„Besiege das Böse mit dem Guten“

Ein neues Buch von Paul Josef Kardinal Cordes, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates Cor Unum, verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Es ist fesselnd geschrieben und behandelt in tiefgründiger Weise eines der wichtigsten Fragen des Menschen. Der Titel des Buches lautet: „Besiege das Böse mit dem Guten. Grenzen der Psychologie und die Kraft des Glaubens“.[1] Kardinal Cordes holt weit aus, um schließlich eine Wunde unserer Zeit offenzulegen: das gestörte Verhältnis zu Schuld und Sünde. Und so widmet er einen großen Teil seiner Überlegungen dem Umgang des Einzelnen mit seiner persönlichen Schuld sowie der Notwenigkeit, die Einzelbeichte neu zu entdecken. Ein Exklusiv-Interview mit „Kirche heute“.

Interview mit Paul Josef Kardinal Cordes, Rom

Kirche heute: Eminenz, Sie haben vor kurzem ein Buch über den Umgang des Christen mit dem Geheimnis des Bösen herausgebracht. Schon im Titel machen Sie sich die Aufforderung des hl. Paulus zueigen: „Besiege das Böse mit dem Guten!“ (Röm 12,21).  – Worin kann der Sieg des Christen über das Böse bestehen? Was ist das Ziel, zu dem Sie die Leser Ihres Buches hinführen möchten?

Kardinal Cordes: Gewiss beten wir täglich im Herrengebet: „Erlöse uns von dem Bösen!“ Doch allzu leicht machen wir das Böse fest allein an den großen Schuldigen, die uns in den Medien begegnen; zu gern finden wir es bei den anderen. Doch ist jeder von uns selbst dem Bösen ausgesetzt. Dabei lässt die griechische Version der Bitte Jesu erkennen, dass es gleichsam wie ein gefährliches Untier lauert, wobei in der Versuchung „der Böse“ ganz augenscheinlich seine Hand nach uns ausstreckt. Uns ihm – mit seinen tausend Masken und Versprechungen – zu entreißen, bitten wir den Vater auf Geheiß des Sohnes.

In einer Welt, die das Böse vorwiegend als willkommenes Unterhaltungselement („Tatort“) oder als selbstgerechten Empörungsgrund („Piusbruderschaft“) verortet, ist neu zu vermitteln, dass es aus unser aller Herzen kommt – auch aus meinem Herzen. Wir alle tragen unser Scherflein bei zu Satans Macht. „Du selbst bist der Mann“, sagt der Prophet Natan im Alten Testament zu David. Der große König hatte nicht nur seinem Soldaten Urija die Frau weggenommen, sondern auch noch für seinen Tod gesorgt, um den Ehebruch zu vertuschen. Als der Prophet dem Richter  in Israel die Untat verschlüsselt vorträgt, ruft dieser empört: „Der Mann, der das getan hat, verdient den Tod!“ – ohne zu erkennen, dass er selbst der Schuldige ist. „Du selbst bist dieser Mann“ (2 Sam 11f). – „Ihr, die ihr böse seid…“, sagt uns der Herr (Lk 11,13). Welche Gnade, sich im Licht Gottes als Sünder und als erlösungsbedürftig zu erkennen!

Kirche heute: Sie setzen sich für die Einzelbeichte ein und plädieren für das individuelle Sündenbekenntnis. Wie kann die Beichte Ihrer Meinung nach in unseren Pfarreien erneuert werden?

Kardinal Cordes: Jesu Wort und Leben ist voll von Hinweisen auf Sünde und Vergebung. Die kirchliche Verkündigung und Katechese könnte bei solchen Abschnitten anknüpfen, um das Sakrament der Buße wieder nahe zu bringen. Es ist vielfach von einem oberflächlich gesprochenen allgemeinen Schuldbekenntnis und so genannten Bußgottesdiensten verdrängt worden. Dabei stellt doch das individuelle Bekenntnis vor dem Priester in der heute viel beklagten Anonymität die wohl bedeutendste Chance individueller Seelsorge dar. Nicht zufällig hat der große Theologe Karl Rahner die „Andachtsbeichte“ so nachdrücklich empfohlen. Was wird im Theologiestudium in der Fakultät über dieses Sakrament gelehrt? Wie sieht die Praxis in den Priesterseminaren aus? Die andern christlichen Konfessionen haben die Gnade der Beichte weitgehend verloren; in der katholischen Kirche tritt sie zunehmend an den Rand. Und in dem Maß, in dem sie vergessen wird, füllen sich die Wartezimmer der Psychologen.

Der Priester selbst begegnet nirgendwo so dicht der Seele des Menschen und seinen wirklichen Nöten wie im Beichtstuhl. „Ich lernte immer besser zuzuhören und den Raum zu schaffen, in welchem der [Mensch] nicht bloß zum Sprechen frei wird, sondern auch sich selbst richtig vor den Blick bekommt“ (Romano Guardini über seine Erfahrung als Beichtvater). Die Beichtgelegenheit sollte in jeder Pfarrei leicht gemacht werden durch günstige, feste Zeiten. Da wir wohl alle nicht gern zur Beichte gehen, müssen nicht auch noch äußere Umstände hinderlich sein.

Kirche heute: Im Vorwort schreiben Sie: „Psychologie und Soziologie haben ja Daten zutage gefördert, die für den Sieg des Guten im Menschen und in der Welt unverzichtbar – weil überaus wirksam – sind.“ Was sind die entscheidenden Erkenntnisse, die uns in der Pastoral helfen können?

Kardinal Cordes: Zu dieser umfassenden Frage nur so viel: Die Psychologie hat den Christen gezeigt, dass es unter Umständen sittlich falsches Handeln ohne persönliche Schuld geben kann, auch wo die bisher bekannten Schuld mildernden Umstände nicht erkennbar sind; sie ermöglichte es, unbegründete Schuldgefühle und falsche Gewissensbildung auszumachen, die nicht selten die Erfahrung von Freude behindern.

Die Soziologie lehrte uns, dass das Lebensfeld und die „Verhältnisse“ (Bert Brecht) den Menschen stark prägen können. Papst Johannes Paul II. spricht in seinen Sozialenzykliken sogar von den „Strukturen der Sünde“, die sich nachdrücklich auf die Freiheit und das Handeln des Menschen niederschlagen und die daher zu „erlösen“ sind.

Solche Daten der Erfahrungswissenschaften sollten den Glaubenden allerdings nicht dazu verleiten, beim Kampf gegen das Böse allein die innerweltlichen Gesetze zu beachten – genauso wenig wie wir bei Krankheit allein auf den Arzt setzen, sondern in Not auch betend Gottes Hilfe anrufen. Er überragt immer alle menschlichen Mittel.

Kirche heute: Sie ermutigen die Gläubigen, sich an der spirituellen Praxis der neuen geistlichen Gemeinschaften zu orientieren. Was können wir von diesen Gemeinschaften lernen? An welche Entdeckungen oder geistlichen Schätze denken Sie?

Kardinal Cordes: Auch diese Frage verlangte eine ausführlichere Antwort. Ich habe fünfzehn Jahre als Vizepräsident des Päpstlichen Rates für die Laien mit diesen neuen Gruppen gearbeitet und ihre große apostolische Kraft kennen gelernt. Auch wenn ihre Mitglieder fehlerhaft sind wie wir alle, so kennzeichnet sie doch der Eifer und die „Freude am Glauben“. Mit einer größeren Zahl ihrer Gründer konnte ich Interviews führen, die ich auch mit einem Vorwort von Papst Johannes Paul II. veröffentlicht habe („Nicht immer das alte Lied. Neue Glaubensanstöße der Kirche“, Paderborn 1999).

Schwerpunktmäßig, was die Christen in den Pfarrgemeinden von ihnen lernen können:

• Der einzelne Glaubende braucht heute mehr denn je die Kraft der brüderlichen und schwesterlichen Gemeinschaft (Fokolare); niemand glaubt allein.

• Gottes Geist will uns zu einer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus führen; er schenkt uns, dass wir in Christus das DU unsres Lebens entdecken (Charismatische Gemeindeerneuerung).

• In meiner je heutigen Geschichte kann ich den zweitausendjährigen Abstand zu Jesus von Nazareth überwinden; es kann mir in der Gemeinschaft der Kirche gegeben werden, dass ich durch die Begegnung mit dem Bruder oder der Schwester der Anwesenheit Christi in meinem Leben ganz sicher werde (Comunione e liberazione/Gemeinschaft und Befreiung):

• Die Begegnung mit Christus und seinem Evangelium erwartet mehr als die Selbstannahme; gegen den modernen „Unschuldswahn“ (J. B. Metz) löst die wirkliche Begegnung mit Jesus Christus die Sehnsucht nach Vergebung und zum Empfang des Bußsakramentes aus –wie beim Apostel Petrus: „Herr, ich bin ein Sünder“ (Lk 5,8) (Weg des Neokatechumenats).

Gott hat das Schiff der Kirche trotz widriger Wellen keineswegs allein gelassen. Er zeigt sich auch in unsern Tagen machtvoll – nicht zuletzt in Männern und Frauen, die seine Zeugen sind.

Kirche heute: Eminenz, wir danken Ihnen von Herzen für dieses wertvolle Gespräch.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Paul Josef Kardinal Cordes: Besiege das Böse mit dem Guten. Grenzen der Psychologie und die Kraft des Glaubens, Augsburg 2009, 144 S., ISBN 978-3-86744-088-2.

Plädoyer für die Einzelbeichte

Seit jeher stellt das individuelle Sündenbekenntnis eine gewaltige Herausforderung an den Menschen dar: „Neigt doch jeder Mensch dazu, sich mit seiner Verfehlung zu verstecken ‚unter den Bäumen des Gartens’, so dass ihn Gottes Ruf ans Licht nötigen muss mit der Frage: ‚Adam, wo bist du?’ (Gen 3,8f).“ Dies hält Paul Josef Kardinal Cordes in seinem Buch über die Auseinandersetzung mit dem Bösen fest. Gleichzeitig bringt er die Ergebnisse der Psychoanalyse ins Gespräch, die den unersetzlichen Wert einer ehrlichen Aussprache bestätigen. Doch sich ganz auf die Psychoanalyse zu verlassen, wäre nach Cordes ein fataler Irrtum. Denn nur im Licht Gottes findet der Mensch das richtige Verhältnis zu seiner eigenen Schuld. Nur in der Kraft des Glaubens vermag er sich für den Kampf gegen die Sünde zu rüsten und das Böse zu überwinden.

Von Paul Josef Kardinal Cordes, Rom

Gründe für die Krise der Beichte[1]

Die Krise der Einzelbeichte muss nicht erst belegt werden. Man braucht nur zur Kenntnis zu nehmen, dass die Anzahl der Beichtenden von Jahr zu Jahr abnimmt.

Nun sollte allerdings dieser Schwund der Beichtwilligen nicht rasch und einfachhin den Christen zur Last gelegt werden: der Rückgang der Beichte beweise wieder einmal ihre Lauheit. Er hat nämlich objektive Gründe. Da ist die tiefere Einsicht in die geistlichen Zusammenhänge von Schuld und Vergebung sowie in die vielen Weisen für den Nachlass der Schuld; die neu ans Licht gehobene Erkenntnis der Theologie, dass das Bußsakrament nicht die notwendige Voraussetzung für jeden Empfang der Eucharistie ist; da sind die vielfältigen Einschränkungen der menschlichen Entscheidungsfreiheit, auf die Psychologie und Soziologie hinweisen und die dem Versagen des einzelnen oft den schuldhaften Charakter nehmen.

Ferner lässt der beachtliche Rückgang als Symptom auf mancherlei Missstände in der Beichtpraxis schließen: ein häufig unpersönliches Bekenntnis, das dem Priester, der es entgegennimmt, selten einen wirklichen Einblick in Situationen und Fakten gibt; die falsche Erwartung, dass Bekenntnis und Bußsakrament den Menschen von seiner sündigen Neigung befreien würden; die Unzufriedenheit des Beichtenden mit dem priesterlichen Zuspruch, der vielfach oberflächlich und routinehaft gegeben wird; die drastische Reduzierung der Beichtgelegenheit durch Priestermangel und gezielte Verkürzung der Beichtgelegenheit.

Gravierender scheint jedoch noch eine andere Ursache: eine problematische Schwächung des Schuldbewusstseins. Feuerbach und Marx, Nietzsche und Freud haben zu philosophischen und erfahrungswissenschaftlichen Thesen geführt, die für sich in Anspruch nehmen, das Problem des Bösen und der Schuld entlarvt zu haben. „Es mehren sich die Versuche, die Wirklichkeit des sittlich Bösen und die Authentizität von Schulderfahrung aufzulösen in psychopathologische Motivationszusammenhänge, in den Kontext gesellschaftlicher Evolution, in biologische Verhaltensmuster usw."[2] Diese radikale Infragestellung und das Bestreiten alles sittlich Bösen in der individuellen, gesellschaftlichen und politischen Dimension blieb nicht ohne Auswirkung auf das Bewusstsein der Gläubigen. Das darf nicht beschönigt werden und stellt die pastorale Forderung, um sich greifende Trends kritisch zu prüfen, heute noch vorhandene Ansatzpunkte einer echten Schulderfahrung nicht zu diskreditieren und auch anthropologische Daten zu befragen, damit die Wirklichkeit der Sünde in ihrem ganzen Gewicht ernst genommen wird und sich die Christen nicht „selbst betrügen“ (1 Joh 1,8).

Pastoraler Sinn von Bußgottesdiensten[3]

Neben manchem Gewinn in theologischer Perspektive – z.B. der besseren Möglichkeit, dem kirchlichen Aspekt der Buße gerecht zu werden oder der liturgischen Gestaltung des Sakraments eine würdigere Form zu geben – hat das Sündenbekenntnis in Gemeinschaft auch einige psychologisch relevante Vorzüge: Gewiss wird die Angst, sich der erkannten Verantwortung zu stellen, im Bußgottesdienst geringer sein; wenn man nicht allein steht, entscheidet man sich eher für die Übernahme schwieriger Pflichten. Denn die Gruppe bietet dem Individuum Schutz; sie kann sein Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit mindern. Der einzelne erfährt ja immer neu sein Versagen. Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und die mögliche Identifikation mit einzelnen Gruppenmitgliedern trägt dazu bei, eine Erfahrung der Ich-Schwäche abzufangen und Durchhaltevermögen zu geben. Diese Identifikation kann auch die schwer erträgliche Geringschätzung des eigenen Ichs abmindern, die die Konfrontation mit der sündhaften Vergangenheit möglichst zu umgehen versucht.[4]

Ganz allgemein muss gesagt werden, dass der Bußgottesdienst eine weitere Chance erbracht hat für die Bildung von Gemeinde.[5] Durch das Anknüpfen bei der menschlichen Urerfahrung der Schuld gelang dann und wann in außergewöhnlichem Maße durch das Zusammensein, Zusammen-tätig-Sein und Zusammen-Fühlen (vgl. die „Atmosphäre“, die manche Bußgottesdienste auszeichnet) die Bindung der Glieder einer Gemeinde aneinander und die Einsicht in die Verantwortung gegenüber den Menschen und Gott. Bestimmte Verhaltensweisen, Verhaltensbereitschaften und Verhaltenserwartungen, die den Zusammenhalt der Gruppe verbessern, konnten dadurch selbstverständlicher werden. So wurde die Gemeinde zur vielfachen, größeren Hilfe für ihre Glieder, weil sie sich als Gemeinschaft erfuhr.

Psychologische und theologische Gründe sprechen demnach für die Bußfeier. Sie ist bestimmt sehr geeignet, auch weiterhin das Gewissen der Christen zu bilden. Vielleicht ist sie sogar dem einen oder anderen die letzte Gelegenheit für die Erkenntnis: Ich bin nicht mein eigener Herr, sondern stehe unter einem Anspruch. Die Theologen, die sich mit der Problematik der Buße beschäftigen, sind darum der begründeten Auffassung, dass beide Formen des Bußgeschehens, Einzelbeichte und Bußgottesdienst, in der Kirche ihren Ort haben müssen. Allerdings werden solche grundsätzliche Aussagen im Hinblick auf Praxis und Einzelfall unterschiedlich akzentuiert.

Weisungen der Kirche zum individuellen Sündenbekenntnis[6]

Theologische Untersuchungen über den Rang der Einzelbeichte kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Einige sahen sie als dem Bußgottesdienst äquivalent an. Doch ihre Begründungen konnten nicht überzeugen, weil eine solide Befragung der tridentinischen Auffassung vom Bußsakrament unterblieb. Wenn sie erfolgte, suchte man im Sinne der schon praktizierten Austauschbarkeit von Einzelbeichte und Bußgottesdienst eine Neuinterpretation der dogmatischen Festlegungen des individuellen Bekenntnisses aller schweren Sünden und vertrat eine Confession light. Einige hielten dafür, es sei mit den konziliaren Formulierungen nicht vorentschieden, dass das Vergeben schwerer Sünden auch künftig an die Ohrenbeichte gebunden sei. Anderen schien diese Verpflichtung zum Bekenntnis zwar bindend, aber als Disziplinarvorschrift veränderbar. Schließlich wurde diese Entscheidung des Tridentinums schlicht durch die Feststellung außer Kraft gesetzt, dass man heutigen Zeitgenossen ein Bekenntnis der Sünden in der Privatbeichte nicht mehr zumuten könne.[7]

Wie anders und mit – dem Anschein nach – wie wenig „Verständnis für den Menschen“ hat hier Blaise Pascal in seinen Pensées[8] geurteilt, obwohl in einer anderen geistes- und kirchengeschichtlichen Situation:

„Die katholische Religion verpflichtet nicht dazu, seine Sünden unterschiedslos jedermann zu offenbaren. Sie duldet, dass man allen Menschen verborgen bleibt; aber sie nimmt einen einzigen aus, vor dem sie befiehlt, den Grund seines Herzens zu offenbaren und sich in dem zu zeigen, was man ist. Nur diesem einzigen Menschen auf der Welt gegenüber befiehlt sie die Beichte und ihn verpflichtet sie zu unverbrüchlichem Schweigen, so dass das Wissen in ihm ist, als wenn es nicht wäre. Kann man sich etwas Freundlicheres und Milderes denken? Und doch geht die Verderbnis des Menschen dahin, dass sie auch noch in diesem Gesetz Härte findet; und das ist sogar einer der Hauptgründe, der einen großen Teil Europas gegen die Kirche aufgebracht hat.“

Die Unterschiedlichkeit, ja Unvereinbarkeit der Positionen, die im Hinblick auf eine mögliche Sakramentalität des Bußgottesdienstes ergriffen werden, ist gewiss überraschend. Bedauerlicherweise dürfte sie das Vertrauen in die Ergebnisse systematischer Untersuchungen noch weiter mindern. Andererseits sollte sie aber auch nicht die Pioniere des Pragmatismus auf den Plan rufen. Darauf machte damals schon Otto Hermann Pesch mit wünschenswerter Deutlichkeit aufmerksam: „Die Bußandacht, wie sie in der gegenwärtigen Praxis geübt wird, ist kein Sakrament. Das Bußsakrament ist Distanzierung der Kirche vom Sünder und Versöhnung mit ihm. Die Modalitäten beider Vorgänge legt die Kirche selbst fest bzw. sie akzeptiert eine gewachsene Form zu diesem Zwecke. Im Fall der Bußandacht ist das bisher nicht geschehen. Deshalb ist sie kein Sakrament."[9]

Angesichts der Beliebigkeit mancher theologischer Weichenstellungen zum Einzelbekenntnis der schweren Sünden und der verwirrenden Vielfalt, die sie in der pastoralen Praxis zur Folge hatten, erschien eine verbindliche Weisung für die Gläubigen angezeigt; gültige Bedingungen für die Sakramentalität des Bußaktes zu formulieren, kann ja nicht der Interpretation von Theologen überlassen bleiben, sondern ist der Kompetenz der Gesamtkirche anheimgegeben.

Diese hat sich inzwischen unmissverständlich geäußert. Das Nachsynodale Dokument Reconciliatio et paenitentia Papst Johannes Pauls II. vom 2. Dez. 1984 verweist zunächst auf das neue Kirchenrecht,[10] um dann zu formulieren: „Das persönliche und vollständige Bekenntnis der Sünden mit individueller Lossprechung ist der einzige ordentliche Weg, auf dem der Gläubige, der sich schwerer Schuld bewusst ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Aus dieser Bestätigung der Lehre der Kirche ergibt sich eindeutig, dass jede schwere Sünde stets in persönlicher Beichte unter Angabe ihrer bestimmenden Umstände bekannt werden muss."[11]

Auch theologische Studien jüngeren Datums lassen keinen Zweifel an dieser Interpretation des Konzils von Trient.[12]

Die Weisungen sind eindeutig. Dennoch konnte die Vorgeschichte zu ihnen mit all den Versuchen, Notwendigkeit und Sinn der Ohrenbeichte zu relativieren, nicht übersprungen werden. Bedauerlicherweise haben auch theologisch-pastorale Irrtümer ihre Eigendynamik. Und die Gültigkeitsdauer von Roma locuta, causa finita ist fraglos abgelaufen.

Die „Innenseite“ des Bußakts[13]

Besonders für den, der für seinen Gehorsam Argumente fordert, lässt sich der hohe Wert der Einzelbeichte glücklicherweise auch jenseits der Weisungen dogmatischer oder auch disziplinärer Art auf der Ebene des Bußaktes als solchem erheben. Welchen objektiven Vorzug hat sie gegenüber anderen Formen des Schuldeingeständnisses? Es ist demnach die Vollzugsform des Bußaktes anzusprechen, wenn der Vorrang des individuellen gegenüber dem allgemeinen Bekenntnis herausgestellt werden soll.

Unbestritten bleiben die Gesichtspunkte, die der Bußgottesdienst der Gewissensbildung und geistlichen Führung gibt: dass sich in der gemeinsamen Bußfeier soziale Verantwortung neu entdecken und realisieren lässt; dass der einzelne durch die Gemeinschaft der Glaubenden Mut erhält, sich dem Anspruch Gottes zu stellen; dass der Stellenwert der Sünde in der Heils- und Menschheitsgeschichte aufscheint. Aber wie weit unterstützt der Ablauf der gemeinsamen Weise des Bußvollzugs das, was hier einmal die „Innenseite“ des Bußakts genannt werden soll? Lässt nicht die Einzelbeichte durch ihre Form das besser gelingen, was der Bußakt als solcher intendiert?

Der Bußakt zielt auf die Bekehrung. Sein Sinn und seine Mitte lassen sich mit der Bibel als metanoia bezeichnen, als die Wegkehr von sich in den rufenden Gott hinein. In dem so geforderten Prozess steckt neben der Übergabe an Gott auch ein negatives Moment: die Umkehr, die Abkehr von der Vergangenheit. Das Neue Testament sieht den Akt solcher metanoia in der gleichen formalen Struktur wie die prophetische Predigt des Alten Testaments. Demzufolge beklagen Exegeten, dass die Verpflichtung zur Umkehr, zur Abkehr von der Vergangenheit unter der Androhung des Gerichts auch für die Glaubenden in der Verkündigung zu wenig herausgestellt werde – und zwar als Komplementärforderung zum Glauben, und sie sehen darin ein wesentliches Versäumnis der Pastoral.[14]

Wenn auch bei der Akzentuierung der Umkehr die Hinkehr zu Gott im Bußakt nicht überspielt werden darf und keiner falschen Fixierung des Büßenden auf die eigene Vergangenheit Vorschub geleistet werden soll, so ergibt sich doch in jedem Fall die absolute Notwendigkeit der selbstkritischen und präzisen Prüfung.

Gleichzeitig sagt die Erfahrung …, dass allgemeine Sündenbekenntnisse manchen eher zu oberflächlicher Flüchtigkeit für das Beurteilen der eigenen Situation verleitet und leicht bei der Verdrängung dessen enden kann, wessen man sich schämt. Friedrich Nietzsche († 1900) brachte diese allzu menschliche Reaktionsweise auf die Formel: „Das habe ich getan – sagt mein Gedächtnis. Das kann ich nicht getan haben – sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich gibt das Gedächtnis nach."[15] Darum lässt das gemeinsame Bekenntnis die unabdingbar geforderte Selbstprüfung im Normalfall nicht gelingen.

Nach klassischer Lehre ist aber in den Bußakt ein klares Wissen um die Vergangenheit einzubringen: die einzelne Tat und die Haltung, deren Spiegel sie ist; die Umstände und der geheime Wurzelgrund des Geschehens. Eine traditionelle Sakramentenpastoral hat diese Elemente unter dem Stichwort „Reue“ zur gebotenen Disposition für den Empfang des Bußsakraments gezählt; eine mehr biblische Betrachtung des Bußakts findet sie wieder als einen der beiden Aspekte von metanoia. Das allgemeine Wissen um die Schuldhaftigkeit des Menschen schlechthin und um eine eigene unvollkommene Vergangenheit ist als Ansatzpunkt für die Umkehr unzureichend. Die Erkenntnis der Verfehlung braucht eine Artikulation im Wort; die Sünde muss mit ihrem ganzen Horizont ein Gegenstand der Reflexion geworden sein. Karl Rahner äußerte sich 1953 in anderem Zusammenhang, nach der Schrift solle der Mensch „seine Sünden bekennen“. Es genüge nicht, dass er nur „im allgemeinen einen vagen, diffusen Sündenzustand“ von sich aussage. Vielmehr sei „eine gegenständliche, in Begriffe und Sätze eingängige Erkenntnis seiner Sündentaten“ vonnöten. Dazu müsse er „das reflex greifbare, analysierbare Material seines Bewusstseins“ zur Aussage bringen.[16] Offenbar kannte schon die frühe Kirche das Bekenntnis der konkreten Verfehlung, und dieses Bekenntnis ging im allgemeinen der Vergebung voraus. Diesen Befund zeigt jedenfalls die Untersuchung von August Strobel.[17] Andere Exegeten bestätigen die genannten Beobachtungen. Als Beispiel mag hier der Jakobusbrief (5,16) gelten, aus dem hervorgeht, dass der Mensch seine Sünde nicht nur vor Gott, sondern auch vor anderen Menschen bekennen soll. Auch ein Vers des 1. Johannesbriefes sei angefügt (1,9), in dem Wortwahl und grammatikalische Form erkennen lassen, dass der Verfasser im Anschluss an die religiöse Gewohnheit des Judentums „nicht allgemein das Eingeständnis der Sündhaftigkeit, sondern das Bekenntnis der einzelnen Sünden“ fordert.[18] Eine solche Praxis und Norm stützt sich gewiss auch auf die Einsicht, dass das Aussprechen zu einer präziseren Analyse und zur Erforschung eines eindeutigeren Wissens nötigt.

Psychologische Erkenntnisse über das Sich-Aussprechen[19]

Das „Aus-Sprechen“ nötigt nicht nur zur präziseren Analyse der eigenen Situation und zu eindeutigerem Wissen über das Tun und seinen Horizont, sondern Analyse und Wissen kommen im Aussprechen erst zustande. Wendet man diese Erkenntnis auf die Umkehr als einen wesentlichen Bestandteil des Bußakts und auf die Reue als die Bedingung für die Vergebung an, so muss man die vorgebliche praktische Äquivalenz von allgemeinem Schuldeingeständnis und Ohrenbeichte ablehnen und in dem Bußakt, der das individuelle Sündenbekenntnis enthält, dessen unverzichtbare Hochform sehen. Mit dieser These soll freilich nicht denen das Wort geredet werden, die eine Reflexion auf die Einzelbeichte für unnötig halten oder gar die vorkonziliare Praxis des Bußvollzugs zementieren wollen, weil sich ohnehin schon alles wieder einspielen und ordnen würde. Nach wie vor steht es an, der Einzelbeichte durch Unterweisung und Überzeugung aller Beteiligten sowie durch eine Neuordnung der Formen zu einem größeren spirituellen Gewicht und zu einem würdigeren liturgischen Rahmen zu verhelfen, damit sie nicht völlig ausfällt für den Weg des Menschen zu Gott – zu seinem großen Schaden.

 

Dietrich Bonhoeffer zur Einzelbeichte

Kardinal Cordes lässt in seinem Buch[20] auch den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer († 1945) zu Wort kommen: „Sünde will unerkannt bleiben. Sie scheut das Licht. Im Dunkel des Unausgesprochenen vergiftet sie das ganze Wesen des Menschen. Das kann mitten in der frommen Gemeinschaft geschehen. … In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. … Indem das Sündenbekenntnis im Angesicht des christlichen Bruders geschieht, wird die letzte Festung der Selbstrechtfertigung preisgegeben. Der Sünder liefert sich aus, er gibt all sein Böses hin, er gibt sein Herz Gott, und er findet die Vergebung aller seiner Sünden in der Gemeinschaft Jesu Christi und des Bruders. Die ausgesprochene, bekannte Sünde hat alle Macht verloren. Sie ist als Sünde offenbar geworden und gerichtet. Sie vermag die Gemeinschaft nicht mehr zu zerreißen. Nun trägt die Gemeinschaft die Sünde des Bruders. Er ist mit seinem Bösen nicht mehr allein, sondern er hat sein Böses mit der Beichte ,abgelegt’, Gott hingegeben. Es ist ihm abgenommen. Nun steht er in der Gemeinschaft der Sünder, die von der Gnade Gottes im Kreuze Jesu Christi leben. Nun darf er Sünder sein und doch der Gnade Gottes froh werden. Er darf seine Sünden bekennen und gerade erst Gemeinschaft finden. Die verborgene Sünde trennte ihn von der Gemeinschaft, machte alle scheinbare Gemeinschaft unwahr, die bekannte Sünde half ihm zur wahren Gemeinschaft mit den Brüdern in Jesus Christus."[21]

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Nachfolgende Auszüge aus dem Buch von Paul Josef Kardinal Cordes: Besiege das Böse mit dem Guten. Grenzen der Psychologie und die Kraft des Glaubens, Augsburg 2009, 144 S., ISBN 978-3-86744-088-2, hier S. 81f.
[2] J. B. Metz, W. Oelmüller, W. Bröker, Vorwort zu: Concilium 6 (1970), 383.
[3] S. 84f.
[4] Vgl. T. Brocher: Gruppendynamik und Erwachsenenbildung, Braunschweig 1967, 49f u. 15.
[5] Vgl. zum folgenden D. Claessens: Instinkt – Psyche – Geltung, Köln 31970, 170ff.
[6] S. 92ff.
[7] F. Funke: Die Veröffentlichungen aus den letzten Jahren über die Beichte, in: Concilium 7 (1971), 117 mit Anm. 97.
[8] Fragment 100, eb. L. Brunschvicg.
[9] Bußandacht und Bußsakrament, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 19 (1972), 311-330, hier 323.
[10] Cann. 961-963.
[11] Papst Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben im Anschluss an die Bischofssynode Reconciliatio et Paenitentia (2.12.1984), Nr. 33.
[12] L. Melina, José Noriega / Juan José Pérez-Soba: Camminare nella Luce dell’Amore – I fondamenti della morale cristiana, Siena 2008, 472-475.
[13] 94-97.
[14] Hierzu: Metanoia als Grundforderung der neutestamentlichen Lebenslehre, in: Einübung des Glaubens, Festschrift Kl. Tilmann, Würzburg 1965, 178-190, hier 185 u.a.
[15] Jenseits von Gut und Böse, Stuttgart 1959, S. 78.
[16] Siehe: Schuld und Schuldvergebung als Grenzgebiet zwischen Theologie und Psychotherapie, in: Schriften zur Theologie II, Einsiedeln 1968 (8. Aufl.), 279-297, hier 290.
[17] Erkenntnis und Bekenntnis der Sünde in neutestamentlicher Zeit, Stuttgart 1968, bes. 38-71.
[18] R. Schnackenburg: Die Johannesbriefe, Freiburg 41970, 85.
[19] 103.
[20] 104.
[21] Dietrich Bonhoeffer: Gemeinsames Leben, München 1951, 77f.

„Humanae vitae“ ist lebbar und macht glücklich

Der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hatte in seiner berühmt gewordenen Abendmahlssaal-Predigt (s. Kirche heute 10/2008, S. 4ff.) die Maria Troster Erklärung als eine „Sünde“ bezeichnet. Ein so deutliches Zeugnis für Humanae vitae hätte niemand erwartet. Es ist ein gewaltiges Verdienst des Kardinals, dass er die Schweigespirale um das Thema Humanae vitae durchbrochen und eine Neubesinnung angestoßen hat. Weihbischof Dr. Andreas Laun ruft die Kirchen Mitteleuropas auf, Konsequenzen aus der Predigt zu ziehen. Er analysiert in seiner versierten Art die Maria Troster Erklärung und gibt in acht Punkten eine Antwort auf die Frage, was nun geschehen müsste. Denn mit dem irischen Moraltheologen Vincent Tomey ist er überzeugt, dass die Überwindung der Krise der Kirche bzw. der abendländischen Kulturgeschichte mit der uneingeschränkten Annahme von Humanae vitae steht und fällt.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Die Vorgeschichte

Humanae vitae (im Folg. kurz HV) erschien als Antwort des Papstes auf die Diskussion, die schon vor dem Konzil angesichts der Erfindung der Pille Jahre vorher aufgebrochen war: Ob Empfängnisverhütung nicht doch, vor allem mit der neuen Methode, moralisch annehmbar sein könnte? Denn die traditionelle katholische Lehre sagte eindeutig: Verhütung ist Sünde, und diese Lehre wurde von keinem Kleriker und keinem Theologen in Frage gestellt, obwohl sie in nicht wenigen Fällen den Eheleuten eine schwere Last auferlegte. Die Priester wussten das und natürlich fiel es ihnen oft schwer, den Betroffenen dennoch zu sagen: Nein, Verhütung ist ein Verstoß gegen die Gebote Gottes! Das war die Lage, insbesondere vor der grundlegenden Entdeckung von Knaus und Ogino und deren sensationellen weiteren Entwicklung durch J. Rötzer, Billings und andere Forscher. Dadurch wurde es zwar leichter, aber es blieb immer noch der Anspruch, enthaltsame Tage einzuhalten!

Nun aber, mit der Pille, schien ein ganz neuer, anderer Weg geöffnet zu sein: sicher, einfach und ohne Ansprüche an das Ehepaar. Dieses konnte, sagte man, nun endlich seine Liebe frei entfalten, unbelastet von der Angst einer neuen, nicht gewollten Schwangerschaft! Viele katholische Ehepaare begannen in einer Art von vorauseilendem Gehorsam und ohne die Entscheidung Roms abzuwarten, Verhütung ohne schlechtes Gewissen zu praktizieren!

In diese Situation der Erwartung und Hoffnung hinein erschien die Enzyklika HV und schlug ein wie eine Bombe! Denn der Papst bestätigte die traditionelle Lehre der Kirche, das Nein zur künstlichen Verhütung! Papst Paul VI. betonte zwar, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen war, dennoch machte er keinerlei Zugeständnis, auch nicht das allerkleinste. Ein Sturm der Entrüstung brach los, weltweit und nicht beschränkt auf die katholische Kirche.

Es folgten Versuche der Bischöfe, die Lage zu beruhigen, die Österreicher verfassten in dieser Absicht die Erklärung von Maria Trost, die Deutschen die von Königstein.

Vor jeder Verurteilung der Bischöfe gilt es, sich an ihre schwierige Situation zu erinnern: Die Entscheidung Papst Pauls VI. war eine schwere Enttäuschung hochgeschraubter Erwartungen, sie griff in das Leben der Menschen ein und schien darüber hinaus die Katholiken, wieder einmal, zu zwingen, aus dem schönen Zug der Zeit in eine schönere Zukunft hinein auszusteigen! Tatsächlich, eine gewisse Beruhigung trat ein, aber bei näherem Zusehen zeigt sich: Die Ruhe täuschte all die Jahre hindurch bis heute. Denn der Konflikt war nur verdrängt worden, nicht wirklich gelöst. Auch flammte er immer wieder auf:

Auf der einen Seite wiederholte Papst Johannes Paul II. unbeirrbar die kirchliche Lehre wieder und wieder. Auf der anderen Seite gab es den stillen Ungehorsam in der pastoralen Praxis, aber auch den organisierten und lauten Widerspruch wie etwa in Form der Kölner Erklärung[1] und des Kirchenvolksbegehrens[2]. Im Übrigen herrschte Schweigen. Auf den Theologischen Fakultäten, im Religionsunterricht und in der Ehevorbereitung verkürzte man die Bischofserklärungen auf den Satz: „Die Mittel der Empfängnisregelung sind eine Sache des persönlichen Gewissens.“ Mag diese „Zusammenfassung“ noch in etwa der Königsteiner Erklärung entsprechen, mit der österreichischen Maria Troster Erklärung (im Folg. kurz MTE) lässt sie sich nicht belegen, obwohl oft behauptet wird, sie sage eben dies!

Die Bischöfe wichen dem Thema aus, ratlos, weil sie einerseits die Sensibilitäten wohl richtig einschätzten und es darum für unmöglich hielten, die Leute zu überzeugen; andererseits wollten sie das Thema nicht ansprechen, weil wohl auch viele von ihnen weder die Frage wirklich studiert hatten noch von der Wahrheit der Lehre überzeugt waren. Auch sie zweifelten an der Lehre des Papstes!

1987 mahnte Papst Johannes Paul II. die österreich. Bischöfe: „An der Gültigkeit der in Humanae vitae dargestellten sittlichen Ordnung darf kein Zweifel gelassen werden. Wenn im ersten Moment der Veröffentlichung von Humanae vitae noch eine gewisse Ratlosigkeit verständlich war, die sich auch in manchen bischöflichen Erklärungen niedergeschlagen hat, so hat der Fortgang der Entwicklung die prophetische Kühnheit Papst Pauls VI. immer eindringlicher bestätigt.“

Diese Mahnung des Papstes führte 1988, vor allem auf das Betreiben von Bischof Kurt Krenn hin, in der Österreichischen Bischofskonferenz immerhin zu dem Versuch, die MTE zu revidieren. Die Bischöfe erklärten: „Es könne nicht die Absicht dieser Erklärung sein, den beschriebenen Fall einer von Humanae vitae abweichenden Überzeugung als allgemeine Erlaubnis zur Anwendung aller empfängnisverhütenden Mittel deuten zu lassen. Die Kirche habe sich nicht von der Verpflichtung zur Bildung des Gewissens zurückgezogen und die Entscheidung der Beurteilung des ehelichen Aktes nicht allein den Eheleuten überlassen.“

Aber diese Erklärung blieb ohne praktische Wirkung und geriet bald wieder in Vergessenheit. Nicht so die MTE und deren radikale, über das Gesagte hinausgehende Auslegung! Vielmehr wurde weiter gelehrt, die Eheleute seien in der Frage der Verhütung autonom, sie könnten und sollten gemäß ihrem Gewissen selbst entscheiden und hätten dabei das Recht, die Dinge anders zu sehen als dies die Päpste taten.

Es versteht sich von selbst, dass all die Jahre hindurch das Schweigen der Bischöfe als Zustimmung dieser Auslegung gedeutet wurde und dass dies auch die Auffassung nährte, es sei legitim, am eigenen Urteil auch gegen das Wort des Lehramtes festzuhalten.

Die Predigt Kardinal Schönborns

Es ist ein Verdienst des Wiener Kardinals Schönborn, die Schweigespirale im Jahr 2008 durchbrochen zu haben. Möglicherweise hat er damit einen Prozess der Neubesinnung eingeleitet: Denn unter anderem mit Blick auf die katastrophale demographische Entwicklung Europas sagte der Kardinal im Abendmahlssaal zu Jerusalem: Die beiden Erklärungen von Maria Trost und Königstein waren eine „Sünde“ der damaligen Bischöfe, die „nicht den Mut hatten, ein klares Ja zu Humanae vitae zu sagen“.

Damit hatte der Kardinal nicht nur ein Tabu gebrochen. Das Thema HV aufzugreifen, war schon riskant, aber sich so kritisch zur MTE zu äußern, war außerordentlich mutig und in den Ohren vieler ein Skandal.

Wenn nicht alle, so doch viele Reaktionen waren aggressiv und unsachlich. Für die Lage bezeichnend sind die Namen, die unter denen, die protestierten, zu finden waren, wie etwa H. Krätzl, emeritierter Weihbischof von Wien, H. Schüller, ehemals Generalvikar des Kardinals, Prof. Liebmann, emeritierter Kirchenhistoriker von Graz. Wenn man genau hinhörte, distanzierten sich auch manche österreichische Diözesanbischöfe vom Kardinal: Während dieser die Verabschiedung der MTE objektiv gesehen eine Sünde nannte, sprachen andere Bischöfe von einer, zumindest unter den damaligen Umständen, „sehr verantwortungsvollen Erklärung“.

Sicher wollte der Kardinal mit seiner Predigt nicht eine Anklage-Rede halten und die Bischöfe von damals verurteilen. Denn der Kardinal wandte auf die damals handelnden Bischöfe das Petruswort aus der Apostelgeschichte an: „Ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt.“ Allerdings nannte er als Ursache dieser Sünde nicht nur die Unwissenheit, sondern auch die Angst vor der Presse und vor den Gläubigen, die sich in Opposition befanden!

Sicher ist, der Kardinal hatte recht, objektiv war die MTE eine Sünde, ein Stück Ungehorsam gegen den Papst und eines Bischofs unwürdige Feigheit. Man sollte sie als Sünde benennen und sie nicht schönzureden versuchen. Diese „Reinigung des Gedächtnisses“ (Papst Benedikt XVI.) ist etwas anderes als eine Verurteilung der damaligen Bischöfe, die niemandem zusteht und niemandem nützen würde.

Kritische Gedanken zur Maria Troster Erklärung (MTE)

Dem neuen Anfang vorausgehen muss die Analyse der Fehler, die gemacht wurden: Wahr ist, die MTE beruhigte die Situation, aber sie tat es vergleichbar einer Regierung, die eine Finanzkrise durch Geld-Drucken auffangen will. Um im Bild von der Inflation zu bleiben: Die MTE entwertete das Wort des Papstes in den Augen der Öffentlichkeit, aber auch die Autorität der Bischöfe selbst, weil leicht zu erkennen war: Auch die Bischöfe halten die Entscheidung des Papstes nicht wirklich für wahr, denn täten sie dies, hätten sie anders gesprochen! Aber welchen Wert haben dann ihre eigenen Worte, wenn sogar die des Papstes dem Urteil der Menschen unterworfen sind?

Angesichts der schwierigen Lage wollten die Bischöfe „ein ernstes und klärendes Wort“ sagen, von dem sie hofften, dass es eine Hilfe sein werde.

Was wollten sie „klären“? Ohne Zweifel die Frage, die so aufgeregt gestellt wurde: Ist wahr, was Papst Paul VI. sagte, ist Verhütung Sünde, muss man seinem Wort gehorchen? Merkwürdig ist: Genau auf diese Fragen antwortet die MTE nicht! Die Bischöfe sagen nicht, was sie selbst wirklich denken und was auch die Gläubigen denken sollten! Man kann es nur vermuten. Die MTE jedenfalls lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet:

Die Erklärung spricht vom „religiösen Gehorsam“, aber sie sagt nicht, worin dieser im Fall der Nicht-Übereinstimmung des eigenen Urteils mit dem Lehramt besteht.

Die Erklärung betont, HV sei formell keine „unfehlbare Entscheidung“, aber sie versäumt es zu sagen: Es gibt unfehlbare Lehren der Kirche, die niemals „formell“ als Dogma verkündet wurden – ein Umstand, der ihrer Wahrheit nichts anhaben kann. Auch sagen die Bischöfe nicht: „Formell nicht unfehlbar“ heißt nicht „wahrscheinlich falsch“, wie es faktisch verstanden wurde!

Die Erklärung hält es für möglich, dass jemand, „der auf diesem Gebiet fachkundig“ ist, zu einer abweichenden Überzeugung kommt. Man fragt sich erstaunt: Wie kann gerade die „Kundigkeit“ zu einem falschen Urteil führen? Oder soll das heißen: Es ist der Papst, der sich irrt, der Kundige merkt es, aber aus Gründen der Klugheit können wir das nicht offen zugeben? Weiter: Was ist mit demjenigen, der nicht „fachkundig“ ist? Muss nur der Nicht-Kundige dem Papst gehorchen? Außerdem: Wer wird sich selbst als nicht „fachkundig“ einschätzen?

Die Erklärung billigt dem Fachkundigen, der zu einer „abweichenden Überzeugung“ gekommen ist, zu, dieser seiner Überzeugung „zunächst zu folgen“. Aber er soll weiter nachdenken und unter den anderen Gläubigen „keine Verwirrung stiften“. Dies klingt freundlich, wirft aber wiederum eine Reihe von Fragen auf, auch wiederum die Frage, was die Bischöfe selbst dachten:

Wenn die Bischöfe selbst überzeugt gewesen wären, dass sich der Papst geirrt hat: Warum darf der Betroffene seiner abweichenden Überzeugung nur „zunächst“ folgen? Warum soll der Betroffene weiter nachdenken, wenn er ohnehin im Recht ist? Warum soll der Betreffende nicht anderen die entdeckte Wahrheit mitteilen dürfen, warum wäre dies als „Verwirrung stiften“ abzulehnen?

Wenn aber die Bischöfe überzeugt waren, dass Paul VI. die Wahrheit gesagt hat: Warum darf dann derjenige, der eine abweichende, falsche Überzeugung hat, dieser „zunächst folgen“? Müsste man ihm nicht im Gegenteil sagen: Gehorsam heißt, das eigene Urteil dem der Kirche unterzuordnen? Dies umso mehr, wenn man annimmt, dass der Betreffende doch nicht ganz sicher sein kann und darum seine „Untersuchung fortsetzen“ sollte?

Zudem müsste man, wenn man von HV selbst überzeugt ist, folgendes Dilemma ansprechen: Auch derjenige, der zu einer „abweichenden Überzeugung“ gekommen ist, wird kaum behaupten wollen, sein Urteil sei unfehlbar. Er wird wohl auch zugeben, dass dem Urteil des Lehramtes der Kirche eine höhere „Plausibilität“ zukommt als seinem Urteil. Das heißt, ihm bleibt ein „Restrisiko“, dass er objektiv sündigt, wenn er verhütet. Zugleich besteht kein Risiko, wenn er der Lehre der Kirche folgt. Denn das hat wohl noch niemand behauptet: dass es eine „Sünde“ wäre, gemäß der Lehre von HV zu leben. Ergibt sich daraus nicht logisch, dass der Betreffende seiner abweichenden Überzeugung eben nicht folgen darf?

Auch andere Abschnitte der MTE sind verwirrend: „Wenn die Ehepaare im Einzelfall nicht alle Weisungen der Enzyklika über die Empfängnisregelung erfüllen können, dabei aber danach streben, den Willen Gottes immer vollkommener zu tun, dürfen sie annehmen, dass sie vor Gott nicht schuldig sind.“

Was soll das heißen? Welche Mehrzahl von „Weisungen“ der Enzyklika ist hier – außer dem Nein zu jeder Form der Verhütung – gemeint? Meinen die Bischöfe, es gäbe Situationen, in denen Menschen die Forderung Gottes nicht erfüllen können? Fordert Gott Unmögliches? Und außerdem: Ist die „Enge der Pforte“ ein legitimer, Schuld ausschließender Grund, sie nicht zu durchschreiten? Worauf beruht die „Unerfüllbarkeit“ der Norm von HV? Kann der Verzicht auf die Erfüllung eines sexuellen Verlangens „im Einzelfall“ nicht nur schwer, sondern unerfüllbar sein? Und wie lässt es sich verstehen, dass jemand auf ein von Gott verbotenes Verlangen nicht verzichtet, ohne sich damit schuldig zu machen?

Ähnlich unklar ist auch der folgende Satz: „Wenn sich also jemand gegen die Lehre der Enzyklika verfehlt, muss er sich nicht in jedem Fall von der Liebe Gottes getrennt fühlen und darf dann auch ohne Beichte zur hl. Kommunion hinzutreten.“ Man fragt sich: Wer verhütet, sündigt nicht „in jedem Fall“, aber in vielen anderen Fällen doch? Welche „Fälle“ könnten hier gemeint sein? Ist Verhütung objektiv doch eine Sünde? Nur, wenn sie das ist, wie kann sie dann in Einzelfällen keine Sünde sein – Kenntnis des Gebotes und Freiheit vorausgesetzt?

Will man die MTE zusammenfassen, kann man sagen: Die Bischöfe wollen dem Papst nicht widersprechen, darum reden sie von der Bedeutung des kirchlichen Gehorsams und der Gewissensbildung; sie wollen aber gleichzeitig die Gläubigen nicht vor den Kopf stoßen, und darum machen sie eine Erklärung, die vieles zu erklären scheint, aber nicht den entscheidenden Punkt: ob und warum die Lehre wahr ist und als wahre Lehre der Kirche angenommen werden sollte!

Die Berufung auf das Gewissen

Die österreichischen Bischöfe haben in der MTE vom Gewissen gesprochen, aber dies nur in Hinblick auf die notwendige Gewissensbildung. Von „Gewissensentscheidung“ sprechen sie nur einmal, nämlich im Sinn des Konzils in Hinsicht auf die Familiengröße als „Gewissensentscheidung“ der Eltern. Die österreichischen Bischöfe sprechen aber nicht, wie es die Königsteiner Erklärung tut, von einer „Gewissensentscheidung“, die im Widerspruch zu HV stünde und dennoch legitim wäre und deshalb auch von Seelsorgern zu achten sei.

Allerdings, viele Katholiken in Österreich, auch Priester, Religionslehrer und wohl auch manche Bischöfe verstehen die MTE im Sinn der Königsteiner Erklärung, nämlich so: Die Eheleute können sich gemäß ihrer Gewissensentscheidung für Verhütung entscheiden, Bischöfe und Priester haben ihre Entscheidung zu respektieren und sollten sich nicht einmischen.

Aber gerade diese Sichtweise hat Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika als falsch zurückgewiesen: Das Gewissen, so der Papst, entscheidet nicht über die Wahrheit oder Gültigkeit der Gebote Gottes, sondern es urteilt im Licht der Gebote über das Tun des Menschen! Einen Widerspruch zwischen Gewissensentscheidung und Lehramt der Kirche im Sinn eines legitimen Pluralismus kann es nicht geben. Wenn ein solcher Fall vorzuliegen scheint, handelt es sich objektiv immer um Irrtum und subjektiv in den meisten Fällen um Sünde!

Das irrende Gewissen als pastorale Lösung?

Wenn das Gewissen auch nicht gegen die Lehre der Kirche im Recht sein kann, so bietet sich, so scheint es, ein anderer Ausweg an, den die Lehre vom irrenden Gewissen zu öffnen scheint: Man lässt die Wahrheitsfrage, soweit sie HV betrifft, auf sich beruhen und sagt: Die Sache ist längst verloren, die heutige, öffentliche Meinung ist auf jeden Fall zu stark, man könne sie nicht mehr umdrehen, auch nicht innerhalb der katholischen Welt.

Darum sollte man es, Irrtum oder nicht Irrtum, dabei belassen. Denn auch wenn HV wahr sein sollte: Es ist so gut wie sicher, dass die Menschen, die verhüten, „schuldlos irrend“ sind. Ihr Irrtum schadet nicht nur nicht, sondern im Gegenteil, er ist vorteilhaft! Denn er entlastet, indem er Konflikte mit dem eigenen Gewissen, Konflikte zwischen den Ehepartnern, Konflikte mit der Gesellschaft verhindert.

Hilfreich ist der Irrtum sogar in der Verkündigung, weil viele Menschen und Schüler im Religionsunterricht für den Glauben unerreichbar werden, wenn man ihnen eine, weltlich gesehen, so absurde Lehre vorlegt wie eben die von HV.

Verhütung schädigt die Liebe

Gegen die skizzierte, resignative Ansicht sprechen gewichtige Argumente: Wie alle Irrtümer und Sünden richtet sich auch die Verhütung gegen das Wohl des Menschen. In seiner Enzyklika Veritatis splendor (63) schreibt Papst Johannes Paul II.: „Das aufgrund einer unüberwindbaren Unwissenheit oder eines nicht schuldhaften Fehlurteils begangene Übel kann zwar der Person, die es begeht, nicht als Schuld anzurechnen sein; doch auch in diesem Fall bleibt es ein Übel, eine Unordnung in Bezug auf die Wahrheit des Guten. Zudem trägt das nicht erkannte Gute nicht zu sittlicher Reifung des betreffenden Menschen bei: Es vervollkommnet ihn nicht und hilft ihm nicht, ihn geneigt zu machen für das höchste Gut. Bevor wir uns so leichtfertigerweise im Namen unseres Gewissens gerechtfertigt fühlen, sollten wir über den Psalm nachdenken: „Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewusst ist!“ (Ps 19,13). Es gibt Schuld, die wir nicht zu erkennen vermögen und die dennoch Schuld bleibt, weil wir uns geweigert haben, auf das Licht zuzugehen (vgl. Joh 9,39f).“ Dies vorausgesetzt, ist Verhütung im Fall des Gewissensirrtums auch nicht mehr ein „Akt der Heiligkeit“, der die Liebe wirklich stärkt.

Zudem: Papst Paul VI. und erst recht Papst Johannes Paul II. waren überzeugt, es gehe bei der Empfängnisverhütung um eine wichtige Frage. Wichtig deswegen, weil Verhütung die eheliche Liebesgemeinschaft in ihrem innersten Kern beschädigt: Das in HV gelehrte Gesetz ist in der Schöpfung verankert, daher kann es sich weder ändern noch verändert werden. Wer gegen die Seinsordnung handelt, handelt gegen die Gesetze des Lebens und der Liebe, auch wenn er es zunächst nicht bemerkt und „spürt“. Anschaulich gesagt: Wer mit der fruchtbaren, ehelichen Liebe durch Verhütung nicht „artgerecht“ umgeht, bringt die Liebe in Gefahr. Darum, so die Päpste, ist diese Lehre so wichtig: für die Menschen, für das Gelingen ihrer Ehen. Darum ist es pastorale Pflicht, sie über den Sachverhalt aufzuklären.

Diese Position wird verstärkt durch Papst Benedikt XVI., der in anderem Kontext die Frage diskutiert: Ist ein irrendes Gewissen nicht ein Vorteil, weil die volle Wahrheit über die Gebote Gottes nicht lebbar wäre und die Menschen durch das Wissen um die Wahrheit unvermeidbar schuldig würden. Also besser der Irrtum, der schuldfrei hält?[3] Nein, antwortet J. Ratzinger, das kann nicht sein! Das würde heißen: Die Wahrheit ist eine Belastung und nicht Hilfe und Befreiung! An dieser Meinung ist etwas falsch, das kann nicht stimmen! Das, was das Leben fördert, ihm gut tut, kann nur die Wahrheit sein, nicht der Irrtum!

Verhütung schädigt die Gesellschaft

Tatsächlich schädigt Verhütung die ganze Gesellschaft, und Papst Paul VI. hat einige dieser Schäden hellsichtig aufgezählt (HV 17):

• Verhütung führt zu einer Verwilderung der Sitten, sie verführt die Jugend und gefährdet die eheliche Treue.

• Verhütung führt zu einer gesteigerten Missachtung der Frauen.

• Verhütung kommt der Tendenz des Staates entgegen, sich in das Leben der Familien durch verordnete Verhütungsprogramme einzumischen.

Heute sieht man deutlich, wie Recht der Papst mit seinen Vorhersagen hatte. Dennoch hat Paul VI. noch nicht alle Folgen der Verhütungspraxis vorhergesehen:

• Verhütung trennt Fruchtbarkeit und Liebe – und damit öffnet sie der Ideologie der Homosexuellen-Bewegung die Tür: Wenn die Offenheit für das Kind dem sexuellen Akt nicht wesentlich ist, wird es nicht unmöglich, aber schwieriger zu zeigen, warum sich nicht auch Männer „genauso lieben“ können.

• Die Mentalität, die die Verhütung für selbstverständlich und normal hält, macht die Menschen geneigter, im Fall der misslungenen Verhütung den „nächsten Schritt“ zu tun, das heißt abzutreiben (vgl. Papst Johannes Paul II.: Evangelium vitae 13).

• Verhütung ist nicht die einzige, aber eine wichtige Ursache des dramatischen Geburtenrückgangs in Europa.[4]

Was ist zu tun?

Wenn Papst Paul VI. mit HV die Wahrheit sagte und Kardinal Schönborn daher im Recht ist, darf man die Menschen nicht länger mit irreführenden „Erklärungen“ aus früheren Zeiten selbst betrügen und man darf HV nicht auf sich beruhen lassen.

Man darf auch nicht zur Beruhigung auf das schuldlos irrende Gewissen verweisen. Ebenso falsch, theologisch gesehen lächerlich ist es, den Papst zu bitten, er solle Verhütung „erlauben“: als ob es in seiner Macht stünde, Gottes Gebote zu ändern oder Gesetze der Schöpfung einzuführen und abzuschaffen, um den Menschen entgegenzukommen!

Um HV fruchtbar zu machen für das Leben der Christen und aller Menschen guten Willens, muss einiges geschehen:

1. Es bedarf des Mutes, der die Angst überwindet, von der Kardinal Schönborn gesprochen hat.

2. Es bedarf des Verzichtes auf alles „Schönreden“ der Vergangenheit.

3. Es bedarf einer anspruchsvollen, scharfsinnigen Argumentation, die alle Argumente ablehnt, die HV nicht nur nicht verständlich, sondern im Gegenteil unglaubwürdig machen.

4. Es bedarf der Überwindung der Vorurteile gegen HV, wie etwa das Vorurteil der Unlebbarkeit: Wer dies behauptet, urteilt zugleich, die Lebensweise der Juden wäre nicht lebbar – was offenbar falsch ist! Zudem wäre damit behauptet, es könne unlebbare Gebote Gottes geben.

5. Es bedarf der kritischen Selbstkontrolle im Diskurs über HV: Manche, die HV scheinbar verteidigen, merken nicht, dass ihre Argumente nicht beweisend sind oder gar voraussetzen, dass HV nicht so zu verstehen sei, wie Papst Paul VI. seine Lehre gemeint hat. „Sekundäre“ Argumente oder bloß lobende Worte darf man nicht mit „Beweisen“ verwechseln:

• Die demographischen Probleme sind ein wichtiger Gesichtspunkt, sie beweisen aber nicht, dass HV wahr ist. Sie tun dies ebenso wenig wie der Verweis auf gesundheitliche Risiken der Pille.

HV ist ein „Ideal“? Wenn HV ein Ideal sein soll, muss man erstens zeigen, worin dieses „Ideal“ besteht, was daran so „ideal“ ist. Zudem: Ideale verpflichten nicht! Aber genau das tut HV, es lehrt Verpflichtung ohne Ausnahmen zuzulassen.

• War HV ein prophetischer Ruf? Auch dieser Sprache gegenüber muss man fragen: Enthalten „prophetische Rufe“ ausnahmslos konkrete moralische Pflichten für den Einzelnen?

6. Es braucht ein erneuertes, vertieftes Bemühen um Verständlichkeit der Lehre von HV. Zwar wird die Lehre nie so einfach und intuitiv verständlich sein wie etwa „Du sollst nicht stehlen“, aber in die Richtung solcher Verständlichkeit muss das Bemühen gehen.

7. Die Begründung muss zeigen: Der eheliche Akt ist seinem Wesen nach leib-seelische Vereinigung, Verhütung aber ist Trennung. Wenn alle Gebote Gottes in dem Gebot der Liebe enthalten sind, muss auch das Verbot der Verhütung von der Liebe her verständlich gemacht werden können. Papst Benedikt: „Der Schlüssel (zu HV) ist und bleibt die Liebe!"[5]

8. Um die Menschen dazu zu bringen, die Lehre von HV trotz ihrer gesellschaftlichen Diffamierung an sich heranzulassen, bedarf es Ehepaare, die an Hand ihrer Erfahrung bezeugen: HV ist lebbar und macht glücklich.

Es ist höchste Zeit, die Kirchen Mitteleuropas müssen die Konsequenzen aus der Predigt Kardinal Schönborns ziehen. Es geht um viel! Vincent Tomey, irischer Moraltheologe und Schüler von Papst Benedikt XVI. sagt: „Ich meine, dass durch die Debatte um Humanae vitae die ganze Krise innerhalb der abendländischen Kulturgeschichte zu ihrem Höhepunkt gekommen ist. Und ich bin überzeugt, dass die Kirche in Europa und nicht zuletzt in Deutschland sich solange nicht erholen wird, bis sie Humanae vitae annimmt. Und zwar alles, was darin steht.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Vgl. Laun A.: Die Kölner Theologenerklärung, in: Laun A.: Aktuelle Probleme der Moraltheologie, Wien 1993,177-194.
[2] Laun A.: Kirche Jesu oder Kirche der Basis?, Köln 1996.
[3] Ratzinger J.: Wahrheit, Werte, Macht, Freiburg 1993, 29ff.
[4] Vgl. Laun A.: Die Aufgabe der Kirche in der demographischen Krise Europas, in: (Hg.) R. Beckmann, M. Löhr, S. Baier: Kinder, Wunsch und Wirklichkeit, Krefeld 2006, 183-206.
[5] Papst Benedikt in Geheimnis ehelicher Liebe, in: Chr. Casetti und M. Prügl: Humanae vitae 40 Jahre danach, Salzburg 2008 (eine Dokumentation des Referats für Ehe und Familie).

Begründung der Ethik in der Menschennatur

Ob es sich um die Stammzellendebatte, die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die damit verbundene Gender-Politik, die Auseinandersetzung um Humanae vitae oder das Experimentieren mit Mensch-Tier-Hybriden handelt, überall stellt sich die Frage: Was ist der Mensch? Kann man eine Natur des Menschen erkennen und beschreiben, aus der sich ethische Normen ableiten lassen? Prof. Dr. Horst Seidl, der an der Lateran-Universität in Rom doziert, erkennt in den derzeitigen Diskussionen einen erschreckenden Mangel an Bereitschaft, sich der Frage nach dem Menschen ernsthaft zu stellen. Unter den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft paart sich eine Ratlosigkeit mit der ideologischen Ächtung eines Begriffs der menschlichen Natur. Seidl stellt nicht nur das Problem, sondern auch allgemein gültige Eckpunkte für das Verständnis des Wesens des Menschen dar. Auf dieser Grundlage spricht er sich für die Begründung der Ethik in der Menschennatur aus.

Von Horst Seidl

Schöpfungswille gegen Freiheit?         

Gegenwärtige Ethikdebatten über Menschenrechte, aber auch über biomedizinische und gentechnologische Themen, bis hin zu den erschreckenden Experimenten mit Mensch-Tier-Hybriden, finden hauptsächlich zwischen zwei Positionen statt, die einander unversöhnlich entgegengesetzt sind: eine christliche, die sich auf den Schöpfungswillen des biblischen Gottes bzw. auf die Zehn Gebote beruft, und eine nichtchristliche, meist humanistisch genannte Position, die sich allein auf die menschliche Freiheit stützt. Die erstere setzt dem biowissenschaftlichen Handeln strikte Grenzen durch die Achtung vor dem unverfügbaren Leben des Menschen, der in der Schöpfungsordnung eine hohe Stellung einnimmt, die letztere hingegen setzt die menschliche Freiheit und die wissenschaftliche Forschung als oberste Norm, der die Natur, einschließlich der Vitalkräfte des Menschen, als manipulierbares Feld zur Verfügung steht. So urteilt z.B. im Falle der Euthanasie die Kirche, dass das Leben des Patienten weder diesem noch dem Arzt verfügbar ist, während die Gegner dem Patienten die Freiheit zugestehen, sein Leben mit Hilfe des Arztes zu beenden.

Einhelliges Zeugnis aller alten Kulturen

Dieser Gegensatz wäre meines Erachtens vermeidbar, wenn man die Ethikdebatten auf ihre Grundlage in der Menschennatur beziehen würde; denn Norm für unser ethisches Handeln müsste sein, dass es mit der Menschennatur übereinstimmt, die vorgegeben, nicht mehr verfügbar ist. Dies rechtfertigt sich dann auch aus dem biblischen Glauben, da die Menschennatur Gott so geschaffen hat, wie sie ist. Leider scheint heute der Bezug zur Menschennatur nicht mehr möglich, weil dieser Begriff fragwürdig geworden ist. Und doch geht er auf alte Traditionen in West und Ost zurück, was anzeigt, dass er zum Menschheitsbewusstsein selbst gehört. Man denke an die Kontroverse im alten China angesichts der Schlechtigkeit der Menschen, ob sie ihre Herkunft aus schlechten Sitten habe oder aus der Menschennatur. Der Kungzi-(Konfuzius-)Schüler Mengzi trat für die erste Alternative ein, sein Gegner Xunzi für die zweite. Eine andere Kontroverse gab es im alten Griechenland zwischen Sokrates/Platon und den Sophisten, die wiederum die Menschennatur betraf. Letztere vertraten eine Triebmoral und hielten sie für das „von Natur Gerechte“, weil sie der Triebnatur des Menschen entspreche. Platon korrigierte dies durch die Einsicht, dass auch die Vernunft zur Natur des Menschen gehöre, wodurch sich der Begriff der Menschennatur erweiterte und als komplex erwies: Er umfasste sowohl den Trieb als auch die Vernunft, die zwar wesentlich verschiedene Prinzipien im Menschen sind, aber aufeinander zugeordnet, mit der Unterordnung des Triebes unter die Vernunft. Damit erweist sich der Trieb als spezifisch menschlich, offen, weil disponiert, von der Vernunft geführt zu werden, im Gegensatz zum Trieb im Tier, wo er in sich geschlossen ist.

Japaner fordert neue Besinnung auf die Menschennatur

In unseren Tagen hat der Japaner Francis Fukuyama[1] mit seiner Rede vom Ende des Menschen angesichts der gentechnologischen Möglichkeiten gesprochen und zur Besinnung auf die Menschennatur aufgerufen, was ihm bei westlichen Journalisten viel Schelte eingebracht hat, da er einen angeblich obsolet gewordenen Begriff wiederaufnehme, dessen Bedeutung heute nicht mehr verständlich sei.

Bei der Stammzelldebatte im Bundestag 2002 äußerten sich Abgeordnete auffallend ratlos: Was die Natur sei, wüssten wir eigentlich nicht. Was der Mensch sei, wüssten wir auch nicht. Ein Blick in die abendländische Tradition belehrt uns eines Besseren.

Philosophische Anthropologien der Gegenwart verwenden diesen Begriff nicht mehr, da er zu statisch und abstrakt-leer erscheint, und konzentrieren sich auf die Analysen dynamischer Prozesse, in denen der Mensch schöpferisch sich selbst bestimmt. Auch wirkt immer noch Kants Einfluss nach, der strikt Natur und Freiheit getrennt hat. Die Natur ist hier der untermenschliche Bereich, der dem vernünftigen, allein menschlichen Bereich entgegengesetzt ist. Aus diesem Gegensatz zwischen Natur und Freiheit heraus übten gegenwärtige Moraltheologen Kritik am natürlichen Sittengesetz, auf das sich Humanae vitae bezog, und lehnten es als naturalistisch ab; denn es besage nur jenes Gesetz, das wir Menschen mit den Tieren gemeinsam haben, wie Ernährung und Fortpflanzung. Übersehen wird die komplexe, analoge Bedeutung des traditionellen Naturbegriffes, der sowohl Sinnlichkeit und Trieb, als auch Vernunft und Willen umfasst, die einander zugeordnet sind.[2] Das natürliche Sittengesetz betrifft keineswegs bloß jene natürlichen Akte einer animalischen Natur, sondern vielmehr die gesamtmenschlichen Akte, sofern sie immer so geschehen sollen, dass der Vorrang der Vernunft vor dem Trieb und dem Leib gewahrt bleibt. Bei guter Führung durch die Vernunft behindern die leiblich-sinnlichen Tätigkeiten nicht die der Vernunft, sondern unterstützen sie. Die Tugenden schließen ja eine gute Formung von Sinnlichkeit und Trieb ein.

Vorrang der Vernunft vor Leib und Trieb

Wir Menschen haben ein Bewusstsein, dass die Dinge ihre bestimmte Natur haben, nicht nur Hund und Katze, sondern auch der Mensch, selbst wenn wir nicht sogleich eine Definition davon bereit haben. Philosophisch gesehen, verfügt die westliche Tradition über einen klaren Begriff von der Natur oder der Wesenheit der Dinge, die in ihren konstitutiven Ursachen liegt, wodurch jedes Ding spezifisch das ist, was es ist: der Hund ein Hund, die Katze eine Katze und der Mensch ein Mensch. Die Wesensursachen sind beim Menschen der Leib als Materieursache und die Seele als Form- bzw. Bewegungs- und Zweckursache. Die menschliche Seele besteht aus dem vegetativen, dem sinnlichen und dem vernünftigen Prinzip. Durch die Vernunft überragt der Mensch die gesamte Natur, mit der Verantwortung, die äußere und die eigene Leibes- und Triebnatur so in Dienst zu nehmen, dass sie in ihrer eigenen Zweckmäßigkeit bewahrt und nicht geschädigt werden.

Integration zu gesamtmenschlichen Lebensvollzügen

Gegenwärtige Richtungen ethischer, psychologischer und sozialer Art isolieren Leib, Sinne und Trieb aus dem gesamtmenschlichen Lebensvollzug und nehmen ihnen die menschlich-sittliche Bedeutung. Sie werden zu einem Manipulationsfeld für beliebig freie Entwürfe einer autonomen Vernunft. Dann treten anstelle der Ehe freie Lebensgemeinschaften, auch die homosexuelle, anstelle der natürlichen Befruchtung im Mutterschoß die künstliche im Reagenzglas, anstelle des Geschlechtes eine Gender-Rolle. Immer wird der gesamtmenschliche Zusammenhang zwischen Trieb- und Vernunftnatur gestört. Auch die sexuelle Früherziehung isoliert die Geschlechtslust und schädigt die Menschennatur. Man verkennt (mit Freud), dass der Sexualtrieb als Zweck nicht die Lust, sondern die Erzeugung von Nachkommen hat (bei der sich Lust einstellt). Der organische Reifungsprozess zum Jugendlichen und Erwachsenen wird empfindlich gestört.

Was schließlich die Experimente mit Mensch-Tier-Hybriden betrifft, die mit dem menschlichen Leib wie mit einem tierischen umgehen, verletzen sie nicht nur die Menschenwürde, sondern bedrohen, wenn sie weiter ausgebaut werden, das Menschengeschlecht. Wir müssten sie öffentlich als ein Verbrechen gegen die Menschheit (crime against humanity) anklagen.

Das gute Gewissen als Leitstern des Glücks

Die Berufung auf die Menschennatur ist wahrhaftig keine Flucht in einen abstrakt-leeren Begriff, sondern fordert von der Vernunft die Einkehr bei sich selbst; denn sie ist sich selbst real gegeben, im Selbstbewusstsein bzw. Gewissen, und weiß um ihre Gefährdung, wenn sie ihrem Vorrang vor Leib und Trieb nicht gerecht wird. Von dem hohen Gut und Glück dieses Vorranges weiß die Vernunft im guten Gewissen. Daraus begründet sich normative Tugendethik.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1]Francis Fukuyama: Our Posthuman Future, New York 2002.
[2] Ausführlich ist das Thema in meinen Abhandlungen dargelegt: Vom Dasein zum Wesen des Menschen, Hildesheim (Olms) 2001; Gentechnologie in ethischer Beurteilung, Bonn (nova&vetera) 2003.

Priester mit der Häftlingsnummer 16670

Pater Notker Hiegl OSB greift das aktuelle Jubiläum des Franziskanerordens auf. Heuer werden es 800 Jahre, dass die Regel bzw. Lebensweise des hl. Franziskus vom damaligen Papst Innozenz III. anerkannt worden ist. Als herausragenden Vertreter franziskanischer Spiritualität stellt P. Hiegl den hl. Minoritenpater Maximilian Kolbe aus Polen vor. Das Armutsideal des hl. Franziskus verwirklichte P. Kolbe auf moderne Weise: als Manager, der sich im Eifer für die Bekehrung der Gottfernen und die Heiligung aller Menschen verzehrte und schließlich sein Leben als Märtyrer der Nächstenliebe hingab.

Von Notker Hiegl OSB

Natürlich ist die aktuelle Leugnung des „Holocaustum“ in Auschwitz eine „Unglaublichkeit sondergleichen“. Die „Schoah“ ist und bleibt ein Ausrufezeichen Gottes für alle Zeit. Die Wellen, welche durch die bornierte Leugnung ausgelöst wurden, schadeten der gesamten katholischen Kirche im öffentlichen Bereich der Medien gewaltig. In diesem „Tohuwabohu“ tut mir persönlich unser Heiliger Vater leid. Die Kampagne gegen Papst Benedikt XVI. sprengt inzwischen alle nachvollziehbaren Proportionen und lässt erahnen, wie genau diese „konzertierte Aktion“ vorbereitet und durchgeführt wurde. Im November 2008 vom schwedischen Fernsehen SVT1 aufgenommen und erst am 21. Januar 2009 ausgestrahlt, genau zur Zeit der von diesen Kräften unerwünschten Aufhebung der Exkommunikation der Lefevbre-Bischöfe, war dies ein gekonnter „protestierender Wirbel gegen alles Römische“. Zu dieser Aktion wäre ein eigener Artikel von Nöten. Hier soll mit einem Holocaust-Schicksal aufgezeigt werden, welch großes Leid die Nazis über Juden und Christen in Auschwitz gebracht haben.

Die drei Zweige des Franziskaner-Ordens

Der hl. Franz von Assisi (1181-1226) hatte im Jahr 1209 – also vor 800 Jahren – den Orden der Minderbrüder gegründet. Er selbst wollte im Namen seines Ordens nicht verankert sein. Auch wollte er in der Hierarchie seiner Brudergemeinschaft an „minderer“ Stelle angesiedelt werden. Und dennoch: Schon zu seiner Lebzeit – er wurde ja nur 44/45 Jahre alt – wuchs sein Orden in vielen Ländern Europas gewaltig an. 1517, rund 300 Jahre nach seinem Tod, spaltete sich sein Orden in die „Minoriten“ (auch „Konventualen“ genannt) und in die „Franziskaner“. Von diesem Zweig trennte sich 10 Jahre später, 1528, ein Reformzweig ab, die „Kapuziner“. In der Hauptblütezeit des Ordens, Mitte des 18. Jahrhunderts, hatten sie zusammen mit 120.000 Mitgliedern ihren höchsten Personalstand erreicht. Im Lauf der Geschichte versuchten unzählige Minderbrüder, Minoriten, Franziskaner, Kapuziner und wie sie auch immer hießen, dem Beispiel ihres Gründers zu folgen und sein Vorbild in Christusliebe nachzuahmen. Viele von ihnen wurden heiliggesprochen – von Bonaventura bis hin zu P. Maximilian Kolbe von Auschwitz.

Herkunft und Ausbildung des hl. P. Maximilian Kolbe

Raimund Kolbe, so der bürgerliche Name von Pater Maximilian, wurde am 8. Januar 1894 als zweites von fünf Kindern einer armen Arbeiterfamilie in Zdunska-Wola bei Lodz (Mittelpolen) geboren. Seine Vorfahren väterlicherseits waren deutsche Auswanderer, die im 19. Jahrhundert mit anderen Leinewebern in dieser Gegend um Lodz angesiedelt wurden. Mit 11 Jahren trat Raimund nach einer Volksmission, welche Minoriten-Patres in seiner Heimat hielten, in deren Seminar in Lemberg ein. Schon mit 16 Jahren entschied er sich endgültig für diesen franziskanischen Zweig und erhielt bei der Einkleidung den Namen „Fr. Maximilian“. Am 5. September 1911, 17-jährig, legte er die ersten Gelübde ab. Auf Wunsch des Provinzials setzte der hervorragend begabte und in seinem Verhalten vorbildliche junge Ordensmann seine Studien nach kurzen Anfängen in Krakau an der Jesuiten-Universität Gregoriana in Rom fort. 1915 schloss er sie, 21-jährig, mit dem Doktorat in Philosophie ab. 1919, nun 25 Jahre alt, folgte der zweite Doktortitel im internationalen Kolleg der Minoriten „San Theodore“ in der Theologie.

Gründung der „Militia Immaculatae“ (MI)

Im Januar 1917 feierte die Freimaurerloge in Rom ihr 200-jähriges Gründungsfest. „Der Teufel wird den Vatikan regieren und der Papst wird ihm als Schweizergardist dienen“ – ein Papst-Schmäh-Slogan der damaligen Zeit. Von dieser Stunde an bewegte den jungen Minoriten Maximilian die Frage, wie er diese von abgründigem Hass gegen den Stellvertreter Christi auf Erden erfüllten Menschen für Jesus gewinnen könne. Mit sechs franziskanischen Mitbrüdern aus seinem Kolleg gründete er am 17. Oktober 1917 im Einvernehmen mit den Ordensobern die „Kampftruppe der Unbefleckten“, die „Militia Immaculatae“ (MI), den „Kreuzzug der Unbefleckten Jungfrau Maria“, kurz „Miliz“ genannt. Mögen die militärischen Begriffe uns heute eher fremd sein, das spirituelle Ziel dieser jungen Bewegung war „die Bekehrung der Sünder, der Häretiker, der Schismatiker, besonders aber der Freimaurer, und die Heiligung aller Menschen“. Durch diese Initiative wurde der damals erst 23-jährige Diakon Maximilian Kolbe zum Vater einer Erneuerungs-Bewegung mit dem Ziel, alle Menschen, Gläubige wie Ungläubige, durch Maria näher zu Jesus Christus zu führen.

Entstehung der Zeitschrift „Ritter der Unbefleckten“

Am 28. April 1918 wurde Fr. Maximilian Kolbe zum Priester geweiht. Im Juli 1919, nach dem Ende des 1. Weltkrieges, kehrte der zweifache Doktor in sein Heimatland Polen zurück. In Krakau erhielt er als 25-jähriger Dozent sofort einen Lehrstuhl für das Fach „Kirchengeschichte“. Doch eine Lungenschwindsucht, die Volkskrankheit der armen Leute damals, zwang ihn schon bald im Sanatorium zu Zakopane zur Untätigkeit. Auch zu dieser Wendung in seinem Leben bewies er eine übernatürliche Einstellung. In einem Brief schrieb er: „Ich befolge den Wunsch des Pater Provinzials und beschäftige mich hier nicht mit der Miliz. Gehorsam, Gehorsam ist der göttliche Wille in allem.“ Zu Weihnachten 1921 durfte er nach Krakau zurückkehren. Kurze Zeit darauf erschien die erste Nummer seiner Zeitschrift „Ritter der Unbefleckten“ mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren. 1922 zog er in das Kloster Grodno im Norden Polens, da sich dort für seine redaktionelle Tätigkeit bessere räumliche Möglichkeiten boten. 1925 bis 1927 war er jedoch erneut lungenkrank.

Aufbau der Niederlassung „Niepokalanow“

Bei seinem zweiten Aufenthalt in der Lungenheilstätte zählte seine Zeitschrift „Ritter“ bereits ca. 60.000 Exemplare. Die Zahl der eingeschriebenen Kreuzzugsmitglieder war allein in Polen auf 126.000 angewachsen. Im August 1927 schenkte Fürst Drucki-Lubecki 28.000 qm Land zum weiteren Ausbau des klösterlichen Druckerei-Geländes, 42 km westlich von Warschau gelegen. Auf diesem Areal entstand nun eine neue Niederlassung mit dem Namen „Immaculatum“ – „Stadt der Unbefleckten“. Zunächst wurden die Kapelle, eine größere Druckerei, eine Elektrozentrale und ein Montagebau erstellt. 1936 beherbergte Niepokalanow – wie die Stadt polnisch hieß – sage und schreibe 700 Minoriten. 1938 wurde auf dem nochmals erweiterten Anwesen eine Radiostation sowie eine Landebahn für vier Flugzeuge errichtet. Zur Ausbreitung des Wortes Gottes ließ P. Maximilian keine Möglichkeit ungenutzt. So erreichte die Monatszeitschrift 1939 eine Auflage von einer Million.

Globaler Wirkungsradius des marianischen Apostolats

Außer der Zeitschrift Ritter erschien für die Kinder ein Journal mit dem Titel Der kleine Ritter der Immakulata. Ein Miles Immaculatae in lateinischer Sprache war für den Klerus bestimmt. Weitere Veröffentlichungen waren Das Echo der Immakulata und seit 1935 das Tagesblatt Die kleine Zeitung, welche 1939 an Werktagen eine Auflage von 140.000 und an Sonn- und Feiertagen 275.000 Exemplaren erreichte. Für kirchliche Zeitschriften unglaublich hohe Zahlen! Schon im März 1930 war P. Maximilian Kolbe von Marsailles aus per Schiff nach Japan gereist, um die japanische Ausgabe des „Ritters“ zu kreieren. Ende Mai erschien bereits der Seibo no Kishi, die japanische Auflage des „Ritters“ in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Seine zweite Reise nach Japan führte ihn über Moskau und Sibirien in den Fernen Osten. In der Nähe von Nagasaki gründete er eine polnische Marien-Stadt, nämlich „Mugenzai no sono“. 1933 reiste er zum dritten Mal nach Japan. Bei seiner Rückkehr nach Polen im Jahr 1939 hatte der Seibo eine Auflage von 70.000.

Ausrottung der polnischen Intelligenz durch die Nazis

Mitte September 1939 wurde die „Stadt der Unbefleckten“ vom deutschen Heer besetzt. P. Maximilian und seine Mitbrüder wurden nach Ostrzeszow deportiert. Am 8. Dezember, dem Festtag der Unbefleckten Empfängnis Mariens, durfte die Mönchs-Gruppe wieder in ihre klösterliche Heimat „Immakulatum“ zurückkehren. Nach Verhandlungen mit dem deutschen Generalgouverneur Frank in Krakau konnte P. Kolbe den polnischen „Ritter“ wieder herausbringen. Er plante auch für die deutschen Soldaten einen „Ritter“ zu bearbeiten. Da wurde er am 17. Februar 1941 von der Gestapo verhaftet und ins Warschauer Gefängnis Pawiak gebracht. Ob seines Glaubensbekenntnisses und seiner Gelübdetreue wurde er schwer misshandelt und schließlich am 28. Mai 1941 in das KZ Auschwitz abtransportiert. In Reih und Glied stand er nun auf dem Appellplatz mit der Häftlingsnummer 16670 zwischen den unzähligen polnischen Intellektuellen, welche das braune Regime auszurotten gedachte. Erklärtes Ziel der Nazis war, die „Intelligentia“ Polens zu zerstören und das Volk so zu einem Sklavenvolk zu degradieren.

Stellvertretendes Lebensopfer für einen Familienvater

Auf seine letzte, aus menschlicher Kraft nicht zu leistende große Liebestat war P. Maximilian durch sein priesterliches Leben vorbereitet. Als Minorit war er geformt von der eindringlichen Mahnung seines Ordensvaters Franziskus, „aus der Welt der Eigensucht herauszutreten und Gott in seiner belebenden Wirklichkeit in den Menschen einziehen zu lassen“. In den letzten Julitagen 1941 war einem Gefangenen von Block 14 die Flucht aus dem Lager gelungen. Als Abschreckungs- und Vergeltungs-Maßnahme wurde über zehn Mithäftlinge die Todesstrafe verhängt, die durch Auszählen der im Hofe angetretenen Gefangenen bestimmt wurde. Das harte Los traf auch Franz Gajowniczek. Der Verzweiflungsschrei des jungen Familienvaters: „Ach, meine Frau und Kinder, die ich als Waisen zurücklasse!“, traf P. Kolbe tief ins Herz. Er trat aus der Reihe heraus, ging auf den Lagerführer zu und erbot sich, an die Stelle des zum Tode Verurteilten treten zu dürfen. Der „blutige Fritsch“, völlig verdutzt über den unerhörten Wunsch dieses Häftlings, fragte ihn verächtlich: „Wer bist du denn?“ Daraufhin P. Maximilian Kolbe: „Ich bin ein katholischer Priester!“

Die Todgeweihten im Hungerbunker

P. Maximilian war 47 Jahre alt. Er wollte bewusst als Priester sterben. Es ging ihm nicht allein darum, einen Verurteilten zu retten, sondern er wollte als Priester mit den anderen Todeskandidaten die härtesten Tage ihres Erdenlebens durchleiden und ihnen im Sterben beistehen. Von dem Augenblick an, da sich das verhängnisvolle Tor hinter der Zehnergruppe schloss, fühlte P. Kolbe seine Verantwortung für alle, für die Gruppe und für die Gefangenen in den Nachbarzellen, deren Verzweiflungsschreie jeden erschauern ließen, der im Gang vorbeikam. Die zehn Gefangenen von Block 14 mussten sich völlig entkleiden. Die Zelle war drei Meter lang und eineinhalb Meter hoch, zehn Mann in äußerster Enge darin gekrümmt. Mit Schließen der Tür erhielten sie keine Speise mehr. Aus der Zelle aber erscholl kein Geschrei, sondern lautes Gebet mit religiösen Gesängen. Bald hallten auch die Nachbarzellen, in denen ebenfalls Gefangene auf einen erbarmungslosen Tod warteten, von diesen Gebeten und Liedern wider. Selbst die Henker waren erschüttert. Immer leiser wurde das Singen und Beten, Tag für Tag. Nach und nach erlöste der Tod die meisten der grausam Gemarterten.

Mit verklärtem Gesicht

Am 14. August wurde die Todeszelle geöffnet, vier Menschen atmeten noch schwach. Bewegungslos lagen sie übereinander. Als Letztem von ihnen spritzte man P. Maximilian das endgültig todbringende Gift (Phenol) in den linken Arm. Er saß an die Mauer gelehnt, mit offenen Augen, das Haupt nach links geneigt. Es ist vollbracht. Sein Antlitz leuchtete in einem verklärten und erlösten Strahlen. Am Vortag des Festes der Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel durfte der große Verehrer der Immakulata sein Leben vollenden. Am 15. August 1941 wurde sein Leichnam verbrannt, die Asche in alle Winde zerstreut.

30 Jahre später: Am 17. Oktober 1971 wurde P. Maximilian Kolbe selig gesprochen. Papst Paul VI. erklärte: „Die Kirche erblickt in ihm einen außergewöhnlichen Menschen, einen Menschen, in dem das Zusammenwirken von göttlicher Gnade und eigener Seelengröße in einem bewunderungswürdigen Leben Ausdruck fand. … ‚Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi Nachahmer bin’ (1 Kor 4,16; Phil 3,17; 2 Thess 3,19).“

Papst Johannes Paul II. im KZ Auschwitz

„Nur noch wenige von uns wissen aus eigener Erfahrung, bis zu welchem Grad unter einem totalitären Regime die menschliche Person erniedrigt, gedemütigt und verhöhnt wird. Pater Kolbe musste den grundlosen Hass unmenschlicher Terrorgewalt verspüren und an sich, wie bei Millionen anderer Unschuldiger, besonders aus dem jüdischen Volk, austoben lassen. Er aber kannte den Hass nicht. Seine Art war es, sich im Ganzopfer hinzugeben und sich für andere einzusetzen in der Kraft des Glaubens. Aus Liebe, welche bereit ist, das Leben für die Freunde dahin zu geben (vgl. Joh 16,12).“ Diese Worte sprach Papst Johannes Paul II., als er im Juni 1979 im KZ Auschwitz einen Gottesdienst feierte. „Dieser Sieg durch Glaube und Liebe wurde an diesem Ort von einem Mann errungen, der den Namen Maximilian Maria trägt. Sein Familienname ist Kolbe; von Beruf (wie es in den Registern des KZ verzeichnet steht): katholischer Priester; seine Berufung: Sohn des hl. Franziskus; von Geburt: Sohn einfacher, arbeitsamer und frommer Eltern, Weber aus der Umgebung von Lodz; durch Gottes Gnade nach dem Urteil der Kirche: Seliger!“

Heiliger P. Maximilian, bitte für uns

Am 10. Oktober 1982 sprach Papst Johannes Paul II. P. Maximilian Maria Kolbe auf dem Petersplatz in Rom heilig. Mehr als 200.000 Menschen waren zum feierlichen Gottesdienst versammelt. Unter ihnen befand sich auch der über 80-jährige Franz Gajowniczek, an dessen Stelle Pater Kolbe 1941 in den Hungerbunker gegangen und gestorben war. Durch Glaube und Liebe hat P. Maximilian im KZ Auschwitz einen Sieg über die Mächte des Bösen errungen, an diesem Ort, der durch den Tod vieler Millionen von Menschen verschiedener Nationen zum Inbegriff des schrecklichen Leids geworden ist, das Menschen andern Menschen antun können.

Als ich vor wenigen Jahren mit einer Pilgergruppe aus Beuron im polnischen Marienheiligtum Tschenstochau war, besuchten wir selbstverständlich auch das KZ in Auschwitz. Vor der Todesmauer legten wir unsere Rosen nieder, stiegen vom Appellplatz hinunter in den Bunker und streichelten die Wand, an der P. Maximilian lehnte, als er sein Leben für einen andern dahingab. Seid nie vergessen, ihr Gequälten mit den Namen Maximilian, Edith, Aaron, Mose, Hanna, Zacharias… in Ewigkeit!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
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Rückbesinnung auf das Bußsakrament

Im Februar dieses Jahres fand in der Gebetsstätte Wigratzbad eine Priesterfortbildung zum Thema Bußsakrament statt. Sowohl Verantwortliche der Apostolischen Pönitentiarie in Rom als auch der zuständige Ortsbischof Dr. Walter Mixa wirkten an der außerordentlichen Veranstaltung mit. Über 80 Priester nahmen mit großer Begeisterung teil. Drei Vorträge hielt der katholische Moraltheologe Prof. Dr. Joachim Piegsa MSF. Sein erstes Referat geben wir nachfolgend wieder. In aller Klarheit und Schlichtheit ruft Piegsa die wesentlichen Elemente des Bußsakraments in Erinnerung, aber auch die Stimme Papst Johannes Pauls II., der sich unermüdlich um eine Erneuerung der Beichte bemühte.

Von Joachim Piegsa

Forderungen an den Beichtvater

„Christus est, qui absolvat“ – „Christus ist es, der losspricht“. Diese Feststellung ist eine Abwandlung der augustinischen Aussage: „Christus est, qui baptizat“ – „Christus ist es, der tauft.“

Es ging um die Gültigkeit der Taufe durch einen unwürdigen Spender. „Der menschliche Spender fungiert lediglich als causa ministerialis und instrumentalis."[1]  Im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK 1993, Nr. 1465-1466) heißt es dazu: „Der Priester ist Zeichen und Werkzeug der barmherzigen Liebe Gottes zum Sünder“ … „Der Beichtvater ist nicht Herr, sondern Diener der Vergebung Gottes. Der Diener dieses Sakramentes soll sich mit der Absicht und der Liebe Christi vereinen.“

Aus dieser grundlegenden Feststellung werden im KKK folgende Forderungen abgeleitet:

1. Bereitschaft:

„Die Priester sollen die Gläubigen ermutigen, das Bußsakrament zu empfangen, und ihre Bereitschaft zeigen, dieses Sakrament zu spenden, wann immer Christen in vernünftiger Weise darum bitten“ (KKK 1464).

2. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit:

„Wenn der Priester das Bußsakrament spendet, „versieht er den Dienst des Guten Hirten, der nach dem verlorenen Schaf sucht; den des guten Samariters, der die Wunden verbindet; den des Vaters, der auf den verlorenen Sohn wartet und ihn bei dessen Rückkehr liebevoll aufnimmt; den des gerechten Richters, der ohne Ansehen der Person ein zugleich gerechtes und barmherziges Urteil fällt“ (KKK 1465). Alles Hinweise auf Gleichnisse, in denen Jesus selbst seine Haltung gegenüber den Sündern charakterisierte. Sie sind eine Entfaltung der alttestamentlichen Verkündigung Gottes durch den Propheten Ezechiel: „Ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt“ (Ez 33,11; vgl. ebd. 18,23 u. 18,32).

3. Feinfühligkeit:

Weiter heißt es im KKK, 1466: „Der Beichtvater … muss zuverlässig wissen, wie ein Christ zu leben hat, in menschlichen Dingen Erfahrung haben und den, der gefallen ist, achten und sich ihm gegenüber feinfühlig verhalten. Er muss die Wahrheit lieben, sich an das Lehramt der Kirche halten und den Pönitenten geduldig der Heilung und vollen Reife entgegenführen. Er soll für ihn beten und Buße tun und ihn der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen.“ Der hl. Alfons von Liguori hatte bereits im 18. Jh. die Beichtväter davor gewarnt, im sexuellen Bereich übertrieben nachzufragen. Unter dem Einfluss des bürgerlich-puritanischen Zeitgeistes kam es im 19. Jh. und auch schon zuvor durch den Nominalismus (14. Jh.) zur Verrechtlichung der Moral und zur Überbetonung der Kasuistik.

Der Beichtvater sollte also die konkrete Lebenssituation des Pönitenten möglichst berücksichtigen, und das heißt auch allgemein: die heutigen Arbeitsbedingungen, den Einfluss der Massenmedien, die vorherrschende kritische Einstellung zur Kirche. Ähnliches fordert die Pastoralkonstitution des II. Vatikanums von der Kirche insgesamt, sie müsse zur Erfüllung ihres Auftrags die „Zeichen der Zeit erforschen und sie im Licht des Evangeliums deuten“, denn man könne schon „von einer wirklichen sozialen und kulturellen Umgestaltung sprechen, die sich auf das religiöse Leben auswirkt.“ … „Betroffen von einer so komplexen Situation, tun sich viele unserer Zeitgenossen schwer, die ewigen Werte recht zu erkennen und mit dem Neuen, das aufkommt, zu einer richtigen Synthese zu bringen“ (GS 4).

4. Absolutes Stillschweigen:

Und noch eine weitere Forderung: „Dieser Dienst ist überaus groß. Er erfordert Achtung und Behutsamkeit gegenüber dem Beichtenden. Daher erklärt die Kirche, dass jeder Priester, der Beichte hört, unter strengsten Strafen verpflichtet ist, über die Sünden, die seine Pönitenten ihm gebeichtet haben, absolutes Stillschweigen zu wahren. Er darf auch nicht auf Kenntnisse Bezug nehmen, welche die Beichte ihm über das Leben der Pönitenten verschafft hat. Dieses Beichtgeheimnis, das keine Ausnahmen zulässt, heißt „das sakramentale Siegel“, denn das, was der Pönitent dem Priester anvertraut hat, bleibt durch das Sakrament „versiegelt“ (KKK 1467). Wenn der Pönitent ein allgemeines Gespräch wünscht, also kein Beichtgespräch, dann sollte es vor der Beichte stattfinden, denn auf Fakten, die man in der Beichte erfahren hat, darf man sich nicht berufen, auch nicht dem Pönitenten selber gegenüber, es sei denn, er kommt selber darauf zurück.

Zwei Wirkungen des Bußsakraments

Die Wirkungen des Bußsakraments sind zweifacher Art: erstens, die „Versöhnung mit Gott“, zweitens, die „Versöhnung mit der Kirche“ (KKK 1468). Dazu heißt es in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche:

„Die aber zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt“ (LG 11; vgl. PO 5). „Die Versöhnung mit der Kirche lässt sich von der Versöhnung mit Gott nicht trennen“ (KKK 1445). „Indem der Herr den Aposteln seine eigene Vollmacht, Sünden zu vergeben, mitteilt, gibt er ihnen auch die Autorität, die Sünder mit der Kirche zu versöhnen“ (KKK 1444).

Dieser kirchliche Aspekt ihrer Aufgabe äußert sich in Jesu Einsetzungsworten des Bußsakramentes, vor allem im feierlichen Wort Christi an Simon Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,19).

Dieses Amt des Bindens und Lösens wurde auch dem „mit seinem Haupt verbundenen Apostelkollegium zugeteilt“ (LG 22) (KKK 1444). So in Joh 20,21-23: „Jesus sagte … Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“

Ekklesiale Sicht der Buße

Gemäß der Empfehlung des Zweiten Vatikanums: „Ritus und Formeln des Bußsakramentes sollen so revidiert werden, dass sie Natur und Wirkung des Sakramentes deutlicher ausdrücken“ (SC 72), hat die römische Sakramentenkongregation einen neuen „Ordo poenitentiae“ 1973 veröffentlicht, in dem die „ekklesiale Sicht der Buße“, d.h. die Versöhnung mit der Kirche, stärker hervorgehoben wurde, weil bisher zu sehr die „individualistische Sicht“ der „Beichte“, als einem Geschehen „allein zwischen Priester und Pönitenten“, vorherrschte.[2]

Um diesem Vorhaben zu dienen, hat die Sakramentenkongregation 1972 die Bußgottesdienste eingeführt, eventuell mit einer Generalabsolution, doch als Ausnahme, „vor allem bei unmittelbarer Todesgefahr“. Ob und wann dies zutrifft, sollten die Bischofskonferenzen festlegen.[3] Die Deutsche Bischofskonferenz hatte 1975 festgestellt, dass ein solcher „schwerwiegender Notfall“ zum „jetzigen Zeitpunkt nicht besteht“.[4]

Die Einzelbeichte

Wo die Generalabsolution während des Bußgottesdienstes erlaubt wurde, verdrängten diese Bußgottesdienste das Bußsakrament. Man hatte vergessen oder verdrängt, dass Todsünden, die der Generalabsolution unterstanden, bei der nächsten Einzelbeichte genannt werden müssen.[5]

Ein weiterer Missbrauch in Anwendung des neuen „Ordo poenitentiae“ bestand darin, dass in manchen Gemeinden Kinder zur Erstkommunion zugelassen wurden, ohne den vorherigen Empfang des Bußsakramentes. Darauf antwortete 1977 der Präfekt der Kongregation für die Sakramente, es bestehe „die Verpflichtung“, die „Buße vor der Kommunion zu empfangen. Das Unterscheidungsalter sowohl für die Beichte wie auch für die hl. Kommunion ist gegeben, wenn das Kind zu unterscheiden beginnt, d.h. etwa um das 7. Jahr, vielleicht etwas darüber oder auch darunter. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Verpflichtung, beide Gebote, der Buße und der Kommunion, zu erfüllen."[6]

Das zweite Kirchengebot (laut KKK, nach alter Zählung das vierte) fordert: „Du sollst deine Sünden wenigstens einmal jährlich beichten“ (KKK 2042). Dem liegt eine Forderung des IV. Laterankonzils (1215, Kap. 21) zugrunde: „Jeder Gläubige soll, nachdem er in die Jahre der Unterscheidung gelangt ist, wenigstens einmal im Jahr all seine Sünden … getreu beichten“ (DS 812). Dasselbe betonte das Konzil von Florenz 1439, „dass der Sünder alle Sünden, deren er sich erinnert, seinem Priester vollständig bekennt“ (DS 1323).

Nicht wenige gehen heute zum Psychiater, statt zum Beichtvater. Der Psychiater kann bestenfalls helfen, mit der Schuld umzugehen, aber er kann Schuld nicht vergeben und dadurch wirksam auf seelische Wunden heilend einwirken. Das kann nur Christus, der zu Recht Heiland genannt wird.[7]

Obwohl wahre Reue bereits lässliche Sünden tilgt, sind diese doch noch im Beichtbekenntnis namentlich zu nennen. Falsch ist somit die Meinung, wer keine schwere Sünde begangen habe, der brauche das Kirchengebot „einmal jährlich zu beichten“ nicht zu befolgen, oder er könne sich auf das allgemeine Bekenntnis beschränken: „Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken“. Das nämlich genügt nur beim öffentlichen Schuldbekenntnis zu Beginn der Hl. Messe, denn eine öffentliche Beichte – im Gegensatz zur öffentlichen Buße – hat es nie gegeben.

Aus moralischer Sicht wäre es falsch, lässliche Sünden nicht ernst zu nehmen, da diese durch Gewöhnung bald zu schweren Sünden sich entwickeln können. Wer z.B. aus ernsthaftem Grund – z.B. schwere Krankheit – nicht dem ersten Kirchengebot (nach alter Zählung das zweite) Folge leisten kann, „an Sonn- und Feiertagen der hl. Messe andächtig beizuwohnen“ (KKK 2042), könnte bald aus Bequemlichkeit die leichteste Erkältung als Entschuldigung gelten lassen.

In der christlichen Frühzeit vertragen die Novatianer, eine rigoristische Sekte, die Meinung, schwere Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, könnten nicht mehr verziehen werden. Daher ließen sich manche erst am Sterbebett taufen. Das Konzil von Nizäa (325) hat diesen Rigorismus abgelehnt. Für drei besonders schwere Sünden – die „tria capitalia“ – Götzendienst, Mord und Ehebruch – musste vor der Absolution eine gewisse Zeit öffentlich Buße getan werden, sofern die Sünden auch öffentlich bekannt waren. Es gab also kein öffentliches Beichtbekenntnis. Im 7. Jh. haben irische Mönche die „Privatbuße“ nach Kontinentaleuropa gebracht sowie den wiederholten Empfang des Bußsakramentes. So kam es zum Kirchengebot eines regelmäßigen Empfangs des Bußsakramentes (vgl. KKK 1447).

Drei Akte des Pönitenten

Trotz dieser Veränderungen blieb die Grundstruktur des Bußsakramentes in den drei Akten des Pönitenten erhalten: contritio cordis, confessio oris, satisfactio operis – Reue, Bekenntnis, Genugtuung (KKK 1448). In Anlehnung an das Beispiel vom verlorenen Sohn (Lk 14,17.18): „Da ging er in sich“ … „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen (zurückkehren)“, wurde in manchen Katechismen der Reue die „Gewissenserforschung“ voran- und der „gute Vorsatz“ nachgestellt. Aber bereits das Konzil von Florenz 1439 zählte drei Akte des Pönitenten, bzw. „drei Elemente“ als „Materie des Bußsakramentes“ auf: „Das erste ist die Reue des Herzens (contritio cordis). … Das zweite ist das mündliche Bekenntnis (confessio oris) … aller Sünden, deren er (der Pönitent) sich erinnert. … Das dritte ist die Genugtuung (satisfactio operis) für die Sünden nach der Entscheidung des Priesters … hauptsächlich durch Gebet, Fasten, Almosen. Die Form dieses Sakramentes sind die Worte der Lossprechung“ (DS 1323).

1. Reue:

Von drei Akten des Pönitenten spricht auch der KKK (1450-1460). An „erster Stelle“ steht die Reue. Sie ist „der Seelenschmerz und der Abscheu über die begangene Sünde, verbunden mit dem Vorsatz, fortan nicht zu sündigen“ (Trienter Konzil, DH 1676). Die „vollkommene Reue“ geht aus Liebe zu Gott hervor und wird auch „Liebesreue“ (contritio) genannt. Bezieht sich die Reue auf die Abscheulichkeit der Sünde oder aus Furcht vor der Sündenstrafe, wird sie unvollkommene Reue (attritio) genannt. Auch sie ist „ein Geschenk Gottes“ und genügt beim Empfang des Bußsakramentes. Der KKK fügt hinzu, es sei „angemessen, sich durch eine Gewissenserforschung im Licht des Wortes Gottes auf den Empfang des Bußsakramentes vorzubereiten“ (KKK 1454).

2. Bekenntnis:

Das Geständnis vor dem Priester – confessio oris – „bildet einen wesentlichen Teil des Bußsakramentes“. „Alle Sünden, die ins Gedächtnis kommen“ sind zu bekennen. Bei schweren Sünden kann man erst die hl. Kommunion nach der Beichte empfangen, „außer wenn ein schwerer Grund vorliegt zu kommunizieren, und es nicht möglich ist zu beichten“. Vorher muss die vollkommene Reue erweckt werden und der Vorsatz eingeschlossen sein, „sobald wie möglich zu beichten“ (CIC can. 916; KKK 1457). „Den Gläubigen wird empfohlen, auch die lässlichen Sünden zu bekennen“ (CIC can. 988, §2). Das Bekenntnis der lässlichen Sünden „ist genau genommen nicht notwendig, wird aber von der Kirche nachdrücklich empfohlen“ – heißt es in KKK 1457, unter Hinweis auf das Trienter Konzil: „Das regelmäßige Bekenntnis unserer lässlichen Sünden ist für uns eine Hilfe, unser Gewissen zu bilden, gegen unsere böse Neigung anzukämpfen, uns von Christus heilen zu lassen und im geistigen Leben zu wachsen“ (DH 1680). Mit dieser „Empfehlung“ wollte man einem falschen Rigorismus vorbeugen, man dürfe keine lässlich Sünde vergessen, der zu falschen Gewissensnöten führen würde.[8]

3. Genugtuung:

 Die Genugtuung – satisfactio operis – ist der dritte notwendige Akt des Pönitenten (KKK 1459-1460). „Die Lossprechung nimmt die Sünde weg, behebt aber nicht alles Unrecht, das durch die Sünde verursacht wurde“ (vgl. Trient, can. 12; DH 1712). Die Buße soll der persönlichen Situation des Pönitenten Rechung tragen und der Natur der begangenen Sünden entsprechen. Sie kann bestehen im Gebet, in einer Gabe, in Werken der Barmherzigkeit, im Dienst am Nächsten, und vor allem in der geduldigen Annahme des Kreuzes, das wir zu tragen haben. Die Genugtuung geschieht mit der Mitwirkung Christi, der uns stärkt (KKK 1460; vgl. Trienter Konzil, DH 1691).

Eine Rückbesinnung auf das Bußsakrament ist geboten

Papst Johannes Paul sagte bei seinem ersten Deutschlandbesuch, im November 1980, in seiner Ansprache an die Bischofskonferenz: „Ich bin überzeugt, dass ein Aufschwung des sittlichen Bewusstseins und christlichen Lebens eng, ja unlöslich an eine Bedingung geknüpft ist: an die Wiederbelebung der persönlichen Beichte. Setzt hier die Priorität Eurer pastoralen Sorge!“

Die Bischofssynode in Rom 1983 beschäftigte sich mit dem Thema „Reconciliatio et Paenitentia“, das ein Jahr darauf als Apostolisches Schreiben unter demselben Titel erschien.

Beim Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe 1988 erinnerte der Papst an die Krise von Buße und Beichte, dass sehr viele „sich mit sehr allgemeinen Bekenntnissen … begnügen“. Darum ermahnte der Papst die deutschen Bischöfe: „Tut darum alles, was möglich ist, um alle Glieder der Kirche, auch die Priester selbst, zu einer erneuten Hochschätzung von Umkehr und Versöhnung, konkretisiert in der persönlichen Beichte, zurückzuführen."[9]

Beim Abschluss des ersten Deutschlandbesuchs von Papst Johannes Paul II. in München 1980 wurde bereits deutlich, dass Theologie und Pastoral andere Probleme beschäftigen werden. Zwei Sprecher der deutschen Jugendlichen wollten den Papst um etwas bitten. Die Sprecherin vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Barbara Engel, hielt sich „nicht an ihren vorbereiteten Text; sie fragte öffentlich den Papst, warum es zu viele Verbote der Kirche auf dem Gebiet der Sexualität und der Freundschaft gebe. Die Jugendlichen verstünden nicht das Gebot der Ehelosigkeit, des Zölibats für Priester.“ Der Berichterstatter vermerkte hierzu: „Bei ihren Worten wird Johannes Paul II. traurig. Er bleibt es."[10]

Der Papst hatte wohl geahnt, dass nicht seine Ermahnungen sondern die soeben genannten Probleme jahrzehntelang die theologische Diskussion und die Pastoral dominieren und die brennenden Pastoralprobleme verdrängen werden, mit dem Bußsakrament obenan. Die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens von 1995 sind dafür ein Beweis. Es dominierten Probleme der Sexrevolution, nicht die Wiederbelebung des Glaubens durch die Rückbesinnung auf das Gebet und die Sakramente.

Beim Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe 1988 ermahnte der Papst die Anwesenden, sie sollten alles tun, „damit eure Moraltheologen eindeutig und auf überzeugende Weise den authentischen Sinn der lehramtlichen Dokumente über sittliche Grundfragen – in spezieller Weise jene, welche Ehe und Familie betreffen – auch wirklich lehren.“ Die Ermahnungen wiederholte der Papst schriftlich 2001. Kardinal Lehmann musste 2006 feststellen, dass die Bitte des Papstes nicht erfüllt wurde.

Das wurde nochmals deutlich in diesem Jahr, zum 40. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae[11] Es war wohl kein Zufall, dass weder die deutschen noch die österreichischen Bischöfe diese Problematik in ihren Herbstkonferenzen erwähnten. Kardinal Schönborn äußerte dazu bereits im März 2008 mutige Worte: „Aus Angst verschlossen wir uns hinter Türen."[12]

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2009
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[1] G. L. Müller: Katholische Dogmatik, 1995, 640.
[2] Müller, a.a.O., 714.
[3] Kirchliches Amtsblatt Mainz, 15. Okt. 1972.
[4] Kirchliches Amtsblatt Mainz, 5. Febr. 1975.
[5] Vgl. Müller, a.a.O., 714f.
[6] Kirchliches Amtsblatt Mainz, 10. Juli 1977.
[7] Vgl. M. Lütz: Der blockierte Riese, 1999, 35ff; 40ff, 142ff, u.a. mit Hinweis auf Drewermann.
[8] Vgl. Müller, a.a.O., 724.
[9] Zit. nach A. Ziegenaus: Das Bußsakrament als Brennpunkt der Umkehr, in: Forum Katholische Theologie, 4. Jg, Heft 4, 1988, 292f.
[10] P. Leukefeld: Danke, Heiliger Vater! Tagebuch seiner Deutschlandreise, München 1980, 101.
[11] Vgl. J. Piegsa: Zum 40. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae, 2008. 10; vgl. Chr. Schulz: Die Enzyklika „Humanae vitae“ im Lichte von „Veritatis splendor“, Sankt Ottilien 2008, 37.
[12] In: Kirche heute, Oktober 2008, 4-6. Erzbischof Zollitsch tat es im nachhinein (FAZ 27.9.08, 4).

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