mehr verstehen? Fühlen wir uns da nicht wie Exoten in einer Umgebung, die so lebt, als existiere Gott nicht, als gäbe es ihn nicht, als danke er bald ab und lebe vielleicht nur noch ein paar Tage?

Ist es da verwunderlich, wenn wir mutlos werden, resignieren und nichts mehr von Gott erwarten, nicht mehr ernsthaft damit rechnen, dass er heute ebenso da ist und wirkt wie früher? Kommen wir uns dann oft nicht kraftlos vor und vermissen wir dabei nicht auch die nötige „Aufbaukost“?

Wir brauchen mehr als das Machbare

Wie hört sich in dieser Situation das Gebet des Psalmisten an: „Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Gegner“ (Ps 23,5)? Der Alltag bestätigt uns: Wir leben von Wasser und Brot, von Luft und Sonne, von Kohle, Öl, Gas und Atomenergie, von unserer Hände Arbeit, von den Sicherheiten, die wir uns selber schaffen oder die uns Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und andere Institutionen bieten. Aber reicht dies alles aus? Die Erfahrung lehrt, dass wir mehr brauchen als Nahrung, Arbeit und soziale Absicherung; dass wir Größeres benötigen als das, was sich innerhalb des engen Horizontes der Materie und des Machbaren bewegt; Tieferes als das, das wir sehen, berühren und wissenschaftlich beweisen können; Beständigeres als all das, was uns tagtäglich an Reklame und Propaganda, an Versprechungen und Programmen, an Strategien und Ideologien aufgedrängt wird und dann zerplatzt wie eine schillernde Seifenblase.

Sehnsucht nach Liebe und Leben in Fülle

Wir brauchen Orientierung, Ziel und Sinn. Wir halten Ausschau nach Menschen, die uns annehmen, lieben und zur Seite stehen. Wir sehnen uns nach einem, der grenzenlos gut ist, „gut wie das Brot“. So nennen die Italiener einen wahrhaft guten Menschen: „buono come il pane“. Wo aber ist dieses „gute Brot“, wo finden wir jenen, der gut wie das Brot ist; jenen, der im Brot bei uns bleibt; jenen, der uns wirklich sättigt und unsere Sehnsucht nach Liebe und Leben auf Dauer stillt?

„Ein Beispiel habe ich euch gegeben“

Ja, den können wir finden, den gibt es. Es ist der, der von sich bezeugt: „Ich bin das Brot des Lebens“, ich, der eucharistische Herr. Im „lichtreichen Rosenkranz“ beten und bekennen wir: „Jesus, der uns die Eucharistie geschenkt hat“. Geschenke stelle ich nicht in die Ecke. Ich nehme sie in die Hand, ich packe sie aus, ich drücke meine Freude gegenüber dem Schenkenden aus. Und er, der Schenkende, Jesus Christus, ruft uns zu: Dort, wo euer Schatz ist, soll auch euer Herz sein (vgl. Mt 6,21). Dort, wo das Opfermahl gefeiert wird und ihr mich im Tabernakel anbetet. Dort bin ich für euch da, dort empfangt ihr die Kraft, um meine Fußwaschung am Gründonnerstag in euren Alltag zu übersetzen, die Kraft, „damit auch ihr so handelt, wie auch ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15).

Teilhabe am Leib und Blut Christi holt jeden von uns in den Austausch der Liebe.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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Gebetbuch und Wallfahrtsführer zum Fatima-Jubiläum

Geistliche Begleiter

Der deutsche Zweig des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ gibt als geistliche Begleiter zum 100. Jubiläum der Marienerscheinungen in Fatima ein neues Fatima-Gebetbuch und einen Wallfahrtsführer heraus.

Von Tobias Lehner

Das „Fatima-Gebetbuch 2017“ enthält auf 100 Seiten alle Gebete, die die Jungfrau Maria und der Engel bei den Erscheinungen in den Jahren 1916 und 1917 die Seherkinder gelehrt haben sowie Litaneien, Gebete und Andachten zur Gottesmutter. Daneben sind auch die katholischen Grundgebete, eine Anleitung zum Beten des Rosenkranzes sowie viele weitere Wallfahrtsgebete enthalten. Im handlichen DIN-A6-Format eignet sich das Gebetbuch als Begleiter bei Wallfahrten und Prozessionen ebenso wie für das persönliche Beten oder bei Andachten in der Gemeinde. Der Preis beträgt 2,50 Euro.

„Komm mit nach Fatima“ lautet der Titel eines neuen Wallfahrtsführers, der sich vorrangig an Kinder richtet – aber für alle geeignet ist, die zum ersten Mal nach Fatima fahren oder sich über den Gnadenort informieren möchten. Die drei Seherkinder kommen darin selbst zu Wort und erzählen ihre Geschichte. Auch zum Vorlesen und Nacherzählen geeignet! Viele Bilder und Grafiken laden zu einem Rundgang durch das Heiligtum ein. Auch der Ablauf der großen Wallfahrtstage wird beschrieben. Kleine Rätsel, Gebete, eine portugiesische Wortkunde sowie viele praktische Hinweise runden das 48-seitige Heft im Format 20 x 20 cm ab. „Komm mit nach Fatima“ kostet ebenfalls 2,50 Euro.

Im portugiesischen Wallfahrtsort Fatima war von Mai bis Oktober 1917 die Gottesmutter Maria drei Hirtenkindern erschienen. Im Vorjahr waren die Kinder durch mehrere Engelerscheinungen darauf vorbereitet worden. Heute zählt Fatima zu den bedeutendsten Wallfahrtsorten der katholischen Kirche. „Kirche in Not“ ist der Botschaft von Fatima eng verbunden: Der Gründer des Hilfswerks, der niederländische Prämonstratenser Werenfried van Straaten, sah in der Botschaft von Fatima wichtige Leitmotive seines Einsatzes für notleidende und verfolgte Christen. Dies betraf vor allem den Aufruf der Gottesmutter zu Gebet und Buße sowie die Prophezeiungen zum Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in Russland. Auch hat Pater Werenfried „Kirche in Not“ mehrfach der Gottesmutter geweiht. Das Werk war 1947 zunächst als „Ostpriesterhilfe“ für deutsche Heimatvertriebene und verfolgte Christen hinter dem Eisernen Vorhang entstanden. Daraus entwickelte sich die päpstliche Stiftung „Kirche in Not“, die heute in über 140 Ländern weltweit tätig ist.

Das „Fatima-Gebetbuch 2017“ und der Wallfahrtsführer „Komm mit nach Fatima“ können zum Preis von je 2,50 Euro zzgl. Versandkosten online bestellt werden unter: shop.kirche-in-not.de oder bei:  KIRCHE IN NOT, Lorenzonistr. 62, 81545 München, Tel.: 089/64248880, Fax: 089/642488850, E-Mail: kontakt@kirche-in-not.de

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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600 Jahre Niklaus von Flüe und 500 Jahre Reformation

Bruder-Klaus-Jahr

Das genaue Geburtsdatum des hl. Niklaus von Flüe ist nicht bekannt. So wird das ganze Jahr 2017 dem Gedanken an den Nationalheiligen der Schweiz gewidmet. Am 1. April 2017 begehen die Katholische und die Evangelische Kirche in Zug gemeinsam einen nationalen ökumenischen Gedenk- und Feiertag zu „600 Jahre Niklaus von Flüe und 500 Jahre Reformation“. Höhepunkt ist ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche St. Michael um 16:00 Uhr mit Felix Gmür, Bischof von Basel, und Gottfried Locher, Präsident des Rates SEK. Es wird die Kantate „Gemeinsam zur Mitte“ von Erwin Mattmann uraufgeführt. Nachfolgend das Editorial von Beat Hug zur Sonderbeilage „600 Jahre Niklaus von Flüe“ in verschiedenen Schweizer Zeitungen am 12. März 2017. Bemerkenswert ist sein Hinweis auf Dorothee Wyss, die Frau von Bruder Klaus. Auch Joseph Kardinal Ratzinger hatte 1994 festgestellt, er fände es „einleuchtend und wichtig“, „Klaus von der Flüe und seine Gattin Dorothee als heiliges Ehepaar der Kirche vorzustellen“.

Von Beat Hug

2017 feiern wir das 600. Geburtsjahr von Niklaus von Flüe (1417-1487). Nach einem erfolgreichen Leben in Beruf, Familie und Gesellschaft zog er mit 50 Jahren in den nahegelegenen Ranft, eine Hangterrasse im Melchaatobel beim Flüeli im Kanton Obwalden. Dort lebte er 20 Jahre, betete, fastete, dachte nach und empfing mehr und mehr Besucher. Der Einsiedler im Ranft berührte die Menschen seiner Zeit in ihrem Innersten. Von nah und fern reisten Männer und Frauen heran, um sich von Bruder Klaus, wie er nun genannt wurde, beraten und stärken zu lassen. Bis heute halten diese Verbundenheit und Kraft an.

Niklaus v. Flüe gehört zu den wirkungsmächtigsten Leitfiguren der Schweiz. Er ist auch heute ein Vorbild in Mystik und Spiritualität, Gesellschaft und Politik sowie als Mensch mit seinen Stärken und Schwächen.

Sein Lebensweg ist ohne das Einverständnis seiner Frau undenkbar. Wenn wir 2017 Niklaus von Flüe gedenken, gedenken wir auch Dorothee Wyss.

In einer Zeit der Selbstverwirklichung steht ein Mensch quer in der Landschaft, der sein Lebensziel – bei ihm war dies, ganz in Gott die absolute Freiheit zu finden – derart radikal verfolgte. Niklaus von Flüe steht für eine Welt mit tiefgreifenden Werten, echten Begegnungen und persönlicher Bescheidenheit. Dazu gehören Verzicht und Gottessuche, stetes Bestreben nach Ausgleich ebenso wie sein positiv geprägtes Gottesbild und seine Visionen, deren archaische Kraft uns heute noch staunen lässt.

Ist die Vermittlertätigkeit von Niklaus von Flüe nicht gerade jetzt besonders notwendig, in unserer individualisierten und oft auf Eigennutz fokussierten Gesellschaft? Als Mittler zwischen Sprach- und Kulturregionen, zwischen Konfessionen und Menschen aus aller Welt? Nutzen wir die Chance für eine Auseinandersetzung mit einem der bedeutendsten Mystiker, Mittler und Menschen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2017
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