Familie – eine Vorgabe Gottes

Der sehnliche Wunsch von Christa Meves, dass wir den vorliegenden Artikel in Kirche heute abdrucken, ist uns nahezu eine heilige Verpflichtung. Den Beitrag versteht sie in gewisser Weise als ihr Vermächtnis, das die Gesamtheit ihrer Erfahrungen und Erkenntnisse als Psychotherapeutin zusammenfasst. Sie zeichnet ein großartiges Gemälde vom Plan Gottes mit der Menschheit. Der Schöpfer habe dem Menschen Ehe und Familie als Weg vorgegeben, um zu seinem letzten Ziel aufzusteigen, nämlich zur Gottes- und Nächstenliebe. Das christliche Menschenbild werde nun auf eindrucksvolle Weise durch die Hirn- und Hormonforschung bestätigt. In Anbetracht der verhängnisvollen Abkehr der Menschheit vom göttlichen Schöpfungsplan berge das wissenschaftliche Ergebnis nach Christa Meves auch die große Chance in sich, an der Basis Überzeugungsarbeit zu leisten und einen Umschwung in der Bevölkerung herbeizuführen – eine zutiefst hoffnungsvolle Perspektive.

Von Christa Meves

Schwer erkrankte Gesellschaft

Wir wissen das alle: Das christliche Abendland ist voll düsterer Wolken. Wie eine Dampfwalze beherrscht seit einem halben Jahrhundert eine Ideologie, der Relativismus, wie unser Papst diese atheistische Ausrichtung bezeichnet, die Öffentlichkeit und droht die Wahrheit unseres Herrn und ein vernünftiges Realitätsbewusstsein geradezu zu ersticken. Die westlichen Industrieländer sind dadurch schwer erkrankte Gesellschaften geworden – voran Deutschland, das Land der europäischen Mitte: acht Millionen Kinder sind seit 40 Jahren hier daran gehindert worden, das Licht der Welt zu erblicken, 40% der 40jährigen Akademikerinnen in Deutschland sind kinderlos – zum Teil nur, weil ihnen die Karriere wichtiger war, zum großen Teil aber, weil sie gar nicht mehr gebärfähig sind.

Gesellschaften mit 1,2 Kind pro Familie in den eigenen Nationen aber haben eine mächtig geminderte Chance auf Zukunft – so rechnen uns die Experten aus. Die Zahl der arbeitsunfähigen Sozialhilfeempfänger ist unabsehbar groß, das deutsche Gesundheitssystem dümpelt hochüberladen vor sich hin, die Psychotherapeuten haben Hochkonjunktur.

Am Anfang stand die „Entmutterung der Mütter“

Ich will nicht fortfahren – es sind nicht diese Systeme allein, die in Deutschland überbeansprucht werden müssen. Zwar mag deren Angeschlagenheit bei uns besonders sichtbar sein, aber angefallen von den Auswirkungen einer unnachdenklich egozentrischen hedonistischen Lebensweise sind alle technisierten Länder, die in den letzten Jahrzehnten zu einem ansehnlichen Wohlstand avanciert sind; denn ins Zentrum traf diese zum Niedergang führende Lebensweise durch die Abwertung der traditionellen Familie – mit dem erklärten  Ziel der 68er, sie ganz abzuschaffen. Am Anfang stand deshalb eine fundamentale, durch die Medien vorangetriebene Diskriminierung der Mutterschaft, eben der „Entmutterung der Mütter“, wie ich das seit dem Beginn meiner Öffentlichkeitsarbeit vor vierzig Jahren warnend als einen Trend zum Genozid bezeichne; denn nicht allein der dann einsetzende Geburtenschwund ist tödlich. Auch den Kindern der voll im Erwerbsleben stehenden Mütter bekommt das nicht und zwar je jünger sie sind, umso weniger. Sie haben das in großer Zahl mit lebenslänglichen Schwächungen ihrer seelischen Kraft zu bezahlen. Das ist nun längst eingetreten, kümmert aber kaum jemanden. An die Stelle der Familie die Kollektivierung der Kinder vom Säuglingsalter ab zu setzen, gehört stattdessen auch in der EU zum forsch vorangetriebenen Plan.

Wende muss vom Volk ausgehen

Man konnte das wissen. Als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, die seit vierzig Jahren Praxis macht, konnte man das erfahren, beobachten und Prognosen für die Allgemeinheit stellen. Sie sind mittlerweile leider alle eingetreten, ohne dass in der Öffentlichkeit bis in die Regierungen hinein ein Trend zu Einsicht und Umkehr erkennbar wird. Das Übel liegt – und die Öffentlichkeit ist weit davon entfernt, diesen Zusammenhang zu durchschauen – an der Wurzel, an der Abkehr von Gott und seinen Vorgaben, und das heißt: an der hybriden Vorstellung, die Gestaltung des Menschenlebens mit eigenmächtigen Vorstellungen allein von Menschenhand aus dem Boden stampfen zu können.

Von einigen Klarsichtigen ist dieser Zusammenhang nun zwar erkannt worden – aber der heidnisch angefochtenen Bevölkerung ist das keineswegs so ohne weiteres einleuchtend, selbst wenn viele schon persönlich tief mitten im Unglück stecken. Und doch muss die Wende von dort ausgehen. Wir können sie weder von der Regierung noch von den Medien erwarten. Noch stauen sich die Massen nicht vor den Beichtstühlen, sondern vor den Türen der Psychotherapeuten.

Um also die Zusammenhänge sowie die so schädigenden Folgen zu begreifen, brauchen die Menschen zunächst mehr Überzeugungsarbeit. Sie brauchen viel mehr wahrheitsgemäße Information! Und wir, die Christen, sind aufgerufen, sie ihnen zu vermitteln. Aber können wir das, und wenn ja – wie?

Hirn- und Hormonforschung bestätigen christliches Menschenbild

Mir als Fachfrau hat sich dazu ein Weg aufgetan: Die Ergebnisse der neuen Hirn- und Hormonforschung können meines Ermessens eine Möglichkeit zu sehr brauchbarer plausibler Argumentationshilfe sein, um – was mir zwingend notwendig erscheint – den Glauben neu als reale, im Familienalltag durchführbare Chance zur Gesundung und Zukunftshoffnung verstehbar zu machen. Damit diese Argumente für eine Lebensform, die der Familie einen sehr hohen Stellenwert einräumt, verstanden werden können, ist zunächst ein Brückenschlag zur Theologie unumgänglich, weil die Begründungen für unser Desaster dort ebenso zu finden sind wie unsere einzige reale Hoffnung auf Zukunft. Dazu bedarf es einiger Sätze aus meiner theistischen Anthropologie:

Laut christlicher Lehre ist (in Übereinstimmung mit biologischer Wissenschaft) der Homo sapiens, die Krone der Schöpfung, „aus Erde gemacht“ zwar (und das heißt: wie die Tiere Naturgesetzen unterworfen), aber neu und anders als sie, begabt mit Reflexion, Einsicht, Sprache und  mit einer daraus erwachsenden Freiheit der Entscheidung sowie mit dem Geist der Liebe, keineswegs aber einfach darauf festgelegt, sondern eingebunden in einen ontogenetischen Entfaltungsprozess von seiner Zeugung bis zu seinem Tod. Wie jedes Lebewesen unterliegt diese Ausgestaltung des individuellen Lebens vielen Bedingungen und vielfältigen Möglichkeiten. Der Prozess kann gelingen – oder auch misslingen, sowohl durch Außeneinflüsse – besonders gravierend in der Kindheit – wie im mündigen Erwachsenalter, dort vor allem durch eigene Fehlentscheidungen.

Aber gerade dieses ist der Plan Gottes mit seinem Geschöpf Mensch: zwar fest wie die Tiere in die Erde eingebunden, um dadurch – der Natur unterworfen – das Leben kämpferisch zu bestehen, hat laut christlicher Lehre dieser Vorgang ein hohes Ziel; denn diese Krone der Schöpfung ist nach dem „Ebenbild Gottes“ und das heißt in Freiheit auf die Verwirklichung der Liebe hin geschaffen. Das ist laut Bibel – und besonders durch die Worte und das Vorleben von Jesus Christus der Sinn der Ausgestaltung jeder einzelnen Menschenseele.

Das ist – als eine immerwährende Hoffnung Gottes mit dieser seiner Kreation – seit Adam aber ein mühseliges Unterfangen, wie uns die Geschichte, wie uns unser eigener Lebenslauf beweist; denn schließlich ist die Vorgabe der Willensfreiheit als ein Teil der göttlichen Ebenbildlichkeit unabdingbar. Doch deshalb eben gleicht der Mensch laut Goethe nur allzu häufig eher einer „langbeinigen Zikade, die fliegend springt und gleich darauf im Gras ihr altes Liedchen singt“ als einem Engel. Er muss und soll durch die ganze „Erde“ in sich selbst,  durch dieses anfängliche Vorherrschen seiner Biologie hindurch, und er tut sich sehr schwer damit, sie wenigstens als ausgewachsener Mensch so in sich zu umgrenzen, dass er schließlich nicht doch – um noch einmal den Faust zu zitieren, „tierischer als jedes Tier“ im Naturstatus  hängen bleibt oder, schlimmer noch, dem Bösen verfällt, und so den eigentlichen Aufstieg zum Lebensziel verfehlt. Das ist die immerwährende Gefahr – für den Einzelnen und erst recht für jene Völker, die  trivialen Verführungen erliegen.

Aufstieg zur Liebe durch Ehe und Familie

Die Liebe zu Gott und zu den Nächsten ist laut Christus also das Lebensziel für den Einzelnen, ja, es ist der Sinn und das Daseinsziel für die gesamte Menschheit – gehalten von der Liebe eines leisen Gottes. Dankbares Rücklieben zu IHM wächst aus dieser Erkenntnis und bewirkt ein Leben in diesem Geist. Aber wie viel Aussicht besteht, dass das wenigstens einer als Sauerteig wirkenden kleinen Schar zwischen Dornen und Disteln gelingt?

Eins ist klar: Es gelingt nur mit Gottes Hilfe, nur mit viel Nähe zu IHM, aber auch – und nun bin ich endlich beim Thema – nur, indem wir sehr hellhörig auf seine Eingaben, vor allem aber auf eine erhebliche Zahl von IHM als Hilfe eingebaute Vorgaben achten.

Eine solche Vorgabe ist das Getriebenwerden zum Zusammenschluss eines erwachsenen Paares zur Ehe und zur Gründung einer Familie. Die Erfüllung dieses allgemeinen Menschenauftrags – aber nicht etwa lediglich zur Fort-pflanzung, sondern zum Hinauf-pflanzen der Menschheit – wird durch die Liebe des Paares zu ihren Kindern, wahrlich seiner Nächsten also, gewährleistet. Die Kraft zur Liebe, das Aufblühen dieser so zarten Geist-Pflanze in den Nachkommen – gewissermaßen mitten im Bauch der Erde – soll also durch die elterliche, die opferreiche, und das heißt also durch eine bereits ziemlich göttliche Liebe geweckt werden! Was für ein Unterfangen unseres Schöpfers!

Gottes wunderbare Werkstatt der Hormone

Wie kann das gehen? Muss das nicht von vornherein – bei so viel tierischer egozentrischer Dominanz in jedem von uns – scheitern?

Bis heute ist es rätselhaft geblieben, auf welche Weise genau das gelegentlich doch gelingt, aber nun hat uns wissenschaftlicher Fortschritt kleine neue Einblicke in Gottes wunderbare Werkstatt  Seiner Vorgaben geliefert. Sie sollen im Folgenden erörtert werden.

Die pränatale Forschung hat jetzt aufzeigen können, dass bereits wenige Wochen nach der Zeugung die beiden einzigen Chromosomen (unter den 47 des Menschen), denen die Bestimmung des Geschlechts zugeordnet ist – XX und XY – eine bedeutsame Aktivität zu entfalten beginnen: Die Entstehung und eine rasche, jeweils hohe Zunahme der Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron bewirken, dass eine unterschiedliche Hirnentwicklung des Jungen und des Mädchens vorbereitet wird. Die hohe Quantität dieser Hormone im vorgeburtlichen Zustand bestätigt gewissermaßen die Bedeutsamkeit dieser Vorgänge, vor allem auch die unter der Einwirkung der Geschlechtshormone unterschiedliche Ausgestaltung des Gehirns. Das bewirkt, dass sich Jungen und Mädchen – bereits unmittelbar nach der Geburt – also ohne vorausgegangenes, durch die Umwelt hervorgerufenes Lernen – unterschiedlich verhalten. Und diese Unterschiede prägen sich zwar in einer beachtlichen Breite quantitativer Mischungen, zusätzlichen Nuancen und unter Zeitfenstern der Ausgestaltung bis ins Erwachsenenalter hinein im Normalfall so deutlich aus, dass es keinem seriösen Hormonforscher heute noch möglich ist, hier von einer angeborenen Gleichartigkeit bei Männern und Frauen zu sprechen. (Allein die leider sehr mächtige ideologische Gender-Mainstreaming-Bewegung glaubt das noch und versucht es der Menschheit weiszumachen).

Spezielle Aufgaben der Mutter und des Vaters

Ich kann das in diesem Rahmen nicht im Einzelnen ausführen; nur das Allerwichtigste: Frauen sind – verstärkt durch einen erneuten mächtigen Östrogenschub vom 13. bis zum 50. Lebensjahr – und kraft der bereits vor der Geburt stattfindenden, dadurch beeinflussten Hirnstruktur hellhöriger, empfindungsfähiger, einfühlsamer und vor allem auch gesprächiger als die Männer, während diese den Frauen in der Motorik, in technischen Begabungen und in häufiger Inanspruchnahme rationalen Denkens im statistischen Mittel durch einen weiteren Testosteronschub während der Geschlechtsreife nicht nur überlegen sind, sondern auch in ihren Interessen weiter auseinanderdriften. Abschlüsse auf den technischen Hochschulen machen in Maschinenbau und Elektrotechnik mit 99 zu 1% allein die Männer! In anderen, nicht hormonbedingten Bereichen treten keineswegs diese so markanten Unterschiede auf.

Daran rätseln die Forscher zur Zeit herum; denn sie wagen nicht öffentlich zuzugeben, dass genau diese Unterschiede bei den speziellen Aufgaben der Mutter und des Vaters in der Familie als Möglichkeit zu ebenso brauchbarer Arbeitsteilung wie Ergänzung beim Umgang mit ihren Kindern angelegt sein könnten.

Hirnforschung unterstreicht Bedeutung der ersten drei Lebensjahre

Aber die Hirnforscher können uns hier beispringen. Sie bestätigen den Psychoanalytikern, die das seit Freud schon immer behauptet haben, dass die ersten drei Lebensjahre von grundlegender Bedeutung für seelische Gesundheit oder seelische Erkrankung des Menschen seien; denn in dieser Zeit konstituiert sich nun einmal das menschliche Gehirn – und zwar nicht einfach so, sondern durch die Erfüllung zielgerader, zunächst allein biologisch erscheinender Erwartungen des Babys an sein Umfeld und deren Erfüllung durch die das Kind Pflegenden.

Und hier zeigt sich nun, dass die vom Anbeginn an hormonell bedingten Eigenschaften der Frau zu der jetzt notwendigen Aufgabe: nämlich dem Umgang mit einem hilflosen Neugeborenen zielgerade vorzüglich passen in Gestalt einer auf diese Weise vorgegebenen und im Status des Gebärens zusätzlich geradezu angeheizter Mütterlichkeit.

Das heißt: Selbst wenn die Mütterlichkeit – wie heute bei manchen Frauen unter vielerlei Fehlentwicklung – noch ein wenig  unter einer Verdrängungsdecke liegen mag, so werden diese Eigenschaften mit physischer Dringlichkeit mit der Geburt des Kindes geradezu wieder an die Oberfläche befördert, z.B. durch das sofortige Einsetzen der Laktation und durch massive Ausschüttungen des Glückshormons Oxytocins, und darüber hinaus durch einen geschärften Sinn des Riechens, des Hörens und des Betätigens von Spiegelneuronen, wie die Beobachter das Forschen der Mütter im Gesicht ihrer Babys nennen.

Väter kann man dazu ebenfalls abordnen. Eine Ausschüttung von Oxytocin erfolgt, wenn auch in geringen Mengen, sogar bei ihnen, wenn sie ihrer Frau tapfer bei der Geburt des Kindes zur Seite standen. Und sie geben sich heute ja auch bereits viel Mühe, dabei anwesend zu sein. Aber bei ihnen entstehen durch die Geburt ihrer Kinder im besten Fall vor allem beschützende Impulse mit dem Wachsen eines Schubs von Verantwortungsbewusstsein für Mutter und Kind.

Natürlicherweise entwickelt an dieser Stelle der eigentlich egomane Mensch – durch entsprechende Hormone fleißig unterstützt – einen leichten Vorgeschmack von Heiligkeit. Er wächst dadurch, dass ihm diese hilflosen Bündel anvertraut werden, gewissermaßen – jedenfalls wenn er seelisch gesund ist – über sich selbst hinaus. Zu welchem Ziel?

Nun, das ist klar: Objektiv nach den strengen Regeln von Naturtrieben und mit Zeitfenstern versehen, die der Hirnentfaltung entsprechen, soll sich tief in den Kopfcomputer des Neugeborenen die entsprechende Software einnisten: Durch ständig wiederholte, vollkommene Sättigung – das ist unabdingbar! – entwickelt das Kind in seiner ersten Lebenszeit das sich in sein limbisches Hirnsystem tief einprägende Gefühl, satt werden zu können – liebessatt! Wenn hier, meist durch Unwissenheit der beratenden Umwelt, diese Prägung ausbleibt, entsteht die Gefahr, dass der Mensch lebenslänglich in der Tiefe seiner Seele ein Unersättlicher bleibt, ein nach dem gesättigten Frieden weiter unermüdlich Suchender. Wie nah ist dann die Sucht vom Überfressen bis zum Alkohol, wie groß die Gefahr der Depression – der jetzt zweithäufigsten seelischen Erkrankung unter den Industrienationen!

Danach – wenn der Gesichtssinn sich gebildet hat – erobert der Säugling in seiner sog. Starrphase das Gesicht derer, die ihm sein Überleben garantiert, die Mutter, und damit  prägt sich in das sich gerade in seiner Grundstruktur entfaltende Gehirn das Gefühl des Vertrauens in den Anderen, das Gefühl beheimateter Verlässlichkeit und damit die Möglichkeit, es später überhaupt mit irgendwelchen nicht verwandten Personen zu wagen – sich Fremden anzuvertrauen – eben Bindungsfähigkeit, die wichtigste Eigenschaft, um später z.B. eine Ehe durchhalten zu können. Aber wenn an dieser Stelle alles mögliche Fremde auftaucht, fremde Gesichter, immer neue, immer andere, dann prägt sich in seinem Hirn eben Angst vor dem Fremden, eine es oft lebenslänglich beherrschende Menschenscheu ein, sodass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als Single zu bleiben – in lebenslänglicher Vereinsamung. Als Kind bleibt ihm in Kindergarten und Schule zwar nichts anderes übrig, als sich anzupassen; doch ihm fehlt das Sensorium und das Maß, mit den anderen zurecht zu kommen. Er drängt sich taktlos auf und zieht sich enttäuscht zurück; denn sein so tief eingeprägtes Defizit aus der ersten Lebenszeit kann niemand füllen.

Elternliebe in der frühen Kindheit verleiht Kraft zum Menschsein

Gott will das nicht. Er hat den Menschen auf Freiheit der Entscheidung hin angelegt. Damit in diesem unendlich wichtigen Stadium möglicher seelischer Verletzlichkeit mehr Aussicht besteht, ohne Defizite im Gehirn davonzukommen, eben deshalb unterlegt ER besonders die frühe Kindheit mit dieser Fülle physischer, hormoneller Hilfen, die es ihm eher ermöglichen, das Himmelslicht nicht zu verdrängen, das ihm als ein Hauch bei seiner Zeugung immerhin doch mitgegeben ist. Deshalb empfinden Mütter, wenn sie einen Säugling an der Brust haben, was dieser braucht. Und das ist ihre Nähe, ihre Ansprache, ihre Zärtlichkeit; denn genau dadurch – und nicht durch „Bildung“ in der Krippe, wie die auch aussehen möchte – sprießen die Synapsen seines Gehirns, sodass es mit diesen sowie mit Nervenzellen so gefüllt wird, dass ihm im Alter von drei Jahren das Rüstzeug zur Sprache, zur Intelligenz, zur Liebesfähigkeit, zur Gemeinschaftsfähigkeit und zu neugieriger Lernbereitschaft zur Verfügung steht. So gehalten, so umliebt und am besten lange gestillt, sind Kinder infolgedessen super lernbereit und durchhaltefähig während ihrer langen Beschulung, was z.B. häufig trotz aller Uninformiertheit immer schon in den zielgeraden Schulerfolgen der ältesten Kinder in der Geschwisterreihe sichtbar geworden und auch statistisch mittlerweile vielfältig belegt ist.

Warum also fangen wir nicht an, diesen Wunsch nach optimalem Gedeihen, das jedes gesunde Elternpaar will, als ein Sanierungsprogramm so laut zu verkünden und einzufordern, dass daraus massive Unterstützungen für junge Mütter abgeleitet werden, damit endlich mehr Chancen entstehen, dass durch vielfältige aktive Unterstützung der Mütter eine große Zahl von Menschen ihr genetisches Optimum erreichen können, ohne von seelischen Defiziten daran gehindert zu werden?

Nicht studierte Nannies im Schichtwechsel sind hier also als das Grundkonzept für den Homo sapiens gefragt, damit er die Kraft zum Menschsein entfaltet, sondern die Liebe von Mutter und Vater für das ihnen von Gott anvertraute Kind. Liebe zu wecken ist eine eminente Elternaufgabe – von Gott so und nicht anders erdacht. Deshalb werden Jungen und Mädchen schon im vorgeburtlichen Zustand auf diese von Gott als so zentral wichtig eingeschätzte Aufgabe hormonell vorgeprägt – zum Zweck des Erwerbs eines mütterlichen und väterlichen Typos, unter dessen Zuhilfenahme gemeinsam durch die optimale Erfüllung ihrer Elternaufgabe die zentrale Verwirklichung des Planes Gottes mit der Menschheit vollzogen werden kann. Der Nachwuchs des Homo sapiens braucht die sich miteinander ergänzende Elternliebe, wenn er sich zum kultivierten, liebevollen Christen entfalten soll. Kinder brauchen also beides: Mutterliebe in Gestalt von aufmerksamer Wachheit, leiblicher Wärme, tränkender Sättigung und nimmermüder Geduld. Kinder brauchen Vaterliebe in Gestalt von großmütiger Stärke, konsequenter Grenzsetzung, leibeigener Schutzbereitschaft und tapferer, vorbildlicher Verantwortungsbereitschaft. Das alles wird den Geschlechtern in wunderbar kunstvollen, nach Geschlechtern differierenden Vorgaben für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt!

Auf Liebe gepolte Elternschaft ist das Ziel Gottes mit der Menschheit

Weil der mit all seiner „Erde“ beschwerte Mensch von sich aus zu schwach ist, von sich selbst abzusehen und der Liebe zu den anderen und zu Gott den Vorrang zu geben, deshalb schuf Gott die Einbettung des Kindes in die Familie, weil sein Ziel: die Verwirklichung der Liebe in der Schöpfung nur durch Liebe von Eltern zu ihren Kindern vorbereitet werden kann. Durch die jetzt erforschten geschlechtsspezifischen Vorgaben einer auf Liebe gepolten Elternschaft – zunächst füreinander und dann mit leidenschaftlichem Eifer auch für die Brut – wird also nachhaltig bestätigt, dass dieses wirklich der Sinn jedes einzelnen Lebens, dass dieses das Ziel Gottes mit der Menschheit ist: Kraft dieses besonderen Gehirns zu begreifen, dass Gott im Regimente sitzt, dass ER ein liebender, ein zu liebender Vater jedes einzelnen ist, dass dieses wie die Tiere biologisch angelegte Geschöpf Mensch kraft der in sein Gehirn eingewobenen Vorgaben aus der Dominanz seiner Biologie zur Dominanz der Liebe kommen soll – so wie Christus uns das vermittelt und zu erkennen erleichtert hat.

Deshalb auch bleibt die Heilige Familie ein unsterbliches Vorbild, mit dieser Mutter, die  – wenn Gott sie durch eine Schwangerschaft segnet – antwortet: „Ja, HERR, mir geschehe, wie Du es willst“, mit einem Vater, der – nachdem er etwas mühsam gelernt hat, dass er in die Verantwortung gerufen ist – die Sache in seine Hand und unter seine breiten Füße nimmt; und das heißt: den Schutz, die Sorge für die Unterkunft, sowie Führung durch die Nacht, samt der Anleitung zu gutem Lernen und Arbeiten in dieser Welt, mit einem Elternpaar also, das in all seinen Entscheidungen zunächst hinauffragt zu seinem Gott.

Die Familie ist eine Vorgabe Gottes und jedes in lebenslänglicher Ehe zusammenhaltende Paar, das sich der Aufgabe stellt, wirkt daran mit, dass sein Plan mit der Menschheit sich erfüllt, ist also höchst wertvoller, unmittelbarster, zentraler Dienst. Die bewusste Arbeit und Akzentsetzung in diesem Geist wird deshalb – wie es sich im Grunde, aber leider bisher nur auf unsicher instinktivem Boden, längst erwiesen hat – mit hervorragendem Erfolg gekrönt.

Diese Wahrheit muss den unter ihren Fehlentscheidungen ächzenden Menschen in den technizistischen Gesellschaften in aller Sachlichkeit übermittelt werden, damit sie gesunden können und Gott mit den vielen Bäumen ohne jede Frucht nicht die Geduld verliert.

ER hat uns gesagt, was gut ist – wir müssen das nun nur kraftvoll, laut und plausibel genug bezeugen.

 

„Geheimnis Gehirn“

Christa Meves liefert in diesem Buch eine wissenschaftliche Begründung für ihre These, die sie seit 40 Jahren unermüdlich in die Welt hinausruft: Wenn das Kind in seinen ersten Lebensjahren nicht die richtige Prägung durch die Mutter und auch den Vater erhält, entstehen Abnormalitäten. Wie sie zeigt, bestätigt die moderne Hirnforschung, dass Wachstum und Entwicklung des Gehirns nicht nur durch genetische Veranlagung, Eiweißzufuhr und spätere Herausforderungen beeinflusst wird, sondern maßgeblich von der Zuneigung und Liebe durch gleich bleibende Bezugspersonen abhängt.

Meves beschreibt die Voraussetzungen für eine normale und gesunde Entwicklung der vier Grundantriebe des Menschen (Nahrungstrieb, Bindungstrieb, Selbstbehauptungstrieb und Ge-schlechtstrieb), aber auch die Gründe für Störungen. Zudem zeigt sie die pädagogischen Konsequenzen und auch die Möglichkeiten späterer Korrekturen auf. In einem Maßnahmenkatalog erklärt sie, wie die heranwachsenden Menschen vor negativen Entwicklungen bewahrt werden können – von unschätzbarem Wert für Eltern, Erzieher und alle, denen die Entwicklung der Kinder am Herzen liegt.

Christa Meves: Geheimnis Gehirn – Warum Kollektiverziehung und andere Unnatürlichkeiten für Kleinkinder schädlich sind, Gräfelfing 2008, Taschenbuch, 352 S., ISBN 978-3-935197-38-0, 16,80 Euro.

 

„Mein Leben“

Christa Meves blickt in dieser Autobiographie auf ihr reiches und vielfältiges Leben als Psychotherapeutin zurück. In der Form eines Gesprächs mit der jungen Dr. Andrea Dillon, einer langjährigen Mitarbeiterin, verrät Meves, wie sie als Einzelkämpferin zu ihren Einsichten gelangte.

Ihr jahrzehntelanger Einsatz für das Wohl der Kinder schlug hohe Wellen: Sie erlebte erbitterte Angriffe und höchste Ehrungen, war begehrter Ratgeber von Kanzler und Kultusministern, vor allem aber unentbehrlicher Helfer von Eltern, die Schwierigkeiten mit ihren Kindern haben.

Ihr Resümee aus einem 75-jährigen Leben: Zweimal hat sich Deutschland Ideologien zugewandt und seine christliche Basis aufgegeben, einmal im Dritten Reich, das andere Mal unter dem Einfluss der 68er Bewegung. Die Ergebnisse sind beide Male katastrophal, ein zerstörtes Land im ersten Fall, zerstörte Seelen im zweiten. Ein wunderbares Lebenszeugnis: ernst und heiter zugleich.

Christa Meves: Mein Leben – Herausgefordert vom Zeitgeist, Gräfelfing 2000, Taschenbuch, 272 S., ISBN 978-3-930039-68-5, 14,32 Euro.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Chancen der Katechese im 21. Jahrhundert

Domherr Christoph Casetti aus Chur ist fest davon überzeugt, dass die Katechese auch im 21. Jahrhundert eine Chance hat. Allerdings fordert er zu einer ehrlichen Besinnung auf. Seiner Meinung nach müssen acht Elemente berücksichtigt werden, damit die Weitergabe des Glaubens auch heute noch gelingen kann. Wie wir in der letzten Ausgabe von Kirche heute angekündigt haben, handelt es sich beim nachfolgenden Artikel um den zweiten Teil eines Vortrags, den Domherr Casetti anlässlich des Festakts zur Fertigstellung der Buchreihen „Glaube und Leben“ sowie „Ehe und Familie“ am 23. November 2008 in Salzburg gehalten hat. Auf dem Hintergrund seiner Überlegungen zieht er den Schluss: „Die beiden Buchreihen Glaube und Leben sowie Ehe und Familie sind bestens geeignet, der Katechese im 21. Jahrhundert eine Chance zu geben.“ Und er dankt Weihbischof Dr. Andreas Laun und seinen Mitarbeitern „für die in den Diözesen des deutschen Sprachraumes wohl einzigartigen Leistungen des Referates Ehe und Familie von Salzburg“.

Von Christoph Casetti

Welche Chancen hat die Katechese im 21. Jahrhundert, ja hat sie überhaupt eine Chance? Sie hat eine Chance, wenn sie aus den Sackgassen herausfindet, in welche sie in den vergangenen Jahrzehnten geraten ist. Das heißt: Sie hat eine Chance, wenn sie sich zurückbesinnt auf ihre Ursprünge in den ersten Zeiten der Kirche. Ich erinnere hier an die Struktur des Katechumenates, welches die Taufbewerber vertraut machte mit den Grundvollzügen des christlichen Lebens. Von hier her lassen sich die folgenden acht Elemente herleiten.

1. Gebet und Beistand des Heiligen Geistes

Katechese kann auch heute gelingen, wenn wir dem Heiligen Geist erlauben, in den Herzen der Menschen zu wirken. Die Weitergabe des Glaubens ist nicht machbar – auch nicht mit den besten Religionsbüchern. Katechese darf und muss das Wirken des Heiligen Geistes unterstützen. Wir leben in einer Zeit, wo sehr viel von Spiritualität gesprochen wird, aber weniger vom Heiligen Geist. Wo aber der Heilige Geist ausgeblendet wird, da kann von einer christlichen Spiritualität nicht mehr die Rede sein. Katechese braucht also den Beistand des Heiligen Geistes und das Gebet um diesen Beistand.

2. Begeisternde Zeugen für den Glauben

Katechese gelingt dort, wo es begeisterte und darum auch begeisternde Zeugen gibt für den Glauben. Man kann nur weitergeben, was man empfangen hat. Wovon das Herz voll ist, läuft der Mund über. Glaubhaft ist aber nur Liebe, um einen Titel eines kleinen Buches von Hans Urs von Balthasar zu zitieren.[1] Das gute Beispiel ist auch hier meist wichtiger als viele, manchmal zu viele Worte. Dennoch: Wer den Glauben weitergeben will, muss sich während seines ganzen Lebens immer mehr in die Glaubensgeheimnisse vertiefen. Dann lässt sich auch die Schönheit unseres Glaubens immer neu entdecken. Entscheidend ist bei den katechetisch Tätigen deren ganz persönliche Beziehung zu Jesus Christus, deren ganz persönlicher kirchlicher und auch praktizierter Glaube. Die Katechese muss missionarisch sein durch die Ermutigung zum Zeugnis. Wegweisend ist hier auch das konkrete Zeugnis der Heiligen.

3. Einführung in die Gebetssprache der Kirche

Die Katechese muss zu einer persönlichen Gottesbeziehung einladen. Es geht primär nicht um eine Philosophie oder eine Weltanschauung, sondern um eine freundschaftliche Beziehung zu Gott und in besonderer Weise zu Jesus Christus. So ist die Gebetserziehung ein wesentlicher Bestandteil der Katechese. Wir glauben an einen Gott, den wir ansprechen und zu dem wir Du sagen können. In manchen Religionsbüchern findet man unter dem Titel Gebet immer wieder Texte, welche mehr Ausdruck menschlichen Nachdenkens über sich selbst sind als Gespräch mit Gott. Katechese heißt deshalb, hineingeführt zu werden in die Gebetssprache der Kirche. Zum Glauben mit der Kirche gehört auch das Beten und Feiern mit der Kirche.

4. Umfassende Katechese: sieben maßgebende Grundelemente

Es ist aber nicht nur Aufgabe der Katechese, das Geheimnis Christi betend zu betrachten und zu feiern, sondern auch es zu verstehen und zu leben. Das heißt, alle Teile des Katechismus der katholischen Kirche müssen in einer guten Katechese vorkommen. Das Allgemeine Katechetische Direktorium[2] spricht von sieben maßgebenden Grundelementen der Katechese:

- die drei Etappen der Heilsgeschichte: das Alte Testament, das Leben Jesu Christi und die Geschichte der Kirche; sowie

- die vier Grundpfeiler der Darlegung: das Glaubensbekenntnis, die Sakramente, die Zehn Gebote und das Vaterunser.

Das heißt nicht Rückkehr zum früheren Katechismusunterricht, wo wir Antworten auswendig lernten auf kaum genügend verstandene Fragen. Aber es heißt doch Orientierung an den Hauptstücken des Katechismus. Dies lässt der Freiheit der katechetisch Tätigen genügend Raum. Denken wir an die Unterscheidung von Text und Kommentar. Der Text ist die unveränderliche Vorgabe, der Kommentar die Auslegung je nach der Situation und dem Fassungsvermögen der Adressaten.

Während Jahren habe ich mich im Unterricht an der Oberstufe an einen Vorschlag des dam. Professors Ratzinger gehalten: Ich habe in der Advents- und Weihnachtszeit Themen aus dem Bereich Gott und seine Offenbarung sowie der Bibel behandelt. In dieser Zeit des Kirchenjahres bereiten wir uns ja auf die Menschwerdung Gottes vor, wie sie uns in der Bibel angekündigt wird. In der Fastenzeit ging es um Themen aus dem Bereich Jesus Christus und sein Erlösungswerk. In der Osterzeit waren Themen aus dem Bereich der Kirche als einem Werk des Hl. Geistes an der Reihe. So ging es in den geprägten Zeiten des Kirchenjahres um die beiden Grundgeheimnisse des Glaubens: Trinität und Menschwerdung Gottes. Dabei kamen auch die Sakramente zur Sprache. In der „grünen“ Zeit des Kirchenjahres wählte ich mit den Schülerinnen und Schülern lebenskundliche Themen aus. Es ging dabei im Grunde um das Leben in Christus nach den Zehn Geboten. Dieses Grundschema lässt sich während verschiedenen Schuljahren variieren.

Bei den wenigen Religionsstunden, die zur Verfügung standen, blieb das alles selbstverständlich sehr fragmentarisch. Dennoch wurden auf diese Weise die verschiedenen Hauptstücke des Glaubens aufgegriffen, wie sie im Katechismus angeordnet sind. So konnte trotz allem die Ahnung einer Gesamtschau des Glaubens vermittelt werden, auch wenn es „das Ganze im Fragment“ blieb, um noch einen Buchtitel von Hans Urs von Balthasar[3] zu zitieren.

5. Einführung in die Glaubenssprache der Kirche

Aus dem bisher gemeinsam Bedachten wird auch deutlich, dass die Katechese kirchlich sein muss, wenn sie im 21. Jahrhundert eine Chance haben will. Es geht um die Einführung in die Glaubensgemeinschaft, um die Einübung von Glaubenshaltungen. Es gibt hier eine Priorität der Kirche vor der Heiligen Schrift und der wissenschaftlichen Theologie. Dennoch muss die Katechese von der Bibel getränkt sein und die liturgische Dimension berücksichtigen. Es geht nicht nur darum, in die Gebetssprache, sondern auch in die Glaubenssprache der Kirche einzuführen. Eine gemeinsame Sprache verbindet. Wenn eine Gemeinschaft Bestand haben soll, braucht sie die Verbundenheit und die Verbindlichkeit gerade auch in der Sprache. Bei einer Firmung stellte ich vor dem Gottesdienst in der Sakristei fest, dass beim Taufversprechen die Fragen nach der Absage an den Bösen gestrichen worden waren. Auf meine Rückfrage hin erhielt ich die Auskunft, die Firmanden könnten diese Frage nicht verstehen. Darauf konnte ich nur entgegnen, es wäre die Aufgabe des Firmunterrichtes gewesen, ihnen diese Frage zu erklären. Wenn ich Tennis spielen will, muss ich auch eine bestimmte Fachsprache erlernen. In diesem Sinne muss Katechese ins Sprachspiel des Glaubens der Kirche einführen.

6. Kontinuität mit dem überlieferten Glauben

Dabei ist darauf zu achten, dass wir den überlieferten Glauben in der Schule nicht völlig anders erklären, als er unseren Vorfahren erklärt worden ist. Das würde die Generationen innerhalb der Kirche entzweien. Die Großeltern und die Eltern müssen im Religionsunterricht ihrer Kinder und Enkel den eigenen Glauben wiedererkennen können. Sie müssen eine neue, vielleicht durchaus berechtigte Auslegung nachvollziehen können. Andernfalls können sie ihre Mitverantwortung in der religiösen Erziehung nicht wahrnehmen. So braucht die Katechese Kontinuität. Der Bruch mit der Vergangenheit führt zum Verlust der Identität. Denken wir hier daran, dass Gedächtnisverlust eine Krankheit ist.

7. Vermittlung eines Bewusstseins für die Wahrheit

In der Katechese genügt es also nicht, Glaubenserfahrungen zu ermöglichen, so unverzichtbar solche auch sind. Die Katechese muss ein elementares Glaubenswissen vermitteln. Wir müssen in einer glaubenslosen Zeit Auskunft geben können über die Inhalte und Gründe unseres Glaubens. Der Mensch braucht Geborgenheit und Halt in der Wahrheit. Ich kann nur für die Wahrheit sterben, nicht für eine Theorie oder Hypothese.

8.  Hervorhebung der Erwachsenenkatechese

Der schulische Religionsunterricht hat dazu geführt, dass viele Eltern die Verantwortung für die Weitergabe des Glaubens an die Schule oder an die Pfarrei delegieren konnten und auch delegiert haben. Die beschriebenen Mängel des Religionsunterrichts haben von Generation zu Generation den Grundwasserspiegel des religiösen Wissens und der entsprechenden Praxis abgesenkt. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Fokussierung der Katechese auf Kinder und Jugendliche nicht mehr genügt. In der heutigen Situation müssen die Eltern viel stärker einbezogen werden in die Weitergabe des Glaubens. Sie sind die Erstverantwortlichen für die Katechese. Das können sie gerade heute nicht einfach von selbst. Deswegen wird der Ruf heute immer lauter nach einer Akzentverschiebung der Katechese von den Kindern und Jugendlichen zu den Eltern bzw. den Erwachsenen. Die Erwachsenenkatechese muss gleichsam zur Achse werden, um welche sich alle übrigen katechetischen Aktivitäten drehen. Persönlich glaube ich, dass die Zeit zu Ende geht, wo es angebracht ist, die Kinder jahrgang- und klassenweise zu den Sakramenten zu führen.

Mit anderen Worten: Heute ist die Familie als „Hauskirche“ viel mehr gefragt und gefordert. Gerade deswegen muss sie in ihrer eigenen Berufung gefördert, ermutigt und gestärkt werden. Je nach der persönlichen Glaubensreife wird man dann die Kinder und Jugendlichen früher oder später zu den Sakramenten zulassen.

Die Buchreihen „Glaube und Leben“ sowie „Ehe und Familie“

„Familie ist Zukunft“, so hieß das Motto des 19. Internationalen Kongresses für die Familie.[4] Katechese im 21. Jahrhundert hat nur eine Chance, wenn sie die Familie einbezieht. Genau das tun die beiden Buchreihen „Glaube und Leben“ sowie „Ehe und Familie“. Wenn die Reihe „Glaube und Leben“ in erster Linie eine Hilfe für die Eltern sein will in der religiösen Erziehung ihrer Kinder, dann liegt sie genau im Trend. In gleicher Weise gilt das für die Buchreihe „Ehe und Familie“, welche zum Gelingen von Ehe und Familie beitragen möchte und beiträgt. Selbstverständlich eignen sich die Bücher von „Glaube und Leben“ auch für den schulischen Religionsunterricht. Nicht umsonst haben sie den Deutschen Schulbuchpreis 2003 erhalten. Sie müssen also sicher methodisch-didaktisch in Ordnung sein. Inhaltlich orientieren sich die Bücher am Katechismus der katholischen Kirche und am Allgemeinen Katechetischen Direktorium. Das heißt: Sie sind auch in Bezug auf den Glauben der Kirche und deren katechetische Vorgaben völlig in Ordnung.

Wenn ihnen bisher die kirchliche Approbation verweigert wurde, ist das skandalös und überhaupt nicht nachvollziehbar. Dafür kann es nur schlimmste ideologische Gründe geben – wohl solche, die der damalige Präfekt der Glaubenskongregation und heutige Papst bereits erkannt hat. Aber ich möchte nicht mit diesem Wahnwitz enden, sondern mit der spontanen Reaktion einer jüngeren Frau. Da sie zur katholischen Kirche konvertieren möchte, gab ich ihr die Bände 6 und 7 von „Glaube und Leben“.[5] Umgehend schrieb sie mir: „Übrigens habe ich bereits mit der Lektüre begonnen und möchte Ihnen sagen, dass es unglaublich gut geschrieben ist. Es ist sehr lehrreich und trotzdem sehr verständlich. Vielen Dank nochmals für das Gespräch und für die Bücher.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Hans Urs von Balthasar: Glaubhaft ist nur Liebe, Johannesverlag Einsiedeln 2000.
[2] Kongregation für den Klerus: Allgemeines Direktorium für die Katechese, 15. August 1997; siehe auf Website: www.vatican.va/roman_curia/congregations/cclergy/documents/rc_con_ccatheduc_doc_17041998_directory-for-catechesis_ge.html
[3] Hans Urs von Balthasar: Das Ganze im Fragment, Einsiedeln 1963.
[4] 1999 in Luzern. 
[5] www.glaube-und-leben.at

Paulus in einer pluralistischen Gesellschaft

Anfang Januar gab Bischof Luigi Padovese OFMCap, der Apostolische Vikar für Anatolien, Kirche heute ein interessantes Interview zum Paulusjahr. Der Amtssitz des katholischen Bischofs liegt in der türkischen Stadt Iskenderun nahe von Antakya, dem antiken Antiochia am Orontes, wo die Gläubigen zum ersten Mal „Christen“ genannt wurden. Bischof Padovese erlebt mit großer Begeisterung das Jubiläumsjahr des hl. Paulus und erhofft sich bleibende Früchte für die katholische Kirche in seinem Land. Der gebürtige Italiener gehört dem Kapuzinerorden an und spricht fließend Deutsch.

Interview mit Bischof Luigi Padovese, Iskenderun

Kirche heute: Exzellenz, wir stehen gerade in der Mitte des Paulusjahres, das Papst Benedikt XVI. anlässlich des 2000. Geburtstags des großen Völkerapostels ausgerufen hat. Was hat uns der heilige Paulus heute zu sagen? Worin besteht die Aktualität seiner Botschaft?

Bischof Padovese: Paulus trat mit seiner Predigt einer Welt gegenüber, die das Christentum natürlich überhaupt noch nicht kannte. Und deshalb spielt er für unsere Zeit eine so große Rolle. Denn auch wir sind heute mehr und mehr mit einer Welt konfrontiert, die nicht christlich ist. Paulus kann uns helfen, unsere eigene Situation zu verstehen, und zwar in einem säkularisierten oder andersgläubigen Umfeld. Mit seiner Botschaft zeigt er uns, was unsere Identität als Christen ausmacht. Gleichzeitig hilft er uns mit seinem Zeugnis von damals, auch heute die richtige Antwort zu geben. Wir lernen bei ihm gerade die Aspekte des Christentums kennen, die auch in unserer Verkündigung auftauchen müssen.

Kirche heute: Sind aus Ihrer Sicht Früchte erkennbar, die das Paulusjahr bereits hervorgebracht hat?

Bischof Padovese: Das Entscheidende für uns hier in der Türkei ist die Tatsache, dass die Initiative auch von der orthodoxen Kirche und eigentlich von allen anderen christlichen Gemeinschaften aufgegriffen worden ist. Viele von ihnen haben Veranstaltungen organisiert wie z.B. hier in Iskenderun, oder auch in Tarsus und Istanbul. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Ökumene.

Kirche heute: Um welche Veranstaltungen handelt es sich konkret?

Bischof Padovese: Ich meine besonders die verschiedenen Symposien, die im Lauf des Jahres in diesen Städten stattgefunden haben und die auch für die kommenden Monate noch geplant sind. Unsererseits laden wir nicht nur Katholiken, sondern auch orthodoxe und evangelische Christen ein. Es zeigt sich ein großes allgemeines Interesse für die Gestalt des Apostels Paulus.

Kirche heute: Welche Akzente haben Sie in Ihrer Diözese gesetzt?

Bischof Padovese: Ich habe zum Paulusjahr zwei Pastoralbriefe geschrieben und Paulus als den Apostel der christlichen Identität herausgestellt. In einer nichtchristlichen Gesellschaft besteht die Gefahr, sich den anderen anzupassen. Und zwar in dem Sinn, dass wir zwar wirklich an Gott glauben, aber den Kern des Christentums verlieren. Paulus hat uns deutlich gezeigt, wo das Zentrum des Christentums zu finden ist: Es ist die Gestalt Jesu, und zwar als Gekreuzigter und Auferstandener. Gerade das ist für die muslimische Welt nicht akzeptabel.

Kirche heute: Was bedeutet der hl. Paulus für Sie persönlich?

Bischof Padovese: Paulus hat mir geholfen, in der Türkei meine Aufgabe als Bischof fortzusetzen. Deswegen interessiere ich mich sehr für ihn. Und je mehr ich seine Schriften studiere und darüber meditiere, umso mehr kann ich auch anderen davon geben. Gerade in diesem Jahr habe ich mich intensiv mit Paulus beschäftigt.

Kirche heute: Welche Impulse gibt er Ihnen für Ihre Aufgabe als Bischof?

Bischof Padovese: Die Theologie des hl. Paulus bezieht sich auf seine Aufgabe, auf sein Leben, das im Grunde genommen nichts anderes ist als ein Dienst an der Gemeinde, in Demut für andere da zu sein. Ich glaube, wir sollten von diesem Prinzip her auch unsere bischöfliche Aufgabe verstehen, nämlich als demütigen Dienst an der Gemeinde.

Kirche heute: Gibt es auch neue Einsichten, die dieses Paulusjahr für Sie gebracht hat?

Bischof Padovese: Das Paulusjahr bewirkt, dass immer mehr Leute und Pilger zu uns nach Tarsus und Antiochien kommen. Hier sehen sie, wie groß die Entfernungen in der Türkei sind. Paulus hat Tausende von Kilometern zu Fuß zurückgelegt. Und wenn ich die Berge betrachte, die uns umgeben, im Augenblick mit sehr viel Schnee, und mir vorstelle, dass der heilige Paulus auch diese Schwierigkeiten durchgemacht hat, dann bekommt seine Lehre sozusagen eine noch größere Kraft. Wir verstehen mehr vom Leben des hl. Paulus, vor allem werden wir uns bewusst, dass das Christentum, das er gepredigt hat, nicht eine Ideologie ist, sondern eine Erfahrung des Lebens.

Kirche heute: Sie sprechen von der Zunahme der Pilgerzahlen. Wird sich dieser Trend über das Paulusjahr hinaus fortsetzen?

Bischof Padovese: Das Interesse ist jetzt geweckt. Ich bin überzeugt, dass auch nach dem Paulusjahr immer mehr Pilger kommen werden. Dies ist ein sehr positives Ergebnis dieses Paulusjahres.

Kirche heute: Ist es zu erwarten, dass in Tarsus ein christliches Heiligtum errichtet werden darf, wie es beispielsweise auch von Joachim Kardinal Meisner aus Köln gefordert wird?

Bischof Padovese: Wir sind noch im Gespräch, aber ich bin zuversichtlich, dass von türkischer Seite bald eine Lösung kommen wird. Wir Bischöfe haben mehrere Male den Wunsch nach einer Kirche und einem Pilgerzentrum in Tarsus vorgetragen. Und nicht nur wir Bischöfe. Die türkische Regierung hat uns bereits konkrete Vorschläge gemacht. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten zu einer endgültigen Lösung kommen werden, die unseren Wünschen entspricht.

Kirche heute: Sind für die zweite Hälfte des Paulusjahres besondere Veranstaltungen geplant?

Bischof Padovese: Für Anfang Mai und dann für Ende Juni zum Abschluss des Paulusjahres habe ich zwei Symposien über den hl. Paulus organisiert. Die größten Aktivitäten aber bestehen in der Aufnahme der vielen Pilger, die zu uns kommen. Am 25. Januar, dem Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, erwarten wir eine Gruppe aus Bamberg unter der Leitung von Erzbischof Dr. Ludwig Schick. Vor einigen Minuten habe ich mit Friedrich Kardinal Wetter, dem emeritierten Erzbischof von München, einen Termin vereinbart. Anfang März werden die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Südosteuropas bei uns eintreffen. Schließlich haben sich mehr als 100 Priester aus der Diözese Mailand zusammen mit ihrem Erzbischof, außerdem die Priester der Diözese Neapel mit dem dortigen Erzbischof angemeldet. Sie werden hier Exerzitien abhalten. Es gibt also viele Menschen, die an den Stätten des hl. Paulus interessiert sind, und ich glaube, dies ist auch ein besonderer Zweck des Paulusjahres für uns.

Kirche heute: Welche Themen werden auf den genannten Symposien behandelt?

Bischof Padovese: Wir werden die Gestalt des hl. Paulus unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Wir widmen uns aber auch den Forschungsergebnissen der Archäologie, welche die Stätten, die Häfen des hl. Paulus betreffen. Besonders aber geht es um die Exegese der paulinischen Schriften, und dabei auch um die Auslegung, welche diese Schriften im Lauf der Geschichte erfahren haben. Wir haben kein Hauptthema, sondern überlassen die Schwerpunkte der Freiheit der Professoren, um so verschiedene Aspekte des Lebens und der Theologie des hl. Paulus zu vertiefen.

Kirche heute: Wie wird der Abschluss des Jubiläumsjahres in der Türkei aussehen? Sind besondere Feiern beabsichtigt, ähnlich etwa wie die Eröffnung am 22. Juni 2008 in Tarsus?

Bischof Padovese: Der Abschluss des Paulusjahres wird in Tarsus am 29. Juni 2009 gefeiert. Wir werden das Jubiläumsjahr also zur gleichen Zeit wie in Rom beenden.

Kirche heute: Welche Spuren wird das Paulusjahr für die katholische Kirche in der Türkei hinterlassen?

Bischof Padovese: Ich hoffe, dass wir uns bewusster werden, was Christ-Sein bedeutet, und dass wir mehr Mut haben, unser Christ-Sein zu bekennen und zu bezeugen.

Kirche heute: Wie wirkt sich dieses Jubiläumsjahr auf das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Muslimen oder Kirche und staatlichen Behörden aus?

Bischof Padovese: Wir haben von türkischer Seite, also vom Staat und von den lokalen Behörden, ein ausgesprochenes Interesse erfahren. Sie haben sich wirklich bemüht, uns entgegen zu kommen. Ich denke, Paulus hat auch irgendwie geholfen, dass wir uns näher gekommen sind. Dies ist ein sehr positiver Aspekt. Ähnliches gilt für die Beziehungen mit anderen Glaubensgemeinschaften.

Kirche heute: Welche Anregungen möchten Sie den Gläubigen in Europa für die zweite Hälfte des Paulusjahres mit auf den Weg geben?

Bischof Padovese: Ich komme wieder auf den Anfang unseres Gesprächs zurück: In einer pluralistischen Gesellschaft, wie sie auch der hl. Paulus vorgefunden hat, sollten wir uns bewusster sein, was Christ sein bedeutet, und unsere christliche Identität retten. Christ sein heißt nicht einfach nur, an Gott glauben, sondern durch Jesus Christus an Gott glauben. Das erste Glaubensbekenntnis von Paulus war nicht das Bekenntnis zur Trinität, zur Dreifaltigkeit, sondern zu Jesus, dem Herrn, dem Gott, der auferstanden ist. Wir sollten zu diesem grundlegenden Aspekt des christlichen Glaubens zurückkehren.

Kirche heute: Exzellenz, wir bedanken uns bei Ihnen ganz herzlich für dieses interessante und wertvolle Interview.

Bischof Padovese: Danke und Gottes Segen!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
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Das Wunder zur Heiligsprechung von Bernarda Bütler

Als Voraussetzung für eine Heiligsprechung verlangt die Kirche ein anerkanntes Wunder. Es muss sich nach der Seligsprechung der betreffenden Person auf deren Fürsprache ereignet haben. In der Regel hebt die Kirche diese Hintergründe einer Kanonisation nicht ausdrücklich hervor. Aus pastoralen Gründen betont sie mehr das Leben des Heiligen, das eine Wegweisung für unser eigenes Streben nach Heiligkeit darstellen soll. Dennoch sind auch die Wunderberichte ein wertvolles und bestärkendes Zeugnis für die Gläubigen. Sie können die Verehrung der Heiligen fördern und dazu anregen, sich mit ihrer Gestalt intensiver auseinanderzusetzen. Sr. M. Franziska Schwöllenbach von der Kongregation der Franziskanermissionsschwestern von Maria Hilf stellt uns das Wunder vor, das zur Heiligsprechung ihrer Gründerin, der hl. Maria Bernarda Bütler, geführt hat.

Von Sr. M. Franziska Schwöllenbach

Am 12. Oktober 2008 wurde die selige Mutter Maria Bernarda (Verena) Bütler (1848-1924) aus der Schweiz auf dem Petersplatz in Rom heilig gesprochen. Als Wunder, das die Kirche für einen solchen Schritt fordert, wurde eine körperliche Heilung anerkannt, die zweifelsfrei auf eine Gebetserhörung durch die Selige zurückgeführt werden konnte.

An der Schwelle des Todes

Das Wunder hat sich vor wenigen Jahren an der Ärztin Dr. Mirna Yazime Correa in Kolumbien ereignet. In diesem südamerikanischen Land befindet sich ein Krankenhaus unserer Ordensgemeinschaft, das den Namen unserer Gründerin trägt, die sog. „Klinik Madre Bernarda“ in der Stadt Cartagena. Dr. Correa war an einer untypischen Lungenentzündung erkrankt. Erschwerend kamen beidseitige Wasseransammlungen in der Pleura hinzu. Auch die Atembeschwerden verstärkten den Entzündungsprozess. Aufgrund der Ernsthaftigkeit ihrer Erkrankung wurde Dr. Correa auf die Intensivstation unserer Klinik verlegt. Trotz ärztlicher Behandlung trat keine Besserung ein. Auf Medikamente zeigte sie keinerlei Reaktionen mehr. Ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Inzwischen musste sie an die Herz-Lunge-Maschinen angeschlossen werden. Am ganzen Körper bildeten sich Schwellungen und die Werte sanken sichtbar ab. Die Medizin hatte ihr Möglichstes versucht, um das Leben von Dr. Correa zu retten. Doch am 5. Juli 2005 wurde die Patientin von den Ärzten vollkommen aufgegeben.

Zuflucht zur sel. Mutter Bernarda

Die Ärzte und Spezialisten, die sich mit Dr. Correa befasst hatten, setzten die Angehörigen über den Ernst der Lage in Kenntnis. Sie teilten ihnen mit, dass sie nun mit dem Schlimmsten rechnen müssten. In dieser Situation nahm die Familie Zuflucht zur sel. Mutter Maria Bernarda Bütler. Auf Anraten von Schwester Stella Castano begannen die Angehörigen, eine Novene zur Seligen zu beten. Besonders die Eltern flehten mit größtem Vertrauen um die Genesung ihrer Tochter. Zwei Tage nach Beginn der Novene setzte bei Dr. Correa eine völlig überraschende Besserung ein. Die Schwellungen ließen nach, die Atemausfälle nahmen ab und die Röntgenbilder des Brustkorbs zeigten einen Rückgang der Lungenflüssigkeit und der Überflutung der Pleura.

Vollkommene Heilung

Die vollkommene Heilung, die nun eintrat, konnte medizinisch nicht erklärt werden. Sie steht in eindeutigem Zusammenhang mit dem zuversichtlichen Gebet der Angehörigen. So kann das Wunder mit der notwendigen Sicherheit der Fürsprache der Seligen zugeschrieben werden. Die Mutter von Dr. Correa legte folgendes Zeugnis ab: „Die ärztliche Kunst konnte hier nichts ausrichten. Meine Tochter wurde ganz gesund. Ihr Leben ist wie eine neue Geburt. Sie genießt vollkommene Gesundheit mit klarem Geist und hat alle ihre Fähigkeiten wiedererlangt. Heute ist sie stärker und gesünder als früher. Ich werde fortfahren, sie der Fürsprache von Mutter Bernarda anzuvertrauen.“

Lebensbeschreibung

Zur Heiligsprechung veröffentlichte der Vatikan folgende offizielle Biographie:

Maria Bernarda (Verena Bütler) wurde in Auw, Kanton Aargau, Schweiz, am 28. Mai 1848 geboren und am gleichen Tag getauft. Sie war das vierte Kind von Heinrich und Katharina Bütler, einfachen Bauern, die ihre acht Kinder fromm erzogen.

Suche nach dem richtigen Kloster

Verena besaß eine gute Gesundheit, frohes, menschenfreundliches Gemüt und wache Intelligenz. Die Liebe und Ehrfurcht, mit der sie am 16. April 1860 zum ersten Mal die hl. Kommunion empfing, bewahrte sie bis zum Ende ihres Lebens. Die eucharistische Verehrung war ein Grundpfeiler ihrer Spiritualität.

Schon als junges Mädchen hegte sie den Wunsch, sich ganz Gott zu weihen. Sie trat zunächst in ein Kloster ihrer Heimat ein, kam aber bald zu der Einsicht, dass dort nicht der Ort ihrer Berufung war.

So kehrte sie ins Elternhaus zurück. Auf Anraten ihres Pfarrers trat sie am 12. November 1867 mit 19 Jahren in das Kloster Maria Hilf in Altstätten/Schweiz, ein, wo sie am 4. Mai 1868 den Habit der Kapuzinerinnen und den Ordensnamen Maria Bernarda vom Heiligsten Herzen Mariens erhielt und am 4. Oktober 1869 die Gelübde ablegte mit der festen Absicht, Gott bis zum Tod in einem beschaulichen Leben zu dienen.

Gottes Ruf in die Mission

In Altstätten wurde sie bald zur Novizenmeisterin, und später zur Oberin gewählt. Ihr missionarischer Geist und Eifer für das Reich Gottes drängten sie ein Filialkloster zu gründen. Als Msgr. Schuhmacher, Bischof von Puertoviejo in Ecuador, die schwierige Situation seines Volkes schilderte und eine Missionsniederlassung in seiner Diözese anbot, betrachtete Maria Bernarda dieses Angebot als deutlichen Ruf Gottes.

Nach Überwindung des anfänglichen Widerstands durch den Bischof von St. Gallen und nach Erhalt des päpstlichen Indults verließ Maria Bernarda Altstätten, um am 19. Juni 1888 mich sechs weiteren Schwestern nach Ecuador aufzubrechen. Im Licht des Glaubens und im missionarischen Eifer fanden sie die Kraft, den Abschiedsschmerz zur endgültigen Trennung von der Heimat zu ertragen.

Gründung einer neuen Kongregation

Maria Bernarda, die nur eine Missionsfiliale des Schweizer Klosters gründen wollte, sah sich plötzlich als Gründerin des neuen Institutes, der Kongregation der Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf.

In Ecuador angekommen, wies ihnen der Bischof als Arbeitsfeld Chone zu, einen Ort mit etwa 13.000 Einwohner, der als schwierig und vernachlässigt galt.

Maria Bernarda, die als Grundlage ihrer Missionstätigkeit das Gebet, die Armut, die Treue zur Kirche und die Werke der Barmherzigkeit machte, wurde hier „allen alles“. Sie lernte nebenbei Sprache und Gebräuche des Volkes und widmete sich von Anfang an der Jugenderziehung, dem Familienapostolat, allen sozialen Diensten, und sorgte auch für Verbesserung der liturgischen Feiern und der Katechese.

Der Samen geht auf

Das Samenkorn, das diese große Frau ausstreute, keimte und wuchs. Das christliche Leben des Volkes blühte auf, die neue Franziskanische Kongregation wuchs an Zahl und es entstanden weitere Filialen in Ecuador.

Trotz dieser Erfolge blieb ihr Werk vom Kreuz gezeichnet. Armut, feucht-heißes Klima, gesundheitliche Probleme, Missverständnisse von Seiten der kirchlichen Obern und die Trennung einiger Schwestern von der Kongregation, als außerhalb von Ecuador eine Neugründung vorgenommen wurde, brachten viel Leid.

Maria Bernarda ertrug das alles mit heroischer Tugend und in bedingungslosem Gehorsam. In der Stille ihres Herzens vergab sie allen und betete besonders für jene, die ihr Leid zufügten.

Flucht nach Kolumbien

Als im Jahre 1895 eine gewaltsame Verfolgung ausbrach, musste sie mit ihren Schwestern den kirchenfeindlichen Kräften weichen und Ecuador verlassen.

Maria Bernarda kam mit 15 Schwestern nach Bahia und brach von dort nach Kolumbien auf. Noch auf dem Schiff erreichte sie die Einladung des Bischofs von Cartagena, Msgr. Eugenio Biffi, in seiner Diözese in Kolumbien zu arbeiten.

Am 2. August 1895 trafen Maria Bernarda und ihre Schwestern in Cartagena ein, wo der Bischof sie mit väterlicher Liebe aufnahm und ihnen einen Flügel des Frauenspitals zur Verfügung stellte, das den schönen Namen „Obra Pia“ trug, aber ein armseliges Gebäude war. Dieses Haus wurde zur Heimstätte ihres restlichen Lebens.

Hingabe an die Armen

In franziskanischem Geist wirkte Maria Bernarda und ihre Kongregation unter den Armen, um ihre spirituellen und materiellen Nöte zu lindern. Als die Zahl der Schwestern wuchs, gründete sie auch in Österreich und Brasilien Niederlassungen, besuchte immer persönlich ihre Mitschwestern in den Missionsstationen, teilte mit ihnen in beispielhafter evangelischer Einfachheit Arbeit und Leben.

Wohin sie auch kam, waren Arme und Kranke ihre bevorzugten Lieblinge. Den Schwestern pflegte sie zu sagen: „Öffnet eure Häuser, um den Armen und Ausgestoßenen zu helfen. Die Hilfe für die Armen soll jeder anderen Tätigkeit vorgezogen werden.“

In staunenswerter Opferbereitschaft betete, ermahnte, schrieb und missionierte sie, und leitete 32 Jahre ihre Kongregation. Als sie am 19. Mai 1924 starb, war sie 76 Jahre alt und im 56. Jahre Ordensfrau, 36 Jahre wirkte sie in der Mission in Lateinamerika. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht von ihrem Tod. In der Kathedrale von Cartagena sagte der Pfarrer: „Heute früh ist in unserer Stadt eine Heilige gestorben, die ehrwürdige Mutter Bernarda.“ Ihr Grab wurde schnell zu einem Wallfahrtsort und einer Stätte des Gebetes.

Leuchtturm der Evangelisierung

Die Liebe und der Missionsgeist von Mutter Maria Bernarda leben fort in der Kongregation, die sich über elf Länder in drei Kontinenten verbreitet hat.

Maria Bernarda verwirklichte in ihrem Sein und Handeln, was man heute als „Inkulturation“ des Evangeliums bezeichnet, die Voraussetzung einer wirkungsvollen Evangelisierung ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 52). Maria Bernarda verkörperte in ihrem Leben vollkommen ihr programmatisches Leitwort: „Das Evangelium ist mein Leitstern.“

Während ihres Lebens suchte und fand Maria Bernarda Hilfe und Trost allein in Gott. Seitdem sie die Heimat und ihr geliebtes Kloster Altstätten verlassen hatte, wohin sie nie mehr zurückkehrte, und bei aller ihrer unermüdlichen apostolischen Arbeit ließ sie sich immer von einer soliden Spiritualität leiten und tragen, vom unablässigen Gebet, der heroischen Liebe zu Gott und den Menschen. Ihr Glaube war felsenfest, ihr Vertrauen auf die göttliche Vorsehung unbegrenzt.

Sie lebte in Starkmut, evangelischer Demut und radikaler Treue die Gelübde des gottgeweihten Lebens. Aus der Betrachtung des Mysteriums der Dreifaltigkeit und des Leidens des Herrn schöpfte sie die Gnade der Barmherzigkeit, die sie allen erwies und ihrer Kongregation als besonderes Charisma vererbte. Als eine große Verehrerin der jungfräulichen Mutter des Herrn wollte sie, dass ihre Kongregation Maria, die Hilfe der Christen, als Patronin und Modell für die Nachfolge Christi und die Missionsarbeit habe. Als Franziskanerin pflegte sie dieselbe Verehrung wie Franziskus zur Mutter Kirche, ihren Hirten und Priestern, die sie „die Gesalbten des Herrn“ nannte. Mutter Bernarda bleibt ein leuchtendes Beispiel einer biblischen Frau: stark, klug, mystisch, spirituelle Meisterin und hervorragende Missionarin. Sie hinterlässt der Kirche ein wunderbares Zeugnis der Hingabe an das Evangelium und lehrte uns, wie man auch heute Gebet und Arbeit, Beschauung und Tätigkeit, Leben in Gott und im Dienst für den Nächsten miteinander verbinden kann, indem sie Gott den Menschen und den Menschen Gott näher bringt.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
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Anfrage an das Gutachten zum „Offenen Brief“ der muslimischen Gelehrten

Prof. Dr. Adel Theodor Khoury geht in seinem kurzen Beitrag auf den Artikel „Friedliches Miteinander von Christen und Muslimen?“ in „Kirche heute“ 1/2009 (S. 18-20) ein. Bei der Analyse der „Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften“ handelt es sich um eine Stellungnahme von evangelischer Seite. Verständlicherweise finden darin die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils keinen Niederschlag. Prof. Khoury aber sieht sich gerade dieser Lehre der Kirche verpflichtet. Zur Warnung vor einer „gutgläubigen Naivität ... aus Mangel an Kenntnis und Unterscheidungsvermögen“, und vielleicht „weil manche unter ihnen den biblischen Grundlagen ihres eigenen Glaubens schon so weit entfremdet sind, dass sie das entscheidend Trennende zwischen den beiden Religionen nicht mehr sehen können bzw. wollen“ (S. 20), schreibt Prof. Khoury: „Ich hoffe, dass nicht wir alle, die wir uns für den Dialog mit dem Islam in einem Klima des Vertrauens einsetzen, hier gemeint sind.“

Von Adel Theodor Khoury

Aussagen des II. Vatikanischen Konzils

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das, was das Zweite Vatikanische Konzil über den Dialog mit den Nichtchristen und den Muslimen geschrieben hat:

• Lumen gentium 16: „Der Heilswille umfasst … alle, die den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird.“ (Dies wurde von Paul VI. und Johannes Paul II. deutlich bekräftigt und klar als Aussage gedeutet, dass Christen und Muslime denselben Gott anbeten.)

• Nostra aetate 3: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.“

• Nostra aetate 3: Die Gemeinsamkeiten im Glauben und in den Grundwerten erscheinen dem Konzil als eine ausreichende Grundlage, um seinen Aufruf zu rechtfertigen, Christen und Muslime sollten die Jahrhunderte der Zwistigkeit und Feindseligkeit beiseite lassen, „sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen bemühen und gemeinsam eintreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“

• Dekret für die Missionstätigkeit der Kirche 12: „Denen, die Frieden suchen, bemüht sie (die Kirche) sich in brüderlichem Gespräch zu antworten, indem sie ihnen Frieden und Licht aus dem Evangelium anbietet.“

Anfragen an die „Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften“

Die Stellungnahme der „Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften“ enthält nichts von dem, was das Konzil sagt. Ich finde keine Spur von Bemühungen um ein „brüderliches Gespräch“:

• Die Muslime werden pauschal und undifferenziert (u. daher ungerecht) als Propagandisten des „Machtstrebens radikal-islamischer Bewegungen“ beurteilt (S. 20, Sp. 3).

• Sie werden mit einem grundsätzlichen Misstrauen konfrontiert, das keine günstige Atmosphäre für einen fruchtbaren Dialog schafft.

• Sie werden sogar verdächtigt, die Täuschung als Instrument der Verbreitung des Islams zu benutzen. Dieser Generalverdacht ist weder durch die Texte des Islams noch durch die Haltung der Unterzeichner des „Offenen Briefs“ der muslimischen Gelehrten gerechtfertigt. Kennen die „Islamkenner“, die das Gutachten erstellt haben, die Schriften und Ansichten und Äußerungen dieser bzw. einiger dieser Gelehrten? Denen von ihnen, die ich persönlich kenne, attestiere ich große Ehrlichkeit und gute Absichten.

• Wo spüren die Gutachter die „Drohung“ (S. 20, Sp. 2 unten) vonseiten der muslimischen Gelehrten?

Es gibt Unterschiede in Glaubensfragen zwischen Christen und Muslimen. Der Dialog ist gerade dafür da, die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede genau zu beschreiben, die Gemeinsamkeiten zur Grundlage der Beziehungen zu machen und die Unterschiede auszuhalten, ohne die nötige Atmosphäre des Vertrauens zu beeinträchtigen.

 

Buchreihe zum Verständnis des Islams

Neben dem Koran bildet der Hadith die zweite verbindliche Quelle für die islamische Religion. Hier hält die islamische Tradition fest, wie Mohammad selbst den Koran lebte, auslegte und im Alltag zur Rechtleitung der Gläubigen anwandte. So enthält der Hadith Berichte über Mohammads Anweisungen und Verordnungen, seine praktische Haltung bei der Anwendung religiöser Richtlinien und über seine Haltung zu dem, was seine Gemeinde tat.

Adel Theodor Khoury – er war bis 1993 Professor für Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster – hat die bedeutendsten arabischsprachigen Hadith-Sammlungen verglichen, übersetzt und zu einer deutschsprachigen Ausgabe zusammengeführt. Entstanden ist ein fünfbändiges Werk, das in Art und Umfang einmalig im deutschen Sprachraum ist. Der erste Band befasst sich mit der religiösen Pflichtenerfüllung, der zweite Band rückt die Grundpflichten des Gläubigen in das Zentrum der Darstellung. In Vorbereitung stehen Band 3 (Die Tugenden), Band 4 (Soziale Fragen) und Band 5 (Der Einsatz / Djihad / Verschiedenes).

Adel Theodor Khoury: Der Hadith, Urkunde der islamischen Tradition, Bd.1: Der Glaube, 456 S., ISBN: 978-3-579-08066-6, Bd.2: Religiöse Grundpflichten und Rechtschaffenheit, 400 S., ISBN: 978-3-579-08067-3, Gütersloher Verlagshaus 2008, geb., mit Pappband, 16,2 x 24,3 cm, je 49,95 Euro (D).

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
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Es gibt keine Alternative zum Dialog und zur Zusammenarbeit

Die Antwort der „Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften“ auf den „Offenen Brief“ der 138 muslimischen Gelehrten an Papst Benedikt XVI. und die ganze Christenheit (13. Oktober 2007) hat Prof. Dr. Adel Theodor Khoury tief getroffen. Er hält dieses Schreiben von muslimischer Seite für einen wesentlichen Beitrag zum Dialog, den wir von christlicher Seite positiv aufgreifen sollten. Pauschale Verdächtigungen und grundsätzliches Misstrauen sind für ihn in diesem Fall fehl am Platz. Prof. Khoury lässt sich von dem Gutachten nicht beirren und stellt ihm ein wunderbares Zeugnis entgegen, Ausdruck eines demütigen und tiefgläubigen Vertrauens in die Kraft der christlichen Versöhnung.

Von Adel Theodor Khoury

Unsere Welt – heute und in der Zukunft – braucht neue Herzen, neue Ideen, neuen Mut, neue Initiativen. Denn unsere Welt verschleißt sich leider zunehmend durch Konflikte und aggressive Konfrontation. Sie ist immer heftiger erschüttert durch immer härter werdende Auseinandersetzungen. Die Kontrahenten haben immer weniger Geduld und drohen immer unverhohlener, mit Härte ihre Meinung, ihre Lebensweise, ihre Interessen durchzusetzen. Aber dies alles stürzt die Menschheit in eine lähmende Ungewissheit. Der Friede wird zerbrechlich. Die Gerechtigkeit geht abhanden. Die Verständigungsmöglichkeiten schwinden zusehends. Die Zukunft wird so immer dunkler und beunruhigender.

Es gibt dazu einen anderen Weg. Trotz aller Hindernisse und skeptischer Äußerungen muss der Dialog gesucht und die Zusammenarbeit gewagt werden. Es gibt dazu keine Alternative.

Beharrliches Ringen um eine Kultur des Friedens

Auf Grund dieser Überzeugung haben Menschen, Einzelne und Institutionen, sich dem Dialog verschrieben. Sie beschreiten den Weg zu einer guten, auf Gerechtigkeit und Frieden basierenden Zukunft mit Entschlossenheit. Sie versuchen den Dialog und die Zusammenarbeit mit aller Kraft zu praktizieren und, soweit es geht, auch überall dort zu fördern, wo Menschen den gleichen Weg gehen wollen.

Der Dialog wird verstanden als Mittel, mehr Wahrheit zu erkennen und die Zusammengehörigkeit aller Menschen stärker zu betonen. Der Dialog soll als Weg zu einer wirksamen Versöhnung – auch unter früheren Feinden – verstanden werden, zu einer Kultur des Friedens und einer Zivilisation der Barmherzigkeit und der Liebe.

Angestrebt wird auch eine ehrliche und beharrliche Zusammenarbeit, um die Gegenwart zu befrieden, die Zukunft aufzubauen im Geiste der Geschwisterlichkeit. So kann unsere Welt eine Welt für alle werden, in der wir unsere gemeinsamen Probleme gemeinsam angehen und versuchen, sie gemeinsam zu lösen.

Hindernisse auf dem Weg des Dialogs

Die Haupthindernisse auf dem Weg des Dialogs und der Zusammenarbeit sind folgende:

• die Intoleranz und die arrogante Selbstgefälligkeit. Wer meint, allein die Lösung aller Probleme zu besitzen, begreift nicht die Dimensionen dieser Probleme und die Kompliziertheit ihrer Elemente. Er begreift nicht, dass die Probleme der Menschheit nur durch die Beteiligung aller Akteure gelöst werden können.

• die allzu schnellen Urteile und die hartnäckigen Vorurteile. Diese sind ein Erbe einer unglücklichen Vergangenheit und einer verstockten Haltung in der Gegenwart. Es ist eine Frucht der Gerechtigkeit, die sich auftürmenden Vorurteile zu beseitigen, zu einer ruhigeren Atmosphäre zu gelangen und eine aufgeschlossene Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit zu erwerben.

• die Unfähigkeit, das Denken auszuhalten. Denn die erste Voraussetzung für einen Dialog ist, dass man bereit und fähig ist, sich ernsthaft und beständig zu bemühen – um den Menschen und der Sache selbst gerecht zu werden –, ein differenziertes Wissen zu erwerben, um dann auch differenziert urteilen und Hindernisse überwinden zu können. Dazu gehört auch die Bereitschaft zur Selbstkritik, um den Verstand zu mehr Klarheit, das Herz zu mehr Offenheit und die Geduld zu mehr Ausdauer zu verhelfen.

• die mangelnde Bereitschaft, Unterschiede zu dulden, bis der Dialog die genauen, unüberwindbaren Widersprüche feststellt, und dann die übrig gebliebenen Unterschiede geduldig zu ertragen.

Orientierung an der unantastbaren Würde des Menschen

Da die Wahrheit nicht nur die Wahrheit ist, die man glaubt und formuliert und zu begründen sucht, da die religiöse Wahrheit in erster Linie die Wahrheit ist, die man tut (vgl. Evangelium nach Johannes 3,21), gilt es, die Wahrheit und die sittlichen Werte der eigenen Religion als Grundlage dafür zu nehmen, freundliche Beziehungen zu den anderen zu errichten und mit den anderen eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften zu planen.

Not tut eine Neuorientierung an den ethischen Werten des Christentums, des Islams und der anderen Religionen, welche ja ihnen weitgehend gemeinsam sind.

Gefordert ist eine humane Gesellschaftsordnung, die auf der unantastbaren Würde des Menschen gründet und die, wenn sie auch in die Praxis umgesetzt wird, folgende Folgen zeitigen soll:

• eine brüderliche Gerechtigkeit;

• eine barmherzige Handhabung von Rechten und Pflichten;

• Einräumen von Priorität für die Rechte der Schwachen;

• Option für die Armen und Entrechteten;

• statt gewaltbereiten Strebens nach Herrschaft Pflege des Friedens;

• Bereitschaft zur Versöhnung.

Christliche Grundsätze als Basis für den Dialog

Außerdem gelten im Christentum, und weitgehend auch im Islam und in den anderen Religionen, folgende Grundsätze:

• Fundamentale Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes.

• Alle Geschöpfe Gottes, hier besonders alle Menschen, gehören zusammen, alle sind auf eine Welt umfassende Kommunikation und Zusammenarbeit angelegt und angewiesen.

• Alle Menschen bilden eine große Familie; sie sind miteinander in einer umfassenden Solidarität und in einer universalen Geschwisterlichkeit verbunden.

• Solidarität und Geschwisterlichkeit sind nicht beliebig, sondern verbindlich. Sie beinhalten die Verantwortung aller für alle. Sie sind daher als Grundsätze der sozialen und politischen Ordnung das Fundament einer Welt umspannenden brüderlichen Gerechtigkeit.

Angebot der Christen an die Muslime

Es sei mir zum Schluss erlaubt, einen persönlichen Wunsch zu äußern: In einem frühchristlichen Hymnus wird vom Glauben der Christen bezeugt, dass sie Jesus Christus als die Mitte ihrer Gemeinschaft sehen, dass er aber der ist, durch den Gott alles versöhnen will (vgl. Brief an die Kolosser 1,15-20). Was mir hier wichtig erscheint, das ist das Angebot, das der Vers 1,20 beinhaltet: Christus soll der Mittler der Versöhnung aller Menschen werden. Das heißt, dass wir Christen nun an die Adresse der Nichtchristen und vornehmlich an die Adresse der Muslime folgendes Angebot formulieren: Weil wir an Jesus Christus glauben, bieten wir ihnen Versöhnung an, unabhängig davon, ob sie unseren Glauben nachvollziehen können und wollen oder nicht. Über die schmerzhaften Erfahrungen von beiden Seiten, die unsere gemeinsame Geschichte uns leider beschert hat, hinweg bieten wir den Muslimen an: Versöhnung miteinander, Frieden und solidarische Brüderlichkeit.

Auch der Islam ist offen für eine solche Haltung. Im Koran steht nämlich geschrieben: „Wenn ihr mit einem Gruß begrüßt werdet, dann grüßt mit einem noch schöneren Gruß, oder erwidert ihn“ (4,86). Wenn wir Christen den Muslimen mit dem Angebot der Versöhnung und der Bereitschaft zur umfassenden Solidarität begegnen – wäre es nicht gerade im Sinne des Korans geboten, das Angebot anzunehmen und es zu erwidern?

Ich wünsche mir, dass viele Christen im Sinne des Evangeliums und dass viele Muslime im Sinne des Korans handeln. Dann könnten wir, Christen und Muslime, endlich begreifen, dass wir zusammengehören. Sagte nicht schon damals der Koran (5,82): „Und du wirst sicher finden, dass unter ihnen diejenigen, die den Gläubigen in Liebe am nächsten stehen, die sind, welche sagen: Wir sind Christen…“?

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
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Zeugnis aus dem Lebensweg eines Mönches

„Wenn man ein Parfüm-Fläschchen öffnet, dann geht etwas von seinem Aroma verloren“, so sagt Pater Notker Hiegl OSB. Dennoch möchte er einige kleine Geheimnisse seines Lebens lüften und uns Einblick geben in die Gedanken und Träume, die ihn beschäftigen. Sein Zeugnis lässt uns die vorsehende Liebe Gottes erspüren, mit der er, der Herr über Raum und Zeit, einen Berufungsweg formt und der Vollendung entgegen führt. Träume sind nicht immer nur „Schäume“, so meint P. Hiegl, sie sind Lichter, die uns auf dem Weg zu Gott begleiten.

Von Notker Hiegl OSB

Die Erstbeichte in der Sakristei der evangelischen Dorfkirche

Sehr lebendig kann ich mich an meine erste Beichte erinnern. Mit einem Beichtzettel bewaffnet ging ich zur evangelischen Sankt Laurentiuskirche in Schönaich; denn wir hatten in der Diaspora kein eigenes katholisches Gotteshaus. Pfarrer Schubert saß in der Sakristei auf einem Stuhl. Er deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden neben sich: Ich möge mich hier hinknien. Das machte ich; denn es war mir klar, dass die sakramentale Gottesbegegnung eine solche Haltung erheischt. Ich sagte mein Einleitungssprüchlein, griff in meine Lederhosentasche, fand aber den Zettel nicht. Dieser war draußen im Gesangbuch. Ohne Erklärung stand ich auf, um ihn zu holen. Da wollte schon ein anderer in die Sakristei eintreten. Doch ich konnte ihm zuvorkommen und schon wieder kniete ich da. Ich bekam einen wunderbaren Zuspruch, der mich veranlasste, in der kommenden Nacht immer wieder den Vorsatz zu wiederholen: „Jesus, wenn es geht, komme ich jede Woche zum Beichten.“ Die Realität sah oft anders aus. In den ersten Klosterjahren jedoch erfüllte sich diese Absicht jahrelang. Und eines blieb in meinem Leben von der Erstbeichte erhalten: Ohne das Knien vor meinem Zellenkreuz gehe ich nicht zum Schlafen. „Die Knie sind die Flügel für den Himmel.“

Die Bitte der Mutter bei meiner Ersten Heiligen Kommunion

Beim Unterricht zur Vorbereitung auf die Erstkommunion lernten wir: In der hl. Kommunion ist Jesus da mit Leib und Seele, Fleisch und Blut, als Gott und Mensch, wahrhaftig und verklärt. Vor dieser Größe ist nur höchste Demut, Anbetung und Ehrfurcht angezeigt. Meine Mutter sagte mir, dass ich nach der Kommunion bei Jesus einen Wunsch „frei“ habe. Als Kleinster der Gruppe kniete ich vorne am Altar, die Hände ehrfürchtig gefaltet und zum Himmel zeigend. Ich schloss die Augen und empfing die hl. Hostie in meinen weit geöffneten Mund. Nun war Jesus unter der Gestalt des Brotes in mein Herz eingekehrt. In die Bank zurückgekehrt betete ich meinen Dank für diese große Gnadenstunde. Dann sprach ich dem Herrn meinen Herzens-Wunsch aus: „Jesus, wenn es Dein Wille ist, dann will ich einmal Priester werden.“ Erst bei meiner Priesterweihe eröffnete mir meine Mutter, dass sie mich schon bei der Geburt Gott geschenkt hatte. Mein Erstkommunion-Wunsch war in Erfüllung gegangen.

Die Sterne am nächtlichen Himmel

Nach dem 2. Weltkrieg bekam mein Heimatdorf Schönaich ein Kino. Einer der ersten Filme, den ich zusammen mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester anschauen durfte, war der Film „Die kleine heilige Theresia von Lisieux“. Die traute Welt bei Vater und Mutter und in ihrer Geschwisterschar, überall konnte ich mich selber wiederfinden. Wie es bei Theresias Einkleidung im Klostergarten schneite, weil sie ihren Seelen-Bräutigam Jesus als Liebes-Zeichen darum gebeten hatte, ihr Leben und ihr Sterben, alles beeindruckte mich zutiefst. Theresia von Lisieux war von diesem Tag an meine Lieblingsheilige. Auf dem Heimweg in stockdunkler Nacht, geführt von Vater und Mutter, sah ich zum Himmel hoch und sagte: „Ich sehe das ‚T‘ von Theresias Sternen am Himmel, aber schaut mal, Dadi und Mami, auch ein ‚M‘ kann ich in den Sternen sehen.“ Auch mein Taufname Michael war im Himmel eingeschrieben und meine Eltern drückten mir liebevoll die Hand, ohne etwas zu sagen.

Der Italiener in der Königsstraße

Während meiner Ausbildungszeit in Stuttgart, im Herbst, bevor ich den Klostereintritt wagte, wollte ich mir beim Herder-Verlag in der Königsstraße ein Buch erstehen, welches mir über die Orden Auskunft geben könnte. Ich kam vom Hauptbahnhof die Königsstraße herauf und sah rechterhand die Auslagen der Buchhandlung. Sollte ich mein Herzensgeheimnis preisgeben und sagen, dass ich ein Buch zum Thema „Ordenseintritt“ benötige? Bei meiner intensiven Suche zupfte mich jemand am Ärmel, ein mir fremder kleiner dunkelhäutiger Italiener. Er zeigte auf seine Armbanduhr und sagte in gebrochenem Deutsch: „20,– Mark, muss Brot kaufen für meine Kinder.“ „Vielleicht schlägt er dich übers Ohr, vielleicht stimmt es aber auch?“, so überlegte ich. „Behalte deine Uhr“, sagte ich schließlich und gab ihm das ganze Geld, das ich für den Kauf eines Buches zur Verfügung hatte. Ein kurzes dankbares Nicken und er war in der Volksmenge verschwunden. In der kommenden Nacht sah ich im Traum den Italiener mit seiner Uhr am Arm und ich hatte das Gefühl: Es war Jesus. Der Ordenseintritt ergab sich auch ohne Buch.

Das Kesselspülen in der Klosterküche

In der Küche des Klosters hatten nach dem Essen jeweils drei Brüder Dienst: zwei mussten in blauen Tuchschürzen das Geschirr spülen, der dritte hatte die unangenehmere Arbeit: er musste mit einer weißen Plastikschürze angetan die Töpfe und Pfannen in einem Kessel mit dampfendem Wasser reinigen. Ich bemerkte, dass derjenige, der beim Vortisch schneller gegessen hatte, beim Umziehen nach der blauen Schürze greifen konnte. Deshalb begann ich ebenfalls schneller zu essen. Da las ich in meiner Zelle bei der Meditation den Text (Joh 13,1-4): „Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gelegt hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einer weißen Schürze.“ Beim nächsten Mal kam ich als Letzter in die Umkleidekabine, gab der noch da hängenden weißen Plastikschürze einen Kuss und ging froh mit ihr umgebunden zum Kessel mit dem heißen Wasser.

Die Kommunionbank in der Beuroner Gnadenkapelle

Die Beuroner Gnadenkapelle wurde in den Jahren 1898-1900 von P. Paul Krebs OSB in Zusammenarbeit mit P. Desiderius Lenz OSB erbaut. Die Ausgestaltung zeigt den Lobpreis Mariens durch all die Jahrhunderte, Jahrtausende hindurch: zunächst die Vorbilder, die schon im Alten Testament auf Maria hinweisen, sodann die neutestamentlichen Marien-Szenen, sowie die Kirchenväter, welche sich für ihren Lobpreis eingesetzt haben, und schließlich ihr Gekrönt-Sein im Himmel. Nach dem 2. Vatikanum wurde zunächst die Kommunionbank entfernt, die Altarstellung jedoch wurde glücklicherweise belassen. Künstlerisch überzeugte diese Lösung nicht, denn die Kapelle ist ein Gesamtkunstwerk. In der Praxis des Kommunionempfangs stellte sich die Frage: Mundkommunion oder Handkommunion, Stehen oder Knien. Nach einer „Kunstbesprechung“ wurde die Kommunionbank schließlich wieder aufgestellt. Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben. Morgens um 8.00 Uhr feiere ich an diesem Altar oft die Heilige Messe. Der Großteil der Gläubigen kniet dabei ehrfürchtig an der Kommunionbank. Ich träume davon, dass auch wieder einmal – wie zu meiner „Bruder-Zeit“ – ein gestärktes weißes Tuch über die Kommunionbank fällt, worin die Hände der Gläubigen geborgen sind.

Europa, von Gibraltar bis zum Ural, unter Mariens Schutz

Von den Felsen Gibraltars bis zu den Bergen des Urals gibt es Christen, die sich in der Verehrung des Dreifaltig-Dreieinen Gottes als eine große Gemeinschaft im Heiligen Geist empfinden. Durch den Engel Europas wurde Paulus gerufen, das Evangelium auf unseren Kontinent zu bringen. Seine Missionsreisen von Troas bis nach Spanien, sein Märtyrertod, den er später zusammen mit dem hl. Petrus in Rom erlitten hat, sind zum Samen für das Christentum in Europa geworden, ja durch die Evangelisierung ist „Europa als solches“ erst gründetet worden. Europas Muttersprache ist das Christentum, und diese Sprache wollen wir nicht untergehen lassen. Maria, die Mutter unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, nehme uns dabei an der Hand und helfe uns, für ihren Sohn zu kämpfen. Am 24. Oktober 2008 ging dieser mein Traum für die Re-Evangelisierung Europas „anfanghaft“ schon in Erfüllung: Pfr. Erich Maria Fink aus Beresniki an der europäischen Seite des Urals unterschrieb eine Partnerschaftsurkunde im Fürbittbuch von Gnadenweiler und trat der bestehenden Gebetsverbrüderung mit diesem Ort und dem Heiligtum „Unserer Lieben Frau von Europa“ in Gibraltar bei.

Zum Bruder aller möchte Paulus sich machen

Im 1. Korinther-Brief (Kap. 9,19ff) schreibt Paulus: „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude geworden, … den Gesetzlosen sozusagen ein Gesetzesloser, … den Schwachen ein Schwacher, … um auf jeden Fall einige zu retten.“ Das ist auch mein Traum. Als Pfarrer besuche ich die Seniorenheime in der Region, in denen die alten Menschen meiner Pfarreien Pflege finden. Da sitzen sie im Foyer, trinken Kaffee und essen Kuchen, einigen wird gelöffelt, alle tragen sie ein Lätzchen zum Schutz für die saubere Kleidung. Sr. Rita fragt mich, ob ich in der Kaffeerunde mithalten möchte und ich bejahe. Sie bringt mir Kaffee und ein Marmeladebrot, überreich bestrichen. Mutig sage ich: „Da kann ich mich ja bekleckern!“ Keine Frage für die Schwester: sie holt ein Lätzchen und bindet es mir vorsichtig um. „Jetzt ist es gut!“, so sagen wir beide fast miteinander. Auf diese Weise essen wir alle zusammen, nachher beten wir, singen noch die alten Marienlieder und ich gebe den Segen. Nun erst bindet mir die Schwester das Lätzchen ab und schaut mich dankbar an. Senior den Senioren geworden.

Äußere Zeichen haben ihre tiefe Bedeutung

Täuschen wir uns nicht, Zeichen haben ihre Bedeutung, ihre Wirksamkeit, ob sie nun bewusst gesetzt werden, oder ob sie unbewusst unterlassen werden. Klar ist auch, dass ein äußeres religiöses Zeichen „oberflächlich“ sein kann, aber auch, dass sich dahinter eine tiefe Religiosität verbirgt, die „nach außen hin“ verborgen bleibt. Der Weihwasserkessel und das Kruzifix in der Wohnung, die weißgestärkte Flügelhaube der Vinzentinerin im Kindergarten, der Priester in der Soutane, der Mönch mit Tonsur oder gar Corona, die Menschen, die bei der Kirche das Kreuzeszeichen als Verehrung für den Heiland im Tabernakel über sich schlagen, das Knien beim Rosenkranzgebet im stillen Kämmerlein, das Gehen mit dem Gesangbuch in der Hand zur sonntäglichen Hl. Messe, all das sind mehr als „Oberflächlichkeiten“, Zeichen der Liebe zu Jesus. Einmal hatte ich einen Traum: Ich war im Himmel und ging in einen „Haarschneide-Salon“. Ein Engel mit weißem Skapulier begrüßte mich, bot mir den Platz an, band mir einen goldleuchtenden Umhang um und fragte mich: „Corona?“ Und ich sagte einfach: „Ja!“

 

Die Absturzgefahr bei den hohen Felsen im Donautal

Immer wieder muss im Donautal die Bergwacht ausrücken, wenn sich Bergsteiger und solche, die es werden wollen, beim Üben an den berühmten Kletterfelsen mit ihren Überhängen zu sehr in Gefahr begeben, so dass ihnen geholfen werden muss. Und wie oft wurde ich als Pfarrer schon zu tödlichen Unfällen gerufen. Und dann arbeiten nachts im Traum die Nerven weiter: Ich selber hänge an einer Felsklippe, die Füße baumeln ohne Halt im Freien, die Kraft in den Armen erlahmt. Ich rufe nach Hilfe, wie ich es schon selbst einmal in den Lukmanier-Bergen erlebt habe, schreie zu Gott und verspreche alles Mögliche, wenn mir nur dieses eine Mal noch geholfen wird. Und dann höre ich eine Stimme: „Lass dich fallen.“ Zuerst will ich rufen: „Kommt gar nicht in Frage, ich gebe doch meine letzte irdische Sicherheit nicht auf!“ – „Sich fallen lassen“, das habe ich doch auch immer zu den Kranken und Sterbenden gesagt, zu denen mit Katheder und Luftröhrenschnitt, mit Demenz und Parkinson, mit Bauchspeicheldrüsenkrebs und Dialyse – so denke ich im Traum, löse vorsichtig meine Hände und falle – in Gottes ausgebreitete Hände hinein.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2/Februar 2009
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