"Ich weiß, wem ich vertraut habe" (2 Tim 1,12)

Die persönliche Bindung des Priesters an Christus

Anton Štrukelj, geb. 1952 in Slowenien, ist Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Ljubljana. Zum 85. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. veröffentlichte er dieses Jahr das Buch „Vertrauen – Mut zum Christsein“.[1] Hingebungsvoll und gewissenhaft arbeitete er das Leben unseres Papstes mit seinem Denken und pastoralen Wirken heraus. Das Ergebnis ist eine wunderbare Schule für das geistliche Leben und die theologische Vertiefung des christlichen Glaubens. Unter dem Kapitel „Diener eurer Freude – Joseph Ratzinger als Priester, Lehrer und Hirte“ bietet er eine wahre Fundgrube für die Formung einer authentischen und erfüllten priesterlichen Existenz. Einige Auszüge sind nachfolgend zusammengestellt.

Von Anton Štrukelj

Der Theologe Ratzinger über den priesterlichen Dienst

Das Priesterbild, wie es das Konzil von Trient formuliert hatte, geriet nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in eine tiefe Krise. Der Theologe Ratzinger beschäftigte sich intensiv mit dieser Entwicklung, er hielt zahlreiche Vorträge und war aktiv an den entflammten Diskussionen beteiligt. Im „Revolutionsjahr“ 1968 veröffentlichte er den Aufsatz „Zur Frage nach dem Sinn des priesterlichen Dienstes“.[2] Im nächsten Jahr hielt er den Festvortrag „Der Priester im Umbruch der Zeit“ und „Konturen der Kirche und des Priesters von morgen“.[3] Es folgte ein Text in italienischer Sprache: „Das Priesteramt“.[4] Im Jahre 1972 behandelte er die Frage: „Opfer, Sakrament und Priestertum in der Entwicklung der Kirche“.[5] Im Priesterseminar zu Regensburg hielt er eine Festrede: „Der Priester als Mittler und Diener Christi im Licht der neutestamentlichen Botschaft“.[6] Im ökumenischen Dialog behandelte er das Thema „Das Weihesakrament (Ordo) als sakramentaler Ausdruck des Prinzips Überlieferung“.[7] Kardinal Ratzingers Klarstellung zur Frage des Frauenpriestertums war sehr eindeutig: nur den Männern vorbehaltene Priesterweihe beleidigt nicht die Würde der Frau.[8] Seine klare Stimme war auch im Disput um den Zölibat wichtig: „Zum Zölibat der katholischen Priester“.[9] Seine Meditation über die priesterliche Spiritualität „Auf dein Wort hin“ verfasste er anlässlich des Goldenen Priesterjubiläums von Kardinal Höffner im Jahre 1993. Besondere Aufmerksamkeit verdienen sein Vortrag „Vom Wesen des Priestertums“ zur Eröffnung der Bischofssynode über das Priesteramt im Jahre 1990[10] sowie auch sein Vortrag „Perspektiven der Priesterausbildung heute“.[11] Als Präfekt der Glaubenskongregation erklärte er gründlich das Apostolische Schreiben „Ordinario Sacerdotalis“ vom Jahre 1994.[12] Für die Kleruskongregation verfasste er den Aufsatz: „Das Amt und Leben der Priester“.[13]

Man muss eine Reihe von seinen Predigten, Ansprachen und Meditationen zum Thema erwähnen. Viele davon sind in seinem Buch „Diener eurer Freude. Meditationen über die priesterliche Spiritualität“ gesammelt.[14] Im Folgenden wollen wir den reichen Inhalt dieser Schrift vorstellen. Natürlich gehören zu diesem Themenkreis auch seine Abhandlungen, Vorträge und Bücher über die Liturgie, Kirchenmusik, Kirche und Sakramente, Gebet, Verkündigung und Katechese, Priesterausbildung und Theologiestudium und viele andere Fragen. Das Spektrum der Theologie von Joseph Ratzinger ist wirklich allumfassend. Der Beweis dafür ist seine Bibliographie auf 446 Seiten: „Das Werk. Veröffentlichungen bis zur Papstwahl“.[15]

Der Vortrag „Wesen des Priestertums“ im Oktober 1990

Der Vortrag „Wesen des Priestertums“, den Kardinal Ratzinger im Oktober 1990 zur Eröffnung der Bischofssynode über das Priestertum gehalten hat, beginnt mit der Vorüberlegung über die aktuelle theologische und praktische Problematik: „Das katholische Bild vom Priestertum, wie es durch das Konzil von Trient definiert und vom Vaticanum II biblisch erneuert und vertieft wurde, ist nach dem Konzil in eine tiefe Krise geraten.“[16] Um dieser Situation kritisch zu begegnen, skizziert der Autor „die Grundlegung des neutestamentlichen Amtes: Apostolat als Beteiligung an der Sendung Christi“, dann erklärt er „die Nachfolge der Apostel“ und drittens untersucht er „allgemeines und besonderes Priestertum im Alten und Neuen Testament“. Wie dies alles zu aktualisieren ist, zeigt der Kardinal in den „Schlussfolgerungen für den Priester von heute“. Er sagt: „Das Wesentliche und Grundlegende für den priesterlichen Dienst ist demgemäß eine tiefe persönliche Bindung an Christus. Daran liegt alles, und darauf hinzuführen muss der Kern aller Vorbereitung zum Priestertum und aller weiterführenden Formung im Priestertum sein. Der Priester muss ein Mensch sein, der Jesus von innen her kennt, ihm begegnet ist und ihn zu lieben gelernt hat. Deswegen muss der Priester vor allem ein Mann des Gebetes, ein wirklich ,geistlicher‘ Mensch sein. Ohne eine starke spirituelle Substanz kann er auf Dauer in seinem Dienst nicht bestehen. Von Christus muss er auch lernen, dass es in seinem Leben nicht auf Selbstverwirklichung und nicht auf Erfolg ankommt. Er muss lernen, dass er nicht für sich eine Gemeinde von Verehrern oder Anhängern schafft, sondern für den Anderen wirkt, um den es eigentlich geht. Das steht anfangs dem natürlichen Schwergewicht unserer Existenz entgegen, aber auf Dauer zeigt sich, dass gerade dieses Unwichtigwerden des Ich das eigentlich Befreiende ist.

Wer für Christus handelt, weiß, dass immer wieder ein anderer sät und ein anderer erntet. Er braucht nicht fortwährend nach sich zu fragen; er überlässt dem Herrn, was herauskommt, und tut angstlos das Seinige, befreit und heiter ob seiner Geborgenheit im Ganzen. Wenn heute Priester so oft sich überanstrengt, müde und frustriert fühlen, liegt es an einer verkrampften Suche nach Leistung. Der Glaube wird zu einem schweren Gepäck, wo er doch Flügel sein sollte, der uns trägt.

Aus der inneren Gemeinschaft mit Christus wächst von selbst auch die Beteiligung an seiner Liebe zu den Menschen, an seinem Willen, sie zu retten und ihnen zu helfen. … Wer Christus von innen entdeckt hat, ihn aus erster Hand kennt, der entdeckt, dass erst diese Beziehung allem anderen Sinn gibt und auch das Schwere schön macht. Nur solche Freude an Christus kann auch Freude zum Dienst geben und ihn fruchtbar werden lassen.“[17] 

Priesterausbildung: Bildung zum rechten Menschsein

Kardinal Joseph Ratzinger unterstreicht einige Wesenselemente in der Vorbereitung auf den priesterlichen Dienst. Zuerst betont er die Einformung in Gottes Familie: „Aufbauen lassen zu einem geistigen Haus“. Das Priesterseminar hat die wesentliche Aufgabe, einen Raum anzubieten, wo die Priesteramtskandidaten sich als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen lassen. Seine Aufgabe ist es, eine Stätte der Begegnung mit Jesus Christus zu sein. „Als erstes Ergebnis für die Priesterausbildung können wir festhalten, dass sie mehr als Ausbildung Bildung zum rechten Menschsein anbieten muss. Dazu gehört zuallererst, die Tugenden gründlich zu erlernen, ohne die keine Familie auf Dauer zusammenhalten kann. Für den Priester ist dies deshalb so wichtig, weil er ja nicht nur fähig sein muss zum Mitsein in der Familie des Presbyteriums, der Orts- und der Gesamtkirche; seine Aufgabe ist es überdies, Menschen, die sich von Herkunft, Bildung, Temperament und Lebensumständen her fremd sind, in der Gemeinschaft des Glaubens zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Er muss Menschen zur Fähigkeit des Versöhnens, des Vergebens und Vergessens, des Ertragens und der Großzügigkeit führen. Er muss ihnen helfen, den anderen in seiner Andersheit zu ertragen, Geduld miteinander zu haben, Vertrauen und Klugheit, Diskretion und Offenheit ins rechte Maß zu bringen und noch vieles mehr. Er muss vor allem auch fähig sein, den Menschen im Schmerz beizustehen – im körperlichen Leiden wie in all den Enttäuschungen, Erniedrigungen und Ängsten, die keinem erspart werden. Wie sollte er dies, wenn er es nicht zuerst selber gelernt hat? Die Fähigkeit, das Leid anzunehmen und zu bestehen, ist eine grundlegende Bedingung für das Gelingen des Menschseins; wo sie gar nicht erlernt wird, ist das Scheitern der Existenz unausweichlich: Die Aufgebrachtheit gegen alle und gegen alles verseucht sozusagen den Boden der Seele und macht sie zum toten Land. Schmerzbewältigung – früher sprach man in diesem Zusammenhang von Askese. Das Wort mag man heute nicht mehr; es rückt uns näher, wenn wir es aus dem Griechischen ins Englische übersetzen: Training. Jeder weiß, dass es Erfolg ohne Training und die dazugehörige Selbstüberwindung nicht gibt. Für alle möglichen Künste wird heute mit Eifer und Ernst trainiert, und so werden Spitzenleistungen auf vielen Gebieten möglich, die man früher für undenkbar gehalten hätte. Aber warum kommt es uns so abwegig vor, auch für das eigentliche, für das richtige Leben zu trainieren? Uns in der Kunst des Verzichts, der Selbstüberwindung, der inneren Freiheit von unseren Süchten zu üben?“[18] 

Erziehung zur Wahrhaftigkeit

Ein weiteres Element der Priesterausbildung nennt Kardinal Ratzinger „Die Passion der Wahrheit“. Er sagt: „Aus dem Vielen, was hier gesagt werden könnte, möchte ich nur noch einen Punkt besonders hervorheben: die Erziehung zur Wahrheit. Wahrheit ist dem Menschen häufig unbequem; sie ist wohl die stärkste Führerin zur Selbstlosigkeit, zur wahren Freiheit. Nehmen wir das Beispiel des Pilatus. Er weiß genau, dass dieser angeklagte Jesus unschuldig ist und dass er ihn von Rechts wegen freisprechen müsste. Er will es auch. Aber dann tritt diese Wahrheit in Konflikt mit seiner Stellung; sie droht, ihm Ärger oder gar den Verlust seiner Position einzubringen. Es könnten Unruhen entstehen; er kann beim Kaiser in schlechtem Licht erscheinen und ähnliches. So opfert er lieber die Wahrheit, die nicht schreit und sich nicht wehrt, auch wenn ihr Verrat in seiner Seele ein dumpfes Gefühl des Versagens zurücklässt. Diese Situation kehrt in der Geschichte immer wieder: Erinnern wir uns nur noch an ein Beispiel im umgekehrten Sinn – Thomas Morus. Wie natürlich erschien es, dem König die Suprematie über die Kirche zuzugestehen. Es gab kein ausdrückliches Dogma, das dies eindeutig ausschloss. Alle Bischöfe hatten es getan – warum soll er, der Laie, sein Leben aufs Spiel setzen und seine Familie ins Verderben stürzen? Wenn er schon nicht an sich selber denken will, muss er in der Güterabwägung nicht mindestens den Seinigen den Vorrang geben vor dem starrsinnigen Bestehen auf seinem Gewissen? In solchen Fällen wird nur sozusagen makroskopisch sichtbar, was sich in unserem Leben im Kleinen immer wieder zuträgt. Ich kann mich aus einer Affäre ziehen, wenn ich eine kleine Konzession an die Unwahrheit mache. Oder umgekehrt: die Konsequenzen der Wahrheit anzunehmen bringt mir unermesslichen Ärger ein. Wie oft geschieht das? Und wie oft versagen wir! Die Situation, in der sich Thomas Morus befand, gibt es, ins Alltägliche übersetzt, laufend: Viele sagen das, warum nicht auch ich? Wieso soll ich den Frieden der Gruppe stören? Warum mich lächerlich machen? Geht nicht der Friede der Gemeinschaft über meine Rechthaberei? So wird Gruppenkonformität zur Tyrannei gegen die Wahrheit. Georges Bernanos, den das Geheimnis priesterlicher Berufung und die Tragödien ihres Scheiterns nicht losgelassen haben, hat in der Gestalt des Bischofs Espelette diese Gefährdung dramatisch dargestellt. Der beliebte Bischof war akademischer Lehrer gewesen; er ist gebildet und liebenswürdig, er weiß immer zu sagen, was gerade in die Situation passt und was die gebildete Welt von einem Bischof an dieser Stelle erwartet. „Die Beherztheit dieses gewitzten Priesters täuscht jedoch keinen mehr als ihn selbst. Seine intellektuelle Feigheit ist ungeheuerlich. … Niemand ist weniger liebenswert als einer, der nur lebt, um geliebt zu werden. Derartige Seelen, so geschickt, sich nach jedermanns Geschmack zu wandeln, sind nur Spiegel…“ Bernanos dringt in seiner Analyse bis zum Grund dieses Versagens vor: „,Ich gehöre zu meiner Zeit‘, wiederholt er und dies mit der Miene eines Mannes, der Zeugnis für sich selbst ablegt… Aber er hat niemals darauf geachtet, dass er damit jedes Mal das ewige Zeichen verleugnet, durch das er geprägt ist.

Es steht mir nicht an zu behaupten, dass die große Krankheit unserer Zeit ihre Armut an Wahrheit ist. Der Erfolg, die Wirkung hat ihr überall den Rang abgelaufen. Nur scheinbar ist der Verzicht auf Wahrheit und die Flucht in die Gruppenkonformität ein Weg zum Frieden. Solche Art von Gemeinschaft ist auf Sand gebaut. Der Schmerz der Wahrheit ist die Voraussetzung für wirkliche Gemeinschaft. Er muss Tag um Tag angenommen werden. Nur in der kleinen Geduld der Wahrheit reifen wir von innen her, werden frei von uns selbst und frei für Gott.“[19] 

„Dies ist die Stelle, an der noch einmal das Bild von den lebenden Steinen auftaucht. Petrus erläutert den inneren Anspruch des Bildes mit dem Wort aus Psalm 118,22, das inzwischen längst zu einem christologischen Grundtext geworden war: ,Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.‘ Wir wollen hier nicht im einzelnen der Theologie von Tod und Auferstehung nachgehen, die sich in diesem Vers verbirgt. Aber der Umgang mit der Idee des lebendigen Steines hat uns immerhin schon zu der Erkenntnis geführt, dass Bauen Gebautwerden einschließt; dass es ohne das Passiv, die Passion der Reinigung nicht geschehen kann. Bernanos hat den Schmerz als das Wesen des göttlichen Herzens und das körperliche und geistige Leiden als das Kostbarste bezeichnet, was der Herr uns auferlegt. Der verworfene Stein ist das Bild für den, der den tödlichen Schmerz der radikalen Liebe auf sich genommen hat und dadurch zum Raum für uns alle geworden ist – zum Eckstein, der aus der zerrissenen Menschheit ein lebendiges Haus, eine neue Familie macht. Im Priesterseminar, in der Priesterausbildung bauen wir nicht an irgendeiner Gruppe. Dann wäre die Gefahr, dass die Passion des Eingefügtwerdens nur auf Gruppenkonformität ausgeht und dass wir dabei unsere Wahrheit opfern. Wir bauen nicht nach einem selbstgemachten Maßstab. Wir lassen uns zum Bau machen von dem, der unser aller Urbild und Zielbild ist – von dem zweiten Adam, den Paulus lebensspendenden Geist nennt (1 Kor 15,45). Dieser Bauplan rechtfertigt die Mühsal der Reinigungen und gewährleistet uns, dass es Reinigungen, nicht Zerstörungen sind. In diesen Bau wächst man hinein, indem man zu erlernen sucht, ,was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist‘ (Phil 4,8). Man wird richtig für diesen Bau, wenn man wahr wird.

Wo dieses Ziel wirksam ist, wird das Priesterseminar zu einer Heimstatt. Ohne diesen gemeinsamen Weg wäre es nur ein Nebeneinander von Studentenzimmern, deren Inwohner jeder letztlich bei sich selber bleiben. Gerade die Bereitschaft der Reinigung gewährleistet den Humor und den Frohsinn eines solchen Hauses. Wo sie nicht ist, wird die Nörgelei, die Verdrossenheit an allem und an sich selber zum Grundklima, in dem die Tage grau sind und die Freude nicht wächst, weil sie die Sonne nicht findet, deren sie zu ihrem Wachsen bedarf.“[20] 

Dienst am fleischgewordenen Wort

„Priestertum, das im Dienst des fleischgewordenen Wortes steht, muss Gottes Wort in seiner unverfälschten Reinheit und in seiner immerwährenden Aktualität gegenwärtig machen. Für den Priester des Neuen Bundes ist es wesentlich, dass er nicht irgendeine private Lebensphilosophie vorträgt, die er sich zurechtgedacht oder zurechtgelesen hat, sondern das Wort, das uns zu treuen Händen anvertraut wurde, und das wir nicht verpanschen dürfen, wie Paulus drastisch und anschaulich im zweiten Korintherbrief sagt (2,17). Hier stehen wir vor dem herausfordernden Anspruch, dem sich der Priester stellen muss; dahinter wird die ganze Breite und Tiefe dessen sichtbar, was Priesterbildung und Priesterausbildung bedeutet. Als Priester darf ich nicht meine Privat-Ideen vortragen; ich bin ja Gesandter eines anderen, und nur das gibt meiner Botschaft Wichtigkeit. ,Wir sind Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!‘ (2 Kor 5,20). – Dieses Pauluswort bleibt die gültige Definition der Grundform und des Grundauftrags priesterlicher Existenz in der Kirche des Neuen Bundes. Ich muss das Wort eines anderen ausrichten, und das bedeutet zuerst: Ich muss es kennen; ich muss es verstanden haben, es muss mir zu eigen sein.

Aber diese Verkündigung verlangt nun doch mehr als die Haltung eines Telegrammboten, der fremde Worte getreulich weiterleitet, ohne dass sie ihn etwas angehen. Ich muss vielmehr das Wort des anderen in der ersten Person, ganz persönlich weitergeben und mich ihm so zueignen, dass es mein eigenes Wort wird. Denn diese Botschaft verlangt nicht einen Fernschreiber, sondern einen Zeugen.“[21]

Praktisch bedeutet dies, dass im Theologiestudium die intellektuelle und die spirituelle Dimension untrennbar voneinander sind. … Die rationale Zucht, die Zucht methodischer Arbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Weges zum Priestertum. Wer liebt, will kennen. Er kann gar nicht genug wissen über den, den er liebt. So ist die Sorgfalt des Erkennens eine innere Forderung der Liebe. Im übrigen ist die methodische Zucht, die sich immer wieder die Lieblingsideen entwinden lässt um des Gehorsams zum Vorgegebenen willen, eine unersetzliche Weise der Erziehung zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit, ein wesentliches Stück jener Selbstlosigkeit des Zeugen, der nicht sich verkündet, sondern sich ganz in den Dienst des Größeren stellt. Eine Frömmigkeit, die dies überspringen will, wird zur Schwärmerei. Erbauung ohne Wahrheit ist eine Art von geistiger Selbstbefriedigung, der wir uns nicht überlassen dürfen.

Eine sorgfältige und zuchtvolle Bemühung um das Verstehen der Heiligen Schrift ist die Grundlage der Erziehung zum Priestertum. Aber selbstverständlich genügt eine bloß historische Lektüre der Bibel nicht. Wir lesen sie ja nicht als ein vergangenes Wort von Menschen; wir lesen sie als Wort Gottes, das er durch Menschen einer vergangenen Zeit allen Zeiten als immer neu gegenwärtiges Wort zukommen lässt.“[22]

Fruchtbarkeit der Ehelosigkeit

„Priestertum verlangt ein Herausgehen aus der bürgerlichen Existenz, es muss in einer strukturellen Weise das Sich-Verlieren in sich aufnehmen. Dass die Kirche Ehelosigkeit und Priestertum miteinander verbunden hat, kommt aus solchen Erwägungen heraus: Ehelosigkeit ist der stärkste Widerspruch zu normaler Lebenserfüllung. Wer sie von innen her annimmt, kann Priestertum nicht als einen Erwerbsberuf unter anderen betrachten, sondern muss irgendwie den Verzicht auf das eigene Lebensprojekt bejahen, sich von dem anderen gürten und führen lassen, wohin er eigentlich nicht wollte. … Nur der Blick des Herrn kann die Schwerkraft überwinden, aber er kann es wirklich. Immer bleiben wir Sünder. Aber wenn er uns hält, haben die Wasser der Tiefe ihre Macht verloren.“[23]

Es ist eine wunderbare Art und Weise, wie Kardinal Ratzinger das Getragenwerden der Priester durch die Heiligen und durch die ganze lebendige Gemeinschaft der Glaubenden beschreibt: „Es scheint mir besonders sinnreich, dass der römische Kanon die Namen der heiligen Frauen gerade im Gebet für die Priester nennt. Die Ehelosigkeit des Priesters hat nicht mit Frauenfeindlichkeit zu tun. Sie bedeutet auch nicht Beziehungslosigkeit den Frauen gegenüber. Das innere Reifwerden eines Priesters hängt ganz wesentlich auch daran, dass er die rechte Beziehung zu den Frauen findet; er braucht das Getragenwerden durch Mütter, durch Jungfrauen, berufstätige Frauen, Witwen, die seinen besonderen Auftrag annehmen und ihn darin mit einer selbstlosen, reinen fraulichen Güte und Fürsorge begleiten.“[24]


[1] Anton Štrukelj, Vertrauen – Mut zum Christsein. Zehn Beiträge zu unterschiedlichen, aber aufeinander verweisende Themen werden hier erstmals gemeinsam veröffentlicht. Sie beziehen sich vor allem auf das Werk von Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger und Hans Urs von Balthasar. Das Thema „Vertrauen“ in seiner zweifachen Ausfaltung als Grundvertrauen auf Gott („fides qua“) und als worthaftes Bekenntnis dazu („fides quae“) durchzieht wie ein Webmuster die Texte des Buches. EOS Verlag, St. Ottilien 2012, ISBN 978-3-8306-7539-6.
[2] Zur Frage nach dem Sinn des priesterlichen Dienstes, in: Geist und Leben 41 (1968), 347-376. Aufgenommen in: Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. 12: Künder des Wortes und Diener eurer Freude, Herder, Freiburg 2010 (= JRGS 12), 350-386.
[3] Der Priester im Umbruch der Zeit, in: KIBI 49 (1969), 251-254; Konturen der Kirche und des Priesters von morgen, in: Civitas 25 (1969), 251-261; JRGS 12, 351-401.
[4] Il ministero sacerdotale, in: OR 110 (28.5.1970), 3 und 8; dt. Übersetzung: Das priesterliche Amt, in: JRGS 12, 402-407.
[5] Opfer, Sakrament und Priestertum in der Entwicklung der Kirche, in: Catholica 26 (1972), 108-125; in: JRGS 12, 85-106.
[6] Der Priester als Mittler und Diener Christi im Licht der neutestamentlichen Botschaft, in: 100 Jahre Priesterseminar in St. Jakob zu Regensburg 1872-1972; auch in: Theologische Prinzipienlehre. Bausteine zur Fundamentaltheologie, München 1982, 21983, 281-299; in: JRGS 12, 107-186.
[7] Das Weihesakrament (Ordo) als sakramentaler Ausdruck des Prinzips Überlieferung, in: Theologische Prinzipienlehre. Bausteine zur Fundamentaltheologie, München 1982, 21983. Donauwörth 2005, 251-263; Kirchliche Lehre vom Sacramentum ordinis, in: JRGS 12, 70-84.
[8] Il sacerdozio dell'uomo: un'offesa ai diritti della donna?, in: OR 117 (26.3.1977).
[9] Zum Zölibat der katholischen Priester, in: Stimmen der Zeit 195 (1978), 781-783, in: JRGS 12, 154-158.
[10] Vom Wesen des Priestertums, in: Zur Gemeinschaft gerufen. Kirche heute verstehen, Herder, Freiburg 1991, 21992, 98-123, in: JRGS 12, 33-50.
[11] Neu veröffentlicht mit dem Titel: Bereitung zum priesterlichen Dienst, in seinem Buch: Ein neues Lied für den Herrn. Christusglaube und Liturgie in der Gegenwart, Freiburg 1995, 205-223, in: JRGS 12, 432-450.
[12] La lettera Apostolica „Ordinatio Sacerdotalis“, in: CivCatt 145 (1994), 61-72, mit zahlreichen Übersetzungen. Siehe auch J. Kardinal Ratzinger, Grenzen kirchlicher Vollmacht. Das neue Dokument von Papst Johannes Paul II. zur Frage der Frauenordination, in: IkZ Communio 23 (1994), 335-345, in: JRGS 12, 139-153.
[13] Il ministero e la vita dei presbiteri, in: Congr. pro Clericis. Sacrum ministerium II (1996), 7-21.
[14] Diener eurer Freude. Meditationen über die priesterliche Spiritualität, Herder, Freiburg 1988. Aufgenommen in: JRGS 12, 463-532.
[15] Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., Das Werk. Veröffentlichungen bis zur Papstwahl. Hrsg. vom Schülerkreis. Redaktion Vinzenz Pfnür, St. Ulrich Verlag, Augsburg 2009.
[16] Joseph Kardinal Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen, Kirche heute verstehen, Herder, Freiburg 1991, 21992, 98, aufgenommen in: JRGS 12, 33-50.
[17] Ebd., 121, in: JRGS 12, 48f.
[18] Ein neues Lied für den Herrn, 209, aufgenommen in: JRGS 12, 432-450, hier 436.
[19] Ein neues Lied für den Herrn, 210f, mit dem Verweis auf: G. Bernanos, L’imposture (Bibliotheque de la Pleiade 1961) 367 und 388; JRGS 12, 437-438.
[20] Ebd., 211f; JRGS 12, 438-439.
[21] Ebd., 212; JRGS 12, 438-439.
[22] Ebd., 214ff.; JRGS 12, 443.
[23] Ebd., 219f.; JRGS 12, 446f. Ders., Zum Zölibat der katholischen Priester, in: JRGS 12, 154-158.
[24] Ebd., 220f.; JRGS 12, 447f.

Verantwortliche Seelsorge

Sein ganzes Leben lang hat Weihbischof Dr. Andreas Laun für die Treue zur Lehre der Kirche auf dem Gebiet der Moraltheologie gekämpft. Nie hat er einen Zweifel an der Gültigkeit der Enzyklika „Humanae vitae“ gelassen, immer hat er aktiv praktizierte Homosexualität als Sünde verurteilt und versucht, Betroffenen einen Weg zur Versöhnung mit Gott zu eröffnen. In diesem Ringen um die Wahrheit und die Erfüllung des Willens Gottes begegnet Weihbischof Laun aber auch oft extremen Haltungen, die dem Weg der katholischen Kirche widersprechen und die Menschen auf unverantwortliche Weise belasten. In seinen Überlegungen ruft er zu einer verantwortlichen Seelsorge auf und geht dabei von einigen Beispielen aus, die ihm in letzter Zeit häufiger begegnet sind.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Was bewirkt die Beichte? Was kann sie und was kann sie nicht?

Ich war noch ein sehr junger Priester und hörte im Rahmen einer Aushilfe im Ausland Beichte. Eine ältere, sehr einfache Frau kam und beichtete etwas von einem Geschlechtsverkehr. Irgendwie kam mir das „Bekenntnis“ eigenartig vor und daher fragte ich so behutsam als möglich zurück, ob sie verheiratet und „wer“ der Partner gewesen sei. Mit einem Anflug von Entrüstung antwortete sie: „Natürlich mein Mann!“ Aber, und das schien ihr sündhaft, ohne Kinderwunsch! Daraufhin versuchte ich, so gut es in der Beicht-Situation möglich ist, ihr zu erklären, dass sie doch keine Sünde begangen habe, sondern dass sie, im Gegenteil, die Gemeinschaft mit ihrem Mann pflegen sollte! Sie verließ – mir schien – erleichtert den Beichtstuhl und ich blieb mit der Frage im Herzen zurück: „Wer hat diese Frau religiös so verbildet, wie war ihr Religionsunterricht, warum hat ihr noch niemand gesagt, was doch selbstverständliche Lehre der Kirche ist, und ihr diese völlig unnötige Last abgenommen?“ Ich dachte, schuld sei wohl die „vor meiner Zeit“ noch herrschende Häresie der Prüderie, und beruhigte mich mit dem Gedanken, dass sich ein „solcher Fall“ nach dem Konzil und nach Papst Johannes Paul II. unmöglich wiederholen würde.

Irrtum, geradezu absurde Irrtümer gibt es im Bereich der Beichte, sicher auch in anderer Hinsicht, immer noch. Und sie sind nicht harmlos, wenn Menschen unter ihnen leiden und unnötige Lasten tragen. Erst vor Tagen wandte sich eine Frau an mich und schilderte mir ihre Lage und ihre Gewissens-Belastung so: Nach dem dritten Kind hatte sich ihr Mann in Absprache mit ihr sterilisieren lassen. Damals kannte sie die Lehre der Kirche dazu noch nicht, aber jetzt kenne sie sie und habe einige Priester um Rat gefragt: Man habe ihr gesagt, und ich gebe die Antwort wieder, wie ich sie verstanden habe: Sie dürfe nicht mehr zur hl. Kommunion gehen, sie dürfe keinen intimen Verkehr mit ihrem Mann leben und im Übrigen sei diese Sünde unauslöschlich im „Lebensbuch“ festgeschrieben!

Wahr an dieser Antwort ist nur die Voraussetzung der „Antwort“: Die Kirche hält jede direkte Sterilisierung, vorübergehend oder endgültig, für objektiv sündhaft. Aber in allen übrigen Punkten ist die Antwort ein pastoraler Skandal, weil die befragten Priester der Frau eine Last auferlegten, die absolut nicht gottgewollt ist! Natürlich bewirkt auch eine Beichte nicht, dass das, was getan wurde, „nicht wirklich geschehen“ wäre. Aber: Was die Schuld betrifft, löscht die Beichte den „Eintrag“ ins „Lebensbuch“ wirklich und endgültig! Das ist geradezu das wunderbare, im Vergleich zum Umgang mit Sünde in allen anderen Religionen einzigartige Wesen der Beichte: die Tilgung der Sünde, als hätte sie nicht stattgefunden, auch dann, wenn ihre Folgen noch fortdauern sollten. Es gilt für sie die Geschichte vom „verlorenen Sohn“ (Lk 15,11ff.); es gilt für sie das drastische Wort von dem Rot der Sünde, das die Vergebung Gottes wieder weiß werden lässt wie Schnee (Jes 1,18); es gilt das schöne Bild von Gott, der die Sünde in die „Tiefe des Meeres“ wirft (Mich 7,19) oder sie „wegfegt“ wie Wolken und wie Nebel (Jes 44,21f.). Was soll Gott uns noch sagen, damit wir endlich glauben: Wenn wir zurückkehren und bereuen, löscht Gott die Sünde wirklich und sagt zum Sünder: „Heute noch wirst du bei mir im Paradies sein!“ (Lk 23,43) Und das gilt jedem Sünder, auch wenn sich das „heute“ bei den meisten verzögert!

Weil die Sünde eben wirklich gelöscht ist und sich die damals gewollte und herbeigeführte Sterilität nicht mehr rückgängig machen lässt, können die Frau und ebenso ihr Mann unter den für jeden anderen Empfang der hl. Kommunion auch geforderten Voraussetzungen den Leib des Herrn empfangen. Dasselbe gilt für die eheliche Vereinigung: Auch sie steht dem Ehepaar offen, wenn sie als Akt der Liebe – „andächtig“ wie die hl. Kommunion – vollzogen wird! Und die beiden dürfen dieses Zusammensein dankbar genießen!

Ich bin unendlich froh, wenn ich der Frau und ihrem Mann diese Last abnehmen konnte. Ich füge hinzu: Möglicherweise lag auch ein Missverständnis vor. Vielleicht haben die mir unbekannten Priester das Richtige gemeint und sich nur ungeschickt ausgedrückt oder die Frau hat einfach nur falsch verstanden, was ihr hätte klar sein müssen. Aber eine Folgerung für die Priester wäre zu ziehen: Priester sollten die Lehre der Kirche wirklich kennen, sie sollten sie zu formulieren geübt sein und sie sollten gerade auf dem Gebiet der sexuellen Intimität besonders diskret und behutsam sprechen! Sündigen kann der Priester nicht nur durch „liberale“ Ansichten, sondern auch durch Rigorismus, der nach einem Wort des hl. Alfons von Liguori der Kirche im Lauf der Geschichte schon mehr geschadet hat als der Laxismus.

Homosexualität als „größte Sünde“?

Es gibt Christen, die unter Berufung auf eine unselige Tradition meinen, die „größte Sünde“, also der „worst case“ aller Sünden, bestünde in homosexuellen Akten. Es ist hier nicht der Platz, diese Behauptung historisch zu belegen und ausführlich zu widerlegen. Aber mit aller Entschiedenheit ist festzuhalten: Obwohl diese These in der Tradition tatsächlich, auch von „prominenten“ Autoren, ab und zu behauptet wurde: Sie ist falsch und sollte auf der Müllhalde der peinlichen Irrtümer entsorgt werden! Dem Irrtum liegen zwei andere Irrtümer zugrunde: Erstens ist die Bibelauslegung der biblischen Geschichte von Sodom und Gomorra falsch, als wäre die Sünde der Bewohner dieser Städte vor allem und eigentlich nur die gelebte Homosexualität gewesen. Zweitens wussten frühere Generationen zwar, dass es Menschen gibt, die homosexuelle Akte vollziehen, aber sie wussten kaum etwas über das Wesen homosexueller Neigungen und deren Ursachen und darum auch nichts darüber, wie differenziert und behutsam sie zu werten sind. Derjenige aber, der geneigt ist, die genannte historische Verurteilung für „die eigentliche Wahrheit“ zu halten, braucht nicht einmal wissenschaftliche Studien anzustellen. Es genügt der einfache Hausverstand, wenn er vergleicht: die Sünde homosexueller Männer, die, alles in allem, liebevoll miteinander umgehen, und die Sünde von Leuten, die die Menschen in der Dritten Welt ausbeuten, die Sünde von Triebtätern und vielen, vielen anderen Verbrechern! Wenn er Christ ist, könnte er sich auch noch erinnern lassen, dass Jesus vor allem ganz andere, nicht vorrangig sexuelle Sünden angeprangert hat: die „Sünde gegen den Hl. Geist“, die Sünde des Klein- und Unglaubens, die Sünde der „Verstockung“. Zu behaupten, homosexuelle Sünden seien, ganz ohne Differenzierungen zuzulassen, der „Supergau des Bösen“, ist ein schwerer Irrtum eines möglicherweise „schuldhaft irrenden Gewissens“!

Natürliche Empfängnisregelung als Kleinglauben?

Die Frage der moralischen Wertung von Verhütung ist in der Geschichte der katholischen Morallehre eine leidvolle! Man weiß, wie auf Grund der wissenschaftlichen Fortschritte im letzten Jahrhundert darum gerungen wurde und wie Papst Paul VI. dann seine Antwort gegeben hat: Nein zu jeder künstlichen Verhütung, Ja zur natürlichen Empfängnisregelung. Bekanntlich beruht diese auf verhältnismäßig neuen medizinischen Erkenntnissen: Man weiß jetzt Bescheid über die Bedeutung des weiblichen Zyklus, über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau und auch darüber, wie man diese erkennen und unterscheiden kann. Daraus ergibt sich für das Ehepaar die Möglichkeit, ihr Zusammenkommen einzurichten je nach ihrem Kinderwunsch. Sache der Kirche war und ist es zu sagen, wie diese Möglichkeit im Lichte Gottes und seiner Gebote zu werten ist.

Bis zum heutigen Tag lehnt nicht nur die nicht-christliche Welt die genannte Lehre der Kirche mit Spott und Hohn ab, auch innerhalb der Kirche gibt es viele, viele Katholiken, die meinen, die Kirche habe sich in dieser Frage verirrt. Dementsprechend leben sie mit Pille und Kondom oder anderen Verhütungsmitteln.

In letzter Zeit ist aber zu beobachten: Es gibt, vor allem in einigen neuen religiösen Bewegungen, eine Tendenz in die andere Richtung: Auch Natürliche Empfängnisregelung (NER), sagen sie, sei eine Art von Verhütung. Sie sei ein Ausdruck kleinen Glaubens und fehlender Hingabe der Frauen an ihre Bestimmung, so viele Kinder zu gebären als möglich, weil Gott dies wolle, sogar dann, wenn sie dabei ihr Leben riskieren.

Für Bischöfe und Moraltheologen bedeutet dies: Während sie bisher „nur“ gegen die Vertreter einer liberalen Haltung zu kämpfen hatten, öffnet sich „von hinten“ eine neue Front: Es ist ihre Aufgabe zu zeigen, dass der Weg der Natürlichen Empfängnisregelung wirklich dem Willen Gottes entspricht.

Man könnte einwenden: Aber ist es nicht wunderbar, heiligmäßig, „ganz und nur“ auf Gott zu vertrauen und nicht selbst bestimmen zu wollen? Natürlich ist Gottvertrauen gut, aber ist dieses so definierte „Gottvertrauen“ das, was Gott von uns will? Ich erinnere mich an den Besuch in einem Kloster in der Wüste, etliche Kilometer von Jerusalem entfernt: Gefragt, was im Fall einer schweren Erkrankung eines Mönches in dieser Einöde geschehe, antwortete der uns führende Mönch: Der Betreffende kann zum Arzt gebracht werden, aber er kann ebenso gut auf alle medizinische Hilfe verzichten, die Schmerzen erleiden und sterben.

Eigentlich hätte ich schon damals antworten sollen: Wenn diese Haltung des Nichts-Tuns und des Geschehen-Lassens die eigentlich richtige Einstellung ist: Warum hat dann Jesus die Kranken geheilt und auch den Jüngern den Auftrag gegeben, dies zu tun? Und mehr noch: Ist das auch in allen anderen Fragen das „eigentlich Vollkommene“? Dann hätten die Christen an keiner nützlichen Erfindung Anteil nehmen dürfen, ja sie hätten nicht einmal die Äcker bebauen dürfen, weil Gott ja alles kann und alles für uns macht? Aber so ist es eben nicht, Gott hat dem Menschen den Verstand gegeben und zwar dazu, dass wir ihn benützen, Ihn zu erkennen, aber auch, um unser Leben zu bewältigen.

Die Lehre von der Natürlichen Empfängnisregelung sagt dasselbe auf das Eheleben bezogen: Im Dialog mit Gott sollen und dürfen die Eltern entscheiden, wie vielen Kindern sie das Leben schenken wollen und können! So wie wir Menschen gottgewollt so viele andere Dinge selbst entscheiden dürfen und uns Gott zum Beispiel die Freiheit lässt, ob wir eine religiöse Berufung zum Priestertum oder zum Leben im Kloster annehmen oder lieber in der Welt bleiben und heiraten, so lässt Er uns eben auch die Freiheit der Entscheidung über die Zahl der Kinder und zwar ohne Sünde, solange wir die Entscheidung gemäß objektiven Kriterien fällen, wie sie der Ordnung Gottes entsprechen.

VII. Welttag der Familien 2012 in Mailand:

Die Familie: Arbeit und Fest

Vom 30. Mai bis 3. Juni 2012 fand in Mailand das VII. Weltfamilientreffen statt. Papst Benedikt XVI. ließ es sich nicht nehmen, selbst an diesem Ereignis teilzunehmen und das Treffen mit einem Pastoralbesuch in der Erzdiözese Mailand zu verbinden. Er unterstrich damit von neuem, wie sehr ihm die Rettung und Erneuerung der christlichen Familie am Herzen liegt. Ehe und Familie müssen in der pastoralen Arbeit Priorität besitzen! Dies legt er den Bischöfen bei ihren Ad-limina-Besuchen regelmäßig ans Herz. Pfarrer Erich Maria Fink stellt in seinem Beitrag über das Weltfamilientreffen heraus, wie Benedikt XVI. einerseits auf der gesellschaftspolitischen Ebene für die Familien eintritt, andererseits den Familien konkrete pastorale Hilfen an die Hand gibt, um sie auf der geistlichen Ebene zu unterstützen.

Von Erich Maria Fink

Das Weltfamilientreffen vom 30. Mai bis 3. Juni hat in Mailand stattgefunden, das heißt vor unserer Haustüre. Es war eine einmalige Chance für Familien aus Deutschland, auf einfache Weise mit ihren Kindern anzureisen und teilzunehmen. Genützt haben diese Chance eigentlich nur Bewegungen und Gemeinschaften, die ein feines Gespür für die pastorale Bedeutung solcher Veranstaltungen besitzen. So erhielt beispielsweise mein Bruder eine Einladung über das Säkularinstitut „Cruzadas de Santa María“ in München. Er erfuhr erst kurz vor der Veranstaltung von der Möglichkeit, sich unter geistlicher Begleitung in das Programm einzufügen. Vier Plätze waren frei geworden und so konnte er mit seiner Frau und zwei seiner fünf Kinder nach Italien aufbrechen. Über die Seelsorgeämter der Diözesen wurden leider fast keine Initiativen ergriffen. Die Familien aber, die in Mailand dabei waren, kehrten mit unglaublicher Begeisterung zurück, dankbar, gestärkt und ermutigt.

Eine Million Menschen geben Zeugnis für die christliche Familie

Ähnlich wie bei Weltjugendtagen wurden die Familien aus mehr als 150 Staaten der Welt den einzelnen Pfarreien der Erzdiözese Mailand zugeteilt und in dortigen Familien untergebracht. Allein diese persönlichen Kontakte waren für die meisten Gäste ein solcher Gewinn, dass sich die Reise zum Treffen bereits gelohnt hatte. Obwohl die Übersetzung der Ansprachen und Zeugnisse in die Landessprachen spärlich erfolgte, erlebten die Teilnehmer eine intensive Verbundenheit in all den christlichen Werten, die sie in ihrem Familienleben zu verwirklichen suchen. Das Treffen, das zum Abschlussgottesdienst etwa eine Million Menschen mit dem Papst zusammenführte, war ein großartiges Zeugnis vor der Welt und eine unersetzbare Bestärkung für die teilnehmenden Familien, an ihren Idealen festzuhalten und sie zu erneuern.

Gewaltige Solidaritätsbezeugung für Benedikt XVI.

Aber auch für Papst Benedikt XVI. selbst war dieses Ereignis eine wohltuende Aufmunterung und Bestätigung. Nach der Enthüllungsaffäre und dem Trubel um die gestohlenen Dokumente aus dem Vatikan wirkte die Reise wie Balsam. Bereits bei der Begrüßung auf dem Domplatz am Freitagabend jubelten ihm knapp 60.000 Menschen zu. „Lassen wir den Papst unsere Umarmung spüren! Heiligkeit, wir haben Sie gern!“, so rief der gastgebende Erzbischof des Treffens, der Mailänder Kardinal Angelo Scola, der Menge vor dem Dom zu. Noch freudiger hießen ihn die fast 80.000 Teilnehmer am Jugendtreffen im San-Siro-Stadion (s. Bild) mit ihren „Benedetto“-Sprechchören willkommen. Und während er ins Mailänder Fußballstadion einfuhr, ertönte der Genesis-Hit „Follow You, Follow Me“. Ob beim Konzert mit der 9. Symphonie Beethovens in der Scala, beim Stundengebet im Dom oder bei der Gebetsvigil mit rund 350.000 Teilnehmern, überall schenkten die Menschen dem Papst ungewöhnlich langen Beifall und zeigten ihm unmissverständlich ihre Treue und die Bereitschaft, ihm gerade in dieser Situation den Rücken zu stärken.

Die Botschaft des Papstes

Benedikt XVI. ist als Nachfolger des hl. Petrus unter dem Anspruch angetreten, Glaube und Vernunft miteinander in Einklang zu bringen. Genau darin bestehe die Aufgabe des Christentums, das letztlich die Voraussetzungen für eine Aufklärung des menschlichen Geistes geschaffen habe. Vernunft und Glaube widersprechen einander nicht, so der Papst, sondern sind aufeinander verwiesen. Sie gehen beide aus dem einen göttlichen Logos hervor und ergänzen sich gegenseitig beim Aufstieg des Menschen zu Gott, seinem Ursprung und seinem Ziel. Dieser Ansatz prägt die Verkündigung Benedikts XVI. auf allen Gebieten, auch seine Aussagen über das Thema Ehe und Familie.

Was aber bedeutet Vernunft und Glaube hinsichtlich der christlichen Familie?

Die Vernunft erkennt die Notwendigkeit von Ehe und Familie

Benedikt XVI. stellt klar, dass die Lebensform von Ehe und Familie nicht nur von einer religiösen Überzeugung abhängt. Wer mit seiner Vernunft die Wirklichkeit ehrlich betrachtet, kommt zu dem Schluss, dass Ehe und Familie für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft als Ganzes notwendig sind. Sie sind auf Dauer durch nichts zu ersetzen und bilden für die Entwicklung des Menschen den Rahmen, der am besten den menschlichen Ansprüchen und seinen tiefsten Sehnsüchten entspricht. 

Und so appellierte der Papst im Namen der Vernunft an alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft:

• die staatlichen Gesetze im Naturrecht zu verankern und keine rein positivistische Gesetzgebung zuzulassen, die sich ausschließlich nach Mehrheitsverhältnissen richte, da eine solche keine ethischen Maßstäbe hervorbringen könne;

• die Freiheit des Einzelnen als zentrales Element des politischen Gemeinwesens zu achten und zu gewährleisten, dass jeder seine Vorstellungen vom gemeinsamen Leben im gegenseitigen Respekt für den Anderen und im Rahmen der jeweiligen Gesetze vortragen könne, wobei die Politik dafür sorgen müsse, dass die Freiheit nicht im Sinn der Willkür des Einzelnen, sondern in der Verantwortung für das Gemeinwohl verwirklicht werde;

• die gleiche Würde von Mann und Frau zu verteidigen, aber immer auch die besonderen und sich ergänzenden Eigenschaften von Mann und Frau zu berücksichtigen, weil die beiden einander ein Geschenk sein, sich gegenseitig aufwerten und eine Gemeinschaft der Liebe und des Lebens verwirklichen sollten;

• die Familie, die auf die Ehe von Mann und Frau gegründet ist, angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen als verlässliches Lebensmodell anzuerkennen und zu fördern;

• die Politik an den Bedürfnissen der Familie auszurichten, da sie die Zukunft der Gesellschaft verkörpere;

• in der Welt der Wirtschaft und Arbeit für sichere und familienfreundlichere Beschäftigungsbedingungen zu sorgen, insbesondere die Arbeitzeiten und die Anforderungen der Familie miteinander in Einklang zu bringen;

• anzuerkennen, dass die Familie die „erste und unersetzliche Schule der gesellschaftlichen Tugenden“ sei, die den grundlegenden Wert der Solidarität, der Brüderlichkeit und des Friedens vermittle und dazu befähige, nicht den Egoismus, sondern die Hingabe in den Mittelpunkt zu stellen;

• sich für arbeitsfreie Sonntage als Oase der Besinnung und des Zusammenseins der Familie einzusetzen;

• das Fundament von Ehe und Familie nicht durch die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare auszuhöhlen.

Der Glaube formt die Familie zu einer „Hauskirche“

Für einen gläubigen Menschen geht die Bedeutung von Ehe und Familie weit über das hinaus, was mit der Vernunft erkennbar ist. Benedikt XVI. lud die christlichen Familien ein, ihre Berufung im Licht der Offenbarung zu betrachten, und gab ihnen konkrete Ratschläge mit an die Hand:

• den Plan Gottes in Bezug auf die menschliche Partnerschaft verstehen, die Jesus Christus zum Sakrament der Ehe erhoben und zu einem Zeichen seiner treuen und rückhaltlosen Liebe zur Kirche gemacht hat;

• das Geschenk des Ehesakraments bewusst annehmen, in dem euch Jesus Christus mit einer speziellen Gabe des Heiligen Geistes an seiner bräutlichen Liebe teilhaben lässt;

• mit der Kraft, die aus der Gnade des Sakramentes entspringt, jeden Tag gläubig euer „Ja“ erneuern, damit eure Familie von der Liebe Gottes lebt;

• im gemeinsamen Gebet eine ständige Beziehung zu Gott unterhalten und am kirchlichen Leben teilnehmen;

• sich nach dem Vorbild der heiligen Familie von Nazareth ausrichten und im Gebet häufig um die Hilfe der Jungfrau Maria und des heiligen Joseph bitten, damit sie euch lehren, die Liebe Gottes so anzunehmen, wie sie sie angenommen haben;

• am Sonntag, dem Tag der Familie, gemeinsam den Sinn des Festes, der Begegnung, des Miteinander-Teilens und auch der Teilnahme an der heiligen Messe erleben;

• den Sonntag als Tag des Menschen und seiner Werte begehen: gemeinsames Mahl, Freundschaft, Solidarität, Kultur, Kontakt mit der Natur, Spiel, Sport;

• mit Hilfe der göttlichen Gnade die Liebe zueinander und zu allen leben und so ein lebendiges Evangelium, eine wirkliche Hauskirche werden;

• in der Hauskirche wie in einem Biotop den Glauben leben und an die Kinder weitergeben;

• eure nicht leichte Berufung mit der Liebe verwirklichen, die eine wunderbare Realität und die einzige Kraft ist, die den Kosmos, die Welt wirklich verändern kann;

• den Dialog pflegen, den Standpunkt des anderen respektieren, bereit sein zu dienen, geduldig sein mit den Schwächen des anderen, fähig sein zu verzeihen und um Verzeihung zu bitten, eventuelle Konflikte mit Verständigkeit und Demut überwinden, die Richtlinien der Erziehung miteinander abstimmen;

• offen sein für die anderen Familien, aufmerksam gegenüber den Armen und verantwortlich in der zivilen Gesellschaft;

• Familie, Arbeit und Fest als drei Gaben Gottes annehmen und als drei Dimensionen eures Lebens in ein harmonisches Gleichgewicht bringen, d. h. die Arbeitszeiten und die Anforderungen der Familie, den Beruf und das Vater- und Muttersein, die Arbeit und das Fest miteinander in Einklang bringen.

„Ein Wort möchte ich auch den Gläubigen widmen“, so Benedikt XVI., „die zwar die Lehre der Kirche über die Familie teilen, jedoch von schmerzlichen Erfahrungen des Scheiterns und der Trennung gezeichnet sind. Ihr sollt wissen, dass der Papst und die Kirche euch in eurer Not unterstützen. Ich ermutige euch, mit euren Gemeinden verbunden zu bleiben, und wünsche mir zugleich, dass die Diözesen geeignete Initiativen ergreifen, um euch aufzunehmen und Nähe zu vermitteln.“ Schließlich kündigte der Papst das nächste Weltfamilientreffen für 2015 in Philadelphia an.

50. Eucharistischer Weltkongress 2012 in Dublin:

Liturgische Erneuerung

Vom 10. bis 17. Juni 2012 fand in Dublin der 50. Internationale Eucharistische Kongress statt. Nach der Abschlussmesse am Sonntagabend im Croke Park Stadion richtete sich Papst Benedikt XVI. in einer Videobotschaft an die etwa 80.000 Teilnehmer. Zelebriert wurde der Gottesdienst von Kurienkardinal Marc Ouellet, dem kanadischen Präfekten der Bischofskongregation und Papstdelegaten beim Weltkongress in Irland. Unter den mitfeiernden Gästen war auch Irlands Staatspräsident Michael Higgins. In seiner Ansprache hob der Papst die Notwendigkeit einer liturgischen Erneuerung hervor, die den ursprünglichen Anliegen des II. Vatikanischen Konzils tatsächlich  gerecht wird. Nur wenn das Gedächtnis des Kreuzesopfers Christi mit Ehrfurcht und Freude gefeiert werde, könne das Geheimnis der Eucharistie für Kirche und Welt fruchtbar werden. Die Woche über hatten täglich etwa 20.000 Menschen den Kongress besucht. Insgesamt fanden 160 Symposien, Reden, Workshops und Konzerte statt, auf denen 223 eingeladene Geistliche, Experten und Gläubige sprachen. Mit weit über 100.000 Teilnehmern war der Weltkongress für Irland ein großer Segen. Das Thema des Missbrauchs durch Priester ist noch immer präsent. Bereits während der Eröffnungszeremonie wurde ein „Stein der Heilung“ enthüllt, der den Missbrauchsopfern gewidmet ist und nach dem Kongress dauerhaft in Dublin aufgestellt werden soll. Auch der Papst ging auf diese Wunde ein.

Von Papst Benedikt XVI. 

„Communio“ mit Christus und untereinander

Das Thema des Kongresses – Gemeinschaft mit Christus und miteinander – lässt uns über die Kirche als Mysterium der Gemeinschaft mit dem Herrn und mit allen Gliedern seines Leibes nachdenken. Von frühester Zeit an war der Begriff der koinonia oder communio ein Herzstück im Selbstverständnis der Kirche, im Verständnis ihrer Beziehung zu Christus, ihrem Gründer, und der Sakramente, die sie feiert, vor allem der Eucharistie. Durch unsere Taufe sind wir in Christi Tod mit hineingenommen und neu geboren in die große Familie der Geschwister Jesu Christi hinein; durch die Firmung empfangen wir das Siegel des Heiligen Geistes, und indem wir an der Eucharistie teilnehmen, treten wir sichtbar hier auf Erden in Gemeinschaft mit Christus und miteinander. Außerdem empfangen wir das Unterpfand des ewigen Lebens.

Missverständnisse und Missbräuche im liturgischen Bereich

Der Kongress fällt auch in die Zeit, in der die Kirche sich weltweit darauf vorbereitet, das Jahr des Glaubens zu feiern, aus Anlass des 50. Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, eines Ereignisses, das die umfassendste Erneuerung des Römischen Ritus eingeleitet hat, die es je gegeben hat. Auf der Basis eines vertieften Verständnisses der liturgischen Quellen förderte das Konzil eine volle und aktive Teilnahme der Gläubigen am eucharistischen Opfer. Aus dem Abstand unserer heutigen Zeit gegenüber den besonderen Wünschen der Konzilsväter bezüglich der liturgischen Erneuerung und im Licht der weltweiten Erfahrung der Kirche in der Zwischenzeit ist es klar, dass vieles erreicht worden ist. Ebenso offenkundig ist, dass es viele Missverständnisse und Missbräuche im liturgischen Bereich gegeben hat.

Verwechslung „aktiver Beteiligung“ mit äußerer Aktivität

Die Erneuerung der äußeren Formen, die die Konzilsväter gewünscht haben, sollte dem Ziel dienen, leichter den Weg in die innere Höhe des Geheimnisses zu finden. Ihr eigentliches Ziel war, die Menschen in die persönliche Begegnung mit dem anwesenden Herrn und so mit dem lebendigen Gott zu führen, damit durch die Berührung mit der Liebe Christi auch die Liebe seiner Geschwister untereinander wachse. Aber nicht selten ist man bei der Änderung der Formen im Äußeren geblieben und hat „aktive Beteiligung“ mit äußerer Aktivität verwechselt. So bleibt auf dem Weg wirklicher liturgischer Erneuerung noch viel zu tun. In einer veränderten Welt, die immer mehr auf das Materielle fixiert ist, müssen wir die geheimnisvolle Gegenwart des Auferstandenen neu wahrzunehmen lernen, die unser Leben erst weit und groß machen kann.

Eucharistie so würdig und ehrfürchtig wie möglich feiern

Die Eucharistie ist der Gottesdienst der gesamten Kirche, aber sie verlangt auch den vollen Einsatz jedes einzelnen Christen in der Sendung der Kirche; sie enthält einen Aufruf, das heilige Volk Gottes zu sein, aber auch eine Berufung zu individueller Heiligkeit; sie ist mit großer Freude und Einfachheit zu feiern, aber auch so würdig und ehrfürchtig wie möglich; sie lädt uns zur Reue über unsere Sünden ein, aber auch dazu, unseren Brüdern und Schwestern zu vergeben; sie verbindet uns im Heiligen Geist miteinander, aber in demselben Geist trägt sie uns auch auf, die Frohe Botschaft von der Erlösung zu anderen zu bringen.

Kreuzesopfer Christi zur Vergebung der Sünden und für die Verwandlung der Welt

Außerdem ist die Eucharistie das Gedächtnis des Kreuzesopfers Christi – sein Leib und sein Blut, hingegeben im neuen und ewigen Bund zur Vergebung der Sünden und für die Verwandlung der Welt. Irland ist über Jahrhunderte hinweg zutiefst von der Messe geprägt worden, und durch ihre Kraft und Gnade haben Generationen von Mönchen, Märtyrern und Missionaren ihren Glauben in der Heimat heldenhaft gelebt und die Frohe Botschaft von Gottes Liebe und Vergebung weit über euer Land hinaus verbreitet. Ihr seid die Erben einer Kirche, die eine mächtige Kraft für das Gute in der Welt gewesen ist und vielen, vielen anderen eine tiefe und anhaltende Liebe zu Christus und seiner heiligen Mutter vermittelt hat. Eure Vorfahren in der Kirche in Irland verstanden es, in ihrem persönlichen Leben nach Heiligkeit und Treue zu streben, die Freude zu verkünden, die aus dem Evangelium kommt, die Wichtigkeit hervorzuheben, in Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri zur universalen Kirche zu gehören, und eine Liebe zum Glauben und zur christlichen Tugend an andere Generationen weiterzugeben.

Missbrauch offenbart Christsein als bloßes System von Gewohnheiten

Unser katholischer Glaube ist durchdrungen von einem tiefen Empfinden der Gegenwart Gottes, die wir in der Schönheit seiner Schöpfung rings um uns wahrnehmen, und wird durch persönliche Buße und das Bewusstsein der Vergebung Gottes geläutert. Dieser Glaube ist ein Erbe, das sicherlich vervollkommnet und genährt wird, wenn es regelmäßig beim Messopfer auf den Altar des Herrn gelegt wird. Die Dankbarkeit und die Freude über eine so große Geschichte des Glaubens und der Liebe ist in jüngster Zeit auf eine erschreckende Weise getrübt worden durch die Offenlegung von Sünden, die Priester und gottgeweihte Personen Menschen gegenüber begangen haben, die ihnen anvertraut waren. Anstatt ihnen Wegweiser zu Christus, zu Gott zu sein und Zeugen seiner Güte, haben sie Menschen missbraucht und die Botschaft der Kirche unglaubwürdig gemacht. Wie sollen wir es uns erklären, dass Personen, die regelmäßig den Leib des Herrn empfingen und im Bußsakrament ihre Sünden anklagten, auf solche Weise gefehlt haben? Es bleibt ein Geheimnis. Aber offensichtlich war ihr Christsein nicht mehr erfüllt von der freudigen Berührung mit Jesus Christus, sondern nur ein System von Gewohnheiten.

Nächster Internationaler Eucharistischer Kongress 2016 in Cebu/Philippinen

Diese Art von Christentum zu überwinden und den Glauben wieder als tiefe persönliche Freundschaft mit der Güte Jesu Christi zu leben, ist der eigentliche Auftrag des Konzils. Der Eucharistische Kongress dient diesem Auftrag. Wir wollen hier dem auferstandenen Herrn begegnen. Wir bitten ihn, dass er uns in der Tiefe anrührt. Er, der an Ostern die Jünger angehaucht und ihnen so seinen Geist mitgeteilt hat, möge auch uns seinen Atem, die Kraft des Heiligen Geistes schenken und uns so helfen, wirklich Zeugen seiner Liebe, Zeugen der Wahrheit zu werden. Seine Wahrheit ist die Liebe. Die Liebe Christi ist die Wahrheit.

Meine lieben Brüder und Schwestern, ich bete, dass der Kongress für jeden von euch eine geistlich fruchtbare Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus und seiner Kirche wird. Zugleich möchte ich euch einladen, mit mir um Gottes Segen für den nächsten Internationalen Eucharistischen Kongress zu beten, der 2016 in Cebu stattfinden wird! Dem Volk der Philippinen sende ich herzliche Grüße und versichere sie meiner Nähe im Gebet während der Vorbereitungszeit für diese große kirchliche Versammlung. Ich bin zuversichtlich, dass der Kongress eine nachhaltige geistliche Erneuerung nicht nur für sie, sondern für alle Teilnehmer aus der ganzen Welt bringen wird. Inzwischen empfehle ich alle Besucher des gegenwärtigen Kongresses dem liebevollen Schutz Marias, der Mutter Gottes, und der Fürsprache des heiligen Patrick, des großen Patrons Irlands, und erteile als Unterpfand der Freude und des Friedens im Herrn gerne den Apostolischen Segen.

Passion für die Priester

Im Mai dieses Jahres erschien ein neues Buch über die Französin Marthe Robin,[1] einer großen Mystikerin des 20. Jahrhunderts. Sie lebte von 1902 bis zu ihrem Tod 1981 in Châteauneuf, einem kleinen südwestfranzösischen Dorf. Seit ihrem 18. Lebensjahr war sie durch eine schwere Krankheit ans Bett gefesselt. 30 Jahre lang erlebte sie Freitag für Freitag die Passion Jesu. Ihre tiefe Spiritualität, verbunden mit humorvoller Nüchternheit und Bodenständigkeit, zog die Leute mit der Zeit in Scharen an. Insgesamt waren es über 100.000 Menschen, auch zahlreiche Priester und Bischöfe, die zu ihr kamen, um Rat, Trost und Hilfe zu erfahren. An der Begräbnismesse am 12. Februar 1981 nahmen etwa 7000 Menschen teil, darunter vier Bischöfe und mehr als 200 Priester. Marthe Robin fühlte sich besonders dazu berufen, ihre Leiden für die Priester aufzuopfern. Zusammen mit Pater Finet gründete sie die „Foyers de Charité“, ein weltweites Werk der Evangelisierung. Zu dem außerordentlichen Buch von Theresia Westerhorstmann schrieb Paul Josef Kardinal Cordes ein Vorwort.

Von Paul Josef Kardinal Cordes

Neuevangelisierung ist eine Art Leitwort, das Männer und Frauen in unseren Tagen für ihren Dienst in der Kirche gewählt haben. Unser Heiliger Vater Benedikt XVI. hat der ausgedrückten pastoralen Dringlichkeit wegen gar eine neue vatikanische Abteilung unter diesem Titel gestiftet. Was liegt da näher, als nach Personen Ausschau zu halten, die sich aus Gottes Gnade ohne Abstriche der aufgezeigten Notwendigkeit verschrieben haben. Eine von ihnen ist die Französin Marthe Robin.

Ich war selbst auf ihren Spuren, als ich 1986 – fünf Jahre nach ihrem Tod – im Auftrag von Papst Johannes Paul II. die frohe Nachricht der ersten päpstlichen Anerkennung der „Foyers de Charitè“ nach Cháteauneuf bringen durfte. Seit dieser Zeit weiß ich um die große Bedeutung von Marthe für die Kirche unseres Nachbarlandes. Erstaunlich viele Menschen, darunter eine große Zahl von Priestern und Bischöfen, besuchten sie und ließen sich durch sie zur Vitalisierung ihres Apostolats anregen. Sie tat es von ihrem Krankenlager aus, zu dem sie wohl fünfzig Jahre gezwungen war, mit praktischem Sinn und in spontaner Natürlichkeit – wie ein Bekannter von mir bezeugte. Diese französische Mystikerin hat durch ihr Leben, ihr Leiden und ihre weisen Ratschläge der Kirche im 20. Jahrhundert kraftvolle Impulse gegeben. Das gelingt denen, die sich aus der Intimität mit Jesus senden lassen.

Marthes geistliches Engagement dachte nicht zuletzt an die Priester. Ihnen galt ihre „glühende Fürbitte“. So kann der Blick auf sie besonders die Würde und den Sinn des Priestertums neu aufschließen. Dies Büchlein kann sie ermutigen, sich wieder ihrer je besonderen Berufung zu freuen und als seine Boten Gottes Hoffnung zu wecken – gegen alle moderne Skepsis.

Die Kranke von Cháteauneuf ist ein Spiegel für Gottes Macht, der in und durch die Schwächsten wunderbar und wirkungsvoll handelt. Sie lädt die Christen ein, im Kampf des Alltags und unter der Last eines Kreuzes die Gemeinschaft mit dem zu suchen, der in seiner Auferstehung die Sünde und ihre Folgen ein für alle Mal besiegt hat.

Ich wünsche, dass durch dieses Buch Katholiken und Suchende auch des deutschsprachigen Raumes die wunderbare Marthe Robin entdecken.


[1] Theresia Westerhorstmann: Passion für die Priester. Die besondere Sendung der Marthe Robin. Mit einem Vorwort von Paul Josef Kardinal Cordes. Heiligenkreuz 2012, 20x12 cm, 232 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-902694-38-6, Euro 9,80. Direkte Bestellung unter Tel. 0043-2258-8703-400 oder mit E-Mail: bestellung@bebeverlag.at

Die Heilige Messe lateinisch-deutsch

Ein stilvoll gestaltetes Büchlein bietet den Gläubigen die Antworten der hl. Messe in lateinischer Sprache an.[1] Es handelt sich um den erneuerten Messritus, der von Papst Benedikt XVI. nun als die „ordentliche Form“ des römischen Ritus bestimmt worden ist, während er den traditionellen Ritus als „außerordentliche Form“ bezeichnet. Auf der linken Seite sind jeweils die lateinischen Texte gesetzt, auf der rechten Seite die deutsche Übersetzung. Außerdem sind die einzelnen Verse mit Choralnoten versehen. Im Anhang findet sich u. a. die „Missa de Angelis“. Das Büchlein möchte auch dazu dienen, den Gregorianischen Choral zu pflegen. Nachfolgend das Vorwort von Pater Dr. Karl Wallner aus dem Kloster Heiligenkreuz.

Von Karl Wallner OCist

Das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) wünscht ausdrücklich, dass die Gläubigen die ihnen zukommenden Teile der Messe auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können: Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ Nr. 54. Der vorliegende Übersetzungsbehelf, der nach dem Messbuch Pauls VI. erstellt wurde, möchte diesem Auftrag des Konzils gerecht werden. Er möchte die Gläubigen ermuntern, an der heiligen Liturgie inniger teilzunehmen, indem er das Mitbeten in der altehrwürdigen lateinischen Liturgiesprache erleichtert. Die kursiv gesetzten Erklärungen, Anmerkungen und Rubriken wurden alle-samt dem Deutschen Messbuch, der Allgemeinen Einführung in das Messbuch, der Liturgiekonstitution oder dem Codex Iuris Canonici 1983 entnommen.

Das 2. Vatikanische Konzil lehrt über das Wesen der Messfeier: „Unser Erlöser hat beim Letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.

So richtet die Kirche ihre ganze Sorge darauf, dass die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewusst, fromm und tätig mitfeiern, sich durch das Wort Gottes formen lassen, am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden. Sie sollen Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm und dadurch sich selber darbringen lernen. So sollen sie durch Christus, den Mittler, von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei“ (Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ Nr. 47f.).


[1] Die Heilige Messe lateinisch-deutsch. Der Messritus der  katholischen Kirche. Be&Be Verlag, Heiligenkreuz 2012, 15x 21 cm, 103 S., kart., 1-19 Stück: je 5,90 Euro, 20-49 Stück: je 4,90 Euro, 50-unendlich: je 3,90 Euro, ISBN 978-3-902694-33-1. Direkte Bestellung unter: bestellung@bebeverlag.at oder Tel. 0043-2258-8703-400.

Maria – Miterlöserin

Im Rahmen des „Kirche heute“ Frühjahrsforums hielt Prof. Dr. Dr. Anton Ziegenaus (geb. 1936) am 28. April 2012 in Marienfried bei Pfaffenhofen a. d. Roth den Eröffnungsvortrag unter dem Thema „Die Miterlöserschaft Mariens ausgewiesen am Beispiel Fatimas“. Obwohl die Tagung der „Mittlerschaft Mariens“ gewidmet war, wählte der über Deutschland hinaus bekannte Dogmatiker bewusst die Bezeichnung „Miterlöserschaft“. Er erklärte, dass sich die Mittlerschaft Mariens in der Ordnung der Gnade, wie es das Zweite Vatikanische Konzil ausgedrückt hat, eben in ihrer Miterlöserschaft vollziehe und erschließe. Dabei unterstrich Prof. Ziegenaus, dass in dieser Teilhabe Mariens am Werk der Erlösung die Berufung aller Christen aufscheine. Zwar habe die Miterlöserschaft Mariens einzigartigen und universalen Charakter, doch seien alle Christen in das Erlösungswerk Christi einbezogen. Die Aufgabe der ganzen Kirche sei es, an der Rettung der Welt mitzuwirken und damit eine aktive Rolle der Miterlösung zu spielen. Prof. Ziegenaus zeigte dies in einem umfassenden Sinn am Beispiel Fatimas auf.

Von Anton Ziegenaus

I. Die bleibende Sendung Mariens

„Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Die Bestätigung dieser Feststellung des Evangelisten Johannes zeigte sich an der Verwerfung Jesu durch seine Kreuzigung und am feigen Davonlaufen seiner Jünger nach der Gefangennahme. Das Kommen des ewigen Wortes, des Schöpfers, in sein Eigentum ist nicht nur eine Schande für den Menschen – denn „ein Ochs kennt seinen Besitzer, ein Esel die Krippe seines Herrn, Israel aber hat keine Erkenntnis…, keinen Verstand“ (Is 1,3) –, sondern auch ein Gottes unwürdiger Empfang.

Doch eine Gestalt hat das Ja zu diesem Kommen gesagt, die bereit war, „Magd des Herrn“ zu werden (Lk 1,38). Sie wurde von Gott vorbereitet, dem Sohn Gottes, eine „würdige Wohnstatt“ zu bieten, wie es das Tagesgebet am Fest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter heißt. Damit hat Maria die Geburt des Erlösers aller Menschen und damit die Erfüllung einer tiefen, von ihnen selbst vielleicht nicht klar empfundenen Sehnsucht ermöglicht. Sie sprach ihr Ja im Namen der Menschheit. Maria ist, in Unterordnung und Zuordnung zu ihrem Sohn, gerade durch ihr Fiat bei der Menschwerdung[1] Miterlöserin.

Während normalerweise ein Mensch mehrere Aufgaben erfüllen bzw. mehrere Berufe ergreifen kann, waren bei Maria – darin ist sich die Mariologie einig[2] – Person und Sendung identisch; man spricht von der personalen Prägung oder vom „Charakter“ Mariens. Sie war im Blick auf die Menschwerdung des Sohnes bestimmt und berufen.

Wenn es nun zu Mariens personaler Prägung gehört, Mutter Gottes, Mutter des Erlösers zu sein, dann wird sie diese Aufgabe auch nach der Geburt Jesu in Bethlehem und auch nach ihrem Tod im Himmel weiterführen. Es gehört also zur bleibenden Berufung Mariens, der Menschheit jungfräulich-mütterlich den Erlöser zu bringen.

Der Erlöser hat sein Werk durch das Leiden am Kreuz „vollbracht“ (Joh 19,30), aber es wäre unstatthaft, wollte man die Erlösung auf das Kreuzesleiden einengen; dies geschieht öfter in der reformatorischen Theologie, die vor allem auf der Kreuzestheologie des Apostels Paulus aufbaut. Die Erlösung beginnt schon mit der Inkarnation, in der Gott und Mensch eine innige und bleibende Verbindung eingehen, und umfasst alles, was im Evangelium beschrieben wird. Das irdische Leben und Wirken Jesu ist keine bloße Vorstufe oder Voraussetzung zur Erlösung am Kreuz. Der eine Ratschluss Gottes zur Erlösung beginnt mit dem Sein beim Vater und endet mit der Heimbringung der Welt zu ihm und in diesem Ratschluss hat Maria einen festen Platz. Maria ist dabei nicht rein passiv beteiligt. Mutterschaft verlangt Aktivität. Deshalb war ihr mütterliches Mitwirken auch miterlösend, ganz abgesehen davon, dass sie beim Kreuz stand (Joh 19,25) und ihre Seele von einem „Schwert durchdrungen“ (Lk 2,35) wurde.

II. Vom Sinn der Marienerscheinungen

Die Marienerscheinungen gehören in der Theologie zu den sog. Privatoffenbarungen, d. h. sie bringen keine neue, über die durch Jesus Christus geschehene Offenbarung hinausgehende, zusätzliche Glaubenslehre, sondern wollen das schon bekannte Glaubensgut, das vielleicht in den Zeitströmungen vergessen oder verschüttet worden ist, wieder ins Bewusstsein rufen.

Dieser Sendung sind in der Geschichte der Kirche auch andere Heilige nachgekommen. Z. B. hat in einer Zeit, wo die Repräsentanten der Kirche reich und mächtig waren, ein Franz von Assisi das Ideal der Armut in Erinnerung gebracht und ein hl. Dominikus stellte dem Vorgehen gegen Häretiker mit Waffengewalt den Wert und die Notwendigkeit der Predigt, der Überzeugung durch das Wort, entgegen. Ähnlich haben Teresa von Avila oder Mutter Teresa vom Evangelium her notwendige Akzente gesetzt. Aber diese Heiligen hatten nur einen begrenzten Auftrag in der Kirche und für sie. Die Kirche hatte auch vor ihrem Dasein existiert. Maria aber hat einen universalen Auftrag in der Heilsgeschichte als Mutter Christi und Mutter der Kirche.

Wegen ihres universalen Sendungsauftrags für Kirche und Welt überschreiten einige neuzeitliche Marienerscheinungen (z. B. Guadalupe, Lourdes, Fatima) bei weitem den Rahmen einer Privatoffenbarung, die sich an einzelne Personen oder Gruppen wendet, obwohl auch weiterhin die Zu- und Unterordnung zur revelatio publica, zur offiziellen Offenbarung, besteht. Bei den Erscheinungen erfüllt Maria ihre personale Sendung, der Welt den Erlöser nahe zu bringen, in geschichtlich kategorialer Weise – einmal, weil sie nicht auf innerlichem gnadenhaften Weg auf die Menschen einwirkt, sondern in sichtbarer Weise, selbst wenn diese Erscheinung nur einigen Sehern wahrnehmbar wird, und dann, weil die Erscheinung einer konkreten Kirche in einer bestimmten, oft spirituell defizitären Lage gilt.

Diese Kirche lebt aber in der Endzeit, d. h. sie weist auf Christus zurück und hebt sein Gewicht und seinen universalen Anspruch ins Bewusstsein, weist aber ebenso auf den kommenden Christus hin als ein die Geschichte abschließendes Endereignis. „Von diesem zeitlichen Index her haben solche Erscheinungen ihren besonderen eschatologischen Zug und ihren endzeitlichen Drang. Sie sind stets Zeichen der Hoffnung auf die Vollendung, aber auch Signale der Verheißung, freilich ebenso des Gerichtes.“[3] Von diesem kategorialen Einwirken der Mutter Christi und der Kirche in der Endzeit aufgrund ihrer bleibenden personalen Berufung sei nun im Folgenden am Beispiel Fatima gehandelt.

III. Eschatologisch-bedeutsame Impulse der Erscheinung der Königin des Rosenkranzes

Bevor mittlerische Momente der Marienerscheinungen von Fatima erörtert werden, muss der Umfang von Fatima geklärt werden: Man kann dabei nur im engen Sinn an die Erscheinungen und die Ereignisse vom 13. Mai bis 13. Oktober 1917 denken. „Fatima“ ist jedoch – im weiten Sinn verstanden – umfangreicher: Es umfasst die Engelserscheinungen ab 1915, die Ereignisse von 1917 und die Geschehnisse von Pontevedra und Tuy. Diese weite Betrachtung lässt hinter „Fatima“ eine Strategie, einen Plan des Himmels erkennen.

Als Literatur dazu dürfen nicht nur die ab 1935 erschienenen Erinnerungen Lucias, die Memórias da Irmã Lúcias (deutsch: Schwester Lucia spricht über Fatima) dienen, sondern müssen auch die 13 Bände der Crítica Documentação herangezogen werden, die seit 1992 vom Santuario de Fátima herausgegeben wurden. Sie enthalten die Aufzeichnungen über die Aussagen der Seherkinder kurz nach den Erscheinungen im Jahr 1917, Dokumente über den Untersuchungsprozess zur Prüfung der Echtheit, Baupläne, Wallfahrtsberichte, Angabe über Einnahmen und Ausgaben, Briefe über Ereignisse wie Heilungen, Gebetsbitten, Berichte der Zeitungen im Pro und Contra Fatima, usw.

In seinem Geleitwort z. Bd. IV 2 der kritischen Dokumentation bekennt sich auch Bischof António Marto zur weiten Sicht von „Fatima“: „Die Erscheinungen der Jungfrau Maria in Fatima waren vorbereitet durch die Erscheinungen des Engels im Jahr 1916; sie fanden ihre Mitte in der Botschaft an die drei Seher von Mai bis Oktober 1917; ihnen folgten die späteren Erscheinungen und Visionen der Seherin Lucia in den Jahren 1925 und 1929, die ergänzenden und auslegenden Charakter haben.“

Um das mittlerische Einwirken Marias in „Fatima“ (im weiten Sinn verstanden) richtig einschätzen zu können, muss der Ausgangspunkt, d. h. die politisch-religiöse Lage von 1917, ins Auge gefasst werden. 1909 wurde die Monarchie abgeschafft und der König im nächsten Jahr umgebracht. 1911 trat das Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche in Kraft. Es bedeutete nicht nur eine Neutralität des Staates in religiösen Fragen (z. B. schulischer Religionsunterricht), sondern eine Gegnerschaft der von Freimaurern geführten Regierung zur Kirche. Diese durfte nur in ihren Räumen wirken, aber nicht im Freien. Z. B. wurden die Gottesdienste auf der Cova da Iria unter Berufung auf dieses Gesetz verboten, nur hatte die Regierung weder die Kraft noch den Mut, gegen die Zehntausenden von Wallfahrern das Gesetz mit Gewalt durchzusetzen. Der Kardinal-Patriarch D. António Mendes Belo war verbannt. Die Bischöfe Portugals waren reserviert in Bezug auf die Erscheinungen und den Kult der Nossa Senhora de Fátima.[4] Die Kirche wurde geradezu als rechtlos betrachtet. Dies zeigte sich an der Profanierung der Kirche Santas Joana in Lissabon. Ihre wertvollen Kunstgegenstände wurden versteigert. Die Kirche, so wurde seitens der Liberalen behauptet, werde nicht mehr gebraucht.[5] 

Die eschatologische Frage um das Endziel des Menschen steht schon im Focus der ersten Erscheinung am 13. Mai 1917: „Woher kommen Sie“, fragte Lucia. – „Ich bin vom Himmel.“ In den Kindern war eine Sehnsucht erwacht: „Komme ich auch in den Himmel? Und Jacinta? Und Francisco?“ Und Lucia erinnerte sich an zwei verstorbene Freundinnen: „Ist Maria das Neves schon im Himmel?“ – „Jawohl.“ – „Und Amelia?“ – „Sie bleibt bis zum Ende der Welt im Fegfeuer.“ Dann kommt die ernste Frage: „Wollt ihr euch Gott darbieten, um alle Leiden zu ertragen, die er euch schicken wird, zur Sühne für alle Sünden, durch die er beleidigt wird und als Bitte für die Bekehrung der Sünder?“ – „Ja, wir wollen es!“ Am 13. Juni bringt Lucia die Himmelssehnsucht klar zum Ausdruck: „Ich möchte Sie bitten, uns in den Himmel mitzunehmen.“ Aber nicht nur die Sehnsucht wird angesprochen, sondern auch die schreckliche Folge der Sünde, die Verdammnis. Die Seherkinder schauen am 13. Juli die Hölle. Ziel dieser Vision ist nicht die Verbreitung von Angst, wie oft beargwöhnt wird, sondern die Vermeidung der Gefahr und die Rettung vor ihr: „Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten…“ Maria kündet dann die Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen an. Hinter der Höllenbotschaft steht also ein erlöserisches Motiv.

Die Botschaft von Fatima zielt also scharf auf die jenseitige Bestimmung der Menschen, den Himmel, und warnt energisch vor dem Verfehlen dieses Zieles. Auch die Dauer des Fegfeuers – bis zum Jüngsten Tag für Amelia – überrascht.

Für den säkularisierten Mainstream von heute, das den „Himmel“ für eine Selbstverständlichkeit und „Verdammnis“ für ein leeres Drohmittel hält, wo schon beim Requiem heiliggesprochen wird, ist diese Botschaft von Fatima eine Erinnerung, biblische Daten nicht zu verdrängen. Auf alle Fälle: Die Bibel redet von Himmel und Hölle und die „Privatoffenbarung“ will diese Wahrheit erneut ins Bewusstsein bringen.

Ebenso wird der Gläubige zu Gebet und Opfer gemahnt, damit die Menschen dieses ihr Ziel nicht verfehlen. Am 13. Juli wird den Kindern auch das Jesusgebet gelehrt. Das Gebet um Bewahrung vor dem „Feuer der Hölle“ ist kein überflüssiges Gebet. „Viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet“ (13. August). Christliche Liebe zeigt sich nicht darin, die Gefahr der Hölle zu leugnen, sondern im Beten und Opfern, damit diese Möglichkeit nicht wirklich wird. Die Seher waren von der Wirklichkeit des Himmels und von der Hoffnung darauf zutiefst erfüllt. So war das Verhalten der Kinder im Gefängnis von Qurem erstaunlich, wo man aus ihnen das Geheimnis herauspressen wollte. Sie hatten keine Angst. Das sagte Lucia von sich.[6] Und Francisco sagte während des Verhörs Jacintas: „Wenn sie uns umbringen, sind wir bald im Himmel.“[7] Er betet, dass Jacinta keine Angst bekommt.

Die Höllenvision löste bei den Kindern nicht eine Angst aus, sondern einen außergewöhnlichen Opferwillen. Dabei war ihnen klar, dass die Liebe entscheidend ist. „Opfert euch auf für die Sünder und sagt oft, besonders wenn ihr ein Opfer bringt: Jesus, das tue ich aus Liebe zu Dir, für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne gegen das Unbefleckte Herz Mariä“ (13. Juli). Der Opfergeist entsprang dem Willen zur Sühne; diese hat aber nur einen Sinn, wenn es Sünde und Hölle gibt.

Jacintas, der jüngsten Seherin, Opferkraft war bewundernswert. Lucia schreibt dazu:[8] „Lasst uns unser Mittagsbrot jenen Armen (= bettelnden Kindern) geben für die Bekehrung der Sünder… Sobald wir sie sahen, lief Jacinta hin und übergab ihnen unser ganzes Mittagsbrot für den Tag, und zwar mit solcher Freude, als ob es ihr nicht fehlen würde. Unsere Nahrung bestand dann an diesen Tagen aus Tannenzapfen, Wurzeln, Glockenblumen … Brombeeren, Pilzen… Jacinta schien unersättlich im Opferbringen zu sein.“ Noch viele Beispiele vom Opfermut der Kinder ließen sich anführen. Sie, Jacinta und Francisco, zeigen große Geduld und Ergebenheit bei ihrem frühen Tod, in Erwartung des versprochenen Himmels.

In geschichtlich-kategorialer Zeit haben die Seherkinder an der Gottesmutter die Herrlichkeit des zukünftigen Lebens, die Schrecklichkeit des Scheiterns und die Berufung jedes Christen zur Miterlösung erfahren.

Diese Erfahrung strahlte von den 7- bis 10-jährigen Seherkindern auf ganz Portugal aus. Höhepunkt der Erscheinungen war der 13. Oktober 1917, für den im Juli ein „Wunder“ versprochen wurde, „damit alle glauben“. Um dieses zu erleben, kamen trotz garstigen Wetters 50.000 bis 80.000 Menschen aus der Umgebung auf die Cova da Iria. Sie erlebten das sog. Sonnenwunder, nämlich eine Sonne, die in eiernder Kreisbewegung und verschiedenen Farbvariationen sich auf die Erde zubewegte. Von den Reaktionen der Menschen, die sich die Hand vor die Augen hielten, sich hinknieten, Reue und Leid erweckten und beteten, besitzen wir fotografische Aufnahmen. Dieses Sonnenwunder, von dem die Astronomie nichts merkte, das aber die Teilnehmer auf der Cova da Iria erlebt haben, bildete nun den Kern der Auseinandersetzungen zwischen den Katholiken, die als leichtgläubig und dumm hingestellt wurden, und den wissenschaftsgläubigen, rationalistischen Freimaurern, die es für unmöglich hielten, dass die Sonne ihren Platz verlassen habe. Die Freimaurer konnten hinter den Erscheinungen nur Machenschaften der Kirche, vor allem der Jesuiten, vermuten. Es trug nicht unerheblich zum religiösen Wissen bei, dass die Diskussionen über Wunder und Erscheinungen in den Tageszeitungen geführt wurden.

Wie wirkte sich nun das eschatologische und heilsverantwortliche Verhalten der Kinder auf das breite Volk aus? Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass das liberalistische Portugal eine religiöse Auferstehung erlebte. Wer den Kampf der Freimaurer gegen die katholische Kirche bedenkt – hier seien nur der Einsatz der Nationalgarde oder der Dynamitanschlag gegen die Kapelle erwähnt –, wird verwundert fragen, wie es dazu kam, dass 1928/29 schon Familienangehörige der Regierungsmitglieder auf der Cova da Iria erschienen sind.

Die Antwort kann nur lauten: Die Strategie des Himmels hat alle politischen Gegenaktionen ausgespielt. Manche Versuche der Regierung wirkten blamabel und gaben sie der Lächerlichkeit preis, etwa wenn die Soldaten der Nationalgarde, die selbst nicht ideologisch auf der Seite der Freimaurer standen, sondern auf der des einfachen Volkes, Wallfahrer auf ihren Autos mitgenommen haben. Wer zahlt das Benzin dafür, wurde kleinkrämerisch im Parlament gefragt. Wer diesen Umschwung und die politische Entwicklung nüchtern bedenkt, kann nur dem Urteil von Kardinal Cevejeira von Lissabon zustimmen: „Nicht die Kirche hat Fatima in der Welt durchgesetzt, sondern es ist Fatima selbst, das sich der Welt eingeprägt hat.“ Er drückt damit genau das aus, was ich die Strategie des Himmels nenne oder der Nossa Senhora de Fátima.

Doch Gott braucht Menschen, oder besser: er will Menschen in Anspruch nehmen, die sich brauchen lassen. Da ist als erste Maria zu nennen, die Magd des Herrn. Sicherlich dann auch die Seherkinder von Fatima, die die Berufung der Getauften zur Heiligkeit vorbildlich gelebt haben. Als weiterer Kreis sind die vielen Wallfahrer zu nennen, die die eschatologische Pilgerschaft des Menschen zu Gott unter großer Opferbereitschaft verwirklicht haben.

Wer in den Dokumentationen die Berichte von den Wallfahrten liest, kommt zu dem Eindruck, dass sie frohe Glaubensdemonstrationen waren. Die hohe Teilnehmerzahl wirkte verständlicherweise ansteckend: Zum fünften Jubiläum kamen am 13. Oktober 1922 ca. 40.000 Pilger zur Cova da Iria.[9] Die Zeitung A Epoca nennt für den 13. Oktober 1924 120.000 Teilnehmer.[10] Nicht nur alle Schichten des Volkes, wie Ärzte, Anwälte, Arbeiter oder Bauern, nehmen teil, sondern auch Gelähmte, Blinde, Taube, Krüppel, also Leute, die transportiert und versorgt werden müssen. Sie gingen nach Fatima trotz des Verbots und mancher Schikanen seitens der Regierung. Von einem Pilger mit 91 Jahren wird berichtet, der nicht sterben wollte, ohne Fatima erlebt zu haben.[11] 

Die Wallfahrten hatten zweifellos beglückende Seiten, etwa die nächtlichen Wanderungen, das Beten und Singen beim Morgengrauen, die Freundlichkeit der Leute, das Gemeinschaftserlebnis der politisch unterdrückten Katholiken (IV,4, DOC. 814: „Innerhalb des Bezirks Cova da Iria gibt es keine sozialen Klassen, keine Kategorien, es gibt Andächtige, es gibt Gläubige“). Und – angesichts der Hunderttausenden von Pilgern – das Bewusstsein, die Mehrheit zu sein, die Hilfsbereitschaft der Pfadfinder und der Servas de Nossa Senhora do Rosario, aber man darf nicht die Beschwerden einer solchen Wallfahrt vergessen: Anfänglich waren es Fußpilger; sie brachen – wenn aus der Nähe kommend – vor Mitternacht auf, hatten etwa in Leiria eine hl. Messe mit Kommunion (Nüchternheitsgebot!), kamen dann am frühen Vormittag auf die Cova da Iria, hörten Predigten, empfingen die Sakramente der Beichte und Kommunion (wenn nicht schon früher) und machten sich nachmittags auf den Heimweg – ohne Nachtruhe. Kamen die Pilger von weither („alle Provinzen Portugals“ wird ausdrücklich hervorgehoben), übernachteten sie im Freien oder beteten in der Kirche bei ausgesetztem Allerheiligsten. Oft haben die Pfarreien mit einem Triduum (mit Beichtgelegenheit) die Wallfahrt eingeleitet. Dabei muss man bedenken, dass die Infrastruktur (Hotels, Restaurants) noch nicht ausgebaut war und sich jeder selbst verpflegen musste. Gebet und Opfer kennzeichneten eine Wallfahrt nach Fatima, aber das Land erlebte eine spirituelle Erneuerung durch diese Wallfahrten, durch die das Gebetsleben und der Sakramentenempfang einen starken Auftrieb erhielten.

Durch Fatima wurde auch die Herz-Mariä-Verehrung gefordert. Dass sie zu Fatima gehört, steht außer Zweifel; doch im engen oder im weiten Sinn? Die Kenner des Bändchens „Schwester Lucia spricht zur Welt“ bringt unter dem 13. Juli folgenden Text: „Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der Armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen begründen. Wenn man tut, was ich euch sage, werden viele gerettet werden, und es wird Friede sein. Der Krieg geht seinem Ende entgegen; wenn man aber nicht aufhört, Gott zu beleidigen, wird unter dem Pontifikat von Pius XI. ein anderer, schlimmerer Krieg beginnen.“ Lucia nennt dann das Nordlicht als Zeichen des Unheils. „Um das zu verhüten, werde ich kommen, um die Weihe Russlands an mein Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen zu fordern. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein: wenn nicht, dann wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Verfolgungen der Kirche heraufbeschwören, die Guten werden gemartert werden und der Heilige Vater wird viel zu leiden haben; verschiedene Nationen werden vernichtet werden; am Ende aber wird mein unbeflecktes Herz triumphieren.“ Dann spricht die Muttergottes von der Weihe Russlands und vom Frieden.

Es ist nicht klar, ob und in welchem Umfang diese Botschaft tatsächlich am 13. Juli ergangen ist, wie Lucia angibt. Es fällt nämlich auf, dass in der kritischen Dokumentation Lucia das Thema der fünf Sühnetage erst Jahre später anspricht, nämlich in einem Brief vom 15.2.1926, in einem in Pontevedra geschriebenen Brief an ihren Beichtvater und geistlichen Führer Peireira Lopes. Lucia schreibt ihm von der Erscheinung des Jesuskindes, von den fünf Samstagen zu Ehren der Nossa Senhora und den fünf Rosenkranzgesätzen, um das Herz Mariens zu erleichtern (o coração da tua Mae do Ceu desgravar). Vor der Kommunion müsse man das Bußsakrament empfangen. An den-selben Adressaten schrieb Lucia schon am 25.10.1925, aber in diesem Brief sind die Sühnesamstage usw. nicht erwähnt (wie auch in dem früheren Schreiben der Dokumentation nicht). Wer die ab 1935 verfassten Memorias Lucias mit den Briefen der Dokumentation vergleicht, muss feststellen, dass in den Memorias klar und konzeptionell von Sühne, Sühnesamstag und Herz Mariä gesprochen wird, in der Dokumentation aber bis zum 15.2.1926 davon kaum die Rede ist. Deshalb darf man annehmen, dass dieses Thema erst vor dem 15.2.1926 aktuell wurde.

Wer so an fünf Samstagen die hl. Kommunion empfängt, den Rosenkranz betet, 15 Minuten Unserer Lieben Frau mit einer Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse Gesellschaft leistet, in der Absicht beichtet, für die Beleidigungen der Allerheiligsten Jungfrau zu sühnen, dem verspricht die Santissmo Virgam, ihm in der Todesstunde beizustehen und alle zur Rettung nötigen Gnaden zu verleihen. Der Bischof hat erlaubt, diese Sühneandacht weiter zu verbreiten. Das sind wirksame Beiträge Mariens, um den Menschen von heute den Erlöser nahezubringen. In Fatima hat die Gottesmutter ihre personale Sendung erneut erfüllt.


[1] Vgl. Anton Ziegenaus, Stellvertretung, ML (= Marienlexikon) VI.
[2] Vgl. L. Scheffczyk, Fundamentalprinzip, ML II, 505ff; A. Ziegenaus, Charakter, ML II, 19ff.
[3] L. Scheffczyk, Die theologischen Grundlagen von Erscheinungen und Prophezeiungen, Leutesdorf 1982, 28.
[4] Vgl. Documentation II, 25.
[5] Vgl. IV 3 (DOC. 486).
[6] Documentação Bd. II, 142.
[7] Schwester Lucia spricht zur Welt, 122.
[8] Ebd., 29.
[9] Vgl. IV 2 (DOC. 197).
[10] Vgl. 3 (DOC. 485).
[11] Vgl. IV 2 (DOC. 423).

Fünf Jahre "Maria Mutter Europas"

Zeichen für das krisengeschüttelte Europa

Die Fünf-Jahres-Feier der Kapelle „Maria Mutter Europas“ in Gnadenweiler bei Beuron am 9. Juni 2012 wurde zu einem eindrucksvollen Zeugnis für das christliche Abendland. P. Notker Hiegl OSB berichtet kurz über das Fest, an dem über 1000 Gläubige teilnahmen. In besonderer Weise geht er auf die engagierte Ansprache des Bundestagsabgeordneten Volker Kauder ein.

Von Notker Hiegl OSB

Natürlich sind fünf Jahre nichts im großen Lauf der Zeit. Dennoch wollte ich durch ein frohes Europa-Fest im Zeichen Mariens das Signal aussenden, dass Europa nicht nur ein krisengeschüttelter Kontinent ist, der unter maroden Staatshaushalten leidet. Trotz dieser äußeren Schwankungen besitzt Europa eine innere „Stabilitas“, welche in den beiden Namen „Jesus und Maria“ begründet ist. Europa ist mehr als eine Euro-Union, es ist eine Werte-Union, eine biblische Wertegemeinschaft. Die Lösung unserer Probleme liegt in der Frohbotschaft der Bibel, im Evangelium von unserem Herrn und Heiland Jesus Christus, geboren aus der Jungfrau Maria. Wir brauchen zur Lebenssinn-Findung nicht den Lotussitz, die Weisheit eines Konfuzius oder eines Dalai Lama, vor allem nicht den Islamismus. Wir brauchen keine fremden Götter, keine „Baals“, in keiner noch so schmeichelnden Form: wir verkünden Christus, den gekreuzigten und am dritten Tag von den Toten auferstandenen Herrn.

Zeugnis für Jesus und Maria

Am Samstag, den 9. Juni 2012, wurde mit einem feierlichen Pontifikalamt der vor genau fünf Jahren erfolgten Weihe der Kapelle „Maria Mutter Europas“ in Gnadenweiler bei Beuron gedacht. Mit großer Begeisterung nahmen über 1000 Gläubige an der Jubiläumsfeier teil, zu der eigens Bischof Peter Bürcher von Reykjavik gekommen war. Außerdem feierten Apostolischer Protonotar Johannes Becker, Mitglied der „Päpstlichen Familie“, Erzabt Tutilo Burger OSB aus der Beuroner Erzabtei St. Martin und weitere zehn Konzelebranten das ergreifende Hochamt mit. Unter ihnen waren Mitbrüder aus dem Benediktinerorden sowie Dekan Christoph Neubrand als Vertreter des Erzbischofs Dr. Robert Zollitsch aus Freiburg. Mitgestaltet wurde die hl. Messe von den Kirchenchören St. Kolumban, Schwenningen, und St. Johannes, Bärenthal, den Johannesschwalben, dem Kinderchor Bärenthal und der Agnus-Dei-Gemeinschaft aus dem Kloster Frauenberg in Bodman. Einen imposanten Eindruck vermittelte der Einzug mit Kreuz und Kirchenfahnen, den Fahnenabordnungen der Vereine, der uniformierten Bärenthaler Musikkapelle, den Bergknappen in ihrer schmucken Uniform aus Thermalbad-Wiesenbad im Erzgebirge, der deutschen Wiedervereinigungs-Partnerschaft mit unserem Dorf Bärenthal, den schönen Trachtenpaaren der Milititscher, meiner Heimatgemeinde in der ehemaligen deutschbevölkerten Batschka im heutigen Serbien.

Bürgermeister Keller: Kulturerbe unserer Heimat

Nach der liturgischen Mess-Eröffnung durch den Bischof von Reykjavik begrüßte Bürgermeister Tobias Keller aus Bärenthal alle Anwesenden, besonders die Ehrengäste, die vielen Abgeordneten des Landtags und des Bundestags sowie die Bürgermeister der Region, die Abordnungen der Euro-Bärenthaler aus Kärnten/Österreich, Elsaß-Lothringen/Frankreich, vom Feldberg/Schwarzwald und von Neu-Bärenthal bei Pforzheim. Er betonte: „Kirchenbauten dieser Art in ihrer Architektur und Stilistik waren und sind zeittypische Wesensbestimmungsmerkmale unserer Heimat. Sie waren und sind vor allem für die Dorfbewohner selbst und insbesondere für die Gläubigen vor Ort gerade auch in unserer hektischen und schnelllebigen Gegenwart symbolhafte Monumente für geschichtliche Kontinuität, für die Nachhaltigkeit christlicher Werte, für eine engagiert gelebte und gestaltete Kapellengemeinde wie auch für die Beständigkeit und das Identitätsverständnis der dörflichen Gemeinschaft überhaupt.“ Er sprach die Hoffnung aus, dass auch künftige Generationen die überzeitliche Bedeutung der Kapelle „Maria Mutter Europas“ erkennen und sie als Glaubens- und Kulturerbe erhalten, pflegen und sie im christlichen Sinn zum Wohl von Gnadenweiler und Bärenthal nutz- und erlebbar machen.

Bundestagsabgeordneter Kauder: Europäische Wertegemeinschaft

Herausragend war die Ansprache des Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder MdB, nach der hl. Kommunion. Ein Lauschen lag über der Gemeinschaft der Gläubigen, als Kauder das Wort ergriff und gänzlich frei eine Rede über unsere christlich-abendländische Tradition hielt. Europa sei eine Wertegemeinschaft – nicht nur eine Geldgemeinschaft. Es sei geprägt durch seine christlich-jüdische Tradition. Dies sei die „entscheidende geistige und kulturelle Grundlage“, denn das Christentum sei, im Gegensatz zu anderen Religionen, hierzulande identitätsstiftend. Wir müssten uns deutlicher für den Gedanken einsetzen, der von dieser Kapelle ausgehe: Es sei unsere Aufgabe, für diejenigen das Wort zu ergreifen, welche selbst nicht sprechen können, weil es für sie den Tod bedeuten würde.

Selbstverständlich gelte die Religionsfreiheit in Deutschland nicht nur für die Christen, auch Muslime dürften ihre Moscheen bauen. „Daher erwarten wir auch, dass Christen in der Türkei unbedrängt Kirchen bauen dürfen“, so Kauder. Ein Land, das diese Freiheit nicht gewährleiste, sei „von Europa noch meilenweit entfernt“. Die Botschaft, die von der Kapelle „Maria Mutter Europas“ ausgehe, laute außerdem, dass es existentiell wichtig sei, den eigenen Glauben frei leben zu dürfen. Dieses Geschenk gelte es zu bewahren und daher müssten „unsere Werte und Überzeugungen“ in die politische Arbeit eingebracht werden. Dies müsse „klar und deutlich“ formuliert werden, auch wenn es – wie neulich – Proteststürme dagegen gäbe.

In der von viel Beifall begleiteten Rede erklärte Kauder der These des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff eine klare Absage, nach der der Islam ein Teil Deutschlands sei. Der Islam präge nicht die deutsche Kultur und sei nicht identifikationsstiftend. Kauder erinnerte an die Verfolgung der Christen in vielen Teilen der Welt und nahm nochmals ganz konkret die Türkei in die Pflicht, innerhalb ihrer Grenzen für Religionsfreiheit zu sorgen. So deutlich formulierte dies noch kaum ein christlicher Politiker in der Öffentlichkeit. Tosender Beifall war der Lohn für seine Ausführungen.

Ein geselliges Beisammensein in einem Großzelt und drei Kleinzelten rundete die Jubiläumsfeier ab. Bei Speis und Trank tauschten die Gläubigen und Festgäste noch viele Erinnerungen aus. Ein wunderschönes katholisches Glaubenszeugnis im Schatten der Kapelle „Maria Mutter Europas“!

Magnificat!

Das Pontifikalamt zum fünfjährigen Jubiläum der Kapelle „Maria Mutter Europas“ bei Beuron feierte nicht zufällig Bischof Peter Bürcher aus Reykjavik (Bild). Er hatte sich im Dezember 2009 der Gebetsgemeinschaft angeschlossen und auch die Kapelle in seinem Pfarreizentrum Maria, der Mutter Europas, geweiht. Nachfolgend seine Predigt in leicht gekürzter Form.

Von Bischof Peter Bürcher, Reykjavik/Island

In tiefer Dankbarkeit sagen wir heute alle mit unserer lieben Gottesmutter Maria, der Mutter Europas: Magnificat! Weil es jetzt wirklich an allen vier Enden Europas eine Kapelle mit dem Titel „Maria, Mutter Europas“ gibt: in Gibraltar, in Beresniki (Russland/Ural), in Reykjavik (Island) und in Mellieħa (Malta); und der Schnittpunkt davon hier in Gnadenweiler bei Beuron.

Bei einer schönen Feier am Samstag, dem 12. Dezember 2009, konnte ich die „Kapelle von Maria, Mutter Europas“ im Pfarreizentrum in Reykjavik, im Hohen Norden, segnen. Damit war der nördlichste Teil eines Kreuzes über Europa geschlagen worden. Auf die Initiative von Pater Notker M. Hiegl wurde ja ein Plan in die Wege geleitet, solche Kapellen in Europa zu weihen, von Ost zu West und Süd nach Nord. Die erste besteht schon seit 1309 in Gibraltar im Westen mit dem Namen: „Schrein Unserer Frau von Europa“. Vor Reykjavik im Norden wurde eine Kapelle in Beresniki am Fuß des Urals, in der östlichsten katholischen Gemeinde Europas, „Maria Mutter Europas“ gewidmet. Dann sollte noch eines dieser gnadenvollen marianischen Heiligtümer im Süden Europas zum Lichte kommen. Wie wunderschön, dass dies in Malta wieder dank des missionarischen Einsatzes von Pater Notker und seinen Freunden, wie besonders Bürgermeister Ströbele möglich wurde! Es war am 18. Mai 2011. So hat jetzt die europäische Gebetsgemeinschaft ein marianisches Kreuz über Europa. Sicher das größte Kreuz aller Zeiten! Welche Gnade! Herzliches Vergelt‘s Gott! Danke Ihnen allen, und ganz besonders Ihnen, lieber Pater Notker. Magnificat!

Diese Heiligtümer sind unter sich auch ein Zeichen der Gebetsverbrüderung zwischen den Menschen in Europa. Sie sollen auch ein Zeichen sein, das Europa umarmt und das Fortbestehen des christlichen Glaubens unterstützen soll, „ein Pol christlicher Neuevangelisierung Europas“, in den Worten von Pater Hiegl OSB. Sie sollen an das christliche Erbe Europas erinnern und die Menschen dazu auffordern, Europa in dem Glauben an den Herrn zu formen.

Papst Benedikt XVI. sagte von der Jungfrau Maria im steirischen Wallfahrtsort Mariazell: „Möge die große Mutter Österreichs und Europas uns allen zu einer tief greifenden Erneuerung des Glaubens und Lebens verhelfen…, sie ist Förderin der Einheit unter allen Menschen.“ Mariazell mache deutlich, was Europa bauen kann, woher es gekommen ist, was seine Identität ist und wodurch es immer wieder es selbst werden kann: durch die Begegnung mit dem Herrn, zu der uns seine Mutter verhilft“. Und dies gilt sicher auch ganz besonders für die Gebetsverbrüderung „Maria, Mutter Europas“. Das Kreuz ist das christliche Zeichen des Lebens und der Hoffnung über den Tod hinaus. Ganz Europa ist ja durch das Kreuz unseres Erlösers kulturell und religiös gekennzeichnet. Und bei dem Kreuz stand Maria (s. Joh 19,25).

Maria, die auch hier steht, hatte das Magnificat für alle Generationen gesungen. Vom hl. Franz von Sales (1567-1622), Bischof von Genf, Kirchenlehrer, haben wir diesen wunderschönen Kommentar des Magnificat bekommen: „,Der Mächtige hat Großes an mir getan!‘ Es ist dem Heiligen Geist eigen, aus dem Herzen alle Lauheit zu verjagen, wenn er es berührt. Er liebt die sofortige Reaktion und ist ein Feind von Aufschüben, von Verzögerungen in der Erfüllung des göttlichen Willens. ,Maria machte sich schnell auf den Weg…‘

Was für Gnaden erfüllten das Haus von Zacharias, als Maria dort eintrat! Wenn schon Abraham so viele Gnaden dafür erhielt, dass er drei Engel in seinem Haus bewirtet hatte, welch ein Segen wird sich über das Haus des Zacharias ergossen haben, in das der Engel des großen Rates eintrat, die wahre Arche des Bundes, der göttliche Prophet, unser Herr eingeschlossen in den Schoß Mariens! Das ganze Haus erfüllte sich mit Freude: das Kind jauchzte, der Vater gewann die Sprache wieder, die Mutter wurde erfüllt vom Heiligen Geist und sprach prophetisch. Als sie sah, dass Unsere Liebe Frau in ihr Haus eintrat, rief sie aus: ,Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?‘ … Maria jedoch war demütig, als sie hörte, was ihre Cousine lobend über sie sagte, und pries Gott für alles. Und sie bekannte, dass sie ihr ganzes Glück Gott verdankte, ,der auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut hat‘, und sie sang dieses schöne und wunderbare Lied ihres Magnificat.“ – Wie müssen auch wir von Freude erfüllt sein, wenn uns dieser göttliche Heiland im Heiligen Sakrament und durch die Gnaden, die er uns schenkt, besucht – in den Worten, die er täglich in unserem Herzen spricht!

Ich schließe mit den hoffnungsvollen Worten von Walter Kardinal Kasper, einem berühmten Verehrer dieser wunderschönen Gnadenweiler Kapelle: „Vor allem ist Maria ,Mutter Europas‘, weil sie die vollkommene Jüngerin ihres Sohnes ist, der das Urbild des neuen Menschen ist. Sie sagt uns Europäern: ‚Was Er euch sagt, das tut!‘ (Joh 2,5). Im Bekenntnis seines Namens wurde Europa geeint und groß. Nur im Bekenntnis zu Jesus Christus kann es seine Einheit wieder finden und Zukunft haben. Die Mutter Jesu will auch die Mutter Europas sein.“

Maria, Mutter Europas, bitte für uns alle und für die ganze Welt!

Warnung vor der Warnung

Seit einem guten Jahr lassen sich unzählige Gläubige auf der ganzen Welt von angeblichen Botschaften in den Bann ziehen, die auch in deutscher Sprache unter der Webseite www.diewarnung.net verbreitet werden. Die vermeintliche „Seherin“ der „Warnung“ ist eine verheiratete Frau und Mutter. Aus Rücksicht auf ihre junge Familie will sie ihre Identität nicht preisgeben, sondern im Verborgenen bleiben. Ihre so genannten Offenbarungen empfängt sie nach eigenen Angaben seit dem 8. November 2010. Am 1. März 2011 begann die Verbreitung der Botschaften auf Englisch, in der Muttersprache der Seherin. Der Internetauftritt auf Deutsch startete am 11. April 2011. Weihbischof Dr. Andreas Laun ist überzeugt, dass die Angelegenheit an sich keine besondere Aufmerksamkeit verdient. Vor allem möchte er durch eine Stellungnahme keine zusätzliche Reklame machen. Doch sieht er eine wachsende pastorale Verantwortung, da sich immer mehr Gläubige durch diese Botschaften von ihren eigentlichen christlichen Aufgaben ablenken lassen. Aus diesem Grund versuchte er sich auf der Grundlage der Informationen, die im Internet zugänglich sind, ein eigenes Bild zu machen. Seinen ersten Eindruck gibt er in einer kurzen Klarstellung wieder.

Von Weihbischof Andreas Laun

Vor Tagen erhielt ich den Anruf eines Mannes mit der Frage, was von der „Warnung“ zu halten sei. Ich antwortete: „Ich kann nichts sagen. Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!“ Auf sein Drängen hin sah ich mir dann die ersten Seiten der „Warnung“ im Internet an.

Was nun den Inhalt betrifft, lautet mein Urteil: „Warnung vor der Warnung!“ Und dies aus folgenden Gründen: Die Frau, die behauptet, diese „Botschaften“ zu erhalten, ist unbekannt und bislang nicht vom Himmel beglaubigt, wie dies z. B. in Fatima durch das Sonnenwunder der Fall war und bei anderen Privatoffenbarungen durch verschiedenartige Zeichen.

Und: Manches in der „Warnung“ entspricht nicht der Lehre der Kirche – wie z. B. die Rede von „den christlichen Kirchen“. Nach katholischer Lehre sind nur die katholische und die orthodoxe Gemeinschaft eine „Kirche“, alle anderen „Kirchen“ sind nur „christliche Gemeinschaften“. – Dass „Gott Vater“ mit den „Hierarchien des Himmels“ die Schlacht von Armageddon schlagen werde, schmeckt nach „Herr der Ringe“ und nicht nach einer Privat-Offenbarung, die die Kirche anerkennen wird! Abstrus ist die Mitteilung Jesu, dass er jetzt mehr, sogar doppelt so schwer leide als im Lauf seiner Passion – derselbe Jesus, von dem die Kirche lehrt, dass er „zur Rechten des Vaters“ sitzt. Lächerlich ist die Botschaft, die „Vorbereitungen“ für das Zweite Kommen Jesu seien „in vollem Gange“ – als ob es sich um einen Feldzug oder eine große Reise handeln würde, die Jesus erst „vorbereiten“ müsste!

Zudem gibt es eine Reihe von „No-na“ Botschaften, also banalen Selbstverständlichkeiten, wie etwa: Wer treu ist, kommt in den Himmel! Oder etwa, dass wir einen freien Willen haben, dass Gott uns auch in schweren Zeiten liebt, dass die Kirche niemals „untergehen“ wird und anderes dieser Art. Lauter „Botschaften“, die ein Katholik längst weiß! Die Verfasserin dieser „Botschaften“ versteht es, in ihren Äußerungen immer wieder Anspielungen an biblische Texte unterzubringen, und bedient sich dabei besonders der Offenbarung des Johannes, die sich besonders gut eignet, Inhalte zu vernebeln und ihnen zugleich ein wenig die Autorität der Heiligen Schrift zu geben.

Natürlich bedient sich „die Warnung“ auch der Angst-Mache! Dass wir Grund haben, besorgt zu sein bezüglich all dessen, was die Zukunft bringen mag, wissen wir aus der Offenbarung. Aber weitgehend genügt es sogar, die täglichen Zeitungen zu lesen – und so weiter.

Das Wahre in diesen „Warnungen“ wissen wir ohnehin, das Andere können wir getrost ignorieren. Also: Warnung vor der Warnung! Sie könnte manche verwirren, sie ablenken von dem, was Gott wirklich von ihnen will, anderen nur „die Zeit stehlen“, die ihnen dann irgendwo fehlt! Im Übrigen: Wenn Gott uns etwas aktuell Wichtiges mitteilen will, hat er Mittel und Wege, es so zu tun, dass wir es auch erfahren ohne Rate- und Versteck-Spiele mit geschickt gelegten „Spuren“. Und zuletzt: Wenn ich wollte, könnte ich solche „Offenbarungen“ jeden Tag auch erfinden!

Zur Diskussion um das Betreuungsgeld

Die Diskussion um das Betreuungsgeld offenbart immer deutlicher die Ideologie, die sich hinter den Verfechtern der Kinderkrippen verbirgt. Ginge es wirklich um das Wohl der Kinder, würde unsere Politik die Erkenntnisse der Soziologie und Psychotherapie ernst nehmen und die familiären Bindungen stärken. Stattdessen wird die derzeitige Diskussion als Kampfplatz verwendet, um die letzten Bastionen der „Familie als Vorgabe Gottes“ zu schleifen. Wie prophetisch erweist sich heute die Stimme von Christa Meves! Alles, was sie seit Jahrzehnten mahnend in die Welt hinausruft, war noch nie so unmittelbarer Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzungen wie heute. Damit stellt die aktuelle Debatte eine grandiose Chance für die Kirche dar, sich mit ihren Wertmaßstäben einzubringen und die Botschaft, wie sie von Christa Meves längst formuliert und begründet worden ist, mit allem Nachdruck zu bezeugen.

Von Christa Meves

Der Tenor, der bei der öffentlichen Diskussion um das Betreuungsgeld angeschlagen wird, entbehrt jeglicher realistischer Vernunft; denn der Unaufgebbarkeit der Familie, dem existenziell notwendigen Wert ihrer Hauptperson, der Mutter, wird bei diesem Kampf um 150 Euro Subvention nicht einmal mehr Rechnung getragen. Respektlosigkeit und Unverschämtheit herrschen vor. Gänzlich instinktlos wird ein gesellschaftliches Vernichtungsprogramm mit offenem Visier erwogen.

Dem klugen Adenauer-Grundgesetz, das den Vorrang der Eltern bei der Kindererziehung festschreibt, wird Hohn gesprochen, indem Kollektiverziehung der Kinder von der Geburt an zum Programm erhoben wird. Nicht allein ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz soll ab 2014 installiert werden, die wackere Hannelore Kraft hat sich bereits mit der Devise, die Krippe vom Säuglingsalter ab zur Pflicht zu machen, zur Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes gehievt. Mit einem Realitätsverlust ohnegleichen wurde dort eine Mehrheit von Eltern mit dem absolut unzutreffenden Argument zur Zustimmung gebracht, nur Kollektiverziehung könne Kinder wirklich bilden, so dass alle zu 75 Prozent Abitur machen könnten! Aber das Gegenteil ist die international wissenschaftlich erhärtete Wahrheit: In jeder Hinsicht, in Bezug auf die seelische Gesundheit, die Leistungsfähigkeit, ja sogar in Bezug auf die Lebenserwartung, ist Familienerziehung – besonders in den ersten Lebensjahren – dem kommunistischen Traum realisierter Gerechtigkeit durch das Kollektiv überlegen.

In der Talkshow von Günther Jauch am Sonntag, dem 3. Juni, mit dem Thema „Betreuungsgeld“ fiel dem CSU-Politiker als Argument gegen einen geifernden SPD-Beschluss (wegen der zu geringen Krippenzahl in Bayern) ein, die Beschleunigung des Krippenausbaus zu versprechen, statt zu entgegnen, dass Bayern bisher bei PISA immer noch das leistungsfähigste Schülerpotential vermelden könnte, eben weil im Alpenvorland offenbar noch eine Vielzahl urwüchsiger Familien mit gesunden Kindern existieren – während in den Stadtstaaten Berlin und Bremen ein niedriges PISA-Niveau einen Ausweis bilde für Konzentrationsmangel und pathologische Unruhe in einer solchen Vielzahl von Schülern, dass ein allgemein niedriger Leistungsstand dabei herauskomme. Eine Vielzahl gleichsinniger Ergebnisse (siehe die Langzeitstudie NICHD in den USA) war in den Industrienationen dominant das Ergebnis der Einbindung der jungen Mütter in die Arbeitswelt. Diese beispiellose Entmutterung rief elend süchtige Gesellschaften hervor; denn „Sucht ist der Ersatz für die veruntreute Mutter“ (Szondi).

Dies kann seit 40 Jahren die Psychotherapie an fast jedem einzelnen Fall bestätigen. Das Weinen des Verlassenseins unserer Babys von der Person, die den Auftrag hat, es zu tränken und zu lieben, lässt sich jetzt sogar mit Teststreifen nachweisen: das dadurch entstehende Stressniveau – in dieser Prägungsphase des sich konstituierenden Gehirns – chronifiziert sich und ruft sogar, außer der intellektuellen Minderung, lebenslänglich physische und psychische Krankheiten hervor.

Die Mutter als Zentrum einer seelisch gesunden Familie auszuhebeln, gleicht der Abschaffung des Urelements zum vollen, auch geistigen Aufblühen des Homo sapiens. Noch nie zuvor hat eine Menschheit je solchem Wahnsinn ihr Ohr geliehen. Das Betreuungsgeld von 150 Euro ist in ihrer lächerlichen Unzulänglichkeit schändliches Hohngelächter aus zynischer Finsternis. Denn die Familie ist eine Vorgabe Gottes.

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