Interview mit Kardinal Meisner über seinen bischöflichen Dienst

Mit innerer Freiheit und Freude

„Ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse der Synode“, so der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner auf die Frage, wie die Pastoral für Gläubige, die in einer irregulären Ehesituation leben, zukünftig aussehen könnte. Gleichzeitig betont er, es dürfe keine „faulen Kompromisse“ geben. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben „Familiaris consortio“ von Papst Johannes Paul II., das „in genialer Weise Wesen und Würde von Ehe und Familie“ zusammenfasse, sei auch „für die kommende Synode normativ“! Diese Stellungnahme zu einer der brennendsten Fragen in unseren Tagen spiegelt die Haltung des Kardinals wider, mit der er seinen gesamten bischöflichen Dienst ausgeübt hat. Im nachfolgenden Interview mit „Kirche heute“ blickt er auf seinen Werdegang zurück und geht besonders auf das Thema „Ehe und Familie“ ein.

Interview mit Joachim Kardinal Meisner, Köln

Kirche heute: Eminenz, am 12. Februar feiern Sie 25jähriges Jubiläum als Erzbischof von Köln. Sie möchten in den verdienten Ruhestand treten. Gibt es bereits eine offizielle Antwort aus Rom auf Ihr Rücktrittsgesuch?

Kardinal Meisner: Mir wurde vom Hl. Stuhl mitgeteilt, dass der Heilige Vater mein Rücktrittsgesuch angenommen hat, aber der Termin dafür ist noch nicht festgelegt.

Kirche heute: Sie haben die katholische Kirche in Deutschland während der vergangenen Jahrzehnte geprägt wie kaum jemand anderer. Was war für die Entwicklung Ihres persönlichen Glaubens entscheidend? Wer hat den Grund für Ihr religiöses Leben gelegt und was hat Ihre Spiritualität am meisten geformt?

Kardinal Meisner: Ich bin als normaler katholischer Christ unter extremen Diaspora-Verhältnissen nach unserer Flucht aus Schlesien im Jahr 1945 groß geworden. In dieser Situation war es nur möglich, Christ zu sein, wenn man sich dazu auch bekannte: in Schule, Beruf und in der damaligen sozialistischen Öffentlichkeit. Das aber war nur möglich aus einer lebendigen Gottesbeziehung heraus. Ich habe das nur nie als etwas Besonderes empfunden, das gehörte zur Normalität unseres Alltags, in dem wir immer wieder herausgefordert waren, für Christus Zeugnis abzulegen. Die Mitfeier des Kirchenjahres, die in unserer Diaspora-Situation äußerst schwierig war, ist aber in der Familie, aber auch in meinem persönlichen Gebetsleben prägend gewesen. Der hl. Thomas von Aquin sagt, dass in einem Kirchenjahr das ganze Chris­tus-Mysterium zur Entfaltung kommt. Also, wenn Sie so wollen, habe ich in der äußerlich dürftigen, aber persönlich täglichen Mitfeier des Kirchenjahres einen schlichten und lebendigen Christus-Glauben geschenkt bekommen. 

Kirche heute: Ihr bischöflicher Dienst ist sehr eng mit dem Pontifikat Johannes Pauls II. verbunden. Bald wird dieser große Papst heiliggesprochen, der Sie 1980 zum Bischof von Berlin ernannt hat. Worin sehen Sie das wichtigste Vermächtnis, das uns Johannes Paul II. hinterlassen hat?

Kardinal Meisner: Der selige Papst Johannes Paul II. hat durch seine furchtlose Verkündigung des Evangeliums Europa und die Welt am Ende des 20. Jahrhunderts mehr zum Positiven verändert als irgendein anderer. Indem er den Menschen als Ebenbild Gottes und den Christen als Jünger Jesu überzeugend in seiner Verkündigung der Gesellschaft zum Bewusstsein brachte, machte er die Forderung nach der Einhaltung der Menschenrechte, namentlich der Religionsfreiheit, zu einer unaufschiebbaren Forderung menschlicher Würde. Seine Botschaft von der Würde des Menschen, der als Mann und Frau erschaffen und dazu berufen ist, sich in der Ehe zusammenzutun, damit daraus eine Familie werde, um so den Fortbestand der Menschheit zu garantieren, ist weniger verstanden oder gar abgelehnt worden. Sein Kampf gegen die Abtreibung und gegen jede Form der Euthanasie ist bekannt. Hier ist uns das Vermächtnis von Papst Johannes Paul II. als eine unaufschiebbare Aufgabe geblieben.

Kirche heute: Das Pontifikat Benedikts XVI. hat durch Ihre freundschaftliche Verbundenheit mit dem Papst aus Deutschland eine besondere Unterstützung erfahren. Wie sehen Sie nun im Rückblick die Bedeutung seines Wirkens für die Kirche in unserem Land?

Kardinal Meisner: Betrübten Herzens muss ich sagen: Dass die Unterstützung von Papst Benedikt XVI. selbst durch deutsche Bischöfe dürftig war, wird man nicht mehr bezweifeln können. Gerade im Vergleich mit Papst Johannes Paul II. und dem polnischen Episkopat und der polnischen Kirche fällt dieser Vergleich für uns Deutsche nicht positiv aus. Schon als Theologieprofessor hat er unter seinen Kollegen an den deutschen Hochschulen trotz seiner Genialität wenig Sympathie gefunden. Das setzte sich verstärkt fort, als ihn Papst Johannes Paul II. mit der Aufgabe des Präfekten der Glaubenskongregation betraute, und fand dann schließlich seine Fortsetzung im Petrusamt. Was der Heilige Vater aber an Leuchtspuren in unserem Land hinterlassen hat, ist beachtlich. Ich nenne nur seine geniale Rede vor dem Deutschen Bundestag, in der er uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass nicht nur die Welt in ihrem Bestand durch das Naturrecht geschützt wird, sondern auch der Mensch in seiner einmaligen Würde. Und nicht zu vergessen ist auch seine große Rede im Konzerthaus in Freiburg, in welcher er uns die Entweltlichung der Kirche ans Herz legte, damit sie wieder Sauerteig und Salz der Erde werden könne. 

Kirche heute: Sie sind bekannt als wortgewaltiger Prediger, der sich nicht scheut, die Dinge beim Namen zu nennen. Dafür haben Sie oft stürmischen Widerspruch geerntet und sind doch immer standhaft geblieben. Was hat Ihnen in Ihrem bischöflichen Dienst am meisten Kraft gegeben und woran haben Sie sich orientiert?

Kardinal Meisner: Eigentlich kann ich für meinen Verkündigungsdienst keine übernatürlichen Sondereinsätze verbuchen. Ich habe nur versucht, in aller Schlichtheit das zu sagen, was der Herr von uns verlangt. Ich habe nicht mich selbst gepredigt, sondern immer die Botschaft Christi. Meinen Dienst hatte ich immer so verstanden, den Menschen zuerst den Gehorsam gegenüber dem Worte Gottes vorzuleben und ihnen das auch deutlich zu sagen. Das schenkt eine innere Freiheit und Freude, die sich vom Beifall oder der Beschimpfung anderer nicht allzu sehr tangieren lässt. Mein Orientierungspunkt war grundsätzlich Jesus Christus: in mir, vor mir und über mir.

Kirche heute: Was hat Ihnen als Erzbischof von Köln am meisten Freude bereitet? Was waren die herausragenden Ereignisse und worin sehen Sie selbst die Höhepunkte Ihres Dienstes?

Kardinal Meisner: Am meisten Freude habe ich durch die Gottesdienste empfangen, natürlich besonders in der Hohen Domkirche in Köln zu den großen Kirchenfesten. Wie mir auch Besucher sagten, sei die Fronleichnamsprozession in Köln in ihrer Schönheit und Würde unvergleichlich. Aber auch das Dreikönigsfest und die anderen hohen Festtage waren und sind eine Freude meines Herzens. Dann waren mir die sonntäglichen und anderen vielen Besuche in den Gemeinden und die Altargemeinschaft mit den Menschen immer eine große Freude. Der Glaube des Volkes Gottes trägt einen Bischof mit all seinen Belastungen wesentlich. Dafür bin ich den Gläubigen in unserer Erzdiözese sehr dankbar. Als besondere Höhepunkte des Glaubens habe ich 1998 die 750-Jahrfeier des Gotischen Domes, 2005 den Weltjugendtag und 2013 den nationalen Eucharistischen Kongress erfahren, wobei der Weltjugendtag ein besonders herausragendes Glaubensereignis darstellt.

Kirche heute: Ein zentrales Anliegen war für Sie immer die Familie. Worin sehen Sie die entscheidenden Werte der christlichen Familie?

Kardinal Meisner: Die Familie ist eines der kostbarsten Güter der Schöpfungsordnung, aber auch der Erlösungsordnung. Beide berühren sich und ergänzen sich. Gott hat nach dem Schöpfungsbericht den Menschen als Mann und Frau erschaffen und den Auftrag gegeben, zu wachsen und sich zu mehren. Das heißt ganz schlicht, Mann und Frau sind zur Ehe berufen, damit daraus die Familie erwächst. Und darin findet der Mensch seine tiefe Entsprechung zum Schöpfergott selbst. Wenn der Mensch nach Gottes Ebenbild und Gleichnis gemacht wurde und wenn dieser Gott dreifaltig ist, dann ist die Familie in ihrer Dreigliedrigkeit Mutter-Vater-Kind die tiefste Entsprechung des Geschöpfes zum Schöpfer. Was Papst Johannes Paul II. über das Mysterium der unauflöslichen Ehe und der daraus resultierenden Fruchtbarkeit der Familie geschrieben hat, bleibt gerade für die Gegenwart, besonders auch im Hinblick auf die Synode über die Familie 2014, normativ.

Kirche heute: Was muss heute eine angemessene Familienpastoral auf Pfarrei- und Diözesanebene leisten? Wie kann sie den modernen Herausforderungen gerecht werden?

Kardinal Meisner: Die Familien in unseren Gemeinden sollten in der pastoralen Sorge immer die Priorität erhalten. Aber auch das caritative Tun der Kirche müsste hier wirksam werden, wenn die äußeren Umstände einer Familie das erfordern. Ein wichtiger Gesichtspunkt gleichsam vor der Ehe- und Familienpastoral ist es, zu helfen, dass junge christliche Frauen und Männer, die nach dem Willen Christi eine Ehe eingehen und leben wollen, Gelegenheit haben, einander zu begegnen. Die Situation darin ist heute weltweit in einem Diaspora-Zustand, in dem sich Jugendliche gleichen Glaubens kaum kennen. Man muss in der Seelsorge Gelegenheiten schaffen, wo junge, gleichgesinnte Menschen einander begegnen können, woraus sich dann eventuell – wenn Gott es will – auch eine Ehe ergibt.

Kirche heute: Sie haben wiederholt einen Gesinnungs- und Mentalitätswandel in der Familienpolitik angemahnt. Was sind für Sie die Eckpunkte einer verantwortungsvollen Familienpolitik?

Kardinal Meisner: Die Sozialpolitik müsste in unseren europäischen Ländern und eigentlich überall davon geprägt sein, dass die Lebensverhältnisse so beschaffen sind, dass aus einer Ehe zumindest zwei bis drei Kinder hervorgehen können. Und die Sozialpolitik möge darüber hinaus sorgen, dass die Jahre, in denen die Mutter zu Hause bleibt, um die Kinder zu erziehen, in der Altersversorgung so berücksichtigt werden wie eine Tätigkeit im Berufsleben. Außerdem sollte dafür Sorge getragen werden, dass die Frau nach dieser Zeit in der Familie dann wieder in ihr Berufsleben zurückkehren kann. Dass natürlich auch der Mann und Vater hier Verantwortung zu tragen hat, ist selbstverständlich.

Kirche heute: Was kann darüber hinaus für den wirksamen Schutz der Familie vonseiten der Gesellschaft und der Kirche getan werden?

Kardinal Meisner: Die Gesellschaft müsste das Thema Familie zum Schwerpunkt ihrer Überlegungen und Planungen für Gegenwart und Zukunft machen. Die Kirche tut das sowieso. Aber in der öffentlichen Diskussion sind Ehe und Familie leider nur ein Randthema. Obwohl jeder Mensch familiäre Erfahrungen hat, ist es erstaunlich still, wenn es um dieses wichtige Thema geht. Das immer wieder zu aktualisieren, ist auch die Aufgabe der Kirche.

Kirche heute: Papst Franziskus hat inzwischen die Vorbereitungen auf die Bischofssynode über Familie und Evangelisierung in die Wege geleitet. Was dürfen wir von einer solchen Synode erwarten?

Kardinal Meisner: Zunächst hat der Heilige Vater, wie auch wir Bischöfe, den Gläubigen den Gehorsam gegenüber dem Worte Gottes vorzuleben; das gilt auch von einer Synode in besonderer Weise. Bis jetzt habe ich schon viele Synoden miterlebt, und ich erhoffe mir, dass man dabei die Wirklichkeit der christlichen Ehe, wie sie sich in der Heiligen Schrift und in der Lehre der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch klar gezeigt hat, in unsere heutigen gesellschaftlichen Situationen übersetzt. Nicht anpasst, sondern übersetzt! Das ist eine große und wichtige Aufgabe. Es gab ja schon im Jahr 1980 eine Synode über Ehe und Familie, die dann in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ durch Papst Johannes Paul II. ihren Niederschlag gefunden hat. Dieses Dokument fasst in genialer Weise Wesen und Würde von Ehe und Familie zusammen. Ich halte es deswegen für die kommende Synode für normativ!

Kirche heute: Vor kurzem sind dazu vom Vatikan Fragebögen an alle Diözesen bzw. Teilkirchen verschickt und auch veröffentlicht worden. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen und die darin enthaltenen 39 Fragen?

Kardinal Meisner: Leider war die Befragung äußerst kurzfristig angesetzt und sehr theoretisch formuliert. Diese Fragen und ihre Antworten sollten nun im Licht der göttlichen Offenbarung gelesen und beantwortet werden. Dabei muss man Gott nach dem Munde reden und nicht den Menschen – um der Menschen willen.

Kirche heute: Wie sollte die Mitarbeit in den Teilkirchen für eine fruchtbare Vorbereitung der Synode nun aussehen?

Kardinal Meisner: In der Glaubensverkündigung auf allen Ebenen sollte dieses wichtige Thema, soweit es möglich ist, aktualisiert werden, aber immer von der Offenbarung her.

Kirche heute: Ein wichtiger Akzent der Synode besteht darin, dass die biblische und kirchliche Lehre über die christliche Familie in Predigt und Katechese tatsächlich vermittelt wird. Wie sehen Sie die diesbezügliche Situation in Deutschland?

Kardinal Meisner: Die Diskussion in Deutschland ist natürlich durch die enorm hohe Zahl von Ehescheidungen bestimmt und der damit verbundenen Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur hl. Kommunion. Das Thema ist sehr ernst und schmerzlich zugleich. Aber auch hier gilt das Wort des Herrn: „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Hier kann es keine faulen Kompromisse geben. Die Kirche hatte in diesem Punkt im Laufe ihrer Geschichte schon manche „Feuerprobe“ zu bestehen. Darum bin ich schon sehr gespannt auf die Ergebnisse der Synode.

Kirche heute: Wie wird nach Ihrer Ansicht die Pastoral für Gläubige, die in einer irregulären Ehesituation leben, zukünftig aussehen? Worauf sollte die Kirche achten?

Kardinal Meisner: Hier möchte ich mit Ihnen die Ergebnisse der Synode abwarten!

Kirche heute: Die Bischofssynode widmet auch dem Thema „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ und der Frage nach der Adoption von Kindern durch solche Paare Aufmerksamkeit. Wie muss sich die Kirche Ihrer Einschätzung nach angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklungen verhalten?

Kardinal Meisner: Der Katechismus der Katholischen Kirche spricht zu diesem Problem eine klare Sprache. Die Adoption von Kindern durch homosexuelle Partnerschaften halte ich für ein großes Unrecht an den Kindern, weil Vater und Mutter es dem Kind erst ermöglichen, in die Differenziertheit und die Gesamtheit menschlicher Existenz hineinzuwachsen: eben mit Vater und Mutter, also mit Mann und Frau. Außerdem: Jeder Mensch hat biologisch Mutter und Vater, und er hat ein Recht darauf, seine leiblichen Eltern zu kennen. Hier sind Konflikte vorprogrammiert.

Kirche heute: Glauben Sie, dass eine außerordentliche Bischofssynode tatsächlich das Bewusstsein für gemeinsames Familiengebet oder für die Bereitschaft, mehr Kindern das Leben zu schenken, verändern oder die Praxis beeinflussen kann? Was müsste dazu geschehen?

Kardinal Meisner: Natürlich glaube und besonders hoffe ich, dass eine außerordentliche Bischofsynode das Bewusstsein für das gemeinsame Familiengebet oder für die Bereitschaft, mehr Kindern das Leben zu schenken, stärken und kräftigen kann. Es ist wie bei allen Gegebenheiten in der Kirche: Wenn die Verkündigung klar und eindeutig ist, ergibt sich dann wie von selbst die Umsetzung. So sollte es eigentlich sein. Aber auch das kann anders sein. Wenn im Hinblick auf die Synode von 1980 unter Papst Johannes Paul II. über die Ehe und Familie die Ergebnisse nur zur Kenntnis genommen wurden, aber nicht in die Praxis einflossen, dann war eigentlich vieles dabei umsonst. Wir haben danach gelegentlich darüber geredet und sind wieder zur Tagesordnung übergegangen, und das hat nicht das Leben der Familien und der Gläubigen positiv verändert. Eine Bischofssynode müsste auch immer so eine Art neues Pfingsten werden und wieder ins Bewusstsein rufen, wie sich die pfingstliche Kirche in der Apostelgeschichte darstellt. Dort heißt es: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). Dann heißt es kurz danach: „Und sie waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apg 2,47). Was dazu geschehen müsste, zeigt uns die Apostelgeschichte in den vier Merkmalen der Urkirche.

Kirche heute: Wie sehen Sie ganz allgemein die Zukunft der Kirche in Deutschland angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen?

Kardinal Meisner: Wenn ich nach der Zukunft der Kirche in einem Land gefragt werde, dann schaue ich zunächst einmal auf Christus. Er hat gesagt: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Darum habe ich zunächst gar keine Angst vor der Zukunft der Kirche in Deutschland. Um es ein wenig profan zu sagen: Allerdings hat die Gnade Gottes in uns Christen viel zu tun und zu bewirken, dass wir wieder „Salz der Erde“ werden. Ich selbst bin kein Prophet, der nun detaillierte Zukunftsbilder entwerfen könnte, aber ich weiß nur aus der Vergangenheit, dass Gott der Meister des Unmöglichen ist und dass seine unbequemsten Möglichkeiten erst dann beginnen, wenn wir mit unseren Konzepten „schachmatt“ gesetzt sind. Also keine Angst!

Kirche heute: Der selige und bald heilige Johannes Paul II. hat ein neues Missionszeitalter angekündigt, einen neuen Frühling für Kirche und Welt. Wird er Ihrer Meinung nach mit dieser „Vision der Hoffnung“ Recht bekommen? Wie sollten wir sie verstehen?

Kardinal Meisner: Ich denke, ich habe mit meiner vorhergehenden Antwort auf Ihre Frage darauf schon Bezug genommen. Lassen Sie die Leser auf diese Ihre Frage selbst eine Antwort finden.

Kirche heute: Wir dürfen derzeit ein interessantes Pontifikat erleben. Kirche und Welt sind gespannt, wohin der eingeschlagene Weg führen wird. Was ist Ihr Wunsch für unseren Papst Franziskus und die Weltkirche?

Kardinal Meisner: Der Heilige Vater soll gute Berater haben, die ihm helfen, in einer spannenden Weltsituation wie bisher den katholischen Glauben ungebrochen zu verkünden. In Papst Franziskus haben wir den ersten Nichteuropäer auf dem Stuhle Petri, das zeigt auch, dass Europa innerhalb der Weltkirche nicht mehr eine Priorität zu beanspruchen hat. Die Erfahrungen aus Südamerika, die er als Impulse in sein Pontifikat einbringt, bewegen uns besonders in Europa. Bei Rückfragen auf Interviews betont er immer: „Ich bin ein Sohn der katholischen Kirche!“, und damit meint er, seine Teilantwort ist vom ganzen katholischen Glauben gedeckt. „Kirche und Welt sind gespannt, wohin der eingeschlagene Weg führen wird“, steht in Ihrer Frage. Der Weg des Petrus kann nur zu Jesus Christus führen. 

Kirche heute: Eminenz, wir danken Ihnen von ganzem Herzen für das außerordentliche Interview und wünschen Ihnen für Ihre Zukunft Gottes reichsten Segen.

Interview: Erich Maria Fink

Wo bleibt die religiöse Erziehung unserer Kinder?

Lasst uns einen Neuanfang wagen!

Dr. Reinhold Ortner (geb. 1930) ist einer der bekanntesten deutschen Pädagogen. Über Erziehung spricht er nicht nur als Universitätsprofessor, sondern auch als fünffacher Familienvater. Die Quintessenz seines reichen Schaffens lautet: „Die Liebe ist der Pulsschlag der Erziehung in der Familie.“ Und diese muss gepaart sein mit dem Vorbild der Eltern – vor allem, wenn es um Glaubensvermittlung geht. Ortner ist nicht nur ein leidenschaftlicher Anwalt der christlichen Ideale von Ehe und Familie, sondern auch ein prophetischer Mahner zur religiösen Erziehung.  Dazu lautet sein Appell: „Lasst uns ernsthaft mit Gottes Hilfe auch unter großen Opfern einen Neuanfang wagen!“ Denn er ist überzeugt, dass Ängste, Einsamkeit und Aggression nur mit Gottes Liebe überwunden werden.

Von Reinhold Ortner

Politische Gesetzgebung ist dabei, den Eltern die pädagogische Betreuung ihrer Kinder schon von klein auf zu entziehen. Angeblich geht es dabei um „professionell“ angesetztes kognitives und soziales Lernen. Was aber ist mit der spezifisch konfessionell vertieften religiösen Erziehung für den Glauben, auf den das Kind getauft wurde?

Schwerpunkt der Pädagogik ist neben sachlichem Lernen auch Erziehung zu sozialen sowie existenziellen Wertorientierungen und Verhaltensweisen. Genau hier ist aber religiöse Erziehung unersetzbar. Erstverantwortlich hierfür sind Eltern und Familie.[1] Die Erziehungskraft elterlicher Liebe für das eigene Kind und einer von Herzen kommenden individuellen Fürsorge und Betreuung im Geborgenheitsraum „Familie“ ist in Kitas nicht gleichwertig zu vollziehen, schon gar nicht fundierende religiöse Erziehung. Schließlich: Sind Wirtschaftsexpansion und Aktienkurse wertvoller als der Familien- und Kinderschutz?

Ein Blick zurück

In den 50er Jahren übernahm ich als Grundschullehrer zusammen mit dem Ortspfarrer die religiöse Erziehung unserer Schulkinder im Unterricht wie auch im kirchlichen Leben. So gab es zweimal in der Woche „Schulgottesdienst“, eine heilige Messe, in der alle Kinder anwesend waren. Ich übernahm die Aufgabe des Organisten. Helle Kinderstimmen frischten die Melodie der Lieder auf. In Sprechstunden und Begegnungen außerhalb der Schule entwickelte sich erziehliche Zusammenarbeit der Eltern mit dem Lehrer. Damals gab es auch schon vor der Geburt Anfänge religiöser Einbindung des Kindes in der Familie, z.B. Beten, Segnen und Kirchenbesuch der schwangeren Mutter. Da berührte elementares, unterbewusstes Erleben elterlicher Liebe und Geborgenheit das Baby schon von klein auf. Erziehung in der Schule konnte in der Regel auf religiöse Kenntnisse, Verhaltensweisen und Gefühle aufbauen. Es entstand eine das zukünftige Leben prägende „Glaubensfestung“ in den Herzen der Kinder. Übrigens – mit glänzenden Augen dankbarer Erinnerung sprechen mich meine ehemaligen Schulkinder immer noch auf unser damaliges Schulleben an.

Während der letzten Jahrzehnte gingen jüngere Generationen immer mehr auf Abstand zum Glauben an Gott. Ebenso finden es heute viele Erwachsene nicht mehr für nötig, junge Menschen mit dem wahren Sinn ihres Lebens vertraut zu machen und mit ihnen von klein auf von und zu Gott zu sprechen. Es soll kein Pauschalurteil sein, aber offensichtlich ist es doch vielfach so, dass heute in Familie und Schule die notwendigen Grundlagen religiöser Erziehung auf Sparflamme reduziert, geschwächt oder an den Rand geschoben werden. Die negativen Folgen dieses Defizits wirken sich heute wie in einem „Domino-Effekt“ auf immer weitere Kinder- und Enkel-Generationen aus.[2]http://kirche-heute.de/typo3/#_ftn2

Religiöse Erziehung in der Familie

Gott überantwortet ein Kind der Liebe seiner Eltern und weckt in deren Herzen eine tiefe emotionale Bindung. In Gottes Schöpfung ist Familie daher jene Gemeinschaft, in der Kinder von klein auf mit körperlicher, psychischer und geistiger Lebensausstattung ausgerüstet werden sollen. Familie ist daher ein wichtiger Garant psychischer und physischer Stabilität einer Liebe in Geborgenheit. Familie lebt existenziell-religiöse Werte vor und festigt sie beispielhaft durch ihr Vorbild. Wer Familie nur als (ersetzbare) gesellschaftliche Institution oder variable Rechtsform sieht, missachtet vor allem ihren Erziehungswert grundlegend. Familie sorgt für eine individuelle Betreuung in der Familie. In den Herzen der Eltern wachsen Liebe[3] und Fürsorge-Kräfte. Diese Liebe ist es, die sich vor und nach der Geburt um immer neue, den jeweiligen Entwicklungsphasen gerecht werdende erziehliche Hilfe bemüht. Damit entfaltet und festigt sich eine enge Eltern-Kind-Bindung, ein wesentlicher Grund dafür, dass die Priorität hinsichtlich des Rechts und der Pflicht der erziehlichen Aufgabe zuallererst der Familie zukommt.[4]

Die Väter des „Grundgesetzes der BRD“ hatten diese elementare Vorgabe verpflichtend im Hinblick auf das Wohlergehen nachfolgender Generationen gesetzlich verankert: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht."[5]

Blockierung wertvoller Erziehungskräfte

In öffentlichen Meinungsvorgaben ist die Erziehung in der Familie unter Abwertungsbeschuss geraten. Familien- und Religionspädagogik beklagen heute eine alarmierende Blockierung oder sogar den staatlicherseits verordneten Entzug wertvoller religiöser Erziehungsarbeit. Untersuchungen der letzten Jahrzehnte ergeben eine Entwicklung, die innerhalb der Länderparlamente[6] damit begonnen hat, die Familie als den von Gottes Schöpfung bestimmten unersetzlichen Geborgenheitsraum für die Grundlegung der Erziehung abzuwerten bzw. zu verhindern. Ohne solide überzeugende Begründung wird behauptet, ehemals familienpädagogische Werte sind heute durch professionelle Institutionen besser zu verwirklichen.[7] Mütter könnten endlich ihre Kräfte für die heute „so bedeutsame Produktions-, Finanz- und Konsumexpansion“ einbringen und sich eine Rente verdienen. Sie würden damit endlich die Chance ihrer weiblichen „Selbstverwirklichung“ erhalten. Demgegenüber bestätigen familienpädagogische Erkenntnisse,[8] dass institutionelle staatliche Erziehungsmodelle ein erhöhtes Risiko psychosomatischer Fehlentwicklungen sowie Erlebens-Defizite der Liebe und Geborgenheit bei Kindern mit sich bringen.

Zerstörende Abwertung von Ehe und Familie

Lern- und Verhaltensprobleme[9] bei Kindern nehmen zu. Unkritischer Medienkonsum bewirkt schon im Vorschulalter eine Abstumpfung geistiger Konzentration sowie sittlicher Dekadenz und Aggressivität. Eine weitere zentrale Ursache ist die zur Selbstverständlichkeit gewordene ethisch liberalisierte Sexualisierung der Gesellschaft. Unsere Kinder befinden sich in einer sittlich vergifteten Atmosphäre, welche in der Schule Konzentration, Lernerfolge und soziales Verhalten beeinträchtigen und verhindern. Hinzu kommt noch das Fehlen einer religiösen Glaubensbasis in der Familie. In diesem gesellschaftlichen Klima ohne wahre Liebe häuft sich die Zahl der von Lern-Misserfolgen betroffenen traumatisierten Kinder. Psychologen und Pädagogen stellen fest, dass die Zunahme der Verhaltensprobleme bei Kindern schnell zu aggressiven Verhaltensweisen innerer Hilflosigkeit einerseits und depressiven Ängsten des Geborgenheitsverlustes andererseits führen. Am Ende weinen schließlich Kinder in tiefenpsychischen Ängsten vor Ungeborgenheit, sexueller Gefährdung, Gewalt, Vereinsamung … und Blockierung des Lernens.

Sicherlich stehen uns vorschnelle Verurteilung, Beschuldigung und Tadel nicht zu. Eine andere Sache aber ist es, politisch ungebremste sowie staatlich geförderte Fehlentwicklungen auf dem Gebiet von Ehe und Familie in unserer Gesellschaft zu brandmarken. Da entwickelt sich eine immer größer werdende Welle zerbrochener Ehen, Scheidungen sowie Entzweiung von Eltern. Eine seit Jahrzehnten beobachtbare sexuelle Freizügigkeit im Jugend- und Kindesalter[10] beginnt deutlich anzusteigen und damit die für Ehe und Familie notwendige Treue und Bindung schon in frühen Jahren zu schädigen. Außerdem zeigt sich ein „Domino-Effekt“ in der Abwertung und Gefährdung von Ehe, Familie und Geborgenheit bei immer weiter nachfolgenden Generationen. – Wo bleibt religiöse Erziehung?

Liebe schenken – Vorbild sein

Religiöse Erziehung in der Familie schenkt dem Kind Vorbild. Sie gibt religiös-ethische Wegweisung. Das Kind erlebt eine liebevolle Gemeinschaft und stärkende Sicherheit, wenn es sich alleine hilflos fühlt. Familie „trägt und beschützt“, wo Gefahren drohen. Sie schenkt Sicherheit und Geborgenheit, wo Alleinsein und Ängste übermächtig werden. In der religiösen Erziehung stehen Gebet, Annahme, Güte und Geborgenheit bereit, wenn Selbstwert und Daseinsorientierung zu zerbrechen drohen. Selbstlose Liebe in der Erziehung kann Übermenschliches erreichen, wenn ihr geistiger Grund und ihre emotionale Kraft in der Liebe Gottes wurzeln. Lasst uns ernsthaft mit Gottes Hilfe auch unter großen Opfern einen Neuanfang wagen!

Reinhold Ortner: Liebe schenken – Religiöse Erziehung in Theorie und Praxis. Geb., 207 Seiten. Direkt bestellen unter Tel. 07303-9523310, Fax 07303-9523315 oder mit E-Mail an: buch@media-maria.de – Internet: www.media-maria.de


[1] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2252.
[2] Die Bayerische Verfassung von 1949 gab noch als verpflichtende Erziehungsvorgabe an: „Oberstes Bildungsziel ist Ehrfurcht vor Gott“. Dieser fundamentalen Forderung stehen heute viele mit Unverständnis oder gar Spott gegenüber. Weitere Länder haben „Religionslehre“ durch „Ethik“ ersetzt oder ganz gestrichen.
[3] „Wenn dein Kind zu leben beginnt, passiert etwas Überwältigendes, Prägendes mit dir. Es ist dieses von Gott kommende Gefühl: ‚Ich liebe dich jetzt schon, ohne dich zu kennen.' Ich bin die Person, die Gott ausgesucht hat, dieses Kind zu gebären“ (Caitlin Flanagan an Frauen, die ein Kind erwarten).
[4] Vgl. Kardinal Zenon Grocholewski in: Il Consulente RE, 30.10.2008.
[5] Artikel 6 (1) und (2).
[6] … bis hin zu Institutionen der EU und der UNO.
[7] Betroffen sind dabei unverzichtbare Werte wie die Liebe zwischen Eltern und Kind, Geborgenheit, Annahme, Individualisierung, Selbstwerterleben, Austausch und Grundlegen zwischenmenschlicher Gefühle, selbstlose Opferbereitschaft aus Liebe u.a.
[8] Negative pädagogisch-psychologische Erfahrungen in Ostblockländern mit ehemals vorschulischer Trennung von Eltern und Kindern ab dem Kleinstkindalter hatten dort pädagogisch problematische sowie schädliche Folgen.
[9] Vgl. hierzu Ortner R./Ortner A., Verhaltens- und Lernschwierigkeiten, Beltz, Handbuch, 6. Auflage; Ortner, R.: Pädagogisch helfen – aber wie?, Auer Verlag 2003.
[10] Anfänge einer „Zwangssexualität“: Einer der jüngsten Gesetzentwürfe in der Schweiz (NPHS-Programm) „Rechte des Jugendlichen auf Sexualität“ fordert ein von den Eltern unabhängiges und selbstständiges Ausleben der Sexualität ab dem 12. Lebensjahr inklusive Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibung ohne Wissen und Einwilligung der Eltern. – Vgl. auch das geplante Erziehungsprogramm „Sexualität“ in Baden-Württemberg.

Fragen an eine zeitgemäße Ehepastoral

„… bis ich dich nicht mehr ertragen kann“?

Wie kann die Kirche den Eheleuten helfen, ihre Berufung zu erfüllen? Eine erfolgreiche Ehepastoral lebt von der festen Überzeugung aller Beteiligten, dass die eheliche Treue auch heute verwirklicht werden kann. Doch muss sie neben dem Glauben an das von Gott gewollte Ideal auch das entscheidende Fundament der christlichen Ehe vermitteln: nämlich die helfende Gnade Gottes. Wird der göttliche Beistand nicht von Anfang an mit einbezogen, ist die Ehe der Gefahr ausgeliefert zu scheitern. Gott ist die Liebe. Seine Gegenwart muss die menschlichen Beziehungen durchdringen. Dann aber ist Trennung keine Option mehr. Christliche Ehepaare bezeugen, dass die Kraft Gottes ihre Schwächen immer übersteigt.

Von Daniel Langhans 

Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer … gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Leib sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,4-6).

Was wir schon wussten, haben die Antworten auf die Fragen des Heiligen Stuhls gezeigt: Die christlichen Grundüberzeugungen über Ehe und Familie, Liebe und Sexualität werden von vielen als „mit der Realität unvereinbar“ abgelehnt. Es heißt, die Kirche soll Lehre und seelsorgliche Praxis dem Leben der Menschen anpassen: Die „Ausgrenzung“ jener Menschen möge beendet werden, welche eine sexuelle Orientierung auf das eigene Geschlecht aufweisen. Es soll „die Vielfalt der Kontexte und Lebenslagen von Familien“ anerkannt werden; außerfamiliäre Lebensformen als „irregulär“ zu bezeichnen, sei „abwertend, verletzend, ausgrenzend, provokant“. Wer nach einer geschiedenen (gültigen und vollzogenen) Ehe eine staatliche „Ehe“ eingeht, soll (auch um der Kinder willen) im vollen Umfang zu den Sakramenten zugelassen werden; das gebiete die „Barmherzigkeit“. Die Kirche soll ihre Lehre zum Einsatz von empfängnisverhütenden Mitteln („Verbot“) ändern. – Am Rand vermerkt wird, dass es „eine kleine Gruppe unter den Katholiken“ gibt, „die der kirchlichen Morallehre folgen. Häufig sind sie verwurzelt in neuen geistlichen Bewegungen.“[1]

Anerkannt ist mit der letztgenannten Bemerkung immerhin: Eine Lebensführung nach der Weisung des Evangeliums für Menschen ist – zumindest grundsätzlich – möglich; auch wenn in der Praxis durchaus schwierig. Schauen wir genauer hin.

Ein Ehemann sagt zu seiner Frau: „Ich kann mit Dir nicht mehr in einem Raum zusammen sein.“ Ist das ein Satz, der von der Vernunft oder von der Emotion bestimmt ist? Kein Zweifel: Es ist die – negative – Emotion, die eine solche Aussage steuert. Wollten wir sie in eine vernunft-gesteuerte Form bringen, könnte sie etwa wie folgt lauten (ja, wir haben nie gelernt uns so auszudrücken): „Ich nehme bei mir negative Gefühle wahr – immer dann, wenn ich mit Dir zusammen in einem Raum bin.“ So etwa würde es Marshall B. Rosenberg sagen, der Begründer des Konzepts, das im Deutschen „Gewaltfreie Kommunikation“ genannt wird; seine Basis ist die Erkenntnis: Wir „sind“ nicht unsere Emotionen, sondern wir haben sie.

Diese Emotionen sind es, die uns oft beherrschen; wobei darüber diskutiert wird, welches der beiden Geschlechter in höherem Maß von dem Problem mangelnder Kontrolle der Emotionen betroffen ist. Was aber ist zu tun, wenn man gegen einen Menschen negativ gestimmt ist? Wir sind heute daran gewöhnt, Liebe mit den entsprechenden Gefühlen gleichzusetzen. Im Fall der erotischen Liebe kommt dann noch die sexuelle Anziehungskraft dazu, die in Büchern und Filmen auf immer eindeutigere Weise vermittelt wird (damit sie sich besser verkaufen lassen). Was aber meint Jesus, wenn er von „Liebe“ spricht? Ein Gefühl oder einen Akt des Willens? C.S. Lewis hat das Gebot der Nächstenliebe so ins Heute übertragen: „Wir sollen uns nicht lange fragen, ob wir unseren Nächsten lieben, sondern wir sollen so handeln, als ob wir ihn lieben.“

Eheleute versprechen sich treffend: „Ich will dich lieben, achten und ehren, bis dass der Tod uns scheidet.“ Allerdings, „der Geist ist willig“, aber seine psychischen Strukturen sind schwach – erlauben wir uns mal, die Überlieferung des bekannten Jesus-Wortes durch den Evangelisten Matthäus (26,41) zu präzisieren. Viele Familien brechen auseinander, weil die Emotionen gegeneinander gerichtet, ja geschossen werden (statt sie nach Rosenberg – und das bedeutet: geistig – zu verarbeiten) und die Herzen sich immer weiter verhärten. Hilfreich ist hier die Botschaft des Papstes: „Manchmal scheint unser Herz mit all den Dingen, die kommen und gehen, ein Dorfmarkt zu sein: Es gibt von allem etwas. Nein! Wir müssen prüfen, was vom Herrn kommt und was nicht, um im Herrn zu bleiben.“[2]

Kann es „vom Herrn“ kommen, wenn ich meinen Ehepartner „nicht mehr ertragen kann“? Was tun? Der gut-gemeinte Ratschlag von (inzwischen auch katholischen) Geistlichen: „Ihr beide braucht eine räumliche Trennung“. Verwiesen wird auf das katholische Eherecht, das neben dem Recht und der Pflicht zum ehelichen Zusammenleben auch die „Trennung von Tisch und Bett“ kenne. Also soll die zum Brandort gerufene Feuerwehr wieder wegfahren – mit dem Hinweis, es sei besser, das Haus einfach herunterbrennen zu lassen…

Das Kirchenrecht stellt scharfe Bedingungen an diese Ausnahme-Regelung, ja Notlösung. Mit Recht, denn Frau Riedel-Spangenberger hat schon 1978 festgestellt: „Die eheliche Liebesgemeinschaft einerseits und die Trennung von Eheleuten andererseits sind zwei entgegengesetzte Positionen, die einander ausschließen.“ Wie soll sich eine Ehe positiv entwickeln, wenn sich die Gatten räumlich trennen? Und die Kinder: Welche Folgen hat es für die Seele eines Menschen, wenn ihm der Kontakt zu Vater oder Mutter erschwert oder gar unmöglich gemacht wird?

Ist es da nicht sinnvoller, jenem Ehepartner, welcher den anderen „nicht mehr ertragen kann“, vom Evangelium her Orientierung zu geben? Wenn es gelänge, mit den negativen, gegen den Ehepartner (mit dem man ja „einen Leib“ bildet!) gerichteten Emotionen in christlicher Weise umzugehen, wäre damit ein Stück des Reiches Gottes auf Erden verwirklicht? Welche Zeugniskraft hätte das für die betroffenen Kinder? Für die Umgebung?

Einwenden lässt sich, hier werde vom Fall einer einseitigen Aggression ausgegangen. Nun, wer sich ein wenig mit der Situation von Familien befasst hat, wird möglicherweise schon mitbekommen haben, dass das landläufige Bild, wonach „zu einem Streit immer zwei gehören“, mit der Realität nicht notwendig übereinstimmt. Die Psychologen wissen das bisweilen besser: „Einer ist immer der Angreifer“. Dieser Satz aus einem Aussprachekreis „Entsorgter Väter“ (so etwas gibt es inzwischen) bringt auf den Punkt, was auch der christlichen Sichtweise entspricht: Der Teufel macht sich (als Ausgangspunkt jeglicher Zwietracht) in sehr unterschiedlicher Weise an die Menschen heran und packt diese bei ihren jeweiligen, nicht zwingend gleichen Schwächen. Die Umgebung eines Konflikt-Paares will so etwas nicht hören. Und die meisten, ohnehin überlasteten Priester auch nicht. Äquidistanz heißt die sichere Burg.

Benedikt XVI. wie auch Franziskus sprechen von „Entweltlichung“ als Wesenselement der Kirche. „Die als maßgebend erkannten Wahrheiten, Werte, Ordnungen sind ihrem Kern nach vom Welthaften qualitativ verschieden: sie sind übernatürlich“, sagt Guardini. Manche Theologen etikettieren das als „Zweistockwerk-Denken“. Man könnte sie fragen: Welche Konsequenzen hat die Gewissheit, dass – durch Christus – Wahrhaft-Göttliches in unsere Welt buchstäblich „eingebrochen“ ist? Ist nicht unser Dasein selbst schon Gnade? Ist nicht alles Natürliche – und dazu gehören, was unser Ehe-Thema betrifft, ja auch die Emotionen – auf die Gnade innerlich hingeordnet?

Die Schwierigkeiten, die Ehe als lebenslange Verbindung zu leben, sind kein Sonderproblem unserer Zeit. Der Heilige Moses hat – bekanntlich nur Männern – die Möglichkeit eingeräumt, bei Vorliegen von konkreten Gründen – Ehebruch durch die Frau – sich von dieser zu trennen. Heute erscheinen die Gewichte verschoben, da Mütter anderen Frauen nicht ohne Erleichterung zuflüstern: „Ich habe ihn rausgeschmissen!“ – Jesus jedenfalls hat den Scheidebrief des Moses als unzureichendes Zugeständnis an die menschliche Schwachheit gekennzeichnet (Mt 19,8). Er spricht hier vom „harten Herzen“. Der herzensverhärtete Mensch tut es als „bloßes Zitieren von Bibelstellen“ ab, wenn er das (auch noch so liebevoll gesprochene) „Liebet einander!“ hört; denn er vermag den eigenen Partner im paulinischen Sinn nicht mehr „in Christus“, genauer: „im Heiligen Geist“ zu vernehmen.

Noch einmal Guardini: „Jede Beziehung zu einem Ding oder Geschehen in der Welt läuft endgültigerweise auf eine Beziehung mit Gott hinaus.“ Wenn das stimmt, dann steht in der vom Scheitern bedrohten Ehe nichts weniger als die eigene Beziehung zu Gott auf dem Spiel; wie auch die des Partners und der Kinder. So sind beide aufgerufen, permanent nach neuen Lösungsmöglichkeiten zu suchen – und zwar so lange, bis diese gefunden sind. „Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). Und auch diese Frage muss erlaubt sein: Wie passt zusammen, dass Wiederverheiratet-Geschiedenen die volle Anteilnahme an den Sakramenten verweigert wird, aber gleichzeitig Katholiken, die sich (trotz Mt 5,23-24!) weigern, sich mit ihrem Ehepartner zu versöhnen, regelmäßig die heilige Kommunion empfangen dürfen? Darf man von Priestern erwarten, dass sie die psychischen Strukturen eines Menschen von seiner Geist-Seele unterscheiden können? Bedeutet „Respekt vor der Freiheit des Menschen“ nicht auch und gerade, ihn auf die ihn fehlleitenden psychischen Strukturen hinzuweisen? Ihm zu helfen, sozusagen „in sich selbst“ die „Natur“ überwinden und dem Ehepartner so zu begegnen, wie Jesus selbst ihm begegnet?

Wünschen wir uns, dass die Thematik einer heute zeitgemäßen Ehepastoral nicht länger bloß aus der Perspektive von außerordentlichen Lebenssituationen betrachtet wird. Die übliche Kette lautet: Es scheitern immer mehr Ehen. -> Die betreffenden Menschen suchen sich neue Partner. -> So steigt die Zahl derer, die von der Kirche nicht zu den Sakramenten zugelassen werden. -> Deshalb muss die kirchliche Praxis überdacht werden. (Solche Deutungsmodelle haben inzwischen den Weg in Predigten auch tieffrommer Geistlicher gefunden.)

Dieser Beitrag versteht sich als Anregung, den Horizont auszuweiten: Immer mehr Ehen sind vom Scheitern bedroht. Damit sind auch die betroffenen Kinder von seelischen Lasten bedroht. Was kann getan werden, um diese Ehen und Familien zu schützen? Welche Orientierung bietet dazu die Heilige Schrift? Und: Welche zusätzliche Schwächung würde es für die vom Scheitern bedrohten Ehepartner bedeuten, wenn dem aktuellen Drängen, die Wiederverheiratet-Geschiedenen zu den Sakramenten zuzulassen, stattgegeben würde?

Literatur: Romano Guardini, Die Bekehrung des Aurelius Augustinus (3. Aufl. 1959 = Mainz 1989); Romano Guardini, Unterscheidung des Christlichen (Mainz 1963); Ilona Riedel-Spangenberger, Die Trennung von Tisch, Bett und Wohnung (Frankfurt-Bern-Las Vegas 1978); C.S. Lewis, Pardon, Ich bin Christ (Ulm 4. Auflage 1979); Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation (Paderborn 2001).


[1] Alle Zitate sind der Zusammenschau des Kölner Erzbistums entnommen: www.erzbistum-koeln.de. Pfarrer Christoph Sperling kommentiert die Online-Befragung durch den BDKJ: Nun können die Gläubigen „über die Wahrheiten abstimmen, an die sie nie herangeführt wurden“ (in: VATICAN-Magazin, Januar 2014, S.40).
[2] Papst Franziskus, Morgenmesse am 7.1.2014, zit. nach www.radiovatikan.de.

Bewegender Dank einer Mutter mit behindertem Sohn

Unantastbar ist die Würde jedes Menschen

„Lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden“ (Hebr 4,12f.). Was hier im Hebräerbrief ganz allgemein über das Wort Gottes gesagt wird, gilt insbesondere für das „Evangelium vom Leben“. Die Kirche muss die Heiligkeit des Lebens so eindeutig bezeugen, dass alle Manipulationen aufgedeckt und ausgeschlossen werden. Der Kampf für das Leben duldet keine Kompromisse. Und dazu müsse die Kirche, so Weihbischof Dr. Andreas Laun, ihren Warnruf noch wesentlich verstärken.

Von Weihbischof Andreas Laun

Die Kirche bringt in erster Linie die Botschaft von Gott, von der Auferstehung, von der Vergebung der Sünden! Folgerichtig muss sie auch davon reden, was Sünde ist und worin die schlimmen und ganz schlimmen Folgen der Sünde bestehen! Je nach Akzeptanz einer bestimmten Sünde bei den Menschen und des Lügens über sie im Sinne des Schönredens muss die Kirche ihren Warnruf verstärken und wiederholen, bezüglich anderer Sünden darf sie die Warnung dem Gewissen des Einzelnen überlassen oder sogar der öffentlichen Meinung! Was Abtreibung betrifft: Kaum eine andere Sünde bezüglich derer so schamlos gelogen wird und die für ein ganzes Volk so schreckliche Folgen hat: von dem persönlichen Trauma der betroffenen Frauen bis hin zur Zerstörung des moralischen Wissens einer ganzen Gesellschaft und, nicht zu vergessen, bis zum demografischen Tsunami, dessen Schaumkronen am Horizont schon sichtbar werden. Darum ist es notwendig, das Thema immer wieder anzusprechen, nicht leise, sondern laut und immer wieder. Ein weiterer Grund für diese „pastorale Belästigung“ der Menschen ist: Die Ideologie, die in ihrer extremsten Form Abtreibung sogar als Menschenrecht anerkannt wissen will, ist ein Stück weit sogar in die katholische Kirche eingedrungen! Sie wird das absolute Nein der Kirche, verwurzelt im Gebot Gottes, zwar nicht umstoßen können, aber als Häresie kann sie sich da und dort einnisten und hat es schon getan: Auf manchen Katholiken-Tagen dürfen Pro-Life-Gruppen ihre Informations-Materialien nicht verteilen, und das „Kirchenvolksbegehren“ lässt den emeritierten Theologen Hermann Häring zur Enzyklika „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus schreiben: Es gebe in diesem Dokument zwar viel Gutes, aber leider auch „traditionell umstrittene, für unsere Reformideen wunde Punkte. Dieser reformfreudige Papst lehnt Abtreibung, Homosexualität, Frauenpriestertum und die Aufhebung des Zölibats ab.“ Von den anderen Themen rede ich hier nicht, nur von dem Recht auf Leben und der Leugnung dieses Rechts durch die weltweite Abtreibungs-Ideologie: Mit seinem impliziten Ja zur Abtreibung hat sich Häring selbst exkommuniziert! Wenn es noch eines Beweise bedurft hätte: Das Kirchenvolksbegehren, das in diesem Ja offenbar die eigene Haltung dokumentiert, steht ein gutes Stück weiter außerhalb der katholischen Kirche als es zu befürchten war!

Das ist unsere Not, die zwar nicht schon „vollständige“, wohl aber teilweise schon bestehende Kirchenspaltung durch Leugnung von Glaubens- und auch Vernunft-Wahrheiten! Ihr, dieser Kirchenspaltung, muss unser erstes ökumenisches Bemühen gelten! Es besteht eine gewisse heilige Ironie darin, dass uns dabei viele Christen aus den evangelischen Gemeinschaften zu Hilfe kommen – näher dem Evangelium als so manche „Katholiken“! Gott sei Dank gibt es sie!

Gedanken der Verzweiflung? Nein, denn in derselben Kirche, in der solches geschieht, gibt es auch ganz, ganz andere Zeugen und Stimmen! Man denke an die Abstimmungen in Kroatien, in der Slowakei, in Slowenien zu Ehe und Familie, aber auch an die vielen Kundgebungen für das Leben in so vielen Städten Europas und in der ganzen Welt!

Ein besonders berührendes Zeugnis einer einzelnen Frau möchte ich hier weitergeben. Es macht Mut und gibt Hoffnung, dass die Wahrheit tatsächlich nur kurz untergeht in dem Unsinn einer Ideologie, aber niemals ertrinkt. Erst vor kurzem erhielt ich folgendes Schreiben:

„Ich habe einen behinderten Sohn“

„Mit immer größerer Dankbarkeit habe ich Ihre Worte zum gemeinsamen Zeugnis für das Leben gelesen. Welche Ermutigung! Vergelt's Gott!! Bischöfe, die mit dem Volk gegen Abtreibung für das von Gott jedem Menschen geschenkte Leben Zeugnis geben, das wäre eine starke Geste.

Auch ich habe einen behinderten Sohn, und habe diesen Sohn als mein größtes Glück erfahren. Einem solchen Menschen würde die pränatale Diagnostik das Lebensrecht absprechen. Es gibt für einen behinderten Menschen heute keinen gefährlicheren Ort als den Mutterschoß. Niemand aber klärt eine Mutter darüber auf, was es heißt den eigenen Leib zum Grab gemacht zu haben. Mit dieser Erfahrung bleibt sie allein.

Heute ist mein Sohn Dirigent und Politiker und nach seinem letzten Konzert hat ein Zuhörer zu mir gesagt. ,Das Leben ihres Sohnes hat sich wirklich gelohnt.‘ Seien Sie dankbar, dass Sie in den Medien Gehör finden und damit viele Menschen zum Umdenken anregen dürfen.

Auch ich würde gern von den Dächern schreien, welche Katalysatoren der Liebe die behinderten Menschen sind. In Deutschland warten wir noch auf solche mutige Verteidigung der Gebote Gottes.“ 

Dieses Lob beschämt mich auf der einen Seite, aber es freut mich auch auf der anderen, zumal es allen gilt, die sich für das Leben einsetzen! Das Zeugnis dieser Frau ist wichtig für uns alle! Aber wie und wer auch immer, in diesem großen Kampf gilt: Gott allein ist es, der uns die Kraft schenkt und letztlich den Sieg geben wird!

Stellungnahme des Moskauer Patriarchats

Der Primat in der Weltkirche

Kaum war Kurt Kardinal Koch von seiner Russlandreise nach Rom zurückgekehrt, veröffentlichte das Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche am 26. Dezember 2013 eine Stellungnahme zum Verständnis des Primats auf der Ebene der universalen Kirche. Für den weiteren Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche sind damit nicht unerhebliche Barrieren errichtet worden. Doch Pfarrer Erich Maria Fink gibt zu bedenken, dass das Dokument auf dem Hintergrund aktueller Ereignisse betrachtet werden muss, die den Schritt Moskaus nachvollziehbarer erscheinen lassen. Außerdem sieht er die Diskussion als Chance, die Bedeutung der Überlegungen und Argumente Papst Johannes Pauls II. neu zu entdecken.

Von Erich Maria Fink

Historische Geste der Umarmung

Vor 50 Jahren hat Papst Paul VI. ein neues Kapitel im Dialog mit den orthodoxen Kirchen aufgeschlagen. Zunächst war es am 5. und 6. Januar 1964 auf dem Ölberg in Jerusalem zur historischen Geste der Umarmung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. gekommen. Dabei hatte Athenagoras I. am ersten Tag eine Ansprache an Paul VI. gerichtet, tags darauf der Papst an den Patriarchen. Noch im selben Jahr wurden die Ergebnisse der Begegnung in einer „Gemeinsamen Erklärung“ veröffentlicht. Bereits 1965 führte dieser Dialog zur „Aufhebung der Exkommunikationen von 1054“ und 1967 zum Besuch des Patriarchen in Rom. 1979 traf Papst Johannes Paul II. den Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. im Phanar, was ebenfalls in eine „Gemeinsame Erklärung“ einmündete.

Meilensteine der Ökumene

Inzwischen wurde eine „Gemischte Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche“ eingerichtet, die im Lauf der Jahre beachtliche Dokumente veröffentlichte. Es lohnt sich einen Blick auf diese Meilensteine der Ökumene mit der Ostkirche, genauer gesagt mit der Chalkedonensischen Orthodoxie, zu werfen. So war es 1982 das Dokument mit dem grundlegenden Thema „Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit“, 1987 mit dem bereits weiterführenden Titel „Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche“ und 1988 mit der spezifischen Fragestellung „Das Weihesakrament in der sakramentalen Struktur der Kirche, insbesondere die Bedeutung der Apostolischen Sukzession für die Heiligung und für die Einheit des Volkes Gottes“. Nach der Wende Anfang der 90er Jahre wurden die unierten Ostkirchen in die Kommission einbezogen. Daraufhin stellte die orthodoxe Seite die Fortsetzung des Dialogs in Frage. Erst als die Vollversammlung 1993 das Dokument mit dem dezidierten Programm „Der Uniatismus – eine überholte Unionsmethode – und die derzeitige Suche nach der vollen Gemeinschaft“ verabschiedete, war der Weg für die Zukunft der Gemischten Kommission wieder geebnet.

Der Primat des Bischofs von Rom

Mit der bisherigen Arbeit sollte die theologische Grundlage für die entscheidende Frage nach dem Primat des Bischofs von Rom eruiert werden. Bislang war dieses kontroverse Thema noch nicht angesprochen worden. Nach erneuten Schwierigkeiten konnte die Kommission ihre Arbeit erst wieder im September 2006 aufnehmen. Am 30. November desselben Jahres bekräftigten Papst Benedikt XVI. und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. bei einem Treffen im Phanar in Istanbul ihre volle Unterstützung dieses theologischen Dialogs. Das Ergebnis war ein Grundlagendokument, das sich nun eingehend mit dem Primat des Papstes beschäftigte und bereits am 13. Oktober 2007 in Ravenna vorgelegt werden konnte. Es trägt den Titel „Ekklesiologische und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche. Kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität“. Unter Nr. 41 wird festgestellt: „Beide Seiten stimmen überein, dass diese kanonische taxis [Ordnung der Weltkirche] von allen in der Zeit der ungeteilten Kirche anerkannt wurde. Ferner stimmen sie überein, dass Rom als die Kirche, die nach dem Satz des hl. Ignatius von Antiochien (An die Römer, Prolog) ‚in Liebe vorsteht‘, die erste Stelle in der taxis einnahm und dass der Bischof von Rom deshalb der protos [Erster] unter den Patriarchen war.“ Allerdings wird eingeräumt: „Während die Tatsache des Primats auf der universalen Ebene von beiden, Ost und West, akzeptiert wird, gibt es Unterschiede des Verständnisses in Bezug auf die Weise, in der er ausgeübt werden soll und auch in Bezug auf seine biblische und theologische Begründung“ (Nr. 43). Die abschließende Frage- und Aufgabenstellung lautet: „Wie sollte die Lehre des ersten und des zweiten Vatikanischen Konzils über den universalen Primat verstanden und gelebt werden angesichts der kirchlichen Praxis des ersten Jahrtausends? Das sind entscheidende Fragen für unseren Dialog und für unsere Hoffnung, die volle Communio zwischen uns wiederherzustellen“ (Nr. 45).

Haltung des Moskauer Patriarchats

Das Dokument von Ravenna wurde einstimmig verabschiedet, jedoch ohne Teilnahme der Russisch-Orthodoxen Kirche. Grund waren die Auseinandersetzungen Moskaus mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel um die orthodoxe Kirche in Estland. Nachdem dieser innerorthodoxe Streit beigelegt war, stimmte das Moskauer Patriarchat im Nachhinein dem Beschluss zu. Außerdem bestätigte es das Papier von Kreta über die Rolle und Stellung des Papstes im ersten Jahrtausend, das im Jahr 2008 von einer Unterkommission ausgearbeitet worden war. Doch in den darauffolgenden Jahren äußerte die Russisch-Orthodoxe Kirche große Bedenken und kritisierte den eingeschlagenen Weg. Am 25. und 26. Dezember 2013 nun zog der Heilige Synod der Russisch-Orthodoxen Kirche die Notbremse. In einer 6 Punkte umfassenden Erklärung distanzierte sich das höchste kirchliche Gremium offiziell vom Ravenna-Dokument. Die Stellungnahme geht ausführlich auf das unterschiedliche Verständnis des Primats des Bischofs von Rom ein. Tatsächlich hätten die Kirchen des Ostens im ersten Jahrtausend den Primat des römischen Bischofs anerkannt, jedoch nur als Ehrenprimat bzw. Primat in der Liebe. Sie hätten ihn nie als göttliche Einrichtung betrachtet, sondern ihm nur menschlichen Charakter eingeräumt. Nie hätten die Kirchen des Ostens dem Bischof von Rom das Recht zuerkannt, seine Jurisdiktion auf ihre Ortskirchen auszuweiten. Er gelte als Patriarch des Abendlandes, nicht aber als Nachfolger des heiligen Petrus und Stellvertreter Christi auf Erden, dem die höchste Gewalt über die ganze Kirche zukomme. Ausdrücklich lehnt also das Moskauer Patriarchat den „Lehr- und Leitungsprimat des Römischen Papstes“ für die universale Kirche ab. Für die Gesamtheit der orthodoxen Kirchen habe der Patriarch von Konstantinopel bis heute den Ehrenprimat inne. Er könne aber nur dann im Namen aller orthodoxen Ortskirchen sprechen, wenn er dazu von allen die Beauftragung erhalte.

Aktueller Hintergrund

Die Erklärung des Heiligen Synods bringt für den weiteren Dialog mit der Ostkirche erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Denn künftig sind alle Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche in den ökumenischen Arbeitsgruppen und Kommissionen von vornherein an den Beschluss gebunden. Doch muss das Signal aus Moskau vor allem auf dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse gesehen werden. Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios haben vereinbart, zum 50jährigen Jubiläum im Mai 2014 das Zeichen der Umarmung im Heiligen Land zu erneuern. Moskau befürchtet, dass Bartholomaios I. im Namen der Orthodoxie ein Zeichen der Einheit setzen könnte, welches das Russisch-Orthodoxe Patriarchat in Zugzwang bringen würde. Deshalb beruft sich der Heilige Synod in seiner Erklärung ausdrücklich auf Äußerungen, die Bartholomaios I. 2007 in Bulgarien gegenüber Medienvertretern gemacht hatte. Damals habe er betont, der Primat des römischen Bischofs sei auch im ersten Jahrtausend einer menschlichen Ordnung gefolgt und habe sich einfach aus der Notwendigkeit für die Kirche ergeben, ein Oberhaupt und ein Koordinationszentrum zu besitzen. Gleichzeitig steht die Vorbereitung einer gesamtorthodoxen Synode auf der Tagesordnung, die für 2015 geplant ist. Bartholomaios I. hat dazu für den 9. März 2014 ein Treffen aller Patriarchen und Erzbischöfe in Konstantinopel anberaumt. Es ist nicht verwunderlich, dass aus dem Ökumenischen Patriarchat unverzüglich deutliche Erwiderungen auf die Erklärung aus Moskau veröffentlicht worden sind. Außerdem ist zu bedenken, dass verschiedene orthodoxe Kirchen keinen Hehl daraus machen, die eucharistische Gemeinschaft mit Rom anzustreben. Angeklungen ist dies beim Treffen von Kurt Kardinal Koch mit Patriarch Daniel von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche in Bukarest.

Das Zeugnis Johannes Pauls II.

Der sel. Papst Johannes Paul II. hatte klar gesehen, dass die Diskussion allein auf der Ebene historischer Entwicklungen nicht zum Ziel führen wird. Es ist notwendig, gemeinsam eine Form der Ausübung des Petrusamtes zu finden, die ganz dem Geist des Evangeliums, das heißt des Dienens entspricht. Gleichzeitig muss die Begründung für den Primat des Papstes in den Worten Jesu entdeckt werden, wie es Johannes Paul II. wunderbar in der Enzyklika „Ut unum sint“ – „Damit sie eins seien“ (1995) entfaltet hat. Angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte aber auch die Bedeutung des Apostolischen Schreibens „Orientale Lumen“ – „Licht aus dem Osten“ (1995) und der Enzyklika „Slavorum apostoli“ über die hll.  Kyrill und Method (1985) beachtet werden. Nach dem Zeugnis dieser Dokumente werden gegenseitige Hochschätzung und ehrliche Anerkennung des Reichtums der unterschiedlichen Traditionen zum Durchbruch führen.

Zur Wiederentdeckung der Beichte gibt es keine Alternative

Der erhabenste Weg der Vergebung

In der vorösterlichen Zeit ruft die Kirche alle Gläubigen zur Buße und Umkehr auf. Es ist eine wichtige Gelegenheit, den Blick wieder neu auf das Sakrament der Versöhnung zu lenken. Weihbischof Dr. Andreas Laun bietet dazu eine ausgezeichnete Hilfe an. Er ruft das Dokument Papst Johannes Pauls II. über die Beichte in Erinnerung und stellt es anhand wunderschöner Zitate vor.

Von Weihbischof Andreas Laun

In einem Freundeskreis sagte kürzlich eine durchaus „katholisch sozialisierte, ältere Frau, es sei doch gut und sie sei froh darüber, dass man jetzt nicht mehr so viel beichten gehen müsse wie früher. Wahrscheinlich denken heute viele Menschen so wie sie. Dem entspricht das bittere Wort eines „potentiellen“ Beichtvaters: Wenn ich ungestört sein will, setze ich mich am besten in den Beichtstuhl! Natürlich wissen das auch die Päpste und alle anderen Bischöfe. Nach Abschluss der Weltsynode der Bischöfe zum Thema „Versöhnung und Buße“ fasste Papst Johannes Paul II. die Diagnose der Brüder im Bischofsamt zusammen in dem lapidaren Satz „Das Bußsakrament befindet sich in einer Krise“ und er gab die Antwort in seinem Apostolischen Schreiben: „Versöhnung und Buße“[1]! Der Bemerkung der zitierten Frau ist zu erwidern: Alle Katholiken hören in jeder hl. Messe die Worte Jesu, mit denen Er Seinen Tod deutet: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden!“ Viele andere Stellen der Liturgie und ihrer Gebete sagen dasselbe! Man könnte sagen: Die Vergebung, die Erneuerung des Bundes und die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott ist der Daseinsgrund, die Existenzberechtigung der Kirche überhaupt! Dafür, und für nichts anderes, hat Jesus diesen blutigen Tod auf sich genommen: zur Vergebung der Sünden! Und das Sakrament der Beichte ist ja nichts anderes als die Vermittlung dieser Vergebung an den je einzelnen Sünder!

Natürlich, die Sündenvergebung und die daraus folgende Umkehr hat noch viele andere guten Folgen in der Weltgeschichte und im Leben einzelner: Frieden, Versöhnung in den Familien, Einsatz für die Leidenden, gerechtere Strukturen. Unzählige Heilige, diese Licht-Gestalten der Geschichte, hätte es ohne das blutige Opfer Jesu nie gegeben! Die Quelle, aus der dieses viele Gute gekommen ist, ist und bleibt das Blut Christi, „vergossen zur Vergebung der Sünden“, die den Weg zu viel Gutem freimacht!

Wenn das so ist, folgt: Also steht die Beichte als eine unvorstellbar große, schöne, einzigartige Möglichkeit für uns Menschen – wie wir eben sind – an einer ganz zentralen Stelle kirchlichen Handelns, in enger Verwandtschaft mit der Taufe, ist aber zum Unterschied zu dieser wiederholbar!

Das bereits genannte Schreiben des großen, heiligen Papstes Johannes Paul II. wäre es wert, wieder gelesen und zum Thema vor allem von Priester- und Bischofs-Exerzitien gemacht zu werden. Johannes Paul II. war überzeugt:

Die Vollmacht, Sünden zu vergeben, die Jesus Seiner Kirche gegeben hat, ist „eine der erstaunlichsten Neuheiten des Evangeliums“, um „die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst am Erlösungswerk Christi fortzusetzen.“[2]

Einige besonders berührende Zitate seien hier angeführt, die motivieren könnten, das ganze Dokument zu lesen und es auf die Festplatte herunterzuladen! 

Zur Motivation auch noch dies: Es genügt wahrhaftig, eine Tageszeitung zu lesen, um zu sehen, wie grauenhaft die Macht des Bösen in der Welt der Menschen ist. Und wenn der Einzelne ab und zu nicht nur im Badezimmer in den Spiegel, sondern in einer ruhigen Stunde in den Spiegel seines Gewissens schaut – ohne wegzuschauen –, weiß er, wozu es Beichte gibt und geben sollte – auch im eigenen Leben, ohne Mord und Bankraub! Man könnte auch sagen: „Wenn es die Beichte nicht gäbe, wäre es wunderbar, wenn man sie erfinden könnte! Nicht nötig, es gibt sie wirklich – in der heiligen Kirche, gleich ob sie römisch-katholisch oder im byzantinischen Ritus uniert oder orthodox ist. Also was sagt Papst Johannes Paul II.? Eine Textauslese:

Angesichts der großen Zerrissenheit der Welt und auch der Spaltungen in der Kirche selbst entdeckt der Papst „ein „Verlangen von Menschen guten Willens und von wirklichen Christen, die Brüche zu heilen, die Risse zu schließen und auf allen Ebenen die wesentliche Einheit wiederherzustellen.“[3]  Da tritt besonders die Kirche auf den Plan, denn:

„Die besondere, originale Gabe der Kirche hinsichtlich der Versöhnung … sie ist die wesentliche Aufgabe der Kirche“[4] und ihr Auftrag, denn: „Die Kirche ist gesandt, diese Versöhnung zu verkünden und ihr Sakrament in der Welt zu sein. Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Versöhnung, ist die Kirche in verschiedenen Weisen mit unterschiedlichem Wert; alle aber wirken darauf hin zu erreichen, was die göttliche Initiative der Barmherzigkeit den Menschen schenken will.“[5]

Gnade uns Gott, wenn wir diesen Dienst nicht annehmen, es geht ja um die Nähe zu Gott! Der Papst warnt: „Der Mensch kann eine Welt ohne Gott bauen, diese Welt wird sich aber gegen den Menschen selbst richten.“[6] Man beachte: Er „droht“ nicht, sondern er warnt!

Und noch einmal: „Die Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums hat eindeutig die Bekehrung von der Sünde und die Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zum Ziel. Sie muss ihrer Weitervermittlung und Verwirklichung durch jene Mittel dienen, die Christus seiner Kirche für die Pastoral der Versöhnung hinterlassen hat: die Katechese und die Buße,“[7] gegründet „auf die Lehre der Bibel,“[8] eine Hauptaufgabe der Hirten!

Ganz wichtig ist die vollständige Katechese, gerade auch als Motiv zur Umkehr: „Auch kann die Kirche nicht ohne schwerwiegende Verstümmelung ihrer wesentlichen Botschaft auf eine beständige Katechese darüber verzichten, was der traditionelle christliche Sprachgebrauch als die vier Letzten Dinge des Menschen bezeichnet: Tod, Gericht, Hölle und Paradies. In einer Kultur, die den Menschen in sein mehr oder weniger gelungenes irdisches Leben einzuschließen sucht, verlangt man von den Hirten der Kirche eine Katechese, die mit der Gewissheit des Glaubens das Jenseits erschließt und erhellt: Jenseits der geheimnisvollen Pforten des Todes zeichnet sich eine Ewigkeit der Freude in der Gemeinschaft mit Gott oder der Strafe in der Ferne von ihm ab. Nur in dieser eschatologischen Sicht kann man das richtige Maß für die Sünde erhalten und sich entschieden zu Buße und Versöhnung angetrieben fühlen.“[9]

Natürlich, der Papst weiß dass die Beichte nicht der einzige Weg zur Vergebung der Sünden ist. Aber umso mehr gilt: Doch ist unter all diesen „keiner bedeutsamer, von Gott her wirksamer, erhabener und in seiner Vollzugsform so leicht zugänglich wie das Bußsakrament.“[10]

Und was ist die Beichte? Der Papst beschreibt sie schrittweise. Hier nur dies:

Das persönliche Bekenntnis:

„Es ist Zeichen der Begegnung des Sünders mit der vermittelnden Kirche in der Person des Beichtvaters, Zeichen seiner Selbsterkenntnis als Sünder im Angesicht Gottes und der Kirche sowie Zeichen dafür, dass er vor Gott mit sich selbst ins klare kommt. Das Sündenbekenntnis lässt sich also nicht auf irgendeinen Versuch psychologischer Selbstbefreiung reduzieren, auch wenn es jenem berechtigten und natürlichen, dem menschlichen Herzen innewohnenden Bedürfnis entspricht, sich jemandem zu eröffnen. Es ist vielmehr eine liturgische Handlung, feierlich in ihrer Dramatik, demütig und nüchtern angesichts ihrer großen Bedeutung. Es ist die Geste des verlorenen Sohnes, der zum Vater zurückkehrt und von ihm mit dem Friedenskuss empfangen wird; eine Geste der Redlichkeit und des Mutes; eine Geste, in der man sich über die Sünde hinaus dem verzeihenden Erbarmen anvertraut.“[11]

Die Lossprechung:

„Die Worte, mit denen sie zugesprochen wird, und die Gesten, die sie im alten wie im neuen Bußritus begleiten, sind von bedeutungsschwerer Einfachheit. Die sakramentale Formel ,Ich spreche dich los…‘ sowie die Auflegung der Hände und das Zeichen des Kreuzes über den Beichtenden zeigen an, dass der reuige und bekehrte Sünder in diesem Augenblick der Macht und dem Erbarmen Gottes begegnet. Es ist der Augenblick, da als Antwort auf den Beichtenden die Dreifaltigkeit gegenwärtig wird, um seine Sünde zu löschen und ihm die Unschuld wieder zurückzugeben; ihm wird die heilende Kraft des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Christi zuteil, als ,Erbarmen, das stärker als Schuld und Beleidigung‘ ist, wie ich es in der Enzyklika ‚Dives in misericordia‘ beschrieben habe. Gott ist immer der erste, der durch die Sünde beleidigt wird – ‚tibi soli peccavi!‘ –, und nur Gott kann verzeihen. Darum ist die Lossprechung, die der Priester als Diener der Vergebung, obgleich selbst Sünder, dem Beichtenden erteilt, das wirksame Zeichen des Eingreifens des Vaters und der ,Auferstehung‘ vom ,geistlichen Tod‘, das sich bei jeder Spendung des Bußsakramentes wiederholt. Nur der Glaube kann uns versichern, dass in diesem Augenblick jede Sünde vergeben und ausgelöscht wird durch das geheimnisvolle Eingreifen des Erlösers.“[12] Und: „Beichte ist „Gericht der Barmherzigkeit“ und „Ort geistlicher Heilung!“[13]

Zwei Grundsätze für den Beichtvater: „Der erste ist der Grundsatz des Mitgefühls und der Barmherzigkeit, nach welchem die Kirche, die in der Geschichte die Gegenwart und das Werk Christi fortsetzt, der nicht den Tod des Sünders, sondern dessen Bekehrung und Leben will, darauf bedacht ist, das geknickte Rohr nicht zu brechen oder den glimmenden Docht nicht zu löschen…

Der andere ist der Grundsatz der Wahrheit und Folgerichtigkeit, aufgrund dessen die Kirche es nicht duldet, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist.“[14]

Eine Art Zusammenfassung:

„Nichts (ist) persönlicher und inniger als dieses Sakrament, in welchem der Sünder Gott allein gegenübersteht mit seiner Schuld, seiner Reue und seinem Vertrauen. Niemand kann ihn vertreten in seiner Reue und Bitte um Vergebung. In seiner Schuld ist der Sünder gewissermaßen einsam.“ In diesem Sakrament steht „die ganze Kirche – die streitende, die leidende und die im Himmel verherrlichte – dem Büßenden bei und nimmt ihn wieder in ihre Gemeinschaft auf!“[15]

Für den Priester: „Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr.“[16]

„Jeder Beichtstuhl ist ein privilegierter und gesegneter Ort, von dem her nach der Behebung der Spaltungen neu und makellos ein versöhnter Mensch, eine versöhnte Welt entstehen!“[17]

Für unsere Zeit: „Die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung bedrängt sind, können sich durch die göttliche Verheißung aufgerichtet fühlen, die ihnen die Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt.“[18] Wenn das nicht „zeitgemäß“ ist, was dann?

 


[1] Apostolisches Schreiben im Anschluss an die Bischofssynode „Reconciliatio et paenitentia“ von Johannes Paul II. an die Bischöfe, die Priester und Diakone und an alle Gläubigen über „Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute“, vom 2.12.1984, im Folgenden kurz: RP.
[2] RP 29.
[3] RP 2.
[4] RP 23.
[5] RP 11.
[6] RP 18.
[7] RP 25.
[8] RP 26.
[9] RP 26.
[10] RP 28.
[11] RP 31, III.
[12] RP 30, III.
[13] PR 31, II.
[14] PR 34.
[15] RP 31, IV.
[16] PR 31, VI.
[17] PR 31, V.
[18] PR 22.

Offenbarungen des Barmherzigen Jesus bei Schwester Faustina

Wie im Abendmahlsaal

Prof. Jan Machniak (geb. 1957) ist ein Experte auf dem Gebiet christlicher Spiritualität. In einem zweiten Auszug aus seinem Vortrag, den er auf einem Kongress über die Göttliche Barmherzigkeit Ende November 2013 in Paderborn gehalten hat (vgl. Kirche heute 1/2014, S. 18), geht es um die konkreten mystischen Erfahrungen der hl. Schwester Faustina Kowalska. Machniak beschreibt, was sie erlebt hat, und zieht Vergleiche zu biblischen Erscheinungen im Alten und Neuen Testament. Papst Johannes Paul II. hatte sich in seiner Verkündigung ausdrücklich auf diese Botschaft des Barmherzigen Jesus berufen und sich an ihr orientiert.

Von Jan Machniak

Der Weitergabe der Botschaft von der Barmherzigkeit ging im geistlichen Leben der Schwester Faustina eine geistliche Leidenszeit voraus, die das Gefühl von Gottverlassenheit, Einsamkeit und Verworfensein von Gott beinhaltete. Diese Erfahrung wird in der Sprache der christlichen Mystik als Nacht der Sinne und des Geistes (TB 23-27) bezeichnet. Mit diesen Erfahrungen kamen die Erkenntnis von der Größe Gottes im Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit und der Nähe Jesu in seinem Leiden. Diese Erlebnisse führten zur Wahrheit über die Göttliche Barmherzigkeit, entdeckt in der Schöpfung des Menschen und der Welt sowie in seiner Erlösung durch Christus. Schwester Faustina nahm die Erkenntnis der Barmherzigkeit als besondere Gnade an, die Gott ihr verlieh als Belohnung für Treue und grenzenloses Vertrauen (TB 85).

Ähnlichkeiten zum Evangelisten Johannes

Die erste Vision des Barmherzigen Jesus geschah am Abend des 22. Februar 1931 in einer Klosterzelle der Gemeinschaft der Mutter der Göttlichen Barmherzigkeit in Płock. Schwester Faustina hat keine Aufzeichnungen über die näheren Umstände der Situation, in der sie sich befand, hinterlassen. Die Vision hatte den Charakter einer auf Sicht- und Hörerlebnisse basierenden Vorstellung. Sie stellte den Herrn Jesus gekleidet in ein weißes Gewand dar, dessen eine Hand „wie zum Segen“ erhoben war, und die andere berührte das in Brusthöhe ein wenig geöffnete Gewand, aus dem zwei Strahlen kamen: rot und blass. Das Bild Jesu, gekleidet in ein weißes Gewand und mit Zeichen seines Leidens an seinem Körper verweist auf die Ähnlichkeit mit dem evangelischen Bild des Auferstandenen Christus, der sich den Aposteln im Abendmahlsaal nach der Auferstehung zeigte (vgl. Joh 20,19-29), sowie dem Menschensohn, den der hl. Evangelist Johannes in der Apokalypse beschreibt (1,13-18). Schwester Faustina betrachtete aufmerksam das Bild des Herrn Jesus, wobei sie gleichzeitig Furcht und Freude fühlte. Jesus sprach zu ihr und empfahl ihr, das Bild zu malen und es in der Klosterkapelle und auf der ganzen Welt verehren zu lassen, und versprach ewiges Heil für alle Verehrer dieses Bildes: „Schweigend betrachtete ich den Herrn; meine Seele war von Furcht, aber auch von großer Freude durchdrungen. Nach einer Weile sagte Jesus zu mir: Male ein Bild, nach dem, das du siehst, mit der Unterschrift: ‚Jesus ich vertraue auf Dich‘.“ (TB 47). Diese Vision eröffnete eine ganze Serie von Visionen des Barmherzigen Jesus, deren Charakteristika die Figur Jesu mit den Zeichen des Leidens und den zwei Strahlen waren. Die nächste Vision des Barmherzigen Jesus fand in Wilna am 26. Oktober 1934 statt und hatte den Charakter eines Bildes, das Schwester Faustina als leuchtende Erscheinung am Himmel sah und das zum Teil auch als Schein für eine ihrer Schülerinnen sichtbar wurde. Das war das erste Mal, dass die innere Vision auch für eine andere Person sichtbar war. Schwester Faustina notierte genau die Umstände der Vision und ihre Dauer, ungefähr vier Minuten, was ihr volles Bewusstsein bei dieser Vision bestätigt: „Am Freitag, als ich mit den Schülerinnen aus dem Garten zum Abendessen ging – es war zehn vor sechs – erblickte ich Jesus über unserer Kapelle in der Gestalt, wie ich ihn beim ersten Mal sah“ (TB 87). Im inneren Dialog sagt Jesus ihr, dass auf dem Bild die Aufschrift stehen soll „Jesus ich vertraue auf Dich“. Die nächsten Visionen des Barmherzigen Jesus waren verbunden mit dem Erleben der Aufstellung des Muttergottesbildes in Ostra Brama in Wilna in den Tagen 26. bis 28. April 1935 zum Ende des Jubiläumsjahres der Erlösung. Schwester Faustina sah Jesus auf dem Bild, wie er mit der Hand das Kreuzzeichen machte im Gestus des Segnens (TB 416). Am selben Abend in der Klosterzelle hatte sie die Vision des Bildes, wie es sich über die Stadt erhebt, über der Schlingen und Fangnetze hängen. Der Herr Jesus schneidet die Schlingen durch und segnet die Stadt, indem er ein Kreuzzeichen macht (TB 416). Ähnlichen Charakter hatte die Vision Jesu, der auf dem Bild lebendig wurde, während einer Predigt, die Priester Sopoćko am Freitag vor dem Weißen Sonntag, dem 26. April 1935 hielt. Die Strahlen, die von dem Bild ausgingen, durchdrangen alle Versammelten.

Drei Türen verweisen auf die Heiligste Dreifaltigkeit

Die nächste Vision des Barmherzigen Jesus geschah während des Gottesdienstes am 2. Ostersonntag, der das Jubiläumsjahr der Erlösung am 28. April 1935 beendete (TB 420). Während der Segnung mit dem Allerheiligsten Sakrament sah sie Jesus „in der Haltung, wie sie auf dem Bild ist“, segnend, während Strahlen aus seiner Seite in die ganze Welt gehen. Die Vision des Barmherzigen Jesus war von ungewöhnlicher Helligkeit, die nur von Jesus kommen konnte. Im unergründlichen Schein des Lichtes von kristallener Struktur erkannte Schwester Faustina drei Türen. In eine trat der Barmherzige Jesus ein: „Da erblickte ich eine unzugängliche Helligkeit, wie eine Wohnung aus Kristall, die aus Lichtwellen geflochten und weder Geschöpfen noch Geistern zugänglich war. In dieser Helligkeit sah ich drei Türen – und Jesus ging in solcher Gestalt wie auf dem Bild in dieses Licht hinein – durch die zweite Tür – ins Innere der Einheit“ (TB 420). Das Bild der Helligkeit symbolisiert die unendliche Einheit der Heiligen Dreifaltigkeit, die Jesus im Geheimnis der Barmherzigkeit offenbart hat. Eine Stimme, die Schwester Faustina hörte, versicherte ihr, dass jede Seele, die glaubt und Gott vertraut, Barmherzigkeit erfährt. Der Barmherzige Jesus offenbarte sich Schwester Faustina auch während ihres Gesprächs mit ihrem Seelenführer (TB 436), nach der Beichte bei Erzbischof R. Jałbrzykowski, dem sie ihre Seele enthüllte (TB 473). Dann sah Schwester Faustina den Barmherzigen Jesus wieder während der Hl. Messe, als sie dafür betete, dass Jesus der König aller Herzen werde (TB 500). Der Barmherzige Jesus erschien, um zu Gehorsam gegenüber dem Beichtvater zu ermahnen und sie zu stärken, eine neue Gemeinschaft zu gründen (TB 613) sowie um dem Beichtvater, der an der Wahrhaftigkeit der Erscheinungen zweifelte, zu sagen, dass dieses Werk von Ihm stamme (TB 645). Die nächste Vision des Barmherzigen Jesus hing zusammen mit der sehr emotionalen Aufnahme der Nachricht, dass der Priester Sopoćko einen Artikel über die Göttliche Barmherzigkeit gedruckt hatte mit einem angefügten Bild Jesu (TB 851).

Prophetische Visionen über die zukünftige Verehrung

Eigenschaften einer „prophetischen“ Vision, die die Zukunft betraf, hatte eine weitere Vision des Barmherzigen Jesus, die im Krankenhaus in Pradnik am Kardienstag 1937 geschah. Diese Vision bestand aus vielen Bildern, die die Zukunft des Barmherzigkeit-Gottes-Kultes zeigten: eine Vision des Barmherzigkeit-Gottes-Festes in Rom und in der Klosterkapelle in Krakau, eine Vision der Schwierigkeiten seitens der Theologen, das Fest zu akzeptieren, eine Vision von Strahlen, die aus der Hostie hervorgehen, eine Vision des Barmherzigen Jesus, der auf dem Altar erscheint, eine Vision von Sr. Faustina am Altar neben Jesus (TB 1044-1047). Im lebendigen Bild, das Schwester Faustina sah, war eine unzählbare Menge von Verehrern der Göttlichen Barmherzigkeit anwesend, versammelt in Krakau und in Rom, unter denen die ersten Plätze der Heilige Vater einnahmen, Priester und Geistlichkeit, die den Kult der Göttlichen Barmherzigkeit ausbreiteten. In einem weiteren Bild sah die Mystikerin aus Krakau die Gegner, die sie „erforschten und erniedrigten“. Dann erschienen das Bild der Hostie und von ihr ausgehende Strahlen, die die ganze Welt umschlossen, und den Barmherzigen Jesus auf dem Altar. Diese Vision zeigte die Schwierigkeiten, die sich mit dem Kult der Göttlichen Barmherzigkeit verbanden, mit dem kommenden Ruhm der Heiligen Barmherzigkeit und mit dem persönlichen Ruhm der Schwester Faustina (TB 1048). Dominierendes Merkmal der Vision war die Erfahrung der besonderen Nähe Jesu, der versicherte, dass das Fest der Barmherzigkeit auf der ganzen Welt begangen werden wird. Der Barmherzige Jesus erschien Schwester Faustina oft und gab ihr die Größe der Barmherzigkeit und die Bosheit des Satans zu erkennen, sobald die Menschen die Göttliche Barmherzigkeit kennenlernen (TB 1559, 1565). Die Visionen waren eine Belehrung über die Macht des Gebets zur Barmherzigkeit Gottes – Rosenkranz zur Göttlichen Barmherzigkeit. Der Barmherzige Jesus enthüllte vor Faustina die Zukunft und zeigte ihr ein „Heiligtum“, errichtet zur Ehre der Göttlichen Barmherzigkeit (TB 1689).

Jesus vergleicht sie mit den Propheten des Alten Testaments

In der Vision des Barmherzigen Jesus, gekleidet in weißes Gewand und mit Leidensspuren in Form von Wunden auf Händen, Füßen und der Seite, machen zwei Strahlen betroffen, die unterscheidend charakteristisch sind, die auf Jesus als Gekreuzigten und Auferstandenen hinweisen als Quelle der Göttlichen Barmherzigkeit. Der Kontext, in dem die Visionen erschienen, verweist auf den pädagogischen Charakter der Vision und den engen Bezug zur Mission, die Barmherzigkeit der Welt zu verkünden. Zugleich mit den Offenbarungen erhielt Schwester Faustina die Mission, sich an die Welt zu wenden und ihr die Botschaft von der Barmherzigkeit zu verkünden. Jesus verglich ihre Aufgabe mit der Mission der Propheten des Alten Testamentes, die er zum auserwählten Volk sandte, damit sie seiner Liebe gedenken: „Heute hörte ich die Worte: Im Alten Testament habe ich zu meinem Volk Propheten mit Blitz und Donner gesandt. Heute sende ich Dich zu der ganzen Menschheit mit Meiner Barmherzigkeit. Ich will die wunde Menschheit nicht strafen, sondern sie gesundmachen, sie an Mein barmherziges Herz drücken“ (TB 1588).

Petition gegen den Bildungsplan

„Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“, so lautet das Motto einer Petition an den Landtag von Baden-Württemberg, die bereits von 150.000 Unterstützern unterschrieben worden ist. Sie fordert vor allem „den sofortigen Stopp einer propagierenden neuen Sexualmoral“ und „die Orientierung an den Werten unseres Grundgesetzes, das den Schutz von Ehe und Familie als demokratische Errungenschaft verteidigt (GG Art. 3 – Gleichheit vor dem Gesetz; Art. 6 – Ehe und Familie)“. Sie wendet sich gegen „eine übermäßige Fokussierung auf ‚sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität‘, wie sie für den Bildungsplan 2015“ vorgesehen sei. Denn eine solche rede zuerst „ein Klima von ‚Opfern‘ und ‚Tätern‘ herbei“ und gebe sich „dann als deren Lösung“ aus. Ministerpräsident Winfried Kretschmann meinte, die Petition sei „religiös imprägniert“ und bei der Fertigstellung des Bildungsplans werde man sich nicht auf „fundamentalistische Grundlagen“ stützen.

Von Gabriele Kuby

Die grün/rote Regierung von Baden-Württemberg plant in Kooperation mit LSBTTIQ-Aktivistengruppen kleiner und kleinster sexueller Minderheiten (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intersexuell, queer) die Durchsetzung der „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ durch „spiral-corriculare“ Vermittlung, das heißt pausenlose Indoktrination vom Kindergarten bis zum Abitur quer durch alle Fächer. Wer dagegen ist, wird von Parteifunktionären und Medien als intolerant, homophob, transphob, fundamentalistisch, rechtsradikal, „pädagogisch wie politisch unterste Schublade“ (Fulst-Blei, SPD) beschimpft. Gegen den Initiator der Petition „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“, den Lehrer Gabriel Stängle, wurde Strafanzeige erstattet und eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet. Beide scheinen wieder eingestellt worden zu sein.

Dass mit einem solchen totalitären Bildungsplan das grundgesetzlich garantierte Erziehungsrecht der Eltern und die Religionsfreiheit abgeschafft werden, kratzt weder die Leitmedien noch die Volksvertreter und Regierenden. Sie präsentieren uns lieber Alt-Fußballer Thomas Hitzlsperger als Held. Dafür scheint es zu genügen, schwul zu sein – wie das einer lebt im Spektrum zwischen „Homo-Ehe“, Leihmutterschaft und Darkroom, hat den Jubelchor nicht zu interessieren. Schwul ist gut, basta! Wer zu erkennen gibt, dass er für moralische Werte eintritt, welche Ehe und Familie und die Weitergabe des Lebens ermöglichen, der hat mit handfester Diskriminierung zu rechnen. Die Kriminalisierung ist nicht mehr fern.

Auf EU-Ebene wird gerade von der österreichischen EU-Parlamentarierin Lunacek die nächste LGBTTIQ-Initiative vorbereitet, die UN führen die globale Kampagne „Free & Equal“ zum selben Zweck durch.

Seien Sie gewiss: Es wird jeden Einzelnen zunehmend mehr kosten, Widerstand zu leisten. Unterstützen Sie die Petition gegen den Bildungsplan und fordern Sie Ihr Umfeld auf, das Gleiche zu tun.

Gute Nachrichten: Die Bischofskonferenzen der Slowakei, Polens und Portugals und Bischof Huonder (Schweiz) haben kompromisslose Erklärungen gegen den Genderismus abgegeben. Wir warten auf die deutschen Bischöfe…

Weitere Informationen zur Petition unter www.bildungsplan2015.de – Eine gute Berichterstattung findet sich auch auf der Seite www.medrum.de.

Neue Sexualethik

Das über jahrzehntelange von konstruktiver Zusammenarbeit geprägte Miteinander von Schule und Elternhaus wird durch „Verankerung der Leitprinzipien“ zur Disposition gestellt.

Versprochen wird ein umfassender und ganzheitlicher Begriff von Sexualität. Gemeint ist einerseits ein zu befürwortendes Klima der Akzeptanz, sowie eine Einstellung gegen Homophobie, wofür die Lehrkräfte in Baden-Württemberg eintreten sollen. Die Eckpunkte einer neuen Sexualethik meinen andererseits eine Infragestellung der heterosexuellen Geschlechter von Mann und Frau, möchten aber zugleich den Prozess des Coming-out zu neuen „sexuellen Orientierungen“ pädagogisch propagieren und ihre Diskriminierung abwehren: Konkret wird dies zu einer problematischen Entwicklung in unserem Bundesland führen, denn es geht über die Integration homosexuell lebender Jugendlicher hinaus. Lehrkräfte sollen die nächste Generation mit dem Anspruch, sämtliche LSBTTIQ-Lebensstile seien ohne ethische Beurteilung gleich erstrebenswert und der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen, an eine neue Sexualethik heranführen. Aus der gleichen Würde jedes Menschen folgt noch nicht, dass jedes Verhalten als gleich gut und sinnvoll anzusehen ist (Auszug aus der Petition, Begründung, Nr. 2).

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