Bischof Voderholzer zum Positionspapier der EKD

Die Heiligkeit der Ehe

Am 19. Juni 2013 hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine so genannte „Orientierungshilfe“ zum Thema Ehe und Familie vorgestellt. Schon seit über zehn Jahren ringt die Evangelische Kirche in Deutschland um die „vollwertige“ Anerkennung „anderer Lebensformen“ neben der Ehe. Diesen Schritt scheint sie nun mit aller Entschiedenheit vollzogen zu haben. Das 160-seitige Positionspapier, das von einer 14-köpfigen Expertenkommission unter der Leitung der ehemaligen SPD-Familienministerin Dr. Christine Bergmann und der Bremer Professorin Dr. Ute Gerhard ausgearbeitet worden war, wurde vom Ratsvorsitzenden der EKD, Dr. Nikolaus Schneider, offiziell bestätigt und der Öffentlichkeit übergeben. Der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer nimmt zum neuen Dokument der EKD Stellung.

Interview mit Bischof Rudolf Voderholzer, Regensburg

Kirche heute: Hochwürdigster Herr Bischof, in den christlichen Glaubensgemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, gibt es kein Lehramt im eigentlichen Sinn. Die neue Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ gilt als offizieller Text des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Wie ernst ist die Publikation zu nehmen? Wie dürfen bzw. müssen wir als katholische Kirche dieses Dokument einordnen?

Bischof Voderholzer: Das sog. „Orientierungspapier“ ist von einem Autorenteam in mehrjähriger Arbeit erstellt worden, ohne dass die Mitgliedskirchen umfassend eingebunden gewesen wären, wie verschiedentlich von deren Seite beklagt worden ist. Andererseits ist der Text vom Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider öffentlich vorgestellt und gutgeheißen worden. Dann aber wieder wird der Text nicht als „Denkschrift“, wie in der Reihe, in der er veröffentlicht wurde, üblich, sondern „nur“ als Orientierungshilfe präsentiert. Das lässt auf gewisse Vorbehalte auf Seiten der EKD selbst schließen: insgesamt also ein etwas verwirrendes Bild, das es nicht leicht macht, den Ernst und die Verbindlichkeit zu bestimmen.

Kirche heute: Das Positionspapier hat erhebliche Irritationen ausgelöst. Ist die Aufregung berechtigt?

Bischof Voderholzer: Die Aufregung ist sehr berechtigt, und zwar aus zwei Gründen. Erstens aus inhaltlichen Gründen: Unabhängig vom schwer zu bestimmenden Verbindlichkeitsgrad kann eine derartige Relativierung der Ehe als von Gott gewollter und gestifteter Verbindung von Mann und Frau als lebenslanger Bund der Liebe und Ort der Zukunftseröffnung von Welt und Geschichte weder von der Kirche noch auch vom Staat hingenommen werden. Zum anderen aus ökumenischen Gründen im engeren Sinn: Wem die Wiedergewinnung der sichtbaren Einheit der Kirche ein Anliegen ist, kann nicht akzeptieren, dass eine Seite ohne irgendeine Rücksprache oder Vorwarnung gemeinsam geteilte Überzeugungen verlässt und gleichzeitig mehr oder weniger ausdrücklich den Vorwurf erhebt, die andere Seite – in diesem Fall die katholische Kirche – sei der „Bremser“ und blockiere die Wiedervereinigung. Ich frage: Wie soll ein Brückenschlag gelingen, wenn das gegenüberliegende Ufer ständig zurückweicht und sich im Uferlosen zu verlieren scheint?

Kirche heute: Warum ist die Orientierungshilfe so verhängnisvoll? Welche Punkte halten Sie für besonders problematisch?

Bischof Voderholzer: Ich beschränke mich auf die theologische Grundlegung und will nicht in Abrede stellen, dass in den übrigen Passagen auch manch Bedenkenswertes gesagt wird. Theologisch vermisse ich eine angemessene Bibelhermeneutik, die eine sachgemäße Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament voraussetzt und anerkennt, dass der Schlüssel zum Verständnis der Schriften die in Jesus Christus definitiv geschehene Selbstmitteilung Gottes als Liebe ist. Hinzu kommt eine fehlende Unterscheidung von Schöpfungs- und Erlösungsordnung, die noch einmal von der moraltheologischen Rücksicht unterschieden werden müssen.

Kirche heute: Gehen wir zunächst ein wenig näher auf die naturrechtliche Grundlage von Ehe und Familie ein. Das Positionspapier unterstreicht ausgerechnet im theologischen Kapitel: „Ein normatives Verständnis der Ehe als ‚göttliche Stiftung‘ und eine Herleitung der traditionellen Geschlechterrollen aus der Schöpfungsordnung entspricht nicht der Breite des biblischen Zeugnisses.“ Was ist dazu zu sagen? Warum betont die katholische Kirche in Bezug auf Ehe und Familie ausdrücklich die Schöpfungsordnung? Dürfen wir weiterhin an einer naturrechtlichen und damit für alle gültigen Verbindlichkeit festhalten?

Bischof Voderholzer: Die Gutheit der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau und die Geschlechterpolarität liegen auf einer anderen Ebene als das Thema „traditionelle Geschlechterrollen“. Vater-sein-können und Mutter-sein-können sind nicht traditionelle Geschlechterrollen, sondern seinsmäßige Bestimmungen. Jeder vernünftig denkende Mensch wird dem zustimmen müssen. Alle Religionen und Kulturen halten denn auch – soweit ich das sehe – die Hochzeit zwischen Mann und Frau und die geschlechtliche Verbindung als etwas „Heiliges“ hoch, weil sie darin auch die Voraussetzung für den Einbruch der Schöpfermacht Gottes selbst in die Geschichte erkennen. Jesus hat diese Schöpfungswirklichkeit ausdrücklich bestätigt und bekräftigt. Dazu kommt nun, dass schon das Alte Testament die Schöpfungswirklichkeit der Verbindung von Mann und Frau als Metapher für den Bund Gottes zu seinem Volk Israel heranzieht. Jesus schließlich stellt sein Heilswirken ausdrücklich in diese Tradition, wenn er sich als Bräutigam bezeichnet und Johannes den Täufer als „Freund des Bräutigams“. Der hl. Paulus bringt es im Epheserbrief dann auf den Punkt, wenn er die Ehe als großes Mysterium bezeichnet und auf die Beziehung Christi zu seiner Kirche bezieht.

Kirche heute: Die EKD scheint sich also vollkommen vom christlichen Ehe-Ideal verabschiedet zu haben. Besitzt die Forderung nach lebenslanger Treue keine wirkliche Grundlage in der Heiligen Schrift? Wie sind die Versuche des Papiers zu bewerten, andere Lebensentwürfe bis hin zur Polygamie biblisch zu begründen?

Bischof Voderholzer: Das von Jesus vorgestellte Ehe-Ideal ist ebenso hoch wie eindeutig. Ich sehe nicht, wie man davon abrücken und gleichzeitig die Bibel noch ernst nehmen kann. Jesus kennt neben der Ehe nur noch die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, aber nicht als „alternativen Lebensentwurf“, sondern als besondere Berufung und Gleichgestaltung mit seiner eigenen Lebensform. Ehe und Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen schließen sich aber nicht aus, sondern bedingen einander. Nur wo die Ehe wertgeschätzt wird, kann auch die Ehelosigkeit als eschatologisches Zeichen des Verzichtes um eines noch höheren Gutes willen hochgehalten werden. Es ist bemerkenswert, aber nicht ohne innere Logik, dass die katholische Kirche, die auch die Lebensform der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen kennt, jetzt als energische Verteidigerin von Ehe und Familie und von deren biblischen Grundlagen auftritt.

Kirche heute: Das Dokument der EKD ist durchgehend so verfasst, dass Aussagen über Ehe und Familie auch auf homosexuelle Partnerschaften hin verstanden werden können. Es fordert, solche Lebensformen als gleichwertig anzuerkennen. Gleichzeitig wendet es sich dagegen, im Zusammenhang mit gelebter Homosexualität von Sünde zu sprechen. Abschließend heißt es: „Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten, auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen.“ Könnten Sie den Gläubigen eine Hilfe an die Hand geben, wie sie aus katholischer Sicht darauf antworten sollten?

Bischof Voderholzer: Es werden hier schöpfungstheologische, moraltheologische und seelsorgliche Ebene durcheinandergeworfen. Schöpfungstheologisch ist zu sagen: Mann und Frau sind füreinander geschaffen und prinzipiell zur Elternschaft berufen und befähigt. Auf dieser Ebene gibt es keine Gleichrangigkeit mit anderen Beziehungen. Wo offenkundig andere Orientierungen gegeben sind, gibt die Heilige Schrift und die an ihr ausgerichtete Tradition die Weisung zu einem verantwortlichen und respektvollen Umgang mit dem Geschenk der Sexualität, das heißt konkret die geschlechtliche Enthaltsamkeit. Verbindliche Beziehungen, Fürsorge, Verlässlichkeit sind positive Werte, die anerkannt werden, aber nicht zur Verdunkelung des Ideals der Ehe führen dürfen. Bezüglich der Seelsorge betont die Glaubenskongregation in ihrem Schreiben aus dem Jahr 1986, dass niemand auf seine sexuelle Neigung reduziert werden darf. „Die menschliche Person, die nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, kann nicht adäquat beschrieben werden, wenn man sie auf ihre geschlechtliche Ausrichtung eingrenzt. Jeder Mensch auf dieser Erde hat persönliche Probleme und Schwierigkeiten, aber auch Möglichkeiten zu wachsen, Fähigkeiten, Talente und eigene Gaben. Die Kirche bietet den gerade heute empfundenen dringend nötigen Zusammenhang für die Sorge um die Person des Menschen an, wenn sie sich weigert, eine Person ausschließlich als „heterosexuell“ oder „homosexuell“ einzustufen, und darauf besteht, dass jeder Person dieselbe fundamentale Identität zukommt: Geschöpf zu sein und durch die Gnade Kind Gottes, Erbe des ewigen Lebens“ (Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Seelsorge für homosexuelle Personen vom 30. Oktober 1986, Nr. 16, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz).

Kirche heute: Warum können wir aus katholischer Sicht auch die staatlich-rechtliche Gleichstellung homosexueller Verbindungen mit der Ehe von Mann und Frau nicht akzeptieren?

Bischof Voderholzer: Warum privilegiert denn der Staat die Ehe? Der Grund liegt doch nicht in der sexuellen Orientierung Verheirateter. Der Grund des Privilegs ist die Tatsache, dass Ehen die große Mehrzahl der Kinder hervorbringen und damit die Zukunft unseres Staates und unserer Gesellschaft gewährleisten. Mit der Privilegierung der Ehe stärkt der Staat seine eigene Zukunft. Das kann jeder nachvollziehen. Deshalb heißt die Forderung: Schutz und Privilegierung von Ehe im „traditionellen“ Sinn und Förderung der Familie. Alles andere ist aus staatlicher Sicht Privatsache. Wenn es darum geht, „Verlässlichkeit“ als moralisch wertvolle Haltung von Menschen zu unterstützen, dann müsste der Staat auch viele andere Lebensformen und -gemeinschaften berücksichtigen, z.B. Wohn- und Lebensgemeinschaften von Geschwistern, von Eltern und erwachsenen Kindern, von Ordensgemeinschaften oder anderen vorstellbaren Formen, in denen Menschen verlässlich Verantwortung füreinander übernehmen. Eine der vielen Beziehungsformen herauszuheben, in deren Rahmen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, ist ungerecht und unvernünftig.

Kirche heute: Die EKD betont in ihrem Papier, Martin Luther habe die Ehe zum „weltlich Ding“ erklärt, „das von den Partnern gestaltbar ist und gestaltet werden muss“. War man im ökumenischen Gespräch während der letzten Jahrzehnte blauäugig, wenn man sich zu sehr auf die Fragen „Amt“ und „Eucharistie“ konzentrierte und die Frage nach der Sakramentalität der Ehe als nicht so entscheidend betrachtete?

Bischof Voderholzer: Luther ist der Überzeugung, dass die Ehe zwischen Mann und Frau nicht Teil der Erlösungsordnung ist und deshalb kein Sakrament. Die Ehe ist ein „weltlich Ding“, wie auch die (nach unserer Überzeugung schützenswerte) Umwelt und der Mensch weltliche Dinge sind. Die Ehe hat aber bei Martin Luther eine besondere Stellung, die es zu schützen und zu achten gilt. In der Auslegung der Zehn Gebote schreibt er in seinem Großen Katechismus (1529): „Darum hat ihn [den Stand der Ehe] auch Gott vor allen Ständen aufs reichlichste gesegnet […]. So ist es keine Spielerei und Vorwitz, sondern ein treffliches Ding und ein göttlicher Ernst um das eheliche Leben. […] Darum habe ich immer gelehrt, man solle diesen Stand nicht verachten noch verspotten, wie es die blinde Welt und unsere falschen Geistlichen tun, sondern man solle ihn einschätzen nach Gottes Wort, durch das er ausgezeichnet und geheiligt ist. Er ist nicht bloß andern Ständen gleichgesetzt, sondern geht ihnen allen vor und übertrifft sie, mag es sich um Kaiser, Fürsten, Bischöfe und wer es sonst sein mag, handeln“ (Martin Luther, Der Große Katechismus, in: Calwer Lutherausgabe, hg. v. Wolfgang Metzger, Bd. 1, Neuhausen-Stuttgart 1996, S. 63). Die EKD wäre gut beraten, wenn sie ihre eigenen Bekenntnisschriften ernst nehmen würde.

Kirche heute: Exzellenz, wir danken Ihnen von ganzem Herzen für dieses wertvolle Gespräch und bitten Sie um Ihren Segen für unser Apostolat.

Denkt an das Wohl der Kinder!

Die bekannte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Christa Meves belegt anhand zahlreicher Studien, dass Kinder, die in einem homosexuellen Umfeld aufwachsen, eindeutig im Nachteil sind und in vielfacher Hinsicht Schaden erleiden können. Damit weist sie die „Orientierungshilfe“ der EKD über Ehe und Familie sowie entsprechende Äußerungen der Arbeitsministerin von der Leyen auf sachlicher Ebene zurück. Gleichzeitig appelliert sie an den gesunden Menschenverstand, nicht gegen die Natur des Menschen vorzugehen. Wir riskierten, eine Lawine auszulösen, die immer größere Zerstörungen verursache.

Von Christa Meves

Mitten hinein in die öffentliche Diskussion über die Frage, ob die Adoption von Kindern für schwule Paare eine rechtliche Untermauerung erfahren solle, verlautbart die Frau Arbeitsministerin der CDU, Ursula von der Leyen, am 11.6. im Deutschlandfunk: „Ich kenne keine Studie, die sagt, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders geht als Kindern, die in gemischtgeschlechtlichen Ehen aufwachsen“.

Mit dieser Erklärung, die einer Befürwortung der Gesetzesänderung gleichkommt, steht sie nicht allein – nicht etwa nur bei den Parlamentariern. Ähnliche „Orientierungshilfe“ gab jüngst (19.6.2013) der Rat der EKD mit einem Papier, zu dem der Vorsitzende des Rates, Nikolaus Schneider, einige Begründungen erläuterte. Es gelte, der veränderten Familie gerecht zu werden und ein normatives Verständnis der Ehe als „göttliche Stiftung“ und einer Herleitung aus einer vermeintlichen „Schöpfungsordnung“ zu entraten.

Solche gewichtigen Stimmen fordern heraus. Im Rückblick: Die Abschaffung der Familie als eine durch das Grundgesetz abgesicherte Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau mit ihren leiblichen bzw. adoptierten Kindern ist keine Neuheit. Sie gehört zum Plan der 68er und wird seitdem in unserer Republik sukzessiv vorangetrieben. Gerhard Schröder hat in seiner Regierungszeit 1998-2005 den Rubikon offiziell durch die Proklamation eines aufgeweichten Familienbegriffs überschritten, mit einer neuen Definition: „Familie ist da, wo Kinder sind“. Seitdem sind schwächende Maßnahmen dieser Familienform sukzessiv eingeleitet worden.

Unsere Frau Arbeitsministerin sieht offenbar keinen Handlungsbedarf, dem entgegenzuwirken. Das ist erstaunlich; denn in jüngster Zeit mehrt sich Widerstand in der Bevölkerung. Auch neue Studien vermitteln, dass Familien, in denen nach der Grundnorm (Vater, Mutter mit den eigenen Kindern) gelebt wird, eine bessere Bilanz haben. Ihre Kinder sind sogar erfolgreichere Schüler. 

Die Großdemonstrationen der Franzosen wie die der Russen machen deutlich, dass es noch nicht einmal der Fachkompetenz bedarf, um hier einhellig Meinung zu bilden. Schon der gesunde Menschenverstand hat hier offenbar erkannt, dass es grundsätzlich den Menschen unbekömmlich ist, wenn sie ein angeborenes Sein-sollen leugnen und eigenwillig zu verbiegen suchen. Wenn ein Mann einem Kind gegenüber erklärt, er sei seine Mutter, so entspricht das nicht der Wahrheit und muss das Kind deshalb verwirren. In einem solchen Fall verleugnet der Mann sein männliches Wesen und meint, es zu einer Rolle zu machen, die es ihm ermöglicht, eben in eine andere Rolle zu schlüpfen. Das ist grundsätzlich ein Liliputkampf gegen den Goliath Natur. Das ist unangemessener Trotz. Gesundheit lässt sich so nicht erhalten und Frieden der Seele in einem solchen zum Opfer werdenden Kind nicht erbringen.

Vielleicht mag sich unsere Frau Arbeitsministerin mit einigen internationalen Studien unter die Arme greifen lassen.

Besonders relevant und seriös ist z.B. die Untersuchung des Soziologen Mark Regnerus an der Universität Texas, mit einer umfänglichen Befragung von Kindern, die in gleichgeschlechtlichem Verbund ihre Kindheit verbracht hatten. Diese Studie „The new Family Structures“ wurde sogar in der Fachzeitschrift „Social Science Research“ publiziert. Sie belegt, dass bei 77 von 80 getesteten Kriterien statistisch jene am schlechtesten abschnitten, die von Eltern erzogen wurden, von denen mindestens ein Elternteil eine homosexuelle Beziehung hatte. Kinder aus intakten biologischen Familien erging es hinsichtlich sämtlicher Kriterien am besten.

Diese Aussagen sind in einem Interview enthalten, das die Kanadierin Dawn Steffanowicz als Beleg für die Erfahrungen ihrer eigenen Kindheit mit einem homosexuellen, sie missbrauchenden Vater in einem Interview anführt, das die Tagespost am 8.2.2013 publizierte. Diese Frau machte es sich zur Aufgabe, mit Vorträgen in der Öffentlichkeit vor einer Ausbreitung und gesetzlicher Verankerung eines Kinderlebens in homosexuellem Umfeld zu warnen. Sie sammelte solche Schicksale und beschrieb die Verhaltensstörungen und die unausgeglichene Prägung im Hinblick auf die Sexualität im Erwachsenenalter in einem Buch mit dem Titel: „One from under“.

Es lässt sich daraus schließen: Eine Auflösung vorgegebener elementarer Strukturen ist wie eine losgetretene Lawine, die auf dem Boden eines sich einbahnenden Suchtverhaltens und verstehbarer Rechtfertigungsimpulsen immer mehr Mächtigkeit entwickelt, also zu immer mehr Aufweichen der Strukturen führt. Die Freigabe der Pädophilie z.B. wird angesichts solcher Trends diskutabel und womöglich sogar die gesetzliche Freigabe des Inzests. Der Gender-Mensch als Plan ist in der EU bereits institutionalisiert.

Mut zum gesunden Menschenverstand und Verantwortung für die seelische Gesundheit unserer Kinder ist also in höchster Dringlichkeitsstufe gefragt.

Zum 85. Geburtstag von Prof. Dr. Wolfgang Waldstein

Überzeugender Verteidiger des Naturrechts

Am 27. August wird Prof. Dr. Wolfgang Waldstein 85 Jahre alt. Er wurde 1928 im finnischen Hangö geboren. Dorthin waren seine Eltern während der russischen Revolution aus St. Petersburg geflohen. Aufgrund des russisch-finnischen Kriegs mussten sie erneut umziehen und kamen 1940 nach Salzburg. Dort studierte Wolfgang Waldstein Rechtswissenschaften. 1964 wurde er außerordentlicher Universitätsprofessor für Römisches Recht an der Universität Innsbruck, von 1965 bis 1992 war er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Salzburg und von 1996 bis 1998 Ordinarius an der Zivilrechtlichen Fakultät der Päpstlichen Lateran-Universität. Bekannt ist er vor allem als Bearbeiter und Herausgeber des „Dulckeit/Schwarz/Waldstein“, eines Standardwerks zur römischen Rechtsgeschichte.

Von Weihbischof Andreas Laun

Mein Firmpate

Es ist mir Ehre und Freude, zum 85. Geburtstag von Wolfgang Waldstein ein Wort sagen zu dürfen. Schon in meiner Kindheit lernte ich ihn als Freund der Familie kennen, später wurde er auch mein Firmpate. Nun habe ich auch seine Autobiographie gelesen und viel Neues über sein Leben erfahren: über seine Kindheit, über die schweren Zeiten und Gefahren, die er gut überstanden hat, darüber, wie er den Krieg und die Nazi-Zeit überlebte und wie es ihm bei seiner Arbeit in der Kirche erging. Ich beneide ihn heute noch um die herrlichen Bergtouren, die er gemacht hat, besonders auf „seinen“ geliebten Dachstein, den er über hundert Mal bestiegen hat, zuletzt an seinem 80. Geburtstag. Das alles kann man jetzt auch lesen.

Ein Geschenk für Kirche und Welt

Ich möchte an dieser Stelle von dem Geschenk sprechen, das Wolfgang Waldstein durch seine wissenschaftlichen Arbeiten eigentlich der ganzen Welt, vor allem aber der katholischen Kirche gemacht hat, von dem Geschenk, das er selbst ist: Waldstein ist Professor für Römisches Recht. Auf seinem akademischen Werdegang beschäftigte ihn von Anfang an vor allem ein Thema: das Naturrecht, also die für jede Rechtsstaatlichkeit fundamentale Einsicht, dass es ein höheres Recht gibt als jene vielen Rechte, oft auch Schikanen und Unrechte, die von Menschen ausgedacht, festgelegt und sanktioniert werden! Gerade darüber, über das höhere Recht, hat Waldstein seine letzte große wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Ins Herz geschrieben“. Unschwer erkennt der Christ: Damit zitiert Waldstein die Heilige Schrift und besonders den hl. Paulus im Römerbrief! Um ein Missverständnis sofort auszuschalten: Waldstein denkt und schreibt als Jurist, im Dialog auch mit dem Glauben, aber seine Darlegungen berufen sich nicht auf diesen!

Würdigung durch Benedikt XVI.

Ich selbst habe das Buch während eines Nachtflugs nach Amerika gelesen. Und ich las es wie andere Menschen vielleicht einen Kriminalroman. Mein Herz brannte, ich konnte unmöglich schlafen. Natürlich, ich las es mit einer „Vorbildung“, da das Naturrecht in der Zeit meiner Studien ein umstrittenes Thema war, das von den damals (in dieser Frage in die Irre) „führenden“ Moraltheologen mehr oder weniger geleugnet wurde. Ja, mein Herz brannte beim Lesen, und so war es für mich dann auch eine besondere Freude, dass Papst Benedikt XVI. in seiner berühmten Berliner Rede über die Weisheit Gottes in der Schöpfung, welche die Politiker neu entdecken sollten, auf Waldstein verwies. Dreimal zitierte er ihn und dies nicht mit „einem Satz“, sondern mit dem Verweis auf viele Seiten im Buch Waldsteins – als den einzig noch lebenden Autor, den der Papst nannte!

Unermüdlicher Einsatz für das Recht auf Leben

Wohl auch geprägt von dem Erlebnis der Nazi-Zeit behielt Waldstein die „Zeichen der Zeit“ immer im Blick und stellte sich den Angriffen des Bösen auf die Weisheit und damit auch auf die Gesetze Gottes in der Natur. Folgerichtig führte ihn sein Einsatz für das Naturrecht zum unermüdlichen Einsatz für das Recht auf Leben vom Anfang im Mutterschoß bis zum Lebensende. Das heißt konkret: Waldstein kämpfte immer – und tut es heute noch – vor allem gegen Abtreibung, gegen Euthanasie und gegen Tötung durch Organentnahme im Namen einer unhaltbaren Hirntod-Definition. Bis vor kurzem noch traf ich ihn und seine Frau auch in Kälte und Schneetreiben bei der jährlichen Anti-Abtreibungs-Kundgebung der „Jugend für das Leben“ vor der Klinik in Salzburg. Er, der schon alte Mann, und seine Frau Esi gingen mit. Dem Himmel sei es geklagt: Bischöfe habe ich bei dieser und ähnlichen Veranstaltungen weder in Österreich noch in anderen Ländern so gut wie nie gesehen.

Der Kampf um den Hirntod

Es ist ein Verdienst der Autobiographie Waldsteins, dass der Autor vor allem den Kampf um den Hirntod so ausführlich behandelt. Damit wird das Buch auch zu einer kostbaren Quelle, mit Hilfe derer sich zeigen lässt, wie es eine Art „Korruption“ im Ringen um die moralische Lehre der Kirche geben kann und gibt! Kurz gesagt: Die Autobiographie ist nicht nur persönliche Erinnerung eines alten Mannes, sondern auch eine Kostbarkeit für die Theologie, vor allem, was die Lehre der Kirche zum Rechtsstaat, zur Ehe, zum fünften und sechsten Gebot Gottes betrifft.

Das Wunder der bräutlichen Liebe

Noch zwei persönliche Erinnerungen: Ich erinnere mich bis heute an einen Scherz, den „Onkel Wolfgang“ mit dem noch kleinen Andreas machte: Ich fragte ihn, warum er „Wolfgang“ heiße, und er erklärte mir: „Ich habe auf einer Burg gelebt, diese war umgeben von einem Graben, und in diesem ging ein Wolf um die Burg – also ‚Wolfgang‘!“ In meiner Fantasie empfand ich das als wunderbar. Ich weiß nicht mehr, wann ich begriff, dass es nur ein Scherz war. Sicher ist: Als ich das durchschaute, war ich ähnlich enttäuscht wie an dem Tag, an dem ich aufhörte, daran zu glauben, dass das Christkind die Geschenke bringt.

Aber wichtiger ist mir eine andere Erinnerung: Waldstein erzählt in seinem Buch auch davon, wie er seine Frau Esi kennen und lieben gelernt hat. Ich ergänze: Ich war „dabei“. Denn Wolfgang Waldstein lernte seine geliebte Esi bei der Familie Seifert kennen und die Familie Laun lebte damals im selben Haus. Ich erinnere mich: Mein Bruder und ich, beide selbst noch vor der Pubertät, erlebten als Kinder das Entstehen und Wachsen dieser Liebe – und wir waren tief beeindruckt. Einmal spielten wir sogar, „so lieb sein miteinander“ wie Onkel Wolfgang mit Tante Esi. Das Spiel wurde schnell wieder langweilig, aber die Erinnerung daran zeigt mir, wie auch Kinder das Wunder der Liebe erleben, auch wenn die Liebe für sie selbst noch eine unbekannte Welt ist. Heute, so viele Jahre später, kann ich bezeugen: Der Ton von Wolfgang und Esi miteinander ist heute noch derselbe wie ich ihn damals als Kind zwischen den beiden Liebenden erlebte!

Blick auf Christus

Man kann einen Menschen kennen, dennoch bleibt der Andere immer auch ein Geheimnis. Will man dieses Geheimnis beschreiben, genügt manchmal so etwas wie eine Momentaufnahme. Was Wolfgang Waldstein betrifft, gibt er sie uns selbst an der Stelle seiner Autobiographie, wo er, damals erst 22 Jahre alt, von einem Besuch im Kloster Maria Laach erzählt: „In der Kirche vor dem Apsis-Mosaik mit Christus, der auf einer Tafel die Worte zeigt: Ego sum via, veritas et vita, erlebte ich eine innere Bewegung, die mich dazu führte, den Entschluss zu fassen: Ich will Gottes Willen suchen und tun, koste es, was es wolle.“ Wolfgang Waldstein ist ein großer Gelehrter, ein treuer Ehemann und guter Vater, aber er ist vor allem eben der, welcher mit solchem Herzen auf das Bild Jesu Christi schaut, ein Mann, der sich nach Gott sehnt und nie aufgehört hat, Ihn mit allen seinen Kräften zu lieben. Wie schön, dass es ihn gibt!

 

Wolfgang Waldstein: Mein Leben – Erinnerungen. Gebunden, 240 Seiten. ISBN 978-3-9815943-4-8. Bestellen unter Telefon 07303-9523310, Fax: 07303-9523315 oder via E-Mail an: buch@media-maria.de – Internet: www.media-maria.de

Die Macht des Wortes Gottes

Warum hat uns Papst Benedikt die Jesus-Bücher geschenkt?

Für Benedikt XVI. ist der christliche Glaube an erster Stelle die persönliche Freundschaft mit Jesus Christus. In eine Beziehung mit Christus aber können wir nur durch die Heilige Schrift eintreten. Denn wer die Schrift nicht kennt, kann Christus nicht kennen. Mit seinem Werk „Jesus von Nazareth“ wollte Papst Benedikt den Menschen den Zugang zum Evangelium neu eröffnen. Er ist überzeugt, dass das Wort Gottes auch heute seine Macht entfaltet, wenn es im Einklang mit der Gemeinschaft der Kirche angenommen wird. Der Dialog mit dem lebendigen Herrn im Wort der Schrift wird die Kirche zu einer umfassenden Läuterung und Erneuerung führen, sobald sie sich der ursprünglichen Aussagekraft des Evangeliums wieder ehrlich und ohne Vorbehalt stellt. Mit dieser Hoffnung hat Benedikt XVI. den Petrusdienst ausgeübt, wie Pater Prof. Dr. Stephan Otto Horn SDS in seinem Beitrag zeigt.

Von P. Stephan Otto Horn SDS

Hinführung

Die Absicht, die Papst Benedikt mit seinem Werk „Jesus von Nazareth“ verfolgt, könnte man so beschreiben: Er will zeigen, dass Jesus mit seinem Leben und seiner Botschaft, mit seinem Tod und seiner Auferstehung Gott den Vater offenbart; er vermag dies zu tun, weil sein innerstes Geheimnis darin liegt, dass er der Sohn ist und Gott von Angesicht zu Angesicht schaut.

Damit ist vor allem die spirituelle Dimension des Werkes hervorzuheben. Es kann uns helfen, unseren inneren Weg zu Jesus Christus freudiger, zuversichtlicher und hingebungsvoller zu gehen. Die Erwägungen über den inneren Weg zu Christus münden schließlich in die Frage ein: Wie können wir ihn heute bezeugen? Beides ist letztlich ein einziger Weg. Wir können Christus umso leuchtender bezeugen, je mehr wir mit ihm eins werden; und je mehr wir ihn in unserem Leben bezeugen, desto inniger werden wir mit ihm vereint werden.

Die Stärke der Kirche erwächst aus dem Evangelium

Bei seiner letzten Generalaudienz hat Papst Benedikt XVI. nicht nur bewegende Worte des Dankes gefunden dafür, dass so viele seinen Weg begleitet und ihn gestützt haben. Er hat zugleich voller Hoffnung in die Zukunft geschaut. In wenigen Worten hat er uns dabei einen Blick in sein Inneres gewährt: in die Empfindungen, die ihm Zuversicht gegeben haben, als ihm vom Herrn die Last des Petrusamtes auferlegt wurde, in die Empfindungen der Zuversicht, die ihn in diesen acht Jahren getragen haben und die ihn auch jetzt, im Augenblick des Amtsverzichts bewegten.

Hören wir ihn selber: „In diesem Augenblick herrscht in mir eine große Zuversicht, denn ich weiß – wir alle wissen –, dass das Wort der Wahrheit des Evangeliums die Kraft der Kirche, ihr Leben ist. Das Evangelium läutert und erneuert, es bringt Frucht, wo immer die Gemeinschaft der Gläubigen es hört und die Gnade Gottes in der Wahrheit und in der Liebe aufnimmt. Das ist meine Zuversicht, das ist meine Freude. Als ich am 19. April vor fast acht Jahren eingewilligt habe, den Petrusdienst zu übernehmen, hatte ich die feste Gewissheit, die mich immer begleitet hat, dass die Kirche lebt, und zwar aus dem Wort Gottes.“[1]

Jetzt dankt Papst Benedikt Gott, „der die Kirche führt und wachsen lässt, der sein Wort aussät und so den Glauben in seinem Volk nährt“. Gerade jetzt erlebt er in beglückender Weise die Stärke der Kirche. „In einer Zeit, in der so viele vom Niedergang der Kirche sprechen, ist es beglückend, sie so zu erleben und die Kraft ihrer Wahrheit und Liebe geradezu mit Händen berühren zu können. Wir sehen, dass die Kirche heute lebt!“[2] Den tieferen Grund der Lebendigkeit der Kirche sieht er – ich unterstreiche es noch einmal – darin, dass das Evangelium die Gemeinschaft der Gläubigen läutert und erneuert.

Es kommt auf die innere Freundschaft mit Jesus an

Von da aus wird auch klar, warum Papst Benedikt uns seine Jesus-Bücher geschenkt hat. Er wollte alles tun, was er kann, um den Menschen unserer Zeit, den Gläubigen wie den Suchenden das Evangelium neu zu erschließen und ihnen so in tieferer Weise Jesus zu zeigen. Er will ihnen helfen, die „innere Freundschaft mit Jesus“ zu finden, auf die, wie er sagt „doch alles ankommt“.[3]

Es geht ihm deshalb darum zu zeigen, dass Jesus, seine Gestalt und seine Botschaft, nicht in der Vergangenheit verbleibt, sondern, im Glauben angenommen, in einer einzigartigen Weise auch in unsere Zeit, auch in unser Leben hinein spricht. Er geht zunächst von einer rein menschlichen Erkenntnis aus, die besagt, dass ein gewichtiges Wort immer mehr enthält, als es dem Sprecher des Wortes in diesem Augenblick bewusst ist. Es enthält ein Potential, einen Reichtum, das in einer neuen Situation erst voll entdeckt wird. Das gilt für die Heilige Schrift in besonderer Weise. Sie ist ein von Gott inspirierter Text, der von den alttestamentlichen Frommen immer neu gelesen und auch neu verstanden und ausgelegt wurde. Deshalb kann auch die Kirche – können wir – aus ihrem Reichtum immer neu schöpfen.

Die ganze Heilige Schrift spricht von Christus

Die Jünger, die Evangelisten und die frühe Kirche insgesamt verstanden denn auch die Heilige Schrift – das Alte Testament – ganz neu von Jesus her und auf ihn hin. Daraus ist schon dem jungen Theologen Ratzinger die grundlegende Einsicht erwachsen: Beide Testamente zeigen eine große innere Einheit, man muss eines auf das andere hin lesen. Wir sehen das gerade in seinen Auslegungen im Jesus-Buch. Die ganze Heilige Schrift spricht deshalb von Christus.

Benedikt bezieht die Schrifttexte in das Beziehungsgeflecht der Schriften des Alten wie des Neuen Testamentes ein und versteht sie dadurch tiefer. Er ermutigt uns deshalb zu einem Lesen des Wortes Gottes in der Schrift, in dem wir die Texte von seinen Bezügen zum Alten Testament und zu den neutestamentlichen Schriften her aufschließen. Er hilft uns, auch das Alte Testament auf Jesus Christus hin zu lesen. Die Worte der Schrift in ihrem Geflecht von Beziehungen sehen und verstehen!

Gottes Offenbarung verlangt ein offenes Herz des Menschen

Papst Benedikt hat als junger Priester seine zweite große wissenschaftliche Arbeit dem Offenbarungsbegriff des hl. Bonaventura gewidmet.[4] Von ihm hat er vor allem gelernt, dass Offenbarung nicht zuerst eine Summe geoffenbarter Wahrheiten ist, sondern ein Akt Gottes, ein Handeln Gottes: Gott offenbart sich selbst. Gott macht sich also der Menschheit zugänglich. Aber damit das geschehen kann, muss der Mensch ein offenes Herz und einen offenen Geist haben. Erst wenn er das Wort Gottes im Glauben annimmt, wird es ihm wirklich Offenbarung, kann er erkennen, was Gott ihm sagen und eröffnen will, kann er verstehen, dass Gott uns sein Herz eröffnet. So ist Offenbarung also ein dialogisches Geschehen: Gott schenkt sich uns und wir empfangen sein Wort und seine Liebe. Wenn wir das recht bedenken, erfassen wir, dass das Wort Gottes nie in der Vergangenheit bleibt, sondern immer die Zeit überschreitet und uns in unserer Zeit, in unserem Leben neu trifft. Und je mehr wir unser Herz und unseren Geist öffnen, desto mehr können wir erfassen, was Gott uns heute sagen will. Es gehört zu den großen geistlichen Freuden, dass Gott auch in der Lesung, Meditation und Kontemplation der Heiligen Schrift ins Gespräch mit uns eintritt.

Die Heiligen sind die wahren Ausleger der Heiligen Schrift

Wie sollen wir das Wort Gottes, das uns in der Schrift trifft, lesen, damit wir uns seinen Reichtum aneignen können? Papst Benedikt will uns vor allem zu einer Schriftlektüre hinführen, in der Jesus Christus mit seiner Botschaft nicht in der Vergangenheit bleibt, sondern ins Gespräch mit uns eintritt und uns an sich zieht.

Benedikt zeigt, dass die Schrifttexte ein großes, unerschöpfliches Potential darstellen, das dazu einlädt, sie je neu zu ergründen. Das meint nicht so sehr ein intellektuelles Aneignen der Schriftworte, sondern eine Aufnahme in das eigene Leben. „Die Schrift trägt überall ein Zukunftspotential in sich, das sich erst im Durchleben und Durchleiden ihrer Worte öffnet.“[5] Papst Benedikt denkt hier an die Glaubenserfahrung der Kirche besonders in ihren Heiligen. Sie haben das Zukunftspotential der Schriftworte am meisten erfasst.

So kann er beispielsweise bei der Auslegung der Seligpreisungen im Blick auf den hl. Franziskus geradezu sagen: „Die Heiligen sind die wahren Ausleger der Heiligen Schrift. Was ein Wort bedeutet, wird am meisten in jenen Menschen verständlich, die ganz davon ergriffen wurden und es gelebt haben. Auslegung der Heiligen Schrift kann keine rein akademische Angelegenheit sein und kann nicht ins rein Historische verbannt werden.“[6] Dieses Zukunftspotential der Schrift ist der Kirche und besonders den Ordensgemeinschaften auch in je anderer Weise durch die Ordensgründer eröffnet worden. Sie helfen uns, den Reichtum der Schrift tiefer zu verstehen.

Gott zeigt sich in der Gemeinschaft der Kirche

Papst Benedikt ermutigt uns, das Wort  Gottes in der Heiligen Schrift zu lieben und das Lesen und Meditieren der Heiligen Schrift als einen Dialog mit Gott zu vollziehen. „Der hl. Hieronymus sagt: ‚Die Heilige Schrift nicht zu kennen, heißt, Christus nicht zu kennen‘. Es ist deshalb wichtig, dass jeder Christ in Berührung und in persönlichem Dialog mit dem Wort Gottes lebt, das uns in der Heiligen Schrift geschenkt ist. Dieser unser Dialog mit dem Wort Gottes muss immer zwei Dimensionen haben: Einerseits muss es ein wirklich persönlicher Dialog sein, weil Gott mit einem jeden von uns durch die Heilige Schrift spricht und eine Botschaft für jeden hat. Wir dürfen die Heilige Schrift nicht als Wort der Vergangenheit lesen, sondern als Wort Gottes, das sich auch an uns wendet, und müssen versuchen zu verstehen, was der Herr uns sagen will. Um aber nicht in den Individualismus zu verfallen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass das Wort Gottes uns gerade deshalb gegeben ist, um Gemeinschaft aufzubauen, um uns auf unserem Weg zu Gott hin in der Wahrheit zu vereinen… Deshalb müssen wir es in Gemeinschaft mit der lebendigen Kirche lesen.“[7]

Die Kirche lebt, wächst, erwacht in den Seelen

Bei seiner Verabschiedung von den Kardinälen unterstrich Papst Benedikt noch einmal seinen Glauben an die Macht des Wortes Gottes. Gegen alle Mutlosigkeit, gegen allen Anschein wagte er es, das berühmte Wort Guardinis auch in unsere Zeit hineinzustellen: Die Kirche erwacht in den Seelen. Woraus schöpft er die Zuversicht dafür? Er schöpft sie aus seiner Erfahrung, aber mehr noch aus dem Glauben. Hören wir ihn selber: „Die Kirche lebt, wächst, erwacht in den Seelen, die wie die Jungfrau Maria das Wort Gottes aufnehmen und es als Werk des Heiligen Geistes verstehen, die Gott ihr eigenes Fleisch anbieten und die gerade in der eigenen Armut und Demut dazu fähig werden, Christus heute in der Welt zu zeugen. Durch das Handeln der Kirche bleibt das Geheimnis der Fleischwerdung für immer. Christus geht weiter durch alle Zeiten und Orte.“[8]

Schlussbemerkung

Das Werk des Papstes wendet sich an gläubige Christen wie an Menschen, die auf der Suche sind. Es hat aber auch ein besonderes theologisches Publikum vor sich: die Exegeten. Sie spricht er mit seiner Darstellung in einzelnen Abschnitten speziell an, in besonderer Weise aber in den Vorworten zum ersten und zum zweiten Band. Das ist wichtig, da er in seiner Auslegung auch ungewohnte Wege geht.

Für Leser, die keine tiefere theologische Ausbildung haben, könnte es entmutigend sein, diese Ausführungen methodischer Art zuerst zu lesen. Das Werk des Papstes erlaubt es, zunächst bei leichter zugänglichen Abschnitten anzufangen und dann erst zu den schwierigeren weiterzugehen. Zu den einfacheren kann man im ersten Band wohl den Abschnitt über die Seligpreisungen und die Kapitel über das Gebet des Herrn und die Botschaft der Gleichnisse zählen. Im zweiten Band ist die Wahl wohl schwieriger. Man könnte mit dem Einzug Jesu in Jerusalem und mit dem Kapitel „Die Fußwaschung“ beginnen und von dort zum Kapitel „Gethsemani“ oder zum Abschnitt „Jesus am Kreuz“ im 8. Kapitel weitergehen. So wird man sich einlesen. So wird man Freude finden und den Mut, weiter und tiefer in das Werk einzudringen, das uns die Schätze der Botschaft des Herrn und seines Lebens mehr und mehr entdecken lässt.


[1] Benedikt XVI., Mittwochsaudienz vom 27. Februar 2013.
[2] Ebenda.
[3] Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Jesus von Nazareth. Erster Teil: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Freiburg-Basel-Wien 2007, 11 (im Folgenden: I).
[4] Joseph Ratzinger, Offenbarungsverständnis und Geschichtstheologie Bonaventuras, in: GSJR, Bd. 2, Freiburg i. Br. 2009.
[5] I, 108.
[6] Ebenda.
[7] Benedikt XVI., Mit den Heiligen durch das Jahr. Meditationen, Freiburg-Basel-Wien 2010, 243-244.
[8] Benedikt XVI., Mittwochsaudienz vom 27. Februar 2013.

Der erste Theologieprofessor des Franziskanerordens

Im Juni dieses Jahres erschien ein neues Buch über den hl. Antonius von Padua. Autor ist Pater Gottfried Egger OFM. Er wurde 1953 in Zürich geboren und trat 1974 in den Franziskanerorden ein, wo er 1979 die Profess ablegte. 1981 empfing er das Sakrament der Priesterweihe. Er ist Kenner der franziskanischen Spiritualität und veröffentlichte eine Reihe von Lebensbildern über verschiedene Heilige. Zudem ist er Franziskaner-Kommissar des Heiligen Landes für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein.

Von P. Gottfried Egger OFM

Wer kennt ihn nicht, den hl. Antonius von Padua? Er ist heute noch in zahlreichen Kirchen und Kapellen rings um die Welt in irgendeinem Bild, einer Statue oder wenigstens mit einem Opferstock präsent. Wir kennen ihn als Antonius von Padua. Folgt man der Namensgebung in unserem Orden, müsste er aber Antonius von Lissabon heißen. So ist es seit vielen Jahrhunderten Brauch gewesen: Namen und Herkunftsort bestimmten den Ordensnamen.

Fernando Martim de Bulhôes wurde als Sohn einer adeligen Familie um 1195 in Lissabon geboren. Mit 15 Jahren trat er bei den regulierten Chorherren (Augustiner) von St. Vinzenz bei Lissabon ein. Zwei Jahre später kam er nach Santa Cruz in Coimbra, dem bedeutenden Studienzentrum der Augustiner.

Unter dem Eindruck der Überführung der Franziskaner-Erstlingsmärtyrer von Marokko trat er 1220 bei den Minderbrüdern in Coimbra ein und nahm den Namen Antonius an. Sein brennender Wunsch, in Marokko als Missionar wie seine verstorbenen Mitbrüder zu wirken, wurde durch Krankheit verhindert. Auf der Rückreise von Marokko wurde er nach Sizilien verschlagen.

Nach dem Generalkapitel 1221 in Assisi wurde er der norditalienischen Provinz (Romagna) zugeteilt. Der Heilige lebt vorerst zurückgezogen in der Einsiedelei Montepaolo bei Forlì, wo man auf seine ausgezeichnete theologische Ausbildung und große Predigtgabe aufmerksam wurde.

Daraufhin wurde er vom hl. Franz von Assisi in Bologna zum ersten Professor für den Franziskanerorden ernannt. In den Jahren 1222-24 wirkte er erfolgreich als Prediger in Oberitalien, besonders in Rimini (Fischpredigt/Esel-Hostienwunder) und Mailand, und gewann viele Irrgläubige für den rechten Glauben zurück.

1224 folgte eine Predigt-Periode in Südfrankreich. Danach wurde er Provinzial der Romagna mit Sitz in Padua.

Nach seinem Dienst als Provinzial 1230 beschäftigte er sich mit der Niederschrift von Predigtskizzen. Im Sterbejahr 1231 predigte er vom 6. Februar bis zum 13. März täglich unter freiem Himmel. Bis zu 30.000 Zuhörer wurden gezählt.

Es war ihm wichtig, dass die Menschen zur erbarmenden Liebe Gottes zurückgerufen würden. Er widmete sich nicht nur in vollem Umfang dem Verkündigungsdienst, sondern er stellte sich auch als Beichtvater in den Dienst der Versöhnung.

Die Stadtregierung von Padua erließ am 15. März 1231 unter dem Eindruck der Fastenpredigten des „Santo“ ein neues Gesetz. Es durfte künftig kein Schuldner oder Bürge persönlich der Freiheit beraubt werden, wenn er zahlungsunfähig war. Dieses neue Gesetz könnten wir als eines der größten Wunder betrachten, das der Heilige in seiner geliebten Stadt Padua für die Menschen bewirkte. Deshalb ist ihm der Name „Antonius aus Padua“ geblieben.

In seinen letzten Lebenstagen in Camposampiero wird uns das Wunder überliefert, das den Heiligen so berühmt machte: die Erscheinung des Jesuskindes. Er sagt in seinen Predigtskizzen: „Er kam zu dir, damit du zu ihm kämest.“ Wir könnten das den Schlüsselsatz seiner Spiritualität nennen.

Antonius starb am 13. Juni 1231 und wurde in Padua beigesetzt. Bereits während den Begräbnisfeierlichkeiten geschahen viele Wunder. Zwischen Juni 1231 und Mai 1232, der Seligsprechung in Spoleto, wurden 53 nachgewiesene Wunder vermerkt.

Bei der Übertragung der Gebeine in die neu gebaute Basilika am 8. April 1263 (2013 = 750. Jubiläum), entdeckte man, dass die Zunge, vielmehr der ganze Stimmapparat des großen Künders des Wortes Gottes, unversehrt geblieben ist. Der damalige hl. Ordensgeneral Bonaventura von Bangnoregio rief in Ergriffenheit aus: „Gesegnete Zunge, die du immerfort den Herrn gepriesen und viele Menschen angeleitet hast, ihn zu preisen. Jetzt wird offenbar, wie viel Gnaden du gefunden hast bei Gott.“

Berühmt sind auch der Kult und die Patronate um den Heiligen. Er ist der Wiederbringer verlorener Sachen, ist Spender des Armenbrotes. Der Heilige aus Padua ist auch Patron der Reisenden und des Viehs. Er ist ebenso ein guter Partnervermittler. Auch wird er Heiliger der Korrespondenz genannt. Antonius mit dem Kind auf den Armen ist der Patron der Kinder und der Jugend. Antonius ist wirklich ein Heiliger für alle!

 

Gottfried Egger OFM: Heiliger Antonius von Padua. Gebunden, 196 Seiten. ISBN 978-3-9815698-6-5. Direkt bestellen unter Tel. 07303-9523310, Fax: 07303-9523315 oder mit E-Mail an: buch@media-maria.de – Internet: www.media-maria.de

150 Jahre Kloster Beuron

Erzabt Tutilo berichtet vom Jubiläumsjahr

Dieses Jahr feiert die Erzabtei St. Martin in Beuron ihr 150-jähriges Bestehen. Erstmals wurde Beuron bereits 861 in einem Besitzverzeichnis des Klosters St. Gallen erwähnt. Als Kloster beginnt seine Geschichte mit der Gründung des Augustiner-Chorherrenstifts im Jahr 1077. Nach der Säkularisation im Jahr 1802 ging das Kloster mitsamt seinem Territorium in den Besitz des Fürstenhauses Hohenzollern-Sigmaringen über. Erst 1862 wurde es durch das Fürstenhaus wieder dem klösterlichen Leben zugeführt. Einen Neubeginn ermöglichten die beiden Benediktinermönche Maurus und Placidus Wolter. 1863 wurde es schließlich als Benediktiner-Kloster neu gegründet. 1868 wurde das Kloster zur Abtei erhoben. Von hier aus wurden 16 Klöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz errichtet, die zur sog. „Beuroner Kongregation“ zusammengeschlossen sind.

Interview mit Erzabt Tutilo Burger OSB, Beuron

Kirche heute: Hochwürdigster Herr Erzabt, vor 150 Jahren haben Benediktinermönche das Kloster Beuron neu belebt. Können Sie einen kurzen Blick zurück in die Geschichte werfen? Welchen Beitrag hat die Beuroner Klostergemeinschaft in diesen eineinhalb Jahrhunderten für die Kirche geleistet?

Erzabt Tutilo: Als erstes denke ich da an den Beitrag Beurons für die Liturgische Bewegung, dann für die Erneuerung des Gregorianischen Chorals, an die Herausgabe des SCHOTT-Messbuches, überhaupt an die internationale Verbreitung der Beuroner Kunst, an den Aufbau des Vetus-Latina-Instituts, die Reformierung bestehender Klöster im Auftrag des Heiligen Stuhls und die Wiederbesiedlung verlassener Klöster, die Prägung der Beuroner Benediktinerkongregation und das Mitwirken an der Gründung der Benediktinischen Konföderation durch Papst Leo XIII. Schließlich waren es zwei Mönche von Beuron, die das neu geschaffene Amt des Abtprimas als erste innehatten.

Kirche heute: Am Pfingstsonntag fand das Gründungsfest statt. Wie hat das Kloster diesen Höhepunkt des Jubiläumsjahres erlebt?

Erzabt Tutilo: An diesem Tag hatten wir die Ehre, dass unser Erzbischof Dr. Robert Zollitsch unsere Gemeinschaft besuchte, mit uns die Eucharistie feierte und uns sein Predigtwort schenkte. Sonstige Veranstaltungen fanden jedoch nicht statt, damit wir diesen besonderen Tag möglichst für uns genießen konnten.

Kirche heute: Wie feiern Sie darüber hinaus das Jubiläumsjahr?

Erzabt Tutilo: Alle jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen stehen natürlich im Licht dieses Jubiläums. Aber zusätzlich gibt es auch besondere Termine, die diesem Anlass geschuldet sind: Chronologisch als erstes ist zu nennen eine Ausstellung „Zeugen des Glaubens“, die noch bis 10. November täglich nachmittags geöffnet ist. Wir haben eine Festschrift herausgegeben, die unter dem Titel „150 Jahre Benediktiner in Beuron. Ein Kloster im Wandel“ in zahlreichen Aufsätzen und aufgelockert mit historischen und aktuellen Fotos vor allem das Kloster der letzten 50 Jahre bis zur Gegenwart in den Blick nimmt. Am 11. Juli luden wir die Ordensgemeinschaften aus der Erzdiözese Freiburg und aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu einem gemeinsamen Begegnungstag ein. Ein ähnliches Treffen wird es noch am 18. Oktober mit den benediktinischen Gemeinschaften aus dem süddeutschen Raum, aus der Schweiz und z.T. auch aus Österreich geben. Die Oberinnen und Obere unserer Beuroner Kongregation werden die Tage zuvor ihre Jahreskonferenz bei uns abhalten, und als internationaler Höhepunkt sind wir im September Gastgeber für die Präsides-Synode der Konföderation mit dem Abtprimas an der Spitze.

Kirche heute: In welcher Situation befindet sich das Kloster Beuron heute? Wie viele Mönche leben in der Klostergemeinschaft? Haben Sie auch Nachwuchs?

Erzabt Tutilo: Im Befinden und in der Entwicklung unseres Klosters teilen wir das Geschick der meisten anderen Gemeinschaften in unseren Breiten. Die 52 Mitbrüder werden älter, und der Nachwuchs kann die Reihen nicht in dem Maße füllen, wie die Reihen durch den Tod gelichtet werden.

Kirche heute: Wie strahlt das Kloster Beuron heute in die Gesellschaft und die Kirche aus? Gibt es auch eine besondere Pastoral für Jugendliche?

Erzabt Tutilo: In den letzten Jahren ließ unsere personelle Situation eine schwerpunktmäßige Jugendpastoral nicht zu. In diesen Bereich werden bis in einem Jahr aber wieder verstärkt einsteigen. Eine starke Gruppe von Mitbrüdern engagiert sich in der Kursarbeit in unserem Gästehaus. Und der stille Dienst der Beichtväter und der angebotenen geistlichen Begleitung wird bei fast jedem Priestermönch in Anspruch genommen. Die schlichte und würdige Feier der Liturgie schließlich wird von den Gläubigen als erholsame Oase und sehr bereichernd empfunden.

Kirche heute: Immer öfter hört man heute vom „Scheitern des Christentums“. Was würden Sie dazu sagen?

Erzabt Tutilo: Selbstverständlich sehe ich das Christentum nicht als gescheitert. Sicherlich kämpfen wir noch mit der Besitzstandswahrung, aber das Ende der Entwicklung wird nicht der Tod des Christentums sein, sondern seine Entdeckung als Sauerteig, als Salz der Erde und Licht der Welt.

Kirche heute: Worin sehen Sie das Entscheidende für das Gelingen einer Neuevangelisierung?

Erzabt Tutilo: Ich denke, das Gelingen müssen wir Gott überlassen, so wie es der hl. Benedikt im Prolog zu einer Mönchsregel schreibt: „… Wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden.“ Oder wie es Paulus im ersten Korintherbrief 3,6 formuliert: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen.“ An uns ist es, von unserem Glauben an Gott Zeugnis zu geben, an IHM ist es, sein Amen dazu zu sprechen.

Kirche heute: Wir danken Ihnen von Herzen für das interessante Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrem Kloster eine segensreiche Zukunft.

Hinführung zur eucharistischen Anbetung

Ausruhen an der Seite des Herrn

Dr. Veronika Ruf, Referentin am „Institut für Neuevangelisierung und Gemeindepastoral“ in Augsburg, bietet eine Einführung in das Wesen der eucharistischen Anbetung, die bei menschlichen Grunderfahrungen ansetzt. Sie entfaltet ihre Gedanken im Licht des Glaubens und erdet sie zugleich in den Herausforderungen des alltäglichen Lebens. Die Feier der Eucharistie verlangt geradezu das Innehalten beim Herrn, damit sich das Geheimnis der heiligen Messe erschließen kann. Je intensiver die sakramentale Begegnung mit dem Herrn in der Anbetung vor dem Allerheiligsten vorbereitet bzw. nachbereitet wird, um so fruchtbarer können das eucharistische Opfer und die hochzeitliche Vereinigung in der heiligen Kommunion vollzogen werden.

Von Veronika Ruf

Lebendige Freundschaft

Eine Freundschaft wird erst dadurch zu einer Freundschaft, dass man Erlebnisse miteinander teilt und sich darüber austauscht. Die Freundschaft mit Gott ist keine Ausnahme. Eine Beziehung zu ihm kommt erst zustande, wenn man ihm Zeit schenkt und mit ihm spricht. Beten ist nichts anderes als das.

Unter den verschiedenen Formen des Betens, wie Lob-, Bitt-, Dank- oder Klagegebete, ist die Anbetung Gottes die höchste Form. Sie will nichts von Gott, sondern preist ihn um seiner selbst willen, indem sie ihn anerkennt, ihn wertschätzt und über seine Größe staunt: „Wie gut, Herr, dass es dich gibt!“ Anbetung heißt andererseits, meine Kleinheit annehmen und mich vor dem Großen beugen, der alles geschaffen hat. In der Anbetung setze ich Gott an die erste Stelle meines Lebens, weil ich Gott anziehend und faszinierend finde. Er ist ein Gott, der meine Liebe sucht und wecken will.

Hinaustreten ins Weite

In der Anbetung Gottes kann ich getrost aus dem eigenen Gedanken-Karussell aussteigen und ihn in die Mitte meines Denkens und Wollens stellen. So richtet die Anbetung mich aus auf ihn, was wohl das heilsamste ist, was dem Menschen passieren kann. Denn eingeschlossen in das eigene Ich verkümmert der Mensch. Schließlich weitet die Anbetung den Blick für das, was letztlich Bestand hat. Sie vermittelt eine Wahrnehmung des Übernatürlichen und der Ewigkeit. So schrieb der Jesuitenpater Alfred Delp kurz vor seiner Hinrichtung unter dem Nazi-Regime 1945 in Berlin-Plötzensee: „Brot ist wichtig, Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.“

Auf dem Gipfel innehalten

Anbetung braucht ein Gegenüber, das angebetet wird; genauso wie in einer Ehe der Mann das Gegenüber der Frau und die Frau das Gegenüber des Mannes braucht. In der eucharistischen Anbetung ist es Jesus Christus selbst, der sich in der Gestalt des Brotes uns gegenüber stellt. Um wirklich zu erfassen und sozusagen auszukosten, was in der Eucharistie geschieht, braucht man Zeit. So schön die innere Dynamik einer Eucharistiefeier ist, so notwendig ist es doch auch, hin und wieder anzuhalten und die Begegnung mit Jesus auf sich wirken zu lassen. Eucharistische Anbetung ist wie ein Film, der in dem Moment, wenn der Priester bei der Wandlung die Hostie erhebt, gestoppt wird,  damit man sich dieses Geheimnis der Gegenwart Christi näher betrachten kann.

Labsal an der Quelle

Für das Wachstum des Glaubens ist nicht nur das „Auftanken“ durch die Sakramente unerlässlich, es ist auch die verweilende Begegnung mit dem Herrn in der eucharistischen Anbetung mehr als förderlich. Es ist ein „Herz zu Herz“ verweilen mit dem Herrn. Er schenkt neuen Auftrieb und Mut für die Aufgaben im Dienst an den Nächsten. Diese Begegnung mit Jesus Christus in der eucharistischen Anbetung ist eine enorme Kraftquelle für das Leben als Christ.

Die hl. Teresa von Avila erlebte häufig, wie sie sich durch den in der Eucharistie anwesenden Herrn aufgerichtet und erleuchtet fühlte: „Manchmal, ja fast immer oder wenigstens meistens, wenn ich kommuniziert hatte, und zuweilen auch schon, wenn ich mich auch nur dem Sakrament näherte, erfuhren Seele und Leib eine so heilbringende Wirkung, dass ich darüber staunte. Es war mir danach anders, als verschwänden in einem Augenblick alle Finsternisse der Seele, und ich erkannte, nachdem es Licht in mir geworden war, die Torheiten, die mich zuvor ängstigten.“

Bad in der Sonne

So eine Wirkung kann sich meist nur entfalten, wenn man mit dem Herrn Zeit verbringt und still vor ihm wird. Wie der Lieblingsjünger Johannes sich an die Seite des Herrn lehnte (vgl. Joh 13,25), können wir in der Anbetung bei ihm ausruhen, uns aufbauen und Licht ins Leben strahlen lassen. Ihn anschauen und sich von ihm anschauen zu lassen, ist eigentlich alles, was nötig ist. Sich ihm vorbehaltlos ausliefern und sich von ihm annehmen und lieben lassen, ist wie ein Bad in der Sonne nehmen. Der selige Papst Johannes Paul II. nannte das den „Blickaustausch, der das Leben zu ändern vermag“ (Botschaft zum Weltjugendtag 2004).

Vertraulicher Austausch

Diese Begegnung mit Jesus in der eucharistischen Anbetung kann eine solche Intensität und Intimität erreichen, wie sie sonst kaum zu erleben ist. Wenn wir still werden und ihm unser Herz öffnen, geben wir ihm die Gelegenheit, zu uns zu sprechen. Seine bevorzugten Worte sind sicherlich: „Fürchtet euch also nicht!“ (Mt 10,31) und „Komm und folge mir nach“ (Mt 19, 21). Jede Schwierigkeit, aber auch jede Freude, die vor ihn gebracht wird, findet bei ihm wenigstens die eine Antwort: „Der Vater selbst liebt euch“ (Joh 16,27). Ist das nicht genug?

Zurück in den Alltag

Wie gern würden wir doch wie Petrus auf dem Berg der Verklärung in der Begegnung mit dem Herrn bleiben und „Hütten bauen“ (Lk 9,33). Anbetung birgt stattdessen den Auftrag in sich, den Berg wieder hinunter zu steigen in den Alltag hinein. Denn gerade dort soll die Begegnung mit Jesus ihre Frucht zeigen in einem umgewandelten und heiligen Leben: anpacken, statt zuschauen; freundlich sein, statt nörgeln; geduldig sein, statt gewalttätig; zufrieden sein, statt aufgebracht; den anderen hoch schätzen, statt um sich selber kreisen.

Wachsen und blühen

Aus der Anbetung Gottes heraus wächst die freie, helfende Tat und das verständnisvolle, aufbauende Wort für die, die uns umgeben in der Familie, bei der Arbeit, in der Schule oder wo immer. Gebet und Aktion widersprechen sich nicht, sondern beides dient demselben Herrn: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Die selige Mutter Teresa von Kalkutta hat in ihrer Sorge um die Armen und Ausgestoßenen in unserer Zeit wohl am deutlichsten den Zusammenhang zwischen Eucharistie und Nächstenliebe erfasst: „In der Eucharistie begegnet uns Christus in der Gestalt des Brotes. Bei unserer Arbeit begegnen wir ihm in der Gestalt von Fleisch und Blut. Es ist derselbe Christus.“

Über die wahren Bedürfnisse unserer Kinder

Ein Dankgebet lässt uns gut schlafen

Dr. Elisabeth Lukas ist eine der weltweit bekanntesten Psychotherapeutinnen deutscher Sprache. Als „Meisterschülerin“ von Viktor Frankl, des Begründers der Logotherapie, verbreitet sie die Botschaft, dass ein gelingendes Leben davon abhängt, den Sinn zu finden und zu verwirklichen, den das Leben für jeden Einzelnen bereithält. Viele Seelsorger schätzen diese Richtung der Psychologie, in der sie das christliche Menschenbild erkennen und bestätigt finden. Zehn Jahre lang war Elisabeth Lukas nicht mehr auf öffentlicher Bühne zu sehen. Entsprechend groß war der Andrang, als die charismatische Psychologin kürzlich auf einer Domspatz-Soirée in München auftrat. Eindringlich und klar analysierte sie dort im Gespräch mit dem Journalisten und Unternehmer Michael Ragg, was seelische Zeitkrankheiten mit unserem Lebensstil zu tun haben. In einem ersten Teil geht es um ADHS, d.h. um die Aufmerksamkeitsdefizit- bzw. Hyperaktivitätsstörung bei Kindern.

Interview mit Elisabeth Lukas

Kirche heute: Frau Dr. Lukas, bei Kindern wird heute häufig ADHS diagnostiziert, das „Zappelphilipp-Syndrom“, oft mit der Folge, dass das Kind dann mit dem Medikament Ritalin ruhiggestellt wird. Nun machen uns die Konzentrationsschwierigkeiten, macht uns die Unruhe vieler Kinder ja tatsächlich Sorgen. Worin sehen Sie die wesentlichen Gründe für diese Entwicklung?

Elisabeth Lukas: Die Kinder tun mir leid. Die meisten dieser Kinder sind reizüberflutet. Außerdem haben sie heute nicht mehr diese Geborgenheit in der Familie, die sie brauchen. Das ist sehr, sehr schade. Beides zusammen, glaube ich, bewirkt, dass sie unruhig werden.

Kirche heute: Beginnen wir mit der Reizüberflutung. Was löst sie aus?

Elisabeth Lukas: Nicht nur die Medien, obwohl es unglaublich ist, was die Kinder übers Fernsehen an Brutalitäten mit in den Schlaf nehmen. Aber es gibt noch einen Faktor: Sie haben ein vollgestopftes Kinderzimmer. Das dämpft ihre Kreativität und damit auch ihre Ausdauer, weil sie von einem Spielzeug zum anderen hüpfen. Wenn Sie den Kindern was Gutes tun wollen, dann schenken sie ihnen nichts, sie haben sowieso zu viel. Je weniger sie besitzen, desto mehr basteln und bauen sie aus irgendwelchen Materialien selbst etwas, desto mehr beschäftigen sie sich in Ruhe mit etwas. Was sie aber den Kindern schenken könnten ist: Zeit! Zeit ist ein außerordentlich kostbares Geschenk, vor allem Zeit von der Mutter und Zeit vom Vater. 

Kirche heute: … ein Geschenk, das aber immer seltener werden soll, wenn wir dem Ruf fast aller unserer Politiker folgen. Sie sprachen ja schon von der fehlenden Geborgenheit in der Familie …

Elisabeth Lukas: … ja, zerrüttete Familienverhältnisse und gestresste Eltern. Die Kinder haben Eltern, die ebenfalls nervös, zappelig und hektisch sind, und oft sind Vater und Mutter beide berufstätig. Dann ist am Abend alles noch zu erledigen.

Noch etwas aus meiner Volksschulzeit: Ich wurde beneidet, weil ich einen Vater hatte. Mein Vater ist vom Krieg zurückgekommen. Da war ich privilegiert. Denn damals hatten viele Kinder in meiner Klasse keinen Vater, weil er im Krieg gefallen war. Und wissen sie was? Heute ist wieder Krieg. Und die Kinder verlieren wieder ihre Väter. Aber es ist nicht Krieg zwischen den Völkern hier in Europa. Es ist Krieg in den Familien und deswegen verlieren sie die Väter. Und da bleiben sie so oft sich selbst überlassen und greifen zu diesem und jenem und das erzeugt dann diese Hyperaktivität und Unruhe. Also, wenn sie etwas Gutes für die Kinder tun wollen, nehmen sie sich Zeit für sie! 

Kirche heute: Auch wenn dann der Lebensstandard sinkt?

Elisabeth Lukas: Es ist besser, sie verdienen weniger und einer verbringt mehr Zeit zuhause. Und geben sie den Kindern das Vorbild, dass man am Abend noch was anderes tun kann, als nur vor dem Computer- oder Fernseh-Bildschirm zu sitzen. Dass man miteinander sprechen kann, dass man miteinander lachen kann, dass man miteinander spielen kann, dass man miteinander fort gehen kann, dass man miteinander Probleme diskutieren kann, und dass man einander trösten kann und dass man einander vergeben kann, wenn man sich übereinander geärgert hat.

Kirche heute: Wenn heute so viel über die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutiert wird – kommen da die von Ihnen genannten Bedürfnisse der Kinder nicht zu kurz?

Elisabeth Lukas: Da würde ich Ihnen Recht geben. Die Kinder haben ein Recht auf Geborgenheit. Es ist ja ein nachvollziehbares Anliegen, dass die Frauen gleiche Entfaltungsmöglichkeiten im Beruf haben sollen wie die Männer. Aber die Diskussion hat sich dann so entwickelt, dass man forderte, wenn die Frauen beruflich Karriere machen sollen, dann brauchen wir viel mehr Kinderbetreuungsplätze. Ich bin sehr dafür, dass man Kinderbetreuungsplätze einrichtet – aber ein Kinderbetreuungsplatz ersetzt die Mutter nicht. Auch da geht es wieder um die Frage: Ist es ein sinnvolles oder ein sinnwidriges Opfer. Ich will nicht sagen, dass sich alle Frauen immer nur für die Familien aufopfern sollten, vielleicht können sich ja die Männer auch mal ein bisschen aufopfern für die Familie, das schadet ja nicht. Aber insgesamt, wenn man Elternteil ist, hat man eine Verantwortung für die Kinder. Dass man das heute dazusagen muss, ist eigentlich traurig. Bei jedem Haustier sagt man das: Wenn Sie sich einen Hund anschaffen, dann haben Sie die Verantwortung, den Hund artgerecht zu halten, ihn nicht wegzusperren, ihm genügend Bewegung zu verschaffen und so weiter. Und wenn man ein Kind hat, hat man Verantwortung für dieses Kind, es so gut und liebevoll großzuziehen wie man nur kann. Das erfordert eben auch, dass die Eltern auch Abstriche bei sich selber machen, auf das eine oder andere verzichten – der Kinder willen, die es wert sind.

Kirche heute: Erziehungsratgeber gibt  es heute wie Sand am Meer. Sie scheinen viele Menschen so zu verunsichern, dass sie sich gar nicht mehr zutrauen, Kinder zu erziehen. Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, was Eltern ihren Kindern auf den Lebensweg mitgeben sollten?

Elisabeth Lukas: Die wichtigste Botschaft, die Eltern einem Kind geben können, lautet: Du bist eine wertvolle Person! Das gilt immer – ob du in der Schule gute oder schlechte Noten hast, ob du versagst oder Erfolg hast, ob du krank oder gesund bist, jung oder alt. Du bist eine wertvolle Person unabdingbar und unverlierbar – und jedes Du ist eine wertvolle Person. Nicht nur du, sondern auch die Anderen sind wertvoll. Das ist das Wichtigste.

Wenn die Kinder sich wertgeschätzt wissen, werden sie auch eher andere Personen wertschätzen. Dann werden sie, auch wenn sie sich ärgern, doch noch zurückschrecken vor einer wirklich bösartigen Attacke gegen jemand anderen. Dann wird etwas in ihnen aufstehen und sagen: Stopp! Das darfst du nicht, auch der andere ist eine wertvolle Person. Wenn wir den Kindern beibringen, dass Menschen wertvolle Personen sind, dann werden sie die Kette des Bösen irgendwann abzureißen im Stande sein. 

Kirche heute: Die Logotherapie ermutigt den Menschen, dass er sich über die Verhältnisse erheben und ungeahnte Lebensqualität erhalten, intensiver leben kann. Viel guten Rat geben Sie dazu in Ihren Büchern, nur einen wollen wir hier noch ansprechen, der Ihnen besonders wichtig ist. Sie sprechen von der „heilenden Kraft der Dankbarkeit“. Was meinen Sie damit?

Elisabeth Lukas: Die Dankbarkeit hat wirklich eine Heilkraft in vielerlei Hinsicht. Zum einen schon im zwischenmenschlichen Bereich. Es ist so, dass uns das Negative mehr auffällt als das Positive. Das ist eine Art biologischer Falle. Die Natur hat es so eingerichtet, dass uns alles, was schmerzt, sofort auffällt, damit wir den Schmerz abstellen. Hunger etwa bemerken wir sofort. Das tun auch die Tiere, damit sie sich auf Beutejagd machen. Sie merken es aber nicht direkt, wenn sie satt sind. So ist es auch bei uns Menschen.

Wahrscheinlich sitzen Sie, wenn Sie dieses Interview hören oder nachlesen, nicht da und denken: Oh wie schön, dass ich jetzt keine Zahnschmerzen habe. Und herrlich, dass mir auch das Kreuz nicht weh tut, und die Knie tun mir auch nicht weh und Bauchweh habe ich auch nicht. Aber wenn einer von Ihnen plötzlich Zahnschmerzen hätte, was ich nicht hoffen will, würde er sofort seine Aufmerksamkeit darauf richten, er würde nicht mehr unserem Dialog folgen, sondern überlegen: Soll ich Tabletten nehmen, soll ich morgen zum Arzt gehen?

Das bedeutet, wir müssen das ein bisschen ausgleichen, sonst erhält das Negative ein zu großes Gewicht. Wenn uns jemand etwas Schönes entgegenbringt oder freundlich zu uns ist, warum sollen wir uns nicht bedanken und das hervorheben. Derjenige freut sich und wir haben auch etwas Gutes getan.

Kirche heute: Ist das Danken auch für uns selbst wichtig?

Elisabeth Lukas: Ja, auch für uns selbst – weil es Werte ins Bewusstsein ruft. Es gibt kein besseres Schlafmittel als das Dankgebet am Abend. Wenn Sie im Bett liegen, überlegen Sie, wofür Sie sich an diesem Tag bedanken. Was war das Schönste an diesem Tag? Eine Begegnung, etwas Interessantes, was Sie gelesen haben, oder etwas, was Ihnen selbst gelungen ist; oder, dass Sie einfach nur am Abend noch zum Fenster hinaus geschaut und einen schönen Sternenhimmel gesehen haben – das ist doch etwas! Und wenn Sie nur denken: Ich habe ein gesundes Kind, oder, ich habe noch einen Vater, er ist zwar schon alt, aber ich habe ihn noch. Oder ich habe eine Mutter, oder einen lieben Mann an meiner Seite, wie ich es oft denke am Abend. Das ist doch etwas Schönes. Nichts ist selbstverständlich! Und wenn Sie das denken, dann spüren Sie, mit welchen Werten Ihr Leben verknüpft ist. Und wie viel Gnade da ist in Ihrem Leben. Neben allem, was schief geht und was auch problematisch ist. Aber die Gnade waltet auch in unserem Leben. Wir müssen sie nur spüren und so ein Dankgebet hilft uns dabei und dann schläft man einfach herrlich.

Erfolgreiche Arbeit der Aktion 1000plus

Einsatz für das Leben von Mutter und Kind

Im Jahr 2009 nahm das Projekt „1000plus“ seine Arbeit auf. Nach dem Motto „Nicht nur reden, sondern handeln!“ versucht das Netzwerk, ungewollt schwanger gewordenen Frauen eine echte Hilfe anzubieten. Wie die Erfahrung zeigt, ist diese Unterstützung in zahlreichen Fällen ausschlaggebend dafür, dass Frauen in Not von einer Abtreibung absehen und ihr Kind zur Welt bringen. Barbara Witzgall, die sich im Rahmen des Projekts als Referentin engagiert, berichtete bei einer Informationsveranstaltung in Augsburg über ihre Erfahrungen. Keiner Frau falle der Schritt zu einer Abtreibung leicht. Was sich abspiele, sei meist ein Kampf zwischen dem Herzen der Mutter, das fast zerrissen werde, und der angeblichen Vernunft, die sich in der Gestalt des Vaters bzw. der Umgebung zu Wort melde. Gemeinsam gelinge es, sich dem Druck zu widersetzen und standzuhalten. Vera Novelli hat für uns die Ausführungen von Barbara Witzgall zusammengefasst.

Von Vera Novelli

Ein Wartezimmer bei einem Gynäkologen irgendwo in Deutschland: fünf Frauen sitzen dort schweigend. Fünf Frauen sind schwanger, eine von ihnen wird ihr Baby abtreiben. Täglich 37 Ungeborene allein in Bayern müssen sterben. Die bundesweite Aktion 1000plus möchte darauf aufmerksam machen. In Augsburg informierte Barbara Witzgall (Dresden) über das Projekt in der Alpha-Buchhandlung Books'nBeans.

Betroffen ist erst einmal die schwangere Frau

Barbara Witzgall ist Referentin für den Verein Pro Femina e.V., einem der drei Träger der Aktion 1000plus. Ihre Arbeit besteht darin, in ganz Deutschland über die Verzweiflung ungewollt Schwangerer zu informieren und Mitstreiter im Kampf für das Leben Ungeborener zu suchen. Die Tätigkeit der 56-jährigen Erzieherin, Mutter, Oma, Ehefrau wird von dem Wunsch getragen, Betroffenen zu helfen. Ungeborene zu retten, sei „eine Herzenssache“, sagt Barbara Witzgall. Doch „betroffen“ sind nicht nur die ungeborenen Kinder, sondern erst einmal die schwangere Frau. „Keine Frau treibt leichtfertig ab“, betont Witzgall. In diesem Punkt ist Pro Femina sogar mit den Befürwortern der Abtreibung einig. Denn zunächst ist Abtreibung für die meisten Frauen keine Option, weil es nicht nur ein physischer Eingriff ist, sondern auch das ganze „Herz“ der Frau betrifft. „Es zerreißt mich zwischen dem Kind, das in mir wächst, und der Vernunft, zu entscheiden“, berichten oft ungewollt Schwangere. „Vernunft“ – das ist oft der Partner mit seinen Argumenten gegen das Kind. Frauen stünden unter dem massiven Druck der Männer oder auch Eltern, Freunde und solcher, denen das „Herz“ nicht zerrissen wird.

Der verlorene Kampf um das Leben

Im diesem Konflikt haben die Frauen keine Kraft mehr, nicht nur gegen eigene Zweifel, sondern auch noch gegen die Zweifel anderer zu kämpfen. „Den Kampf zwischen Herz und angeblicher Vernunft verlieren diese Frauen und damit ihre ungeborenen Kinder“, sagt die Pro Femina-Referentin. Depressionen und andere psychische oder psychosomatische Leiden der Frau sind häufig Folgen einer Abtreibung. „Und nicht nur sie, sondern auch Gott ist traurig“, betont Barbara Witzgall, praktizierende Christin. Gemäß ihrer Überzeugung entsteht der Menschen im Augenblick der Zeugung, wird von Gott „gewebt“ und zu seiner Bestimmung gerufen. Diese Idee spiegelt sich bei der Aktion 1000plus, die auf ihren Info-Materialien exemplarisch Babys mit „Zukunft“ abbilden, kleine Menschen, die viel bewegen, sofern man sie leben lässt. Menschen, die fehlen werden, wenn sie sterben müssen.

Konkrete Hilfe statt ethischer Diskussion

Laut Statistik nahmen in den letzten Jahren Abtreibungen bei minderjährigen Frauen und bei denen, die das dritte Kind erwarten, zu. Im vergangenen Jahr meldeten sich bei Pro Femina 13 Frauen nach Vergewaltigung; davon entschieden sich sechs für das Baby, eine trieb ab und sechs Frauen haben  nicht gesagt, wie sie letztlich verfahren sind.

Pro Femina holt die betroffenen Frauen da ab, wo sie stehen. Auf seiner Homepage outet sich der Verein nicht als „christlich“. „Wir wollen keinen überreden oder manipulieren“, sagt Witzgall. Frauen, selbst solche, die christlich eingestellt sind, wollen im Schwangerschaftskonflikt keine ethische Grundsatzdiskussion führen, sondern eine konkrete Hilfe. „Wir fragen die Frauen: Was müsste anders sein, damit du dich für ein Kind entscheidest?“ Pro Femina leistet unbürokratisch finanzielle Hilfe, um beispielsweise eine Haushaltshilfe für die belastete Mutter zu ermöglichen.

Wie gelingt die Kontaktaufnahme?

Wie kommt der Verein in Kontakt mit betroffenen Frauen? „Heute suchen die meisten Menschen ihre Informationen im Internet“, so Barbara Witzgall. Tatsächlich bitten ungewollt Schwangere im deutschsprachigen Raum täglich 15.000 Mal online um Rat und Hilfe. Am meisten werden die Worte „abtreibung bis wann“ aufgerufen. Durch gezielte Werbung im Internet und mit einer Beratungsplattform – www.vorabtreibung.de – gelingt Pro Femina die Kontaktaufnahme.  Viele Frauen möchten in dem Forum ihre Geschichte und ihre Verzweiflung loswerden. Online-Beraterinnen antworten sofort. Danach ist die Frau manchmal auch bereit, die Telefonberatung anzunehmen. Dafür steht eine gebührenfreie Hotline zur Verfügung. Beratungen erfolgen – wenn gewünscht – anonym. Oft wagen die Frauen den letzten Schritt zum persönlichen Gespräch mit hauptamtlichen pädagogisch und therapeutisch ausgebildeten Fachleuten. Danach entscheiden sich etwa 70 Prozent der ungewollt Schwangeren für ihr Kind.

Den Frauen ihr Selbstbewusstsein wiedergeben

Wo entbinden, wie soll es nach der Geburt weitergehen, wäre ein Umdenken auch beim Vater des Kindes möglich – alles Fragen, die die Beraterinnen von Pro Femina mit der Frau durchgehen. „Es ist wichtig, den Frauen den Rücken zu stärken, ihnen ihr Selbstbewusstsein wiederzugeben“, erklärt Witzgall. Weil Frauen in ihrer Situation ernst genommen werden wollen. Schnelle „Hilfe“ wie einen Beratungsschein gibt es bei Pro Femina nicht. Oft entscheidet sich der Vater des Kindes auch dafür, wenn er sieht, wie seine Partnerin um ihr Kind kämpft. Manchmal nicht. Pro Femina ist dann dennoch da: mit Rat, aber auch mit Tat, gleich wie lange eine Beratung dauert, gleich welche Hilfe – auch finanzielle – die Frau braucht. „Wir sind für das Leben“, lächelt Barbara Witzgall, „für das Leben von Mutter und Kind“.

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