Geleitwort von Papst Franziskus zum Buch von Kardinal Müller
Selig die Armen!
Seit dem Beginn seines Pontifikats bringt Papst Franziskus immer wieder zum Ausdruck, dass er sich eine „arme Kirche für die Armen“ wünscht. Was aber heißt das? Einerseits setzt er deutliche Zeichen durch die Bescheidenheit in seinem persönlichen Lebensstil. Andererseits hält er beispielsweise an der Vatikan-Bank als einer hilfreichen Einrichtung für die Kirche fest. Nun hat Franziskus die Veröffentlichung eines Buches von Gerhard Ludwig Kardinal Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation, zum Anlass genommen, in einem Geleitwort genauer zu erklären, worum es ihm bei der von ihm eingeforderten Armut geht. Müller hatte sich von 1988 bis 2002 jeden Sommer mehrere Wochen in verschiedenen südamerikanischen Ländern seelsorgerisch engagiert und sich die „Option für die Armen“ der dortigen Befreiungstheologen zu eigen gemacht. Sein Buch trägt den Titel „Armut – Die Herausforderung für den Glauben“.
Von Papst Franziskus
Macht der Besitzenden gegenüber den Armen
Wer von uns spürt nicht ein Unbehagen, wenn er auch nur mit dem Wort „Armut“ konfrontiert wird? Es gibt viele Formen von Armut: materielle, wirtschaftliche, geistliche, soziale oder moralische Armut. Der Westen setzt Armut vor allem mit dem Fehlen wirtschaftlicher Macht gleich und wertet diesen „Status“ negativ. Die westlichen Regierungen gründen sich nämlich ganz wesentlich auf die enorme Macht, die das Geld heute gewonnen hat: eine Macht, die anscheinend jeder anderen überlegen ist. Darum bedeutet das Fehlen wirtschaftlicher Macht Bedeutungslosigkeit auf politischer, gesellschaftlicher und sogar menschlicher Ebene. Wer kein Geld besitzt, wird nur danach eingeschätzt, wieweit er zu anderen Zwecken dienen kann. Es gibt viele Arten von Armut, den größten Abscheu erregt aber die wirtschaftliche Armut.
Geld kann das Vermögen der Freiheit erweitern
Darin liegt eine tiefe Wahrheit. Das Geld ist ein Mittel, das in gewisser Weise – wie das Eigentum – das Vermögen der menschlichen Freiheit erweitert und steigert, insofern es sie in die Lage versetzt, zu wirken, zu handeln und zu Ergebnissen zu kommen. Für sich genommen ist es ein gutes Mittel, wie fast alle Dinge, über die der Mensch verfügt. Es ist ein Mittel, das unsere Möglichkeiten erweitert. Allerdings kann dieses Mittel sich gegen den Menschen wenden. Geld und wirtschaftliche Macht können nämlich auch ein Mittel sein, das den Menschen vom Menschen entfernt und ihn auf einen egozentrischen und egoistischen Horizont begrenzt.
„Mammon“ – Güter, die man für sich allein behält
Das aramäische Wort, das Jesus im Evangelium verwendet – mammona, d.h. verborgener Schatz (vgl. Mt 6,24; Lk 16,13) –, lässt das verstehen: Wenn die wirtschaftliche Macht ein Mittel ist, das Schätze produziert, die man für sich allein behält und vor den anderen verbirgt, dann produziert sie Ungleichheit und verliert ihren ursprünglichen positiven Wert. Auch der griechische Begriff harpagmos, den der hl. Paulus im Brief an die Philipper (vgl. Phil 2,6) verwendet, verweist zurück auf ein Gut, das eifersüchtig für sich behalten wird, oder direkt auf die Beute, die man durch Beraubung der anderen gemacht hat. Das geschieht, wenn Güter von Menschen eingesetzt werden, die Solidarität nur mit dem eigenen Bekanntenkreis – wie klein oder groß der auch sein mag – kennen, oder wenn es sich darum handelt, Solidarität einzufordern, aber nicht sie anzubieten. Das geschieht, wenn der Mensch, der die Hoffnung auf einen transzendenten Horizont verloren hat, auch den Geschmack an der Unentgeltlichkeit verloren hat, den Geschmack, das Gute zu tun, weil einfach Schönheit darin liegt, es zu tun (vgl. Lk 6,33 ff.).
Egoismus des Menschen wendet sich gegen ihn selbst
Wenn der Mensch hingegen gelernt hat, die fundamentale Solidarität zu üben, die ihn mit allen anderen Menschen verbindet – daran erinnert uns die Soziallehre der Kirche –, dann weiß er, dass er die Güter, über die er verfügt, nicht für sich behalten kann. Wenn er habituell solidarisch lebt, weiß der Mensch, dass das, was er anderen verweigert und für sich behält, früher oder später sich gegen ihn selbst wendet. Im Grunde deutet Jesus das im Evangelium an, wenn er auf den Rost oder auf die Motte anspielt, die die egoistisch festgehaltenen Reichtümer zerfressen (vgl. Mt 6,19-20; Lk 12,33).
Originäre Einheit von Gewinn und Solidarität
Wenn hingegen die Güter, über die man verfügt, nicht nur für die eigenen Bedürfnisse verwendet werden, verbreiten sie sich, vervielfachen sie sich und tragen oft unerwartete Frucht. Tatsächlich gibt es eine originäre Verbindung zwischen Gewinn und Solidarität, einen fruchtbaren Kreislauf zwischen Gewinn und Gabe, den die Sünde zu sprengen und zu verdunkeln sucht. Es ist Aufgabe der Christen, diese wertvolle und originäre Einheit von Gewinn und Solidarität wiederzugewinnen, zu leben und allen zu verkünden. Wie sehr bedarf die gegenwärtige Welt der Wiederentdeckung dieser schönen Wahrheit! Je mehr damit zu rechnen sich durchsetzt, desto mehr wird auch die wirtschaftliche Armut sich verringern, die uns so sehr plagt.
„Geschöpf“ sein heißt „bedürftig“ sein
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es nicht nur die an die Wirtschaft gebundene Armut gibt. Jesus selbst erinnert uns daran, wenn er uns belehrt, dass unser Leben nicht nur von „unseren Gütern“ abhängt (vgl. Lk 12,15). Ursprünglich ist der Mensch arm, er ist bedürftig und notleidend. Wenn wir geboren werden, bedürfen wir, um zu leben, der Fürsorge unserer Eltern, und so wird jeder von uns sich in keiner Lebensphase völlig von der Bedürftigkeit und der Hilfe der anderen frei machen können, wird keiner es schaffen, von sich aus die Grenzen der Ohnmacht gegenüber jemandem oder irgendetwas zu überwinden. Auch das ist eine Voraussetzung, die unser „Geschöpf-Sein“ bestimmt: Wir sind nicht von uns selbst geschaffen, und wir können nicht allein uns alles das geben, dessen wir bedürfen.
Wir sind von Natur aus an andere gebunden
Die aufrichtige Erkenntnis dieser Wahrheit lädt uns ein, demütig zu bleiben und mutig die Solidarität als eine für das Leben unerlässliche Tugend zu üben. Wir können das als eine Schwächung des Lebens erfahren oder als eine Möglichkeit, als eine Ressource, um einer Welt Rechnung zu tragen, in der keiner ohne den anderen auskommen kann, in der wir alle für alle nützlich und wertvoll sind, jeder auf seine Weise. Wir müssen das herausfinden, was uns zu einer verantwortlichen und verantwortungsbewussten Praxis anspornt, im Blick auf ein Gut, das nun wirklich untrennbar individuell und gemeinschaftlich ist. Offensichtlich kann diese Praxis nur aus einer neuen Mentalität erwachsen, aus der Bekehrung zu einer neuen Weise, einander anzublicken. Nur wenn der Mensch sich nicht als eine für sich existierende Welt begreift, sondern als einen, der durch seine Natur an alle anderen gebunden ist, die ursprünglich als „Brüder“ erfahren wurden, ist soziale Praxis möglich, in der das Gemeinwohl nicht ein leeres und abstraktes Wort bleibt!
Kreatürliche Armut lässt sich beschenken
Wenn der Mensch sich so versteht und sich angewöhnt, so zu leben, wird die ursprüngliche kreatürliche Armut nicht länger als ein „Handikap“ empfunden, sondern als eine Ressource, in der das, was jeden bereichert und frei geschenkt wird, ein Gut ist und eine Gabe, die dann zugunsten aller zurückfällt. Das ist das positive Licht, mit dem auf die Armut zu blicken auch das Evangelium uns einlädt. Und dieses Licht hilft uns dann zu verstehen, warum Jesus diesen Zustand in eine wahre „Seligkeit“ verwandelt: „Selig ihr Armen!“ (Lk 6,20). Also, wenn wir alles tun, was in unserer Macht steht, und jede Form von unverantwortlicher Gewöhnung an die eigenen Schwächen meiden, brauchen wir nicht zu fürchten, uns als bedürftig zu bekennen und als unfähig, uns alles das zu geben, dessen wir bedürfen, denn allein und nur mit unseren Kräften wird es uns nicht gelingen, alle Grenzen zu überwinden. Wir fürchten diese Erkenntnis nicht, weil Gott selbst in Jesus sich erniedrigt hat (vgl. Phil 2,8) und sich über uns und unsere Armut beugt, um uns zu helfen und uns die Güter zu geben, die wir von uns allein aus nie bekommen könnten.
Die „geistlich Armen“ vertrauen auf Gott
Deshalb preist Jesus die „geistlich Armen“ selig (Mt 5,3), das heißt die, die so auf die eigenen Bedürfnisse blicken und, bedürftig wie sie sind, sich Gott anvertrauen und nicht fürchten, von Ihm abhängig zu sein (vgl. Mt 6,26). Von Gott können wir nämlich jenes Gut bekommen, das durch nichts begrenzt wird, weil Er mächtiger ist als jede Begrenzung und das gezeigt hat, als er den Tod besiegt hat! Er, der reich war, wurde arm (vgl. 2 Kor 8,9), um uns mit seinen Gaben reich zu machen! Er liebt uns, jede Faser unseres Seins ist ihm teuer, in seinen Augen ist jeder von uns einzigartig und hat einen unermesslichen Wert: „Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt … Ihr seid mehr wert als viele Spatzen“ (Lk 12,7).
Beitrag zur Erneuerung des Lebens
Ich bin deshalb Seiner Eminenz Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, dankbar, der mit dem vorliegenden Buch uns an all das erinnern will. Ich bin sicher: Jeder, der diese Seiten liest, wird sich in gewisser Weise angesprochen fühlen und in seinem Herzen das Bedürfnis nach einer Erneuerung des Lebens aufsteigen spüren. Nun sollt Ihr, liebe Leser, wissen, dass ich schon jetzt in diesem Bedürfnis und auf diesem Weg an Eurer Seite bin, als Bruder und aufrichtiger Weggefährte.
Gerhard Ludwig Kardinal Müller: Armut – Die Herausforderung für den Glauben. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus. Gebunden mit Schutzumschlag, 176 Seiten. ISBN 978-3-466-37106-8 – Internet: www.randomhouse.de/koesel
Warum scheiterten vor 100 Jahren alle Friedensbemühungen?
Hintergründe des Ersten Weltkriegs
Weihbischof Dr. Andreas Laun geht auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren ein. Wie konnte es zu dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ kommen? Laun sieht als tiefsten Grund die selbstherrliche Abkehr von der Ordnung Gottes, dem „Naturrecht“. Und er zieht eine Parallele zum heutigen totalitären Machtgehabe der Gender-Ideologie. Dieser Hochmut könne uns erneut ins Unglück stürzen. Ein Rückblick in die Geschichte zeige, dass damals allein die katholische Kirche einen klaren Blick bewahrt und auf prophetische Weise vor einer Abkehr von der göttlichen Ordnung gewarnt habe. Unter den Politikern sei der sel. Kaiser Karl eigentlich der Einzige gewesen, der nicht Opfer des nationalistischen Wahnsinns geworden sei – dank seines Glaubens.
Von Weihbischof Andreas Laun
Am 28. Juni 1914 wurden der Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand von Habsburg, und seine Gemahlin bei ihrem Besuch in Sarajevo von Gavrilo Princip, dem Mitglied einer serbisch-nationalistischen Bewegung, ermordet. Tragische Umstände ermöglichten die Tat, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führte.
Heuer sind es 100 Jahre, dass diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ stattfand. Viele sagen: Ohne diesen Mord und ohne den Weltkrieg hätte es keine kommunistische Revolution, keinen Hitler und keinen Zweiten Weltkrieg gegeben! Darüber nachzudenken und zu erforschen, wie es nach und durch den Mord zum Ersten Weltkrieg kommen konnte und warum alle Friedensbemühungen fehlschlugen, ist Sache der Historiker und weitgehend bekannt. Umdeutungen der Geschichte sind letztlich ohne Bedeutung. Es war, wie es war, über „hätte und wenn“ viel nachzudenken ist sinnlos. Geschehen ist geschehen, es lässt sich nicht mehr ändern. Moralische Urteile über „die Schuldigen“ zu verteilen, hilft auch nicht und ist weitgehend unmöglich. Liest oder hört man „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus, ahnt man die Dekadenz jenes Zeitgeistes, in dem ein solcher Krieg in den Machtzentren der damaligen Welt ausbrechen konnte. Wichtig für uns, die wir in der Welt von heute leben, ist es aber, die Antwort auf folgende Fragen zu geben:
1. Es sind immer Menschen, die Krieg wollen und Krieg führen. Daher: Welche Ideologie, welches Menschenbild, welche Überzeugungen waren in den Köpfen und Herzen, ermöglichten den Krieg und torpedierten alle Friedensbemühungen? Die Gier nach Macht und Besitz? Sicher auch, aber viel spricht dafür, dass es vor allem der Hochmut des Nationalismus und Selbstvergötterung waren, die den „Treibstoff“ zuerst zum Mord und dann auch zum Krieg lieferten.
2. Wer waren diejenigen, die wirklich bemüht waren, Frieden herbeizuführen? Die Antwort lautet: Es war vor allem die katholische Kirche, es waren die Päpste, die zuerst warnten und dann, als der Krieg in vollem Gang war, alles versuchten, die Kriegführenden von der Notwendigkeit des Friedens zu überzeugen. Unter den politischen Führern war es vor allem oder sogar einzig Kaiser Karl von Österreich, der aufrichtigen Herzens den Frieden wollte, alles nur Mögliche versuchte und dabei auch mit dem Papst zusammenwirkte. Er blieb letztlich erfolglos, wie man weiß. In den Friedensverträgen danach wurde Österreich-Ungarn zerstört und neues Unrecht festgeschrieben, das den nächsten, noch schrecklicheren Krieg vorbereitete.
3. Die wichtigste Frage ist: Abgesehen von den letztlich erfolglosen Mitteln, mit denen die Friedenswilligen verzweifelt versuchten, den Krieg zu beenden, und auch abgesehen von tragischen „Zufällen“: Was war es, das alles Bemühen scheitern ließ? Kriege werden mit, aber nicht von Waffen geführt, nicht einmal von Soldaten, die man kaum fragt, sondern verführt, zwingt und schickt. Frieden und Krieg werden gemacht und geführt von Menschen, die Entscheidungen treffen auf Grund ihrer Überzeugungen.
So komplex die historischen Details auch sind, die der Historiker erforscht, Ursache des Krieges und Ursache des Scheiterns der Friedenbemühungen sind einfach zu benennen:
Die Kriegsmacher waren trotz vielleicht bestehender Lippenbekenntnissen abgefallen von Gott und Seinem Gebot! Sie hatten aufgehört zu lesen, was Gott allen Menschen „ins Herz geschrieben“ hat, das, was die Tradition des Abendlandes das „Naturrecht“ nannte.
Und umgekehrt: Diejenigen, die Frieden wollten, waren beseelt von der Wahrheit dieses höheren Rechtes, das über allen jenen „Rechten“ steht, die sich der Mensch ohne den Maßstab Gottes selbst gebastelt hat und immer wieder und zu allen Zeiten zusammenbaut. Wären damals die Mehrheit der Entscheidungsträger von diesem Recht überzeugt gewesen, wäre es statt des Weltkrieges bei dem geblieben, was nach dem Attentat geplant war: eine militärische Aktion gegen den Terror, von der Absicht her vergleichbar dem, was die USA nach dem Anschlag auf ihr Worldtrade-Center gemacht haben.
Das, was in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und an seine Folgen heute gesagt werden sollte, ist dies: Dieselbe Ideologie der Leugnung Gottes, des Naturrechts und des Gewissens, die den Ersten Weltkrieg auslöste und dann am Brennen hielt, war vielleicht nur noch radikaler diejenige, die zum Zweiten Weltkrieg führte. Die Nazis sprachen vom Gewissen als „jüdischer Erfindung“, die Kommunisten sagten, „gut ist, was der Partei nützt“, die einen errichteten Konzentrationslager, die anderen bauten den „Archipel Gulag“, in beiden „Einrichtungen“ wütete der „Mörder von Anbeginn“, wie Jesus den Teufel nannte! Millionen Menschen wurden ermordet.
Heute ist die Diktion vorsichtiger, aber der Sache nach ist es wieder dieselbe Anmaßung des Menschen, der meint, selbst alles bestimmen zu können. Heute spricht man wohlklingend von der Demokratie, in der die „Mehrheit alles entscheiden“ kann. Seit der Machtergreifung der Gender-Ideologie weiß man: Im Rausch des totalitären Machtgehabes meint man sogar, die Strukturen der Wirklichkeit durch Definitionen und Gesetze verändern und neu „selbst bestimmen“ zu können.
Wenn die alte Lüge der Ideologie, die den Ersten und Zweiten Weltkrieg bestimmte, auch heute herrscht, ist anzunehmen: Sie wird die Menschen wieder ins Unglück stürzen!
In seinem großen Lehrschreiben über das „Evangelium des Lebens“ warnte Papst Johannes Paul II. bereits 1995 vor den Diktaturen der Mehrheiten, die in verschiedenen Ländern immer mehr an Macht gewinnen. Wie die Schaumkronen eines Tsunami am Horizont kommen sie näher und sind da und dort schon angekommen: Die kostbare, geliebte, ersehnte, oft mit Blut erkämpfte Freiheit ist im Begriff, jetzt im „freien“ Westen, mehr und mehr verloren zu gehen. Es ist ein Verdienst von Vladimir Palko (in seinem Buch „Die Löwen kommen“) zu dokumentieren, wie dies seit Jahren vor sich geht und wie es auch und sehr oft „christliche Politiker“ sind, die auf Grund ihrer Blindheit und Feigheit an der Zerstörung der wirklichen Rechtsstaatlichkeit Europas und Amerikas mitwirken und Verfolgung vor allem der Christen möglich machen. Nicht indem man die neuen „Volksfeinde“ in KZs schickt, wohl aber, indem man ihnen im Namen einer neuen „politischen Korrektheit“ die Grundlage zum Überleben nimmt, ihren Ruf ruiniert und sie mit Hilfe der Medien in eine soziale Isolation schickt. Dabei ist es schwierig sich zu wehren, weil jede Kritik an einem der ideologischen Götzen nicht mit Argumenten, sondern mit einem Ritual des „Beleidigt-Seins“ beantwortet wird. Wenn er will, kann jeder wissen, welche geistigen Nachkommen Lenins, welche Lobbies von Minderheiten, welche religiöse Gemeinschaften es sind, die mit ihrem Meinungsterror und mit Gewalt die Menschen das Fürchten lehren und damit ihrem totalitären Anspruch mehr und mehr unterwerfen.
Kurz gesagt: Der Erste Weltkrieg ist von seinem Ausbruch an und in seinem ganzen Verlauf eine Folge der Leugnung und Verhöhnung Gottes. Wenn wir eine neue Katastrophe vermeiden wollen, gibt es nur einen Weg: zurück zu Gott, zu Seinem „heiligen Naturrecht“ und zur Achtung der „Ökologie des Menschen“ (Papst Benedikt XVI.). Man lese, was Papst Benedikt XVI. in Berlin den Politikern über die „Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaates“ gesagt hat: Sie bestehen in der Anerkennung des Naturrechts und ohne dieses geht das Recht, gehen Freiheit und Friede verloren! In Fatima flehte Maria die Menschen an: „Bittet Gott um Vergebung, hört auf zu sündigen.“ Dafür versprach sie den Frieden! Zu „einfach“, zu „kindlich“? Nein, das ganz Wichtige kann man nicht einfach genug sagen, damit es nicht nur Kinder, sondern wirklich alle, sogar von sich selbst berauschte Erwachsene verstehen.
Die aktuelle Bedeutung der Herz-Jesu-Verehrung
Schlüssel zur Neuevangelisierung
Jesus selbst hat sein Herz zum Ausgangspunkt seiner Kirche gemacht. Geheimnisvoll und doch „sichtbar“ ist sie aus seiner geöffneten Seite hervorgegangen. Erzbischof Dr. Karl Braun ist überzeugt: Solange die Kirche nicht zu ihrem Ursprung zurückkehrt, bleibt alles Bemühen um eine Erneuerung des kirchlichen Lebens, um die dringend gebotene Neuevangelisierung unfruchtbar. Nur wenn wir die rein äußerliche Betriebsamkeit überwinden und demütig zu einer richtig verstandenen Herz-Jesu-Verehrung zurückkehren, werden die Pfarreien wieder an Attraktivität gewinnen und aufblühen.
Von Erzbischof em. Karl Braun
Die deutlichste Sprache des Erlösers
Auf Golgotha ließ der gekreuzigte Herr sein Herz durchbohren, damit wir, von den Sünden erlöst, das Leben „in Fülle haben“ (Joh 10,10). Als die Jünger und Jüngerinnen nach der Himmelfahrt Christi über den menschgewordenen Gottessohn nachdachten, vermochten sie von ihm das Schönste zu sagen, was man an einem Menschen rühmen kann: Er hat ein „Herz“ gehabt. Was Jesus getan hat, konnte nur jemand mit einem ganz großen und guten Herzen tun.
Die Kirche sieht das Herz des Herrn als Sinnbild seiner Liebe. Wenn wir von Jesus reden, können wir ebenso gut von seinem Herzen sprechen. Wir erkennen im Herzen Jesu die innerste Mitte des Erlösers. Dieses Innerste ist seine Liebe zum Vater und zu uns – eine Liebe, die all unser Begreifen übersteigt. Jesus hat nicht nur ein Herz für uns, er ist ganz Herz für uns. Was keiner uns zu geben vermag, gibt er: sein Herz voll Erbarmen und Liebe. Und daraus zog der bekannte Theologe Romano Guardini den Schluss: „Wenn jemand fragt, was ist denn sicher? So sicher, dass man darauf leben und sterben kann? Dann lautet die Antwort: die Liebe Christi, die Liebe des Herzens Jesu.“
Jesus erneuert seinen Ruf: „Mich dürstet!“
Um unsere Liebe zu diesem Herzen zu vermehren, zu vertiefen und ihr neue Impulse zu geben, offenbarte sich der Heiland von 1673 bis 1675 einer bescheidenen, einfachen Ordensfrau in Frankreich, der Schwester Margareta Maria Alacoque vom „Orden der Heimsuchung Mariä“. Dabei wünschte Jesus die Einführung eines eigenen Festes zur Verehrung seines Heiligsten Herzens am Freitag nach der Fronleichnamsoktav.
Er sagte: „Siehe hier das Herz, das die Menschen so sehr geliebt hat, um ihnen seine Liebe zu beweisen. Zum Lohn dafür ernte ich von den meisten nur Undank durch die Unehrerbietigkeiten und Sakrilegien, durch Kälte und Missachtung, die sie mir in diesem Sakrament der Liebe zufügen. Doch am schmerzlichsten ist es mir, dass auch Seelen, die mir geweiht sind, so gegen mich handeln…
Ich verspreche dir, dass mein Herz jene mit dem Strom seiner göttlichen Liebe überschütten wird, die ihm diese Ehre erweisen und sich dafür einsetzen, dass auch andere es tun“ – nämlich sein Herz verehren und den Undank sowie die Missachtung seines Herzens und des Altarsakramentes sühnen.
Mitverantwortung für das ewige Heil der anderen
Diese Worte des Heilands zeigen uns einerseits die unübertreffliche Liebe des Herrn zu uns, sie verlangen auf der anderen Seite unsere Gegenliebe und unsere Bereitschaft zur stellvertretenden opfernden Hingabe für die anderen, zur Sühne (vgl. Kol 1,24). Das Geheimnis dieser sühnenden Liebe liegt darin, dass wir das Kreuz nicht nur für uns tragen, sondern im Blick auf das verwundete Herz Jesu auch für die anderen. Christsein ist immer auch Sein für die Mitmenschen, Mitverantwortung für das ewige Heil der anderen.
Die gegenwärtige Situation in Kirche und Welt bietet Anlass genug, Sühne zu leisten und die grenzenlose Liebe Christi anzurufen. Die Lauheit und Gleichgültigkeit derer, die sich zuerst innerlich, dann auch öffentlich vom Glauben und von der Kirche abwenden; die Überheblichkeit und Verhärtung von sich „zeitnah“ positionierenden Gruppierungen, die Zwietracht und Verwirrung stiften und von kirchlicher Gesinnung weit entfernt sind; die Ärgernisse, die jene Bischöfe, Priester, Diakone und Ordensleute geben, die von ihrer „ersten Liebe“ (Offb 2,4) und von ihrer heiligen Berufung lassen; die Entweihungen des Heiligen und schändliche Sakrilegien, die begangen werden – all das, was das Herz des Erlösers schwer verwundet, darf uns nicht ruhen lassen. Die Liebe des Herrn drängt uns zur Gegenliebe und zur Wiedergutmachung, zur Sühne.
Den unheimlichen Plan Satans vereiteln
Denken wir auch daran: Es ist der unheimliche Plan des teuflischen Widersachers Gottes, ein Reich der kalten Herzlosigkeit zu errichten. In hohem Maß ist dem Satan dies bereits gelungen. Das „verabscheuungswürdige Verbrechen“ millionenfacher Abtreibungen,[1] der sexuelle Missbrauch und die brutalen Misshandlungen an Kindern und Jugendlichen, das Abschieben von Alten und Kranken, die zunehmende Aggressivität und Brutalität, Terrorismus und vieles andere mehr sprechen eine deutliche Sprache.
Im Gegensatz dazu müssen wir Christen mit Jesus Christus das Reich des Gutseins, der Liebe bauen – das Reich des Herzens Jesu. Es sind die Kräfte des Herzens, die uns retten; es ist die aus dem Herz des Herrn quellende „Herzlichkeit“, die Heilung bringt. Deshalb „muss“, so sagte der sel. Pater Rupert Mayer, „Wärme von uns ausgehen, den Menschen muss es in unserer Nähe wohl sein, und sie müssen fühlen, dass der Grund dazu in unserer Verbindung mit Gott liegt“, in unserer Verwurzelung in der innersten Mitte des Herrn, in der Verehrung seines Herzens.
Ohne Herz-Jesu-Verehrung mühen wir uns vergeblich
Papst Pius XII. hat erklärt, „dass es hier nicht um eine gewöhnliche Andachtsform geht, die jeder nach Gutdünken den übrigen nachsetzen oder geringachten darf, sondern um eine Hingabe an Gott, die mächtig hilft zur Erlangung der christlichen Vollkommenheit“.[2] Die Herz-Jesu-Verehrung mag zwar manches von ihrer früheren Volkstümlichkeit verloren haben, doch ihr wesentlicher Gehalt ist nicht veraltet. Es kommt deshalb darauf an, die Herz-Jesu-Verehrung so zu erklären und zu pflegen, wie die Kirche sie für unsere Zeit gegeben hat. Es wäre ein nicht gutzumachender Fehler und ein unverantwortlicher Verlust, wollten wir in unseren Pfarrgemeinden und Klöstern, Exerzitienhäusern und Seminaren die Herz-Jesu-Verehrung still oder gar gewaltsam aussterben lassen. „Als Seelsorger“, so schreibt ein erfahrener Pfarrer, „sehe ich in der Herz-Jesu-Verehrung eine entscheidende Möglichkeit für unser pastorales Bemühen. Herz-Jesu-Verehrung ist nicht etwas Zusätzliches, etwas, das auch noch geglaubt und praktiziert werden kann. Nein, in der Herz-Jesu-Verehrung findet sich die Herzmitte des christlichen Glaubens ausgewiesen: Gott ist Mensch geworden. Wir dürfen ,Du‘ zu ihm sagen. Er hat ein Herz für uns.“
So meine ich: Es müsste doch auch im Leben einer Pfarrei möglich sein, gemeinsam das Herz des Herrn zu verehren. Das würde auf Dauer auch im Sinn einer geistlichen „Nachhaltigkeit“ mehr bewirken als so manche oberflächliche Veranstaltungen, stundenlange Diskussionen und zahllose Sitzungen – die es geben darf und zuweilen auch muss. Das würde fruchtbarer sein, weil wir in der Ausrichtung auf das Herz Jesu vorstoßen zum Ursprungsort der Kirche, zur durchbohrten Seite des Herrn, zu dem innersten Energiezentrum der Kirche, zur nicht selten vergessenen, aber wirksamen Quelle ihrer Selbstheilungskräfte, die uns gerade in der gegenwärtigen innerkirchlichen Situation so nottun.
Nicht der „Mensch“ im Priester, sondern „Christus“
Wenn heute oft der „menschliche“ Priester, „der Mensch im Priester“ und nicht so sehr „der Christus in ihm“ gefragt ist, dann gilt: Sicher sollen wir Priester den Menschen nahe sein, aber diese Nähe darf nicht bei der Forderung nach dem „Menschen im Priester“ enden. Sie muss vielmehr weiterführen zu einer „Nähe“, die im priesterlichen Leben und Wirken den „Christus in ihm“, dem Priester, erahnen und verspüren lässt, zu einer „Nähe“, die im priesterlichen Herzen den Takt des Herzens Jesu vernehmbar macht – so dass, wie die Mystikerin Maria Sieler sagt, „die Seelen durch den Priester zum Herzen Jesu finden“. Deshalb solle der Priester „sich aufgeben und das Herz Jesu an seiner Stelle leben lassen“.
Nun sage keiner: Die Herz-Jesu-Verehrung ist stark introvertiert – fast nur nach innen gerichtet. Die Behauptung ist schlichtweg falsch. Wenn wir das Herz Jesu verehren, flüchten wir nicht in die reine Innerlichkeit. Wir bestärken vielmehr jene Haltung, die uns als echte Christen ausweist, nämlich für den Herrn zu leben und aus Liebe zu ihm für unsere Mitmenschen. Wer sein Herz dem Herzen Jesu öffnet, der macht es auch weit für alle, für die der Heiland am Kreuz seine Seite durchbohren ließ. Das ist die „soziale Seite“ der Herz-Jesu-Verehrung. Dafür legen unzählige Herz-Jesu-Verehrerinnen und -Verehrer Zeugnis ab, zahlreiche Vereinigungen von Gläubigen im Laien-, Ordens- und Priesterstand, die unter dem Zeichen des Herzens Jesu missionarisch, karitativ und sozial den anderen dienen.
Aktuelle Anliegen für die Herz-Jesu-Verehrung
Ich möchte drei aktuelle Anliegen für unsere Verehrung des Herzens Jesu nennen:
1. Säkularismus, Relativismus und Atheismus
Zu den ernstesten Zeichen unserer Zeit zählen der Säkularismus: Welt- und Diesseitsfixierung; der Relativismus: es gibt keine allgemein verbindliche Wahrheit, alles ist gleich richtig, gleich wahr und gut, alles ist relativ; und der Atheismus: aggressive Gottesleugnung und Gottfeindlichkeit. Sie betreiben den gewaltsamen Umsturz der Ordnung, die vom Schöpfer zum Besten der Menschen gegeben ist. Letzten Endes haben sie es darauf abgesehen, den christlichen Glauben vollständig auszurotten und, wenn es möglich wäre, Gott den Herrn selber aus der Welt zu schaffen. Die genannten „Pseudoreligionen“ versprechen den Menschen Freiheit und Glück durch die Missachtung der Gebote Gottes. Sie verheißen uns eine heile Welt, in der Gott nicht vorkommt, eine perfekte, vom Menschen in eigener Selbstherrlichkeit geplante und durchorganisierte Gesellschaft – im Zeichen erkaltender Liebe (vgl. Mt 24,12).
Die Verehrung des Heiligsten Herzens kann einen Wall errichten und dazu beitragen, den vordringenden gottfeindlichen „Pseudoreligionen“ und Ideologien von innen her Einhalt zu gebieten und die Menschen zur Liebe Gottes zurückzuführen – zurückzuführen an Sein Herz.
2. Zukunft der Menschheit
Zu den vordringlichsten Aufgaben der Völker gehört die Sorge um die Zukunft der Menschheit. Die in der Welt herrschenden Triebkräfte, die die Entwicklung maßgeblich bestimmen und oft rücksichtslos vorantreiben, sind zweifellos Macht, Wissensstolz und Gewinnsucht.
Eine Wende kann nur eintreten, wenn die Übel an der Wurzel geheilt werden. Andernfalls sehen die Zukunftsaussichten der Menschheit düster aus. Doch hier gibt es eine gute Perspektive: Die Herz-Jesu-Verehrung weckt und stärkt das Verlangen, Jesus nachzufolgen und den Geist der Bergpredigt im Leben zu verwirklichen. Will die Kirche, will die Welt einer guten Zukunft entgegengehen, dann muss sie sich am Herzen Jesu ausrichten.
3. Erneuerung der Kirche
Um die dringend gebotene Neuevangelisierung zu verwirklichen und alle Krisen der Kirche zu überwinden, bedarf es des entschiedenen Strebens nach der vollkommenen Liebe. Zu ihr sind alle Christen berufen. Wir brauchen die persönliche, tiefe Liebe zu Christus. Alle liturgischen, rechtlichen und strukturellen Reformen in der Kirche bleiben an der Oberfläche, wenn sie nicht davon getragen sind.
Die Verehrung des Herzens Jesu Christi gibt uns Tiefgang. Dieser hält uns im kirchlichen Leben davon ab, in einem leistungs- und erfolgsorientierten Aktionismus aufzugehen und das Leben der Kirche vorrangig in äußeren Dingen zu sehen. Die Kirche kann nur von dort her wahrhaft lebendig sein und erneuert werden, von wo aus sie einst hervorging, nämlich aus dem Herzen des Herrn.
Der Gedanke an die Machbarkeit des Glaubens und des religiösen Lebens ist weit in kirchliche Gremien eingedrungen. Er hat dort eine erstaunliche Betriebsamkeit ausgelöst – aber weithin ohne entsprechenden Erfolg. Das zwingt uns, eine andere „Gangart“ einzulegen und umzukehren. Umzukehren zu der Gesinnung, die uns das Herz des Herrn vorlebt. Das bewahrt uns davor, allzu sehr auf zähl- und messbare Ergebnisse und glänzende Erfolge zu blicken oder unsere eigene Leistung in den Vordergrund zu stellen. Die Umkehr lehrt uns, nicht krampfhaft uns zu bemühen, nur selber aus dem eigenen Kopf ein Programm, eine Form, einen Stil zu entwerfen, wie wir uns Kirche und Christsein vorstellen.
Die Herz-Jesu-Verehrung drängt uns, vielmehr großmütig auf die Karte des Vertrauens auf Jesus Christus zu setzen, unser Sinnen und Trachten in der Schule des Herzens Jesu läutern, formen und bewegen zu lassen. Diese Umkehr zur Gesinnung des Herzens Jesu ist die erste und wirksamste Weise unseres Einsatzes für Kirche und Welt. Deshalb soll es uns auch ein Herzensanliegen sein, die Verehrung des Herzens Jesu zu fördern, und das besonders an den von der Kirche festgelegten Tagen. Ich weise hin auf das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, das Hochfest Christkönig, die Herz-Jesu-Freitage, die Heilige Stunde, den Priesterdonnerstag vor dem Herz-Jesu-Freitag oder, wo es üblich ist, am darauffolgenden Samstag.
Die Botschaft, die der Herr selbst der hl. Margaretha Maria Alacoque aufgetragen hat, richtet sich an alle Menschen, damals wie heute. Es ist die Botschaft von der unüberbietbaren Zuwendung Gottes zu uns. Sie leuchtet auf in der Liebe des Herzens Jesu. Diese ist unser Glück, unser ganz großes, restlos erfüllendes Glück. Dafür hat die Heilige Zeugnis abgelegt. Tragen wir es hinein in unser Leben und in das Leben von Kirche und Welt. „Heiligstes Herz Jesu, wir lieben dich, wir vertrauen auf dich, wir weihen uns dir, wir setzen uns ein für unsere Mitmenschen nach dem Beispiel deiner Hingabe.“
[1] Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, 51.
[2] Enzyklika über die Herz-Jesu-Verehrung „Haurietis acquas“, AAS 48 (1956), 346.
Der tiefe Fall von Erzbischof Jean Baptiste Joseph Gobel
Gottes Bodenpersonal
Prälat Ludwig Gschwind hat ein originelles Buch veröffentlicht. Unter dem Titel „Gottes Bodenpersonal“ ist ihm eine faszinierende Zusammenstellung unterschiedlichster Priestergestalten gelungen. Die informativen Kurzbiografien aus der neueren Zeit geben einen abwechslungsreichen Einblick in die bewegte Geschichte der Kirche unseres Landes, bieten aber auch wertvolle Anregungen für die Gestaltung des eigenen Lebens. Dies gilt nicht nur für Persönlich-keiten, die sich in vorbildlicher Weise für das Reich Gottes eingesetzt haben. Auch die „traurigen Beispiele“ von Hirten, die ihrer Verant-wortung nicht gerecht geworden sind, können zum Nachdenken anregen.
Von Prälat Ludwig Gschwind
Wer mit dem Zeitgeist verheiratet ist, kann sehr schnell zum Witwer werden. Die Geschichte bietet dafür zahlreiche Beispiele. Ein besonders trauriges Beispiel ist der Erzbischof von Paris, dem die Nationalversammlung 1789 das Erzbistum Paris und darüber hinaus die Bistümer Obermarne und Oberrhein übertrug.
Jean Baptiste Joseph Gobel wurde am 1. September 1727 in Thann geboren. Damals schrieb sich der Deutschschweizer noch Göbel. Der hochbegabte Schüler wurde an das Germanicum nach Rom geschickt. Er durchlief die Ausbildung der Jesuiten und verfügte über reiche Kenntnisse der Philosophie und Theologie. In Basel 1750 zum Priester geweiht, waren ihm die Spannungen zwischen den Konfessionen nicht fremd. Nicht fremd waren ihm auch die Gedanken der französischen Philosophie. Die Aufklärung trat ihren Siegeszug an und fand ihre Anhänger vor allem unter den Gebildeten. Jean Baptiste Gobel wurde Kanoniker am Stift von Porrentruy in der französischen Schweiz. Seine reiche Begabung und sein rednerisches Talent waren neben guten Beziehungen nach Rom sicherlich maßgebend, dass er 1772 Weihbischof in Basel wurde. Der Bischof von Lausanne spendete ihm die Bischofsweihe. Weihbischof Gobel war fortan Bischofsvikar für den französischsprachigen Teil des Bistums Basel. In all den Jahren versah er treu und unauffällig seinen bischöflichen Dienst. Es ist nicht auszuschließen, dass er selber gern einen Bischofsstuhl gehabt hätte, aber die Konstellation war für ihn und seinesgleichen, die nicht aus dem Adel kamen, nicht besonders günstig.
Als König Ludwig XVI. 1789 notgedrungen die Generalstände einberief, weil das Königreich vor dem Bankrott stand und er nicht ohne die Deputierten neue und höhere Steuern veranlassen konnte, wurde Weihbischof Gobel als Deputierter der Geistlichkeit nach Paris geschickt. Bereits wenige Tage nach der Eröffnung der Generalstände erklärte sich das Gremium zur Nationalversammlung, das eine neue Verfassung ausarbeiten wollte. Die Ereignisse überschlugen sich. Es kam zum Sturm auf die Bastille. Die Nationalversammlung bekam immer größere Bedeutung. Die Französische Revolution mit ihrer Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ entwickelte eine Eigendynamik. Der König wurde abgesetzt, der Adel verlor seine Privilegien, die Geistlichkeit ebenso. In all dem Wirrwarr entstanden radikale Vereinigungen, die alles Bisherige radikal infrage stellten. Dies war 1789 noch nicht vorauszusehen, als Jean Baptiste Gobel von der Nationalversammlung zum Erzbischof von Paris berufen wurde.
1790 wurde von den Priestern der Eid auf die Verfassung gefordert. Priester, die sich weigerten, verloren ihr Amt. Viele gingen in den Untergrund. Erzbischof Gobel sah keine Veranlassung, sich schützend vor sie zu stellen. Er passte sich der jeweiligen Entwicklung rasch an. Als der Nationalkonvent gar alle Kirchen der Stadt Paris zu „Tempeln der Vernunft“ umwidmete, einschließlich der Kathedrale Notre-Dame, hatte der Erzbischof nichts dagegen. Er beteiligte sich sogar an dem unwürdigen Kult, als eine dürftig bekleidete Frau in der Kathedrale die Rolle der Göttin Vernunft spielte und sich auf dem Hochaltar produzierte. Die Ideen der Revolution begeisterten den Prälaten derart, dass er auch nichts gegen die Abschaffung des Sonntags und der kirchlichen Feste einzuwenden hatte. Kurzum, der Erzbischof von Paris hatte den Glauben restlos verloren und so ist es auch keine Überraschung, dass er am 7. November 1793 vor dem Konvent den Eid auf die Verfassung ablegte, sodann Brustkreuz und Ring niederlegte, somit auch sein Amt als Erzbischof. Man setzte ihm unter allgemeinem Beifall die rote Jakobinermütze auf. Bürger Gobel erklärte, mit der Revolution habe der christliche Glaube seine Bedeutung verloren und Freiheit und Gleichheit seien an seine Stelle getreten. Eifrig betrieb er den „Kult der Vernunft“. Als Robespierre jedoch stürzte, war es auch mit dem „Kult der Vernunft“ in Notre-Dame zu Ende. Gobel wurde verhaftet. Man machte mit ihm kurzen Prozess und am 13. April 1794 starb der ehemalige Erzbischof von Paris als Atheist unter der Guillotine.
Vorgestellte Persönlichkeiten:
Korbinian Aigner – der Apfelpfarrer, Professor Dr. h.c. Josef Angerer, Pater Robert Jacquinot de Besange SJ, Leonhard Bobinger, Phil Bosmans, Reichsminister Dr. Heinrich Brauns, Peter Dörfler, Johannes Dzierzon, Pater Engelmar Unzeitig CMM, Jean Baptiste Joseph Gobel, Melchior Grossek, Norbert Hauner, Wilhelm Hünermann, Ludwig Heumann, Heinrich Federer, Heinrich Hansjakob, Johann Künzle, Johannes Leisentrit, Bernhard Lichtenberg, Jón Svensson – genannt Nonni, Pater Pankratius Pfeiffer SDS, Louis Pinck, Alphons Maria Rathgeber, Sebastian Rieger – der „Reimmichl“, Father Ronald A. Knox, Graf Leopold von Sedlnitzky, Franz Xaver Seelos, Pater Adalbert Seipolt OSB, Pater Joseph Spillmann SJ, Alban Stolz, Mathias Josef Franz Tressel, Aloys Weisenburger, Augustin Wibbelt, Joseph Müller, Oswald von Nell-Breuning, Pater Mario von Galli SJ, Teilhard de Chardin, Helmut Holzapfel und Johann Martin Schleyer.
Buchtipp:
Ludwig Gschwind: Gottes Bodenpersonal. Gebunden, 144 Seiten, ISBN 978-3-9816344-4-0. Direkt bestellen unter Tel. 07303-952331-0, Fax 07303-952331-5, oder mit E-Mail an: buch@ media-maria.de – www.media-maria.de
Sexualmoral der Kirche erweist sich als göttliche Weisheit
Warum bis zur Ehe warten?
In jüngster Zeit haben sich sogar Bischöfe vorgewagt und für ein Umdenken der Kirche in der Sexualmoral ausgesprochen. Insbesondere wird die Forderung erhoben, voreheliche Beziehungen sollten nicht grundsätzlich als schwere Sünde bewertet werden und die Betroffenen von den Sakramenten ausschließen. Pfarrer Erich Maria Fink nimmt diesen Gedanken auf. Doch ist er überzeugt, dass sich die Kirche mit einer solchen Haltung auf einen verhängnisvollen Weg begäbe. Sie würde sich nicht nur über ein göttliches Gebot hinwegsetzen, sondern am Menschen und seiner Sehnsucht nach Glück Verrat üben. Pfr. Fink wirbt dafür, das Thema nicht auf die Frage nach der Schwere der Sünde zu reduzieren, sondern es im positiven Licht wahrer Liebe und Treue zu betrachten.
Von Erich Maria Fink
Die meisten jungen Menschen gehen heutzutage vor der Ehe intime Beziehungen ein. Die Möglichkeiten der Verhütung, die entsprechende sexuelle Aufklärung an den Schulen und die Propaganda in den Medien haben ein Klima geschaffen, das die christliche Forderung nach vorehelicher Enthaltsamkeit geradezu als abwegig erscheinen lässt. Die biblische Offenbarung dagegen ist eindeutig. Sie betrachtet jegliche sexuelle Vereinigung von Mann und Frau außerhalb der Ehe als Verstoß gegen den Willen Gottes, auch den Geschlechtsverkehr vor der Ehe. Die Seelsorger tun sich oft schwer, den Standpunkt der Kirche zu vermitteln. Wenn sie den Mut aufbringen und in diesem Zusammenhang von schwerer Sünde sprechen, ernten sie in der Regel nur einen Sturm der Entrüstung. Deshalb klammert man das Thema auch innerhalb der Kirche lieber aus und findet sich stillschweigend mit den Fakten ab. Man möchte die wenigen jungen Menschen, die überhaupt noch zum Gottesdienst kommen, nicht durch den Hinweis abschrecken, dass unter solchen Umständen die Voraussetzung für einen würdigen Empfang der Kommunion nicht gegeben ist.
Die kirchlichen Positionen sind oft nur aus der öffentlichen Stimmungsmache gegen die Lehrverkündigung des Papstes bekannt. Aufgrund der mangelnden Verkündigung sind die Gläubigen inzwischen sehr weit von einer klaren Vorstellung auf dem Gebiet der Sexualität entfernt. Es mag tatsächlich sein, dass die Einzelnen mit ihrem objektiv sündhaften Verhalten subjektiv mitunter gar nicht gegen ihr Gewissen verstoßen; denn die Wahrheit ist ihnen nicht bekannt und somit auch nicht bewusst. Wie Gottes Gnade in solchen Fällen wirkt, können wir nie endgültig beurteilen.
Aber ist es deshalb besser, zu schweigen und die Leute einfach gewähren zu lassen? Ich bin überzeugt, dass sich hinter dem biblischen Gebot und der Lehre der Kirche eine göttliche Weisheit verbirgt, die wir den Menschen nicht vorenthalten dürfen. Anstatt Kompromisse mit dem Zeitgeist einzugehen, sollten wir mutig und sendungsbewusst den Weg aufzeigen, der auf Dauer zum Glück führt. In der Seelsorge habe ich die Erfahrung gemacht, dass gerade junge Menschen für die Gedanken über die Voraussetzungen wahrer Liebe sehr aufgeschlossen und dankbar sind. Sie erkennen darin ihre tiefste Sehnsucht und bestätigen die Richtigkeit aufgrund ihrer eigenen Erfahrung, oft nachdem sie Fehler gemacht haben und diese nun mit Nachdruck eingestehen. Ich möchte kurz einige Argumente anschneiden, die den tiefen Sinn vorehelicher Enthaltsamkeit aufzeigen und die Notwendigkeit des Ringens um das Ideal der Reinheit unterstreichen.
Überwindung des Egoismus in der Sexualität
Die sexuelle Vereinigung ist ein einzigartiges Zeichen der Hingabe und kann die gegenseitige Liebe auf unverwechselbare Weise zum Ausdruck bringen. Der Lustgewinn, der damit verbunden ist, darf als Geschenk Gottes angenommen werden und kann das Glück der Liebe erfahrbar machen. Doch damit wird die Sexualität zu einem ambivalenten Lebensvollzug. Einerseits gibt sich der Mensch selbstlos hin, andererseits sucht er etwas für sich selbst. Aufgrund unserer erbsündlichen Verfasstheit hat sich der Egoismus in die Sexualität eingeschlichen, der die Liebe immer mehr zurückdrängen und sogar töten kann. Seine sexuellen Kräfte kann nur derjenige als echten Ausdruck der Liebe einsetzen, wer gelernt hat, sie zu beherrschen. Die Selbstdisziplin und die Überwindung der reinen Begierde sind eine lebenslange Aufgabe. In diesem Sinn spricht man auch von ehelicher „Keuschheit“. Das bedeutet nicht Enthaltsamkeit in der Ehe, sondern die Fähigkeit, sich in den Partner einzufühlen und auf ihn einzugehen, ihn und seine Bedürfnisse zu verstehen und wenn nötig zu warten. Wer diese Kontrolle über seine Sexualität nicht vor der Ehe gelernt hat, kann sie im Eheleben meist nicht mehr erwerben. Die ideale Vorbereitung auf einen liebenden Vollzug der Sexualität in der Ehe ist in diesem Licht das Bemühen um voreheliche Enthaltsamkeit. Bei einem verheirateten Paar kann sich diese Formung besonders durch die zeitweilige Enthaltsamkeit im Rahmen der natürlichen Familienplanung fortsetzen.
Den künftigen Ehepartner wirklich kennenlernen
Als Christen sind wir überzeugt, dass die Ehe von Gott als lebenslange Gemeinschaft gedacht ist. Die Treue schafft einen Rahmen, der Geborgenheit, Solidarität und Glück verschafft. Doch kann das Zusammenleben bis zum Tod nur gelingen, wenn sich die beiden wirklich kennengelernt haben, d.h. nicht nur bei äußerlich anziehenden Momenten des Partners stehengeblieben sind, sondern tiefere menschliche Werte an ihm entdeckt haben, die als gemeinsame Basis immer mehr in den Vordergrund treten. Vor der Ehe muss diese Entdeckungsreise bereits beginnen, damit das gemeinsame Leben tragfähig wird. Die Erfahrung zeigt nun, dass die jungen Paare, sobald sie den letzten Schritt der ehelichen Vereinigung bereits vor dem endgültigen Ja der Eheschließung getan haben, in ihrem Austausch verarmen. Sie haben sich nicht mehr viel zu sagen, strengen sich nicht mehr an, den anderen als Person tiefer zu erfassen und lieb zu gewinnen. Wir können uns kaum vorstellen, wie verhängnisvoll dieser Abbruch des notwendigen Gesprächs ist. Was damit für die Zukunft verloren geht, kann kaum nachgeholt werden. Gerade eine „reine“ Verlobungszeit vermag in diesem Sinn zu einem bleibenden Schatz für das ganze Eheleben werden.
Die Freiheit der Entscheidung bewahren
Die Entscheidung für einen Partner muss absolut ehrlich und verantwortungsvoll getroffen werden. Doch kann nicht geleugnet werden, dass die jungen Menschen ihre Freiheit durch ihre vorehelichen Beziehungen verlieren. Es sind naturgegebene tiefe psychologische Bindungen, welche durch intime Beziehungen entstehen. Nicht umsonst ist das Verlassen-Werden vom Freund oder von der Freundin einer der Hauptgründe für Verzweiflung und Selbstmord unter jungen Menschen. Zu den gefühlsmäßigen Abhängigkeiten kommt die Verantwortung, die man für jeden Menschen übernimmt, den man sich vertraut gemacht hat. Selbst ungläubige Menschen spüren, dass sie sich dieser Verantwortung nicht einfach entziehen. Besonders eklatant wird diese Frage, wenn sich eine Schwangerschaft einstellt. Dass für uns Christen eine Abtreibung nicht in Frage kommt, braucht nicht diskutiert werden. Doch heiraten viele junge Menschen, weil ein Kind unterwegs ist. Dies ist im Grunde genommen nur zu bejahen, denn das Kind hat ein Recht auf einen Vater und eine Mutter. Doch gerade darin wird sichtbar, wie die Freiheit in der Entscheidung oft unter diesen Umständen leidet. Hätte man sich ehrlich prüfen können, wäre man vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, dass man nicht wirklich zusammenpasst. So sind die vorehelichen Beziehungen ein Hauptgrund, warum die jungen Menschen nicht von ihrem Recht Gebrauch machen oder machen können, zu ihrer Freundin bzw. zu ihrem Freund rechtzeitig zu sagen, dass es besser wäre, Schluss zu machen und sich neu zu orientieren. Dies aber wäre in einer so entscheidenden Frage oft angezeigt.
Sich vor belastenden Erinnerungen freihalten
Häufig führen die vorehelichen Beziehungen zu einem Partnerwechsel. Das heißt, die Wenigsten, die sich auf intime Kontakte eingelassen haben, heiraten am Ende den einen Partner, dem sie sich einmal hingegeben haben. Heute wird diese Praxis oft mit der Begründung als positiv hingestellt, als wäre eine reiche Erfahrung für die Zukunft hilfreich. Es gibt kaum eine größere Illusion. Aus der Seelsorge weiß ich, wie die Menschen bis ins hohe Alter hinein durch ihre Erinnerungen an andere Beziehungen in der Jugendzeit gestört werden. Männer wie Frauen vergleichen das, was sie in der Ehe empfinden, mit ihren früheren Erlebnissen. Ständig werden diese oft unterbewussten Vorgänge zu einer Versuchung. Sie können Ehekrisen verstärken und die Fähigkeit zur Treue zerstören. Viele verstehen erst in ihrem späteren Leben, dass sich diese vorehelichen Kontakte wie ein Ehebruch im Voraus in ihrem Gewissen verankert haben und zum ständigen Begleiter werden. Natürlich können die Erfahrungen, die Menschen durch eine gescheiterte Beziehung gemacht haben, für einen Neuanfang wertvoll sein. Ich kenne viele Paare, die nach einer Ehe-Annullierung oder nach einer Bekehrung nun für ein echtes Eheleben reif geworden sind. Doch dieser schmerzvolle Weg ist eine Ausnahme und kann nie voreheliche Erfahrungen als wertvoll rechtfertigen.
Verantwortung für das Leben
Die Weitergabe des Lebens gehört zu den Erfahrungen, die dem Menschen einen tiefen Sinn vermitteln. Kaum ein anderer Bereich kann so erfüllend sein, wie die Einführung seiner Kinder ins Leben und das Getragensein von ihrer Nähe im Alter. Zugleich hat diese Aufgabe einen göttlichen Charakter. Der allmächtige Gott lässt uns an seinem Schöpfungswerk teilhaben und offenbart uns auf diese Weise unsere göttliche Würde. Darin besteht die höchste Verantwortung des Menschen für andere unsterbliche Personen. Sie verlangt deswegen auch die größtmögliche Sorge und Aufmerksamkeit. Es bedarf keiner langen Diskussion, um klar zu sehen, dass wir dieser Verantwortung in einer stabilen Ehe und Familie am besten nachkommen können. Als Christen müssen wir mit aller Kraft verteidigen, dass Gott von uns um der Weitergabe des Lebens willen für die sexuelle Vereinigung den Rahmen der Ehe verlangt. Dies sind wir unserer Würde und der Würde der Kinder, die dabei gezeugt werden können, schuldig. Verhütung oder auch das Ausnützen von unfruchtbaren Tagen können uns davon nie dispensieren.
Das eindeutige Gebot Gottes
Der hl. Johannes Paul II. hat unterstrichen, dass die Frage nach vorehelichen Beziehungen sehr wohl im sechsten Gebot „Du sollst nicht die Ehe brechen“ inbegriffen ist. Umso deutlicher sehen wir den Zusammenhang bei dem Wort Jesu in der Bergpredigt: „Wer eine Frau auch nur mit Begierde anblickt, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ Gott selbst ist die Liebe, die wir auch in der Beziehung zwischen Mann und Frau erleben. Wir können nicht gegen seinen Willen handeln und erwarten, dass unsere Herzen mit Liebe erfüllt sind. Liebe ohne Gott ist eine Illusion. Natürlich muss allein schon der ausdrückliche Wille Gottes eine ausreichende Motivation dafür sein, dass wir uns um voreheliche Enthaltsamkeit bemühen. Aber es gehört zum Erbe des hl. Johannes Paul II., dass er die Schönheit der Liebe zwischen Mann und Frau herausgearbeitet und auf diesem Hintergrund die Voraussetzungen für eine wahre Liebe aufgezeigt hat. In diesem Sinn möchten die genannten Punkte eine Hilfe für das seelsorgliche Gespräch und Zeugnis sein. Sie sind kein psychologischer Beweis für die Notwendigkeit des christlichen Ideals, doch lassen sie uns die Weisheit Gottes verstehen, die über unserem menschlichen Horizont steht.
Ehepaar Gams setzt sich für das Erbe des hl. Johannes Paul II. ein
Eine Vision der Liebe
Die Eheleute Birgit und Corbin Gams lassen uns auf einfühlsame und überzeugende Weise an ihrer Entdeckung der sog. „Theologie des Leibes“ von Johannes Paul II. teilhaben. Für „Kirche heute“ haben sie kurz zusammengefasst, was in ihrem neuen Buch „Eine Vision der Liebe“ entfaltet ist. Der Präsident des „Johannes Paul II. Instituts“ in Rom, Livio Melina, bezeichnet die Veröffentlichung in seinem Vorwort als ausgezeichnete Hilfe für die Neuevangelisierung. Es ist sehr erfreulich, dass die österreichischen Bischöfe den Einsatz der Eheleute Gams für die Umsetzung der kirchlichen Lehre über die menschliche Liebe anerkennen. Corbin Gams hat für diesen Dienst eine pastorale Anstellung bekommen. Er arbeitet zu 50% bei der Initiative Christliche Familie, einem Projekt der Österreichischen Bischofskonferenz.
Von Birgit Gams
„Ich will mit euch über die Liebe reden, die Liebe, für die ihr geschaffen seid, die Liebe, nach der sich jeder von euch sehnt.“ Mit diesen Worten wandte sich Johannes Paul II. an die Jugend von Korea und diese Worte stehen am Anfang des Buches „Eine Vision von Liebe“.
Im Jahr 2005 gab uns ein befreundeter Priester eine MP3 mit Vorträgen zu den Ansprachen Johannes Pauls II. über die menschliche Liebe. In den darauf folgenden Wochen sah ich meinen Mann häufig mit seinem Kopfhörer. Er hörte die Vorträge wieder und wieder. Ich selber interessierte mich nicht weiter dafür.
„Warum bist Du so anders?“
Allerdings fiel mir auf, dass mein Mann sich veränderte. Wenn man einige Jahre verheiratet ist, neigt man ja häufig zu der Auffassung, seinen Ehepartner genau zu kennen und im Voraus zu wissen, was er denkt und fühlt. Ich machte darin keine Ausnahme. Doch nun machte ich die Entdeckung, dass mein Mann sich immer wieder überraschend anders verhielt: er war aufmerksamer, zärtlicher, geduldiger – kurz, ich fühlte mich auf eine besondere Weise geliebt. Nach einiger Zeit beunruhigte mich diese Veränderung schon etwas und ich fragte: „Was ist passiert, warum bist du so anders?“ Und mein Mann schaute mich strahlend an und meinte: „Merkt man das, habe ich mich tatsächlich verändert?“ Dann gab er mir diese MP3 und sagte: „Hör dir das einmal an!“ Ich hörte einen der Vorträge und was ich hier über die Ehe, die Sexualität und die menschliche Liebe erfuhr, begeisterte mich.
Das war unsere erste Begegnung mit der sog. „Theologie des Leibes“ und mit ihr eröffnete sich uns eine neue Welt. Wir lernten über die Schönheit unserer Ehe zu staunen und entdeckten die Liebe in einer ganz neuen Fülle und Tiefe. Und wir kamen zu der Überzeugung: Die Theologie des Leibes ist das Erbe, das uns Johannes Paul II. hinterlassen hat. Sie birgt einen Schatz, der darauf wartet, gehoben zu werden. Sie birgt, davon sind wir überzeugt, das Potenzial zur Erneuerung der Ehen und Familien und damit auch zur Neuevangelisierung Europas, die wir so sehr ersehnen.
Überrascht von der Schönheit der menschlichen Liebe
Mit dem Buch „Eine Vision von Liebe“ möchten wir dem Leser die Gedanken Johannes Pauls II. nahe bringen. Wer in zwei Sätzen eine zufriedenstellende Antwort zu den Streitfragen Scheidung, Zölibat, Frauenpriestertum erwartet, wird sie nicht erhalten. Wer aber als Suchender den Plan Gottes für die Liebe und das menschliche Herz verstehen möchte und sich in die Gedanken Johannes Pauls II. vertieft, wird am Ende überrascht sein, überrascht von der Schönheit der menschlichen Liebe, überrascht von der Schönheit des christlichen Glaubens.
Warum gibt es den Schmerz in der Liebe?
Können Sie sich ein Leben ohne Liebe vorstellen? Wir nicht! Die Sehnsucht nach Liebe ist tief in unserem Herzen verwurzelt, doch scheint die Liebe zwischen Mann und Frau – man könnte sagen, die natürlichste Sache der Welt – zum Problem geworden zu sein. Unsere Gesellschaft sagt uns: „Liebe ist ein Gefühl“ und wir beenden jahrelange Beziehungen mit dem Satz: „Ich fühle nichts mehr für ihn.“ Häufig bleiben wir allein mit unseren Fragen zurück: Warum gibt es den Schmerz in der Liebe? Kann die Liebe überhaupt ein Leben lang halten?
Wir sind für die Liebe geschaffen. Dennoch gelingt es uns nicht, unsere Sehnsucht mit unserem wirklichen Leben zusammenzubringen. Wir wissen alles über Sex, aber haben wir auch gelernt, zu lieben? Noch vor einigen Jahrzehnten endeten die meisten Ehen mit dem Tod eines Ehepartners. Heute enden viele Ehen weit früher mit der Bitterkeit einer Scheidung. Wir lesen frustrierende Statistiken, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit unsere Ehe in die Brüche gehen wird, und wir nehmen es als unabänderliche Tatsache hin, dass in unserem Freundeskreis reihenweise Beziehungen mit einer Trennung enden. Es scheint, dass immer weniger Menschen das Geheimnis einer glücklichen Ehe kennen.
Johannes Paul II. zeigt einen sicheren Weg zur Liebe auf
Könnte es einen Plan für die Liebe zwischen Mann und Frau geben, einen Plan, dem wir folgen können, damit wir auf einem sicheren Weg zur Liebe sind? In seiner „Theologie des Leibes“ zeigt uns Johannes Paul II. den Plan Gottes für die menschliche Liebe. Und dieser Plan ist in den Leib des Menschen hineingeschrieben. Unser Körper als Mann oder als Frau offenbart etwas von Gott. Auch die Geschlechtlichkeit des Menschen ist kein Zufall, vielmehr ist unsere Männlichkeit oder unsere Weiblichkeit ein wesentlicher Teil unseres Personseins. Unser Körper zeigt, dass wir für die Liebe und auf das andere Geschlecht hin geschaffen sind. Der Körper des Mannes würde für sich allein keinen Sinn ergeben, sondern erst im Blick auf den Körper der Frau. Erst im Blick auf den andern, auf das andere Geschlecht hin, verstehen wir, dass wir geschaffen wurden, um Liebe zu empfangen und Liebe zu geben. Die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau in der Offenheit für Kinder ist in ihrer tiefsten Bedeutung ein Abglanz, ein Bild für die Einheit Gottes mit allen Menschen. Sie ist ein Vorgeschmack des Himmels! Als wir dies bei einem Seminar sagten, flüsterte eine Frau in der ersten Reihe: „Oder die Hölle auf Erden.“ Warum empfinden so viele Ehepaare ihre Ehe nicht als Glück, sondern als Last? Daran sehen wir, dass etwas den ursprünglichen Plan Gottes für die menschliche Liebe zerstört hat.
Wenn wir die Geschichte betrachten, schauen wir für gewöhnlich zurück bis zu dem Ereignis, das die Geschichte der Menschheit mehr als alles andere verändert hat. Es ist das Ereignis, das wir in der christlichen Sprache den Sündenfall nennen. Seit dem Sündenfall ist der Schmerz in der Liebe normal, ist das Scheitern der Liebe normal. Doch Jesus lenkt unseren Blick noch weiter zurück. Er möchte, dass wir nicht auf unsere Gebrochenheit schauen und diese zum Maßstab unseres Handelns nehmen. Vielmehr richtet er unseren Blick auf die ursprüngliche Schönheit und Unversehrtheit des Menschen.
Notwendigkeit der Heilung unserer Gebrochenheit
Doch wie war es am Anfang, bevor der Mensch sich von Gott abwandte? Welche Erfahrungen machte der Mensch mit der Liebe in dieser Spanne Zeit zwischen seiner Erschaffung und der ersten Sünde? Johannes Paul II. überschreitet in seiner „Theologie des Leibes“ diese symbolische Grenzlinie und betrachtet den Menschen in seiner „ursprünglichen Unschuld“. Wir haben natürlich keinen direkten Zugang zu den Erfahrungen, die Adam und Eva vor dem Sündenfall mit ihrer Leiblichkeit und der Sexualität machten. Dennoch existiert in jedem von uns ein „Echo“, ein Widerhall dieses ursprünglichen Zustandes.
In seinem Buch „Das Silmarillion“ beschreibt J. R. R. Tolkien die Erschaffung des Universums. Die Welt entsteht durch den Gesang der Engel. Doch der Engel der Finsternis ist eifersüchtig auf die schöpferische Kraft Gottes und stört die Musik immer wieder durch seine Misstöne. Aber die Disharmonie kann die ursprüngliche Schönheit der Melodie Gottes nicht zerstören. Dies ist vergleichbar mit der ursprünglichen Schönheit des Menschen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Auch wenn die Sünde dieses Bild verzerrt hat, gelingt es ihr doch nicht, die ursprüngliche Schönheit des Menschen ganz zu zerstören, und sie lebt in uns fort als ein Echo, eine Sehnsucht des Herzens. Auf diesem Hintergrund betrachtet Johannes Paul II. die ersten Kapitel des Buches Genesis und erschließt uns eine verblüffende Vision der Liebe. Er zeigt uns die Schönheit der menschlichen Liebe, aber auch unsere Gebrochenheit und die Notwendigkeit der Erlösung und Heilung.
Wichtiger Beitrag zur Neuevangelisierung
Livio Melina, Präsident des Johannes Paul II. Instituts in Rom, schreibt im Vorwort unseres Buches: „Insofern Birgit und Corbin Gams dem Leser das Denken des großen polnischen Papstes – und damit auch die Lehre der Kirche – über den menschlichen Leib und die menschliche Liebe auf verständliche und lebhafte Weise näherbringen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Neu-Evangelisierung, die ja untrennbar mit dem Schicksal der christlichen Familie verbunden ist. Johannes Paul II. folgend präsentieren sie eine von jeglichem Moralismus gereinigte Sicht auf die Normen der christlichen Sexualmoral, welche hier ganz klar als Ausdruck und Konsequenz der Wahrheit über die Liebe verstanden werden. Wie Gottes Liebe frei, bedingungslos, treu und lebenspendend ist, so ist auch die menschliche Liebe berufen, diesen Eigenschaften nachzueifern und so seine Liebe widerzuspiegeln.“
Mit diesem Buch möchten wir uns bei Johannes Paul II. bedanken für seine Liebe zu den Jugendlichen und den Familien und vor allen Dingen für seine „Theologie des Leibes“. Wir verbinden damit den Wunsch und unser Gebet, dass viele Menschen den wunderbaren Plan, den Gott für die menschliche Liebe hat, entdecken und danach leben.
Neuerscheinung:
Birgit und Corbin Gams: Eine Vision von Liebe. Die Theologie des Leibes nach Johannes Paul II. Gebunden, 192 Seiten.
Bestellung an: Vision Liebe, Corbin Gams, Marktstraße 47, A-6850 Dornbirn. Im Internet: www.visionliebe.com/ index/vision-von-liebe/
Die Kirche hütet die göttlichen Gebote zu Sexualität und Ehe
Wahre Liebe macht glücklich
Schwester Maria Margareta, geb. 1953, trat 1991 in den Orden der Heimsuchung Mariä in Uedem ein. Bis dahin hatte sie ganz weltlich gelebt und sich nicht um Gott gekümmert. In einem Buch mit dem Titel „Weil ICH Dich liebe…“ gibt sie einen Einblick in ihre tiefe Beziehung zu Christus, die ihrem Leben eine völlig neue Richtung gegeben hat. Die Publikation ist 2013 als Beitrag zum „Jahr des Glaubens“ erschienen und führt mit einfachen Worten in die katholischen Glaubensinhalte ein. Nachfolgend einige Auszüge zu den Themen Ehe, Sexualität und voreheliche Enthaltsamkeit.
Von Sr. Maria Margareta Laumann OVM
Die Ehe als Vorausbild der Liebe zwischen Gott und der Seele
Die Ehe zwischen Mann und Frau ist daher von Gott selbst eingesetzt und sie gehört mit zu den tiefsten Sehnsüchten eines Menschen. Uns allen ist es doch wahrscheinlich so ergangen, dass wir in unserer Jugend von dem Glück träumten, einst einen Partner an unserer Seite zu haben, der uns innig, aufrichtig liebt, uns bestens versteht, allezeit für uns da ist und treu zu uns hält, ein Leben lang. Dieser tiefe Wunsch nach Verständnis und Geborgenheit bei einem geliebten Menschen ist tief hinein versenkt in jede menschliche Seele. Letztendlich ist dieser Kern ein Ruf nach Gott, denn nur ER allein kann und möchte diese Sehnsucht auf immer und ganz erfüllen. ER hat sie bewusst in den Menschen hinein gelegt, damit wir nach der Erfüllung suchen und Gott, unseren Schöpfer und Vater, finden: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir“, sagt der hl. Augustinus. Ein Mensch kann also nie zur letzten Erfüllung eines anderen Menschen werden. Dies bleibt stets Gott mit der einzelnen Seele vorbehalten. Doch durch die Grundlegung der Ehe zwischen Mann und Frau möchte Gott ein Vorausbild schaffen für die innige Vereinigung zwischen IHM und der einzelnen Seele. Die Ehe ist also auch ein Bild für die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Es ist vollkommene gegenseitige Hingabe, Vereinigung, Liebe, Treue, Fürsorge. So ist es von Gott als Geschenk von IHM für uns gedacht. Wir alle aber wissen, dass es uns aufgrund der menschlichen Schwäche nicht möglich ist, uns diese gegenseitige Liebe und Hingabe vollkommen zu schenken. Die Ehe bleibt eine lebenslange Aufgabe. Sie ist auch eine Anfrage Gottes an unser Herz, ob wir den festen steten Willen haben, unseren Ehepartner zu lieben, treu durch alle Schwierigkeiten, Probleme, Krankheiten, Nöte, Enttäuschungen hindurch. Wenn wir vor Gott zueinander „Ja“ gesagt haben, verbindet ER die Eheleute durch Seinen Segen miteinander und mit sich selbst, denn zu einer christlichen Ehe gehören drei Personen: Mann und Frau und Gott. Sie bilden eine tiefe untrennbare Einheit. Deshalb kann und darf der Mensch nicht trennen, was Gott gebunden hat (Mt 19,6). Wer vor Gott seine Ehe geschlossen hat, darf also davon überzeugt sein, dass sie unter Seinem besonderen Schutz steht und dass ER in dieser Ehe besonders gegenwärtig ist.
Die Sexualität als Quelle göttlicher Freude
Die Sexualität ist ein großes Geschenk Gottes. Von IHM gedacht als Gabe des Glückes in der innigsten Vereinigung zwischen den beiden Ehepartnern und … Gott selbst. Diese Vereinigung zwischen Mann und Frau ist, wenn sie in rechter Weise in gegenseitiger Hochachtung und Hingabe und im Bewusstsein der Gegenwart Gottes geschieht, Handeln in Gott, denn der tiefste Wunsch dieser Vereinigung ist die Zeugung neuen Lebens. Ein Kind, die Frucht der gegenseitigen Liebe, ein Mensch, der als Geschöpf Gottes ewig leben wird! Ohne Zutun Gottes, der die Seele schenkt, ist dies jedoch unmöglich. So ist es von Gott zutiefst gedacht und erwünscht.
Doch wie ist heute die Vorstellung von Sexualität? Wie sehr sind wir von dem Weg abgekommen, den Gott sich vorgestellt, gedacht und es uns geschenkt hat? Welche Verzerrung und Verkennung!
Gott gibt seine Gebote aus Liebe und Fürsorge und … weil ER die Würde unserer Person kennt und uns vor Schaden schützen möchte:
Wer seinen Körper vor der Ehe durch wechselnde Partnerschaften verschenkt, verletzt seine Würde. Er verletzt sich selbst, denn seine tiefste Sehnsucht ruft nach Treue, Erkennen und Lieben seines ganzen Ichs. Mit jedem Wechsel in eine neue intime Beziehung verliert er ein Stück seines Ichs, verliert er sich selbst. Dieser Schmerz ist gewaltig. Wie viele Menschen sind aus Liebeskummer, Enttäuschungen, Verletzungen in der Partnerschaft aus dem Leben geschieden. Ein Zeichen dafür, dass Sexualität und Liebe zueinander gehören, nicht getrennt werden dürfen und auf Dauerhaftigkeit angelegt sind, nicht auf Wechsel. Wer nach vorehelichen sexuellen Beziehungen schließlich den richtigen Ehepartner gefunden hat, entbehrt dann das Glück, diesem Menschen allein für immer anzugehören. Deshalb ist es ein hohes Gut, sich aufzubewahren für den Ehepartner, den Gott mir schenken möchte, um diesem allein ein Leben lang ganz anzugehören.
Der Segen vorehelicher Enthaltsamkeit
Die Sexualität gehört als Gabe Gottes in die Ehe zwischen Mann und Frau. Für sie hat Gott dieses Geschenk vorgesehen. Sein Gedanke ist nicht vorrangig die Befriedigung körperlicher Lust, wie es bei häufig wechselnden Partnerschaften leider oft nur vordergründig gesehen wird, sondern es ist die ganz persönliche Hingabe seines ganzen Seins an den Partner. Wer nur auf die Lust schaut, verfehlt den eigentlichen Sinn der Ganzhingabe und verletzt die Würde des Partners, weil er nicht die Person selbst suchte, sondern letztendlich nur sich selbst. So stirbt die gegenseitige Liebe, die nur an der Oberfläche vorhanden war. Es kommt zu Enttäuschungen und schmerzvollen Ereignissen und schließlich zur Trennung. Vor Kummer, dass man nicht wirklich geliebt wurde, flüchten viele alsbald in eine neue voreheliche Partnerschaft, um wiederum nach einer gewissen Zeit festzustellen, dass der Partner Fehler und Mängel hat, die ich auf lange Sicht nicht ertragen möchte. Also, besser nicht heiraten, das bringt weniger Umstand und Probleme. Doch … wo bleibt Gott in diesen Beziehungen? Wie soll ich das von mir ersehnte Glück finden, wenn ich IHN außen vor lasse, sein Gebot nicht beachte, das er aus liebender Fürsorge gegeben hat, nicht weil ER mir das Glück nicht gönnt! Gott möchte uns durch sein Gebot des Verzichtes auf voreheliche intime Beziehungen vor all diesen wiederkehrenden Enttäuschungen beschützen. Seinen Körper zu verschenken, um sich dann wieder zu trennen, macht im tiefsten Herzen unzufrieden, unglücklich, ja innerlich einsam. Schauen wir in unseren Umkreis. Wie viel Leid durch Trennungen, immer wieder Trennungen und Schmerz. Wie viel besser ist es da, um den rechten Ehepartner geduldig zu beten. Dann ist es vor Gott richtig, bis nach der Eheschließung mit der intimen Begegnung zu warten, um sich dann ganz einander zu schenken in gegenseitiger alleiniger Zugehörigkeit. Hierzu gehört eine große Selbstdisziplin. Jedoch bringt dieses Verhalten den größten Segen und bindet die Eheleute besonders innig miteinander. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ehe ein Leben lang hält, ist viel größer, als jede andere partnerschaftliche Beziehung ohne den Segen Gottes.
Ein kurzer Zwischenvermerk: Abwenden müssen wir uns absolut von jeder Art der Pornografie. Wir sind Abbild Gottes! Welche Würde! Die wollen wir uns bewahren!
Die Kirche als Hüterin der von Gott verkündeten Wahrheit
Noch ein Zusatz für die Menschen, von denen man immer wieder hört: Die Kirche ist ja altmodisch, sie geht nicht mit der Zeit. Heute denkt man ganz anders … usw. Sie alle kennen solche Äußerungen. Die Kirche, das sind wir, wir dürfen doch nicht die Gebote Gottes als heute für ungültig ansehen. Welch gefahrvoller Irrtum wäre das. Die Kirche ist Hüterin der von Gott verkündeten Wahrheit und Gebote. Sie darf ihr Fähnchen nicht nach dem Wind drehen mit der Ansicht: Was die Mehrheit denkt und tut, ist das Richtige und entspricht der Zeit. Keineswegs. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns dafür einzusetzen, dass Gottes Gebot beachtet wird. Zumindest sind wir verpflichtet, stets und dringend darauf hinzuweisen und selbstverständlich dürfen wir dies auch nicht verleugnen.
Es geht nicht darum, sich anzupassen, das wäre ja ganz falsch, sondern es muss darum gehen, dass wir wieder Gottes Fürsorge in seinen Geboten erkennen und annehmen. Ansonsten können wir nicht zutiefst glücklich werden!
Die Tatsache der wechselnden intimen Partnerschaften vor der Ehe birgt auch die Gefahr, dass ich es später mit der ehelichen Treue nicht so genau nehme. Ich sage nicht, dass es zwangsläufig so ist, sondern dass dies ein Schwachpunkt sein kann, wenn ich mir meine Treuepflicht zum Ehepartner vor Gott nicht mehr bewusst mache. Durch den Ehebruch wird die innige Zweisamkeit, die ganz persönlich intime Verbindung, nicht nur die des Leibes, sondern auch die Verbindung mit dem persönlichen Ich des Partners zerrissen. Wie sehr verletze ich die Person meines Ehepartners! Eine Verletzung, die nur sehr schwer heilt und meist bleibt eine äußerst tiefe Wunde. Sie kann heilen, wenn der Ehepartner glaubwürdig und zutiefst Gott (Hl. Beichte) und seinen Ehepartner um Verzeihung bittet, diese Vergebungsbitte angenommen und durch künftiges Verhalten Reue und Liebe zum Partner glaubwürdig und innig bekundet wird.
Im Ehepartner Christus Liebe erweisen
Eine große Hilfe, in rechter Weise miteinander umzugehen, ist ein Wort Jesu: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr Mir getan (Mt 25,40). Mit dem Geringsten ist jeder Mensch gemeint, denn alle sind gering vor Gott. Jesus also in allen Menschen sehen. Jesus im Ehepartner sehen. Was ich dem Ehepartner antue, sei es im Guten oder Schlechten, habe ich wahrhaft Christus angetan. Wenn ich mir dies regelmäßig und strikt vor Augen halte, dann weiß ich auch, wie ich mich dem Partner gegenüber zu verhalten habe: mit Achtung, Ehrerbietung, Sanftmut und Demut. Ihm dienen heißt, Christus dienen. Ihm Liebe erweisen, heißt Christus Liebe erweisen. Wenn Ehepartner gegenseitig diese Wahrheit leben, dann wird die Ehe gelingen und reiche Frucht tragen zum Ansporn für andere Paare, diesen Weg mit Gott zu gehen.
Buchtipp:
Sr. M. Margareta Laumann OVM: Weil ICH Dich liebe… Der katholische Glaube in einfachen Worten aus dem Herzen erklärt. Gebunden, 135 Seiten.
Bestellung: Kloster der Heimsuchung Mariä, Mühlenstraße 42a, 47589 Uedem – Homepage des Klosters: www.kloster-der-heimsuchung.de
Aktion 1000plus hilft Schwangeren in Not
Die „Aktion 1000plus/Pro Femina“ ist eine überkonfessionelle Initiative, die sich für die Beratung von schwangeren Frauen einsetzt. Ziel ist es, eine Hilfe anzubieten, die es den Frauen leichter macht, zu ihrem Kind Ja zu sagen und auf eine Abtreibung zu verzichten. In den letzten Wochen gab es erhebliche Irritationen, da sich verschiedene Diözesen gegen eine Unterstützung der Aktion in ihren Pfarreien ausgesprochen hatten. Nun wurde bekannt, dass die Ablehnung vom Deutschen Caritasverband angestoßen wurde. Dies bringt zwar ein wenig Licht in die Auseinandersetzungen, lässt aber den Ruf nach einer Überprüfung der Ausrichtung des Caritasverbands laut werden.
Von Werner Schiederer
Mit großer Erleichterung haben zahlreiche Gläubige die Äußerung des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, P. Hans Langendörfer SJ, aufgenommen, dass die Aktion 1000plus/ Pro Femina „insgesamt positiv eingeschätzt und mit Sympathie begleitet“ werde. Auch die jüngsten Stellungnahmen der Diözesen Eichstätt und Regensburg sorgten für eine positive Überraschung. Denn zuvor hatten die Bistümer Augsburg und Speyer die Unterstützung von Pro Femina in ihren Pfarreien untersagt. Als Begründung wurde auf die kirchlichen Beratungsangebote vonseiten der Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) verwiesen. Das Erzbistum Freiburg drohte den Pfarrern, die Werbeaktionen durchführen, sogar an, sie persönlich in Regress zu nehmen. Weder auf Pfarrei- noch auf Dekanatsebene dürfe man der Initiative ermöglichen, Spenden zu sammeln.
Weihbischof Thomas Maria Renz aus Rottenburg-Stuttgart hatte darauf mit Verwunderung reagiert und in einem Beitrag für die Tagespost erklärt: „Solange so viele Ungeborene sterben müssen wie Ulm, Trier oder Jena Einwohner hat, gibt es nicht genug, sondern immer noch zu wenig lebensbejahende Beratungsangebote für Frauen in Schwangerschaftskonflikten.“
Der Generalvikar des Bistums Eichstätt, Isidor Vollnhals, zitierte in einem Rundschreiben an die Eichstätter Pfarrer Bischof Gregor Maria Hanke mit der Aussage: „1000plus macht gute Arbeit, es steckt sogar viel Ehrenamt drinnen. Die Mitarbeiter dieser Organisation sollen Zugang zu den Pfarreien haben und ihr Projekt vorstellen können.“
Generalvikar Michael Fuchs stellte für das Bistum Regensburg ausdrücklich fest, man sehe keinen Grund zu einem Verbot, da der Verein „gemäß der katholischen Grundlagen und nicht im staatlichen System, das die Bestätigung zur straffreien Abtreibung ausstellt“, berate.
Die Aktion 1000plus ist ein Gemeinschaftsprojekt von Pro Femina e.V., Die Birke e.V. und der Stiftung Ja zum Leben. Ziel ist es, Frauen im Schwangerschaftskonflikt bestmögliche Beratung und konkrete Hilfe zu bieten. Daneben hat sie sich zur Aufgabe gemacht, mithilfe öffentlichkeitswirksamer Wort-, Bild- und Informationskampagnen einerseits auf die Not von Schwangeren im Konflikt, andererseits auf die Würde, den Wert und die Schönheit jedes Menschen aufmerksam zu machen. Schirmherrin des Projekts ist Johanna Gräfin von Westphalen. Im Jahr 2013 wurden im Rahmen des Projekts 1000plus 1.987 Schwangere beraten: 1.742 Schwangerschaftskonfliktberatungen, 238 Sozialberatungen, 7 Beratungen nach Einnahme von Mifegyne. In 711 Konfliktfällen, in denen die Frauen ihre Entscheidung mitgeteilt haben, haben sich 492 Schwangere (69,2%) für ihr Baby entschieden. Die Beratung wird zu 100 Prozent aus Spenden finanziert.
Leider hat der Deutsche Caritasverband eine Kampagne gegen 1000plus gestartet. In einem Schreiben vom 8. Mai 2014 bringt der Verband sein großes Interesse daran zum Ausdruck, dass die Lebensschutzorganisation 1000plus/Pro Femina e.V. seitens der Bistümer aktiv ausgebremst wird: „Unserer Ansicht nach besteht keine Notwendigkeit, einem außenstehenden Verein in kirchlichen Strukturen die Möglichkeit einer Werbeplattform für das Einwerben von Spendenmitteln zu geben.“ Der Brief stammt von Prof. Dr. Georg Cremer, dem Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, und Theresia Wunderlich, Abteilungsleitung Soziales und Gesundheit, und ist „an die Direktor(innen) der Diözesan-Caritasverbände“ gerichtet.
Weiter heißt es: „Wir sind dankbar, wenn Sie in Ihren Kontakten mit der Bistumsleitung auf diesen Sachverhalt hinweisen und anregen, ein Schreiben an die Gemeindeleitungen zu richten, in dem dieser Sachverhalt kritisch kommentiert und um größere Zurückhaltung gebeten wird.“ Als Begründung wird angegeben, die Beratungsstellen von Caritas und SkF nutzten „alle im rechtlichen und politischen Rahmen gegebenen Möglichkeiten, Frauen und Paare in Konfliktsituationen zu erreichen“.
Dieser Vorgang zeigt, wie sehr unsere Kirche den ehrlichen und dienenden Geist braucht, den Papst Franziskus anmahnt.
P. Dr. Stefan Oster SDB lässt aufhorchen
Pornografie: Wir dürfen nicht kapitulieren!
Pater Dr. Stefan Oster SDB hat am 8. Mai 2014, gut zwei Wochen vor seiner Weihe zum 85. Bischof von Passau, im Prinz-Carl-Palais in München den Eid auf die Bayerische Verfassung abgelegt. In seiner mutigen Rede stellte er fest, dass der massenhafte Konsum von Pornografie bei Jugendlichen gar nicht mehr hinterfragt werde. Damit aber würden wir flächendeckend gegen unsere Verfassung verstoßen, die uns dazu verpflichte, die Jugend vor sittlicher Verwahrlosung zu schützen.
Von P. Stefan Oster SDB, hier noch als designierter Bischof von Passau
Die Jugend ist vor sittlicher, geistiger und körperlicher Verwahrlosung zu schützen
Als ein Sohn Don Boscos habe ich ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, was in der Bayerischen Verfassung über Kinder und Jugendliche gesagt ist. Und ich bin froh, dass dort beispielsweise der Schutz der Familie und das natürliche Fürsorgerecht wie auch die Fürsorgepflicht der Eltern so stark gemacht werden. Oder ich bin auch sehr froh über die obersten Ziele von Bildung, die da genannt werden, etwa als erstes: die Ehrfurcht vor Gott, die Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen und neben anderem dann auch noch die Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne als Bildungsziel. … „Die Schulen“, heißt es im Artikel 131, „sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.“ Wie schön. Und ich habe auch den folgenden Satz, Artikel 126, Absatz 3 der Verfassung mit voller Zustimmung gelesen: „Kinder und Jugendliche sind durch staatliche und gemeindliche Maßnahmen und Einrichtungen gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung und gegen Misshandlung zu schützen.“ Diese Ziele für die Bildung und zum Schutz der Jugend könnten aus der Feder Don Boscos selbst stammen. …
Was die sittliche Verwahrlosung angeht, möchte ich einen Punkt besonders hervorheben, der mir in der Seelsorge mit jungen Menschen in den letzten Jahren immer und immer wieder begegnet ist und mir daher auch besondere Sorge bereitet.
Das Massenphänomen des Konsums von Pornografie und Gewaltdarstellungen
Ich möchte uns alle als Mitverantwortliche in Politik und Gesellschaft fragen, ob nicht ein sehr breiter Schulterschluss nötig wäre, gegen das Massenphänomen des Konsums von Pornografie und Gewaltdarstellungen in den Medien, vor allem im Internet und vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen. Wenn es wie heute völlig selbstverständlich ist, dass bereits Kinder unter 10 Jahren ständige, spielend erreichbare und unkontrollierbare Zugriffsmöglichkeit auf die Darstellung härtester und brutalster sexueller Praktiken haben, wenn der regelmäßige Konsum von Pornografie bei zahllosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gar nicht mehr hinterfragte, sondern völlig selbstverständliche, vielfach schon längst jahrelange Praxis ist, wenn zugleich klar ist, dass der Konsum von Pornografie und Gewalt in den Synapsen des Gehirns Reaktionen auslöst und forciert, die denen im Gehirn von Süchtigen gleichen, dann frage ich mich ernsthaft, ob wir hier nicht flächendeckend gegen unsere Verfassung verstoßen haben. Denn die Verfassung gibt uns ja auf, die Jugend vor sittlicher Verwahrlosung zu schützen.
Der Mensch wird zum Objekt degradiert und seiner Beziehungsfähigkeit beraubt
Die Folgen dieser Verwahrlosung werden wir aus meiner Sicht in unserem Land vor allem in naher Zukunft alle zu spüren bekommen und ich bin der Meinung, wir spüren es auch jetzt schon. Sie deuten sich an, wenn wir uns die Frage stellen, wie sich solcher Konsum langfristig wohl auf das Seelenleben und das sich ständig entwickelnde Gehirn der jungen Menschen auswirkt; und wie es sich von dort vor allem auf die Beziehungsfähigkeit des Menschen niederschlägt. Beziehungsfähigkeit lebt nämlich grundlegend davon, dass der andere Mensch nicht benutzt, sondern geliebt, nicht zum Objekt degradiert, sondern als Person geachtet wird. Und ich sage das nicht anklagend gegen einzelne, sondern im Grunde als Anfrage an uns alle, die wir in der Gesellschaft für junge Menschen Verantwortung haben. Durch den Konsum von Pornografie oder Gewalt … wird der Mensch nicht im tieferen Sinn Mensch, sondern beraubt sich eben dieser Fähigkeiten, es zu werden und zu sein. Pornografie in ihrer Produktion und in ihrer Nutzung verstößt meines Erachtens übrigens auch grundlegend gegen das hehre Verfassungsziel der Achtung vor der Würde jedes Menschen.
Kongress des „Weißen Kreuzes“ vom 22.-24. Mai
Schon im Vorfeld unter Beschuss
Jedes Jahr veranstaltet das „Weiße Kreuz“, eine evangelische, eindeutig biblisch ausgerichtete Organisation einen Kongress zu ihrem Schwerpunktthema „Sexualethik und Seelsorge“. Christa Meves begrüßt das „so sachkundige Wachsen einer Bewegung von fachbezogener psychologischer Hilfe und Seelsorge auf dem Boden eines betont christlichen Menschenbildes“. Durch die intensive Zusammenarbeit mit dem damaligen Leiter, dem klarsichtigen Pfarrer Gerhard Naujokat, hat sie mit einer Vielzahl von Vorträgen am Bekanntwerden des Weißen Kreuzes mitgewirkt. Auch ist sie beim letztjährigen Kongress selbst aufgetreten. Außerdem sind eine Vielzahl ihrer Bücher in dem früher vom Weißen Kreuz betriebenen Verlag herausgegeben worden. Sie nimmt Stellung zu den Angriffen auf die Veranstaltung im Vorfeld.
Von Christa Meves
Wir haben bei unserem diesjährigen Kongress keine Aussicht, von Störungen unbehelligt zu bleiben“, sagt der Leiter des „Weißen Kreuzes“, Rolf Trauernicht, „wir haben die Polizei bereits informiert. Die per Internet anrüchig gemachten Referenten haben dennoch nicht abgesagt.“
Was ist das für eine Veranstaltung im friedlichen Norddeutschland, die man bereits im Vorfeld anfeindet, so dass sie des Schutzes der Staatsgewalt bedarf? Was schlägt da aus den Internetforen bereits dem Vorhaben der Veranstalter mit anfeindenden Personen-Beschimpfungen entgegen?
Es handelt sich um den erneut anberaumten Kongress einer außerordentlich respektablen Institution mit einer umfänglichen Tradition, die bereits seit 124 Jahren besteht. Sie wurde in der Nachkriegszeit ausgebaut und erwuchs in den vergangenen Jahrzehnten zu beachtenswerter Blüte. Das Weiße Kreuz entstand bereits 1890 im Zuge einer angloamerikanischen neu-pietistischen Erweckungsbewegung. Unter Betonung unverfälschter biblischer Verkündigung legte sie ihren Schwerpunkt auf „Sexualethik und Seelsorge“, wie heute der Titel ihrer Zeitschrift heißt. Angelehnt an die Evangelische Allianz und den Gnadauer Verband ist daraus heute in Ahnatal bei Kassel ein beachtliches Werk seelsorgerlicher Ausbildung und Fortbildung geworden. Fokussiert auf Christus erweist sich dieses Werk in der Tat in bedrängter Zeit als vorzügliches, sachbezogenes Hilfsorgan.
Erneut steht nun der diesjährige Kongress vom 22.-24. Mai mit einem umfänglichen Programm an: mit Vorträgen, Halbtags-Seminaren und handfesten, für die Praxis anleitenden Informationen in Erwartung Hunderter von Teilnehmern. Die Referenten kommen aus der Praxis und bieten für die Praxisarbeit vertiefende Anregungen: Fachärzte, psychologische Psychotherapeuten, Soziologen, Theologen. Jeder, der auf das reichhaltige Programm schaut, erkennt, mit wie viel Sachbezogenheit hier die heute so dringend nötig gewordenen seelischen Hilfen für Menschen in Not angeboten werden.
Wer oder was will also dieser biblisch rein gehaltenen, sachlich nüchternen Glaubensumsetzung an den Kragen?
Federführend ist der lesben- und schwulenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag, Kai Klose. Sein öffentliches Alarm-Schlagen hat bereits auf den Facebook-Seiten des CSD Kassel e.V. zu giftigen Kommentaren und Aufrufen zum Stören geführt: „Solche Treffen von Menschen mit eindeutig wahnsinnigen und psychisch auffälligen Gedanken (die Dummheit lass ich mal außen vor) sollten erst gar nicht stattfinden dürfen und man müsste ein Zeichen setzen: Flashmop vor dem Kongress/ Antidemo zur selben Zeit/ Presse auf sich ziehen/ vor Kirchen demonstrieren…“
Klose nimmt ausdrücklich an zwei eingeladenen Referenten Anstoß: vorab an der Ärztin Dr. med. Christl Vonholdt, der Leiterin des Instituts für Jugend und Gesellschaft in Reichelsheim, das dem Werk OJC zugehört, welches einst aus dem CVJM (dem Verein christlicher junger Männer) hervorgegangen ist und sich reiner biblischer Treue verpflichtet fühlt.
Frau Dr. Vonholdt wird zum Thema sprechen: „Als Menschenkinder in der Identität wachsen“. Sie erläutert das im Kongressprogramm neben der Vortragsankündigung: „Der Mensch wird aus dem DU zum ICH, (Martin Buber). Was heißt das? Welche Beziehungserfahrungen haben wir in der Kindheit gemacht? Wie sieht unser Beziehungsverhalten heute aus, zu uns selbst, zu anderen, zu Gott? Wie können wir in unserer Identität heute wachsen?“ Das klingt nach einem unverfänglichen Beitrag zum heute neu interessant gewordenen Abschnitt der Entwicklungspsychologie: den ersten Kinderjahren.
Aber den Gegnern kann das als Ausweis ihrer Harmlosigkeit gewiss nicht genügen. Sie haben diese Fachfrau längst im Visier; denn sie publiziert seit Jahren in ihrem „Bulletin“ mit „Nachrichten aus dem Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“ immer neue aktuelle internationale Forschungsergebnisse, indem hier neue weltweite wissenschaftliche Ergebnisse auf dem Sektor der seit 45 Jahren in den westlichen Ländern „befreiten Sexualität“ und den Erfahrungen damit in den Mittelpunkt gerückt werden.
Das ist den Gegnern in der Tat nicht genehm; denn in Eindeutigkeit zeigt sich hier in vielfältigen Studien, dass sich das biblische Programm der Genesis: „Als Mann und als Frau schuf Gott den Menschen“ mit dem Zusatz: „Seid fruchtbar und mehret euch“ als sinnvolles Menschheitsprogramm sogar wissenschaftlich erhärten lässt.
Aber was berechtigt nun die Störwilligen, gegen die Überbringer solcher Nachrichten mit menschenunwürdigem Vokabular und mit Drohungen vorzugehen, obgleich doch gerade von den Gruppierungen der „neuen Vielfalt“ Menschenwürde und Zustimmung von allen immerzu lauthals eingefordert wird? Niemand der geballt christlichen Kongressteilnehmer wird ihnen doch die Art ihrer Lebensweise streitig machen! Haben allein die Angreifer ein Recht auf Menschenwürde, Achtung und Respekt? Gilt das nicht doch auch für die von ihnen zu Feinden erklärten Überbringern wahrhaftiger Fakten?
Ebenfalls Anstoß erregt ein zweiter Referent, der Dipl.-Sozialarbeiter Markus Hoffnung, der dem Verein „Wüstenstrom“ vorsteht, der, wie ähnliche Vereinigungen in den USA – und dort bereits in erheblicher Zahl –, hierzulande aber noch singulär, seine seelsorgerliche Arbeit solchen Personen widmet, die mit ihrer eigenen emotionalen Neigung zum Anders-sein nicht zufrieden sind. Er hat erfahren, was für eine Befreiung die Veränderung zur Normalität für ihn selbst war. Er hat sich durch diese hilfreiche Arbeit einen Namen gemacht. Er erläutert auf dem Kongress sein Konzept „Reise zum Mannsein“, mit dem er seit fünf Jahren Erfahrungen mit Männern im Hinblick auf ein „gelingendes Kontaktverhalten“ gesammelt hat.
Sein zweites Seminar widmet Hoffmann dem Thema: „Sexuelle Identitätsstörungen in der Beratung“. Dazu schreibt er in der Seminarankündigung: „Wir wollen Menschen mit Identitätsstörungen verstehen lernen. Vorstellung eines Behandlungskonzeptes und über sexuelle Identitätsstörungen: Übertragung auf ein Beratungssetting. Spezielle Schwierigkeiten und Fallen bei der Beratung von Menschen.“
Es wird durch diese Schwerpunkte klar, warum gerade diese beiden Personen ins Schussfeld geraten sind: Kai Klose spricht es direkt an: Die zwei Vortragenden würden auf dem Kongress der „Konversationstherapeutenszene ein Forum bieten“.
Um zu verstehen, was hier gemeint ist, muss der internationale Hintergrund mit gesehen und über ihn informiert werden: Im Bundestag liegen Anträge von Bündnis 90/Die Grünen vor, jegliches Therapieren von Menschen mit einer anderen sexuellen Ausrichtung zu unterlassen und Therapeuten, die dem nicht Folge leisten, mit Strafe zu belegen. Wieso ist dergleichen Seltenheit, dass Schwule ihr Schwulsein loswerden wollen und dafür einen Heiler suchen, so gewichtig, dass daraus der Antrag zu einer Gesetzesänderung und bissige Angriffe im Vorfeld eines Fachkongresses für nötig gehalten werden? Dazu eben braucht es mehr Hintergrundwissen:
Bereits auf einer Konferenz maßgeblicher Verbände in den USA, beschloss die IPPF 1969 (International Planned Parenthood Federation) – eine der mächtigsten internationalen Abtreibungsorganisationen[1] –, eine Strategie zur Bevölkerungsreduktion voranzutreiben.[2] Federführend war dabei Mr. Frederick S. Jaffe, der damalige Vizepräsident der IPPF, mit seinem Vorschlag, die Homosexualität zu fördern, um sie damit prozentual zu erhöhen. „Die Jaffe-Forderung brachte vor allem für die westliche Welt eine tödliche Gefahr: Denn erstens wurde Homosexualität als ,angeboren‘ und für ,normal‘ erklärt. Die WHO nahm deshalb Homosexualität aus dem Katalog der Erkrankungen heraus. Zweitens geschah die rasche Ausbreitung von Aids in der westlichen Welt, besonders durch die Risiken der Homosexuellen, da diese sehr häufig auch in Bisexualität leben.“[3]
Das ist eingängige ideologische Strategie: Da auf diese Weise die Homosexualität zu einer „Spielart“ sexueller Normalität erklärt wurde, würde es gegenstandslos werden, sie zu therapieren.“
Es ist also zu verstehen, dass die Betroffenen, die sich bereits als Vierjährige ihr Anderssein erträumen, später meinen, ihre Homosexualität sei angeboren; denn das Alter der 4-7-Jährigkeit ist das Zeitfenster für die von den Eltern übernommene oder abgelehnte sexuelle Identität. Der Beweis, dass Homosexualität angeboren ist, ist hingegen bis heute nicht erbracht worden. Dennoch ist diese Annahme mittlerweile in der Bevölkerung so weit manipulatorisch eingängig geworden, dass Therapeuten, die – vor allem Kindern – hier zur „Normalität“ verhelfen, künftig Bestrafungen zu erwarten haben, wenn das Gesetz durchgesetzt wird. Das aber würde therapeutisch unterlassene Hilfeleistung in statu nascendi bedeuten!
Was also wird hier gespielt? Es handelt sich um ein Umerziehungsprogramm der Kinder im Vorschulalter, in der Prägezeit für sexuelle Identität – als eine strategische Etappe im globalen Programm!
Deshalb wird der Behauptung von der Angeborenheit des Anders-Seins nun neuerdings auch noch durch Gender-Mainstreaming unverfroren hinzugefügt, dass hingegen das Junge-oder-Mädchen-sein bisher lediglich allein durch ein nun nicht mehr tolerierbares Vormachen einfältiger Eltern hervorgerufen worden sei! Deshalb müsse nun aber schnellstens durch ein Großprogramm von Gender-Instituten, die in den EU-Ländern plötzlich mit Milliarden von Geldern aus dem Boden gestampft wurden, künftig im Vorschulalter einer veralteten, einseitigen „Hetero-Ausprägung“ vorgebeugt werden, damit durch Offenbleiben der sonst hier erfolgten sexuellen Identität – und weiterhin unter schulischer Beihilfe – die Kinder dann von der Pubertät ab zur Ausgestaltung fortschrittlicher Moderne, gut angeregt dazu, zur erwünschten „sexuellen Vielfalt“ (LSBTTIQ) kommen können. Es kümmert die Verfechter der neuen Lehrpläne und der „Erziehung zur Vielfalt“ nicht, was die Hormonwissenschaft mittlerweile herausgefunden hat: Die geschlechtliche Identität, also die Bestimmung, als Mann oder als Frau das Leben zu bestehen, nimmt wenige Wochen nach der Zeugung – also bereits im Mutterleib – ihren Anfang! Wissenschaftlich ist also genau das Gegenteil der ideologischen Behauptungen wahr!
Der Kongress des Weißen Kreuzes in Kassel hat mit derlei Auseinandersetzungen nichts im Sinn. Die Arbeit dort ist hingegen von Sachverstand und echt hilfreicher Nüchternheit getragen. Man kann dort gelassen in der berechtigten Hoffnung abwarten, bis neue Forschungsergebnisse weitere Übereinstimmungen mit biblischer Wahrheit erbringen. In echt ökumenischer Gemeinsamkeit werden sich in Kassel weder die Veranstalter noch die vielen jungen lernbegierigen Besucher aus der Ruhe bringen lassen; denn sie sind Praktiker und arbeiten mit Menschen und mit sich dort bewährenden praktischen Hilfsprogrammen. Dort lässt sich die Wahrheit nicht so leicht in ihr Gegenteil verkehren.
[1] Kuby, G.: Die globale sexuelle Revolution, Kisslegg 2012, 99.
[2] Ebda.: 103.
[3] Maier, O.: Die Bevölkerungskontrolle als Bedrohung der Menschenwürde; Süßmuth, R. (Hrsg.), Empfängnisverhütung, Fakten, Hintergründe, Zusammenhänge, 644.
Philippinen: Lebendiger Glaube nach Erdbeben und Taifun
„Wenn ich mal groß bin, werde ich Priester!“
Das Volk der Philippinen hat eine einzigartige Gabe: Getragen vom christlichen Glauben lächeln die Menschen auch unter schwersten Lebensbedingungen wie Armut und Schicksalsschlägen. Damit bringen sie einen göttlichen Frieden in den Alltag und das mensch-liche Zusammenleben. Auch nach dem zerstörerischen Taifun im Herbst vergangenen Jahres zeigen die Betroffenen diese Herzens-stärke. Die meisten Hilfsorganisationen sind bereits wieder abge-zogen, obwohl der Wiederaufbau noch gar nicht richtig begonnen hat. Das Hilfswerk „Kirche in Not“ ist geblieben und berichtet von seinen Erfahrungen.
Von Felix Lungu
Nach dem Sturm kam das Lächeln. So ungewöhnlich es klingen mag: Seit dem Erdbeben und dem verheerenden Taifun lächeln die Menschen auf den Philippinen öfter als vorher und sie danken Gott. Denn nach diesen Prüfungen hat das Leben für sie einen neuen Sinn bekommen. Jeder neue Tag ist ein Segen. Noch nie waren auf den Philippinen so viele Menschen so arm wie jetzt. Dennoch haben sie gelernt, ihr Leben als Geschenk zu sehen.
Tatsächlich leben viele Philippiner in großem Elend. Ihr weniges Hab und Gut wurde ihnen durch das Erdbeben und den Sturm genommen. Fast alles haben sie in diesen Stunden der Angst verloren, dafür aber ein neues Leben gewonnen – und das ist unbezahlbar. Deshalb lächeln sie und vermitteln uns damit die Hoffnung auf den Aufbruch in eine neue Zeit.
In den Morgenstunden des 8. November 2013 traf um 04:40 Uhr der Taifun Haiyan mit voller Wucht auf die Region Guiuan im Nordosten der Philippinen. Selbst in diesem von Naturkatastrophen heimgesuchten Land hatte bislang niemand einen solchen Sturm erlebt. Der Supertaifun zerstörte mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 340 Stundenkilometern alles auf seinem Weg. Er kam zu einem Zeitpunkt, als gerade damit begonnen worden war, die Schäden des verheerenden Erdbebens vom 14. Oktober zu beheben. Doch dann wurden die Helfer im Schlaf erneut von einer Naturgewalt heimgesucht. Bäume wurden entwurzelt, Häuser zerstört und Ortschaften vernichtet. Fast jeder in den betroffenen Regionen hat Tote in der Familie zu beklagen. Auf bis zu 16 Millionen wird die Zahl jener geschätzt, die unmittelbar von den Folgen des Taifuns betroffen waren. Der Erzbischof der Diözese Palo, John Forrosuelo Du, verglich die Folgen des Tropensturms Haiyan mit der „Explosion einer Atombombe“.
Der Sturm zog in drei Etappen über die Inseln und wurde immer stärker. Mehr als 8000 Menschen starben oder gelten weiterhin als vermisst. Die internationale Gemeinschaft reagierte umgehend auf die ersten Berichte von der Tragödie. Nichtregierungsorganisationen, die Vereinten Nationen und viele Nachbarländer leisteten Soforthilfe. Die Welt nahm Anteil am Leid. Doch heute hat das Mitleid nachgelassen, die Hilfe kommt nur noch schleppend. Die Menschen sind es gewohnt, mit wenig auszukommen und wundern sich nicht, dass viele Hilfsorganisationen mittlerweile wieder abgezogen sind, obwohl der Wiederaufbau erst am Anfang steht. Nicht so das Hilfswerk „Kirche in Not“. Es hilft weiterhin beim Aufbau der Kirchen und Gemeindezentren, die das Herz der philippinischen Gesellschaft sind. Im Meer der Verwüstung bietet die Kirche einen sicheren Hafen.
Die Gemeinde Santo Isidoro Labrador in der 5000-Einwohner-Stadt Bohol ist ein gutes Beispiel dafür: Täglich werden hier hl. Messen gefeiert, jeden Tag danken die Menschen Gott für das Geschenk des Lebens. Doch wenn sie um sich blicken, sehen sie ihre Kirche in Trümmern. Fast alles ist zerstört. Ein Zelt ersetzt das Gotteshaus, doch die betenden Menschen beklagen sich nicht. Ihnen will „Kirche in Not“ eine neue Kirche schenken.
Schwester Pilar arbeitet seit 1975 auf den Philippinen. Sie unterstützt und unterrichtet Familien, versucht, sie der Armut zu entreißen. „Wie können wir mit leerem Bauch das Evangelium verkünden?“, fragt sie mit zärtlichem Blick. Gäbe es die Arbeit dieser Schwester in der Mission nicht, dann würden Hunderte verhungern. Lebten die Menschen schon vor der Katastrophe in erbärmlichen Verhältnissen, hat sich ihre Lage jetzt weiter zugespitzt. Die Armen trifft es am stärksten und die Hilfe der Kirche wurde für viele Familien zum einzigen Rettungsanker. Schwester Pilars Gemeinschaft ist klein. Die insgesamt fünf Schwestern leben von umgerechnet fünf Euro am Tag. Zu wenig? Für sie ist es genug – und manchmal bleibt auch etwas übrig. Täglich neu erfährt sie die Armut und berichtet, wie das notleidende Volk sich dennoch einen lebendigen Glauben bewahrt. Eine Frau sagte ihr einmal: „Schwester, wir haben nichts zu essen, aber wir gehen mit Gott und zünden eine Kerze an. Gott ist groß. Ein Haus kann man immer wieder neu bauen, wir aber leben!“ Auch diesen Schwestern steht „Kirche in Not“ zur Seite.
In der Diözese Isabela de Basilan sind die Christen eine Minderheit, die von der radikal-islamistischen Gruppe Abu Sayyaf drangsaliert wird. Christ zu sein bedeutet hier, gegen Armut, Naturgewalten und Terrorismus anzukämpfen. Die Diözese trägt die hl. Isabella von Aragon im Namen, die Beschützerin der Armen und Bedrängten, Hüterin des Friedens. In fast jedem Haus auf dieser Insel findet sich ein Bild der Heiligen, gleich neben der Muttergottes von Fatima. Die Gläubigen auf den Philippinen beten mit lauter Stimme, ohne Scham und mit fröhlichen und spontanen Gesten. Damit zeigen sie der Welt, wie fest ihr Glaube ist. Selbst in vom Islamismus bedrohten Regionen wie dieser, wo Dörfer geplündert, Priester verschleppt und ermordet werden, ist die große Freude im Glauben der Menschen zu spüren. Der Bischof von Isabela de Basilan, Martin Jumoad, nennt seine Gläubigen stolz „die Tapferen“. Denn sie trotzen den Bedrohungen furchtlos und sind ein Vorbild für die Welt.
Das Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt die philippinische Kirche. Die Hilfe reicht dabei vom Bau einfacher Brunnen über Schulen, Kirchen und Katechesezentren bis zur Ausbildung von Seminaristen und der Verbreitung von religiöser Literatur. Immer noch ist die Not unermesslich, immer wieder machen Naturgewalten die Lebensgrundlagen der Menschen zunichte, ihre Geduld verlieren sie aber nicht. In der Gemeinde Santo Rosário errichtete die Diözese 127 Häuser für die gleiche Zahl von Familien. Heute, nach dem erneuten Tropensturm, feiert der Bischof die hl. Messe in einem Stall. In der Gemeinde Santo Isidoro Labrador hat der Taifun derart gewütet, dass das Dach der Kirche wie ein Blatt Papier davongeflogen ist. Noch heute schlafen die Menschen in Kellerlöchern oder in der Kirche. Sie haben Angst und sind traumatisiert. Viele Gemeindemitglieder leben nur noch von dem, was ihnen die Kirche gibt: Essen, Kleidung und etwas Baumaterial, um ihre Häuser wiederaufzubauen.
Auf der Insel Bohol zerstörte der Taifun die Kirche, doch keiner hat hier die wahre Tragödie vergessen: das Erdbeben, das eine erschreckende Spur der Verwüstung hinterließ. Die Menschen richten ihre Klagen an die Regierung, die versprochen hatte, beim Wiederaufbau zu helfen, den Worten aber keine Taten folgen ließ. Die Menschen, die hier leben, brauchen etwas zum Essen, Arbeit und einen Platz zum Schlafen. Der Bischof der Diözese Tagbilaran, Leonardo Medroso, kritisiert die Regierung. Sie unterstütze nur den Wiederaufbau denkmalgeschützter Kirchen. Alle anderen gingen leer aus. Das Erdbeben von 2013 dauerte nur 33 Sekunden. Doch es reichte aus, um 25 der 60 Kirchen in der Diözese in Schutt und Asche zu legen. Auch die Kirche der Gemeinde Nossa Señora de la Paz y Buen Viagem ist nur noch ein Provisorium. Die Menschen leiden immer noch unter den traumatischen Ereignissen. Doch Pater Alexander Nalitan sagt: „Wir haben die Hoffnung, dass wir diese schwere Zeit überwinden werden.“
Gerard ist 11 Jahre alt. Der Hof der Kirche São Joaquin hat sich in einen riesigen Friedhof verwandelt. Gerard steht neben einem Kreuz und betet dort täglich, seit der Wirbelsturm Bäume entwurzelte, Häuser mit sich riss und den massenhaften Tod in sein Dorf brachte. Gerard überlebte, nicht aber seine Mutter und seine kleine Schwester. Heute sagt er voller Überzeugung: „Wenn ich mal groß bin, werde ich Priester!” Noch nie hat Gerard mit solcher Inbrunst gebetet. Täglich zündet er eine Kerze am Grab von Mutter und Schwester an. Täglich dankt Gerard dem Herrn, dass er am Leben ist, dass der Sturm ihn verschont hat.
Die Hoffnung hat die Philippinen nicht verlassen – in den gläubigen Menschen lebt sie weiter.
Helfen Sie mit beim Wiederaufbau der Kirchen und Gemeindezentren auf den Philippinen! Spenden ist möglich online unter www.spendenhut.de oder an: Kirche in Not, Verwendungszweck: Philippinen, IBAN: DE63750903000002152002, BIC: GENODEF1M05, LIGA Bank München.
Der „Diener Gottes“ Carlo Acutis starb 2006 mit 15 Jahren
Ein Vorbild für unsere heutige Jugend
Ehrendomherr Edmund Dillinger blickt mit großer Sorge auf die junge Generation. Kinder und Jugendliche verlieren zunehmend den Halt und kommen mit ihrem Leben nicht mehr zurecht. Dem stellt Pfarrer Dillinger das Beispiel von Carlo Acutis gegenüber, der im Jahr 2006 mit nur 15 Jahren an Leukämie gestorben ist. Obwohl sein Tod erst wenige Jahre zurückliegt, wurde ihm von Rom bereits der heroische Tugendgrad und damit der Titel „Diener Gottes“ zuerkannt. Dillinger möchte diesen außerordentlichen Jungen im deutschsprachigen Raum bekannt machen und ihn der heutigen Jugend als leuchtendes Vorbild vor Augen stellen.
Von Edmund Dillinger
Jugendliche verlieren den Sinn des Lebens
Es ist nicht zu übersehen, dass die Kirchen immer leerer werden. Besonders fehlen in den Gottesdiensten unsere Jugendlichen. Die großen Zusammenkünfte bei Weltjugendtagen, Prayer-Festivals oder Treffen der Jugend 2000 sind zwar erfreulich, aber es sind Ausnahmen. Wir müssen erkennen, dass die junge Generation immer mehr den Kontakt zu den Glaubenswahrheiten verliert, die allein dem Leben einen Sinn vermitteln können.
Wir hören täglich von den Abwegen unserer Jugendlichen: Gewalttaten, Koma-Saufen, Drogenkonsum, Überfälle, Raub und Brandstiftung. Immer mehr junge Menschen leiden unter Depressionen, machen ihrem Leben ein gewaltsames Ende. In meiner Heimat hat sich vor kurzem ein 23-Jähriger mit einer Kette an einen Baum gefesselt und angezündet. Vollkommen verkohlt wurde er gefunden. Er kam mit seinem Leben nicht mehr zurecht.
Alarmierende Zahlen
Gerade das sog. „Koma-Saufen“, von dem die Medien im Augenblick häufig berichten, ist außerordentlich gefährlich und weist auf den Mangel an Lebenssinn im Bewusstsein der betroffenen Jugendlichen hin.
Nach offiziellen Angaben sind im Jahr 2012 bundesweit 26.673 Minderjährige mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dies sind täglich etwa 70 Kinder und Jugendliche. Die 15- bis 20-Jährigen bilden die größte Gruppe der alkoholbedingten Krankenhauspatienten. Diese Zahlen haben sich in den letzten zwölf Jahren mehr als verdreifacht. Laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung geben 14 Prozent der 12- bis 17-Jährigen an, regelmäßig Alkohol zu trinken. In Anbetracht dieser Tatsache müssen wir uns fragen: Was kann hier Abhilfe schaffen?
Ein leuchtendes Gegenbeispiel
Der italienische Jugendliche Carlo Acutis, den ich hiermit vorstellen und bekannt machen möchte, ist ein leuchtendes Gegenbeispiel für uns und unsere Jugendlichen. Sein Vorbild zeigt, dass wir in der Nähe zu Gott auch heute ein frohes und glückliches Leben finden können, selbst wenn Not und Krankheit auf uns lasten und wir vermeintlich von Sinnlosigkeit umgeben sind.
Carlo Acutis wurde am 3. Mai 1991 in London von italienischen Eltern geboren, die dort eine Arbeit gefunden hatten. Am 18. Mai ließen sie ihn in der Londoner Kirche „Our Lady of Dolours“ – „Unsere Liebe Frau von den Schmerzen“ taufen. Diese Kirche ist eigentlich der Madonna von Fatima geweiht, eine Tatsache, welche die große Verehrung vorwegzunehmen scheint, die der Junge später zum Unbefleckten Herzen Mariens entwickelte. Von Anfang an waren in sein Inneres die Worte gesät, welche die Gottesmutter zu den drei Hirtenkindern in Fatima gesprochen hatte.
Bereits einige Monate nach seiner Geburt, im September 1991, kehrten seine Eltern Andreas und Antonia Acutis aus wirtschaftlichen Gründen nach Italien zurück und wohnten in Mailand. Der heranwachsende Junge hatte eine besondere Begabung für Computer-Programmierung. Freunde wie Informatik-Ingenieure betrachteten ihn auf diesem Gebiet als Genie. In seinem jungen Alter richtete er sein Interesse auf die Entwicklung von Programmen, die Erstellung von Web-Seiten und die Montage von Filmen. Doch bereits mit 15 Jahren erlag er einer schweren Leukämie. Seine Krankheit nahm er mit großem Gottvertrauen an und starb am 12. Oktober 2006 in Monza. Er wurde auf dem Friedhof in Assisi begraben, da er den hl. Franziskus zu seinem Schutzpatron erwählt hatte.
Von allen bewundert und geliebt
Carlo hinterließ ein authentisches Zeugnis christlichen Lebens. Bei allen, die ihn kannten, rief er eine große Bewunderung hervor. Für seine Mitschüler, aber auch für seine Lehrer war er ein außergewöhnlicher Mensch. Was machte ihn zu einem Jugendlichen, der von allen geliebt und geschätzt wurde?
Sein junges Leben war geprägt von einer großen Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus, besonders im Sakrament der Eucharistie, ebenso von einer besonderen Verehrung der Gottesmutter. Jeden Tag besuchte er die hl. Messe und betete auch täglich den Rosenkranz – für einen Jugendlichen in unserer heutigen Zeit geradezu ein Wunder.
In Rom habe ich in vielen Kirchen das Bild und eine kurze Lebensbeschreibung von Carlo gefunden. Beim Betrachten seines Bildes und beim Lesen der kurzen Notizen empfand ich eine solche Begeisterung über diesen beispielhaften Jugendlichen unserer heutigen Zeit, dass ich den Entschluss fasste, ihn auch in Deutschland bei den neuen Jugendbewegungen wie Jugend 2000, Emanuel, der Initiative Pontifex und der Pfadfinderschaft Europas bekannt zu machen. Über dieses Vorhaben schrieb ich an seine Mutter in Mailand. Sie schickte mir ein Buch über das Leben von Carlo zu – bislang sind drei Bücher über ihn erschienen, aber nur in italienischer Sprache.
Natürlich fragen sich viele Menschen, wieso der liebende Gott einen solchen Jugendlichen so früh sterben lässt. In seinem kurzen Leben, wie es in einer Biografie von Carlo heißt, ist er für uns zu einem „Strahl der Sonne“ geworden. Seit seinem Tod gehen täglich Zeugnisse von Menschen aus aller Welt ein, die von seinem Lebensbeispiel begeistert sind und es nachzuahmen versuchen.
„Die Eucharistie ist meine Autobahn zum Himmel“
Auch für seine Eltern war die Entwicklung von Carlo eine Überraschung. Sie gingen früher nicht regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst. Doch wenn die Mutter mit dem kleinen Carlo an Kirchen vorbeikam, bat er sie immer darum, einen kurzen Besuch zu machen und Jesus zu grüßen. Auf seinen Wunsch hin empfing er schon mit sieben Jahren die Erstkommunion. Die Feier fand im Stillen statt. Als Ort wurde ein Kloster gewählt, damit er vom eigentlichen Geschehen nicht abgelenkt werde. Nach der heiligen Messe verharrte Carlo immer noch einige Zeit im betrachtenden Gebet, um bewusst seine Danksagung zu machen.
Auf einer Web-Seite veröffentlichte er seine Geheimnisse, das heißt Grundsätze, mit denen man die Heiligkeit erreiche. Er selbst versuchte, genau danach zu leben und spornte auch andere dazu an. Darunter finden sich folgende acht Punkte:
(1) Du musst die Heiligkeit aus ganzem Herzen wollen. Und wenn diese Sehnsucht noch nicht in deinem Herzen erwacht ist, musst du den Herrn inständig darum bitten.
(2) Gehe jeden Tag zur heiligen Messe und empfange die heilige Kommunion.
(3) Denke daran, jeden Tag den Rosenkranz zu beten.
(4) Lies jeden Tag einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift.
(5) Wenn es möglich ist, halte einen Moment eucharistische Anbetung vor dem Altar, wo Jesus wirklich gegenwärtig ist. Du wirst sehen, wie wunderbar du in der Heiligkeit wachsen kannst.
(6) Gehe jede Woche zur heiligen Beichte, bekenne auch die lässlichen Sünden.
(7) Lege Fürbitte ein und schenke Blumen (Opfer und gute Taten) dem Herrn und Maria, um anderen zu helfen.
(8) Bitte deinen Schutzengel, dir beständig zu helfen, damit er dein bester Freund wird.
Außerdem erstellte er im Internet eine Seite, auf der er mit Bildern und Beschreibungen unzählige eucharistische Wunder dokumentierte, die sich im Lauf der Kirchengeschichte ereignet hatten. Auch damit wollte er seinen Zeitgenossen helfen, einen Zugang zum Sakrament der Eucharistie zu finden. Inzwischen wurde die Seite noch weiter ausgearbeitet und in verschiedene Sprachen übersetzt – ein wunderbares Erbe.
Vollkommen unerwarteter Tod
Seine tiefe Frömmigkeit entfaltete Carlo nicht etwa, weil er um seine Krankheit gewusst hätte. Sie traf ihn und seine Umgebung vollkommen unerwartet. Im Sommer 2006 fragte er seine Mutter noch, ob er Priester werden sollte. Als er Anfang Oktober erkrankte, dachte man zunächst an eine gewöhnliche Erkältung. Schließlich aber wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo die aggressive Form von Leukämie M3 festgestellt wurde. Er ahnte seinen Tod und sagte zu seiner Mutter, dass er das Krankenhaus nicht mehr verlassen werde, vielmehr opfere er alle seine Leiden für den Papst und die Kirche auf. Und er fügte hinzu: auch dafür, dass er ohne Fegfeuer gleich ins Paradies komme. Wirklich, dieser gläubige Junge aus dem Bistum Mailand war ein Wunder!
Im Jahr 2011 wurde von der Erzdiözese Mailand das Verfahren zur Seligsprechung eingeleitet. Die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen hat ihm bereits den Titel „Diener Gottes“ verliehen, sodass man ihn um seine Fürsprache anrufen kann, z.B. mit folgendem Gebet:
Allmächtiger Gott, unsere heutige Jugend hat es schwer, den christlichen Glauben in der Öffentlichkeit zu leben. In dem Jugendlichen Carlo Acutis hast Du uns ein Vorbild gegeben, wie wir im Vertrauen auf Deine Hilfe Zeugnis von Deiner Gegenwart vor unseren Freunden ablegen und so zur Verkündigung Deiner Frohen Botschaft beitragen können. Führe uns zur gläubigen Anbetung der Eucharistie, zur aktiven Mitfeier des heiligen Messopfers, zur liebenden Verehrung der Gottesmutter Maria und zur Befolgung Deiner Gebote. Lass uns so auf die Fürsprache des Dieners Gottes Carlo Acutis den wahren Sinn unseres Lebens finden. Amen.
Gebetsbildchen mit diesem Text können bestellt werden bei: Pfarrer Edmund Dillinger, Saarbrücker Straße 18, 66299 Friedrichsthal. – Gebetserhörungen können an die Postulatorin in Mailand: Dr. Francesca Consolini, Piazza Duomo 16, I-20122 Milano, oder an den Verein: Associazione Amici die Carlo Acutis, Via Ariosto 21, I-20145 Milano, gemeldet werden.
„Freude am Glauben“ 25.-27. Juli 2014:
„Der Mensch ist gefährdet“
Unermüdlich setzt sich Professor Dr. Hubert Gindert für ein unverkürztes Zeugnis des katholischen Glaubens ein. Das von ihm initiierte „Forum Deutscher Katholiken“ organisiert auch dieses Jahr wieder den Kongress „Freude am Glauben“. Er findet Ende Juli in Fulda statt und steht unter dem anspruchsvollen Thema „Der Mensch ist gefährdet (Papst Franziskus) – Was rettet ihn?“ Gindert möchte einen Beitrag dazu leisten, dass der Mensch als Abbild Gottes seine Identität, sein Gesicht wieder findet.
Interview mit Hubert Gindert
Kirche heute: Herr Dr. Gindert, vom 25. bis 27. Juli 2014 wird in Fulda wieder der Kongress „Freude am Glauben“ stattfinden. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Veranstaltung letztes Jahr in Augsburg zurück? Wie wurde der Kongress aufgenommen? Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Prof. Gindert: Der Kongress stand unter dem Generalthema „Damit der Glaube neu erstrahlt“. Wir wollten einen Beitrag zum „Jahr des Glaubens“ bringen. Mit dem Echo der rund 1.600 Teilnehmer waren wir recht zufrieden. Ich bin auch dankbar, dass wir zwei Themen, die nach dem Kongress in der Diskussion breiten Raum eingenommen haben, nämlich Ehe und Familie und die Gender-Ideologie, von Frau Birgit Kelle bzw. Frau Gabriele Kuby deutlich angesprochen wurden.
Kirche heute: Für den bevorstehenden Kongress haben Sie das Thema gewählt: „Der Mensch ist gefährdet (Papst Franziskus) – was rettet ihn?“ In welche Richtung gehen die Lösungen, die Sie aufzeigen möchten?
Prof. Gindert: Papst Franziskus hat in einer Katechese geäußert: „Der Mensch ist in Gefahr. Die Welt steckt in einer Krise. Sie besteht nicht nur aus einer wirtschaftlichen Krise. Es ist eine kulturelle Krise. Es ist eine Krise des Menschen. Der Mensch ist heute gefährdet und die Gefahr ist groß, denn die Ursache des Problems ist nicht oberflächlich, sondern sitzt tief. Was zerstört werden kann, ist der Mensch. Doch der Mensch ist das Ebenbild Gottes. Aus diesem Grund ist es eine tiefe Krise.“ Der Kern dieser Krise ist die Gottvergessenheit des modernen Menschen. Er ist in Gefahr, seine Identität zu verlieren. Sie wird durch die Gender-Ideologie, die Papst Franziskus als „dämonisch“ bezeichnet hat, noch verstärkt. Die Frage ist, wie kann der Mensch zu Gott zurückfinden? Die Lösung geht in die Richtung der religiösen Erziehung und Bildung. Das heutige Problem liegt darin, dass die religiöse Erziehung in der Familie stark abnimmt. Bei den über 66-Jährigen lag sie bei rund 85%, bei den 30-45-Jährigen noch bei zwei Drittel, bei den 14-21-Jährigen ist es weniger als die Hälfte. Die religiöse Erziehung in der Kindheit ist aber von größter Bedeutung für die spätere religiöse Bindung.
Kirche heute: Im Programm finden sich dieses Jahr viele Namen von Laien. Nach welchen Kriterien haben Sie die Referenten ausgewählt?
Prof. Gindert: Wir haben Referenten eingeladen, von denen wir annehmen können, dass sie Richtiges, das heißt Rettendes über den Menschen und die Gesellschaft, die sich in einer Krise befinden, sagen können. Ich will das an einigen Beispielen verdeutlichen. Da sind die Fragen der Erziehung, bei der es nicht nur um Vermittlung von Wissen und technischen Fähigkeiten, sondern auch um die Bildung einer Persönlichkeit auf einem festen religiösen Fundament geht. Da ist das Thema, ob demokratische Mehrheiten alles beschließen können, oder ob das Naturrecht unübersteigbare Grenzen setzt. Der moderne Mensch ist geneigt, persönliche Schuld zu verdrängen. Das verhindert aber Selbstkritik und Korrektur und kann dadurch den Menschen in das Unglück führen. Da sind weiter die Fragen einer gerechten Gesellschaft, in der der Mensch nicht nur nach seiner wirtschaftlichen Leistung zählt, sondern bleibend seine Würde behält. Ist das nicht der Fall, dann befinden sich politische und gesellschaftliche Institutionen im Sinkflug. Wir brauchen eine moralische Erneuerung. Die Referenten werden die angedeuteten Probleme ansprechen und Lösungen aufzeigen.
Kirche heute: Worin sehen Sie die Höhepunkte des Kongresses?
Prof. Gindert: Da sind einmal die großen Gottesdienste zur Eröffnung und zum Abschluss des Kongresses und die Lichterprozession mit Marienweihe am Samstag. Schließlich die beiden Podiumsgespräche, einmal zum brennend aktuellen Thema „Erziehung zwischen Führen und Wachsenlassen – was brauchen die Kinder?“, dann das Podium, das die vorausgehenden Überlegungen zusammenfasst und die Überschrift hat „Erneuerung der Gesellschaft durch Rückkehr zu Gott“. Ich bin überzeugt, dass auch die Referate im Haupt- und Jugendprogramm das Interesse der Zuhörer finden werden. Ich denke da an einen Ingenieur in leitender Funktion in einem großen modernen Unternehmen, der von sich bekennt: „Ich habe die Kirche radikal abgelehnt“ und heute in der gottfernen Umgebung des Unternehmens, in dem er tätig ist, ganz neue Wege der Evangelisierung geht.
Kirche heute: Wie viele Teilnehmer erwarten Sie?
Prof. Gindert: Wir hoffen auf 1.500 bis 2.000 Teilnehmer, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch andere Großereignisse und Jahrestreffen von religiösen Gemeinschaften stattfinden.
Kirche heute: Kein Geringerer als der Präfekt der Glaubenskongregation wird den Kongress mit einem Pontifikalamt im Fuldaer Dom eröffnen. Was bedeutet für Sie die Mitwirkung von Kardinal Müller bei dieser Glaubenskundgebung?
Prof. Gindert: Es bedeutet für uns eine große Ehre, wenn der Präfekt der Glaubenskongregation den Eröffnungsgottesdienst mit den Kongressteilnehmern feiert. Wir haben uns aber auch in den vorausgehenden Kongressen immer um einen hochrangigen Vertreter aus Rom bemüht, um unsere enge Verbundenheit mit Rom, mit dem Heiligen Vater und der Gesamtkirche zu betonen. So hat beispielsweise auf dem zweiten Kongress 2002 der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, den Abschlussgottesdienst gehalten.
Kirche heute: Herr Professor, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen Gottes Segen für einen erfolgreichen Kongress mit zahlreichen Besuchern!
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