Rainer Maria Kardinal Woelki zum „Vorhof der Völker“ 26.-28. November 2013 in Berlin

Freiheitserfahrungen mit und ohne Gott

Zum bleibenden Erbe Papst Benedikts XVI. gehört auch der sog. „Vorhof der Völker“. Bei dieser Einrichtung geht es um den Dialog der katholischen Kirche mit den Nicht-Glaubenden. Benedikt XVI. ging von seiner Erfahrung aus, dass Menschen, die nicht an Gott glauben, sehr wertvolle Gesprächspartner sein können und selbst oft eine überraschende Offenheit mitbringen. Auf der Ebene der Vernunft kann ein Austausch gelingen, der zu gegenseitiger Verständigung und Bereicherung führt. Beim Weihnachtsempfang für die römische Kurie am 21. Dezember 2009 sagte er: „Zum Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“ Seitdem organisiert der Päpstliche Rat für die Kultur in diesem Anliegen auf der ganzen Welt Begegnungen, das nächste Mal in Berlin.

Interview mit Rainer Maria Kardinal Woelki, Berlin

Kirche heute: Eminenz, Ende November wird in Ihrer Diözese eine Veranstaltungsreihe im Rahmen der Initiative „Vorhof der Völker“ stattfinden. Wer hat Berlin für diese Veran­staltung ausgewählt?

Kardinal Woelki: Ich würde sagen, Berlin hat sich auch selbst mit ausgewählt, denn mir scheint keine Stadt in Deutschland so geeignet für den Dialog zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen. Mit den vielen kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen, Hochschulen, Instituten, Theatern und Museen gibt es hier hochkarätige Orte, die sich als „Vorhof“ im Sinn des päpstlichen Kulturrats förmlich aufdrängen. Letztlich ist es natürlich die Entscheidung von Kardinal Ravasi gewesen, Berlin auszuwählen, aber die Deutsche Bischofskonferenz und das Erzbistum Berlin tragen diese Entscheidung gerne mit.

Kirche heute: Wer ist an der Vorbereitung beteiligt? Wo wurden Ideen und Vorschläge eingebracht und zu einem einheitlichen Ganzen ausgearbeitet?

Kardinal Woelki: Auch wenn der Vorhof der Völker in Berlin stattfindet, ist es eine gute Zusammenarbeit zwischen Rom, Bonn und Berlin. Koordiniert wird die Vorbereitung von Joachim Hake, dem Direktor unserer Katholischen Akademie hier in Berlin. 

Kirche heute: Was steht auf dem Programm? Welche Höhepunkte sind in den Tagen vom 26. bis 28. November geplant?

Kardinal Woelki: Die Veranstaltung ist geprägt von den Orten, an denen sie stattfindet: Wir beginnen im Berliner Rathaus, setzen den Vorhof in der Charité und im Deutschen Theater fort und enden im Bodemuseum. Damit sind – in dieser Reihenfolge – auch die Themen gesetzt: Humanismus in der säkularen Gesellschaft, medizinethische Fragen, Blasphemie und Freiheit der Kunst, sowie Ästhetik. Dazu haben wir hochkarätige Gesprächspartner für beide Seiten – Glaube und Nicht-Glaube – gefunden.

Kirche heute: „Freiheitserfahrung mit und ohne Gott“ lautet das Thema. Es scheint eine überzeugende Aufgabenstellung für einen „Vorhof der Völker“ zu sein. Welche Ansatzpunkte bietet Ihrer Ansicht nach die gewählte Thematik für den geplanten Dialog?

Kardinal Woelki: Für uns als Christen ist Gott der Garant der Freiheit, in der Geschichte des Humanismus und in der Argumentation des Atheismus wurde und wird ja mitunter die gegenteilige Position vertreten: Gott und Religion als diejenige Instanz, die den Menschen ihre Freiheit genommen hat. Da liegen wir zum Teil sehr weit auseinander. Aber auch Humanisten können sich keine Freiheit ohne Verantwortung vorstellen, sonst wäre es Beliebigkeit und Willkür.

Kirche heute: Worin kann das Ziel eines solchen Austauschs über „Freiheitserfahrung“ bestehen? Welche Früchte erwartet die Kirche von der Initiative?

Kardinal Woelki: Ich habe den „Vorhof der Völker“ so verstanden, dass der Austausch selbst eines der wichtigsten Ziele ist. Ein Austausch ohne Ressentiments und ohne Vorwürfe, aber auch ohne falsche Zurückhaltung. Es muss auch die Differenz benannt werden können. Der „Vorhof der Völker“ zeigt auch, dass der „kalte Krieg“ zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen vorbei ist, dass wir miteinander reden wollen und auch können. Mich erreichen überwiegend sehr positive Reaktionen auf die Ankündigung dieser Form des Dialogs.

Kirche heute: Muss beim Thema „Freiheitserfahrung“ nicht das Vermächtnis Johannes Pauls II. zur Sprache kommen? Er hat sein ganzes Denken, insbesondere seine philosophische wie theologische Anthropologie, aus der Freiheitserfahrung des Menschen abgeleitet. Bietet nicht gerade der philosophische Ansatz Johannes Pauls II. eine ideale Grundlage für den Dialog mit den Nichtgläubigen?

Kardinal Woelki: Auf diesem Hintergrund lohnt es sich die Ansprache von Papst Johannes Paul II. am Brandenburger Tor erneut zu lesen. Er sagt dort u.a.: „Das geschlossene Brandenburger Tor stand da wie ein Symbol der Trennung; als es endlich geöffnet wurde, wurde es zum Symbol der Einheit und zum Zeichen dafür, dass die Forderung des Grundgesetzes nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung erfüllt ist. So kann man zu Recht sagen: Das Brandenburger Tor ist zum Tor der Freiheit geworden!“ Und er ruft uns zu: „Haltet dieses Tor geöffnet für euch und alle Menschen! Haltet es geöffnet durch den Geist der Liebe, durch den Geist der Gerechtigkeit und den Geist des Friedens! Haltet das Tor offen durch die Öffnung eurer Herzen! Es gibt keine Freiheit ohne Liebe.“

Kirche heute: Noch einmal: Beim „Vorhof der Völker“ werden immer wieder Kultur, Kunst, Schönheit, Humanismus und auch Ethos ausgelotet und zwar auf intellektueller Ebene. Sollte man nicht den Mut haben, über die christliche Überzeugung zu sprechen, dass die Liebe, die wir Menschen erfahren können, Wesen und Gegenwart Gottes bedeutet?

Kardinal Woelki: Im „Vorhof der Völker“ sprechen wir aus unserer christlichen Überzeugung, und in diesem Sinn natürlich auch über unsere christlichen Überzeugungen.

Kirche heute: Kardinal Gianfranco Ravasi, der als Präsident des Päpstlichen Rats für die Kultur die letzte Verantwortung für den „Vorhof der Völker“ innehat, betont: „In dem Agnostiker schätze ich – und ich würde mir wünschen, dass dies auch bei den Gläubigen der Fall ist – seinen Wunsch nach der Suche des Ursprungs. Da er sein Ziel noch nicht kennt, stellt er sich Fragen.“ Betrachten Sie diese positive Einschätzung der Agnostiker als realistische Grundlage für den angestrebten Dialog? Ist es nicht eher eine Vereinnahmung ungläubiger Menschen?

Kardinal Woelki: Wir werden auch auf dem „Vorhof der Völker“ nicht unsere christliche „Brille“ abnehmen, so wie unsere Gesprächspartner auch ihre Perspektive bewahren werden.

Kirche heute: Der „Vorhof der Völker“ wurde von Papst Benedikt XVI. als Beitrag im Bemühen um eine Neuevangelisierung angeregt. Man spricht von einer „modernen Kanzel der Kirche“ oder mit Johannes Paul II. von einem „neuen Areopag der Kirche“. Ist das Programm der Veranstaltung wirklich auf Evangelisierung ausgerichtet? Müsste es nicht einen klareren missionarischen Charakter mit zeugnishaften Elementen aufweisen?

Kardinal Woelki: Wir haben im „Vorhof der Völker“ den Ort, an dem Begegnung und Austausch möglich sind. Letztlich kann jede und jeder einen solchen Ort nutzen in seinem Alltag. Überall da, wo Menschen Zeugnis von ihrem Glauben geben, wo sie sich als Christen bekennen, ist die Möglichkeit ins Gespräch zu kommen. Der „Vorhof der Völker“ verdichtet dies lediglich an bestimmten Orten mit besonderen Personen. In diesem Sinn ist auch der „Vorhof der Völker“ klar missionarisch und zeugnishaft.

Kirche heute: Gibt es offene Veranstaltungen, zu denen alle Interessierten eingeladen sind? Mit wie viel Teilnehmern wird gerechnet?

Kardinal Woelki: Leider sind die Teilnehmerzahlen für alle Veranstaltungen begrenzt. Die Zahlen richten sich jeweils nach den Kapazitäten der Örtlichkeiten, wir haben uns viel Mühe gegeben, nicht nur aus unserem Bereich einzuladen, so dass sich eine vielfältige Zuhörerschaft mischen kann. Wir haben ganz bewusst im Anschluss an die Podien die Möglichkeit zu Austausch und Begegnung gesetzt, um damit den Vorhof-Gedanken fortzusetzen.

Kirche heute: Wie steht der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zu der Veranstaltung? Ist er in irgendeiner Form mit einbezogen oder wird er irgendwie daran mitwirken?

Kardinal Woelki: Der Regierende Bürgermeister ist der Hausherr unserer Auftaktveranstaltung. Er stellt uns das Berliner Rathaus zur Verfügung, er wird begrüßen und an der Diskussions-Veranstaltung teilnehmen. Er hat m.E. sehr gut verstanden, worum es uns geht und trägt den Gedanken mit.

Kirche heute: Haben Sie selbst schon einmal an einem „Vorhof der Völker“ teilgenommen?

Kardinal Woelki: Nein.

Kirche heute: Mit welchen Gefühlen und Erwartungen gehen Sie den bevorstehenden Tagen entgegen?

Kardinal Woelki: Es ist ein großes Glück für mich, Kardinal Ravasi in Berlin begrüßen zu können, und diese intensiven Tage selbst erleben zu können. Ich bin sicher, dass ich viel lernen kann.

Kirche heute: Eminenz, wir danken Ihnen aufrichtig für das aufschlussreiche Interview und wünschen der Veranstaltung das Wehen des Heiligen Geistes, damit sie für das Reich Gottes Früchte bringt.

Interview: Erich Maria Fink

Einzelheiten zum Programm

„Unter dem freien Himmel von Berlin“

„Ist der Glaube an Gott eine Minderung oder Bedrohung der Freiheit oder ist er erst deren Ermöglichung?“ Mit dieser Frage konkretisieren Rainer Maria Kardinal Woelki, der gastgebende Erzbischof von Berlin, und Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, in ihrer Einladung die Thematik des bevorstehenden „Vorhofs der Völker“ in Berlin, der unter dem Titel steht: „Freiheitserfahrungen mit und ohne Gott“. Und sie fügen hinzu: „Mit ihren ganz eigenen und unterschiedlichen Erfahrungen von Freiheit ist die deutsche Hauptstadt ein inspirierender Ort, um über den Charakter menschlicher und gesellschaftlicher Freiheit, ihre Voraussetzungen, Gefährdungen und Wurzeln in fairem Austausch der Ansichten zu debattieren.“ Die Veranstaltungen, die auf Anregung Papst Benedikts XVI. seit 2011 unter der Bezeichnung „Vorhof der Völker“ an verschiedenen Orten der Welt stattfinden, werden vom Päpstlichen Rat für Kultur organisiert. Derzeitiger Präsident ist Gianfranco Kardinal Ravasi, der die letzte Verantwortung trägt und für diesen November Berlin als Austragungsort ausgewählt hat. Nachfolgend sein Grußwort und Auszüge aus einem Interview, das Aldo Parmeggiani von Radio Vatikan mit ihm geführt hat.

Von Gianfranco Kardinal Ravasi, Rom

Grußwort

Der „Himmel über Berlin“ kennt Freiheitserfahrungen eigener Art. Wim Wenders hat 1987 einen Engel auf den Flug durch den grauen Berliner Himmel geschickt und dieser war bereit, seine Flügel der Unsterblichkeit einzubüßen, um einer Zirkuskünstlerin beizustehen, die diesen Beistand so dringend brauchte.

Im „Vorhof der Völker“ unter dem freien Himmel von Berlin kreuzen sich die Lebens- und Erfahrungswege der Glaubenden und Nichtglaubenden. Der Vorhof lädt ein, dass beide zueinander sprechen und einander zuhören. Beide stellen sich dieselben Fragen: Was ist der Sinn meines Lebens? Wo finde ich moralische Wegleitung? Was ist das für eine Welt, die mich umgibt, während ich mein Vertrauen in die Wissenschaft und die Technik setze, mal die Kunst liebe, mal politisch Partei ergreife oder auch mal teilnahmslos beiseite stehe?

Gepflegtes Gespräch und offener Widerspruch von Glaubenden und Nichtglaubenden haben im „Vorhof der Völker“ ihren Ort. Der tiefe Sinn von diá-lógos wird sichtbar: die Kreuzung der beiden logoi, der beiden „Diskurse“ in ihrer jeweiligen Identität, Würde und Tiefe und ihrer wechselseitigen Bereicherung.

In diesem Geist, den auch Papst Franziskus so leidenschaftlich in die Welt hineinträgt, komme ich in großer Vorfreude von Rom nach Berlin.

Aus einem Interview mit Radio Vatikan

Der „Vorhof der Völker“ ist ein offener Raum, in dem der Wind der Gedanken, der Wind des Geistes, der Religion und der Forschung weht. Wir haben inzwischen Dutzende von Begegnungen in aller Welt in diesen „Vorhöfen der Völker“ veranstaltet und hier glaubende und nichtglaubende Persönlichkeiten versammelt, die sich mit den großen Fragen der Menschheit befassen. Ein großer Philosoph des 19. Jahrhunderts, Søren Kierkegaard, sagte: „Wir befinden uns wie auf einem Schiff, das mittlerweile von einem Koch gesteuert wird. Das, was der Kapitän durch den Lautsprecher bekannt gibt, ist nicht mehr die Route, sondern das, was wir morgen essen werden.“ In einer Welt, in der nur mehr die Mode, das Essen, der Sex und nichts anderes mehr eine Rolle spielen, muss es Stimmen geben, die dir einen Sinn vermitteln. Das ist der Grundgedanke des „Vorhofs der Völker“.

Pascal sagte einmal: „Das Prinzip der Moral heißt in korrekter Weise denken zu lernen.“ Lernen also auch wir – wenn auch in verschiedener Weise und unter verschiedenen Gesichtspunkten – aber in ernsthafter Absicht über ernsthafte Themen nachzudenken, sodass wir über die Gleichgültigkeit hinauswachsen. Denn die Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit, die Banalität, die sind der wahre Atheismus.

Das ist – würde ich sagen – das große Ziel des Dialogs. Und in diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass bereits zwei hohe Persönlichkeiten aus Berlin, dieser stark säkularisierten Großstadt – nämlich der Oberbürgermeister Klaus Wowereit und der Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki – beide ihren Wunsch geäußert haben, Berlin möge Zeuge dieses Willens zum Dialog werden.

 

Programm

I. „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“ (Dostojewski) –
Über ethischen Humanismus mit und ohne Gott

Zu den geläufigen Vorwürfen der Christen gegenüber Atheisten gehört die Rede, dass der Atheismus ethische und moralische Haltungen nicht nur beeinträchtige, sondern auch zwangsläufig zu deren Schwächung und Auflösung führe. Umgekehrt sehen Säkularisten und Atheisten Religionen oft als gefährliche irrationale Fanatismen an. Diese wechselseitigen Vorwürfe haben erheblich dazu beigetragen, das Verhältnis von Gottesglauben und atheistischem Humanismus zu belasten. Wie aber verhalten sich Ethik und Gottesglaube zueinander?

Auftaktveranstaltung im Berliner Rathaus am 26.11.2013, 15.00-18.00 Uhr, mit Prof. Dr. Hans Joas und Prof. Dr. Herbert Schnädelbach, Prof. Dr. Christoph Markschies (Moderation).

II. Siehe, der Mensch! Gottes schöpferisches Geschöpf oder Designer seiner selbst?

Anthropotechnik, Genetic Engineering, Transhumanismus: diese Stichworte stehen für Entwicklungen, die stärker als alles Vorherige den Menschen selbst betreffen – mit der Aussicht auf eine unabsehbare Steigerung seiner Fähigkeiten. Grenzen werden aufgehoben, was bislang als „unverfügbar“ galt, wird zum Gegenstand experimenteller Erprobung. Die alte Frage: „Was ist der Mensch?“ stellt sich auf dramatische Weise neu. Die Antwort sollte nicht dem Diktat des Möglichen überlassen bleiben.

Charité – Hörsaal Langenbeck-Virchow-Haus, 27.11.2013, 10.00-12.00 Uhr, mit Prof. Dr. Volker Gerhardt, Prof. Dr. Ulrich Lüke, Prof. Dr. Thomas Macho und Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, Dr. Manuela Lenzen (Moderation).

III. Religion auf der Bühne. Über Ehrfurcht, Blasphemie und künstlerische Freiheit

Das Verhältnis von Theater und Religion ist seit jeher ambivalent. Das Theaterspiel entsteht aus dem Kult und ist Ort der Aufklärung und Religionskritik, an dem Religions- und Kunstfreiheit kollidieren. Im Gegenwartstheater ist Religion auf der Bühne als kräftiger Ausdruck der Sehnsucht nach Erlösung, als scheue Rückfrage nach Gott an den realen und gespielten Grenzen von Religion und Säkularität und als Tabubruch und Grenzüberschreitung. Wie gestaltet sich heute das Spannungsfeld von künstlerischer „Narrenfreiheit“ und „Heiligem Spiel“?

Deutsches Theater – Großer Saal, 27.11.2013, 15.00-17.00 Uhr, mit Prof. Dr. Heinrich Detering, Shermin Langhoff, Florian Lutz und Stefan Bachmann, Christine Dössel (Moderation).

IV. Glaubst du, was du weißt, oder weißt du, was du glaubst?

Die profanen und sakralen Skulpturen des Bode-Museums sind in einzigartiger Weise Ausdruck und Darstellung von gläubigen und ungläubigen Gesten und Lebenshaltungen. Eine Choreographie von Prozessionen, Licht und Schatten, Auftritten, Musikstücken und Gesprächen in allen Räumen des Bode-Museums sucht inmitten der Skulpturen die verbindende Erfahrung von Musik und Kunst für das Gespräch zwischen Gläubigen und Atheisten.

Bode-Museum auf der Museumsinsel, 27.11.2013, 20.00-22.00 Uhr, geschlossene Veran­staltung für Schüler und Studenten in Kooperation mit dem Bode-Museum Berlin.

Ein Gespräch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages findet am 28.11.2013, 9.00-11.00 Uhr, in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft statt.

Die Abschlussmesse wird um 12.00 Uhr in der Kirche St. Thomas von Aquin der Katho­lischen Akademie Berlin gefeiert.

Homepage: www.vorhofdervoelker.de

Verleihung des Deutschen Schulbuchpreises 2013

Aufbruch zur Klarheit in der Wirrnis unserer Zeit

Dem Pädagogen Wolfram Ellinghaus war Weihbischof Dr. Andreas Laun zunächst nicht bekannt. Erst durch die Schulbuchreihe „Glaube und Leben“ wurde Ellinghaus, der Gründer des Vereins „Lernen für die Deutsche und Europäische Zukunft (LDEZ)“, auf ihn aufmerksam und wählte ihn im Jahr 2003 für den „Deutschen Schulbuchpreis“ aus. Dieser wird vom Verein seit 1991 für Schulbücher vergeben, „die den Schülern Ehrfurcht vor Gott, Nächstenliebe, Toleranz und Dialogfähigkeit auf der Grundlage einer eigenen ethisch hohen christlichen Überzeugung vermitteln“. Nachdem nun der Abschluss der Schulbuchreihe vorliegt, nämlich ein zusammenfassender achter Band mit dem Titel „Der Christ in der modernen Welt“, fiel die Wahl überraschenderweise abermals auf Weihbischof Laun. Damit soll die großartige Leistung öffentlich gewürdigt und hervorgehoben werden. Am 3. Oktober 2013 wurde der Preis im Festsaal des Künstlerhauses München am Lenbachplatz überreicht. Beim Festakt hielt die bekannte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Christa Meves einen aufschlussreichen Vortrag.

Von Christa Meves

Missionsarbeit des Apostels Andreas

Der Jünger Jesu mit Namen Andreas war ein Fischer. Er arbeitete am Ufer, als der Herr ihn berief. Er war der erste sogar, den dieser Ruf traf – gemeinsam mit seinem Bruder Simon, der später unter dem Namen Petrus hervortrat. Andreas, hellhörig, demütig und bescheiden, ließ ihm wie selbstverständlich die Vorhand. Andreas trat gewissermaßen an die zweite Stelle, einmal – so weiß die Schrift – auch an die vierte Stelle. Erwähnt wird Andreas, als er Christus auf den Hunger und die Bedürftigkeit der riesigen Schar hinwies, die um ihn versammelt war. Andreas wies auf ein Kind hin und auf die völlig unzureichende Nahrung in dessen Korb. Über den Jünger Andreas berichtet die Chronik der Heiligen von einer außerordentlichen, weiträumigen Missionsarbeit nach Christi Auferstehung bis weit in den Osten und vor allem auch in den Norden hinein. Patras in Griechenland wurde der Ort seines Märtyrerschicksals. Der Stadthalter dort ließ ihn an einem schrägen, x-förmigen Kreuz aufhängen. Im sog. Andreaskreuz, das für jeden von uns Jetzigen als ein Verkehrszeichen vor unbeschrankten Bahnübergängen steht, gibt es davon sogar noch heute ein unsterbliches Merkzeichen.

Bildhafte Parallele zum Preisträger

Ist in diesem Apostel Andreas nicht eine erstaunliche bildhafte Parallele zu unserem heutigen Preisträger, zur Persönlichkeit und Lebenssituation unseres hochverehrten, geliebten Weihbischofs, des Professors und Doktors der Theologie, Andreas Laun aus Salzburg, enthalten? Auch er wurde als zweiter Sohn geboren. Auch er hat während seiner umfänglichen Ausbildung sicher bereits manchen „Fisch“, sprich: ein Menschenfischlein, gefangen und zum Glauben geführt, bevor ihn der Ruf in die Nachfolge Jesu traf. Ihm ist alles Konkurrenzdenken so fern, dass es ihn nicht anficht, wenn ihm eine Rolle als Zweiter, oder wenn ihm bei irgendeiner Pastoralkonferenz sicher auch einmal unangemessenerweise ein vierter Platz zugewiesen wird. Auch unserem Apostel Andreas geht es außer vielfältig anderem um das Kind, das mit zu karger Mahlzeit – in unserem Vergleich mit zu wenig geistiger Nahrung ausgestattet ist, obgleich doch der Herr Jesus Christus mit der gleich darauf folgenden Brotvermehrung bewies, mit wie viel geistiger Fülle Er zu segnen vermag. Unser Apostel Andreas heute will das der stauenden Bevölkerung mitteilen. Er will, er muss – wie jener Andreas damals – übermitteln, dass das Kind der Garant unserer Zukunft ist!

Auch unser Apostel Andreas heute ist mit mühsam gewordener Missionsarbeit auf steinigen Äckern beschäftigt, und das – wie bereits sein Namensträger – in heiliger Unverdrossenheit mit einer erhabenen, alle menschlichen Normalkräfte übersteigenden Unermüdlichkeit.

Die Menschen damals kannten die vom Jünger begeistert vorgetragene Geschichte von Jesus Christus nicht. Viele Menschen kennen sie heute bereits nicht mehr, besonders jene modernen Heiden nicht, denen ein guter Religionsunterricht darüber versagt blieb! Man muss ihnen auch heute die Wahrheit neu übermitteln und zwar von innen her in diesem Auftrag brennend, damit sie begreifen, dass es sich hier um die Wahrheit handelt und damit gleichzeitig um ihr persönliches Glück, ihr Heil und das Gelingen ihres persönlichen Lebens.

Was für eine Synchronizität! Was für eine Möglichkeit zum Lebendigwerden der Schrift durch den Apostel Andreas der Neuzeit!

Gegenwind damals wie heute

Denken Sie nicht, mein Vergleich möge doch wohl beträchtlich hinken, wenn man sich in die bedrängenden, lebensbedrohlichen Situationen des Apostels von damals hineindenkt. Aber auch heute ist die Situation gegeben, dass sogar inländige Missionsarbeit Feinde zuhauf herandrängen lässt, so dass seelische und dadurch auch physische Lebensbedrohung entsteht. Auch heute ist es halsbrecherisch, ungeschützt biblische Wahrheit in das Land hinauszurufen. Auch heute wird dann geschossen, geohrfeigt, auch heute wird Vergiftendes dem Missionierenden entgegengespritzt. Auch heute wird in Fallen gelockt und manchmal wird man sogar durch die Medien schräg gekreuzigt. Und auch heute ist das Andreaskreuz an den ungeschützten Bahnübergängen von hochberechtigter Wirksamkeit. Da braust mit 340 Sachen der Mainstream-ICE mit zermalmender Kraft daher, ein Geisterzug, mit lauter sich merkwürdig gebärdenden Leuten darin. „Vorsicht!“ blinkt deshalb das Andreaskreuz den erschreckten Fußgängern am Bahnübergang zu. Du kannst nicht so einfach drauf loslaufen! Außerdem ist das Land ringsum so unerleuchtet, nur vom Andreaskreuz geht der getreulich blinkende, konstant warnende Lichtschein aus.

Warum lässt sich unser Land nicht mehr nachhaltig erhellen? Warum verdrängen so tief hängende Wolken das strahlende Licht, das vom Andreaskreuz ausgeht? Nachhaltig geht doch bereits von dort eindrücklich aufmerksam machendes Licht aus. Und unser Andreas-Apostel heute ist schließlich unablässig dabei, mehr Andreaskreuze aufzustellen; denn er ist in heiligem Auftrag davon überzeugt: mehr Glaubensvermittlung muss sein, mehr Aufbereitung und damit mehr Aufnahmemöglichkeit für das Licht aus der Höhe.

Zusammenfassender Schlusspunkt seines siebenstufigen Werks

Aus diesem Impuls hat Andreas Laun das Werk seiner siebenstufigen Bücher für den Religionsunterreicht geschrieben und als achtes, als Schlusspunkt ein alle sieben umfassendes Lehrbuch der christlichen Anthropologie in so überragender Vollkommenheit, dass jeder Mensch, der an dieses Werk gerät, weil er in der Dunkelheit auf der Suche nach Licht ist, geradezu in Jubel ausbrechen muss.

Deshalb haben wir Anlass, an diesem Morgen heute zu großer Freude darüber. Aber diese hat eine Vorgeschichte: Sie besteht darin, dass der wachsame, gestandene Pädagoge Wolfram Ellinghaus das hell leuchtende Andreaskreuz in all seiner Bedeutsamkeit entdeckt hat.

Mit seinem Verein „Lernen für die Deutsche und Europäische Zukunft“ hat er lange schon einen kleinen Wall gegen den zerstörerischen Mainstream errichtet, er versucht, auf schulischem Sektor pädagogisch Einwandfreies, den Kindern in ihrer geistigen Entwicklung Dienendes, gegen all die sie gefährdenden Einflüsse wild wuchernder Antipädagogik zu begegnen. Deshalb suchte Ellinghaus für die als ermutigende Leuchtsignale gedachten Preisverleihungen seines Vereins nun auch ein für das Erhalten des Christentums gültiges Religionsbuch zu finden. In seinem Zimmer in Norddeutschland türmten sich die für solche Preise ausersehenen und von ihm durchgesehenen Religionsbücher. Und damit türmte sich seine Enttäuschung, ja, sein Entsetzen, ebenfalls zu Bergen. Verführung der Kinder zu einer Toleranz mit jeder anderen Religion ohne einen eigenen Standpunkt überhaupt erst gewonnen zu haben, war das Übliche! Nicht etwa nur schwächelnder Glaube mit herabgewürdigtem Christus zum Sozialrevolutionär, sondern darüber hinaus geradezu schulisch gezüchteter Zweifel am Christentum insgesamt! So flächendeckend verheerend hatte Ellinghaus sich die schulische Situation anfangs noch gar nicht vorgestellt!

Aber dann entdeckte er die Andreaskreuze unseres Apostels Andreas. Ellinghaus erkannte: Hier ist Hoffnung! Hier gibt es einen einzigartigen Vorstoß heraus aus der Wirrnis zunächst in Gestalt der siebenstufigen Bücher zum Religionsunterricht von dem ihm damals unbekannten katholischen Professor Dr. Andreas Laun aus Salzburg. Endlich konnte im Jahr 2007 wieder ein Schulbuchpreis verliehen werden.

Aber dann zeigte sich, dass trotz dieser Auszeichnung die Existenz dieser so brauchbaren Schulbücher der Öffentlichkeit gar nicht erst mitgeteilt wurden! Mühsame Berichte in christlichen Zeitungen konnten eine angemessene Verbreitung nicht erwirken. Wo blieben die Bestellungen beglückter Schulleiter? Wo blieb der Boom der Schulbuchverlage? Solche sich immer mehr häufenden Erfahrungen pflegen bei wachen Zeitgenossen Lähmung hervorzurufen. Das Licht kommt gar nicht mehr durch! Es wird einfach weggedunkelt! Und hier erwies sich nun der stille Kämpfer Wolfram Ellinghaus als einer von der standhaften Truppe; denn die weiß, dass die Wahrheit siegt.

Nun war nämlich als Quintessenz der sieben Unterrichtswerke ein achtes erschienen, und Wolfram Ellinghaus erkannte: Dieses Buch enthält genau das, was wir in der so bedrohlichen geistigen Lage unserer Gesellschaft dringend brauchen: die auf den Punkt gebrachte Unterscheidung der Geister; denn was verloren gegangen ist und deshalb unsere Zukunft bedroht, ist der klare Bezug all unserer Lebensbereiche zu Gott! Jedes einzelne der 50 Kapitel dieses Buches stellt deshalb unsere Lebensfragen der Reihe nach in diese Ausrichtung, z.B. „Gott existiert, natürliche Gotteserkenntnis“„Gott, Logos und Vernunft“„Gott liebt die Menschen“„Gott erwartet die Menschen“ oder „Gott liebt seine Schöpfung“. Jeder Mensch, der erfasst hat, dass unsere Zeit in einen abgründigen Neuaufguss des Sündenfalls geraten ist, muss ein solches Werk mit Freude und Erleichterung allein bereits angesichts dieses Schwerpunkts in den Kapitelüberschriften begrüßen: denn genau dies hat uns in die geistige Orientierungslosigkeit hineinschlittern lassen, genau dieses, dass wir voll Hochmut über all unsere naturwissenschaftlichen Erfolge in diesen schönen Jahren des Wohlstands der schlangenhaften Versuchung erlegen sind, die Sache mit Gott beiseite zu schieben in der hypertrophen Vorstellung, wir könnten von uns aus allein wissen, was gut und böse ist, und wir könnten mit den Menschen machen, besonders mit den Kindern, was uns gerade in den Kram passt.

Das Entscheidende, das wir zur Gesundung brauchen

Mit wildem Getöse hatte hierzulande dieser atheistische Hochmut vor 45 Jahren mit dem törichten ideologischen Einstieg, Familie und Autorität abzuschaffen und die Sexualität zu entfesseln, das Terrain besetzt – im Schulterschluss mit der vom Mann nun nicht mehr beschützten Frau – mit dem militanten Feminismus. Dabei sind wir aber unversehens mittlerweile in Teufelsküche geraten. Das war abzusehen. Ich habe damals unverzüglich prognostiziert und öffentlich publiziert, was geschehen würde, wenn dieser Trend nur lange genug andauert. Nun lässt sich immerhin all das Unglück in all den Sackgassen, in die die Gesellschaft geriet, nicht nur finden – nein, es ist mehr als augenscheinlich – es ist Legion! Beispiellos herrscht Wirrnis – auf der ganzen Linie!

Was ist das Entscheidende, das wir zur Gesundung brauchen? Klar, das ist die Umkehr zu Gott, mit der Einsicht, dass all unser Wollen und Tun auf diese prüfende Messlatte gehört: Was lässt sich – an der biblischen Wahrheit angelegt – bejahen und wo brauchen wir warnende Andreaskreuze? Dieser so brennenden Notwendigkeit stellte sich unser Salzburger Weihbischof mit diesem Buch – in einer bewundernswerten Präzision.

Als Wolfram Ellinghaus dieses Buch nach dem Durcharbeiten mit einem tief erleichterten Seufzer schloss, wusste er: Auch dieses Buch von Andreas Laun mit dem Titel „Der Christ in der modernen Welt“ muss unbedingt mit einem weiteren Schulbuchpreis der Öffentlichkeit auf den Tisch gelegt werden. In der Tat, eine erzrichtige Entscheidung war und ist dies!

Entstanden aus dem Erleben der heutigen Nöte

Wie sehr fehlt bei all der Übermittlungsnot des Christentums heute ein solches Buch! Wie schwer ist es, ein solches Werk in umfassender Kompetenz und gleichzeitig in verständlicher Sprache zu erstellen! „Genie ist Fleiß“, hat Friedrich Schiller gesagt. Was für eine Masse an Nachtstunden sind nötig, um allein nur die so fülligen Informationen einzusammeln! Wie viel Beharrlichkeit, wie viel Nachdenken ist bei der relevanten plausiblen Ausgestaltung jedes einzelnen der so zentralen Themen nötig!

Wie viel immer neues Angetriebenwerden geschieht deshalb unserem Weihbischof schließlich auch immer wieder während der Amtsführung durch das direkte Erleben der vielen neuen modischen Not: so viel Depression, so viel Ehescheidungstraumata, so viel Bangen um die Jugendlichen mit all dem Abgeholtwerden in die Süchte: Alkohol-, Crystal Meth-, Porno- und nun zu allem Übel auch noch PC-Sucht!

Wie treibt doch auch einen Geistlichen der Austausch mit Menschen an, die bei ihm klagen, weil sie an dem rasant wachsenden Glaubensverlust bei sich selbst oder dem in ihrem Umfeld leiden! Wie wichtig sind bei solchen Fragestellungen die Kapitel über Kreuz, Tod und Auferstehung!

Wie notwendig war deshalb ein solches Buch, nicht nur für alle Pädagogen, nicht nur für die Theologen unter ihnen – nicht  also nur für die, die aus beruflichen Gründen im Unterricht verwendbare Abstützung benötigen, sondern für alle, die suchen, und auch für die, die Stärkung brauchen im Bewusstsein dieses Entscheidungskampfes der Geistmächte in unserer Situation heute!

Aufbau des achten Bandes

Nun liegt es vor uns: in klarer Sprache und kurzen Sätzen, in beglückender Übersichtlichkeit mit zusammenfassenden Worten je Kapitel, mit plausiblen Interpretationen, mit genau passenden Illustrationen zu vorzüglich gelingender Verständniserweiterung, in differenzierender Aktualität. Und – das sei besonders lobend hervorgehoben – auch die bedrängenden konfliktreichen Bereiche werden in ausführlichen Darstellungen kapitelweise behandelt – Ross und Reiter benennend und nicht – wie so oft heute – aus Feigheit ausgelassen! In mehreren Kapiteln steht deshalb sehr bewusst die Unterscheidung der Geister im Hinblick auf eine an der Bibel orientierten christlichen Sichtweise im Mittelpunkt! Wie ist dies durch das Verwischen der Konturen heute dringlich geworden! In den Ausführungen wird zunächst der allgemeine Wissensstand in aller Sachlichkeit dargestellt. Als kleiner Kasten wird die Auffassung der Kirche sehr knapp dargestellt, dann aber eine Einschätzung in allgemein christlicher Sicht hinzugefügt, die – so zeigt sich dann – aber durchgängig mit der katholischen Sicht übereinstimmt. Jeder Jugendliche kann, nachdem er dieses Buch gelesen hat, z.B. erkennen, wie sich im Einzelnen die so erwünschte Toleranz als Tugend von unangemessener Solidarisierung mit allem und jedem unterscheidet. Das ist ganz besonders verdienstvoll, weil der moderne Religionsunterricht hier oft unzureichend bleibt und vermutlich dann sogar, in Unwissenheit und Zeitgeist-Hörigkeit, bereits beim Auswählen des Lehrmaterials versagt! Deshalb wird in aller Hochachtung vor Gläubigen anderer Religionen, besonders gegenüber dem Islam, mit Überzeugung die christliche Wahrheit herausgearbeitet.

„Gott und die Biotechnik“

Wie verdienstvoll, wie notwendig ist z.B. das Kapitel 22: „Gott und die Biotechnik“! Nach fachkundiger Begründung enthalten die abschließenden Fragen unstrittige Antworten im Hinblick z.B. auf künstliche Befruchtung, aufs Klonen, auf die Frage „Worin bestehen die moralischen Probleme der Organtransplantation?“, um zusammenfassend nach der Frage: „Welcher moralische Grundsatz ist für alle Biotechniken letztlich entscheidend?“ zu antworten: „Das Leben des Menschen ist heilig und unantastbar von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.“ Aber diese apodiktische Klarstellung ist vorher – wie in allen anderen Kapiteln auch – ausführlich und mit überzeugender Vernunft begründet worden.

Und damit niemand auf die Idee kommt, hier handle es sich doch wieder nur um Wortgeklingel, beginnt das Kapitel 23 unter der Überschrift: „Gottes Nein zur Abtreibung“ mit dem Foto einer Demonstration zum Tag der unschuldigen Kinder im Bischofsort Salzburg mit der Gestalt des die Gruppe anführenden, eine Kerze tragenden Weihbischofs Laun in bemütztem Zivil.

Ja, liebe Freunde, Sie wollen doch wohl nicht glauben, eine solche direkt im Zentrum der eigenen Diözese anberaumte Demonstration sei heute für einen solchen Lichtträger möglich, ohne dafür ans Andreaskreuz genagelt zu werden, sei möglich ohne Diffamierung, ohne ein lautes Gesause in den Mainstreaming-Medien des entsprechenden Landes, dieses also in Österreich, es sei möglich ohne Kopfschütteln der Insider, die dann so klug wissen: Dies sei nun aber doch reichlich übertrieben!

 Ja, meine lieben Freunde, was für eine Sehnsucht von uns erfüllt ein solcher Bischof mit so einem Buch, mit seinem Einsatz, mit dieser seiner Persönlichkeit – mit all dem Stehen und Auftreten gegen den Mainstream! Wie können wir Fußgänger vor den Bahnübergängen auf diese Weise nachhaltig gewarnt werden – um noch einmal die Metapher aufzugreifen. Wie sehr wünschen wir uns zum modischen Märtyrertum bereite Bischöfe in unserer oft schon so zerrauften und geschändeten Kirche!

Was gehört zu einer vollständigen Aufklärung über Sexualität?

Und noch ein Letztes sei gesagt: So sehr wir uns daran freuen, dass wir hierzulande dadurch einen Fels in der Brandung haben, bleibt dieses Buch doch nicht allein als ein Bollwerk gegen all die Wirrnis unserer Zeit, gegen all den sich aufblähenden Atheismus stehen. Es behandelt auch tapfer angemessen die Auswüchse der entfesselten Sexualität und zwar mit großem Sachverstand. Und auch auf diesem Sektor wird alles thematisch bearbeitet und alles benannt, was heute zu einer vollständigen Aufklärung über Sexualität gehören müsste, z.B. auch, die schädlichen Folgen der Auswüchse beim Namen zu nennen, wie es heute sehr allgemein und in großer Verantwortungslosigkeit gegenüber den jugendlichen Schülern landauf, landab hierzulande nicht geschieht!

Drei Kapitel räumt unser Autor dafür ein: „Gott liebt die Liebe“„Gottes Weisheit in der Sexualität“ und dann erst „Gott warnt: Irrwege der Sexualität“. Da in unserer Zeit nun eben dieser so mächtige Naturtrieb dumm entfesselt und vor allem den armen Schülern als höchstes Glück der Erdenkinder zum Götzen erhoben auf den Thron gesetzt wird, wissen sie – wie aus der psychotherapeutischen Praxis zu erfahren ist – meistens überhaupt nicht einmal mehr, zu welchem Ziel es diesen Trieb gibt. Man hat Sex zu haben, wenn man in der Klasse angesehen sein will; das gehört zum Leben wie das Wasser für den Durst.

Dieser dritte Teil des Buches ist unter die Überschrift gestellt: „Menschen in der Ordnung Gottes“. Mit leidenschaftlichem Sachverstand werden hier insgesamt die Probleme der Moderne einer glasklaren, allgemeingültigen Orientierung zugeführt.

Vision über die Zukunft der Kirche

Vergessen werden darf auch nicht der eher in Parenthese geschriebene Anhang, geschliffen geschrieben wie ein Diamant mit einer persönlichen Vision unseres großen Apostels über die Zukunft der Kirche. Darauf will ich Sie einfach nur noch zusätzlich neugierig machen.

Das Schlusswort des Buches bildet eine Geschichte von James Aggrey aus Gana, die Legende von jenem Mann, der einem jungen Adler zur Freiheit verhilft. Wie ein junger Adler ist für uns dieses Werk von Andreas Laun, das er im stillen Kämmerlein, in seinem „Hühnerhof“, mit den ungezählten Körnern sorgfältiger Information gefüttert hat, die diesen jungen Adler – und dass heißt diese Bücher – in Stufungen wachsen ließen. Und sie erschienen zunächst ja auch in solchen Stufungen wie dieses Bild der Flugversuche des Mannes mit seinem Jungadler: In Wachstumsstufen mit immer neuen Ausgestaltungen bis zu dem Ereignis heute, dem wir alle beiwohnen dürfen: Heute wirft unser Apostel Andreas nach einer langen, langen Wanderung – nun auf dem höchsten Berggipfel stehend – diesen Adler, den er aufgezogen hat, dieses sein Werk mit kraftvollen Schwingen aus seiner Hand, dem Licht, unserem Gott, der Welt und damit uns allen entgegen.

 

Andreas Laun/Referat für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg (Hrsg.): Der Christ in der modernen Welt, Reihe „Glaube und Leben“, Bd. 8, Salzburg 2009. Gebunden, 16,5 x 23 cm, 216 Seiten, ISBN 978-3-902336-81-1. Internet: www.glaube-und-leben.at 

Weltweihe durch Papst Franziskus am 13. Oktober 2013

Marianischer Tag im Jahr des Glaubens

Der „Marianische Tag“ am 13. Oktober 2013 war schon lange geplant. Er sollte ein besonderer Beitrag zum Jahr des Glaubens werden. Angekündigt war die Erneuerung der Weltweihe an das Unbefleckte Herz Mariens durch den Papst auf dem Petersplatz in Rom. Franziskus vollzog den Weiheakt, doch überraschte er die Welt mit einem Weihetext, der auf den ersten Blick wie ein einfaches Fürbittgebet erscheint. Viele waren von der unerwarteten Form der Weihe enttäuscht. Pfarrer Erich Maria Fink aber zeigt auf, wie sich der „Akt des Anvertrauens“, den Franziskus vollzogen hat, in die Tradition der offiziellen Marienweihen einfügen lässt. Auf diesem Hintergrund leuchtet der „Marianische Tag“ in Rom als ein wichtiger Höhepunkt im Jahr des Glaubens auf.

Von Erich Maria Fink

100.000 Pilger aus der ganzen Welt hatten sich am 13. Oktober 2013 auf dem Petersplatz in Rom versammelt. Gespannt warteten sie auf die angekündigte Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens, wie sie die Päpste seit 70 Jahren immer wieder vorgenommen und erneuert hatten. Manche hofften sogar, Papst Franziskus werde nach dem Wunsch der Gottesmutter von Fatima bei dieser Gelegenheit Russland ausdrücklich nennen. Riesige Plakate mit entsprechenden Hinweisen hatten im Vorfeld des Ereignisses die römische Innenstadt geschmückt. Eigens war ja auch die Statue Unserer Lieben Frau von Fatima aus der Erscheinungskapelle nach Rom gebracht worden. Zudem handelte es sich beim ausgewählten Tag nicht nur um einen Sonntag im Rosenkranzmonat Oktober, sondern um einen Fatimatag, und zwar um den letzten der sechs Erscheinungstage, an dem sich 1917 das gewaltige Sonnenwunder zugetragen hatte. Doch setzte Papst Franziskus völlig andere Akzente. Schon die Bezeichnung des Weihegebets hebt sich von den bekannten Vorbildern ab. In der offiziellen Berichterstattung des Vatikans ist von einem „Akt des Anvertrauens an die selige Jungfrau Maria von Fatima“ die Rede. Im Gebet kam zwar das Wort „Weiheakt“ einmal vor, doch verzichtete Franziskus im weiteren Verlauf auf die Formulierung „ich weihe“ oder „wir weihen“. Außerdem sucht man vergeblich Ausdrücke wie „Unbeflecktes Herz Mariens“, „Welt“, „Bekehrung“ oder „Sühne“. Hat Franziskus das eigentliche Anliegen der Marienweihe verraten, wie nun manche meinen? Wählte er den in der heutigen Zeit kleinsten gemeinsamen Nenner, um bei niemandem anzuecken? Leider fühlen sich zahlreiche traditionsverbundene Gläubige in ihrer kritischen Haltung gegenüber Papst Franziskus von neuem bestätigt. Ich bin der Überzeugung, dass sich der Gebetstext sehr wohl in die Tradition der Marienweihen, die im Zug der Fatimabotschaft stattgefunden haben, einordnen lässt. Wir können sogar eine Entwicklung hin zum aktuellen Weihegebet erkennen, die sehr gut zum Grundanliegen des „Jahres des Glaubens“ passt.

Die Weltweihe Papst Pius‘ XII. 1942

Mit dem Lehrschreiben „Pacem in terris“  – „Friede auf Erden“ begann der selige Papst Johannes XXIII. im Jahr 1963 seine Enzykliken nicht mehr nur an Katholiken bzw. innerkirchliche Adressaten zu richten, sondern je nach Thematik auch an alle anderen Menschen guten Willens. Doch schon vor über 100 Jahren trat die Verantwortung des Petrusnachfolgers für die ganze Menschheitsfamilie immer deutlicher hervor. In diesem Sinn konnte Papst Leo XIII. im Jahr 1899 die ganze Welt dem Göttlichen Herzen Jesu weihen. Er hatte damit den Wunsch erfüllt, den Jesus selbst durch die hl. Margareta Maria Alacoque (1647-1690) bereits Ende des 17. Jahrhunderts geoffenbart hatte. Papst Pius XII. baute auf diesem kirchenamtlichen Akt seines Vorgängers auf. Während des Zweiten Weltkriegs nahm er auf dem Hintergrund der Botschaft von Fatima in analoger Weise die Weltweihe an das Unbefleckte Herz Mariens vor. Bei diesem Weiheakt, den er gründlich vorbereitet hatte und am 31. Oktober 1942 über Rundfunk vor der ganzen Weltöffentlichkeit vollzog, stand seine Autorität als Nachfolger des hl. Petrus im Vordergrund. Er trat nicht nur als Stellvertreter Christi, sondern als Stellvertreter der ganzen Menschheit, als Sprecher aller Völker auf. In dieser Vollmacht und zugleich Mittlerschaft wandte er sich an die „Königin des heiligen Rosenkranzes“, wie sich Maria in Fatima vorgestellt hatte, an die „Königin des Friedens“, die „Siegerin in allen Schlachten Gottes“. Ausgestattet mit der Binde- und Lösegewalt, mit den Schlüsseln des Himmelreichs, die Jesus dem hl. Petrus übergeben hatte, vereinigte sich Papst Pius XII. „mit der ganzen Welt“ und weihte sie dem „Unbefleckten Herzen Mariens“. Ihr trug er flehend die ganzen Nöte der Menschheit vor.

Ohne Russland ausdrücklich zu nennen, bat er vornehmlich für die Völker, die der Gottesmutter „eine besondere Andacht bezeugen“. Und im Blick auf sein oberstes Hirtenamt rief er aus: „Führe sie zurück zum einen Schafstall Christi unter dem einen und wahren Hirten!“ Am Ende des Gebets erinnerte er ausdrücklich an die Weihe Leos XIII. und wiederholte noch einmal: „Dem Herzen deines göttlichen Sohnes Jesus Christus wurde die Kirche und das ganze menschliche Geschlecht geweiht. Auf ihn sollten alle ihre ganze Hoffnung setzen! Er sollte für sie Zeichen und Unterpfand des Sieges und der Rettung sein! So weihen wir uns auf ewig auch Dir, deinem unbefleckten Herzen, o Mutter und Königin der Welt!“

Das Weihegebet Johannes Pauls II. 1984

Im so genannten „Jahr der Erlösung“, das 1950 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi im Jahr 33 gefeiert wurde, erneuerte Johannes Paul II. die Weltweihe an das Unbefleckte Herz Mariens. Er nahm ausdrücklich Bezug auf den Weiheakt Papst Pius‘ XII., doch setzte er einen neuen Schwerpunkt. Als Petrusnachfolger wandte er sich nicht nur an die Gottesmutter – fürbittend, stellvertretend und vermittelnd – wie Pius XII., vielmehr nahm er die Kirche in den Blick, die er in seiner Vollmacht als oberster Hirte zum stellvertretenden Dienst an der ganzen Welt aufrief. Dabei machte er sich im zweiten Teil des Weihegebets die Worte Christi zu eigen, der im Abendmahlssaal zu seinen Jüngern gesprochen hatte: „Für sie weihe ich mich, damit auch sie in Wahrheit geweiht seien“ (Joh 17,19). Dies bedeute, dass sich alle Christen „in dieser Weihe für die Welt und für die Menschen mit unserem Erlöser verbinden“, nämlich im Zeichen der stellvertretenden „Sühne“. Und Johannes Paul II. rief aus: „Wie tief empfinden wir das Bedürfnis nach dieser Weihe für die Menschheit und für die Welt, für unsere heutige Welt: der Weihe, die wir in Einheit mit Christus vollziehen. Das Erlösungswerk Christi muss ja durch die Kirche an die Welt vermittelt werden.“

Die Marienweihe dränge darauf hin, dass alle Gläubigen diese Weihe mitvollziehen und durch eine persönliche Marienweihe immer tiefer in das Geheimnis dieser Weihe eintreten, d. h. sich selbst für die Rettung der Welt „weihen“, sich gleichsam für die Fernstehenden und Sünder in die Waagschale werfen.

Nicht nur Maria ist Mittlerin, welche Christus in die Welt bringt, nicht nur der Papst ist Mittler, indem er mit der Vollmacht seines Amtes die ganze Welt der mütterlichen Sorge Mariens übergibt, nein, die ganze Kirche muss zusammen mit Maria ihren stellvertretenden und vermittelnden Dienst an der Menschheit ausüben. Marienweihe heißt für Johannes Paul II.: Die ganze Kirche muss in der Berufung Mariens ihr eigenes Selbstverständnis entdecken; die Kirche wird befähigt, wie und mit Maria ihre Sendung für die Welt zu verwirklichen.

Die Marienweihe durch Papst Franziskus 2013

Papst Franziskus geht nun noch einen Schritt weiter. Während Pius XII. seine Vollmacht als universaler Hirte im Blick hatte und sich stellvertretend für alle Menschen und Völker vertrauensvoll an die Gottesmutter wandte, während Johannes Paul II. die Sendung der Kirche in den Blick nahm und die Gläubigen im Geist Mariens für ihren Dienst an der Welt „weihte“, blickte Papst Franziskus über die Kirche hinaus und wandte sich mit seinen Worten der Welt selbst zu, der ja die Sendung der Kirche gilt. Theologisch brauchte er die Weihe nicht mehr zu erschließen, dazu war von seinen Vorgängern bereits alles gesagt. Doch auf der Ebene des Herzens versuchte er zu den gottfernen Menschen vorzudringen. Er bot gleichsam der „vom Bösen bedrängten“ und „von der Sünde verwundeten“ Menschheit seinen Samariterdienst an. Papst Franziskus geht es darum, der Welt die barmherzige Liebe des Vaters spüren zu lassen, Einladend spricht er in ihrem Namen zur Gottesmutter: „Wir lassen uns von deinem liebevollen Blick berühren und wir empfangen die tröstende Zärtlichkeit deines Lächelns.“ Den Sündern hält er nicht ihre Schuld vor. Vielmehr knüpft er an beim „Verlangen nach Gutem“, damit es sich weiterentwickle zu den göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, ja zu wahrer „Heiligkeit“. Und die ganze Kirche sollte ein ähnliches Mitgefühl für die bedürftige Welt entwickeln, wie es in seinen eigenen Worten zum Ausdruck kommt. So trägt er am Ende Maria die Bitte vor: „Lehre uns die besondere Liebe für die Kleinen und Armen, für die Ausgeschlossenen und die Leidenden, für die Sünder und die im Herzen Verwirrten: Sammle alle unter deinem Schutz und vertrau sie deinem geliebten Sohn an, unserm Herrn Jesus.“

Das „Jahr des Glaubens“

Papst Benedikt XVI. hatte das „Jahr des Glaubens“ aus Anlass des Beginns des II. Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren ausgerufen. Durch dieses Jahr sollte vor allem die authentische Lehre dieses Konzils wieder neu ins Bewusstsein der Gläubigen treten. Was uns die Konzilsdokumente wirklich sagen, ist nicht identisch mit dem in der nachkonziliaren Zeit von weiten Kreisen beschworenen „Geist des Konzils“, der zu einer liberalen Haltung in Fragen des Glaubens und der Moral geführt hat. Vielmehr drehen sich die wichtigsten Aussagen des Konzils um das neue Selbstverständnis der Kirche, das heißt, die Kirche ist sich ihrer Verantwortung für die ganze Menschheit neu bewusst geworden. Die Schlüsselstelle im ersten Kapitel des Dokuments über die Kirche mit dem Titel „Lumen Gentium“ – „Licht der Völker“ (LG) besagt, dass die Kirche in der Hand Gottes das Zeichen und Werkzeug für die Versöhnung der ganzen Menschheit mit Gott ist. Ob Menschen, die außerhalb der Kirche stehen, also nicht getauft sind und nicht an Jesus Christus glauben, gerettet werden können, beantwortet das Konzil nicht mit der Annahme eines „anonymen Christentums“. Vielmehr betont es, dass deren Heil von der Vermittlung durch die Gemeinschaft der Gläubigen in der Kirche abhängt. Ohne die Kirche könnte kein Mensch gerettet werden. Umso entscheidender ist das Streben der Getauften nach Vollkommenheit in der Nachfolge Christi. Nicht ein liberaler Geist ist der authentische Inhalt des Konzils, sondern im Gegenteil der Ruf nach Heiligkeit aller Gläubigen und zwar im Blick auf deren „universale Sendung“ (LG, Nr. 1). Diese Lehre des Konzils leuchtet auch in der Spiritualität der Marienweihe auf, wie sie sich von Papst Pius XII. bis hin zu Papst Franziskus entwickelt hat.

Benedikt XVI. über das Fegefeuer

Austausch mit den Seelen der Verstorbenen

Viele wagen es heute nicht mehr, vom Fegefeuer oder vom Gebet für die Armen Seelen im Reinigungsort zu sprechen. Papst Benedikt XVI. hat dazu eindeutig Stellung genommen und die kirchliche Lehre über dieses Thema auf dem Stand der heutigen Theologie vorgelegt. Der ganze letzte Teil der Enzyklika „Spe salvi“ über die christliche Hoffnung (Nr. 45-48), die er am 30. November 2007 veröffentlicht hat, ist dieser wichtigen Frage gewidmet. Darin geht Benedikt XVI. auch auf die klassische Stelle über das Fegefeuer im Korintherbrief des hl. Paulus ein (1 Kor 3,12-15), die nach der heute gültigen Leseordnung in der Liturgie leider nicht mehr vorkommt. Die Enzyklika verdient eine viel größere Beachtung, als sie ihr heute zuteil wird. Die nachfolgenden Worte können gerade in der Seelsorge eine große Hilfe sein und einen Leitfaden für die Begleitung Trauernder beim Abschied von ihren Lieben bilden.

Von Papst Benedikt XVI.

Zwischenzustand zwischen Tod und Auferstehung

Jesus hat uns zur Warnung im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31) das Bild einer von Übermut und Üppigkeit zerstörten Seele gezeigt, die selbst einen unüberbrückbaren Graben zwischen sich und dem Armen geschaffen hat: den Graben der Verschlossenheit in den materiellen Genuss hinein, den Graben der Vergessenheit des anderen, der Unfähigkeit zu lieben, die nun zum brennenden und nicht mehr zu heilenden Durst wird. Dabei müssen wir festhalten, dass Jesus in diesem Gleichnis nicht von dem endgültigen Geschick nach dem Weltgericht handelt, sondern eine Vorstellung aufnimmt, die sich unter anderem im frühen Judentum findet und einen Zwischenzustand zwischen Tod und Auferstehung meint, in dem das endgültige Urteil noch aussteht.

Diese frühjüdische Vorstellung vom Zwischenzustand schließt die Auffassung ein, dass die Seelen nicht einfach nur in einer vorläufigen Verwahrung weilen, sondern schon Strafe erfahren, wie es das Gleichnis vom reichen Prasser zeigt, oder aber auch schon vorläufige Formen der Seligkeit empfangen. Und endlich fehlt nicht der Gedanke, dass es in diesem Zustand auch Reinigungen und Heilungen geben kann, die die Seele reif machen für die Gemeinschaft mit Gott.

Die kirchliche Lehre vom Fegefeuer

Die frühe Kirche hat solche Vorstellungen aufgenommen, aus denen sich dann in der Kirche des Westens allmählich die Lehre vom Fegefeuer gebildet hat. Wir brauchen hier nicht auf die komplizierten historischen Wege dieser Entwicklung zu blicken; fragen wir einfach danach, worum es in der Sache geht. Die Lebensentscheidung des Menschen wird mit dem Tod endgültig – dieses sein Leben steht vor dem Richter. Sein Entscheid, der im Lauf des ganzen Lebens Gestalt gefunden hat, kann verschiedene Formen haben. Es kann Menschen geben, die in sich den Willen zur Wahrheit und die Bereitschaft zur Liebe völlig zerstört haben. Menschen, in denen alles Lüge geworden ist; Menschen, die dem Hass gelebt und die Liebe in sich zertreten haben. Dies ist ein furchtbarer Gedanke, aber manche Gestalten gerade unserer Geschichte lassen in erschreckender Weise solche Profile erkennen. Nichts mehr wäre zu heilen an solchen Menschen, die Zerstörung des Guten unwiderruflich: Das ist es, was mit dem Wort Hölle[1] bezeichnet wird. Auf der anderen Seite kann es ganz reine Menschen geben, die sich ganz von Gott haben durchdringen lassen und daher ganz für den Nächsten offen sind – Menschen, in denen die Gottesgemeinschaft jetzt schon all ihr Sein bestimmt und das Gehen zu Gott nur vollendet, was sie schon sind.[2] Aber weder das eine noch das andere ist nach unseren Erfahrungen der Normalfall menschlicher Existenz. Bei den allermeisten – so dürfen wir annehmen – bleibt ein letztes und innerstes Offenstehen für die Wahrheit, für die Liebe, für Gott im tiefsten ihres Wesens gegenwärtig. Aber es ist in den konkreten Lebensentscheidungen überdeckt von immer neuen Kompromissen mit dem Bösen – viel Schmutz verdeckt das Reine, nach dem doch der Durst geblieben ist und das doch auch immer wieder über allem Niedrigen hervortritt und in der Seele gegenwärtig bleibt. Was geschieht mit solchen Menschen, wenn sie vor den Richter hintreten? Ist all das Unsaubere, das sie in ihrem Leben angehäuft haben, plötzlich gleichgültig? Oder was sonst?

Die Vorstellung des hl. Paulus vom reinigenden Feuer

Der hl. Paulus gibt uns im 1. Korinther-Brief eine Vorstellung von der unterschiedlichen Weise, wie Gottes Gericht auf den Menschen je nach seiner Verfassung trifft. Er tut es in Bildern, die das Unanschaubare irgendwie ausdrücken wollen, ohne dass wir diese Bilder auf den Begriff bringen könnten – einfach weil wir in die Welt jenseits des Todes nicht hineinschauen können und von ihr keine Erfahrung haben. Zunächst sagt Paulus über die christliche Existenz, dass sie auf einen gemeinsamen Grund gebaut ist: Jesus Christus. Dieser Grund hält stand. Wenn wir auf diesem Grund stehen geblieben sind, auf ihm unser Leben gebaut haben, wissen wir, dass uns auch im Tod dieser Grund nicht mehr weggezogen werden kann. Dann fährt Paulus weiter: „Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (3,12-15). In diesem Text zeigt sich auf jeden Fall, dass die Rettung der Menschen verschiedene Formen haben kann; dass manches Aufgebaute niederbrennen kann; dass der zu Rettende selbst durch „Feuer“ hindurchgehen muss, um endgültig gottfähig zu werden, Platz nehmen zu können am Tisch des ewigen Hochzeitsmahls.

Die Dauer des Fegefeuers entzieht sich irdischen Zeitmaßen

Einige neuere Theologen sind der Meinung, dass das verbrennende und zugleich rettende Feuer Christus ist, der Richter und Retter. Das Begegnen mit ihm ist der entscheidende Akt des Gerichts. Vor seinem Anblick schmilzt alle Unwahrheit. Die Begegnung mit ihm ist es, die uns umbrennt und freibrennt zum Eigentlichen unserer selbst. Unsere Lebensbauten können sich dabei als leeres Stroh, als bloße Großtuerei erweisen und zusammenfallen. Aber in dem Schmerz dieser Begegnung, in der uns das Unreine und Kranke unseres Daseins offenbar wird, ist Rettung. Sein Blick, die Berührung seines Herzens heilt uns in einer gewiss schmerzlichen Verwandlung „wie durch Feuer hindurch“. Aber es ist ein seliger Schmerz, in dem die heilige Macht seiner Liebe uns brennend durchdringt, so dass wir endlich ganz wir selber und dadurch ganz Gottes werden. So wird auch das Ineinander von Gerechtigkeit und Gnade sichtbar: Unser Leben ist nicht gleichgültig, aber unser Schmutz befleckt uns nicht auf ewig, wenn wir wenigstens auf Christus, auf die Wahrheit und auf die Liebe hin ausgestreckt geblieben sind. Er ist im Leiden Christi letztlich schon verbrannt. Im Augenblick des Gerichts erfahren und empfangen wir dieses Übergewicht seiner Liebe über alles Böse in der Welt und in uns. Der Schmerz der Liebe wird unsere Rettung und unsere Freude. Es ist klar, dass wir die „Dauer“ dieses Umbrennens nicht mit Zeitmaßen unserer Weltzeit messen können. Der verwandelnde „Augenblick“ dieser Begegnung entzieht sich irdischen Zeitmaßen – ist Zeit des Herzens, Zeit des „Übergangs“ in die Gemeinschaft mit Gott im Leibe Christi.[3] Das Gericht Gottes ist Hoffnung, sowohl weil es Gerechtigkeit wiewohl weil es Gnade ist. Wäre es bloß Gnade, die alles Irdische vergleichgültigt, würde uns Gott die Frage nach der Gerechtigkeit schuldig bleiben – die für uns entscheidende Frage an die Geschichte und an Gott selbst. Wäre es bloße Gerechtigkeit, würde es für uns alle am Ende nur Furcht sein können. Die Menschwerdung Gottes in Christus hat beides – Gericht und Gnade – so ineinandergefügt, dass Gerechtigkeit hergestellt wird: Wir alle wirken unser Heil „mit Furcht und Zittern“ (Phil 2, 12). Dennoch lässt die Gnade uns alle hoffen und zuversichtlich auf den Richter zugehen, den wir als unseren „Advokaten“, parakletos, kennen (vgl. 1 Joh 2,1).

Gebet für die Verstorbenen ist beiderseitiges Geben und Nehmen

Noch ein Motiv muss hier Erwähnung finden, weil es für die Praxis christlichen Hoffens Bedeutung hat. Wiederum schon im Frühjudentum gibt es den Gedanken, dass man den Verstorbenen in ihrem Zwischenzustand durch Gebet zu Hilfe kommen kann (z.B. 2 Makk 12,38-45; 1. Jahrhundert v. Chr.). Die entsprechende Praxis ist ganz selbstverständlich von den Christen übernommen worden, und sie ist der Ost- und Westkirche gemeinsam. Der Osten kennt kein reinigendes und sühnendes Leiden der Seelen im „Jenseits“, wohl aber verschiedene Stufen der Seligkeit oder auch des Leidens im Zwischenzustand. Den Seelen der Verstorbenen kann aber durch Eucharistie, Gebet und Almosen „Erholung und Erfrischung“ geschenkt werden.

Dass Liebe ins Jenseits hinüberreichen kann, dass ein beiderseitiges Geben und Nehmen möglich ist, in dem wir einander über die Grenze des Todes hinweg zugetan bleiben, ist eine Grundüberzeugung der Christenheit durch alle Jahrhunderte hindurch gewesen und bleibt eine tröstliche Erfahrung auch heute. Wer empfände nicht das Bedürfnis, seinen ins Jenseits vorangegangenen Lieben ein Zeichen der Güte, der Dankbarkeit oder auch der Bitte um Vergebung zukommen zu lassen?

Nun könnte man weiterfragen: Wenn das „Fegefeuer“ einfach das Reingebranntwerden in der Begegnung mit dem richtenden und rettenden Herrn ist, wie kann dann ein Dritter einwirken, selbst wenn er dem anderen noch so nahesteht? Bei solchem Fragen sollten wir uns klarmachen, dass kein Mensch eine geschlossene Monade ist. Unsere Existenzen greifen ineinander, sind durch vielfältige Interaktionen miteinander verbunden. Keiner lebt allein. Keiner sündigt allein. Keiner wird allein gerettet. In mein Leben reicht immerfort das Leben anderer hinein: in dem, was ich denke, rede, tue, wirke. Und umgekehrt reicht mein Leben in dasjenige anderer hinein: im Bösen wie im Guten. So ist meine Bitte für den anderen nichts ihm Fremdes, nichts Äußerliches, auch nach dem Tode nicht. In der Verflochtenheit des Seins kann mein Dank an ihn, mein Gebet für ihn ein Stück seines Reinwerdens bedeuten. Und dabei brauchen wir nicht Weltzeit auf Gotteszeit umzurechnen: In der Gemeinschaft der Seelen wird die bloße Weltzeit überschritten.

An das Herz des anderen zu rühren, ist nie zu spät und nie vergebens. So wird ein wichtiges Element des christlichen Begriffs von Hoffnung nochmals deutlich. Unsere Hoffnung ist immer wesentlich auch Hoffnung für die anderen; nur so ist sie wirklich auch Hoffnung für mich selbst.[4] Als Christen sollten wir uns nie nur fragen: Wie kann ich mich selber retten? Sondern auch: Wie kann ich dienen, damit andere gerettet werden und dass anderen der Stern der Hoffnung aufgeht? Dann habe ich am meisten auch für meine eigene Rettung getan.


[1] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Nr. 1033-1037.
[2] Vgl. KKK, Nr. 1023-1029.
[3] Vgl. KKK, Nr. 1030-1032.
[4] Vgl. KKK, Nr. 1032.

Das geheimnisvolle „Wissen“ der hl. Katharina über das Fegefeuer

Die Liebe zu Gott wird selbst zur Flamme

Im Rahmen der Katechese bei der wöchentlichen Generalaudienz behandelte Papst Benedikt XVI. eine Reihe heiliger Frauen, unter ihnen die hl. Katharina von Genua (1447-1510), eine verheiratete Krankenpflegerin und Mystikerin. Im ersten Teil seiner Ansprache am 12. Januar 2011 ging er auf das außergewöhnliche Leben dieser Heiligen ein, im zweiten Teil auf ihre Einsichten in die Geheimnisse der unsichtbaren Welt, vor allem auf „ihre Gedanken über das Fegefeuer“. Papst Benedikt war es offensichtlich ein großes Anliegen, die vergessene Wahrheit über die „Armen Seelen“ im Fegefeuer wieder in Erinnerung zu bringen.

Von Papst Benedikt XVI. 

Katharinas Gedanken über das Fegefeuer, für die sie besonders bekannt ist, sind zusammengefasst in den letzten beiden Teilen des eingangs zitierten Buches: dem Traktat vom Fegefeuer und dem Dialog zwischen der Seele und dem Leib. Es muss erwähnt werden, dass Katharina in ihrer mystischen Erfahrung nie besondere Offenbarungen hat über das Fegefeuer oder über die Seelen, die dort geläutert werden. In den inspirierten Schriften unserer Heiligen ist es jedoch ein zentrales Element, und ihre Art, es zu beschreiben, hat für ihre Zeit originelle Wesensmerkmale. Der erste originelle Zug betrifft den „Ort“ der Läuterung der Seelen. In ihrer Zeit beschrieb man ihn in erster Linie mit Rückgriff auf Bilder, die an den Raum gebunden sind: Man dachte an einen bestimmten Raum, wo sich das Fegefeuer befände. Bei Katharina dagegen wird das Fegefeuer nicht als Element der unterirdischen Welt dargestellt. Es ist kein äußeres, sondern ein inneres Feuer. Das ist das Fegefeuer: ein inneres Feuer. Die Heilige spricht vom Weg der Läuterung der Seele auf die volle Gemeinschaft mit Gott hin, ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung des tiefen Schmerzes aufgrund der begangenen Sünden angesichts der unendlichen Liebe Gottes.[1] Wir haben vom Augenblick der Bekehrung gehört, wo Katharina plötzlich die Güte Gottes spürt, die unendliche Ferne des eigenen Lebens von dieser Güte und das brennende Feuer in ihrem Innern. Und das ist das läuternde Feuer, das innere Feuer des Fegefeuers. Auch hier befindet sich ein origineller Zug im Vergleich zum zeitgenössischen Denken. Denn es wird nicht mit dem Jenseits begonnen, um die Qualen des Fegefeuers zu beschreiben – wie es damals üblich war und vielleicht auch heute noch üblich ist –, um dann den Weg zur Läuterung oder Bekehrung aufzuzeigen, sondern unsere Heilige beginnt bei der eigenen inneren Erfahrung ihres Lebens auf dem Weg zur Ewigkeit. Die Seele – so Katharina – zeigt sich Gott noch gebunden an die Wünsche und die Qual, die aus der Sünde hervorgehen, und das macht es ihr unmöglich, die selige Gottesschau zu genießen. Katharina sagt, dass Gott so rein und heilig ist, dass die Seele, die mit den Makeln der Sünde behaftet ist, nicht in Gegenwart der göttlichen Majestät sein kann.[2] Und auch wir spüren, wie fern wir davon sind, wie sehr wir von so vielen Dingen erfüllt sind, dass wir Gott nicht sehen können.  Die Seele weiß um die unendliche Liebe und die vollkommene Gerechtigkeit Gottes, und daher leidet sie darunter, nicht richtig und vollkommen auf diese Liebe geantwortet zu haben. Und die Liebe zu Gott wird selbst zur Flamme, die Liebe selbst läutert die Seele von den Schlacken der Sünde.

In Katharina entdeckt man das Vorhandensein theologischer und mystischer Quellen, aus denen man zu ihrer Zeit gewöhnlich schöpfte. Insbesondere findet sich ein typisches Bild von Dionysios Areopagita: die goldene Schnur, die das menschliche Herz mit Gott verbindet. Wenn Gott den Menschen geläutert hat, dann bindet er ihn mit einer hauchdünnen goldenen Schnur, die seine Liebe ist, und zieht ihn zu sich mit so starker Liebe, dass der Mensch gleichsam „besiegt und überwunden und ganz außer sich“ ist. So dringt in das Herz des Menschen die Liebe Gottes ein, der zum einzigen Wegweiser, zum einzigen Beweggrund seiner Existenz wird.[3] Diese Situation des Aufstiegs zu Gott und der Hingabe an seinen Willen, die im Bild von der Schnur zum Ausdruck kommt, gebraucht Katharina, um das Wirken des göttlichen Lichts auf die Seelen im Fegefeuer zum Ausdruck zu bringen – ein Licht, das die Seelen reinigt und sie zum Glanz der gleißenden Strahlen Gottes erhebt.[4]

Die Heiligen erlangen in ihrer Erfahrung der Vereinigung mit Gott ein so tiefgehendes „Wissen“ um die göttlichen Geheimnisse, in dem Liebe und Erkenntnis einander durchdringen, dass sie auch den Theologen eine Hilfe sind in ihrem Bemühen um das Studium, um die „intelligentia fidei“, um die „intelligentia“ der Geheimnisse des Glaubens, um die wirkliche Vertiefung der Geheimnisse – zum Beispiel dessen, was das Fegefeuer ist. Mit ihrem Leben lehrt uns die hl. Katharina: Je mehr wir Gott lieben und in die Vertrautheit mit ihm im Gebet eintreten, desto mehr lässt er sich erkennen und entflammt unser Herz mit seiner Liebe. Indem sie über das Fegefeuer schreibt, ruft uns die Heilige eine grundlegende Glaubenswahrheit in Erinnerung, die für uns zur Einladung wird, für die Verstorbenen zu beten, damit sie zur beseligenden Gottesschau in der Gemeinschaft der Heiligen gelangen können.[5]


[1] vgl. Vita mirabile, 171v.
[2] vgl. Vita mirabile, 177r.
[3] vgl. Vita mirabile, 246rv.
[4] vgl. Vita mirabile, 179r.
[5] vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1032.

Flagge zeigen!

Der große Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative „One of us“ macht die Drahtzieher der „Kultur des Todes“ in den mächtigen EU-Kommissionen nervös. Um die Wirkung dieses Bürgerbegehrens noch im letzten Moment zu neutralisieren, sollte am 22. Oktober 2013 schnell eine Entschließung durch das EU-Parlament geboxt werden, welche die Abtreibung europaweit als Menschenrecht festschreiben würde. Dazu wurde die sozialistische Abgeordnete Estrela aus Portugal ins Rennen geschickt. Doch der Versuch scheiterte. Die Bundesvorsitzende der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), Mechthild Löhr, nimmt dazu Stellung.

Von Mechthild Löhr

Wichtiges Signal aus dem Europaparlament

Nach einer sehr lebhaften und kontroversen Plenarsitzung wurde der umstrittene, so genannte Estrela-Bericht zu „Sexuellen und reproduktiven Rechten und Gesundheit“ am 22. Oktober 2013 völlig überraschend und eindeutig seitens der Europa-Abgeordneten in den federführenden Frauen-Ausschuss zurückverwiesen. Die maßgebliche feministische Abgeordnete Estrela und ihre Mitstreiter zeigten sich von dieser unerwarteten Niederlage mehr als überrascht.

Gesundheit als „grundlegendes Menschenrecht“, wie der Entschließungsantrag formuliert, wird von niemandem in Frage gestellt. Hier geht es aber nicht um Gesundheit, sondern um ein „Recht auf Tötung ungeborener Kinder“. Mit der Entschließung sollte Abtreibung europaweit legalisiert werden. Unter dem irreführenden Begriff der sexuellen und reproduktiven Gesundheit wird schon seit langem versucht, Abtreibungen „durch die Hintertür“ zu legitimieren. Abtreibung aber ist kein Menschenrecht. Ein „Recht auf Abtreibung“ würde vielmehr in eklatanter Weise gegen nationales, europäisches und internationales Recht verstoßen. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sind dagegen authentische Menschenrechte.

Protest und Aufklärung lohnen sich

Familien- und Lebensschutzinitiativen in allen EU-Mitgliedsstaaten hatten massiv gegen die Berichtsvorlage protestiert. Unter anderem waren Vertreter der EU-Bürgerinitiative „On of us“ und Mitglieder der „Christdemokraten für das Leben“ am Tag der Abstimmung vor dem Parlament in Straßburg mit einer unüberhörbaren Demonstration aktiv. Sie klärten die ankommenden Abgeordneten über den wahren Hintergrund des Entschließungsantrags auf und verbreiteten mehrere Stunden lang über Megaphone die Informationen der Lebensrechtsbewegung. Die europaweiten, spontanen Proteste und die schnelle Aufklärung zeigen ihre erste Wirkung. Der Frauenausschuss muss sich nun erneut mit diesem Bericht beschäftigen, diesmal aber unter den wachen Augen einer kritisch gewordenen Öffentlichkeit.

Der Berichtsentwurf war zudem ein gezielter Versuch, den großen Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative „One of us“ zu neutralisieren. Vor dem Hintergrund, dass der Widerstand gegen Abtreibung in Europa und weltweit zugenommen hat und es nach wie vor Mitgliedstaaten gibt, in denen Abtreibung verboten ist (Irland, Malta und Polen), ergreift ausgerechnet das Europäische Parlament die Initiative, die Schutzpflicht der schwächsten Glieder der Gesellschaft durch ein so genanntes „Frauenrecht“ auf Abtreibung auszuhebeln.

Die Annahme eines neuen Berichts wird nun unwahrscheinlicher, da Ende Mai 2014 ein neues Parlament gewählt wird. Doch das ganze Procedere sowie der Inhalt des EU-Berichts zeigen, wie zielstrebig versucht wird, politischen Druck zur Anerkennung eines „Rechts auf Abtreibung“ aufzubauen. Darüber kritisch aufzuklären und dafür neue Sensibilität in die Öffentlichkeit und das Parlament zu tragen, war erstes gemeinsames Protestziel. In dieser Richtung müssen mehr und mehr alle in Europa zusammenarbeiten, denen der Schutz der Familie, der Kinder und der Ungeborenen besonders am Herzen liegt.

Wirken und Spiritualität des sel. Louis Brisson

Vertrauen in den Willen Gottes

Bekannt ist die Ordensgemeinschaft der „Oblaten des hl. Franz von Sales“ mit dem Kürzel OSFS, nicht zuletzt deshalb, weil auch Weihbischof Dr. Andreas Laun diesem Orden angehört. Weniger bekannt ist der Gründer dieses Ordens, der 2012 in der Kathedrale seiner Heimatdiözese Troyes seliggesprochen wurde. Es ist der französische Priester Louis Brisson (1817-1908), der in der Champagne ein großes soziales Engagement für die Arbeiter seiner Zeit und die Erziehung der Jugend in Schulen und Internaten entwickelt hat. Ein Mitglied seines Ordens stellt ihn und das entscheidende Merkmal seiner Spiritualität vor.

Von P. Herbert Winklehner OSFS

Als der selige Louis Brisson (1817-1908) am Ende seines Lebens auf sein Lebenswerk zurückschaute, musste er erkennen, dass das meiste davon zerstört war. Der französische Staat löste per Gesetz seine beiden Ordensgründungen – die Oblatinnen und die Oblaten des hl. Franz von Sales – auf und konfiszierte obendrein noch den gesamten Besitz. Seine Schulen, die er oft selbst geplant und errichtet hatte, seine Heime und Werkstätten standen plötzlich leer. Nichts konnte er mehr sein Eigen nennen, nicht einmal das Haus seiner Großeltern in seinem Heimatdorf Plancy in der französischen Champagne, in das er sich zurückgezogen hatte, um dort auf seinen Tod zu warten. War das der Wille Gottes?

Wenn es Gottes Wille ist, dann …

Ob sich Louis Brisson in seinen letzten Lebensjahren diese Frage stellte, ob er dabei mit Gott haderte oder nicht, wissen wir nicht mit Bestimmtheit. Während seines Lebens jedoch stand diese Frage nach dem Willen Gottes ganz zentral im Vordergrund, spätestens jedenfalls dann, als er der Oberin des Heimsuchungsklosters von Troyes, Marie de Sales Chappuis (1793-1875), begegnete und diese ihm geradeheraus verkündete, dass er von Gott dazu ausersehen sei, einen Männerorden im Geist des hl. Franz von Sales (1567-1622) zu gründen.

Louis Brisson wollte das zunächst auf keinen Fall glauben, was durchaus verständlich ist. Er forderte deshalb Beweise, und zwar ganz konkrete: Wenn es wirklich Gottes Wille ist, dann soll eine Spende in bestimmter Höhe im Opferkasten liegen … und so geschah es. Wenn es Gottes Wille ist, dass ich diesen Orden gründe, dann soll eine Schülerin während der Beichte spontan ein Zitat des hl. Thomas von Aquin aufsagen, das ich vorher aussuche … und so geschah es. Doch Louis Brisson war immer noch nicht überzeugt. Es bedurfte einer Erscheinung Jesu Christi selbst, damit er endlich einsah, dass die „Gute Mutter“, wie Marie de Sales Chappuis schon zu ihren Lebzeiten von allen genannt wurde, mit ihrer These Recht hat: Gott will, dass Louis Brisson zum Werkzeug der Gründung eines Männerordens werde. Louis Brisson fügte sich. 1872 gründete er die Oblaten des hl. Franz von Sales.

Die Zeichen der Zeit

Zuvor jedoch, mittlerweile sehr sensibel geworden für die Zeichen der Zeit, in denen sich Gottes Willen zu offenbaren pflegt, erkannte er die Notwendigkeit, für die jungen Arbeiterinnen, die im Zeitalter der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts vom Land zu den neuen Fabriken in die Stadt strömten, Heime zu gründen, damit diese eine solide Bleibe hatten. Diese Initiative seiner Jugendwerke erforderte aufgrund des großen Erfolges recht bald verlässliche Leiterinnen und Erzieherinnen, die sich um diese Werke dauerhaft kümmerten. So kam es 1866 zusammen mit der hl. Léonie Franziska Salesia Aviat (1844-1914) zur Gründung der Oblatinnen des hl. Franz von Sales.

Wie sehr Louis Brisson im Laufe dieser Jahre lernte, auf den Willen Gottes zu hören, zeigte sein Verhalten gegenüber einer Aufgabe, die ihm sein Bischof zuteilte, ohne ihn vorher zu fragen, ob er denn diese Aufgabe überhaupt übernehmen wolle. Eines Tages erhielt er einen Brief, in dem ihm dafür gedankt wurde, dass er bereit sei, die Leitung des neu gegründeten Franz von Sales-Vereins – eine Art Erwachsenenbildungswerk zur Erneuerung des Glaubens – in der Diözese Troyes zu übernehmen. Louis Brisson wusste bis dahin nichts von seinem Glück, er akzeptierte diese Aufgabe jedoch, weil er darin den Ausdruck des Willens Gottes erkannte.

Gelernt hat er diese Sensibilität dem Willen Gottes gegenüber durch seine fast täglichen Begegnungen mit der „Guten Mutter“, von der er überzeugt war, dass durch sie und ihre Meinungen der Wille Gottes zum Ausdruck gebracht wurde, nicht nur, weil er von ihr so vehement zur Gründung der Oblaten des hl. Franz von Sales gedrängt wurde, sondern vor allem, weil er in ihr eine zutiefst salesianische Frau erlebte, die gemäß den Ordensregeln der Heimsuchung Mariens ganz nach dem Geistlichen Direktorium des hl. Franz von Sales lebte. In dieser kurzen, aber inhaltsschweren Schrift legte Franz von Sales eine Wegweisung vor, wie man jeden Tag, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, in der Gegenwart Gottes leben kann. Wer sich nun praktisch rund um die Uhr bewusst ist, mit Gott zu leben, egal welcher Tätigkeit auch immer er nachgeht, der lernt mit der Zeit auch sensibel zu werden für das, was Gott will und nicht will.

Nicht verzweifeln, sondern vertrauen

Von der „Guten Mutter“ wurde dem Ordensgründer an deren Sterbebett auch vorausgesagt, dass seine Ordensgemeinschaften und seine Werke einer großen Verfolgung ausgesetzt sein werden. Er solle deshalb aber nicht verzweifeln, sondern darauf vertrauen, dass alles, was er aufgebaut hat, trotz allem Bestand haben werde, denn Gott selbst wird für deren Erhaltung sorgen.

Aus diesem Vertrauen heraus konnte Louis Brisson seinen Mitbrüdern, den Oblaten des hl. Franz von Sales, in einem Kapitelvortrag am 4. Februar 1891 mitteilen: „Wenn alles verloren scheint, wenn man das Unterste nach oben kehrt und jeder die Hoffnung schon aufgegeben hat, wird der Herr seine Macht und seinen Einfluss zeigen. Dann müsste es jedem klar werden, dass allein in seinen Händen die Entscheidung liegt und wir Menschen nichts vermögen.“

Als Louis Brisson am 2. Februar 1908 in seinem kurz zuvor versteigerten Haus seiner Großeltern starb, schien zumindest in Frankreich tatsächlich alles verloren zu sein. Dem Sterbenden blieb in dieser Situation allein das Vertrauen, dass Gott trotz allem seine Macht zeigen wird, weil die Menschen nichts mehr vermögen, und sein Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Trotz der staatlich verordneten Auflösung im Jahre 1903 gibt es die Oblatinnen und Oblaten des hl. Franz von Sales noch heute – weltweit und auch in Frankreich, inklusive des versteigerten großväterlichen Sterbehauses, das hundert Jahre nach Brissons Tod sogar im neuen Glanz erstrahlt. Ironie der Geschichte: Den Oblatinnen und Oblaten des hl. Franz von Sales war es während der Beerdigungsfeierlichkeiten ihres Ordensgründers verboten, als Priester oder Ordensschwestern in Erscheinung zu treten. Am Tag der Seligsprechung, am 22. September 2013, waren hunderte Oblatinnen und Oblaten aus aller Welt Ehrengäste der Stadtregierung von Troyes, für die sie ein Festbankett organisierten. Brissons Werke dürfen also immer noch darauf vertrauen, dass es Gottes Wille ist, dass sie existieren und weiterhin existieren werden.

Dein Wille geschehe

Was können wir von Louis Brisson und seinen Erfahrungen mit dem Willen Gottes lernen? Manchmal offenbart sich uns der Wille Gottes geradezu wie ein Paukenschlag oder Trommelwirbel, vor allem dann, wenn etwas geschieht oder geschehen soll, das wir nicht oder nicht auf diese Weise wollen. Dann wird das sonst so vertraute Vaterunser mit den Worten „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ zu einer echten Herausforderung, gerade dann, wenn mit diesem Willen Gottes auch noch das Kreuztragen verbunden ist. Wir können uns in solchen Situationen nicht nur der Fürsprache des seligen Louis Brisson, sondern vor allem der Solidarität Jesu sicher sein, der am Ölberg Blut schwitzte, bevor er sich zu den Worten durchrang: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39).

Louis Brisson war davon überzeugt, dass gerade dann, wenn alle Hoffnung verloren erscheint, Gott seine Macht zeigen wird. Der Kreuzestod Jesu ist das Ur-Beispiel dieser christlichen Zuversicht. Am Ende des Karfreitags steht nicht der Tod, sondern die Auferstehung am Ostermorgen. 

Viel öfter jedoch ist der Wille Gottes im alltäglichen Leben nur ganz leise wahrnehmbar und kaum zu erkennen. Es bedarf deshalb einer gewissen Hellhörigkeit und Sensibilität, um die Zeichen verstehen zu lernen, durch die uns Gott seinen Willen mitteilt, und es braucht die „Unterscheidung der Geister“, die uns helfen, aus all den uns umgebenden Klängen und Missklängen die Stimme Gottes und seinen Willen herauszuhören. Da tut ein geistlicher Begleiter oder eine geistliche Begleiterin wie die „Gute Mutter“ gut, mit der man sich immer wieder besprechen kann. Vor allem aber ist es notwendig, sich stets der Tatsache bewusst zu sein, dass wir immer in der Gegenwart Gottes leben, egal ob wir wachen oder schlafen. Gott ist da, wie die Luft, die wir atmen.

Der am 22. September 2012 selig gesprochene Louis Brisson (1817-1908) kann uns ein sehr guter Fürsprecher dafür sein, dass wir in unserem Leben nicht nur sensibel werden für den Willen Gottes, sondern diesen auch annehmen, wenn er ganz und gar unserem eigenen Willen widerspricht bzw. von uns verlangt wird, Wege zu gehen, die einem Kreuzweg gleichen.

Ein Wort Louis Brissons kann uns dabei unterstützen: „Das ist unsere Triebfeder. Bleiben wir jede Minute in der Hand Gottes; festigen wir uns in seinem hl. Willen; wollen wir nur, was Gott will!“

Ebenso hilfreich ist ein Gebet, das der hl. Franz von Sales einmal der hl. Johanna Franziska von Chantal (1572-1641) in einem Brief empfohlen hat: „Herr, wenn du es willst, will ich es auch … und wenn du es nicht willst, will ich es auch nicht.“

 

Das Brissonkreuz

Das sog. „Brissonkreuz“ erinnert daran, dass der sel. Louis Brisson nicht nur die beiden Ordensgemeinschaften der Oblatinnen und der Oblaten des hl. Franz von Sales gegründet hat, sondern auch als Erfinder einen Namen besitzt. Noch heute ist beispielsweise seine astronomische Uhr funktionstüchtig im Mutterhaus der Oblatinnen des hl. Franz von Sales in Troyes zu bewundern. Louis Brisson sagte einmal:

„Wisst ihr, warum ich diese Uhren mache? Weil sie ein Bildnis dessen wiedergeben, was Gott geschaffen hat. Je vollkommener das Uhrwerk, desto mehr ähnelt es der Schöpfung Gottes. Die Bewegungen der Erde und der Sterne bestimmen und begleiten unser Leben. Die Uhr tickt weiter, bis die Stunde angebrochen ist, in der wir diese Welt verlassen und in Gott aufgenommen werden, wo es keine Zeit mehr gibt. Ich arbeite gerne an einer solchen Uhr, für mich ist das entspannend und ich finde Gott darin wieder.“

Inspiriert von dieser Aussage wurde das oben abgebildete Kreuz gestaltet. Es will als Meditationsbild dienen: Alles in meinem Leben, ja selbst das kleinste Teilchen davon, ist eingebettet, umrahmt von Jesus Christus. Ich lebe in ihm, er lebt in mir. Miteinander sind wir unterwegs zum Ziel, das Christus uns verheißen hat: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Johannes 10,10).

Beuroner Pilgergruppe beim Partnerheiligtum auf Malta

Die Ikone unserer Lieben Frau von Mellieħa

Auf den Pilgerfahrten zu seinen Partnerheiligtümern entdeckt Pater Notker Hiegl OSB, der Gründer der Gebetsgemeinschaft „Maria – Mutter Europas“, immer wieder etwas Neues. Auf seiner jüngsten Fahrt nach Malta besuchte er zunächst das Partnerheiligtum in Mellieħa, dessen Altarraum nach einer Restaurierung in neuem Glanz erstrahlt. Die Begegnung mit dem Erzbischof von Malta führte zu einer Vertiefung und Bestätigung der Gebetsgemeinschaft.

Von P. Notker Hiegl OSB

Vom 6. bis zum 13. Oktober 2013, von Sonntag zu Sonntag, besuchte eine 23-köpfige Pilgerschar der Gebetsgemeinschaft „Maria Mutter Europas“ vom Gnadenweiler (Bärenthal/ Beuron und Umgebung) das Partnerschaftsheiligtum auf Malta, die Höhlenkirche in Mellieħa mit der Ikone unserer Lieben Frau unter dem zusätzlichen Titel „Maria Mutter Europas“.

Bereits mit Schreiben vom 8. November 2011 hatte uns Erzbischof Paul Cremona O.P. mitgeteilt, dass das älteste und bekannteste Marienheiligtum von Mellieħa als Partnerschafts­heiligtum zur Ehre von „Maria, der Mutter von Europa“ ausgewählt wurde.

Die Höhlenkirche der Gottesmutter in Mellieħa

Das Hügelstädtchen Mellieħa liegt über der gleichnamigen Bucht im Nordwesten von Malta. Es ist ein typischer Inselort mit seinen schneeweißen eng aneinander gebauten Häusern und gelbleuchtenden Naturstein-Fassaden, geschart um die prachtvolle Kirche auf der Hügelhöhe. Am Fuß der Pfarrkirche befindet sich seitlich die Wallfahrtshöhle mit dem Fresko der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Der Überlieferung nach wurde diese wirklich sehr alte Marienikone vom hl. Evangelisten Lukas gemalt. Pfarrer Joseph Caruana, ein Verwandter des vor wenigen Jahren verstorbenen Bischofs Charles Caruana aus Gibraltar, erlaubte uns vor dem Gnadenbild die hl. Messe zu feiern, genau an dem Altar, an welchem auch Papst Johannes Paul II. zelebriert hatte. Sein Wappen ist direkt vor dem Altar als Mosaik am Boden eingelegt. Zunächst überreichten wir dem Pfarrer die blaue Verbrüderungs-Gedenktafel, welche ihren Platz im rechten Seitenschiff an einem Pfeiler erhalten wird. Außerdem hatten wir eine Kerze mit dem Gnadenweiler Marienbildnis als Geschenk mitgebracht. Dabei erzählte uns der Geistliche von der Wallfahrt einer 92-köpfigen Pilgergruppe aus Russland, aus Beresniki, unter der Führung von Pfarrer Erich Maria Fink, die vor wenigen Monaten stattgefunden hatte.

Bei der liturgischen Feier ging ich auf die Gemälde im Chorraum des Marienheiligtums ein. Nach einer Restaurierung erstrahlen sie in neuem Glanz und ziehen die Blicke der Besucher auf sich. Die leuchtenden Fresken zeigen im Übergang zum Deckengemälde eine Vielzahl von Mitren, dicht aneinandergereiht. Dargestellt sind die Bischöfe bei der Kirchen­versammlung des Konzils von Ephesus (431 n. Chr.), welche Maria den Titel „Gottesmutter“ – „Gottesgebärerin“ zuerkannt hat. Die Betonung liegt darauf, dass Maria nicht nur einen Menschen, sondern Gott geboren hat. Jesus ist von Anfang an der ewige Sohn Gottes und nicht nur ein Mensch, in dem Gott auf besondere Weise Wohnung genommen hat. Es handelt sich also nicht nur um einen marianischen Titel, sondern um eine Jesus-Aussage. Als Dank für die gefundene Formulierung sollen die Bischöfe mit dem Schiff von Ephesus nach Malta gefahren sein, um hier am Lukas-Bild ihren Dank abzustatten.

Des Weiteren sind an den Wänden Bildnisse aus dem Marienleben zu sehen: die Verlobung Mariens mit Josef mit der Übergabe des Rings durch den Hohenpriester des Jerusalemer Tempels, die Begegnung Mariens mit ihrer Base Elisabeth, die Flucht nach Ägypten sowie die Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel, insgesamt ein vielfacher Lobpreis auf Maria. Mögen auch wissenschaftliche Untersuchungen das von Lukas gemalte Bildnis einer späteren Zeit zudatieren, Lukas malte dennoch mit seinem Evangelium das schönste Marienbild, das wir besitzen.

Audienz im Erzbischöflichen Palais von Valletta

Eigentlich war unsere Gruppe am Dienstag, den 8. Oktober, auf 11.30 Uhr in die Erzbischöfliche Kurie eingeladen. Der enorme Verkehr dieser fast überall zusammengebauten Stadtteile sowie der für uns unübersichtliche Links-Verkehr ließen uns verspäten. Erst um 12.45 Uhr trafen wir ein. Dennoch erschien Erzbischof Paul Cremona O.P. wenige Minuten nach unserer Ankunft strahlend bei unserer Gruppe im großzügigen, prunkvollen Foyer und begrüßte die Runde mit Handschlag und einer Ansprache. Er kannte alle Zusammenhänge der Bewegung „Maria – Mutter Europas“, erinnerte an meinen ersten Besuch bei ihm vor zwei Jahren. Vater Erzabt Tutilo aus Beuron hatte einen Empfehlungsbrief mitgegeben, in dem er zunächst die Gebetsgemeinschaft „Maria – Mutter Europas“ beschrieb und dann fortfuhr: „Ich freue mich, dass Sie sich bereit erklärt haben, auf Ihrer traditionsreichen Insel auch ein Marienheiligtum diesem Titel zu widmen. Beim letzten Besuch von Pater Notker bei Ihnen wurden bereits die Bande der Gebetsgemeinschaft mit Malta geknüpft. Umso mehr freut es ihn und uns, dass er nun bei der Übergabe dieses Heiligtums an die ,Mutter Europas‘ dabei sein kann. Der Segen Marias, der Mutter Europas, und des Völkerapostels Paulus begleite Ihr apostolisches Wirken. In Christo Ihr Tutilo, Erzabt.“ Als bleibendes Verbindungsandenken an diese Stunde überreichte ich dem Erzbischof einen frisch restaurierten Barockkelch gleichsam als „Europa-Kelch“ für Mellieħa. Ein Gruppenfoto mit dem Erzbischof auf der Vortreppe des Palais und sein Segen beendeten die Audienz.

Die St. Paul`s-Bay

Auf seiner Reise nach Rom im Jahre 60 n. Chr. erlitt der Völkerapostel Paulus vor Malta Schiffbruch, wie die Apostelgeschichte berichtet (Apg 27-28). Ausgrabungen brachten nebeneinander liegende Schachtgräber aus der Zeit zwischen 2700 und 1600 vor Christus im Jahre 1955 an den Tag. Auch heute noch wird vom maltesischen Archäologie-Amt in dieser Bucht kräftig geforscht. So las ich erst kürzlich, dass in der St. Pauls-Bay auf der dortigen Sandbank Anker aus der Zeit der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus aufgefunden worden sind, welche vom dramatischen Manöver des „Paulus-Schiffes“ her stammen könnten. Mit Professor Marius Reisser, Mainz, sprach ich erst vor wenigen Wochen über den Orkan, der „Euraklyon“ genannt wird. Dieser Seesturm, der auch an andern literarischen Stellen genannt wird, wurde von ihm als Beleg für die historische Echtheit dieses Itinerar-Berichts in der Apostelgeschichte angeführt. Unserer Pilgergruppe wurde die Andacht direkt am Meeresstrand, die Feuer-Kapelle im Hintergrund, zum tiefen Erlebnis. Ich las die beiden Kapitel 27 und 28 aus der Apostelgeschichte vor. Unsere Gruppe saß auf der Kai-Mauer und den dort aufgestellten Bänken. Wir beteten, sangen, dankten und ließen uns vom Zeugnis des Apostels begeistern. Wie Paulus selbst wollen wir heute „feurige Apostel“ für Jesus in unserer Umgebung sein und alles rein Weltliche nur als Unrat erkennen. In zehn verschiedenen Sprachen wird die Schiffbruch-Episode des hl. Paulus in der dortigen Kirche dem Beter vor Augen geführt. All die großartigen Schätze, die wir in dieser Woche neben diesen Höhepunkten erlebten, waren aber wirklich nur Beiwerk zur „Lukanischen Marien-Malerei“ in unserem Partnerheiligtum. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, bitte für Europa, dass es deinem Sohn Jesus Christus treu bleibt!

Professor Waldstein: Erinnerungen an ein bewegtes Leben

„Ein wogendes Flammenmeer“

Auf Wunsch von Josef Kardinal Ratzinger hat Professor Dr. Wolfgang Waldstein seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben, die kürzlich erschienen sind. Er wurde 1928 in Hangö in Finnland geboren und kam nach dem Ausbruch des sowjetisch-finnischen Krieges zusammen mit seiner Familie 1940 nach Salzburg. Ab 1964 lehrte er als außerordentlicher Professor Römisches Recht an der Universität Innsbruck und wurde 1965 als Professor für Römisches Recht an die Universität in Salzburg berufen. Von 1996 bis 1998 war er Ordinarius an der Zivilrechtlichen Fakultät der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom und von 1999 bis 2004 Mitglied des Consiglio direttivo der Päpstlichen Akademie für das Leben. Er ist international als Experte für das Naturrecht anerkannt. Nun führte Frau Gisela Geirhos, die in ihrem Verlag das Buch über sein Leben herausbrachte, mit ihm ein Interview für K-TV. Einige interessante Auszüge.

Wolfgang Waldstein im Gespräch mit Gisela Geirhos

Geirhos: Herr Professor Waldstein, Sie waren zeitlebens sehr gläubig. Wenn man Ihre Lebenserinnerungen liest, kann man bei Ihnen viele Fügungen feststellen, die Gottes liebender Fürsorge zuzuschreiben sind. Ihren Glaubensweg finde ich schon deshalb interessant, weil Ihre Eltern nicht beide katholisch waren. Gerade heute leben viele Kinder in einem Elternhaus, in dem die Eltern verschiedenen Glaubensbekenntnissen angehören und dies zu Problemen in der Entscheidung führt, in welchem Glauben die Kinder aufwachsen sollen. Weshalb hat sich dies bei Ihnen nicht negativ ausgewirkt?

Waldstein: Dies hat sicher den Hauptgrund darin, dass mein Vater die Familie hinter sich hatte, die immer katholisch war. Mein Großvater, der kaiserlicher Beamter war, musste unter dem Zaren nicht zur orthodoxen Kirche übertreten. Und für meinen Vater war es eben selbstverständlich, dass ich als Kind katholisch erzogen werde. Meine Mutter hat das auch respektiert, wobei sie selbst in erster Ehe mit einem Fürsten Paschkov verheiratet war, der dann von den Kommunisten erschossen wurde. Daher war sie schon mit der orthodoxen Kirche vertraut. Es war für sie dann kein Problem, dass ich und auch meine Schwestern katholisch erzogen werden.

Geirhos: Ihre Mutter war protestantisch...

Waldstein: … und sie ist erst in Salzburg zur katholischen Kirche konvertiert. Dies hat sie dann doch noch getan. Es war so: Als ich im Jahr 40 ins Realgymnasium kam, schon in die zweite Klasse, hatte ich einen Klassenkameraden, der für mein weiteres Leben ganz entscheidend war. Er hat mich sofort in seine Pfarre St. Elisabeth geführt, wo ich Ministrant und später auch Lektor geworden bin. Ich bin also ganz in katholischer Atmosphäre gestartet. Und deswegen hatte auch der Nationalsozialismus keinen Einfluss auf mich. Es war eine Jesuitenpfarre und die Jesuiten waren von den Nationalsozialisten als sehr unfähig erklärt worden, weil sie eben solche Ordensleute waren. Das war für sie damals sehr angenehm, denn sie mussten dann nicht an die Front. So war der katholische Glaube für mich immer tragend.

Geirhos: Sie beschreiben, dass Sie vor Ihrer Abreise aus Finnland ein ganz eindrucksvolles Nordlicht gesehen haben.

Waldstein: Ja.

Geirhos: Könnten Sie diesen Eindruck schildern und auch wie die Erwachsenen dieses Nordlicht gedeutet haben?

Waldstein: Ja, das war wirklich ein unglaubliches Erlebnis. Wie ich in meinem Buch geschrieben habe, war ich mit meinem Vater an diesem Abend ins Kino gegangen. Es dämmerte schon und ich dachte, wenn wir herauskommen, wird es Nacht sein. Aber es war taghell! Und der ganze Himmel, von Horizont zu Horizont, Ost-West und Nord-Süd, war ein einziges Flammenmeer, ein wogendes Flammenmeer. Es war wirklich unbeschreiblich – als ob Flammenwellen über den Himmel zogen. Wir wohnten in einem Häuserblock und zwischen den Häusern war ein ziemlich großer Platz frei. Alle Leute strömten aus diesen Häusern dort zusammen und waren einfach erschüttert von diesem Anblick: der ganze Himmel – es war kein Fleck, wo nicht Flammen gewesen wären. Und dann hörte ich die Leute sagen: „Das bedeutet Krieg!“ Auch mein Vater war dieser Meinung. Und tatsächlich stand ja der Krieg bevor, der auch gekommen ist. Aber es war wirklich ein unglaubliches Erlebnis, das man gar nicht beschreiben kann. Ich hatte so etwas vorher nie erlebt und seither auch nie wieder. Ich hatte nach diesem Erlebnis einen Traum, in dem ich sozusagen ein Feuermeer vom Norden her auf uns zukommen sah und wusste, wir müssen nach Süden ausweichen. Und das ist tatsächlich auch gekommen.

Geirhos: Nach Ihrer Ankunft in Salzburg erlebten Sie dort den Zweiten Weltkrieg, besonders die Bombenangriffe auf Salzburg. Sie schlossen sich mit Ihrer Familie jedoch sofort der Kirchengemeinde an, zu der Sie nach Ihrer Einquartierung gehörten und fanden dort auch Gleichgesinnte und Freunde. Wurde Ihre Familie durch die allgemein herrschende Begeisterung über das NS-Regime angesteckt oder wie erlebten Sie diese Zeit?

Waldstein: Wir sind zum Glück ziemlich rasch über die Realität des Nationalsozialismus informiert worden, besonders durch die Jesuiten unserer Pfarre. Und um Ihnen das noch deutlicher zu machen: Mein Vater ist einer Widerstandsgruppe beigetreten, was natürlich für die ganze Familie eine große Gefahr bedeutete. Denn wenn das aufgeflogen wäre, dann wäre wahrscheinlich – wie das so üblich war – Sippenhaft eingetreten und wir wären mit hineingezogen worden. Aber auch ich war in der katholischen Pfarre aktiv. Uns gegenüber war der Pfarrhof, direkt neben der Kirche. Und der Pfarrhof war von der SS besetzt, die durchs Fenster alle Leute kontrollieren konnte, die ein- und ausgegangen sind. Ich wundere mich darüber, dass ich da in all den Jahren so durchgekommen bin. Es ist mir, Gott sei Dank, nie etwas geschehen.

Geirhos: Sie lernten Ihre Frau Marie Theresa Froelicher, genannt Esi, im Jahr 1949 durch eine Fügung kennen. 1952 heirateten Sie in den USA, da Ihre Frau aus Amerika stammte. Heute können Sie auf 61 glückliche Ehejahre zurückschauen, in denen Ihre Kinder nie einen Streit miterlebt haben. Bei Ihrer Goldenen Hochzeit hat ein Sohn bei seiner Rede sich auch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass Sie Ihre Ehe nach Humanae vitae gelebt haben. Heute gibt es ja so viele Scheidungen und zerbrochene Familien. Worauf führen Sie Ihr Glück einer solchen Ehe zurück?

Waldstein: Das tragende Element war die tiefe Einheit im Glauben. Auch meine Frau wird das bestätigen. Und diese tiefe Einheit im Glauben hatte sich schon vorher insofern abgezeichnet, als wir beide unabhängig voneinander – meine Frau in den USA und ich in Salzburg – einer Gemeinschaft angehörten, die ungefähr zur gleichen Zeit wie das Opus Dei gegründet worden war. Sie hatte das Ziel, ihren Mitgliedern zur Erfüllung des Gebotes, zur eigenen Heiligung zu helfen. So standen wir auf der gemeinsamen Basis dieser Gemeinschaft. Und das bedeutete natürlich eine große Hilfe. Ich meine, das Risiko einer Scheidung war praktisch eliminiert.

Geirhos: In Rom, als Sie es trotz mangelnder Italienischkenntnisse meisterten, Vorlesungen zu geben und auch ein Seminar zu halten, bei dem sogar Studenten von weither anreisten, trafen Sie auch Kardinal Ratzinger und luden ihn zu sich ein. Möchten Sie uns von Ihrer Zeit in Rom und von diesem Treffen mit Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., etwas erzählen?

Waldstein: Nun, ich muss vorausschicken, dass ich mit Kardinal Ratzinger bereits Kontakt hatte, als er noch nicht Kardinal und auch noch nicht Erzbischof von München war. Und zwar war er damals noch Professor in Regensburg. Es war so, dass ich mich heftigen Angriffen seitens des Salzburger Ordinariats ausgesetzt sah, weil ich mich für die Weitergeltung der alten Liturgie einsetzte. Im Dezember 1976 schrieb ich an Professor Ratzinger und fragte ihn, was er dazu sagt, ob ich da wirklich ganz falsch liege und ob das illegitim ist, dass ich mich dafür einsetze. Der damalige Professor Ratzinger antwortete mir postwendend. Er hat einen wirklich sehr, sehr schönen Brief geschrieben – am 14. Dezember 76. Er schrieb, dass dieses Verbot der alten Liturgie völlig gegen die ganze Tradition der Kirche ist und dass man sich sehr wohl dafür einsetzen darf, dass dieses Verbot aufgehoben wird – vorausgesetzt, dass man sozusagen nicht eine Lefebvrianische Position bezieht, sondern sich einfach nur auf das Recht der Kirche beruft. Denn die alte Liturgie war ja in der Kirche über Jahrhunderte gültig. Und dass sie nun plötzlich verboten wird, hat Professor Ratzinger selbst als außerordentlich unglücklich bezeichnet.

Ich hatte also mit ihm schon lange vorher Kontakt und durfte ihn mehrmals als Kardinal in der Kongregation besuchen. Wir hatten uns mit kirchlichen Fragen beschäftigt. Und als ich dann diese zwei Jahre in Rom war – wir hatten dort eine kleine Wohnung –, habe ich bei einem meiner Besuche Kardinal Ratzinger gefragt, ob er sich vorstellen könnte, uns einmal zum Abendessen zu besuchen. Zu meinem großen Erstaunen hat er freudig zugesagt. Als ich es dann meiner Frau sagte, war sie zunächst höchst erschrocken: Kardinal Ratzinger kommt! Bei diesem Abendessen nun erzählte ich etwas von meinen Erinnerungen an Finnland. Es kann gar nicht so sehr viel gewesen sein, aber es hatte offenbar auf ihn doch einen solchen Eindruck gemacht, dass er sich das jahrelang gemerkt hatte. Er verbrachte ja öfter seinen Urlaub in Brixen direkt neben dem Dom. Und unser Schwiegersohn ist noch und war damals Domorganist in Brixen. Eines Tages traf er Kardinal Ratzinger im Kreuzgang des Domes. Weil er wusste, dass er Domorganist ist, kamen die beiden ins Gespräch. Dabei ist herausgekommen, dass ich sein Schwiegervater bin. Und dann sagt doch Kardinal Ratzinger zu unserem Schwiegersohn: „Sorgen Sie dafür, dass Ihr Schwiegervater seine Erinnerungen an Finnland niederschreibt!“ Das hat uns der Schwiegersohn natürlich sofort weitergegeben und dazugesagt, er habe den Wunsch, dass ich jeden Tag, den ich in seinem Haus verbringe – wir durften nämlich in seinem Haus in Wengen in Südtirol immer kostenlos Urlaub machen –, fünf Minuten an meinen Erinnerungen schreibe. Das war also jetzt eine Bedingung unseres Schwiegersohns für das Wohnen in seinem Haus. Und so kam es, dass ich tatsächlich begonnen habe, dies niederzuschreiben. Als ich die Erinnerungen an Finnland einigermaßen fertig hatte, machte ich weiter. Und so ist allmählich das entstanden, was jetzt vorliegt.

 

Wolfgang Waldstein: Mein Leben – Erinnerungen. Gebunden, 240 Seiten. ISBN 978-3-9815943-4-8. Bestellen unter Telefon 07303-9523310, Fax: 07303-9523315 oder via E-Mail an: buch@media-maria.de – Internet:  www.media-maria.de

Erschöpfung und Burnout – ein falscher Lebensstil bedroht die Gesundheit

Mit Freiraum zur Ruhe kommen

Erst seit 40 Jahren wird Burnout, der Zustand des „Ausgebranntseins“, in der Fachwelt als Erkrankung wahrgenommen und systematisch untersucht. Bislang ist das Syndrom wissenschaftlich nicht als Krankheit anerkannt, sondern gilt als Problem der Lebensbewältigung. Inzwischen aber nimmt es solche Ausmaße an, dass sogar von einer immensen volkswirtschaftlichen Belastung die Rede ist, ganz zu schweigen vom Schicksal der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Die Psychotherapeutin Dr. Elisabeth Lukas, welche die Logotherapie von Viktor Frankl vertritt, bestätigt den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Sinnfrage. Auch gläubige Menschen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sind vermehrt von dieser ernsthaften Art der völligen Erschöpfung betroffen. Die Ratschläge von Dr. Lukas können gerade religiös ausgerichteten Menschen und Seelsorgern eine wertvolle Orientierung bieten.

Elisabeth Lukas im Gespräch mit Michael Ragg

Kirche heute: Das Burnout-Syndrom ist zu einer Volkskrankheit geworden und nimmt beängstigende Ausmaße an. Es gilt als körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher oder anderer Überlastung bei der Lebensbewältigung. Viele Menschen leiden im Beruf unter Arbeitsbedingungen, die sie nicht ändern, aber auch nicht verlassen können. Was raten Sie ihnen?

Elisabeth Lukas: Ich weiß, es gibt Sachzwänge und scheinbar ausweglose Situationen. Aber auch dort gilt: Wir selber sollten unser Auftraggeber sein. Wir sollten uns nicht zu viel fremdbestimmen lassen. Wir sollten uns besinnen: Was ist jetzt das, was von mir verlangt ist, von höherer Warte aus verlangt ist? Wir können das erspüren, wir haben eine innere Stimme, ein Gewissen, das uns sagt, was uns abverlangt wird. Und das machen wir dann in Ruhe und gut und gerne. Das ist natürlich nicht immer leicht. Es gibt sehr missliche Arbeiten. Dennoch, wenn wir überzeugt sind, diese Arbeit sollte jetzt getan werden, dann können wir ihr unser Ja geben. Und dann tun wir sie so gut es geht. Dann werden wir in einer Art Stabilität bleiben, auch wenn uns viel abverlangt ist.

Kirche heute: Warum entwickelt der eine Burnout-Symptome, ein anderer aber nicht, obwohl er unter derselben Arbeitsbelastung leidet?

Elisabeth Lukas: Es gibt Schicksalsschläge, Verluste, ernste Leidenszustände und Krankheiten, die es Menschen schwer machen, das Leben zu meistern. Aber es gibt auch das selbstgestrickte Leid, selbst verursachten Stress. Das unnötige Leid macht einen fix und fertig. Denn die innere Stimme sagt immer: Nein, das ist nicht richtig und das ist nicht notwendig. Man arbeitet immer gegen etwas in sich selbst. Man lebt falsch. Es ist ein falscher Lebensstil.

Kirche heute: Inwiefern?

Elisabeth Lukas: Ich glaube, dass wir zu viel vom Habenwollen bestimmt sind. Die Menschen halsen sich viel auf. Sie wollen so viel haben, große Häuser, große Wohnungen, große Reisen. Das muss dann alles abgezahlt werden. Dann haben sie Schulden und die Schulden würgen einem den Hals. 

Manche kommen von einer Reise und bringen achthundert Fotos zurück. Sie sollen aussortiert, in Alben eingeklebt, beschriftet werden. Aber das kostet ja alles viel Zeit. Wenn sie stattdessen nur acht Fotos mitbrächten, würden sie sich diese nach drei, vier Jahren immer noch anschauen und sagen: War das eine schöne Reise! Wir haben ein Zuviel von Vielem und das alles frisst Zeit und bringt Strapazen mit sich. Ich glaube, wir müssen zu einem bescheideneren und einfacheren Leben zurückkehren. 

Kirche heute: Oft kann man lesen, dass Menschen in helfenden Berufen besonders von Burnout betroffen seien, also etwa Seelsorger, Sozialarbeiter oder Krankenschwestern. Sie üben ja Tätigkeiten aus, die als besonders sinnvoll gelten. Was macht sie dennoch anfällig für Erschöpfungszustände?

Elisabeth Lukas: Ich habe Hochachtung vor allen Menschen, die in helfenden und pflegerischen Berufen oder Lehrberufen tätig sind. Sie leisten Großartiges. Sie sind zum größten Teil Idealisten. Meistens finden sie in der Gesellschaft viel zu wenig Anerkennung und sind unterbezahlt. Es ist auch keineswegs so, dass die alle an Burnout leiden. Viele leisten ihre Arbeit Tag für Tag erstaunlich stabil und erstaunlich gut.

Für Menschen in helfenden Berufen ist wichtig, dass ein Opfer, das man bringt, sinnvoll sein muss. Ein sinnvolles Opfer baut immer auf und nicht ab. Es gibt nämlich auch ein sinnwidriges Opfer. Es ist zum Beispiel in den pflegerischen Berufen nicht immer wirklich gut, jemandem, den man pflegt, alles abzunehmen. Vielleicht kann der Betreffende noch etwas selbst machen und verlernt es, wenn man ihm alles abnimmt.

Wenn jemand sehr hilfsbereit ist, voller Nächstenliebe, wird er von den Mitmenschen leicht ausgenützt. Auch da muss er einmal einen Schlussstrich ziehen können und sagen: Nein, ausnützen lasse ich mich nicht! Da tue ich mir nichts Gutes und dem anderen auch nicht, denn der bleibt dann in der Gewohnheit, Leute auszunutzen. Also: Manchmal ist ein Nein sinnvoll und manchmal ein Ja. Das zu unterscheiden ist wichtig. Der Wächter der Gesundheit und der Stabilität ist der Sinn.

Kirche heute: Wie wichtig ist es, dass Lehrerinnen, Pfleger oder andere berufsmäßige Helfer über die Entlohnung hinaus Anerkennung für ihre Arbeit finden? 

Elisabeth Lukas: Es ist ja verständlich, dass man doch ein wenig Dank oder Lob haben möchte, wenn man sich so für einen anderen engagiert. Man soll sich aber nicht abhängig machen von der Anerkennung, vom „Feedback“. Studien zeigen, dass diese Feedback-Abhängigkeit einen Menschen sehr schnell ausbrennen lässt. 

Kirche heute: Das wird vor allem Lehrer interessieren, die heute viel darüber klagen, dass sie die Schüler nicht mehr erreichen, so sehr sie sich auch bemühen, den Stoff interessant zu präsentieren.

Elisabeth Lukas: Dann kommen vielleicht auch noch die Eltern und beklagen sich und dann fragt man sich: Wofür habe ich das alles gemacht? Ja, wofür? Für die Schüler! Und die Schüler sind es wert. Sie sind es wert, dass man sich gut vorbereitet hat. Was sie daraus machen, ist ihre Sache. Man muss in den helfenden, pflegenden und Lehrberufen die Verantwortung auch bei denen lassen, die man betreut. Wir haben nur eine Verantwortung für das, was wir bieten. Was der Gepflegte daraus macht, ob er herumnörgelt oder dankbar ist, ist seine Sache. Die Schüler und andere uns anvertraute Menschen sind es wert, dass wir unser Bestes geben. Und da machen wir einen Punkt. Wenn wir Anerkennung brauchen, dann geben wir sie uns selbst. Dann gehen wir nach Hause und sagen: Das habe ich heute gut gemacht! 

Kirche heute: Gerade im Beruf aber, so ist heute oft zu hören, sind vielerorts die Zeiten rauer, ist der Druck größer geworden. Mobbing kann eine Situation aussichtslos erscheinen lassen, am schlimmsten, wenn es vom Chef ausgeht. Kann man dennoch Burnout vermeiden?

Elisabeth Lukas: Ich weiß, es gibt Situationen, die kaum zu bewältigen sind. Dennoch würde ich raten: Bleiben Sie Sie selbst und sich selbst treu. Es gibt immer noch einen kleinen Freiraum, einen kleinen Spielraum für Alternativen. Vielleicht kann man mit dem Chef oder den Kollegen noch ein bisschen anders umgehen, ein bisschen anders oder überhaupt mit ihnen sprechen – vielleicht. Und wenn gar nichts hilft: Haben Sie keine Angst. Die Angst sollte nicht der Motor unseres Handelns sein. Die Angst führt uns oft in Irrwege. Immer sollte es ein positives Motiv haben, wenn man im Job aushält, obwohl die Bedingungen unwürdig sind. Dann müsste man überlegen und sagen: Vielleicht gehe ich doch einmal weg. Wenn das nicht würdig zu schaffen ist, werde ich den Beruf wechseln. Dann werde ich vielleicht eine Weiterbildung machen und mich vorbereiten, damit ich irgendwo doch eine andere Arbeit finden kann, eine bessere. Ich werde die Fühler ausstrecken. Ich werde versuchen, eine Alternative zu finden. Man ist nie einem Schicksal ganz so ausgeliefert, wie man glaubt.

Kirche heute: Wenn aber alles zu spät ist, der ausgebrannte Mensch kaum noch die Kraft zum Aufstehen findet, durch nichts mehr zu motivieren ist, den verbliebenen Freiraum nicht mehr fühlt – was dann?

Elisabeth Lukas: Schön dass Sie sagen, er fühlt die innere Freiheit nicht. Denn er hat sie ein Stück weit immer noch. Und das soll ihm bewusst gemacht werden. Allerdings, wenn man schon sehr schlecht beisammen ist, dann hilft eigentlich nur eine radikale Veränderung des Lebensstils. Dann muss man zu Basiselementen zurückkehren, die das Leben gut sein lassen.

Also: Er sollte schon morgens aufstehen, aber er sollte abends früh schlafen gehen, ohne sich vom Fernsehen zu lange in Scheinwelten festhalten zu lassen, denn wir müssen in einem solchen Fall das bearbeiten, was uns in der realen Welt fordert. Ob er wirklich schlafen kann, ist unerheblich, aber verboten ist das Grübeln über irgendwelche Probleme der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft. Die Probleme werden in eine Kiste gesperrt und kommen in einen Keller, dort müssen sie warten bis morgen. Morgen dürfen sie wieder raus, morgens hat man mehr Kraft, um sie zu bewältigen.

In der Frühe sollte man rausgehen und sich einfach ordentlich bewegen. Sport ist gut, schwimmen, Rad fahren, spazieren gehen. Bewegung bringt den Menschen in Schwung. Körperliche Bewegung hat sehr viel auch mit geistiger Bewegung zu tun. Bewegung reißt den Menschen immer irgendwie aus Trägheit, Kümmernissen und Depressionen heraus, sie bringt eine frische Brise ins Leben. Also: viel Bewegung, viel in die Stille gehen, ruhig werden, sich besinnen auf das Wesentliche. Wenig Essen, wenig Geld ausgeben, wenig einkaufen. Auf diese Weise einmal vierzehn Tage leben, das kann einen neuen Menschen aus uns machen. Aber es fordert einen Verzicht – Verzicht auf viele Gewohnheiten. Man muss den Lebensrhythmus umstellen, um zur Ruhe zu kommen. Fast wie ein Eremit, fast wie die Wüstenväter muss man gleichsam in die Wüste gehen. Das ist sehr heilsam.

 

Eine Übersicht über die Publikationen der großen Psychologin sowie Radio- und Fernsehaufnahmen zum Sehen und Hören gibt es unter www.elisabeth-lukas-archiv.de. Das komplette Interview, von dem Sie hier einen Auszug lesen konnten, können Sie auf DVD oder CD bestellen beim Verlag Auditorium-Netzwerk, www.auditorium-netzwerk.de.

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