Das Abendmahl Jesu und die Eucharistie

Geistliches Vermächtnis Benedikts XVI.

Eine wunderbare Einstimmung auf den Nationalen Eucharistischen Kongress in Köln vom 5. bis 9. Juni 2013 bildet ein Beitrag von Prof. Dr. Stephan Otto Horn SDS. Es handelt sich um einen Vortrag, den er am 5. Mai 2013 beim Ordenstag in Regensburg gehalten hat. Horn führt in die eucharistische Spiritualität ein, wie sie im Gesamtwerk Benedikts XVI. zu finden ist. Dabei greift er auf Artikel, Ansprachen, Enzykliken und Botschaften des emeritierten Papstes zurück, aber auch auf das Werk „Jesus von Nazareth“. Benedikt XVI. zeige, „dass Jesus mit seinem Leben und seiner Botschaft, mit seinem Tod und seiner Auferstehung Gott den Vater offenbart“. Denn das innerste Geheimnis Jesu liege darin, „dass er der Sohn ist und Gott von Angesicht zu Angesicht schaut.“ Und so strebe sein ganzes Heilswirken auf die Vereinigung des Menschen mit Gott in der Eucharistie als dessen Höhepunkt zu.

Von P. Stephan Otto Horn SDS

Beginnen möchte ich mit einem Hinweis auf die letzte Mittwochsaudienz von Papst Benedikt. Dort ruft er uns im Blick auf das Jahr des Glaubens zu: „Ich möchte alle einladen, ihr festes Vertrauen auf den Herrn zu erneuern, sich wie Kinder den Armen Gottes anzuvertrauen in der Gewissheit, dass diese Arme uns immer stützen und uns ermöglichen, Tag für Tag voranzuschreiten, auch in der Mühsal. Ich möchte, dass jeder sich geliebt fühlt von jenem Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben und uns seine grenzenlose Liebe gezeigt hat. Ich möchte, dass jeder die Freude empfindet, Christ zu sein.“[1] Die Erneuerung des Glaubens erwartet Papst Benedikt also von der Erneuerung des Vertrauens auf die Liebe Gottes, der seinen Sohn für uns hingegeben hat. Die Glaubenserfahrung der Liebe Gottes wird uns aber in einzigartiger Weise in der Eucharistie geschenkt. Wenn wir das nun näher bedenken, wird sich uns zeigen, dass Papst Benedikt die Erneuerung des Lebens der Kirche und der Welt vor allem von einer eucharistischen Erneuerung erwartet.

Der Tod Jesu als Beginn der Verwandlung der Welt

Er stützt seine Zuversicht auf das entscheidende Ereignis der Heilsgeschichte: dass Gott seinen Sohn für uns hingegeben hat. Beim Weltjugendtag in Köln hat er dafür ein wunderbares Bild gefunden, das Bild einer Kernspaltung: „Dies ist nun der zentrale Verwandlungsakt, der allein die Welt wirklich erneuern kann: Gewalt wird in Liebe umgewandelt und so Tod in Leben. … Der Tod Christi ist sozusagen die Kernspaltung im Innersten des Seins – der Sieg der Liebe über den Tod. Nur von dieser innersten Explosion des Guten her, die das Böse überwindet, kann die Kette der Verwandlungen ausgehen, die allmählich die Welt umformt.“[2]

Papst Benedikt weist im zweiten Band von Jesus von Nazareth darauf hin, dass Jesus beim Letzten Mahl mit seinen Jüngern sich selbst in einem freien Akt der Liebe für die Welt dahingegeben hat. Mit diesem Akt hat er seinen Tod schon vorweg angenommen und als einen Tod aus Liebe bejaht. In diesem Sinn deutet Papst Benedikt das Wort Jesu im Abendmahlssaal [nach Markus und Matthäus] „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“: „Er (Jesus) vollzieht das, was er in der Hirtenrede gesagt hatte: ‚Niemand entreißt mir das Leben, sondern ich gebe es von mir aus hin‘ (Joh 10,18). Das Leben wird ihm am Kreuz entrissen, aber er gibt es jetzt schon von sich aus hin. Er wandelt seinen gewaltsamen Tod in einen freien Akt der Hingabe seiner selbst für die anderen und an die anderen um.“[3] Im Hohepriesterlichen Gebet Jesu zeigt sich eine innere Nähe zu dieser Schau. Jesus vollzieht nach dem Johannesevangelium diese Hingabe seiner selbst „im Abschiedsgebet am Eingang der Passion“ mit dem Wort „heiligen“: „Ich heilige mich für sie (Joh 17,19)“. Damit sagt er: Ich bringe mich für sie zum Opfer dar.[4]

Papst Benedikt zeigt, dass Gott aus reiner Liebe in seinem Sohn die Versöhnung anbietet und schenkt. Er erwartet nicht eine unendliche Sühne der Menschen. Aber Gott kann das Böse in der Welt nicht ignorieren. „Die Realität des Bösen, des Unrechts, das die Welt entstellt und zugleich das Bild Gottes beschmutzt – diese Realität ist da, durch unsere Schuld. Sie kann nicht einfach ignoriert, sie muss aufgearbeitet werden. Nun wird aber nicht durch einen grausamen Gott Unendliches verlangt. Es ist genau umgekehrt: Gott selbst richtet sich als Ort der Versöhnung auf und nimmt das Leid in seinem Sohn auf sich. Gott selbst schenkt seine unendliche Reinheit in die Welt hinein. Gott selbst ‚trinkt den Kelch‘ alles Schrecklichen aus und stellt so das Recht wieder her durch die Größe seiner Liebe, die im Leid das Dunkle verwandelt.“[5]

Eucharistie als Einung mit Gott

„Diesem Akt der Hingabe hat Jesus bleibende Gegenwart verliehen durch die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles.“[6] In seiner Enzyklika „Gott ist die Liebe“ spricht Papst Benedikt von „der ‚Mystik‘ des Sakramentes, die auf dem Abstieg Gottes zu uns beruht“. Er erläutert dies so: „Das Bild von der Ehe zwischen Gott und Israel wird in einer zuvor nicht auszudenkenden Weise Wirklichkeit. Aus dem Gegenüber zu Gott wird die Gemeinschaft mit der Hingabe Jesu Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut, wird Vereinigung.“[7] Einung von Gott und Mensch – das bezeichnet er anderwärts als „Traum, der die ganze Menschheitsgeschichte durchzieht“.[8] Hier im Sakrament, im Empfang des Leibes und Blutes wird er Wirklichkeit. In „Jesus von Nazareth“ sieht er das „eigentlich Erlösende“ in der „Überschreitung des Menschseins“ durch die Einung mit Gott: „Der Jünger, der mit Jesus mitgeht, wird… mit ihm in die Gottesgemeinschaft hineingezogen.“[9]

Papst Benedikt öffnet uns die Augen auch dafür, dass in der Eucharistie die tiefste Sehnsucht des menschlichen Herzens wenigstens anfangshaft Erfüllung findet. Und sie schenkt uns die Hoffnung auf den Augenblick der endgültigen Einung mit Gott, in der unser Ich nicht ausgelöscht ist, sondern in die dreifaltige Liebe Gottes hineingerissen wird. Die Eucharistie schenkt die tiefe Gewissheit der Nähe Gottes, die innigste Vereinigung mit ihm. Diese Glaubenserfahrung kann und soll alle Schichten unseres Seins durchdringen.

In der Kommunion kann geschehen, was der Pfarrer von Ars im Gebet erfahren hat: „Wenn jemand ein reines, mit Gott verbundenes Herz hat, dann überkommt ihn ein berauschendes Gefühl von Wonne und Glück, ein Licht, das ihn wunderbar umleuchtet. In dieser tiefen Vereinigung sind Gott und die Seele wie zwei ineinander verschmolzene Kerzen, die keiner mehr trennen kann. Überaus schön ist die Vereinigung Gottes mit seinem geringen Geschöpf: es ist ein Glück, das niemand begreifen kann.“[10] Für den Pfarrer von Ars ist Voraussetzung für eine solche Glaubenserfahrung das reine, mit Gott verbundene Herz. Joseph Ratzinger/Papst Benedikt sieht als Voraussetzung einer tiefen Erkenntnis des Herrn und der Einung mit ihm das „Gehen mit Jesus“: Der Jünger, der mit Jesus geht, so haben wir soeben von ihm gehört, wird mit ihm in die Gottesgemeinschaft hineingezogen. Bedenken wir von hier aus mit Papst Benedikt die beiden Grundvoraussetzungen für eine tiefe Erkenntnis Gottes und eine Einung mit ihm in der Eucharistie!

Eucharistie und Teilen mit den anderen

Das Gehen mit Jesus besagt für ihn zunächst, sich in die Dynamik der Liebe des Herrn hineinziehen zu lassen. Der Christ wird in der Kommunion ja nicht einfach statisch mit Christus vereint, sondern „in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen“.[11] In „Jesus von Nazareth“ liest Papst Benedikt das vom Gestus des Brotbrechens Jesu im Abendmahlssaal ab. Er nimmt den ganz menschlichen Gestus der Gastlichkeit, durch den man den Fremden in die Tischgemeinschaft aufnimmt. Aber Jesus gibt dem eine radikal neue Tiefe: er schenkt sich selbst. Wer Eucharistie feiert, ist deshalb notwendigerweise zum Teilen mit dem anderen berufen. Das Teilen ist für Papst Benedikt „eine innere Dimension der Eucharistie selbst“. Und er fügt hinzu: „Caritas, die Sorge um den anderen, ist nicht ein zweiter Sektor des Christentums neben dem Kult, sondern in diesem selbst verankert und ihm zugehörig.“ Das Offenwerden des Herzens auf den anderen hin ist eine Verwandlung, die schon in der Eucharistie geschieht und geschehen muss. Aber gerade nach der Auffassung von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt reicht die Eucharistie in das Leben hinein. Eucharistie ist eine Verwandlung des ganzen Lebens in der Liebe zum Nächsten.

Je mehr wir uns von der Dynamik der Liebe, die wir empfangen haben, bestimmen lassen, desto tiefer wird die Einung mit dem Herrn sich vollziehen. Die Einung mit Gott geschieht ja nicht in einem mystischen Aufstieg zu Gott, sondern durch den Abstieg Gottes zu uns in der Liebe seines Sohnes, durch den Abstieg der Demut, des Knechtsdienstes. Je mehr der Christ in der Demut des Dienens sich in den Abstieg Gottes einschwingt, desto mehr wird er mit ihm eins. So betont Papst Benedikt auch in „Jesus von Nazareth das Neue der christlichen Mystik“. „Der Aufstieg zu Gott ereignet sich gerade im Abstieg des demütigen Dienens, im Abstieg der Liebe, die das Wesen Gottes ist und daher die wahrhaft reinigende Kraft, die den Menschen fähig macht, Gott wahrzunehmen und ihn zu sehen.“[12]

Eucharistie und Hingabe an Gott den Vater

Im „Danken und Teilen zu Beginn des Einsetzungsberichtes“ wird für Papst Benedikt das Wesen des Neuen Kultes, den Christus gestiftet hat, sichtbar. Vom Teilen haben wir soeben gesprochen. Nun gilt es vom Danken im Geschehen der Eucharistie zu sprechen. Jesus Christus zieht uns in der Eucharistie in seinen Dank hinein. Im Abendmahlssaal hat Jesus sich ganz dem Vater anheimgegeben und im Voraus sein Ja zur Passion gegeben. Das Kreuzesopfer ist so reine Hingabe Jesu an den Vater, höchste Form der Liebe, Anbetung. In der Eucharistie wird die Hingabe Jesu an den Vater neu gegenwärtig.

Auf diese Weise will uns Christus in seine Hingabe an den Vater hineinziehen. Eine solche Hingabe hat für uns nichts Zerstörendes an sich. Sie ist vielmehr Antwort auf die Liebe Gottes, der uns erschaffen hat, um uns in einen nie endenden Dialog der Liebe einzubeziehen. Sie ist zudem Antwort auf die Liebe Gottes, der in seinem Sohn unsere Schuld hinweggenommen und den Hass der Welt durch seine Liebe überwunden hat. Indem wir uns in der Heiligen Messe hineinnehmen lassen in das Opfer Christi, in seine Hingabe an den Vater, werden wir mehr und mehr fähig, unser ganzes Leben zum Lobpreis Gottes, zur Anbetung, zu einem dem Herrn gemäßen Gottesdienst zu machen. Unser ganzes Leben kann und soll Eucharistie werden: Gebet, Danksagung, Hingabe.

Eucharistie und Anbetung des Herrn

Von da aus können wir uns auch die Frage stellen: Welche Bedeutung hat die Anbetung in der Eucharistie und jene Verehrung, die wir außerhalb der Eucharistie dem in der Gestalt des Brotes anwesenden Herrn zollen? Blicken wir hier für einen Augenblick auf den jungen Theologen Ratzinger. Er wandte sich in seiner Doktorarbeit dem hl. Augustinus zu und wurde von ihm tief geprägt, gerade im Blick auf die Theologie und Spiritualität der Eucharistie. Nun kannte freilich die Kirche zur Zeit Augustins, die Kirche der Väter, die eucharistische Anbetung noch nicht. Joseph Ratzinger selbst hat einmal erzählt, wie ihm dies zur Frage wurde. „Von Augustinus her hatte ich begriffen, dass Eucharistie der lebendige Vorgang der Kommunion Christi mit uns ist. Die überlieferte eucharistische Frömmigkeit in Prozessionen, Andachten, stiller Anbetung vor dem Allerheiligsten gab es zu Zeiten Augustins noch nicht… Erst schrittweise ging mir im Lauf der Jahre auf, dass diese späteren Entwicklungen ganz organisch und logisch die grundlegende Erfahrung entfalten, von der Augustinus geprägt war.“[13] Aber nicht nur seine eigenen theologischen Erwägungen brachten ihm Antworten auf seine Frage, sondern auch die Spiritualität von Franz von Assisi und Dominikus und ihrer Bewegungen, bei denen die eucharistische Frömmigkeit aufblühte. Für Ratzinger als Theologen sind, wie wir auch hier sehen, die Heiligen von großer Bedeutung, nicht zuletzt als Anreger der Theologie.

Er sah nun immer deutlicher, dass die Begegnung mit Christus in der Kommunion, die Einung mit ihm nur in der vollen Offenheit und Hingabe des Herzens recht geschehen konnte, also in der Anbetung, in der freudigen und vollen Übereignung seiner selbst an den Herrn und mit ihm an den Vater. Die Kommunion erfordert Anbetung – „Liebe in ihrer höchsten Form“[14], und so gehört der Akt der Anbetung in die Mitte der Eucharistie. „Christus empfangen, heißt auf ihn zugehen, ihn anbeten.“[15]

Von da aus erkannte er, dass auch die eucharistische Anbetung, die nicht im Rahmen der Messfeier geschieht, von großer Bedeutung für die rechte Mitfeier der Eucharistie ist. „Nur im Klima der Anbetung kann die eucharistische Feier ihre Größe und Kraft entfalten… Anbetung und Kommunion konkurrieren nicht, sondern sind letztlich eins“.[16] Eucharistische Anbetung ist Einübung in den rechten Empfang der Kommunion, in die Einung mit Christus. Deshalb fördert Papst Benedikt die eucharistische Anbetung. Bewegend sind für ihn die Zeiten der Anbetung, besonders in den Vigilfeiern der Weltjugendtage, wenn Hunderttausende junger Menschen still werden, ihr Herz öffnen, die Nähe Christi erfahren und sich von seiner Liebe berühren lassen.

Ich möchte nun aber noch auf eine Wirklichkeit der Eucharistie hinweisen, die Papst Benedikt außerordentlich wichtig ist, die er aber im Jesusbuch nur kurz berührt. Dort sagt er: „Kirche wird von der Eucharistie her. Sie empfängt von ihr her ihre Einheit und Sendung.“[17]

Eucharistie und Kirche

Schon für den jungen Theologen Ratzinger ist Eucharistie nicht nur ganz persönliche Begegnung mit Christus und Einung mit ihm. Sie bringt ihm auch eine tiefe Freude an der Kirche. Denn Christus gibt sich in der Eucharistie allen Gläubigen, er zieht sie an sich, so dass sie eins werden in ihm, also geradezu sein Leib sind. Ratzinger verdankt diese Einsicht dem hl. Augustin. Eines Tages hat er berichtet, wie dies geschah. „Bei meiner Arbeit aber“ – gemeint ist seine Doktorarbeit – „stieß ich auf etwas Unerwartetes. Augustinus nannte… die Kirche nicht ‚mystischer Leib Christi‘, sondern einfach ‚Leib Christi‘ und dies deswegen, weil sie den Leib Christi empfängt und so selbst Leib Christi wird. Auf diese Weise wurde mir sichtbar, dass bei den Vätern Eucharistie und Kirche nicht wie zwei verschiedene Dinge nebeneinander stehen, sondern durchaus ineinander-fallen. … Kirche entsteht und besteht dadurch, dass der Herr sich Menschen kommuniziert, in Kommunion mit ihnen tritt und sie so zur Kommunion miteinander bringt.“[18] Eucharistie schenkt damit nicht nur Eins-werden mit dem Herrn, sondern auch Eins-werden mit den anderen, die ihn empfangen wie wir, sodass alle eins werden in ihm. So wählte er damals als Motto seiner Arbeit das Wort des Apostels Paulus (1 Kor 10,17): „Weil ein Brot sind wir, die Vielen, ein Leib.“

Diese Sicht des Ineinander von Kirche und Eucharistie hat sich das Zweite Vatikanische Konzil zu eigen gemacht. Sie kann auch uns zu einer tiefen Freude an der Kirche führen. In dieser Sicht erscheint die Kirche nicht einfach als eine Gemeinschaft in Glaube, Hoffnung und Liebe, eine Gemeinschaft, die Heilige und Sünder umfasst. Gewiss ist die Kirche auch das. Aber sie ist viel mehr. Ihre Mitte ist die Eucharistie und damit Christus selbst, der Gekreuzigte und Auferstandene. Er zieht in der Eucharistie uns alle an sich und macht uns zu seinem Leib, so dass wir im Glauben eine ganz tiefe Einheit mit ihm und untereinander erfahren können.

In seiner Enzyklika „Deus caritas est“ spricht der Papst denn auch vom sozialen Charakter der ‚Mystik‘ des Sakraments der Eucharistie: „Denn in der Kommunion werde ich mit dem Herrn vereint wie alle anderen Kommunikanten: ‚Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib, denn wir alle haben teil an dem einen Brot‘, sagt der heilige Paulus (1 Kor 10,17). Die Vereinigung mit Christus ist zugleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt. Ich kann Christus nicht allein für mich haben, ich kann ihm zugehören nur in der Gemeinschaft mit allen, die die Seinigen geworden sind oder werden sollen. Die Kommunion zieht mich aus mir heraus zu ihm hin und damit zugleich in die Einheit mit allen Christen. Wir werden ‚ein Leib‘, eine ineinander verschmolzene Existenz. Gottesliebe und Nächstenliebe sind nun wirklich vereint: der fleischgewordene Gott zieht uns alle an sich.“[19] Die Freundschaft mit Christus befähigt uns so zur Freundschaft untereinander. So bewirkt die Eucharistie Einheit, Überwindung der Fremdheit, Möglichkeit der Teilhabe am geistlichen Reichtum der anderen.

Eucharistie und Zeugnis

In seinen geistlichen Erwägungen „Auf Christus schauen“ sieht Kardinal Ratzinger die gegenwärtige Krise des Glaubens vor allem im Ausfall der Bewahrheitung des Glaubens im Leben der Christen begründet. Besonders das Fehlen der Freude ist nach ihm ein weit stärkerer Grund für die Entkirchlichung als die theoretischen Probleme, die der Glaube heute aufgibt. So genügt ihm für eine neue Evangelisierung nicht die Darlegung einer in sich schlüssigen Wahrheit. Es braucht vielmehr die Bewährung im Leben dieser Wahrheit. Nur das Ineinander von Wahrheit und Bewährung kann jene Evidenz des Glaubens aufleuchten lassen, auf die das menschliche Herz wartet.

Im Vorblick auf seine Reise nach Deutschland hat Papst Benedikt es so ausgedrückt: „Und endlich, in der Begegnung von Menschen, die von Gott angerührt sind, sehen wir gleichsam Gott. Ich denke nicht nur an die Großen: von Paulus über Franz von Assisi bis zu Mutter Teresa, sondern an die vielen einfachen Menschen, von denen niemand spricht. Und doch, wenn wir ihnen begegnen, geht von ihnen etwas von Güte, von Lauterkeit, von Freude aus, dass wir wissen, da ist Gott, und dass er uns anrührt.“[20]

Wir haben gesehen, dass in der Eucharistie der Christ eine Verwandlung erfahren kann durch die Glaubenserfahrung der Liebe und Nähe Gottes. In der Hingabe Christi erfahren wir die Berührung mit der Liebe Gottes. Ja, es geschieht Einung mit ihm. Diese Einung, die Erfahrung des Geliebt-Seins von Gott und der Freude an ihn, verbunden mit der Antwort der Liebe, kann und wird uns verwandeln. Wir werden zu einem Leben finden, das Freude und Liebe ausstrahlt. Auf diese Weise wird der Gläubige zum Zeugen, in dem Christus gegenwärtig ist und dessen Licht und Liebe aus ihm zu leuchten beginnen. Je mehr er, von Gott berührt, in die Gesinnungen Christi eintritt – in seine Demut und Sanftmut -, desto mehr spiegelt sich in ihm das Licht Christi. „Immer leben verborgene Heilige, die in der Gemeinschaft mit Jesus einen Strahl von seinem Glanz empfangen, konkrete und reale Erfahrung Gottes.“[21] Die sicherste Apologie des Glaubens sind diese „einfachen Heiligen“, „die guten Menschen, denen ich in meinem Leben begegne. In ihrer täglichen Güte sehe ich die Wahrheit des Glaubens“.[22]


[1] Mittwochsaudienz vom 27. Februar 2013.
[2] Predigt von Benedikt XVI. am 21. August 2005 in Köln, Marienfeld.
[3] I, 150f.
[4] Vgl. II, 105f. Hier folgt Papst Benedikt Rudolf Bultmann, der seinerseits Johannes Chrsysostomus zitiert: „Ich heilige mich – ich bringe mich als Opfer dar.“
[5] II, 256.
[6] Benedikt XVI., Gott ist die Liebe, Nr. 13.
[7] Ebda.
[8] Joseph Cardinal Ratzinger, Eucharistie und Mission, in: Weggemeinschaft des Glaubens. Kirche als Communio, Augsburg 2002, 88.
[9] I, 33.
[10] Zitiert aus dem Lektionar zum Stundenbuch II, 6, 280f.
[11] Benedikt XVI., Gott ist die Liebe, Nr. 13.
[12] I, 126.
[13] Joseph Ratzinger, Gemeinde aus der Eucharistie, in: Vom Wiederauffinden der Mitte. Grundorientierungen. Texte aus vier Jahrzehnten, hrsg. vom Schülerkreis, Freiburg-Basel-Wien 1997, 36.
[14] Ebda., 37.
[15] Joseph Ratzinger, Die wirkliche Gegenwart Christi im eucharistischen Sakrament, in: Gott ist uns nah. Eucharistie: Mitte des Lebens, Augsburg 2001, 90.
[16] Gemeinde aus der Eucharistie, in: Vom Wiederauffinden der Mitte (vgl. Anm. 13), 37. Ähnlich  betont er in „Die wirkliche Gegenwart des Herrn in der eucharistischen Feier“, „dass Verehrung des Sakraments nicht eine Konkurrenz zur lebendigen Feier der Gemeinde, sondern deren Bedingung, ihr unerlässlicher Lebensraum ist. Nur im Atemraum der Verehrung kann auch die eucharistische Feier lebendig sein…“ (Zur Frage der Verehrung und der Sakralität der Eucharistie, in: Gott ist uns nah (vgl. Anm. 15), 99.
[17] II, 185.
[18] Gemeinde aus der Eucharistie (vgl. Anm. 13), 35.
[19] Benedikt XVI., Gott ist die Liebe, Nr. 14. Joseph Ratzinger/Papst Benedikt spricht im Blick auf die Mystik des Sakraments mehrfach von Verschmelzung. Dabei hat er die Einung in der Ehe vor Augen, noch tiefer aber die Einheit von Vater und Sohn im trinitarischen Gottesverständnis des christlichen Glaubens. Die höchste Einung ist für ihn die dialogische Einung der Liebe, die relationale Einheit. So schreibt er in der Einführung in das Christentum: „Die höchste Einheit ist für den, der Gott als drei-einigen glaubt, nicht die Einheit des starren Einerlei. Das Modell der Einheit, auf das hinzustreben ist, ist folglich nicht die Unteilbarkeit des Atomon, der in sich nicht mehr teilbaren kleinsten Einheit, sondern die maßgebende Höchstform von Einheit ist jene Einheit, welche die Liebe schafft. Die Vieleinheit, die in der Liebe wächst, ist radikalere, wahrere Einheit als die Einheit des ‚Atoms.‘“ (München, Neuausgabe) 2000, 166). Und weiter unten: „Das Wesen der trinitarischen Personalität ist es, reine Relationalität und so absoluteste Einheit zu sein … Das Wesen christlicher Existenz aber ist es, das Dasein als Beziehentlichkeit zu empfangen und zu leben und so in jene Einheit einzutreten, die der tragende Grund des Wirklichen ist.“ (ebda., 174.).
[20] Botschaft Benedikts XVI. vom 17. September 2011, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 189, 14.
[21] Joseph Ratzinger, Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg-Basel-Wien 1989, 34.
[22] Kardinal Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens, München 1985, 134.

Geheimnisvolle Sendung der hl. Juliana von Lüttich

Entstehung des Fronleichnamsfestes

Im Rahmen der Generalaudienzen stellte Papst Benedikt XVI. unter anderem eine Reihe großer Frauengestalten in der Geschichte der Kirche vor. Am Mittwoch, den 17. November 2010, beschäftigte er sich mit der hl. Juliana von Lüttich (1191-1258). Ihre bewegte Lebensgeschichte ist eng verbunden mit der Einführung des Fronleichnamsfestes. Benedikt XVI. ging ausführlich darauf ein, wie Gott selbst die Initiative ergriffen und seinen Willen auf mystische Weise kundgetan hat. Doch das Charisma der Heiligen konnte nur fruchtbar werden, weil sie sich ganz der Hierarchie anvertraute und sich dem Amt unterstellte. Alles Übrige nahm die göttliche Vorsehung in die Hand und führte es auf faszinierende Weise zum Ziel.

Von Papst Benedikt XVI.

Erstaunliche Bildung

Heute möchte ich euch eine Frauengestalt vorstellen, die kaum bekannt ist, der aber die Kirche zu großem Dank verpflichtet ist, nicht nur aufgrund der Heiligkeit ihres Lebens, sondern auch, weil sie durch ihren großen Seeleneifer zur Einführung eines der wichtigsten liturgischen Hochfeste des Jahres beigetragen hat: des Fronleichnamsfestes. Es handelt sich um die hl. Juliana v. Cornillon, die auch als die hl. Juliana v. Lüttich bekannt ist. Wir besitzen einige Angaben über ihr Leben vor allem durch eine Biographie, die wahrscheinlich von einem zeitgenössischen Kleriker geschrieben wurde und in der verschiedene Zeugnisse von Personen, die die Heilige unmittelbar kannten, zusammengetragen werden.

Juliana wurde zwischen 1191 und 1192 in der Nähe von Lüttich, in Belgien, geboren. Es ist wichtig, diesen Ort hervorzuheben, denn in jener Zeit war die Diözese Lüttich sozusagen ein wahrer „eucharistischer Abendmahlssaal“. Vor Juliana hatten namhafte Theologen dort den herausragenden Wert des Sakraments der Eucharistie erläutert, und in Lüttich gab es auch Gruppen von Frauen, die sich großherzig der Verehrung der Eucharistie und dem eifrigen Kommunionempfang widmeten. Unter der Führung von vorbildlichen Priestern lebten sie in Gemeinschaft und widmeten sich dem Gebet und den Werken der Nächstenliebe.

Als Juliana im Alter von fünf Jahren verwaiste, wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Agnes der Obhut der Augustinerinnen des Klosters und Leprosenhospitals Mont-Cornillon anvertraut. Sie wurde vor allem von einer Schwester namens Sapientia erzogen, die ihr geistliches Heranreifen förderte, bis Juliana selbst das Ordensgewand empfing und Augustinerin wurde. Sie erwarb eine beachtliche Bildung und las sogar die Werke der Kirchenväter in lateinischer Sprache, insbesondere den hl. Augustinus und den hl. Bernhard. Außer einer wachen Intelligenz zeigte Juliana von Anfang an einen besonderen Hang zur Kontemplation; sie hatte einen tiefen Sinn für die Gegenwart Christi, die sie erfuhr, indem sie das Sakrament der Eucharistie in besonderer Tiefe lebte und oft über die Worte Jesu nachdachte: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).

Mystische Erlebnisse

Mit 16 Jahren hatte sie zum ersten Mal eine Vision, die sich ihr später in der eucharistischen Anbetung mehrmals wiederholte. In der Vision zeigte sich der Mond in seinem vollen Glanz, von einem dunklen Streifen durchquert. Der Herr gab ihr die Bedeutung dieser Erscheinung zu verstehen. Der Mond symbolisierte das Leben der Kirche auf der Erde, die trübe Linie dagegen das Fehlen eines liturgischen Festes, für dessen Einführung Juliana sich tatkräftig einsetzen sollte: ein Fest, bei dem die Gläubigen die Eucharistie anbeten konnten, um den Glauben zu mehren, die Übung der Tugenden zu fördern und die Schmähungen des Allerheiligsten Sakraments zu sühnen.

Etwa 20 Jahre lang hielt Juliana, die in der Zwischenzeit Priorin des Klosters geworden war, diese Offenbarung, die ihr Herz mit Freude erfüllt hatte, geheim. Dann vertraute sie sich zwei weiteren leidenschaftlichen Anbeterinnen der Eucharistie an: der sel. Eva, die als Einsiedlerin lebte, und Isabella, die zu ihr ins Kloster Mont-Cornillon gekommen war. Die drei Frauen schlossen eine Art „geistlichen Bund“, mit dem Anliegen, das Allerheiligste Sakrament zu verherrlichen. Sie wollten auch einen sehr angesehenen Priester, Johannes von Lausanne, Kanoniker der Kirche „Saint-Martin“ in Lüttich, mit einbeziehen und baten ihn, Theologen und Kleriker über das zu befragen, was ihnen am Herzen lag. Die Antworten waren positiv und ermutigend.

Urteil der Hirten

Was Juliana von Lüttich geschah, kommt im Leben der Heiligen häufig vor: Um die Bestätigung zu erhalten, dass eine Eingebung von Gott kommt, ist es immer nötig, sich ins Gebet zu versenken, geduldig warten zu können, die Freundschaft und die Gegenüberstellung mit anderen guten Seelen zu suchen und alles dem Urteil der Hirten der Kirche zu unterwerfen. Nach anfänglichem Zögern nahm der Bischof von Lüttich, Robert von Thorote, den Vorschlag Julianas und ihrer Gefährtinnen an und führte erstmalig das Fronleichnamsfest in seiner Diözese ein. Später folgten andere Bischöfe seinem Beispiel und setzten dieses Fest in den ihrer Hirtensorge anvertrauten Gebieten ein.

Von den Heiligen verlangt der Herr jedoch oft, Prüfungen zu überwinden, damit ihr Glaube zunimmt. So war es auch bei Juliana, die starken Widerstand vonseiten einiger Angehöriger des Klerus sowie des Oberen, dem ihr Kloster unterstand, erdulden musste. So verließ Juliana aus freiem Willen das Kloster Mont-Cornillon mit einigen Gefährtinnen und war zehn Jahre lang, von 1248 bis 1258, in verschiedenen Zisterzienserinnen-Klöstern zu Gast. Sie erbaute alle durch ihre Demut, übte nie Kritik oder Tadel an ihren Gegnern, sondern verbreitete weiterhin eifrig die Verehrung der Eucharistie. Sie starb 1258 in Fosse-la-Ville in Belgien. In ihrer Zelle war das Allerheiligste Sakrament ausgesetzt, und ihrem Biographen zufolge betrachtete Juliana im Sterben mit letzter liebender Hinwendung den eucharistischen Jesus, den sie stets geliebt, verehrt und angebetet hatte.

Eingeweihter wird Papst

Auch Jacques Pantaléon aus Troyes wurde für das gute Anliegen des Fronleichnamsfestes gewonnen; er hatte die Heilige während seiner Amtszeit als Archidiakon in Lüttich kennengelernt. Als er dann mit dem Namen Urban IV. Papst geworden war, setzte er 1264 das Fronleichnamsfest als gebotenen Feiertag für die Universalkirche ein, am Donnerstag nach Pfingsten. In der Einsetzungsbulle mit dem Titel Transiturus de hoc mundo (11. August 1264) verwies Papst Urban sehr zurückhaltend auch auf Julianas mystische Erfahrungen und bestätigte damit ihre Echtheit. So schreibt er: „Wenngleich die Eucharistie jeden Tag gefeiert wird, so halten wir dafür, sie wenigstens einmal im Jahr ehrwürdiger und feierlicher zu begehen. Die anderen Dinge nämlich, derer wir gedenken, begreifen wir mit dem Geist und mit dem Verstand, erhalten aber deshalb nicht ihre Realpräsenz. In dieser sakramentalen Gedächtnisfeier Christi dagegen ist Jesus Christus, wenngleich unter anderer Gestalt, in seiner eigenen Substanz bei uns gegenwärtig. Denn bevor er in den Himmel aufgenommen wurde, sagte er: ,Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt‘ (Mt 28,20).“

Der Papst selbst wollte mit gutem Beispiel vorangehen und feierte das Fronleichnamsfest in Orvieto, der Stadt, in der er damals residierte. Auf sein Geheiß hin wurde – und wird noch immer – im Dom der Stadt das berühmte Korporale mit den Spuren des eucharistischen Wunders verwahrt, das ein Jahr zuvor, 1263, in Bolsena geschehen war. Ein Priester wurde während der Wandlung von Brot und Wein von starken Zweifeln an der Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Sakrament der Eucharistie befallen. Auf wunderbare Weise begannen ei­nige Blutstropfen aus der geweihten Hostie hervorzuquellen. Auf diese Weise bestätigte sich das, was unser Glaube bekennt. Urban IV. bat einen der größten Theologen der Geschichte, den hl. Thomas von Aquin – er begleitete damals den Papst und befand sich in Orvieto –, die Texte für das liturgische Gebet dieses großen Festes zu verfassen. Sie werden heute noch in der Kirche verwendet: Meisterwerke, in denen Theologie und Poesie miteinander verschmelzen. Es sind Texte, die die Saiten des Herzens in Schwingung versetzen, um dem Allerheiligsten Sakrament Lob und Dank zum Ausdruck zu bringen, während der Verstand staunend in das Geheimnis vordringt und in der Eucharistie die lebendige und wahre Gegenwart Jesu erkennt, seines Liebesopfers, das uns mit dem Vater versöhnt und uns das Heil schenkt.

Zwar wurde nach dem Tod Urbans IV. die Feier des Fronleichnamsfestes auf einige Regionen Frankreichs, Deutschlands, Ungarns und Norditaliens beschränkt, aber ein anderer Papst, Johannes XXII., stellte es 1317 für die ganze Kirche wieder her. Seitdem hat das Fest eine wunderbare Entwicklung erfahren und ist beim christlichen Volk noch immer sehr beliebt.

„Eucharistischer Frühling“

Ich möchte mit Freude darauf hinweisen, dass es heute in der Kirche einen „eucharistischen Frühling“ gibt: Wie viele Menschen verweilen still vor dem Tabernakel, um mit Jesus ein liebevolles Gespräch zu führen! Es ist tröstlich zu wissen, dass nicht wenige Gruppen junger Menschen neu entdeckt haben, wie schön es ist, das Allerheiligste Sakrament anzubeten. Ich denke zum Beispiel an unsere eucharistische Anbetung im „Hyde Park“ in London. Ich bete darum, dass dieser „eucharistische Frühling“ in allen Pfarreien sich immer mehr verbreiten möge, insbesondere in Belgien, der Heimat der hl. Juliana. Der ehrwürdige Diener Gottes Johannes Paul II. stellte in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia fest: „An vielen Orten findet die Anbetung des heiligsten Sakramentes täglich einen weiten Raum und wird so zu einer unerschöpflichen Quelle der Heiligkeit. Die andächtige Teilnahme der Gläubigen an der eucharistischen Prozession am Hochfest des Leibes und Blutes Christi ist eine Gnade des Herrn, welche die teilnehmenden Gläubigen jedes Jahr mit Freude erfüllt. Man könnte noch andere positive Zeichen des Glaubens und der Liebe zur Eucharistie erwähnen“ (Nr. 10).

Indem wir uns an die hl. Juliana von Lüttich erinnern, wollen auch wir den Glauben an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie erneuern. Das Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche lehrt uns: „Jesus Christus ist in der Eucharistie auf einzigartige und unvergleichliche Weise gegenwärtig: wirklich, tatsächlich und substantiell, mit seinem Leib und seinem Blut, mit seiner Seele und seiner Gottheit. In der Eucharistie ist also der ganze Christus, Gott und Mensch, auf sakramentale Weise gegenwärtig, das heißt unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein“ (Nr. 282).

Liebe Freunde, die Treue zur Begegnung mit dem eucharistischen Christus in der Sonntagsmesse ist für den Glaubensweg wesentlich, aber wir sollten auch den im Tabernakel gegenwärtigen Herrn oft aufsuchen! Gerade wenn wir die geweihte Hostie anbetend betrachten, zieht uns der Herr zu sich, in sein Geheimnis hinein, um uns zu verwandeln, wie er Brot und Wein verwandelt. Die Heiligen haben in der eucharistischen Begegnung stets Kraft, Trost und Freude gefunden. Mit den Worten des eucharistischen Hymnus Adoro te devote sagen wir immer wieder zum Herrn, der im Allerheiligsten Sakrament anwesend ist: „O gib, dass immer mehr mein Glaub’ lebendig sei, mach meine Hoffnung fest, mach meine Liebe treu!“

Jeder Embryo ist „Einer von uns“

Europäische Bürgerinitiative

Stoppt EU-Gelder für Embryonenversuche! Embryonen sind kein Rohstoff. Jeder ist „Einer von uns“ – „One of us“. Unter diesem Motto hat die Lebensrechtsbewegung eine Europäische Bürgerinitiative auf den Weg gebracht. Sie nützt damit ein politisches Instrument, das es erst seit 2012 gibt. Mit dem Erfolg der Bürgerinitiative „One of us“ könnte der Lebensschutz in Europa erheblich gestärkt werden. Damit sich die EU-Kommission und das Europaparlament mit den Lebensschutz-Forderungen befassen müssen, benötigt die Initiative die Unterstützung von mindestens einer Million EU-Bürgern. In Deutschland müssen 75.000 Unterschriften zusammenkommen. Nun sollten alle Kräfte zusammenhelfen, um bis zum 1. November das Ziel zu erreichen.

Von Manfred Libner

Worum geht es?

In allen Mitgliedsländern der Europäischen Union findet zur Zeit eine Unterschriftensammlung für den Lebensschutz statt. Mit „Einer von uns“ soll erreicht werden, dass sich die EU an ihr eigenes Recht hält. Und das bedeutet: Keine Finanzierung der verbrauchenden Embryonenforschung mit EU-Steuergeldern und keine Förderung der Abtreibung im Rahmen des Gesundheitswesens und der Entwicklungshilfe. Bereits in der Vergangenheit mussten deutsche Steuerzahler ethisch verwerfliche Forschungsprojekte mitfinanzieren, die im eigenen Land verboten waren. Grundlage für die  Forderungen der Initiative ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Sache Brüstle gegen Greenpeace. Der EuGH hat darin festgestellt, dass das Leben und die Würde jedes Embryos vom Zeitpunkt der Befruchtung an zu schützen ist. Der menschliche Embryo besitzt auch in der ersten Stufe seiner Entwicklung Würde. Die Unterstützungsbekundungen müssen bis spätestens 1. November 2013 abgegeben sein. „Einer von uns“ ist die erste Initiative, die diese neue Form des bürgerschaftlichen Engagements nutzt, um den Lebensschutz in der EU zu stärken. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Initiative erfolgreich verläuft. Es besteht hier die große Chance, den Politikern in Brüssel den europäischen Bürgerwillen für den Lebensschutz deutlich zu machen.

Was soll man tun?

Am einfachsten ist die Online-Unterstützung über www.1-von-uns.de. Dort kann man auch Unterschriftenlisten runterladen und ausdrucken. Die Listen kann man auch bei der Stiftung Ja zum Leben oder der Zivilen Koalition kostenlos bestellen. Wichtig ist, dass jetzt viele Bürger Botschafter werden, die Initiative bekannt machen, die Unterschriften in ihrer Familie, im Freundeskreis, in der Gemeinde und in der Pfarrei sammeln. Die Angaben müssen vollständig und leserlich sein, damit die Unterstützungen auch gültig sind. Unterschreiben dürfen alle Deutschen sowie alle EU-Bürger mit ständigem Wohnsitz in Deutschland ab 18 Jahren. Die ausgefüllten Listen bitte an Manfred Libner, c/o Stiftung Ja zum Leben, Haus Laer, 59872 Meschede senden. Die Unterschriften werden nach Ablauf der Frist am 1. November 2013 zum Bundesverwaltungsamt geschickt. Dort wird ausschließlich die Gültigkeit der Unterstützungen überprüft. Danach werden alle Unterschriftslisten und Daten vernichtet.

Wie sieht die Lage in Deutschland und Europa aus?

Um erfolgreich zu sein, müssen bis zum 1. November 2013 1 Million Unterschriften eingereicht werden. Bis zum 15. Mai 2013 sind europaweit über 350.000 Unterstützungsbekundungen eingetroffen. In Deutschland müssen mindestens 75.000 Unterschriften zusammenkommen, um das geforderte Minimum zu erreichen. Bis Mitte Mai wurden 17.500 Unterstützungen gezählt. Das bedeutet, dass alle Menschen guten Willens sich noch kräftig für den Erfolg der Initiative einsetzen müssen, damit der Lebensschutz in Europa gestärkt wird.

Gibt es prominente Unterstützer?

Papst Benedikt XVI. hat am 3. Februar 2013 beim sonntäglichen Angelus auf dem Petersplatz zur Unterstützung der Initiative „Einer von uns“ (One of us) aufgerufen.

Anlässlich des „Marsches für das Leben“ am 12. Mai in Rom, an dem auch Papst Franziskus mit seinem Papamobil teilnahm, rief er alle Menschen in Europa auf, die Europäische Bürgerinitiative zu unterstützen.

„Ich begrüße die Teilnehmer am ,Marsch für das Leben‘, der heute Vormittag in Rom stattgefunden hat, und fordere dazu auf, weiterhin die Aufmerksamkeit aller auf das wichtige Thema zu lenken, das die Achtung für das menschliche Leben von seiner Empfängnis an darstellt. Diesbezüglich möchte ich auch an die Unterschriftensammlung erinnern, die heute in vielen italienischen Pfarreien durchgeführt wird, um die europäische Initiative „Einer von uns“ zu unterstützen, die das Ziel hat, dem Embryo rechtlichen Schutz zu gewähren und jedes menschliche Wesen vom ersten Augenblick seines Daseins an zu schützen“ (aus dem Italienischen von Claudia Reimüller, Die Tagespost v. 14.05.2013).

Der frühere spanische Innenminister und jetzige stellvertretende Vorsitzende der bürgerlichen und christdemokratischen EVP-Fraktion im Europa-Parlament, Jaime Mayor Oreja, ist Mitte Mai nach Berlin gekommen, um die Organisatoren in Deutschland zu unterstützen. Er sagte: „Deutschland ist das größte Land in der Europäischen Union. Es ist deshalb für die Europäische Bürgerinitiative „Einer von uns“ besonders wichtig, dass sie in Deutschland erfolgreich verläuft!“

Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, fordert die Bürger ebenfalls zum Handeln auf: „Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele mit ihrer Unterschrift im Internet daran beteiligen und somit ein Zeichen für die Würde des menschlichen Lebens von Anfang an setzen.“ Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker gehört in Deutschland zu den ersten Unterzeichnern.

Wieso eine Europäische Bürgerinitiative?

Das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative gibt es erst seit 2012. Es ist eine Art Bürgerbegehren, mit dem die direkte Demokratie gestärkt werden soll. Gerade auf europäischer Ebene hat sich bei vielen der Eindruck verfestigt, dass Bürger auf Entscheidungen in „Brüssel“ ohnehin keinen Einfluss haben. Wenn eine Million Unterschriften bis zum 1. November zusammenkommen, müssen sich die europäischen Institutionen mit den Forderungen zum Schutz des menschlichen Lebens befassen. Die Europäische Bürgerinitiative „One of us“ will die Europäische Kommission und das Europäische Parlament auf die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der europäischen Menschenrechtspolitik am Anfang des Lebens hinweisen. Sie will eine Änderung bewirken, damit auf allen Gebieten, auf dem die Europäische Union eine Regelungskompetenz besitzt, das bestehende Menschenrecht auf Leben auch verwirklicht wird.

Die Koordination der Initiative für Deutschland liegt bei:

• Hedwig von Beverfoerde (Zivile Koalition, Zionskirchstraße 3, 10119 Berlin-Mitte, Tel.: 030-88001398, Fax: 030-34706264, E-Mail: info@zivilekoalition.de),

• Manfred Libner (Stiftung Ja zum Leben, Haus Laer, 59872 Meschede, E-Mail: info@ja-zum-leben.de) und

• Tobias Teuscher (Brüssel).

Ein Buch zum Jahr des Glaubens

Die versunkene Kathedrale

Nach einer Legende aus der Bretagne wurde einst eine Kathedrale vom Meer verschlungen, bis sie sich plötzlich wieder in strahlender Schönheit aus dem Abgrund erhob. Mit dieser Kathedrale vergleicht Prof. Dr. Andreas Wollbold den christlichen Glauben in der heutigen Zeit. Der Glaubensabfall ist unübersehbar. Aber er ist nicht das letzte Wort. Gerade weil er eine geistliche Wüste hinterlässt, wird er zu einer Chance. Erst in der Wüste beginnt der Mensch zu begreifen und neu zu schätzen, was er entbehren muss. So möchte Wollbold einen Beitrag zur Neuentdeckung des christlichen Glaubens leisten. In einer ersten Veröffentlichung mit dem Titel „Die versunkene Kathedrale“ geht es um das Glaubensbekenntnis und das Gebet, in einem zweiten Buch, das im Herbst erscheinen wird, um die 10 Gebote und die sieben Sakramente. Wollbold (geb. 1960) ist Priester des Bistums Trier. Von 1997 bis 2003 wirkte er als Professor für Pastoraltheologie und Religionspädagogik an der Universität Erfurt. Seit 2003 ist er Professor für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig- Maximilians-Universität München. Er stellt selbst sein Anliegen vor.

Von Andreas Wollbold

Die Wüste und der Durst nach Gott

In diesen Jahrzehnten ist eine geistliche ‚Verwüstung‘ vorangeschritten. Was ein Leben, eine Welt ohne Gott bedeutet, konnte man zur Zeit des Konzils bereits aus einigen tragischen Vorfällen der Geschichte entnehmen, heute aber sehen wir es leider tagtäglich in unserer Umgebung. Es ist die Leere, die sich ausgebreitet hat. Doch gerade von der Erfahrung der Wüste her, von dieser Leere her können wir erneut die Freude entdecken, die im Glauben liegt, seine lebensnotwendige Bedeutung für uns Menschen. In der Wüste entdeckt man wieder den Wert dessen, was zum Leben wesentlich ist; so gibt es in der heutigen Welt unzählige, oft implizit oder negativ ausgedrückte Zeichen des Durstes nach Gott, nach dem letzten Sinn des Lebens. Und in der Wüste braucht man vor allem glaubende Menschen, die mit ihrem eigenen Leben den Weg zum Land der Verheißung weisen und so die Hoffnung wachhalten. Der gelebte Glaube öffnet das Herz für die Gnade Gottes, die vom Pessimismus befreit. Evangelisieren bedeutet heute mehr denn je, ein neues, von Gott verwandeltes Leben zu bezeugen und so den Weg zu weisen.“

Mit diesen Worten hat Papst Benedikt XVI. in seiner Predigt zur Eröffnung des „Jahres des Glaubens“ die Lage des Glaubens umschrieben: geistliche „Verwüstung“ auf der einen Seite, aber ebenso Neuentdeckung der Freude am Glauben. Darauf weist Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation, in einem Geleitwort hin. Wirklich, wo Glaubenswissen sein könnte, ist oft nur Wüste zu sehen. So diskutierten kürzlich Achtklässler über den Unterschied zwischen Muslimen und Christen. Ein aufgeweckter Junge meldete sich und verkündete: „Ich weiß es. Die Muslime beten fünfmal am Tag und die Christen nie!“ Aber Jammern hilft nicht weiter. Es gilt, den Glauben neu vorzustellen, und zwar jungen Menschen ebenso wie Erwachsenen. Sein Glanz, seine Schönheit, sein Ernst und seine Kraft will bezeugt werden. Menschen brauchen keine Vorwürfe, sondern eine Hilfe, die ihnen auf die Frage antwortet: Glauben, wie geht das?

Die Lehre der Kirche ist saft- und kraftvoll

Einen Beitrag zu dieser Neuentdeckung will das Buch „Die versunkene Kathedrale“ darstellen. Es lädt dazu ein, den christlichen Glauben neu zu entdecken. Dazu geht es die zwölf Sätze des Apostolischen Glaubensbekenntnisses durch und behandelt anschließend das Gebet. Was bedeuten Glaube und Gebet? Welche Schwierigkeiten haben heutige Menschen damit? Welche Antworten lassen sich darauf geben? Dabei werden umstrittene Punkte erklärt: Christentum und Evolution, Engel, Gottessohnschaft Jesu, Jungfräulichkeit Mariens, das Kreuzesopfer Jesu und das leere Grab, die Endzeit und die Wiederkunft Christi, Kirche und Ökumene und die Achtung vor dem Leib Verstorbener und die Erdbestattung. Außerdem werden am Anfang des Buches einige Grundfragen geklärt: Muss man für den Glauben seine Vernunft verleugnen? Sind alle Religionen gleich? Kann man von Gott überhaupt eine Vorstellung entwickeln? Wie kommt es, dass viele Menschen niemals wirklich gläubig werden? Anschaulich, mit Beispielen und stets mit einer Prise Humor wird die Lehre der Kirche entwickelt. Denn sie ist nicht trocken und lebensfern, sondern saft- und kraftvoll! Eine Fortsetzung von „Die versunkene Kathedrale“ soll im Herbst unter dem Titel erscheinen: „Licht für meine Pfade. Das christliche Leben neu wagen“. Darin geht es um die praktische Seite des Christentums, nämlich die Moral und ein Leben mit den sieben Sakramenten. Darin werden viele aktuelle Themen angesprochen und Position bezogen: von Sonntagsschutz und Sexualmoral bis zu Firmvorbereitung, Zölibat und Frauenpriestertum.

Eine Kathedrale aus dem Meer

Der Titel „Die versunkene Kathedrale“ geht auf eine Legende aus der Bretagne zurück. Danach ist der Dom der Stadt Ys eines Tages vom Meer verschlungen worden. Hat nicht das gleiche Schicksal die Kathedrale des Glaubens ereilt? In der Tat, bei vielen Christen ist er wie vom Erdboden verschluckt. Am Anfang haben sie vielleicht noch etwas vermisst. Doch das gibt sich mit der Zeit, denn auch bei religiösen Überzeugungen gilt: aus den Augen, aus dem Sinn. Da werden Grundworte des Christentums unter Fluten weltlicher Gedanken begraben: Das Reich Gottes wird als Fortschritt und bessere Welt verstanden. Das Ziel des Lebens ist nicht die Seligkeit im Himmel, sondern ein erfülltes Leben hier und jetzt, und wenn sich das nicht einstellt, klagt man an: „Wie kann Gott das zulassen?“ Gott nimmt jeden an, wie er ist, aber warum er das auch noch mit dem Kreuz unterstreichen musste, kann man nicht so genau sagen. Sünden sind Fehler und Schwächen, die nun einmal nicht ausbleiben und über die sich nur Pharisäer aufregen. Mission ist, glaubt man ihren Werbeplakaten, nur Sozialarbeit. Sakramente sind Rituale wie der Gute-Nacht-Kuss oder die La-Ola-Welle im Stadion. In der Schule wird heimlich unter der Bank Schiffchen-Versenken gespielt, bei den Erwachsenen ist das Kathedralen-Versenken schon beinahe ein Muss…

Die Schönheit des Glaubens strahlt nicht in den Einzelstücken, sondern im Ganzen auf

Doch so muss es nicht bleiben. In der Bretagne erzählt man weiter: Eines Tages steigt die Kathedrale wieder vom Meeresgrund empor. Wie durch ein Wunder ist sie dabei nicht durch Schlamm, Tang, Algen und Muscheln entstellt, sondern sie ist schön wie am Tag ihrer Weihe. Geläut, Gebet und Gesang klingen auf und das Haus Gottes erstrahlt in unvergleichlichem Glanz. Claude Debussy hat diesem Bild ein eindrucksvolles Klavierstück gewidmet: La cathédrale engloutie („Die versunkene Kathedrale“). Feierlich steigt sie darin aus den Wellen, ein machtvoller Choral klingt auf und schließlich ertönen die Glocken weit über das Meer. Ebenso lässt sich auch der versunkene Schatz des Glaubens aus den Tiefen des Meeres der Welt wieder emporholen. Den christlichen Glauben neu zu entdecken geben – eine schwierige Aufgabe? Vielleicht. Aber sicher eine schöne, eine einzigartige Aufgabe. Man darf dabei nur nicht der Versuchung erliegen, die Kathedrale in einzelnen Steinen hervorholen zu wollen, um sich nicht am gewaltigen Ganzen zu überheben. Im Gegenteil, es ist eines der Geheimnisse des Christentums: Das Ganze ist leichter als die Summe seiner Teile. Ein einzelnes Dogma erscheint nämlich vielleicht hart für den Verstand, und ein Gebot, für sich allein genommen, mag auf den ersten Blick streng wirken. Als Teil der ganzen christlichen Lehre und des entsprechenden Lebens dagegen wird alles klar und leicht. Den christlichen Glauben neu zu entdecken heißt somit, nicht Bruchstücke zu bieten, Einzelstücke, die jeder nach Belieben auch für ganz andere Bauwerke gebrauchen könnte, sondern das Ganze zu sehen. Nur so strahlt die Schönheit des Christentums auf. Nur so begreift man auch den inneren Zusammenhang des Ganzen, seine Notwendigkeit.

 

Andreas Wollbold: Die versunkene Kathedrale – Den christlichen Glauben neu entdecken. Gebunden mit Schutzumschlag, 13,5 x 20,5 cm, 288 Seiten. ISBN 978-3-9815698-5-8. Direkt bestellen unter Tel. 07303-952331-0, Fax 07303-952331-5 oder via E-Mail an: buch@media-maria.de – www.media-maria.de

Empfehlung von höchster Stelle

Die Schönheit des Glaubens

Kein Geringerer als der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, hat für das Buch „Die versunkene Kathedrale. Den christlichen Glauben neu entdecken“ von Prof. Dr. Andreas Wollbold ein Vorwort geschrieben und der Publikation eine weite Verbreitung gewünscht. Müller ruft sein eigenes Wirken an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Erinnerung, an der Andreas Wollbold als Professor für Pastoraltheologie tätig ist. Dabei begrüßt er den Ansatz Wollbolds, den christlichen Glauben nicht in Bruchstücken, sondern wieder in seiner ganzen Gestalt vor Augen zu führen. Und er fährt fort: „Die Schönheit des Glaubens kann nicht untergehen! Ich selber habe mein bischöfliches Amt stets als Ermutigung verstanden, ohne falsche Scheu, sich am Glauben und der Kirche zu freuen und sie zu bezeugen. Ein entschiedenes Christsein darf sich nicht in die Ecke oder gar in die Resignation drängen lassen.“ Ein Auszug aus dem Vorwort.

Von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, Vatikanstadt

Andreas Wollbold hat eine eigene Handschrift entwickelt. Ganz Professor, ist er doch auch ganz Priester und Seelsorger. Er verliert sich nicht in Fachsimpeleien, er verkriecht sich nicht in eine Fachsprache, die Nichttheologen nicht mehr verstehen. Vor allem redet er Klartext. Dabei geht er die vier Hauptstücke der Katechese durch. Anhand des Glaubensbekenntnisses, des Vaterunsers, der Zehn Gebote und der sieben Sakramente[1] ersteht die Kathedrale des katholischen Glaubens vor unseren Augen. Drei charakteristische Züge seiner Handschrift möchte ich besonders hervorheben.

Immer wieder kommt Wollbold auf den Einklang von Glauben und Vernunft zu sprechen, eines der großen Anliegen von Papst Benedikt. Der Gläubige ist der klarere und schärfere Denker und kein Dunkelmann. Es gibt keine doppelte Wahrheit, die des normalen Denkens und die der kirchlichen Lehre. Erst recht lässt sich der Glaube nicht mit dem Anspruch der Vernunft zerstören. Ganz im Gegenteil, der Glaube geht alle an, weil alle Menschen, die ins Nachdenken kommen, letztlich immer offen sein werden für das Wort Gottes. Glauben und Denken sind die beiden Beine, mit denen wir uns nach vorne bewegen und auf das Ziel zugehen.

In diesem Glaubensbuch sieht Andreas Wollbold seine Arbeit nicht mit der Erklärung des Glaubensbekenntnisses als erledigt an. Das christliche Leben ist auch Glaubenspraxis: Gebet, Moral und sakramentales Leben. (…)

Ausführlich behandelt Andreas Wollbold Themen, die immer wieder die Diskussion beherrschen. So geht er den Fragen um die Evolutionstheorie, um die Pluralität der Religionen und den Wahrheitsanspruch des Christentums, um die jungfräuliche Empfängnis Mariens oder der eucharistischen Frömmigkeit nicht aus dem Weg. So stellt er sich den Kirchenkritikern mit ihren Lieblingsthemen wie Zölibat, Frauenordination, Umgang der Kirche mit wiederverheirateten zivil Geschiedenen oder Kirche und Geld. Dabei fällt auch manches deutliche Wort. Doch stets merkt man ihm an, dass er in der Sache Klarheit schaffen will. Nicht zuletzt hilft eine Prise Humor, allzu angespannte Fragen auch wieder zu entkrampfen.

Man kann diesem Buch nur viele Leserinnen und Leser wünschen: Suchende, die den katholischen Glauben kennenlernen wollen; verunsicherte Katholiken, die wissen wollen, was gilt; Priester und Laien im Verkündigungsdienst; vor allem: schlicht Menschen, die von der Schönheit der Kathedrale des Glaubens fasziniert sind.


[1] „Die Zehn Gebote“ und „Die sieben Sakramente“ werden in einem zweiten Band mit dem Titel „Licht für meine Pfade – Das christliche Leben neu wagen“ erscheinen (Anm. des Verlags Media Maria).

8000 Pilger auf dem Bogenberg

Mit Maria für das Leben

Die Wallfahrt der bayerischen Bistümer auf den Bogenberg bei Regensburg am 1. Mai dieses Jahres wurde zu einem großartigen Glaubenszeugnis. Das Fest hat wieder einmal deutlich gemacht, wie sehr wir als Katholiken solche zentralen Veranstaltungen brauchen, um uns artikulieren zu können, um neue Freude an der Kirche zu gewinnen und mit Begeisterung für unsere Werte einzutreten. Reinhard Kardinal Marx ist als Kämpfer für die unantastbare Würde des menschlichen Lebens aufgetreten und hat das Anliegen der Gottesmutter anvertraut, die in guter Hoffnung den Herrn unter ihrem Herzen trägt.

Von Werner Schiederer

Alle sieben bayerischen Diözesanbischöfe haben am 1. Mai 2013 an der Wallfahrt auf den Bogenberg hoch über der Donau südöstlich von Regensburg teilgenommen. Es war ein eindrucksvolles Bild, wie die Oberhirten der langen Prozession auf den heiligen Berg voranzogen. Als schließlich gegen 16 Uhr die rund 8000 Pilger auf der großen Festwiese etwas unterhalb der Wallfahrtskirche versammelt waren, eröffnete der Hausherr, der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, den Festgottesdienst und Reinhard Kardinal Marx rief voller Begeisterung aus: „Ihr seid ein herrliches Bild!“ Er konnte bestätigen: „Bayern ist Marienland!“ Sowohl die zahlreiche Teilnahme der Gläubigen als auch das gute Wetter ließen die Wallfahrt zu einem gelungenen Glaubensfest werden. Es herrschten letztlich ideale Wetterverhältnisse; denn einerseits war es ein strahlender Tag, andererseits aber brannte nicht die pralle Sonne, sondern der Himmel wirkte eher wie unter einem Sonnenschirm.

Am 14. Mai 2014 in Retzbach bei Würzburg

Ebenso beeindruckend war der Blick in den Altarraum der Wallfahrtskirche, als die bayerischen Bischöfe im Anschluss an den Festgottesdienst im Heiligtum die Marienweihe erneuerten und dabei dicht nebeneinander in einem Halbkreis vor dem Gnadenbild der Gottesmutter knieten. Vom Beispiel ihrer Oberhirten waren die Gläubigen ganz in Bann gezogen. Der gastgebende Bischof Rudolf Voderholzer sprach das Weihegebet, in dem er sein Bistum Regensburg der „Schutzfrau Bayerns“ anvertraute, während alle gemeinsam den Weiheakt mit dem altehrwürdigen Gebet „Unter Deinen Schutz und Schirm“ abschlossen. Nach Passau und Bamberg war es nun die dritte Diözese auf dem siebenjährigen Pilgerweg bis zum Jubiläum 2017, in dem die Hundertjahrfeier eines eigenen liturgischen Festes der „Patrona Bavariae“ für Bayern begangen wird. Zum Abschluss wird dann die Erzdiözese München und Freising Gastgeber sein und die Feier auf dem Marienplatz ausrichten. Bis dahin führt der Weg im kommenden Jahr zunächst nach Würzburg in das Marienheiligtum von Retzbach. Die gesamtbayerische Wallfahrt ist dort auf den 14. Mai 2014 angesetzt.

Mutter in der Hoffnung – die „schwangere Maria“

Kardinal Marx war Hauptzelebrant und Prediger. Vollkommen frei hielt er eine feurige Ansprache. Nicht erst seit 100 Jahren werde Maria in Bayern verehrt, sondern seit den Zeiten der ersten Evangelisierung. „Wie kann man von Jesus reden, ohne Maria im Blick zu haben?“, so fragte der Kardinal. Maria sei die Frau, die uns die Hoffnung in Person, Jesus Christus, in die Welt bringt und sie uns wie eine Monstranz entgegenhält. Die Kirche sei wie Maria, wie eine schwangere Frau, die die Hoffnung der Welt in ihrem Schoß trägt. Sie habe die Aufgabe, Christus zur Welt zu bringen und so für die Menschen sichtbar werden zu lassen. Immer wieder aufs Neue. Die Kirche trage Jesus in ihrem Schoß wie Maria. Deshalb ist die Gottesmutter ihr Vorbild im Glauben und in der Treue zum Willen Gottes.

Maria, die den Sohn Gottes zur Welt bringt, zeige, dass das Leben heilig ist. Deshalb handele gegen den Willen Gottes, wer das Leben anrührt. Und deshalb werde die Kirche auch immer die Hüterin des Lebens sein, des ungeborenen Lebens, des schwachen Lebens, der Kranken und der Alten. Sie werde deshalb die verlässliche Beziehung zwischen Mann und Frau, die Ehe, stützen und stärken, weil sie der Ort ist, wo neues Leben möglich wird und so wirkliche Nachhaltigkeit möglich werde. Kardinal Marx: „Ich danke allen Vätern und Müttern für das, was sie tun, für Ihren Dienst am Leben und an der Schöpfung.“

Das Leben ist jeder Mühe wert

Zum Abschluss der Predigt verwies Kardinal Marx auf Papst Franziskus, der die Christen aufgerufen habe, das Evangelium in aller Welt zu verkünden und dabei vor allem die Menschen, die am Rand stehen, einzubeziehen. Nur wenn wir den Blick weiten und alle beachten, werden wir die Botschaft Christi überzeugend verkünden. Kardinal Marx: „Die Kraft dazu gewinnen wir Christen aus dem Sakrament, aus der Gegenwart Christi, der uns antreibt. Maria ist unsere Begleiterin. Lasst uns alle zu Menschen der Hoffnung werden.“ Die Kollekte ging zeichenhaft an die Aktion für das Leben, einen bayernweit tätigen Verein, der Eltern und ihren Kindern in Not unbürokratische Soforthilfe bietet, wenn keine andere Stelle Unterstützung gewährt.

Die Wallfahrt selbst war nicht ganz einfach und forderte auch ein gewisses Opfer. Viele hatten einen weiten Weg hinter sich, zum Teil mit mehreren Verkehrsmitteln: Aus der Erzdiözese München und Freising beispielsweise waren genau 213 Pilger in neun Bussen aus den unterschiedlichen Regionen des Erzbistums angereist. Am Hafen von Deggendorf stiegen sie in die „MS Deggendorf“ um, das sie auf der Donau bis zur eigens für diesen Anlass errichteten Anlegestelle in Bogen brachte. Vom Stadtzentrum Bogen führte schließlich der Weg zu Fuß hinauf zum Wallfahrtsberg. Der Aufstieg war ein Symbol für das christliche Leben. Jesus warnte davor, den bequemen, ebenen und breiten Weg zu suchen. Das Heil findet nur, wer bereit ist, sich auf dem steinigen, steilen und schmalen Weg zur Vereinigung mit seinem Schöpfer zu erheben.

Deutschlandtreffen der „Charismatischen Erneuerung“

„Komm Heiliger Geist!“

In anderen Kontinenten ist die „Charismatische Erneuerung“ (CE) inzwischen zur prägenden Kraft des kirchlichen Lebens geworden. Zehntausende Gebetskreise mit missionarischer Begeisterung und freimütigem Auftreten sind zu einem Hoffnungszeichen für die katholische Kirche geworden. Aber nicht nur in Ländern wie Brasilien, sondern auch in Deutschland erfüllt die CE eine wichtige Aufgabe, selbst wenn sie hierzulande zahlenmäßig immer noch klein ist. Von ihr gehen entscheidende Impulse aus, die in zahlreiche neuere Gemeinschaften hineinwirken und diese auch untereinander verbindet. Es sind Elemente wie Lobpreis, Segnung und Heilung. Das diesjährige Deutschlandtreffen der CE in der ersten Hälfte der Pfingstnovene war getragen vom Gebet um ein „neues Pfingsten“. Es mündete ein in einen programmatischen Aufruf an die Kirche in unserem Land.

Von Hansmartin Lochner

Aufbruch ins „Verheißene Land“

Mittendrin“ – unter diesem Motto fand in Fulda-Künzell zum 7. Mal das Deutschlandtreffen der „Charismatischen Erneuerung“ (CE) statt. Vom 9. Mai, dem Tag Christi Himmelfahrt, bis zum darauf folgenden Sonntag trafen sich an die 1500 Gläubige aus allen Diözesen Deutschlands, um sich aufzumachen nach dem „Verheißenen Land“, in dem Gott mitten unter den Menschen wohnt. Auf die Teilnehmer, unter ihnen auffallend viele junge Familien und Kinder, wartete ein vielseitiges Programm. Für letztere waren – jeweils für die verschiedenen Altersgruppen – auch eigene Veranstaltungen vorbereitet. So konnten die Kinder u.a. mithelfen, dass mit selbst gebastelten Knetfiguren und mittels einer Digitalkamera ein Kurzfilm über den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten entstand. Bild für Bild konnte man sehen, wie Moses das Volk durch das Rote Meer führt bis hinein in das „gelobte Land“. Und die Kinder wussten auch genau, wo das ist, nämlich da, „wo Gott ist, persönlich, und wo alle hinkönnen, die an ihn glauben“.

Am Himmelfahrtstag feierte zunächst Pfarrer Josef Fleddermann (Bremen), der stellvertretende Vorsitzende der CE Deutschlands, die Eröffnungsmesse. Dabei zeigte er, dass das Leitwort „Mittendrin“ auch eine wichtige Botschaft enthält, zumal das „verheißene Land“ ja mitten in unserem Leben, mitten in unserem Alltag zu finden ist.

Ein Blick nach Südamerika

In den Abendstunden kam dann ein Gast aus Südamerika zu Wort: Beatrice Spiers, die Generalsekretärin der CE in Brasilien: Sie konnte von einem gewaltigen Aufbruch in ihrem Land berichten. Nicht weniger als eine Million Menschen treffen sich da wöchentlich in 22.000 Gebetsgruppen, um miteinander zu beten, sich für das Wort Gottes zu öffnen und einander im Glauben zu bestärken. Beeindruckend war, was sie über besondere Initiativen berichtete, mit denen dort versucht wird, auch die Fernstehenden mit der Botschaft Christi zu erreichen. So starteten junge Menschen die Aktion „Jesus an der Küste“, wobei sie zu den Badenden am Strand gehen, um Zeugnis von ihrem Glauben zu geben. Sie konnte auch von einer weiteren Beobachtung berichten: Da, wo in problematischen Stadtvierteln Gebetsgruppen entstehen, etwa in Gebieten mit erhöhter Kriminalität oder mit Rauschgift- und Drogenhandel, da ändert sich mit der Zeit das gesellschaftliche Klima, was auch von den dortigen Behörden dankbar vermerkt werde. Deshalb seien auch in Slums und in Gefängnissen viele Gebetsgruppen entstanden, wobei Gebet und Glaubensverkündigung mit tätiger Hilfe häufig Hand in Hand gingen.

Konkrete Glaubensweitergabe

Der Freitagmorgen brachte dann einen weiteren Höhepunkt: Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez (Fulda) sprach in der Eucharistiefeier über das „verheißene Land“ als dem großen Ziel, auf das wir alle zugehen, eine Realität, „die wir uns nicht wirklich vorstellen, sondern nur erahnen können“. Als Christen würden wir in einer Umbruchsituation leben. Wir seien zwar „schon in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen, aber noch nicht im Himmel“. Aber wir sehnten uns nach dieser Erfüllung, die uns allen verheißen sei. Das Programm der folgenden Tage bot viele Facetten. So war für die, die zum ersten Mal mit der „Charismatischen Erneuerung“ in Berührung kamen, ein eigenes Seminar „Leben aus der Kraft des Heiligen Geistes“ angeboten. Zwei Workshops beschäftigten sich eingehend mit den Fragen der Neuevangelisierung. Dabei ging es praxisnah um Kreativität, Motivation und innere Haltung bei der Glaubensweitergabe in Familie, Freundeskreis und Wohnbereich. Ein Workshop beließ es nicht bei der Erörterung dieser Fragen, sondern ging anschließend selbst in die Innenstadt von Fulda, um mit Passanten evangelistische Gespräche zu führen. Dabei konnten sie auch mit Jugendlichen beten und ihnen die Hände auflegen.

Appell an die katholische Kirche in Deutschland

Unter der Fragestellung „Katholische Kirche – wohin“ erörterten schließlich profilierte Vertreter und Seelsorger der CE, wie der Heilige Geist der Kirche helfen kann, die heutige Krise zu überwinden. Dabei wurde deutlich, dass die heute so dringende Neuevangelisation nur in der Kraft des Heiligen Geistes erfolgen kann. Deshalb wurde im Rahmen dieses Treffens folgendes Wort an die Kirche gerichtet, das dann auch vom Plenum verabschiedet wurde:

„Wir rufen unsere Kirche auf, sich nach dem Wirken des Heiligen Geistes auszustrecken, weil er denen nahe ist, die ihn erwarten. Es ist die Bestimmung der Kirche, hinzuhören auf das, was der Geist ihr sagen will. Wir nehmen in den Nöten unserer Kirche und Gesellschaft wahr, dass der Geist Gottes zu einer Neuevangelisierung drängt. Er lädt dazu ein, seine Charismen im ganzen Volk Gottes zu entdecken und zu leben. Wir sehen das Wirken des Geistes in Glaubenskursen, die Erfahrungsräume des Glaubens öffnen. Wir setzen uns ein für neue musikalische Gebets- und Anbetungsformen (Lobpreis), Gebetskreise und  -orte, für neue Gottesdienstformen wie z.B. Segnungsgottesdienste. Wir rufen das Volk Gottes, Laien, Priester, Bischöfe auf zum Gebet der Pfingstsequenz für ein neues Pfingsten in unserer Kirche.“

Gehören auch die Tiere zur kommenden Herrlichkeit?

Die „neue Schöpfung“ im Licht der Schrift

Ein alter Priester wandte sich kürzlich an Weihbischof Dr. Andreas Laun mit der Frage, ob es auch für die Tiere eine Art Hoffnung auf die kommende Herrlichkeit gebe. Der Gedanke, dass sie einfach nur ins Nichts zurückfallen, belaste ihn. Für Laun richtet sich die Frage eigentlich an Gott. Es handle sich – in der Fachsprache – um ein Problem der Theodizee und laute: „Die Tiere haben keine unsterbliche Seele und werden nicht erlöst. Ihr wertvolles Leben ist einfach aus! Ist es so?“

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Es wäre nicht nur lieblos, sondern unsachlich und ungerecht, die Frage nach dem ewigen Schicksal der Tiere als kindisch oder auch nur unnütz abzutun! Im Gegenteil, die Frage ehrt den Mann, sie zeigt, dass er ein gutes Herz hat und auch einen klaren Verstand! Seine Frage könnte, sollte sogar eine Frage eines jeden gläubigen Menschen sein.

Nicht reden darüber kann man natürlich mit Ungläubigen, die keinen Unterschied zwischen Tier und Mensch zu sehen behaupten und dennoch beleidigt sind, wenn man sie Esel, Affe oder dumme Gans nennt! Der Mensch soll „nur ein anderes Tier“ sein, die Affen unsere Großeltern? Dahinter steht jener Darwinismus, der meint, aus Nix wird doch etwas, sogar was Besseres als Nix! Diese Leute wissen dann eigentlich weder warum sie Menschen lieben sollen, die doch nur Tiere sind, noch was Tierliebe ist, weil die Tiere ja auch nur Materieklumpen sind, und man liebt ja auch nicht Steine oder Erdhaufen.

Nicht besser sind jene, die behaupten, das Tier sei die Wiedergeburt eines Menschen und darum, zum Beispiel als die verstorbene Großmutter, müsse man Tiere lieben und gut behandeln. Also Tierliebe „in Wirklichkeit“ nur Großmutter- oder Totenliebe? Warum sollte man dann von Tierliebe sprechen? Richtig ist vielmehr: Die wahre Tierliebe belässt dem Hund, dem Elefanten oder Amsel und Forelle ihre jeweilige Natur und liebt sie als die Tiere, die sie sind! Jedes Tier darf bleiben, was es ist, es braucht keinen menschlichen Ahnenpass, es braucht auch keine Menschenrechte, was ihm gebührt, sind gewisse „Tierrechte“, die sie als Geschöpfe Gottes besitzen, nicht mehr, aber auch nicht weniger!

So und nur so stellt sich die oben genannte Frage! Man muss den Blick auf Gott richten und dann in Seinem Licht nachdenken, was die Absichten Gottes mit den Tieren sein könnten, was wir darüber wissen, was wir vermuten dürfen und was wir letztlich Ihm und Seinen Überraschungen für uns überlassen sollten.

Gott liebt Seine Tiere

Es ist leicht zu zeigen, dass Gott nicht nur uns Menschen, sondern auch Seine Tiere liebt! Als Erstes schauen wir dazu auf die Schöpfungsgeschichte. Dort heißt es: „Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es. Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,24-26).  Also: Gott selbst sagt uns, dass die Erschaffung der Tiere gut war, Ihm sozusagen gelungen war, und überhaupt alles, was Er gemacht hatte, nicht nur gut, sondern sogar „sehr gut“ war (Gen 1,31)!

Selbstverständlich ist und bleibt sich Gott bewusst, dass alle Tiere Seine Geschöpfe und Sein Eigentum sind! (Ps 50,10). Zusammenfassend heißt es in der Bibel: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens“ (Weish 11,24-26).

Dass die Tiere schön und gut sind, hatte offenbar auch Adam sofort begriffen! Solange er noch Single war, wandte er sich den Tieren zu, freute sich an ihnen und gab ihnen Namen (Gen 2,19). Sie machten ihm sein Alleinsein erträglich, auch wenn sie ihm nicht genügten, seine Traurigkeit nicht ganz auflösen konnten. Das konnte erst die Frau, die Gott ihm gab, aber auch sie konnte es letztlich nicht, denn bald hatten beide, Adam und Eva, begriffen: der eigentliche Mittelpunkt ihres Lebens war Gott!

Kein Wunder, dass der Angriff des Teufels zuerst der Gottesbeziehung galt! Indem er die Menschen zur Sünde verführte, zerstörte er zuerst deren Liebe zu Gott, zugleich mit dieser die Beziehung zwischen Mann und Frau (Gen 3,16) und in der weiteren Folge auch die Beziehung zu den Tieren, die bis heute vielfach von wechselseitiger Angst bestimmt ist (Gen 9,1).

Umgekehrt beschreibt der Prophet Jesaja die Wiederherstellung der Gottesordnung in der weiteren Folge auch als Frieden des Menschen mit den Tieren und Frieden zwischen den Tieren. Dazu bedient er sich märchenhafter Bilder wie dem „Löwe neben dem Kalb“ und der  „Hand des Kleinkindes im Schlupfloch der Schlange“ – ohne dass ein Unglück passiert (Jes 11,1ff).

Wahr ist: Die Bibel rechnet die gegenseitige Angst, also die Beziehungsstörung zwischen Mensch und Tier, zu den Folgen der Sünde. Wenn es auch in der Bibel nicht thematisiert wird, wird man vielleicht hinzufügen dürfen: Es gibt Tiere, vor allem bestimmte Parasiten, die nicht der Liebe und Weisheit Gottes zugeschrieben werden können, sondern nur als Folge der Sünde wirklich verstehbar sind, und die es so, wie sie sind, im Paradies nicht gegeben hätte!

Aber zurück zur Tierliebe Gottes: Dann, als die Sünde der Menschen so groß geworden war, dass Gott die Menschen vernichten wollte, erinnerte sich Gott nicht nur seines gerechten Dieners Noe, sondern auch der Tiere und gab dem Noe den Auftrag, alle Arten von Tieren in die Arche mitzunehmen, Männchen und Weibchen, um das Überleben der Arten sicherzustellen – das Überleben Seiner geliebten Tiere (Gen 6,19)!

Auch vom Mitleid Gottes mit den Tieren berichtet die Bibel, besonders schön in der Geschichte Seines widerspenstigen Propheten Jona. Denn als dieser nicht einsehen wollte, warum Gott die Stadt Ninive, die ihm soviel Ärger eingebracht hatte, nicht untergehen und ihn zuschauen lassen wollte, fragt Gott Seinen unverständigen Propheten: „Mir sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, und außerdem so viel Vieh?“ (Jon 4,11). Noch ein anderes, Gott gehorsames Tier kommt in der Jona-Geschichte vor: der Fisch, der den Jona zuerst gefressen, dann wieder ausgespuckt haben soll, und dies alles gemäß den Plänen Gottes (Jon 2,1)!

Die Bibel erzählt von Tieren, die Gott gehorchen und dienen:

Die Löwen schonen den Propheten Daniel, sie fressen aber sofort die Bösen! (Dan 6,25). Und offenbar dürfen sie zurecht „nach Beute brüllen“ (Ps 104,21), die sie ja brauchen, weil Gott auch an das für Tiere nötige Futter denkt!

Wieder ist es ein Fisch, der im Leben Jesu hilft, und zwar im Streit um die Steuer. Jesus sagt zu Petrus: „Geh an den See und wirf die Angel aus; den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul, und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib den Männern als Steuer für mich und für dich“ (Mt 17,27).

Der dienende Esel ist ein geradezu privilegiertes Tier in der Heilsgeschichte: Zunächst wird dem Esel in der Klage des Jesaja eine Art besondere Erkenntnis zugeschrieben: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht!“ (Jes 1,3). Darum wird den beiden Tieren später von den Christen die Ehre zuteil, in die Krippe gestellt zu werden. – Auch wirkliche Esel haben eine Sonderstellung im Leben Jesu: Zuerst hilft ein Esel bei der Flucht nach Ägypten und wohl auch bei der Rückkehr nach Nazareth. Viel später reitet Jesus auf einem Esel in Jerusalem ein (Lk 19,30)! 

Zum Thema Esel in der Bibel gehört auch die liebenswürdige Geschichte des Esels, der dem Propheten Bileam gehört: Der Esel sieht den Engel Gottes, der sich dem Propheten in den Weg stellt, früher als der Prophet selbst, und bleibt stehen! Bileam ärgert sich und schlägt seinen Esel, aber da greift der Engel energisch ein und verteidigt den Esel gegen Bileam (Num 22,21ff)!

Auch die den Menschen lästigen und gefährlichen Tiere dienen letztlich den Plänen und Absichten Gottes: die Heuschrecken, Steckmücken, Frösche, die den Pharao und seine Ägypter endlich zum Nachgeben zwingen sollen (Ex 10,4; Ex 8,12; Ex 8,12). Ähnliche Aufgabe haben auch die giftigen Schlangen in der Wüste, die die Sünder zur Umkehr bringen sollen (Num 21,6ff)!

Gott bedient sich der Tiere auch im Vergleich:

Gott selbst ist in der Sorge um sein Volk wie ein Adler, „der sein Nest beschützt und über seinen Jungen schwebt, seine Schwingen ausbreitet, ein Junges ergreift und es flügelschlagend davonträgt“ (Deut 32,11)!

Gott verhält sich zum Sünder wie eine Bärin, der man ein Junges geraubt hat (Hos 13,8). Was das bedeutet, bedarf, so denkt wohl der Prophet, keiner näheren Beschreibung!

Gott ist wie ein Löwe, der sich seine Beute nicht rauben lässt (Jes 31,4)!

Jesus wird mit dem Schaf, das geopfert wird, verglichen: Gott lässt es auch lange Zeit zu, dass Tiere ihm als Opfer gebracht werden, obwohl Er dann diese Art der Verehrung später stoppt und nicht weiter gelten lässt (Ps 50,10). Nur der Vergleich überlebt die Tieropfer-Praxis und das an prominenter Stelle, insofern bis heute der Priester in jeder hl. Messe den doppelten Ruf des Johannes des Täufers wiederholt, jenen Ruf, mit dem dieser an die Geschichte vom Auszug von Ägypten erinnert und dabei Jesus mit dem zur Befreiung geopferten Schaf vergleicht: „Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt!“ (Joh 1,29 und 1,36).

Schafe haben im Leben Jesu ähnlich dem Esel eine Sonderstellung: Um seine Liebe zu den Menschen zu erklären, erinnert er an die Liebe eines guten Hirten zu seinen Schafen. Dazu passt übrigens auch die Geschichte über Tierliebe, die der Prophet Nathan dem König David erzählte, um ihn zur Einsicht in seine große Sünde zu bringen: Ein Reicher nahm einem Armen ein Schaf weg und schlachtete es! Die Gemeinheit des Reichen macht der Prophet verstehbar, indem er die Tierliebe des Armen folgendermaßen schildert: „Der Arme besaß nichts außer einem einzigen kleinen Lamm, das er gekauft hatte. Er zog es auf, und es wurde bei ihm zusammen mit seinen Kindern groß. Es aß von seinem Stück Brot, und es trank aus seinem Becher, in seinem Schoß lag es und war für ihn wie eine Tochter“ (2 Sam 12,3). 

Der Heilige Geist, in gewisser Weise die geheimnisvollste der drei göttlichen Personen, wird verglichen mit einer Taube und seither in der christlichen Kunst so dargestellt (Lk 3,22)! 

Die Tiere als Argument Gottes gegen menschliche Überheblichkeit:

Tiere sind es, die Hiob zur Einsicht bringen sollen, wie groß Gott und wie klein er selbst ist: Gott erinnert Hiob an Löwen, Raben, Strauße, Hirsche und andere Tiere, vor allem aber das Flusspferd und das Krokodil, die genau beschrieben werden. Sie betrachtend soll Hiob endlich begreifen, wie groß und wie wunderbar die Schöpferkraft Gottes ist! Tiere sind in dieser Geschichte wie Gottesbeweise im Munde Gottes selbst (Hiob 39,1ff). Ist ein Krokodil „schön“? Vielleicht eher nicht, aber majestätisch ist es und auch eine der vielen und eindrucksvollen „Spuren“, die Gott selbst in Seiner Schöpfung hinterlassen hat, damit die Menschen sie lesen und auf Seine Größe schließen!

Nur in der Versuchungsgeschichte und dann wieder in der Apokalypse stehen die Tiere im Dienst des Bösen. Zu beachten ist dabei: Die „Schlange“ in der Genesis taucht nur als Symbol-Tier auf, die Tiere in der Geheimen Offenbarung sind wie Science-Fiction-Wesen, politische Fantasien in Tiermasken, keine wirklichen, keine von Gott geschaffenen Tiere.

Die gestellte Frage, ob die Tiere nur ins Nichts zurückfallen oder es auch für sie irgendeine Art Hoffnung gibt, ist berechtigt, weil Gott die Tiere geschaffen hat und auch Seine Tiere liebt! Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage des alten Priesters: Hat Gott die Tiere nur für die kurze Zeit der Menschen auf der Erde geschaffen oder gibt es auch für sie einen „Plan Gottes“? – Es sind vor allem drei Bibelstellen, die die Annahme, es sei mit den Tieren „einfach nur aus, als ob es sie nie gegeben hätte“, in Frage stellen:

Erstens sagt Paulus: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden.“ Und so könnte auch für die Tiere gelten: „Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld“ (Röm 8,18-25). Übersetzt: Wir dürfen auch für die Tiere „hoffen“, auch wenn wir noch nicht sehen, was das heißen wird! Aber dass sie ganz umsonst „warten“, ist von Paulus wohl nicht gemeint!

Zweitens: „Die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir – seiner Verheißung gemäß – einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,11-13). Und Gott sagt: „Ja, vergessen sind die früheren Nöte, sie sind meinen Augen entschwunden. Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn“ (Jes 65,17). Und der Seher kommentiert: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen“ (Rev 21,1-3). Es ist wohl unmöglich, sich die „neue Erde“ kahl, von uns Menschen abgesehen, leblos und tot vorzustellen!

Drittens: Jesaja beschreibt die kommende Herrlichkeit Gottes in wunderbaren Bildern, auf diesen seinen „Bildern“ leben auch die Tiere: „Auf, werde licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. Auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei. Du wirst es sehen, und du wirst strahlen, dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit. Denn der Reichtum des Meeres strömt dir zu, die Schätze der Völker kommen zu dir. Zahllose Kamele bedecken dein Land, Dromedare aus Midian und Efa. Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn. Alle Schafe von Kedar scharen sich bei dir, die Widder von Nebajot stehen in deinem Dienst“ (Jes 60,1-7).

Aus diesen Stellen kann man keinen „Werbeprospekt“ eines neuen Himmels und einer neuen, auch von Tieren bevölkerten Erde machen, aber man darf folgern:

Gott vergisst „Seine Tiere“ nicht! Sie werden auf uns noch unbekannte Weise zur neuen Schöpfung gehören. Eine „neue Erde“, wenn sie doch noch schöner sein soll als die jetzige, sich als nackte Erde ohne Pflanzen und Tiere vorzustellen, ist absurd! Wenn die „Himmel und die Erde schon jetzt voll sind von der Herrlichkeit des Herrn“, wie wir in jeder hl. Messe beim Sanctus hören, und wenn mit dieser „Herrlichkeit der Erde“ alle irdische Schönheit gemeint ist, dann gehören die Tiere dazu und dann werden sie auch in der Ewigkeit „dabei“ sein. Natürlich, sie werden Tiere sein und bleiben und „Gott nicht schauen“ können. Aber so wie der treueste, als „Familienmitglied“ geliebte Hund in einer Familie lebt und fast immer „dabei“ ist, auch wenn er viele Freuden der Familie nicht teilen kann, so ähnlich könnte es auch in der Ewigkeit sein – wie eine Schwalbe, die sich in den Dom verirrt hat, das Hochamt nicht versteht, aber „dabei“ ist! Das Dass und Wie des  „Dabei-Seins“ der Tiere im Himmel hebt sich Gott vielleicht als eine seiner vielen freudigen Überraschungen für uns auf. Wenn Gott uns Menschen mehr liebt als unsere Eltern und Freunde uns lieben, dann wird es wohl auch bei den Tieren so sein: Gott liebt sie mehr als wir sie lieben, also lassen wir uns voll Vertrauen überraschen.

Er schenkte der Christenheit das „Salve Regina“:

Hermann der Lahme 1013 - 2013

Vor tausend Jahren, am 18. Juli 1013, wurde Hermann von Altshausen geboren. Schon zu Lebzeiten wurde er als Heiliger verehrt, doch ist er nie offiziell selig- oder heiliggesprochen worden. P. Notker Hiegl OSB arbeitet heraus, worin das heiligmäßige Leben dieses außergewöhnlichen Benediktinermönchs auf der Insel Reichenau besteht. Hermann war ein Genie. Er wirkte als Mathematiker, Astronom, Historiker, Dichter und Musiker. Dabei entwickelte er eine Notenschrift, schrieb die Mariensequenz „Ave praeclara maris stella und wohl auch die Marienlieder „Salve Regina“ und „Alma redemptoris mater“, führte die Einteilung der Stunde in Minuten ein und wirkte an der Übersetzung mathematischer und astronomischer Schriften aus dem Arabischen mit. Doch war er von Kindheit an spastisch gelähmt und sein Leben lang an den Tragstuhl gefesselt. Für Gott aber holte er das Höchste aus sich heraus.

Von P. Notker Hiegl OSB

Goldene Zeit mit europäischer Strahlkraft

Im Auftrag der alemannischen Herzöge und mit Förderung des Frankenherrschers Karl Martell gründete der Missionsbischof Pirmin 724 das Kloster Reichenau. Er war Westgote, stammte aus Spanien und war als Christ im Jahre 718 vor den eindringenden Mauren an den Oberrhein geflohen. Von der Reichen-Au (heute vor allem Gemüseanbau und Rebenhänge), der „insula felix“ – der glücklichen Insel, singt Walafried Strabo im 9. Jahrhundert: „Reichenau, grünendes Eiland, wie bist du vor andern gesegnet!“ Die Insel im Bodensee ist der seligsten Jungfrau Maria und dem Apostelfürsten Petrus geweiht. Bauherr der ersten Steinkirche auf der Reichenau war Waldo, Abt von 786 bis 806, der zugleich auch die Bistümer Pavia und Basel innehatte. 806 wurde er Abt von St. Denis in Paris. Sein Nachfolger, Abt Heito (806-823), pflegte gute Beziehungen zu Karl dem Großen. Es ist nicht verwunderlich, dass er 811 persönlicher Botschafter des Kaisers in Konstantinopel wurde. Europäischer christlicher Atem damals in karolingischer Zeit! Als nächster Großer mit europäischem Format folgte der Mönch Walafried. Zunächst war er Schüler auf der Reichenau, ging dann nach Fulda zu Rhabanus Maurus, wurde später Hausgeistlicher der Kaiserin Judith und Erzieher ihres Sohnes Karls des Kahlen und kehrte schließlich als Abt (838-849) auf die Insel zurück. Buchmalerei, Dichtung und Musik verbunden mit großer Gelehrsamkeit blühten. Abt Heito III. (888-913) war auch Erzbischof von Mainz. Auf ihn geht der Ortsteil Oberzell mit der Basilika St. Georg zurück. Niederzell war schon 799 von Bischof Egino von Verona erbaut worden. Abt Berno gab dem Münster in Mittelzell mit dem westlichen Querhaus und der Apside samt dem Markus-Altar das heutige Gepräge. Der Altar wurde 1048 in Anwesenheit des Kaisers Heinrich III. eingeweiht. Und hier taucht nun Hermann der Lahme mit seiner „Weltgeschichte“ auf, in welcher er dieses Ereignis folgendermaßen schildert: „Der Kaiser ging von Regensburg, wo er das Osterfest gehalten, weg und kehrte wieder nach Alemannien zurück, kam nach unserer Reichenau, ließ am 24. April die neue Basilika des heiligen Evangelisten Markus als Schutzpatron weihen. Eine Kaiser-Loge, die nach Westen wie nach Osten, also nach innen wie nach außen offen ist, liegt in der Mitte der Apsis…“

Hermann von Altshausen – Mönch, Gelehrter und Dichter

Hermann von Altshausen, Hermann der Lahme (Hermannus Contractus), Hermann von der Reichenau, unter mehreren Namen ist er seit 1000 Jahren bekannt. Er lebte nur 41 Jahre, vom 18. Juli 1013 bis zum 21. September 1054, und gilt als „Miraculum saeculi“, als das Wunder seines Jahrhunderts. Doch spricht er von sich in großer Bescheidenheit und auch mit einem verschmitzten Humor als von dem „Letzten der Armen Christi“. In echt schwäbischem Latein bezeichnete er sich als „noster amiculus liup Herimannulus“, als „unser Freundle, das liebe Hermännle“. Nach außen hin ist er vor allem der Lahme, der bresthafte und hilflose Mensch mit der Krücke, immer auf die Samariter-Tat seiner Mitbrüder angewiesen. Zugleich aber ist er ein großer Theologe, Astronom, Mathematiker, Naturwissenschaftler, Musiker und Historiker. Der hl. Papst Leo IX. und Kaiser Heinrich III. versagten ihm nicht ihre Bewunderung.

Hermann vermochte in seinem Elend zu lächeln und als warmherziger, mitleidender und humorvoller Freund allen zu geben. Er war der kongeniale Schüler und Freund des großen Abtes Berno. Dieser hatte Hermann trotz seiner Behinderung am 15. September 1020 schon mit sieben Jahren als Oblaten in die Klosterschule aufgenommen. Und Hermann wurde ein demütiger, gehorsamer und frommer Sohn des hl. Benedikt. In hartem Ringen ging er seinen beschwerlichen und zugleich leuchtenden Lebens- und Leidensweg. Eines seiner Worte möge ihn dafür ausweisen: „Die Güte des Himmlischen Vaters stehet immerdar vor meiner Seele.“

Kranksein kann bitter sein – und süß zugleich

Weil ich mich selbst altersbedingt gut in die täglichen „Unebenheiten“ des behinderten Hermann hineindenken kann, führe ich einige Zeilen über Hermanns Kranksein aus dem bekannten Buch „Die letzte Freiheit“ von Maria Calasanz Ziesche an:

Berthold, Hermanns Gehilfe, … fährt in einem Rollstuhl seinen Meister Hermann neben Papst Leo IX., welcher gerade die Reichenau mit seinem Besuch beehrt, einher. … Es folgt der Abendtisch! Hermann zum Papst: „Es ist keineswegs erbaulich, bei meiner Mahlzeit anwesend zu sein, Heiliger Vater“, so warnt ihn der Kranke. „Wenn ich es nun wünsche, ich bin nämlich euretwegen auf die Reichenau gekommen. Ist nicht jeder Augenblick unseres Beisammenseins kostbar.“ Hermann betet still und beginnt das schwierige Werk der abendlichen Mahlzeit. Sein hageres Gesicht ist so angestrengt und gesammelt wie bei einer geistigen Arbeit. Seine zitternden Hände zerkleinern langsam und mühsam Brot und Käse und führen die Stückchen in den Mund. Welch erbärmliches Leben führt dieser berühmte Gelehrte der Augia, wenn eine solch gewöhnliche Handlung ihm schon kaum möglich ist. Wie muss er an seinem Dasein tragen, das ständig auf Hindernisse, Grenzen und Fesseln stößt, muss dies ihn nicht bitter machen, ein solches Leben der Abhängigkeit und Hilflosigkeit in allem, auch in den persönlichsten Belangen?

Papst Leo wendet seinen Blick von den Händen des Siechen ab und betrachtet dessen Antlitz. Das Leiden hat es geprägt. Aber die leuchtenden blauen Augen und die gewölbte klare Stirn erzählen dem Besucher von der Lauterkeit, der Weisheit und der Herzensgüte und der Reife dieses Mannes in schon so jungen Jahren… – Soweit aus dem genannten Buch.

Der Mariengruß des Hermann

Hermann der Lahme schenkte der gesamten Christenheit eines der schönsten Mariengebete: das „Salve Regina“. Mögen auch einige Gelehrte für eine gewisse Zeit dessen Urheberschaft angezweifelt haben, die heutige Zeit schreibt ihm diesen Marienlobpreis in seinem Ursprung wieder zu. Es bedurfte der Stille und der Abgeschiedenheit dieses Inselgartens, damit ein solch inniges Mariengebet erblühen konnte. Mit einem Gruß an Maria hebt Hermann sein Salve Regina an. Aus der Verbannung senden die Kinder Evas ihren Hilferuf hinauf zur Mutter des Herrn, damit sie diesen hintrage vor den Thron der Herrlichkeit. In diesen Aussagen spiegelt sich augenscheinlich Rechts- und Bittgepflogenheit des 10. und 11. Jahrhunderts wider. Er kannte dies aus den Erzählungen seines Familienverbandes, einem alten schwäbischen Grafengeschlecht. Sein Vater, Graf Wolfenrad II., ein Nachfahre aus der Familie des berühmten Augsburger Bischofs Ulrich, und seine Mutter, die Gräfin Hiltrude, hatten das Beste für ihn getan. Sie hatten ihn, der von frühester Jugend an lahm, gichtbrüchig, verkrümmt und fast der Sprache beraubt war, der pflegenden Obhut des Klosterinternats und der dortigen Infirmerie übergeben. Wahrscheinlich waren es gerade die körperlichen Gebrechen, die in dem Jungen eine solche „Geistesexplosion“ wachriefen. Der nur im Flüsterton Redende entwarf für die Sänger mitreißende Hymnen, dessen Stimme so in der ganzen Christenheit vernommen wurde. Er konnte sich nicht ohne Hilfestellung vom Stuhl erheben und zog doch mit seiner „Weltchronik“ die Geschichte des damals bekannten Erdkreises in die Enge der Studierstube herein. Mit seinen astronomischen Werken griff er aus der niederen Zelle nach den Sternen. Er soll es auch gewesen sein, der die „Neumen“ erfand, eine Notenschrift, das heißt Singzeichen über den Textzeilen. Dieser Große ging wirklich durch ein „Tal der Tränen“, er zählte sich zu den fern der Heimat schmachtenden „Elenden“ und „Verbannten“. Maria als „Advocata“, als Fürbitterin und Anwältin vor dem höchsten Richter. Sie möge uns ihre Augen zuwenden und uns Jesus, die Frucht ihres Leibes, zeigen. Mag auch einem anderen „Glühenden“ das „o clemens, o pia, o dulcis virgo Maria“ – „o gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria“ zugeschrieben werden, nämlich dem hl. Bernhard von Clairvaux, so ist beim abendlichen Salve Regina, während die Glocken läuten, mein Herz mit Hermann dem Lahmen vereint vor Maria und ihrem göttlichen Kind.

Ich glaube, nicht sein weites wissenschaftliches Denken, nicht seine „Weltgeschichte“, Dichtung und Musik, sondern seine Teilhabe an der Via dolorosa in der Nachfolge des kreuztragenden Herrn, sein Dasein im Leiden und sein Bemühen, „trotzdem“ oder „gerade deswegen“ das Höchste für den Höchsten aus sich herauszuholen, lassen seine Heiligkeit aufleuchten wie einen geschliffenen Diamanten. Das Festjahr des heiligmäßigen Hermann des Lahmen kann uns wieder eintauchen lassen in sein Kämpfen und Ringen und uns sein Dasein für Jesus Christus neu sichtbar machen. Möge sein Leben allen ein Vorbild auf dem Weg zur letzten Freiheit sein.

Neuen Kommentar schreiben

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder! Die Redaktion behält sich das Recht vor, Kommentare gegebenenfalls nicht für die Veröffentlichung freizugeben oder in Abstimmung mit den jeweiligen Autoren zu kürzen.