Liebe Leser

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Papst Franziskus will den Aufruf seiner Vorgänger zur Neuevangelisierung konkret umsetzen. Sein ganzes Pontifikat stellte er unter die Losung einer „missionarischen Kirche“. Von Anfang an hatte er dieses Ziel klar vor Augen. Bereits beim ersten Treffen mit dem Kardinalskollegium am 15. März 2013 – zwei Tage nach seiner Wahl – rief er aus: „Liebe Brüder, los!“ Und er meinte damit einen neuen Aufbruch im Geist des Evangeliums.

Als Jesus Christus mit der Verkündigung des Reiches Gottes begann, meldete sofort der Fürst dieser Welt seinen Widerstand an. Doch wo der Erlöser zu wirken begann, musste der Widersacher weichen. Dieser Weg setzt sich in der Apostelgeschichte eins zu eins fort. Die Ausbreitung des Evangeliums geht überall mit der Überwindung okkulter und magischer Praktiken einher. Der Glaube an Jesus Christus fordert die Menschen vor allem zu der einen Entscheidung heraus, nämlich zur bewussten Abkehr von allen Mächten, die nicht auf der Seite Gottes stehen.

Für Papst Franziskus ist es sonnenklar, dass die Verstrickung in okkulte Praktiken und die daraus resultierende Abhängigkeit von den Geistern der Finsternis heute ein riesiges Problem darstellt. Gleich nach seiner Amtseinführung als Papst wies er darauf hin, dass sich in Italien über 13 Millionen Menschen an etwa 150.000 Zauberer, also Wahrsager und Heiler, wenden. Wie soll in einer solchen Abhängigkeit von magischen Einflüssen das Reich Gottes wachsen und Früchte hervorbringen können? Franziskus warnt die Gläubigen unentwegt vor solchen Versuchungen, fordert aber besonders die Bischöfe und Pfarrer dazu auf, den Menschen die Augen für die Täuschungen des Bösen zu öffnen und sie vor den lauernden Gefahren in Sicherheit zu bringen. Ganz aktuell nützte er die Katechese-Reihe zur Apostelgeschichte im Rahmen der Generalaudienzen, um die brisante Thematik der Magie anzusprechen.

Diesen Impuls haben wir aufgegriffen und als Titelthema gewählt. Dabei arbeiten die einzelnen Beiträge heraus, dass „New Age“, Esoterik und Magie zwar unterschiedliche Bedeutung haben, aber miteinander zusammenhängen. Für Papst Franziskus ist entscheidend, dass es den Teufel gibt, dass er heutzutage intensiv am Werk ist und sich der Seelen der Menschen bemächtigt. Seit seiner ersten Predigt vor den Kardinälen spricht er so oft vom Teufel, dass die Welt der Medien und auch das kirchliche Establishment vollkommen sprachlos sind. Sie wissen überhaupt nicht, wie sie damit umgehen sollen. Doch Franziskus erklärt genau, dass es sich um die gefallenen Engel handelt, die sich aus Stolz gegen Gott erheben und voller Neid den Menschen bekämpfen, dass der Teufel wie ein brüllender Löwe auftreten und zerstören kann, aber auch wie ein vornehmer Herr an die Türe klopfen kann, um Einlass ins Innere zu bekommen, dass er den Geist der Weltlichkeit und des Machtstrebens auch in der Kirche als Instrumente benützt, um das Evangelium und die Sakramente unfruchtbar zu machen und die Sünde mächtig werden zu lassen.

Worin besteht die Lösung? Franziskus warnt vor Exorzismen ohne geistliche Vollmacht. Es seien auch keine geistlichen Verrenkungen nötig. Vielmehr sei das Heil in der einfachen und vertrauensvollen Zuflucht zu Jesus Christus, dem einzigen Retter, zu finden. Dies erfordere Achtsamkeit, Unterscheidung der Geister, Demut und ein eifriges Streben nach der Begegnung und Gemeinschaft mit Jesus Christus im Gebet, dem Wort Gottes und den Sakramenten. Und wie niemand anderer könne Maria uns schützen und zu Jesus führen.

Liebe Leser, in diesem Geist wünschen wir Ihnen allen Gottes reichsten Segen für eine fruchtbare österliche Bußzeit. Vergelt’s Gott für Ihre Verbundenheit und Ihre Unterstützung! (Spendenkonto: IBAN: DE84710610090000022284)

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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Christlicher Glaube ist mit magischen Praktiken unvereinbar

Papst Franziskus warnt vor Okkultismus

Im Rahmen einer Katechese-Reihe zur Apostelgeschichte kam Papst Franziskus bei der Generalaudienz am 4. Dezember 2019 auf das Wirken des hl. Paulus in Ephesus zu sprechen (Apg 19). Der Papst nahm den biblischen Bericht zum Anlass, vor okkulten Praktiken jeglicher Art zu warnen. Christlicher Glaube sei mit Zauberei, Magie und Wahrsagerei unvereinbar. Damit verband er die anschließenden Mahnungen des Apostels Paulus an die Priester der Stadt (Apg 20). Auch heute hätten die Hirten die Pflicht, achtsam zu sein und die Herde gegen die „Wölfe“ zu verteidigen. Pfarrer und Bischöfe müssten den Gläubigen nahe sein, um sie vor den genannten Gefahren schützen zu können. Nachfolgend die leicht gekürzte Katechese des Papstes.  

Von Papst Franziskus

Der Heilige Geist offenbart die heilende Kraft des Evangeliums

Der Weg des Evangeliums in der Welt geht in der Apostelgeschichte unermüdlich weiter. Er führt durch die Stadt Ephesus und bringt seine ganze heilende Kraft zum Ausdruck. Dank Paulus empfangen ungefähr zwölf Männer die Taufe im Namen Jesu und erfahren die Ausgießung des Heiligen Geistes, der sie neu geboren werden lässt (vgl. Apg 19,1-7). Außerdem geschehen verschiedene Wunder durch den Apostel: Kranke werden geheilt und Besessene werden befreit (vgl. Apg 19,11-12). Das geschieht, weil der Jünger wie sein Meister ist (vgl. Lk 6,40) und ihn vergegenwärtigt, indem er an die Brüder dasselbe neue Leben weitergibt, das er von ihm empfangen hat.

Wahre Umkehr bedeutet radikale Absage an Zauberei und Magie

Die Kraft Gottes, die über Ephesus hereinbricht, entlarvt jene, die den Namen Jesu gebrauchen wollen, um Exorzismen durchzuführen, ohne jedoch die geistliche Vollmacht zu haben, dies zu tun (vgl. Apg 19, 13-17), und offenbart die Schwäche der Zauberkünste, die von zahlreichen Menschen aufgegeben werden, die Christus wählen und die Zauberkünste aufgeben (vgl. Apg 19,18-19). Eine wahre Umkehr für eine Stadt wie Ephesus, die ein berühmtes Zentrum für die Ausübung der Magie war! So hebt Lukas die Unvereinbarkeit zwischen dem Glauben an Christus und der Magie hervor. Wenn man Christus wählt, kann man sich nicht an den Magier wenden: Der Glaube ist die vertrauensvolle Hingabe in die Hände eines verlässlichen Gottes, der sich nicht durch okkulte Praktiken erkennen lässt, sondern durch Offenbarung und mit unentgeltlicher Liebe.

Christen dürfen sich nicht auf Weissager und okkulte Praktiken einlassen

Jemand von euch könnte zu mir sagen: „Ach ja, das mit der Magie ist eine uralte Sache: Heute, mit der christlichen Kultur, passiert das nicht mehr.“ Aber passt auf! Ich frage euch: Wie viele von euch lassen sich die Tarot-Karten lesen, wie viele von euch lassen sich von Weissagerinnen die Hand lesen oder lassen sich die Karten lesen? Auch heute in den großen Städten tun praktizierende Christen diese Dinge. Und auf die Frage: „Aber wieso gehst du, wenn du an Jesus Christus glaubst, zum Magier, zur Weissagerin, zu all diesen Leuten?“, antworten sie: „Ich glaube an Jesus Christus, aber um Unheil zu vermeiden, gehe ich auch zu ihnen.“ Bitte: Die Magie ist nicht christlich! Dinge, die getan werden, um die Zukunft vorauszusagen oder viele Dinge vorauszusagen oder Lebenssituationen zu ändern, sind nicht christlich. Die Gnade Christi bringt dir alles: Bete und vertraue auf den Herrn.

Vom Geschäft mit Götzenbildern muss man sich entschieden abwenden

Die Verbreitung des Evangeliums in Ephesus schadet dem Geschäft der Silberschmiede – ein weiteres Problem –, die die Statuen der Göttin Artemis herstellten und aus einer religiösen Praxis ein wahres Geschäft machten. Ich bitte euch, darüber nachzudenken. Als sie sehen, dass jene Tätigkeit zurückgeht, die viel Geld abwarf, organisieren die Silberschmiede einen Aufstand gegen Paulus, und die Christen werden angeklagt, die Kunsthandwerker, das Heiligtum der Artemis und die Verehrung dieser Göttin in eine Krise gebracht zu haben (vgl. Apg 19,23-28). Dann bricht Paulus aus Ephesus nach Jerusalem auf und kommt nach Milet (vgl. Apg 20,1-16).

Die Hirten müssen die ganze Herde vor den „Wölfen“ schützen

Hier lässt er die Ältesten der Kirche von Ephesus – die Presbyter: also die Priester – zu sich rufen, um ihnen „pastorale“ Aufgaben zu übertragen (vgl. Apg 20,17-35). Wir sind bei den letzten Worten von Paulus’ apostolischem Dienst angekommen, und Lukas präsentiert uns seine Abschiedsrede, eine Art geistliches Testament, das der Apostel an all jene richtet, die nach seiner Abreise die Gemeinde von Ephesus leiten sollen. Dies ist einer der schönsten Abschnitte der Apostelgeschichte:

– Ich empfehle euch heute, das Neue Testament, die Bibel, das Kapitel 20 zur Hand zu nehmen und diese Abschiedsrede des Paulus vor den Presbytern von Ephesus zu lesen, und er hält sie in Milet. So kann man verstehen, wie der Apostel sich verabschiedet, und auch wie die Priester heute sich verabschieden müssen und wie alle Christen sich verabschieden müssen. Es ist ein wunderschöner Abschnitt. –

Im ermahnenden Teil ermutigt Paulus die Verantwortlichen der Gemeinde, von denen er weiß, dass er sie zum letzten Mal sieht. Und was sagt er zu ihnen? „Gebt Acht auf euch und auf die ganze Herde.“ Das ist die Tätigkeit des Hirten: Achtgeben, Acht geben auf sich selbst und auf die Herde. Der Hirte muss Acht geben, der Pfarrer muss Acht geben, achtsam sein, die Priester müssen Acht geben, die Bischöfe, der Papst müssen Acht geben. Acht geben, um die Herde zu schützen, und auch auf sich selbst Acht geben, das Gewissen erforschen und sehen, dass diese Pflicht, Acht zu geben, erfüllt wird. „Gebt Acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Vorstehern bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche des Herrn sorgt, die er sich durch sein eigenes Blut erworben hat!“ (Apg 20, 28): Das sagt der hl. Paulus.

Von den Bischöfen wird nächste Nähe zur Herde verlangt, die durch das kostbare Blut Christi erlöst wurde, und die Bereitschaft, sie vor den „Wölfen“ zu verteidigen (V. 29). Die Bischöfe müssen dem Volk sehr nahe sein, um es zu schützen, um es zu verteidigen: nicht vom Volk getrennt.

Nachdem er den Verantwortlichen von Ephesus diese Aufgabe anvertraut hat, legt Paulus sie in die Hände Gottes und vertraut sie „dem Wort seiner Gnade“ an (V. 32), Sauerteig jedes Wachstums und Weges der Heiligkeit in der Kirche. …

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir den Herrn, die Liebe zur Kirche und zum Glaubensschatz, den sie bewahrt, in uns zu erneuern und uns alle mitverantwortlich zu machen für die Bewahrung der Herde, indem wir die Hirten im Gebet stützen, damit sie die Standhaftigkeit und die Zärtlichkeit des göttlichen Hirten zum Ausdruck bringen. 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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Wahrsagekarten können uns nicht retten

Am 5. April 2013, also gut drei Wochen nach seiner Wahl zum Papst, ging Franziskus bei der Morgenmesse in der Kapelle des Domus Sanctae Marthae in einer frei gehaltenen Ansprache auf die Lesung aus der Apostelgeschichte (4,1-12) ein und warnte vor der Wahrsagerei. Einige Abschnitte:

Allein der Name Jesu ist unser Heil. Nur er kann uns retten und sonst niemand, erst recht nicht die modernen „Zauberer“ mit den unzutreffenden Weissagungen des Tarots (Wahrsagekarten), welche den modernen Menschen in ihren Bann ziehen und täuschen.

Auf die Frage nach der Heilung des Gelähmten am Tor des Tempels antwortete Petrus: „Wir haben es im Namen Jesu Christi getan.“ Im Namen Jesu! Er ist der Erlöser; dieser Name, Jesus. Wenn jemand „Jesus“ sagt, ist es wirklich Er, der Wunder tut. Und dieser Name begleitet uns im Herzen. Petrus enthüllt uns eine Wahrheit, wenn er sagt: „Wir haben es im Namen Jesu getan!“ Denn er antwortet inspiriert vom Heiligen Geist, der uns drängt, Jesus zu bekennen und auf ihn zu vertrauen.

Wenn es Probleme gibt, verlassen sich die Menschen nicht auf Jesus, sondern auf andere Dinge, wenden sich möglicherweise an selbsternannte Zauberinnen, damit sich Situationen lösen sollten, oder konsultieren das Tarot, um zu erfahren und zu verstehen, was sie tun sollen. Aber nicht durch die Inanspruchnahme von Zauberern oder Tarotkarten findet man die Erlösung: Sie geschieht „im Namen Jesu“. Und davon müssen wir Zeugnis ablegen. Er ist der einzige Retter!

Die Jungfrau Maria führt uns immer zu Jesus. Ruft Unsere Liebe Frau an, und sie wird das tun, was sie in Kana getan hat. „Tut, was er euch sagt!“ Sie bringt uns immer zu Jesus. Sie ist die erste, die im Namen Jesu handelt. Ich wünsche, dass wir an diesem Tag, einem Tag in der Woche nach der Auferstehung des Herrn, daran denken: Ich vertraue mich dem Namen Jesu an. Ich bete „Jesus, Jesus!“ 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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Wähle das Leben und nicht den Abgrund!

Die Heilsangebote der Esoterik

Erzbischof Karl Braun setzt sich mit den esoterischen Praktiken auseinander, die sich heutzutage unglaublicher Beliebtheit erfreuen. Er kommt zu dem klaren Urteil: „Machen wir uns nichts vor. Beim Umgang mit der Esoterik geht es ums Ganze. Es geht darum, welchen Weg wir einschlagen. Jenen, der in den Abgrund, oder jenen, der zum ewigen Leben führt.“
Sein Beitrag darf auf dem Hintergrund eines Buches gesehen werden, das im August 2019 erschienen ist. Es trägt den Titel: „Pendel, Steine, Nervenkekse: Die Esoterik im Gespräch mit Hildegard von Bingen".[1] Als Autoren treten Erzbischof Braun und Dr. phil. Barbara Stühlmeyer (geb. 1964) auf. Forschungsschwerpunkte Stühlmeyers sind nach eigenen Angaben „Hildegard von Bingen, Musik, Theologie und Kirchengeschichte des Hochmittelalters“.
Das umfangreiche Buch (224 Seiten) geht zunächst auf die verschiedenen Angebote auf dem Esoterikmarkt ein. Im „Labyrinth“ möchte es „Orientierung“ geben, „Kompass im Irrgarten“ sein. Dabei werden die bekannten Themen wie Rute und Pendel, Reiki und Yoga, Heilsteine und Amulette, Los-Orakel und Astrologie, Reinkarnation und Kontakt zu Geistern und Verstorbenen behandelt. Der kritischen Beleuchtung esoterischer Praktiken wird eine Rückbesinnung auf christliche Traditionen gegenübergestellt.
Braun und Stühlmeyer gehen auf Heilige wie Hildegard von Bingen, Johannes vom Kreuz und Mutter Teresa ein, aber auch auf verschiedene Formen einer in Jesus Christus verankerten Gottesbeziehung. Unsere christliche Tradition biete „einen unerschöpflichen Quellgrund an konkreter Lebenshilfe, den es neu zu entdecken“ gelte.

Von Erzbischof em. Karl Braun

Die Esoterik, das Stoppschild und der gerade Weg zu Gott

Das neue Jahr hat begonnen und viele Menschen haben, wie es bei uns guter Brauch ist, Rückschau gehalten, was die vergangenen zwölf Monate gebracht haben, und gute Vorsätze für die kommende Zeit gefasst. Dass Jahreswechsel eine tiefe Bedeutung haben und zur Umkehr Anlass geben können, war auch bei der Generalaudienz von Papst Franziskus am Fest der hl. Barbara, dem 4. Dezember 2019, zu spüren. In dieser ersten Audienz im neuen Kirchenjahr sprach der Heilige Vater über Esoterik und Magie. Kein Zufall.

Esoterische Methoden, Selbsterlösungsvorstellungen und magische Praktiken sind in unserer Zeit weit verbreitet. Wer heutzutage einen Buchladen betritt, kann schon anhand der Regalmeter ablesen, dass Esoterik einen größeren Stellenwert hat, als die christliche Religion. Im Schnitt finden sich etwa dreimal so viel Bücher in der Esoterik-Abteilung wie in der über unseren Glauben.

Schaut man aber genauer hin, wundert man sich nicht selten darüber, wo die einzelnen Bände einsortiert sind. Bücher über Engel beispielsweise sucht man im Religions-Regal oftmals vergeblich. Sie sind Teil des benachbarten Esoterik-Segments. Auch das ist kein Zufall. Es ist vielmehr die Folge davon, dass wir in der Kirche mancherorts glaubensarm geworden sind und die Orientierung verloren haben.

Denn in unseren Gemeinden, den Bildungshäusern und Ausbildungsstätten wird vieles angeboten, was nicht genuin christlich oder sogar unvereinbar mit unserem Glauben ist. Kardinal Cordes berichtete kürzlich darüber, dass ihm im Verlauf seines Studienweges Yoga-Übungen angeboten wurden, die heute ein fester Bestandteil des Programms in vielen katholischen Erwachsenenbildungsstätten sind. Die Praxis des Rosenkranzgebetes wird dagegen eher selten vermittelt und es ist kein Einzelfall, wenn sogar kirchliche Mitarbeiter nicht mehr wissen, wie der Rosenkranz „funktioniert“.

Der Glaube, die Hingabe und der zuverlässige Gott

Dieses Nichtwissen hat Folgen. Was wir nicht kennen, können wir nicht lieben. Und was wir nicht lieben, kann uns nicht prägen. Die Liturgie beispielsweise kann ihre performative Kraft nur dann in uns entfalten, wenn wir sie würdig und unverkürzt feiern. Dabei kommt es nicht darauf an, jede Einzelheit sofort vollständig intellektuell erfassen zu können. Es ist vielmehr eine Einladung, sich in die ausgebreiteten Arme unseres am Kreuz erhöhten Erlösers fallen, uns von ihm umfangen zu lassen. Von ihm her, der Wahrheit, Weg und Leben ist, werden wir erlöst, empfangen wir das Heil.

Und das hat Konsequenzen. „Wenn du Christus wählst, kannst Du nicht auf einen Magier zurückkommen. Der Glaube ist vertrauensvolle Hingabe in die Hände eines zuverlässigen Gottes, der sich nicht durch okkulte Praktiken, sondern durch Offenbarung und bedingungslose Liebe zeigt“, sagte Papst Franziskus in der Mittwochsaudienz vom 4. Dezember 2019. Und er erinnerte daran, dass der Erfolg, den die Esoterik in unseren Tagen hat, nichts Neues ist. Schon der Apostel Paulus hatte auf seinen Predigtreisen damit zu kämpfen, dass die Menschen so sehr von den magischen Praktiken fasziniert waren.

In Ephesus beispielsweise, jenem Ort, an dem die griechische Göttin Artemis verehrt wurde, konnte man sich an jeder Straßenecke die Karten legen oder aus der Hand lesen lassen, ebenso, wie man heute in den Esoterik-Regalen ein breites Spektrum von Orakelkarten findet. Hier sind wir immer wieder zur Unterscheidung der Geister aufgerufen (1 Joh 4,1). Denn grundsätzlich sind Los-Orakel nichts Schlechtes. Sie können uns, in rechter Weise verwendet, zeigen, welche Wegweisung uns von Gott her zufällt. Dafür ist es aber notwendig, genau hinzuschauen, welche Geister man ruft. – Das Aufschlagen der Heiligen Schrift auf der Suche nach dem Wort Gottes macht Sinn. Aber gilt das Gleiche auch für jedes beliebige, nicht selten auf purer Erfindung beruhende käufliche Orakel?

Auf das Sehnen des Herzens antworten

Dennoch müssen wir wahrnehmen, welche Botschaft sich eigentlich hinter dem reichhaltigen Esoterik-Angebot verbirgt. Es ist die Suche nach Sinn, danach, gehalten und getragen zu sein von einem guten Gott, in Verbindung zu sein mit der Quelle des Lebens. Diese, die eigentliche und zielführende Suchbewegung ist heute ebenfalls sichtbar.

Schaut man sich die kleinen Läden in Ephesus, Rom oder Lourdes an, in denen Wallfahrer und Touristen Andenken erwerben, kann man eine interessante Entdeckung machen. Überall dort, wohin Menschen wallfahren, gibt es kleine Fläschchen mit Wasser zu kaufen. Es wird nicht nur an den heiligen Quellen der Gottesmutter Maria abgefüllt, es zeugt auch im Zentrum unserer Kirche, in Rom, von jenem Durst nach dem lebendigen Wasser, das allein unser Sehnen stillen kann (Joh 4,10).

Es ist also offenbar so, dass das, was wir, die Kirche, zu bieten haben, einen Nerv trifft, am Puls der Zeit ist. Es liegt an uns, die reichen Schätze der Tradition zu vermitteln. Fastenzeiten oder Intervallfasten am Mittwoch und Freitag sind Teil unserer spirituellen Geschichte. Welche Bedeutung Heilsteine als Hinweis auf das Paradies haben, kann man von Hildegard von Bingen lernen. Die befreiende Wirkung der Beichte, die wandelnde Kraft der Herz-Jesu-Verehrung und die heilsame Wirkung der Sakramentalien sind nur einige der Perlen unseres Glaubenslebens. Sie stärken uns und lassen uns erkennen, was zum Ziel und was in die Irre führt.

So wie sich, woran Papst Franziskus in seiner Ansprache zum Thema Esoterik in der Generalaudienz erinnerte, zur Zeit des Paulus Menschen taufen ließen, den Heiligen Geist empfingen und zu lernen begannen, den Glauben vom Aberglauben zu unterscheiden, können auch wir uns heute in der Discretio üben. Die Unterscheidung der Geister ist notwendig. Und sie wirkt befreiend. Denn sie löst uns von jenen Fesseln, die uns an uns selber, unsere vergeblichen Versuche, uns zu erlösen, binden und schenkt uns die Freiheit der Kinder Gottes, zu der wir berufen sind (Gal 5,13).

Jesus Christus ist unser Weg aus dem Irrgarten der Esoterik. Er zeigt uns, was Wahrheit ist (Joh 18,38). Diese Wahrheit ist wunderschön, leuchtendes, funkelndes Leben. Sie, von seiner Liebe entzündet, weiterzusagen, muss uns zu einem Herzensanliegen werden. Wenn wir es tun, kann dies jene Umkehrbewegung auslösen, die uns heute so sehr nottut. Für manch einen kann dies bewegende Entdeckungen mit sich bringen.

Denn vieles, was als schaler Zweitaufguss heute im Bereich der Esoterik angeboten wird, ist in seiner ganzen Fülle in unserer Kirche zu finden. Deshalb wird uns heute in besonderer Intensität das Wort des Herrn zugesprochen: „Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt“ (Mt 13,51-52).

Es ist an der Zeit, wiederzuentdecken, dass die Feier der Liturgie Gipfel und Quelle all unseren Tuns ist (SC 10).

Machen wir uns nichts vor. Beim Umgang mit der Esoterik geht es ums Ganze. Es geht darum, welchen Weg wir einschlagen. Jenen, der in den Abgrund, oder jenen, der zum ewigen Leben führt. Wählen wir also das Leben! (Deut 30,19). 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Karl Braun/Barbara Stühlmeyer: Pendel, Steine, Nervenkekse. Esoterik im Gespräch mit Hildegard von Bingen, Butzon und Bercker, Kevelaer 2019, Klappenbroschur, 224 S., ISBN 978-3-7666-2601-1, 18,00 Euro – Bestell-Mail: service@bube.de – Webseite:  www.butzon-bercker.de

„New Age“ – Nährboden für die moderne Esoterik-Welle

Das „Neue Zeitalter“

Pater Bernhard Vosicky OCist setzt sich mit dem Wesen von „New Age“ auseinander, das unsere heutige Gesellschaft immer tiefer und umfassender prägt. Seine lebendigen und leicht verständlichen Ausführungen gehen auf einen Vortrag zurück, den er 2010 in seinem Buch „Schau auf den Herrn. Begegnungen mit Gott und seinen Heiligen“ (282 Seiten) veröffentlicht hat. Nun wurde der Artikel auch in das Jahrbuch der Hochschule Heiligenkreuz 2019 (Ambo) aufgenommen, das unter dem Gesamtthema „Esoterik versus Erlösung“ steht.[1] Pater Vosicky beschreibt die Hintergründe der „New Age“-Bewegung, die einen zutiefst antichristlichen Geist atmet und den Nährboden für die heute aufblühenden Formen von Aberglauben und Okkultismus bildet. Die scheinbare Übermacht dieses „Neuen Zeitalters“ aber dürfe uns Christen nicht beängstigen, so Vosicky, sondern müsse uns vielmehr in unserer Sendung für die Erneuerung der Welt bestärken. Der Beitrag wurde leicht gekürzt.  

Von Bernhard Vosicky OCist

An der Schwelle zum dritten Jahrtausend wird uns ein neues Zeitalter verheißen. Neues Zeitalter heißt ja auf Englisch „New Age“ und daraus ist eine ganze Bewegung entstanden, die von zahllosen falschen Propheten inszeniert wird. Die entscheidende Frage, die uns Christen von den zahllosen Irrlehren des New Age scheidet, lautet: Ist der Mensch Gottes Geschöpf oder ist er selbst Gott? Wir Christen glauben daran, dass der Mensch von Gott stammt, dass er als Geschöpf von Gott abhängig ist und dass er alle Größe, die er hat, einzig und allein Gott verdankt. Wir als Christen dürfen fröhlich glauben: Ob wir leben oder sterben, immer liegen wir ganz in Gottes Hand.

Ein „Wassermann-Zeitalter“ soll die christliche Ära der „Fische“ ablösen

Dem gegenüber steht die Auffassung, dass der Mensch selbst und aus sich heraus göttlich ist, dass er ein unabhängiges, selbstbestimmendes Wesen ist. Das ist der Kern der Ideologie von New Age, die sich heute in Europa wie eine neue Religion etabliert hat und bereits tief in die Seelen der Menschen gedrungen ist. Die New Age-Religion spricht von einem mysteriösen Wassermann-Zeitalter, welches das Fisch-Zeitalter ablöst. Es kommt zu einer Wende im Menschheitsdenken; darum spricht New Age gerne von einer großen Transformation, einem erlösenden Wandel, der ein neues Bewusstsein der Menschheit hervorbringen soll. Es wird sogar eine Einheit mit dem gesamten Weltgeschehen verheißen. Wir müssen es klar erkennen, dass das New Age-Denken und der christliche Glaube gerade jetzt um die Jahrtausendwende in einer ernsten Konfrontation stehen, denn die Lehren der christlichen Offenbarung stehen in krassem Gegensatz zu den esoterischen Irrlehren von New Age.

Was ist nun New Age? Der verstorbene katholische Naturwissenschaftler Prof. Dr. Max Thürkauf hat in seinen Schriften und Vorträgen klar auf diese gefährlichen Gegensätze zum christlichen Glauben aufmerksam gemacht. Thürkauf sagt: Das Fischernetz Petri ist in unseren Tagen löchrig geworden, die Kirche schwächelt, vielfach von außen und innen angegriffen. So ist das Fischernetz des christlichen Glaubens eingerissen. Viele Fische sind durch die Maschen entschlüpft und irren umher. New Age fängt nun diese orientierungslosen Fische ein, weil New Age für alles und für jeden der 7,75 Milliarden Menschen auf der Erde eine Masche zu haben scheint. Im Netzwerk des New Age wird für jeden eine fein gesponnene Masche angeboten, auf alles gibt es eine Antwort, alles hat dort Platz. Mit einer Ausnahme: für das Kreuz Christi ist dort kein Platz. New Age ist eine Religion ohne Kreuz. Das Neue Zeitalter will ohne das Kreuz Jesu Christi auskommen. Viele schlüpfen durch die Löcher des gerissenen Fischernetzes durch und finden eine Masche, eine Lebensregel im New Age-Denken. Man behauptet, dass mit dem Ausklingen des 20. Jahrhunderts das Zeitalter des Wassermannes das Zeitalter des Fisches ablöst. Manche geben sogar ein genaues Datum für den Beginn des Neuen Zeitalters an: Es sei der 5. Februar 1962. Da habe das Zeitalter der menschlichen Ganzheit begonnen.

Das Fisch-Zeitalter sei das Zeitalter des Christentums gewesen. Tatsächlich haben ja die frühesten Christen den Fisch zu ihrem Geheimsymbol gewählt, weil die Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes für Fisch „ICHTHYS“ ein geheimes Glaubensbekenntnis zu „Iesus CHristus THeou (Gottes) Yios (Sohn) und Soter (Erlöser)“ waren. Es ist tatsächlich wahr, dass wir in den Katakomben Roms den Fisch als eines der ältesten Symbole für Christus finden. Nun geht aber, so behauptet New Age, endlich dieses Fisch-Zeitalter eines Christentums, das die Menschen in Unfreiheit und Unmündigkeit gehalten hat, zu Ende. Die Menschheit kommt in die neue Freiheit des Wassermann-Zeitalters.

„New Age“ ist purste Astrologie ohne Freiheit und Liebe

Die Grundlage von New Age ist die altorientalische Astrologie. Daher dürfen wir uns nicht wundern, wenn es einen Boom der Astrologie gibt. Astrologinnen und Astrologen legen Horoskope in jeder Tageszeitung, in jedem Radioprogramm, in allen Medien. Das alles ist purste Astrologie. Daher gibt es so viele Wahrsagerinnen und Wahrsager, Hellseherinnen und Hellseher, Zauberinnen und Zauberer, Hexen und Zukunftsdeuter.

Abgesehen davon, dass all das ja dem menschlichen Denken widerspricht, frage ich hier gleich: Was soll dieses von den Sternen bestimmte Neue Zeitalter mit unserer Freiheit zu tun haben? Wenn unser Schicksal von den Sternen abhängt, was ist das dann für eine Freiheit? Wir Christen glauben an eine gottgeschenkte Freiheit, die uns offen macht für die Liebe zu Gott und zu unseren Nächsten. Wir glauben, dass wir durch Christus zur Freiheit befreit wurden, das Gute, Wahre und Schöne zu tun, die Liebe zu leben. Wir fürchten uns nicht vor Mars und Jupiter, Venus und Saturn. Eine solche Bestimmung durch Astrologie halten wir für gefährlich. Denn was ist das für ein menschliches Leben, wo alles durch ein Programm bestimmt und fixiert ist, das von der Konstellation irgendwelcher lebloser Sterne da draußen im Weltraum stammt? Was ist, frage ich, erfüllender? Sich von einem liebenden dreifaltigen Gott, vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist, getragen zu wissen oder vom täglichen Mondkalender, den man mittlerweile überall kaufen kann? Erst neulich wurde ich von einem kleinen Mädchen gefragt: Pater, hast du schon deinen Mondkalender? Der tägliche Mondkalender sagt dir, was du tun und was du lassen sollst. Ist das nicht merkwürdig, dass wir uns vom Haare schneiden bis zum Blumen pflanzen danach richten, was uns der Mond erlaubt oder verbietet?

Weltweites Netzwerk mit spiritistischem Hintergrund

1875 gründete die Russin Helena Petrovna Blavatsky († 1891) in New York eine sogenannte theosophische Gesellschaft. Der Ausdruck „Theo-sophie“ setzt sich aus den griechischen Worten für Gott (theos) und Weisheit (sophia) zusammen. Die nach den USA eingewanderte Engländerin Alice Bailey (1880-1949), die als spiritistisches Medium arbeitete, gab der Bewegung den Namen „New Age“, also „Neues Zeitalter“. Alice Bailey empfing Botschaften von einem tibetischen Meister der Weisheit, indem sie automatisch schrieb. Es handelte sich um ein zwanghaftes Schreiben von Botschaften aus einer anderen Welt, die aber sicher nichts mit dem Heiligen Geist zu tun hat. Seit 1975 wird nun aufgrund dieser Geheimbotschaften mittels eines weltweiten Netzwerkes, dem auch viele Medien gleichgeschaltet sind, eine neue Weltordnung aufgebaut. Es gibt sogar einen „Christus“ des neuen Zeitalters. Dieser Christus heißt Maitreya und ist die fünfte Reinkarnation von Buddha, die fünfte Wiedergeburt des Siddhartha Gautama. Er sei der neue Messias. So wird es verheißen, und er wird Maitreya Christus genannt. Unser Herr Jesus Christus sei nur ein Abkömmling von ihm, heißt es.

Das Zeichen der New Age-Bewegung ist bezeichnenderweise natürlich nicht das Kreuz, sondern der Regenbogen. Dieser Regenbogen hat rein gar nichts mit dem Regenbogen des Alten Testaments zu tun, wo er ein Zeichen des Bundes ist: Nach der Sintflut schließt Gott einen Bund mit den Menschen, indem er einen Bogen in die Wolken setzt (Gen 9,16). Bitte beachten wir: Der Regenbogen von New Age hat auch nichts zu tun mit dem Regenbogen über dem Throne des lebendigen Gottes (Offb 4,3); er ist bloß ein Allerweltssymbol für ein leeres, buntes Nichts.

Es gibt sogar ein Lied, in dem sich die Ideologie des New Age kristallisiert. Dieser Song wurde mit dem Musical „Hair“ über die ganze Welt verbreitet. Der Wassermann-Song entstand im Jahre 1968, ich möchte ihn hier zitieren:

Wenn der Mond im siebenten Hause steht,
und Jupiter dem Mars zugeht,
herrscht Friede unter den Planeten,

lenkt Liebe ihre Bahn.
Genau ab dann regiert die Erde

der Wassermann, der Wassermann,
der Wassermann.

Harmonie und Recht und Klarheit,
Sympathie und Licht und Wahrheit,

niemand wird die Freiheit knebeln,
niemand mehr den Geist umnebeln.

Mystik wird uns Einsicht schenken,
und der Mensch lernt wieder denken,

dank dem Wassermann.

Es ist deutlich, gegen wen sich dieser Text richtet: Das Christentum umneble den Geist, es kneble die Freiheit. Doch endlich kommt das neue Wassermann-Zeitalter, jetzt wird alles besser, denn der Sternenkult bringt Licht und Wahrheit, Harmonie und Klarheit.

Völlige Ungebundenheit und Selbstbestimmung

Hinter alledem steckt eine erschreckende Feindschaft gegen den christlichen Glauben: Der Mensch sei jetzt nicht mehr an eine göttliche Lehre gebunden. Er sei nicht mehr an Dogmen gekettet oder gar an eine christliche Moral gebunden, er sei frei von Geboten und kirchlichen Lehren. Autonomie ist angesagt: Der Mensch darf endlich wieder selbst denken und leben lernen. Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Selbsterlösung und Selbstheilung sind zentrale Schlüsselbegriffe der Heilslehre von New Age! Der Mensch entscheidet selbst nach Gutdünken, was er denkt und glaubt.

Was für ein Irrglaube! Wir Christen, wir sind es ja, die in der Freiheit der Kinder Gottes stehen. Die Offenbarung ist nicht eine Fessel, sondern sie ist die befreiende Wahrheit, die uns Gott selbst in Jesus Christus zugesprochen hat. Als am Fest der Verklärung Christi, am 6. August 2000, die Kongregation für die Glaubenslehre die Erklärung „Dominus Iesus“ herausgegeben hat, gab es einen Aufschrei der Empörung. Warum? Weil Kardinal Joseph Ratzinger dort die uralte Überzeugung der Kirche bekräftigt hat, dass Jesus Christus allein der Herr der Geschichte ist, dass er allein der Heiland aller Menschen ist, der Erlöser der ganzen Welt. Schon in seiner Antrittsenzyklika „Redemptor Hominis“ von 1979 hat der große Papst Johannes Paul II. auf Jesus als den einzigen Erlöser hingewiesen. Wer den Lehren von New Age folgt, wo es keine Moral, sondern nur Beliebigkeit, keine Offenbarung, sondern nur religiöse Phantasie gibt, der wird sich sehr bald in trauriger Unfreiheit befinden. Wer sich jedoch an Jesus Christus hält, der wird Freiheit, Glück und inneren Frieden erfahren.

Berechtigter Aufschrei gegen den Wahn des menschlichen Machens

Warum zieht New Age so viele Menschen an? Sicher auch, weil es hier um einen berechtigten Aufschrei gegen den Wahn des menschlichen Machens geht. Der bereits genannte Physiker Max Thürkauf hat schon seit den 1980er-Jahren wieder darauf hingewiesen, dass die modernen Naturwissenschaften in eine Sackgasse geraten sind. Wir haben gemeint, alles wäre messbar und machbar. Ehrliche Naturwissenschaftler, Physiker und Techniker haben längst erkannt, dass eben nicht alles messbar und machbar ist. Im Gegenteil. Wir merken heute erschreckt, wie unser Fortschrittswahn die Natur zerstört und das Klima der Erde verändert. Wie erschreckend, dass bei den Klimakonferenzen nichts herauskommt.

Worin liegt der Grund für diese Bedrohungen? Max Thürkauf sagt: Jahrzehntelang wurde wertfrei geforscht, das heißt, ohne Gott. Sogar die religiösen und betenden Naturforscher, von denen es doch viele gibt, haben ihre Wissenschaft wertfrei betrieben, ohne Religion, ohne Bindung an Gott. Glaube und Wissenschaft wurden strikt voneinander getrennt und scharf unterschieden. Die Wertfreiheit wurde oberstes Gebot. Jesus Christus aber sagt genau das Gegenteil. Er sagt: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Keine Technik ohne Gott! Keine Wissenschaft, keine Physik ohne ihn! Keine Pädagogik ohne Gott! Keine Wirtschaft ohne Gott! Keine Politik ohne Gott! Dies ist ja am Beispiel des Projektes der Europäischen Union sehr deutlich: Wenn wir Christen Europa nicht eine christliche Seele geben, dann kommt es zu einem gottlosen, wertfreien Europa, und das muss notwendigerweise scheitern.

Wissenschaft ohne Glauben ist keine Wissenschaft. Das hat Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika „Fides et ratio“ betont: Glaube und Vernunft gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden. Eine Wissenschaft, die den Glaubenden ausschließt, ist keine Wissenschaft mehr. Wertfreie Wissenschaft entwertet alles und macht alles wertlos. Vielleicht haben wir heute deshalb die größten Mülldeponien aller Zeiten.

Flucht in Aberglauben und Esoterik

Jesus ruft zur Umkehr, wenn der Mensch in eine Sackgasse gerät. Und Umkehr bedeutet Umkehr zu Gott. Aber New Age kehrt nicht zu Gott um, sondern flüchtet in den Aberglauben. Das ist die Realität unserer Tage: Flucht in den Aberglauben, Flucht in die Gnosis, Flucht in die Esoterik, Flucht in den Okkultismus, Flucht in den Spiritismus, Flucht in die Astrologie. Die Buchhandlungen blühen mit okkulten Büchern und Gegenständen, es gibt sogar eigene Esoterik-Messen, also Verkaufsveranstaltungen für die Jünger von New Age. Durch okkulte Praktiken, weiße und schwarze Magie, versuchen viele zu höheren geistigen Erkenntnissen zu gelangen, zum Wissen vom inneren Menschen. Nicht der Heilige Geist, sondern ein böser Geist zieht sie in diese verborgene Welt hinein. Er verführt sie in eine Scheinwelt. Statt Glaube waltet Aberglaube, statt christlicher Mystik waltet Esoterik, statt Führung durch den Heiligen Geist und seine Kirche siegt Verführung durch Götzen und Idole.

Typisch ist, dass New Age keinen persönlichen Gott duldet. Gott ist ein diffuses „Göttliches“, eine „göttliche Kraft“ oder sonst etwas. Mit diesem „etwas“ kannst du gar nicht mehr auf „Du“ und „Du“ sprechen. Gott ist ein diffuser Nebel und kein dreipersönlicher Gott, der mir als Vater, Sohn und Geist begegnet. Im Prinzip ist New Age sogar gottlos, denn es behauptet, dass der mündige Mensch Gott nicht mehr nötig habe. Der Mensch selbst erhält ja Anteil an der göttlichen Kraft. Freilich erhält er diese nicht von einem persönlichen Gott geschenkt, sondern er erwirbt sie sich selbst durch Praktiken, Riten, Techniken, Beschwörungen. Hier geht es nicht mehr um Erlösung, sondern um Selbsterlösung. Der Mensch macht sich selbst göttlich. Die Gnade Jesu Christi wird nicht mehr gebraucht. New Age ist deshalb gottlos, weil es sagt, dass Gott alles ist, dass alle Materie Gott ist. Wenn die Materie bis hin zu den Elektronen der Atome Gott ist, dann ist eben kein Gott mehr, sondern nur mehr Materie, welcher göttliche Kraft zugeschrieben wird.

Nachäffung des jüdischen und christlichen Glaubens

Die amerikanische Schauspielerin Shirley MacLaine ist eine große Protagonistin des New Age; sie hat einen Film gedreht, in dem sie singt: Ich bin Gott. Wir können uns nun einfach aussuchen, was wir wollen: Shirley MacLaine oder den wahren Gott! Die Suche nach Gott, sagt sie, ist sinnlos, weil wir selbst Gott sind. Also wozu in die Kirche gehen, um Gott zu suchen? Du bist ja selbst Gott. Jeder von uns, sagt sie weiter, kann von sich selbst sagen: Ich bin der Ich-bin. Wir kennen dieses Wort aus dem Munde Jahwes, als Wort, das zu Mose am Sinai aus dem brennenden Dornbusch gesprochen wurde: „So sollst du, Mose, Israel, meinem Volk, sagen, der Ich-bin hat mich gesandt“ (Ex 3,14). New Age ist eine Nachäffung des jüdischen und christlichen Glaubens. New Age ist eine arrogante Perversion, die den Menschen dazu verführt, wie Gott werden zu wollen. Wer sonst aber sollte eine so wirre und verkehrte Idee eingeben als Luzifer, der ja schon im Paradies Adam und Eva als die alte Schlange mit der Versuchung verführt hat: „Ihr werdet sein wie Gott!“ (Gen 3,5)?

In dieser Hinsicht ist also das „Neue Zeitalter“ eigentlich ein „alter Hut“, weil es der List der alten Schlange entspringt. Es ist das Zeitalter der Versuchung Luzifers. Teuflisch ist es auch, dass gerade New Age den Abschied vom Teufel proklamiert: Es gibt kein Böses, es gibt keinen Teufel. Ich kann hier nur immer wiederholen: Es hat keinen Sinn, sich vom Teufel zu verabschieden, solange er sich nicht von uns verabschiedet hat! Das New Age kennt keinen Bösen als Person, sondern nur das sogenannte Böse. Böse ist der, der nicht den New Age-Geist übernimmt. Böse sind also die Christen, die noch immer hinter der modernen Zeit herhinken und noch immer an den alten Dogmen und den alten moralischen Vorstellungen festhalten, die angeblich längst überholt sind.

Ohne Verantwortung gegenüber einem personalen Gott

Als ich in Rom studiert habe, besuchte der Dalai Lama von Tibet gerade den Papst. Er wurde von Journalisten gefragt: „Glauben Sie an Gott?“ Der tibetische Dalai Lama gab zur Antwort: „Wenn Sie unter Gott ei-ne Person verstehen, dann glaube ich nicht. Aber wenn Sie unter Gott ein kosmisches Fluidum, Schwingungen verstehen, dann glaube ich an Gott.“ Das ist typisch für das östliche Denken, vor allem des Buddhismus: Es gibt keinen personalen Gott. Wenn es aber keinen personalen Gott gibt, dann auch keine Verantwortung Gott gegenüber. Dann kann ich mir als Mensch ganz beliebig meine persönlichen Lebensregeln zulegen. Und genau in diese Richtung geht es bei New Age: Bestimme dich selbst! Was man gerne tut, ist entscheidend, und was viele tun, ist das Richtige. Wenn 90 Prozent etwas tun, dann muss es richtig sein.

Wir Christen hingegen glauben, dass Gott uns ein Gewissen gegeben hat. Dieses Gewissen ist die Stimme Gottes in unserem Herzen; wir müssen auf diese Stimme hören, auch wenn sie sich gegen die Meinung der Mehrheit richtet. Und wir Christen glauben auch, dass Gott als der absolut Gerechte uns einmal zur Rechenschaft ziehen wird. Ist die Parole „Tue, was dir gefällt“ nicht eigentlich eine dämonische Parole? New Age verkündet Freiheit von Gott und Freiheit vom Nächsten. Der Nächste ist nur mehr das Objekt des Genießens. Die Liebe im New Age ist Partnerschaft zwischen Ich und Du ohne Gott. Es gibt daher keine unauflösliche Ehe mehr, sondern nur austauschbare Beziehungen. Ehe und Familien seien längst überholt, eine altmodische Sache des Fisch-Zeitalters.

New Age hat aber auch zum Leiden eine ganz eigenartige Beziehung, denn es predigt die Liebe ohne das Leiden. Das ist ganz konträr zu dem, was Christus uns gebracht hat. Christus zeigt uns, dass Liebe und Leiden zusammengehören, sie sind eine untrennbare Einheit! New Age sagt, wenn eine Ehe Leiden bringt, dann ist sie zu scheiden. Wenn ein Mensch zu viel leidet, dann sei humanes Sterben erlaubt. Eine schöne Umschreibung der Euthanasie! Sogar Selbstmord ist nach New Age erlaubt. Doch Jesus Christus zeigt uns, dass Kreuz und Leiden mit der Liebe zusammengehören, ja, dass sie sich geradezu gegenseitig bedingen. Durch seinen Tod am Kreuz zeigt er uns gerade dadurch, dass er uns liebt, indem er sein Leben ins Leiden und in den Tod gibt bis zum letzten Blutstropfen. Was wäre das für eine Liebe, wenn sie nicht bereit ist zur Hingabe, zur Preisgabe, zur Selbstverschwendung!

New Age führt geradezu einen Kampf gegen das Kreuz. Das Kreuz, das Leiden, das die Liebe ist, wird gehasst, verschmäht, zutiefst abgelehnt und verachtet. Wir müssen hier unmittelbar an den Hass der Nazis gegen das Kreuz denken. Ein Gott, der am Kreuz seine opfernde, verströmende Liebe zeigt, muss von den Mächten des Bösen immer abgelehnt werden. Die Nazis ersetzten das Kreuz Christi durch das Hakenkreuz. New Age ersetzt das Kreuz durch den Regenbogen und verdreht so auch ein weiteres christliches Symbol. Der Regenbogen, sagen sie, ist die Brücke der menschlichen Einzelseele zur Universalseele, zum Universalgeist, zum Allgeist.

Vollkommene Befreiung vom christlichen Offenbarungsglauben

Ziel des New Age ist die große Umwandlung, die Transformation und damit auch die Verdrängung und Auslöschung des Christentums. Der Ideologe des New Age, Fritjof Kapra, erklärt in seinem Werk „Wendezeit“: „Das Christentum wird in seiner Gesamtheit verschwinden, und dann wird endlich der Mensch zu Gott.“ Worin besteht diese große Wendezeit? Sie besteht darin, sagt Fritjof Kapra, dass der Mensch frei ohne jeden Offenbarungsglauben leben darf. Gewisse Meditationen bis hin zu Zen, Yoga und Hypnose, transpersonaler Psychologie, Ganzheitsmedizin, Psychotechnik, Gruppendynamik und positivem Denken ermöglichen diese Transformation. Das Bewusstsein der Menschen muss umgewandelt werden. Auch Drogen spielen eine Rolle, auch das allgegenwärtige Fernsehen und mittlerweile immer stärker das Internet ermöglichen eine allumfassende Manipulation. Statt christlicher Autorität und objektiver Wahrheit nur mehr subjektive persönliche Erfahrung und persönliche Wahrheiten.

Für New Age ist Luzifer nicht der Böse, sondern das Licht, der Weg zum Licht, ja sogar das Tor zum Licht. Daher gibt es sogar eine Weihe an Luzifer. Der Amerikaner David Spangler zeigt in einem Buch, das 1978 erschienen ist, auf: Du kannst durch Luzifer zu höheren Vollkommenheiten geführt werden. In jedem Einzelnen von uns wirkt er. Luzifer führt dich ins neue Zeitalter der Vollkommenheit des Menschen. Luzifer ist für New Age das Licht der Welt. Es handelt sich hier um eine Perversion der schlimmsten Art.

Die Stunde des christlichen Zeugnisses

Als Christen wissen wir, dass das Heil einzig und allein vom dreifaltigen Gott, kommt: vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist. Es gibt nur ein Reich, das Reich Jesu Christi. Dieses gilt es anzustreben. Es gibt auch nur eine Antwort auf alle Sinnfragen. Diese Antwort ist Jesus Christus. Er beantwortet alle Fragen nach dem Sinn unseres Daseins, weil er allein auch unsere Frage nach dem Jenseits beantwortet. Jesus Christus ist der Weg und nicht bloß ein Weg von vielen. Er ist die Wahrheit und nicht bloß eine Meinung von vielen. Er ist das Leben und nicht bloß ein Lebensangebot unter vielen. Nur Jesus Christus ist das Licht, vor dem alle falschen Irrlichter erlöschen.

Es scheint so, dass wir Christen hier in Europa immer mehr zu einer Minderheit werden, zu einer kleinen Herde. Doch das soll uns nicht schrecken. „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ (Lk 12,32), ruft uns Jesus zu. Denn immer sind es Minderheiten, die die Zukunft bestimmen, die die Zukunft retten.

Wir Christen haben allen Grund, mutig in das dritte Jahrtausend auszuschreiten. Wir leben in einer Zeit, in der wir Zeugen Christi, Zeugen seines Kreuzes und seiner Auferstehung sein dürfen. Zeugen dafür, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern dass es eine Hoffnung gibt. Gott liebt uns. Mehr als du selbst dich lieben kannst, liebt Er dich! Sagen wir es ihm persönlich, dass wir ihn lieben: Herr, ich liebe dich! Du weißt, dass ich dich liebe! Beten wir nach jeder Kommunion das, was der Priester still und leise beim Kommunizieren betet: Herr, hilf mir, dass ich deinen Geboten stets treu bleibe, und lass nicht zu, dass ich jemals von dir getrennt werde! Der hl. Pfarrer von Ars hat dieses Kommuniongebet immer mit Tränen in den Augen gesprochen. Keine Macht der Welt, auch nicht der um sich greifende Einfluss des Aberglaubens von New Age, kann uns von Jesus Christus trennen. Er ist der Herr aller Zeiten, auch des dritten Jahrtausends. 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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[1] Wolfgang Buchmüller/Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Hg.): Ambo/Jahrbuch der Hochschule Heiligenkreuz 2019 (4. Jg.): Esoterik versus Erlösung, 576 S., HC, ISBN 978-3-903118-86-7, 24,90 Euro; Tel.: +43(2258)8703-400, Mail: bestellung@bebeverlag.at – www.klosterladen-heiligenkreuz.at

Predigt von Kurt Kardinal Koch in Manoppello

Jesus Christus – Name und Antlitz Gottes

In Manoppello wird eine einzigartige Reliquie verehrt, ein hauchdünnes Muschelseidentuch mit dem Abbild des Antlitzes Christi. Jahrhundertelang schenkte ihm die Kirche keine besondere Aufmerksamkeit. Doch um das Jahr 1978 identifizierte es der Kapuzinerpater Domenico da Cese mit dem im Johannesevangelium erwähnten Schweißtuch und Paul Badde wies nach, dass es sich um den ehrwürdigen Schatz aus dem Petersdom handelt, der beim „Sacco di Roma“ 1527 verloren gegangen war. So wurde verständlich, warum seit dieser Zeit die Prozession mit dem Schweißtuch nicht mehr stattfand, die Papst Innozenz III. am zweiten Sonntag nach Epiphanie im Jahr 1208 eingeführt hatte. Damals wie heute heißt dieser Sonntag nach dem Eröffnungsvers aus Psalm 100 „Omnis terra“ – „Alle Welt bete Dich an!“ Nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. im September 2006 wurde 2016 auch diese Tradition wieder aufgenommen, heuer mit Kurienkardinal Koch.  

Von Kurt Kardinal Koch

Person mit Namen und Gesicht

Wenn man sich mit einem anderen Menschen und vor allem mit seinem Geheimnis vertraut machen will, ist man gut beraten, seinen Namen zu kennen. Dazu rät bereits das Sprichwort: „Nomen est omen“. In diesem Wort liegt es begründet, dass im Leben von uns Menschen Namen eine große Rolle spielen. Bereits vor der Geburt eines Menschen machen sich die Eltern Gedanken über den Namen, den sie dem Neugeborenen geben wollen und welche Lebensperspektiven sie damit verbinden. Denn der einmal erhaltene Name begleitet den Menschen sein Leben lang. Bei seinem Namen wird er gerufen, mit seinem Namen ist er identifizierbar, und mit seinem Namen muss er seine Unterschrift geben. Mit seinem Namen ist er vor allem anrufbar. Wenn wir einen Menschen bei seinem Namen rufen, eröffnet sich eine persönliche Beziehung zu dem mit dem Namen Bezeichneten. In dieser großen Bedeutung, die der Name im Leben eines Menschen hat, zeigt sich an, dass sich im Namen das Wesen einer Person ausdrückt.

Mit dem Namen allein können wir freilich mit dem Geheimnis eines Menschen noch nicht ganz vertraut werden. Der Name allein bleibt irgendwie abstrakt und hängt in der Luft, wenn er nicht einem konkreten Gesicht zugeordnet werden kann. „Nomen est omen“: Dieses Sprichwort beginnt erst zu sprechen, wenn man dem Gesicht begegnet, das diesen Namen trägt. Denn jeder Mensch hat ein unverwechselbares Gesicht, das seine Originalität im besten Sinn des Wortes zum Ausdruck bringt. Wie ein Mensch mit seinem Namen anrufbar ist, so ist er mit seinem Gesicht anschaubar und ermöglicht damit eine ganz persönliche Beziehung zu einem anderen Menschen, der ihm ebenfalls sein Gesicht zeigt, so dass wahre Kommunikation „face to face“ entsteht.

Name und Gesicht machen aus einem Menschen eine ganz konkrete Person. Denn der Name ist ein Beziehungswort und bringt es an den Tag, dass der Mensch aufgrund seines Namens angerufen werden und selbst andere Menschen ansprechen kann. Und aufgrund seines Gesichts kann er von anderen Menschen angeblickt werden und kann er selbst andere Menschen ansehen und ihnen so Ansehen geben, worauf bereits die Sprache hinweist. Es ist kein Zufall, dass das hebräische Wort für Gesicht „paním“ im Griechischen mit „prosopon“ und im Lateinischen mit „persona“ übersetzt worden ist. Denn eine Person zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen Namen und ein Gesicht hat.

Wenn wir uns diese Zusammenhänge vergegenwärtigen und zudem bedenken, dass die geschichtliche Erkenntnis des Geheimnisses des Menschen als Person im christlichen Ringen um das Verständnis Gottes als des Dreieinen möglich geworden ist, dann öffnet sich uns auch die Tür zum innersten Geheimnis des christlichen Glaubens: Das Neue der christlichen Offenbarung besteht nicht in einer neuen religiösen Idee und auch nicht in einem neuen ethischen Entschluss, sondern in einer Person. Niemand ist so sehr Person wie Gott selbst, und wir Menschen werden umso mehr Personen, je mehr wir mit ihm in persönlicher Beziehung stehen und an jene Person glauben, in der Gott sich uns in endgültiger Weise zu erkennen gegeben hat, indem er uns seinen Namen offenbart und sein Gesicht gezeigt hat, nämlich in seinem Sohn. Jesus Christus hat uns den Namen Gottes zugänglich gemacht, und Jesus Christus selbst ist das uns Menschen zugewandte Gesicht Gottes.

Jesus Christus als Gottes Name und Gesicht

„Vater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast“ (Joh 17,6a). Mit diesem Bekenntnis im Hohepriesterlichen Gebet benennt Jesus die Mitte seiner göttlichen Sendung in unserer Welt. Damit setzt er selbstverständlich voraus, dass auch Gott, den er seinen Vater nennt und mit dem er von Angesicht zu Angesicht in Beziehung ist, einen Namen hat. Dass Gott einen Namen hat, ist geradezu der auffälligste Tatbestand im biblischen Gottesbild. Der Name Gottes ist dabei gewiss Ausdruck von Erkenntnis des Wesens Gottes, in erster Linie aber macht er das Wesen Gottes anrufbar. Wie wir Menschen bei unserem Namen gerufen werden, so dürfen wir als Glaubende auch den Namen Gottes anrufen.

In der Sicht der Heiligen Schrift sind es freilich nicht wir Menschen, die Gott einen Namen geben und ihn damit gleichsam in seine Anrufbarkeit zwingen könnten. Gott ist vielmehr nur deshalb anrufbar, weil er sich selbst anrufen lässt; und sein Name ist uns Menschen nur bekannt, weil Gott selbst ihn bekannt gegeben hat. Die durch den Namen Gottes ermöglichte persönliche Beziehung zwischen uns Menschen und Gott wird deshalb nicht von uns Menschen, sondern nur von Gott her errichtet. Der Name Gottes ist der Ausdruck der biblischen Grundtatsache, dass Gott sich nennt und offenbart, wie Jesus seine Sendung darin zusammenfasst, dass er uns Menschen den Namen Gottes offenbart hat. An anderer Stelle formuliert Jesus sein eigenes Herzensanliegen und Lebensziel mit der Gebetsbitte: „Vater, verherrliche deinen Namen“ (Joh 12,28). Jesus gibt sich damit gleichsam als der neue Moses zu erkennen, der die Sendung des ersten Moses, nämlich die Kundgabe des Namens Gottes als „Jahwe“, in einer noch tieferen Weise vollzieht.

Wie Gott in seinem Sohn Jesus Christus uns Menschen seinen Namen offenbart hat, so hat er uns auch zu erkennen gegeben, dass er ein Gesicht hat, indem er in seinem Sohn sein wahres Gesicht gezeigt hat, wie es Jesus Christus selbst bezeugt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14, 6). Mit diesem Bekenntnis antwortet Jesus auf die bedrängende Bitte des Apostels Philippus, Jesus möge ihm und seinen Mitaposteln den Vater zeigen. Philippus bringt damit die Urbitte der Menschheit ins Wort, dass sie das Gesicht Gottes sehen und ihm von Angesicht zu Angesicht begegnen möchte. Diese Bitte zieht sich wie ein roter Faden bereits durch das Alte Testament hindurch, wie das Gebet eines Verfolgten in Psalm 17 sehr schön zum Ausdruck bringt: „Ich aber will in Gerechtigkeit dein Angesicht schauen, mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache“ (Psalm 17,15). Dass das Suchen nach Gottes Antlitz das ganze Leben umfasst, spricht Psalm 24 unumwunden aus: „Das sind die Menschen, die nach ihm fragen, die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs“ (Psalm 24,6).

Die Ursehnsucht der Menschen, die im Alten Testament eine besonders eindringliche Bitte gefunden hat, ist in Jesus Christus in Erfüllung gegangen. Jesus Christus ist der authentische Zeuge dafür, dass Gott für den christlichen Glauben kein weltferner Gott ist und auch nicht einfach eine philosophische Hypothese über die Entstehung des Kosmos, sondern ein Gott, der uns Menschen sein wahres Gesicht gezeigt, uns da-mit sein endgültiges Wort geschenkt und uns mit seinem vollständigen und unüberbietbaren Wort der Liebe angeredet hat, wie diese Kernmitte des christlichen Glaubens der hl. Johannes vom Kreuz in einem Satz verdichtet hat: „Gott hat uns seinen Sohn gegeben, der sein Wort ist, und so hat er uns alles auf einmal in diesem einen Wort gegeben, und es bleibt nicht weiter mehr zu sagen."[1] In der Tat bleibt nichts weiter mehr zu sagen, weil Gott in Jesus Christus uns Menschen so nahe gekommen ist, wie es näher gar nicht mehr möglich ist, indem er uns seinen Namen offenbart und sein wahres Gesicht gezeigt hat.

Lebenslanges Suchen nach dem Antlitz „voll Blut und Wunden“

Angesichts des endgültigen Ernstes der Offenbarung Gottes in seinem Sohn stellt sich uns die weitere Frage, wie das Gesicht Gottes genau aussieht. Darauf gibt uns Johannes der Täufer im heutigen Evangelium die entscheidende Antwort. Als er Jesus auf sich zukommen sah, sagte er: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1, 29). Gott trägt in Jesus Christus das Gesicht eines Lammes. Dieser Gesichtszug Gottes muss uns zu denken geben und lädt uns ein, vor diesem Gesicht zu verweilen.

Beim ersten Hinhören wird uns diese Botschaft vielleicht harmlos und sogar etwas romantisch erscheinen. Ihre ganze Brisanz erhält sie aber dann, wenn wir bedenken, dass Christus das Gesicht eines Lammes und gerade nicht das Gesicht eines Löwen oder eines Wolfes trägt. So freilich haben die Menschen ihn damals erwartet, und so hoffen wir Menschen es auch heute immer wieder, dass Gott mit der Kraft eines Löwen die Welt und ihre Strukturen aus den Angeln hebt und eine neue schafft. Doch Christus trägt nicht das Gesicht eines Löwen. Mit dessen Bild haben sich vielmehr die Könige unserer Welt immer wieder dargestellt, um damit ihre Macht demonstrativ zu feiern. Christus trägt auch nicht das Gesicht einer Wölfin, mit dessen Bild sich das antike Rom zur Schau gestellt hat, um sich mit seiner Ordnungsmacht als Erlöserin darzubieten. Johannes der Täufer führt uns vielmehr vor Augen, dass die Erlösung nicht durch die großen und mächtigen Tiere kommt, sondern dadurch, dass Christus als Lamm und damit in der Kraft seiner wehrlosen Liebe zu uns Menschen gekommen ist.

Hier scheint der tiefste Grund auf, dass zum Geheimnis Jesu Christi immer auch das Kreuz gehört und dass in unserer Welt das Antlitz Christi sich immer auch als „Haupt voll Blut und Wunden“ darbietet. Denn Lamm sein und Kreuz sind unlösbar miteinander verbunden. Christus ist gerade darin der Gute Hirte seines Volkes und damit die Erfüllung jenes Knechtes, den der Prophet Jesaja verheißen hat, dass er selbst Lamm wird und sich auf die Seite der geschundenen Lämmer stellt, um mit ihnen mitzuleiden und sie zu erlösen. Denn Jesus hat uns Menschen dadurch erlöst, dass er sich hingegeben hat, indem er ein Liebender ist. Denn der innerste Kern der Sendung Jesu ist die Liebe, und deshalb ist diese Sendung nirgendwo anders erfüllt als am Kreuz, wie dies der Evangelist Johannes bezeugt: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16).

Wenn wir hier im Heiligtum von Manoppello das „Heilige Antlitz“ betrachten und verehren, dann begegnet uns das Gesicht eines wehrlosen Lammes und zugleich das Gesicht voll Blut und Wunden, und zwar deshalb, weil uns das Gesicht der grenzenlosen Liebe Gottes entgegen kommt. Wir sind eingeladen, dieses Bild zu verehren und das Antlitz Gottes zu suchen, wie es Papst Benedikt XVI. bei seinem persönlichen Pilgerbesuch in Manoppello uns ans Herz gelegt hat: „Das Antlitz des Herrn zu suchen muss unser aller Wunsch, der Wunsch aller Christen sein; wir nämlich sind ,die Menschen‘, die in dieser Zeit sein Antlitz suchen, das Antlitz des ,Gottes Jakobs‘“.[2] Diese Worte hat Papst Benedikt XVI. in bewusster Bezugnahme auf Psalm 105 ausgesprochen, in dem die Aufforderung steht: „Fragt nach dem Herrn und seiner Macht; sucht sein Antlitz allezeit“ (Psalm 105,4).

Mit dem Wort „allezeit“ sind wir eingeladen und in die Pflicht zur Sorge genommen, dass unser Leben als Christen darin besteht, dass wir uns in der Tiefe unserer Existenz immer nach dem Antlitz des Herrn sehnen und dass diese Sehnsucht nicht ins Leere greift, weil der christliche Glaube uns die schöne Botschaft schenkt, dass Gott einen wunderbaren Namen und ein liebendes Gesicht hat. Wenn wir sein Antlitz suchen und verehren, dann steht unser ganzes Leben unter dem Segen Gottes, der in der Zusage seines Angesichts besteht: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6, 24-26). Dieses Leuchten von Gottes Angesicht ist der Segen, den wir brauchen und um den wir bitten in der Feier der Eucharistie. In ihr schaut uns der Herr mit seinem Gesicht der grenzenlosen Liebe an und schenkt sich als Lebensbrot, das geistliche Nahrung auf dem Weg in die Ewigkeit ist, in der wir das Angesicht Gottes ohne Ende loben und anbeten werden.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Johannes vom Kreuz: Aufstieg zum Berge Karmel = Sämtliche Werke 1 (München 1957), 20.
[2] Benedikt XVI.: Ansprache bei der Pilgerreise zum Heiligtum des „Heiligen Antlitzes“ von Manoppello am 1. September 2006. 

Ein transatlantischer Blick auf die Krise

Was zeigt sich in den USA?

Prof. Dr. Wolfang Koch und seine Frau Dorothea verstehen es, Geschichtskenntnisse, Glaubensüberzeugungen und Zeichen der Zeit miteinander zu verbinden. Daraus ergeben sich interessante Deutungen der Vorgänge in Kirche und Welt, aber auch Anhaltspunkte zur Orientierung für den Weg in die Zukunft. Im Blick auf die Situation in den USA knüpfen sie an die historischen Ursprünge der katholischen Kirche in der Neuen Welt an. In einer von der Reformation geprägten Auswanderungsbewegung bahnt sich nach ihrer Überzeugung die Gottesmutter selbst einen Weg nach Amerika, um das Fundament für eine katholische Evangelisierung zu legen. Der Himmel scheint die Weihe Amerikas an das Unbefleckte Herz Mariens, welche die katholischen Pioniere vorgenommen haben, bis heute sehr ernst zu nehmen. Trotz aller Erschütterungen zeigt sich in den USA aktuell ein Aufbruch, der auch für Europa ein Zeichen sein könnte.  

Von Dorothea und Wolfgang Koch

„Synodalkerzen“ sollen unsere Kirche also erleuchten, seit am ersten Adventssonntag der „Synodale Weg“ eröffnet wurde. Eine der „letzten Chancen“ sei er, es gebe „keine Alternative“.[1] Alternativlos ist er für Ziele, die manche schon lange erreichen wollen. Die Neuevangelisierung unseres Landes ist für diese Kräfte keine Alternative. Denn mit großer Mehrheit wurde ein solcher Vorstoß des Kölner Kardinals und des Regensburger Bischofs abgelehnt.

„Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“, „Priesterliche Lebensform“ und „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“: Werden die Hirten mit diesen Themen ihre durch Christi Blut erkaufte Herde im Sturm unserer Zeit zum Himmelreich führen? Wer spricht noch vom Brandbrief des Papstes? „Achten wir auf die Versuchung durch den Vater der Lüge und der Trennung, den Meister der Spaltung“, warnte er an Peter und Paul, „der beim Antreiben der Suche nach einem scheinbaren Gut oder einer Antwort auf eine bestimmte Situation letztendlich den Leib des heiligen und treuen Volkes Gottes zerstückelt!"[2] Was wäre von „Dienern Christi und Ausspendern der Geheimnisse Gottes“ zu erwarten? „Dass sie treu erfunden werden“, antwortet Paulus.[3]

USA – Labor der Moderne

Was heute ausbricht, ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die Kardinal Joseph Ratzinger vor seiner Wahl zum Papst „radikale Aufklärungskultur“ nennt. Sie sei in unserer Gegenwart zur vollen Ausformung gelangt und wolle für Europas Identität konstitutiv werden.[4] Die Ideen der Aufklärung hätten vor allem das alte Europa säkularisiert und treiben die Entwicklung voran.

In den USA lässt sich die Moderne wie im Labor studieren. Denn sie entstand ganz aus dem Geist der Aufklärung. Ihre repräsentative Hauptstadt ist wie ein architektonischer Gegenkommentar zu päpstlichen Lehrschreiben bis ins 20. Jahrhundert.

Aus anti-katholischem Ressentiment behandelt die neue Nation ihre katholischen Bürger lange als Menschen zweiter Klasse. Gewalttätige Konflikte und öffentliche Stigmatisierung waren die Folge. Kinder katholischer Familien durften keine öffentlichen Schulen besuchen, Männer verloren aufgrund ihres Glaubens die Arbeit, Zeitungen schürten mit bösartigen Karikaturen die Stimmung. Noch im 20. Jahrhundert kämpfen katholische Politiker gegen solche Kampagnen.

Der Religionsphilosoph Thomas Schärtl, der an der Catholic University of America in Washington D.C. lehrte, versteht die USA dennoch als „das bis dato ergebnisoffene Experiment einer radikal pluralistischen Gesellschaft“. Es erlaube, „hierzulande noch nicht voll ‚ausgebrochene‘ Pluralisierungsschübe“ einzuschätzen. Radikale Pluralität sei zwar faktisch lebbar, mache aber unmöglich, „was die politischen Ideale besonders Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt hatte: die Idee der Konsensdemokratie“.[5] Die Verdunklung der Kirche als gesellschaftsprägende Kraft wird diesen Trend wohl erheblich verstärken.

Zeichen einer Antwort

Zugleich zeigt sich eine überraschende Ambivalenz: In Washington steht auch die größte katholische Kirche Nordamerikas, das Nationalheiligtum der Unbefleckten Empfängnis. Besitzt die Welthauptstadt des Liberalismus eine katholische Tiefendimension? Gibt die Immaculata durch ihr ecce ancilla Domini eine Antwort auf Independence, das Grundprinzip der ‚radikalen Aufklärungskultur‘, der säkularisierten Moderne, der „vollends aufgeklärten Erde“? Seit 1792 sind die USA der Gottesmutter geweiht. Welche Bedeutung besitzt das amerikanische Patronat der Mary Immaculate, das Pius IX. 1847 bekräftigt, sieben Jahre vor dem Dogma?

Schon lange zeichnet sich also Mariens Antwort auf die „radikale Aufklärungskultur“ ab. Sind uns die USA voraus? As a matter of fact scheint gerade dort traditionell katholisches Glaubensleben neu aufzublühen. Jüngere Milieustudien belegen für Schärtl schon im Jahr 2012, „dass in den USA – und dies nimmt wohl nur einen weltweiten Trend vorweg – angehende Priester sowie Professoren und Professorinnen zunehmend traditionsorientierter sind“. Ihm stelle sich die Frage, ob das europäische Christentum gegenüber dieser „Amerikanisierung des Katholischen […] auf den intrinsischen Wert der Aufklärung oder einer liberalen Theologie rekurrieren könnte. Aber gerade dieser Wert dürfte angesichts des Wachkomas, in dem sich das Christentum in Zentraleuropa (siehe Niederlande, Frankreich oder Skandinavien, aber eben auch Deutschland) befindet, nur schwer zu vermitteln sein."[6]

Erst im vergangenen August informierte sich die Deutsche Bischofskonferenz in den USA über die Neukonzeption der Berufungspastoral. Eine zentrale Rolle im Prozess der Entscheidung zum Priestertum spiele in den USA die eucharistische Anbetung, ist zu erfahren.[7]

Mariengeschichte der USA

Die Vereinigten Staaten sind seit dem 28. Mai 1792 der seligsten Jungfrau geweiht, vier Jahre nach der Ratifikation der Constitution, der amerikanischen Verfassung. Im gleichen Monat, am 13. Mai 1792, legten Freimaurer, unter ihnen George Washington, mit merkwürdigen Riten den Grundstein für das Weiße Haus. Vollzogen wurde die Marienweihe durch John Carroll S.J., Bischof, später Erzbischof von Baltimore in Maryland, der ältesten Diözese der USA, die für dieses Land spricht. Sogar Washingtons Stadtgebiet liegt auf „Marienland“! Denn der District of Columbia wurde von Maryland abgetreten, um Regierung und Kongress dem Zugriff der damals mächtigen Einzelstaaten zu entziehen.

Woher kommt eigentlich der Name ‚Maryland‘ für einen der dreizehn Gründungsstaaten der USA? Die Mariengeschichte der USA beginnt lange vor der Unabhängigkeitserklärung.

Maryland ist die einzige katholische der sonst militant protestantischen britischen Kolonien. Mit königlichem Privileg wird sie bereits 1632 von George Calvert und seinem Sohn als Zuflucht für verfolgte Katholiken gegründet. Eine glänzende Karriere macht Calvert unter dem britischen König James I., dem einzigen Sohn der katholischen Maria Stuart, Queen of Scots, zum Staatssekretär. Als Katholik getauft, wurde James protestantisch erzogen. 1625 legt Calvert seine Ämter nieder, nachdem er zum katholischen Glauben konvertiert ist. Aus Dankbarkeit ernennt ihn James zum Baron von Baltimore. In die Kirche führt ihn der unbeschuhte Karmelit Simon Stock, gleichen Namens wie der heilige Simon Stock, Generalprior der Karmeliten, dem die Gottesmutter das Skapulier überreichte. Geheimnisvoll steht also die Gottesmutter vom Berge Karmel am Anfang ihrer amerikanischen Mission.

Zunächst versucht Calvert auf Neufundland, der subarktischen Insel östlich von Kanada, eine katholisch geprägte Kolonie zu gründen, die er Avalon nennt. Auf dieser mythischen Insel der Arthus-Sage berührt das Christentum zuerst das römische Britannien. Missionare erbittet er sich von Stock, der große Ideen entwickelt. In einem Brief an das Hl. Offizium in Rom sieht er Calverts Kolonie nicht nur als Sprungbrett für die Indianermission in der ganzen Neuen Welt, sondern auch in China.[8] Denn zu dieser Zeit glaubte man, dass der nördliche Seeweg zum Pazifik passierbar ist. Das feindliche Klima bereitet diesem Avalon ein rasches Ende. Nach vielen Wirren gründet Calvert Maryland, ein neues Avalon. Baltimore, bald die wichtigste Stadt „Marienlands“, trägt Calverts Adelstitel. Ob Calvert Maryland unmittelbar nach der Gottesmutter benannte oder nach der katholischen Ehefrau des katholisierenden Charles I., beschäftigt die Historiker.

Marienweihe der USA

John Carroll verkündet die Marienweihe in seinem ersten Hirtenbrief an seine riesige Diözese, die alle 13 Gründungskolonien umfasst.[9] Von Baltimore überträgt sich die Weihe auf alle neugegründeten Diözesen. Wie sehr ‚Maria‘ das „Programm“ des ersten Bischofs der USA ist, zeigt auch das Patronat der ersten US-Kathedrale, deren Grundstein Carroll 1806 legt. Die Basilica of the National Shrine of the Assumption of the Blessed Virgin Mary ehrt die glorreiche Himmelfahrt Mariens. An ihrem Fest, am 15. August 1791, wurde Carroll zum Bischof geweiht.

Noch als Jesuitenpater gründet Carroll im französischen Revolutionsjahr 1789 die Georgetown University im späteren Washington D.C. Noch heute von Jesuiten geführt, ist die erste katholische Universität der USA ignatianischen Prinzipien verpflichtet: Alles zur größeren Ehre Gottes, Betrachtung im Handeln, persönliche Sorge sowie akademische Exzellenz. Heute zählt Carrols Gründung zu den amerikanischen Eliteuniversitäten der USA. Erst 20 Jahre danach gründet Thomas Jefferson seine Modelluniversität der Aufklärung in Charlottesville, Virginia.

Die aufblühende Kirche der expandierenden USA verehrt die Gottesmutter immer inniger in ihrer unbefleckten Empfängnis. So wird der Immaculata in Kansas, im geografischen Zentrum der USA, im Jahre 1840 von Indianern eine große Kapelle erbaut. Über 500 Potawatomi wohnen dem Hochamt, der feierlichen Vesper und der Prozession anlässlich der Kirchweihe am Weihnachtstag bei, bei der Indianermädchen eine Statue der Mary Immaculate tragen.

Als Erzbischof Samuel Eccleston S.S. von Baltimore 1846 das 6. Provinzialkonzil der amerikanischen Kirche in Carrolls Himmelfahrtskathedrale einberuft, erhebt das erste Dekret Mary Immaculate zur Patroness of the United States, mit dem 8. Dezember als verpflichtendem Patronatsfest. Kein geringerer als Pius IX. bekräftigt das amerikanische Patronat der Immaculata am 7. Februar 1847. Das 7. Provinzialkonzil bittet ihn einmütig um die Verkündigung der unbefleckten Empfängnis Mariens als Dogma und ruft alle Katholiken der USA zu täglichem Gebet in diesem Anliegen auf. Wird der 8. Dezember ein amerikanischer Nationalfeiertag?[10]

Fünf Punkte – auch für uns?

Wenn wir nur die Weltpolitik sehen, stehen wir ratloser denn je vor dem Phänomen USA und seinem Unabhängigkeitsmythos. Denn als pathetischer Schlüsselbegriff hat Independence mit den Anliegen unterdrückter Kolonisten längst nichts mehr gemein. Gemeint ist immer mehr die radikale Auflehnung gegen jede Abhängigkeit der Geschöpfe von ihrem Schöpfer. Aber wenn gerade ein solches Gebilde beinahe von Anfang an Unserer Lieben Frau geweiht ist, hat es für den verheißenen Triumph ihres Unbefleckten Herzens eine Berufung.

Mit einem Anteil von mehr als einem Fünftel der Gesamtbevölkerung ist die katholische Kirche heute die größte Glaubensgemeinschaft der USA. Trotz des katastrophalen Missbrauches bleibt er stabil. Ein Bonmot nennt als größte Konfession der USA die katholische und als zweitgrößte die ex-katholische. Besonders im liberalen Norden ist der Schwund drastisch. Im Süden verzeichnen die Katholiken dagegen rasanten Zulauf. Allein die Erzdiözese Atlanta konnte ihre Mitgliederzahlen in den vergangenen zehn Jahren vervierfachen. Die protestantischen Großkirchen schrumpfen mit wenigen Ausnahmen dramatisch; die nones, Menschen ohne religiöse Bindung, nehmen erheblich zu.[11]

Im November 2019, also kurz vor der Eröffnung des deutschen „Synodalen Wegs“, beschwört Robert E. Barron, Weihbischof von Los Angeles und zuständig für Evangelization and Catechesis, die United States Conference of Catholic Bishops (USCCB), gerade junge Menschen wieder zur Kirche zu führen. Sein Fünf-Punkte-Plan empfiehlt erstens Werke der Barmherzigkeit als Zugang zu den Herzen. Zweitens müsse die Kirche ihre eigenen Schriftsteller und Künstler fördern, um den Menschen wieder die Schönheit des katholischen Glaubens zu zeigen. Drittens müsse man endlich aufhören, den Glauben zu verwässern.

Katholiken müssten wissen, was sie glauben. Dazu „müssen wir den Inhalt unseres Religions- und Firmunterrichts aufwerten. […] Mir bricht es das Herz, wenn ich sehe, wie wenig wirksam wir unsere Tradition vermittelt haben“. Aber das bedeute nicht, das Handtuch zu werfen. Denn viertens müssten Pfarreien missionarische Stätten werden. Der letzte Punkt betrifft die Nutzung sozialer Medien. Die sich anschließende Diskussion betont vertiefte Marienverehrung, Missionsarbeit, Stärkung katechetischer Programme.[12]

Stimmen junger US-Katholiken

Besonders interessant ist die Frage der amerikanischen Bischöfe, die sie auf Bitten Barrons am 11. Juni 2019 auf Facebook stellen: „Also fragen wir euch jetzt, wenn ihr auf Facebook lest und ein junger Katholik seid: Was hat euch zum Bleiben bewegt?“ 1.494 Antworten erhält die USCCB.[13]

Viele der am meisten „gelikten“ Kommentare betreffen die Traditional Latin Mass (TLM), die in den letzten zehn Jahren gerade in den USA ein Wiedererblühen erlebt, seit Benedikt XVI. klarstellte, diese Form der Messe sei nie abgeschafft gewesen. Es lohnt sich, die Kommentare zu lesen.

„Ich bin 23“, schreibt eine junge Frau. „Ich bleibe wegen der Wahrheit, die in der Tradition der Kirche (besonders der TLM) verwurzelt ist“. „Die Entdeckung der TLM und das Kennenlernen all der schönen traditionellen Lehren unserer Kirche hat mich zum Katholiken gemacht“, kommentiert ein anderer. „24 Jahre alt, tausendjährig: Die Schönheit in der kirchlichen Tradition und die Ehrfurcht in der traditionellen Messe zu sehen: diese Art von Messe führte zu einer Begegnung mit Christus in der Eucharistie“, bekennt ein junger Mann. Andere Kommentare zum USCCB Facebook Post spiegeln die gleiche Stimmung: „Die Entdeckung der lateinischen Messe hat meinen Glauben gestärkt. Ich fand sie zu einer Zeit im College, als ich mich losgelöst habe. Mein Mann ist nicht in der Kirche aufgewachsen, wurde katholisch und liebt auch die lateinische Messe“. „Die traditionelle lateinische Messe, die die Verehrung, die wahre Anbetung, die Bitte und den Dank der Eucharistie einschließt“. Und so weiter…

Ex occidente lux – Licht aus dem Westen? Vielleicht können wir Deutsche von den US-Katholiken lernen. Anscheinend ist uns Amerika wieder einmal voraus – diesmal geistig. 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Neuer katholischer Reformprozess Synodaler Weg eröffnet, 01.12.2019, www.domradio.de
[2] An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 29.06.2019, www.domradio.de
[3] 1 Kor 4,1-2.
[4] J. Ratzinger (2005): Ohne Wurzeln. Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur, Augsburg, 69.
[5] Th. Schärtl (2012): Amerikanisierter Katholizismus? Ein Blick aus den USA zurück nach Deutschland, in: Stimmen der Zeit 7/2012, 459f.
[6] Ebd., 467, 470f.
[7] Vision und Kultur der Berufung, 22.08.2019, www.domradio.de
[8] L. Codignola (1988): The Coldest Harbour in the Land: Simon Stock and Lord Baltimore’s Colony in Newfoundland, McGill-Queen’s University Press, 25.
[9] Vergl. R. J. Cushing (1963): Mary Immaculate. Patroness of America, St. Paul Editions.
[10] Why Americans should celebrate the Immaculate Conception as their national holiday, 11.12. 2017, www.catholicherald.co.uk
[11] Katholische Kirche in den USA, 22.09.2019, www.deutschlandfunk.de
[12] Bishop Barron urges bishops to help bring people back to the church, 11.12.2019, www.catholicnews.com
[13] US Bishops ask young Catholics why they stayed in Church, 13.06.2019, www.lifesitenews.com  

„Apostel Bayerns“ zwischen Worms und Salzburg vor 1300 Jahren

Das Missionswerk des hl. Rupert

Die Missionstätigkeit des hl. Rupert (geb. um 650 – gest. vermutlich am 27. März 718) war einzigartig. Als residierender Bischof von Worms verließ er seine Heimatstadt und brach nach Süden auf, um die unter den Römern begonnene Christianisierung zu neuem Leben zu erwecken. In Salzburg errichtete er schließlich seine Missionszentrale. Dort wurde das Jubiläum zu seinem 1300. Todestag im Jahr 2018 gefeiert, in Worms bereits 2017. Pfarrer Tobias Schäfer (geb. 1965), Propst am Dom zu Worms, möchte mit seinem Beitrag über den hl. Rupert dazu anregen, „die Gestalt dieses beeindruckenden Mannes, dieses großen Wormser Bischofs und Glaubensboten wieder neu zu entdecken“.  

Von Propst Tobias Schäfer

Vieles aus dem Leben des hl. Rupert bleibt unsicher und dunkel. Die Quellen geben wenig letzte historische Sicherheit. Und doch zeichnen sie das Bild eines Mannes, der von Leidenschaft für das Evangelium angetrieben die Frohe Botschaft weiter tragen wollte; der sich an den großen Glaubensboten seiner Zeit orientierte und nicht „Reichsbischof“ und weltlicher Herrscher, sondern zuerst Missionar und Glaubensbote sein wollte, der dabei aber mit einem ungewöhnlichen Blick für die praktischen Notwendigkeiten und einem organisatorischen Geschick begabt war und so seinem Missionswerk eine Dauerhaftigkeit schenkte, die bis heute trägt.

„Er war nämlich in der Offenheit seiner ganzen Güte ein kluger und gelassener Mann, wahrhaftig in seiner Rede, gerecht im Urteil, vorausblickend im Entschluss, stark im Handeln, bekannt für seine Nächstenliebe und berühmt für seinen in allem ehrenhaften Charakter."[1]

Von wenigen Spuren abgesehen ist der hl. Rupert in seiner Bischofsstadt Worms heute praktisch vergessen. Ganz anders in Süddeutschland, in Österreich und in Teilen der Schweiz. Hier trägt eine ganze Region seinen Namen: der „Ruperti-Winkel“ erstreckt sich im südöstlichen Oberbayern vom Chiemsee bis zum Königssee. Kaum eine Kirche in Bayern und Österreich, in der sich nicht ein Bild, eine Statue, ein Fenster mit dem hl. Rupert findet. Neben der Gottesmutter, der „Patrona Bavariae“, ist Sankt Rupert der zweite Patron Bayerns. Er hat für Bayern und Österreich etwa die Bedeutung, die in unserer Region der hl. Bonifatius als Apostel der Deutschen hat. „Apostel der Bayern“ ist einer der Titel, mit denen Rupert ausgezeichnet wurde. Ja, man darf mit Fug und Recht sagen: die urkatholischen Bayern und die Österreicher verdanken ihren christlichen Glauben einem Wormser! Umso bedauerlicher, dass er in Worms heute beinahe vergessen ist.

Wann und wo ist der hl. Rupert gestorben?

Die Quellenlage zum hl. Rupert ist an vielen Stellen dürftig und unsicher. So wird etwa genau überliefert, dass er an einem 27. März verstorben ist. Aber das Jahr wird in der entsprechenden Quelle nicht genannt. So kann man das Todesjahr im Grunde nur erschließen. Am wahrscheinlichsten ist ein Zeitpunkt zwischen 716 und 720. Aus dem Jahr 716 gibt es noch einige Urkunden und Quellen, die darauf hinweisen, dass Rupert zu dieser Zeit noch wirkte. Danach gibt es keine gesicherten Lebenszeichen mehr. Neuerdings meint ein Wiener Historiker, Univ.-Prof. DDr. Rupert Klieber, Indizien gefunden zu haben, die für 718 als Todesdatum sprechen. Konkret geht es darum, dass in den frühesten Lebensbeschreibungen des hl. Rupert davon gesprochen wird, dass sein Todestag der „dies resurrectionis Domini“, der „Tag der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus“ gewesen sei. Das trifft in der Tat genau auf das Jahr 718 zu. Aber die Probleme mit dem Tod des hl. Rupert gehen dann auch schon weiter. Wo ist er gestorben? Die frühesten Biographien[2] sprechen davon, dass er, seinen nahenden Tod ahnend, an seinen eigenen Bischofssitz („propria sedes“) und in sein Heimatland („patria“) zurückgekehrt sei.[3] Das aber kann sich nur auf Worms beziehen: denn Worms war sein ihm zugewiesener Bischofssitz und, wie wir gleich sehen werden, stammte Rupert höchstwahrscheinlich auch hier aus dieser Gegend, so dass sich der Begriff „patria“ eben nur auf Worms beziehen kann. Andererseits steht zweifelsfrei fest, dass die Gebeine des hl. Rupert im Jahr 774 von seinem zweiten Nachfolger, dem Salzburger Bischof Virgil, in den neu errichteten und dem hl. Rupert geweihten Salzburger Dom überführt wurden. Kam Virgil also damals nach Worms, um von hier die Gebeine zu holen? Oder ist Rupert doch, wie andere, spätere Quellen nahelegen, in Salzburg verstorben und die Gebeine wurden nur von der dortigen Abteikirche St. Peter in den benachbarten Dom überführt? Viele offene Fragen.

Sein Nachfolger Virgil verfasste eine Heiligen-Vita

Die älteste Lebensbeschreibung des hl. Rupert, die „Ur-Vita“, ist leider verloren gegangen und kann nur noch aus Spuren späterer Texte rekonstruiert werden. Sie ging wohl unmittelbar auf Bischof Virgil zurück, der seit 746 als Abt von St. Peter Nachfolger Ruperts war und ab 749 als Bischof die Salzburger Kirche leitete. Virgil konnte 746, also knapp 30 Jahre nach Ruperts Tod, noch Schüler und Gefährten des hl. Rupert selbst befragen, so dass seine Lebensbeschreibung eine unmittelbare Glaubwürdigkeit besitzt.

Andererseits muss man deutlich sagen: Solche Heiligen-Viten wollten nicht einfach Protokolle oder detailgetreue Biographien sein. Sie waren Glaubensverkündigung. Und Virgil verfolgte mit seiner Vita des hl. Rupert, wie auch mit der Translation, der Übertragung der Gebeine, einen kirchenpolitischen Zweck. Ein neu gegründetes Bistum brauchte damals neben einer soliden wirtschaftlichen Grundlage und Gütern vor allem auch ein geistliches Fundament: einen heiligen Patron und Fürsprecher im Himmel. Das wusste bereits Rupert selbst: vermutlich auch aus diesem Grund hat er die Gebeine seines Vor-Vorgängers Amandus aus Worms mitgenommen.

So ließ Virgil 774 die Gebeine Ruperts nach Salzburg übertragen, um sie im eigens errichteten, dem hl. Rupert geweihten neuen Dom beisetzen zu lassen. Solche liturgischen „Erhebungen“ der Gebeine waren in dieser Zeit, als es noch kein formelles Verfahren zur Heiligsprechung gab, zugleich gleichsam der Akt der offiziellen Heiligsprechung.

Für die Verehrung eines Heiligen aber brauchte es, neben den Gebeinen, auch eine Heiligen-Vita, die das Leben, die Taten und die nach dem Tod sich ereignenden Wunder berichtet. Zu diesem Zweck hat wohl Virgil selbst die erste Heiligen-Vita Ruperts verfasst.

Der Bischof von Worms

Alle Quellen, die wir haben, sind Quellen, die unmittelbar im Zusammenhang seiner Verehrung in Salzburg stehen. Es gibt leider keine gesicherten Wormser Quellen. Was aber Rupert in Worms getan hat, hat die Salzburger Bischöfe und Kirche nicht so wirklich interessiert. Entscheidend war für sie im Grunde nur, dass er von Worms wegzog, um den christlichen Glauben nach Bayern und Salzburg zu bringen und dass er so zum Gründer des späteren Bistums und Erzbistums Salzburg wurde.

Es ist im Grunde nur ein einziger Satz, in dem sein Wirken in Worms zusammengefasst ist und aus dem wir alle Informationen erschließen müssen:

„Zur Zeit Childeberts, des Königs der Franken, und zwar im zweiten Jahr seiner Königsherrschaft, wirkte der heilige und gläubige Bekenner Christi, Rupert („Hrodbertus“), in der Stadt Worms als Bischof. Er stammte aus vornehmem, königlichem Geschlecht der Franken, war aber noch vornehmer durch seinen Glauben und seine Frömmigkeit."[4]

Wir wissen daher nicht, wann und wo Rupert geboren wurde. Irgendwo um das Jahr 650 darf man wohl annehmen. Dennoch liefert dieser kurze Satz doch eine Fülle von Informationen. Rupert stammte aus dem fränkischen Hochadel, und zwar konkret aus dem Geschlecht der Rupertiner oder Robertiner, die mit den Merowingerkönigen und auch mit den Karolingern verwandt waren.[5] Die Rupertiner waren im Oberrheingau und Wormsgau ansässig. Es gehört zur Herrschaftsstruktur der damaligen Zeit, dass die Könige in ihrem Reich die Bischöfe als Fürsten und gleichsam Statthalter einsetzen. So entstand eine Reichskirche, in der die Bischöfe als örtliche Fürsten wirkten. Daher darf es nicht verwundern, wenn der König bevorzugt seine Verwandten und treue Vasallen als Bischöfe einsetzte.

Wann Rupert Bischof von Worms wurde, ist unklar. Wohl um das Jahr 693 verlässt er mit den Reliquien des hl. Amandus seine Bischofsstadt. Die Gründe sind unklar. In der Lebensbeschreibung wird das Drängen des Bayernherzogs Theodo genannt, der mit einer entfernten Verwandten Ruperts verheiratet war. Die Agilolfinger wollten also, sicher nicht zuletzt auch aus politischen Motiven, Christen werden und Herzog Theodo brauchte jemanden, der dieses Missionswerk systematisch organisiert und anpackt.

Unter Historikern wird immer wieder die Theorie genannt, Rupert sei mit dem eigentlichen Machthaber im Reich, dem karolingischen Hausmeier Pippin III., in einen Konflikt geraten.[6] Ein Indiz für die Flucht aus Worms ist die Tatsache, dass die Vita Rupert als „Confessor“, also als „Bekenner“ anspricht, ein Titel, der denjenigen Heiligen zukommt, die zwar nicht als Märtyrer ihr Leben verloren haben, aber für ihren Glauben Verfolgung erleiden mussten. Und schließlich wird als Indiz gedeutet, dass Rupert wohl bald nach dem Tod Pippins (+714) nach Worms zurückgekehrt ist.

Andererseits muss man aber sehen, dass in dieser Zeit viele Bischöfe vom Ideal der Mission beseelt sind. Neben Rupert gibt es auch andere Bischöfe der etablierten Reichskirche wie etwa Bischof Emmeram von Poitiers, die es nicht in ihrem Bistum hält und die zu regelrechten Missionsreisen aufbrechen.

Der Apostel der Bayern: Rupert in Regensburg

Ob es nun eine Flucht war oder Missionseifer, oder vielleicht auch beides: in jedem Fall hat der Bayernherzog Theodo von Rupert gehört und lädt ihn ein. Rupert habe zunächst eine Gesandtschaft nach Regensburg vorausgeschickt, aber der Bayernherzog will unbedingt den Bischof persönlich kennenlernen. So bricht Rupert vermutlich um das Jahr 693 aus Worms auf. Theodo zieht ihm entgegen, empfängt ihn mit großen Ehren und lädt ihn ein an seinen Hof nach Regensburg. Über seine Missionsarbeit an den Bayern heißt es nur knapp:

„Ihn (Theodo) begann der Mann des Herrn bald zur Annahme eines christlichen Lebenswandels zu ermuntern und im katholischen Glauben zu unterweisen, ihn selbst aber und viele andere adelige Männer dieses Volkes bekehrte er zum wahren Glauben an Christus und bestärkte sie in der heiligen Religion."[7]

Die fromme Überlieferung weiß allerdings viel mehr als die historischen Quellen. Rupert habe den Glauben in der ganzen Gegend verkündet, habe dabei auch die heidnischen Tempel und ihre Kulte zerstört. Über einem römischen Minerva-Tempel habe er eine Taufkapelle gebaut und hier schließlich den Bayernherzog Theodo und viele seines Gefolges getauft. Der Ort, wo sich das ereignet haben soll, ist heute weltbekannt und einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte weltweit: die Gnadenkapelle zu Altötting.[8] Diese Legende greift Topoi auf, die uns in vielen Überlieferungen ganz ähnlich begegnen. Die Taufszene erinnert etwa verblüffend an die Überlieferung von der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig und seines Gefolges durch Bischof Remigius im Jahr 498. Die Zerstörung heidnischer Tempel und Orte finden wir bei vielen anderen ganz ähnlich: Bonifatius fällt die Donar-Eiche bei Fritzlar und errichtet aus ihrem Holz eine Kirche; Karl der Große zerstört die Irminsul, das Heiligtum der Sachsen. Und doch gibt es auch Indizien für einen wahren Kern dieser Überlieferung. Die Gnadenkapelle zu Altötting geht tatsächlich im Kern auf einen achteckigen Bau aus der Zeit um 700 zurück, der, nachdem im 15. Jahrhundert hier die Wallfahrt entstand, erweitert und angebaut wurde. Der achteckige Zentralbau weist auf eine ursprüngliche Nutzung als Baptisterium, als Taufort aus der Zeit Ruperts und der Christianisierung Bayerns hin.

Wandermissionar: Der Weg von Regensburg bis Salzburg

Nach seiner Taufe habe Theodo dem heiligen Mann die Erlaubnis erteilt, „für sich und seine Begleiter einen geeigneten Platz zu wählen und, wo immer es ihm in diesem Land gefiele, die Kirchen Gottes wiederherzustellen und die anderen für das kirchliche Leben nötigen Gebäude zu errichten."[9] So berichtet die Vita weiter. „Nach dem Empfang der Erlaubnis nahm der erwähnte Mann des Herrn seinen Weg zu Schiff auf dem Donaustrom und gelangte schließlich in die Stadt Lorch in das Gebiet des unteren Pannonien.“

Von Lorch zog Rupert weiter an den Wallersee, wo er in Seekirchen eine Kirche zu Ehren des hl. Petrus baute. Die Wahl dieses Patroziniums war sicher nicht zufällig: Ruperts Bischofskirche war der Dom St. Peter zu Worms; wie er die Reliquien des hl. Amandus mit sich trug, so hat er auch das Patrozinium seiner Kathedrale gleichsam von Worms mitgenommen.

„Später wurde dem hl. Bischof Rupert jedoch bekannt, dass es am Fluss Salzach einen Ort mit dem alten Namen Iuvavum gäbe, wo zur Zeit der Römer schöne Wohnhäuser errichtet worden waren, die jetzt alle zusammengestürzt und von Wäldern bedeckt waren."[10]

Rupert zog also weiter an diesen nach dem Untergang des römischen Reiches weitgehend verfallenen Ort. Hier zeigt sich die Voraussicht und exzellente Planung Ruperts. Durch die Lage an der Salzach verkehrstechnisch optimal gelegen, durch eine Festung der Agilolfinger oberhalb der Stadt als Grenzposten gut gesichert und durch die Nähe zu den bis in römische Zeit zurückreichenden Salzgrotten Reichenhalls, die immer noch im Betrieb waren und die mit ihrem weißen Gold beste Voraussetzungen für die wirtschaftliche Absicherung boten, war Iuvavum die optimale Basis für sein Missionswerk. Möglicherweise, das könnte in dem zitierten Text anklingen, boten sogar die verfallenen römischen Gebäude den Ort, um hier mit seinen Gefährten sein Missionskloster einzurichten.[11] Noch heute werden in den Felsen am Rande des Petersfriedhofs uralte Höhlen gezeigt, die bis in spätrömische Zeit zurückreichen und wohl ursprünglich als christliche Versammlungsorte dienten. Vielleicht fand Rupert hier sogar noch Christen vor. Hier jedenfalls erbaute er, mit Unterstützung und wiederum ausgestattet durch Schenkungen Theodos, ein Kloster, das er unter die Regel des hl. Benedikt stellte und das die Basis für seine weitere Missionsarbeit sein sollte. Wiederum weihte er das Kloster, dem er selbst als Abtbischof vorstand, dem Patron seiner Kathedrale, dem hl. Petrus. Im Zentrum des heutigen Petersfriedhofs errichtete er eine kleine Kapelle, die er dem hl. Amandus weihte und wo er die aus Worms mitgeführten Reliquien beisetzte. An dieser Stelle steht heute die gotische Margarethenkapelle. Archäologische Grabungen haben hier die Reste der ursprünglichen Amandus-Memorie nachweisen können. Zu den wichtigsten Schenkungen aus dieser Zeit gehört zweifellos die Schenkung von 20 Sudöfen und -pfannen in Reichenhall, samt einem Drittel vom Salzbrunnen, sowie dem Zehnten aller Einnahmen durch die Salzgewinnung in Reichenhall. Vor allem der Anteil an der lukrativen Salzgewinnung sollte für die Zukunft den Reichtum der Kirche begründen und der ganzen Stadt, die bald schon „Salzburg“ heißen sollte.

Von Salzburg aus dehnte Rupert um 711/12 sein Missionswerk weiter nach Westen bis in den Pongau aus: in Bischofshofen gründete er mit der Maximilianszelle eine weitere klösterliche Niederlassung. Die Gründungslegende berichtet, wie ein Brüderpaar hier in den Wäldern des Pongau beim Jagen eigenartige Lichterscheinungen und wundersamen Duft beobachten, von denen Sie Rupert berichten, der wiederum beschließt, an dieser Stelle, an der er das Grab des hl. Maximilian identifiziert, ein kleines Kloster zu bauen, von dem aus er die Umgebung missioniert. Später sollte diese klösterliche Zelle zum Ausgangspunkt für die Salzburger Slawenmission in Kärnten werden.

„Dann wollte der hl. Priester Gottes Rupert einige Gefährten für die Lehre der Wahrheit des Evangeliums gewinnen und kehrte in seine eigene Heimat zurück. Indem er das Beispiel des höchsten Schöpfers nachahmte, kam er mit zwölf Schülern zurück und brachte eine Jungfrau Christi namens Erintrudis mit. Diese siedelte er in der Oberen Burg der Salzburger an, sammelte dort eine Gemeinschaft von heiligen Nonnen und ordnete deren Zusammenleben in allen Punkten auf vernünftige Weise, wie es die kanonische Ordnung verlangt."[12]

Ganz offensichtlich, das wird in dieser Notiz deutlich, unterhielt Rupert nach wie vor enge Beziehungen nach Worms und in seine Bischofsstadt. Wohl um 712 kehrt er nach Worms zurück, um von dort weitere Mitarbeiter für sein Missionswerk zu rekrutieren. Man darf darin sicher bereits Vorbereitungen für seine endgültige Rückkehr nach Worms sehen: Rupert will dafür sorgen, dass sein Missionswerk in Salzburg Bestand hat. Die zwölf Schüler, die er nach dem Beispiel des Evangeliums aus Worms holt, sollen diesem Ziel dienen. Gleichzeitig bringt er aus Worms seine Nichte Erintrudis mit. Sie braucht er für sein letztes großes Projekt in Salzburg: die Gründung eines Frauenklosters. Vermutlich war es auch der drängende Wunsch der Agilolfinger Herzogsfamilie, die ihn dazu bewog. Für viele Jahrhunderte sollte die Abtei auf dem Nonnberg eng mit der Herzogsfamilie verbunden bleiben: sie war nicht zuletzt Hauskloster der Herzöge, die hier ihre Witwen und Töchter unterbrachten: ein durchaus luxuriöses und standesgemäßes geistliches Damenstift für die Damen des bayerischen Hochadels. Bis heute hat die Erzäbtissin des Nonnbergs das eigenartige Privileg, eine Krone zu tragen. Rupert setzt hier als erste Äbtissin seine Nichte Erintrudis ein, auch weil es für ein solches Frauenkloster in Bayern damals noch kein Vorbild gab.

Ruperts Heimkehr

Rupert hatte seinen Acker in Bayern und Salzburg wohl bestellt. Sein Werk war auf Dauerhaftigkeit und Zukunft angelegt. In kluger und enger Zusammenarbeit mit der Herzogsfamilie hat Rupert keine oberflächliche Mission betrieben, die schnell wieder in alte heidnische Kulte zurückfiel, sondern alles so angelegt, dass die Botschaft des Evangeliums tief eingewurzelt werden konnte in die Herzen der Menschen. Sein Werk hier war getan, er konnte sich also getrost wieder in seine Bischofsstadt zurückziehen.

Erst 739 wird Salzburg durch den hl. Bonifatius formell zum Bistum erhoben. Durch die Äbte der Abtei St. Peter, die nach der Rückkehr Ruperts fortbestand, wurde auch sein Missionswerk weiter betrieben, bis Bonifatius 739 den Abt Johannes zum ersten Bischof des neugegründeten Bistums Salzburg einsetzt. Für viele Jahrhunderte sind die Äbte wie Rupert selbst zugleich Bischöfe der Salzburger Kirche; erst 987 werden Bistum und Abtei getrennt: von da an hat Rupert bis zur Auflösung des Wormser Bistums jeweils drei Nachfolger: den Salzburger Erzbischof, den Abt von St. Peter und den Bischof von Worms.

Sicher ist: auch in Salzburg geriet Rupert zuerst in Vergessenheit. Nachdem die Pläne zur Bistumserrichtung zunächst gescheitert waren, verblasste das Andenken an den Gründerbischof, der knapp zwei Jahrzehnte hier gewirkt hatte. Von den nachfolgenden Äbten und Bischöfen nimmt keiner Bezug auf Rupert. Erst der gelehrte, aus Irland stammende Abtbischof Virgil knüpft wieder an das Wirken Ruperts an. Er ist es, der den Salzburger Dom errichten lässt. Und er will dem jungen Bistum mit dem hl. Rupert einen Bistumspatron und damit eine apostolische Tradition geben. Dazu bricht er nach Worms auf und überführt die Gebeine im Jahr 774 von Worms nach Salzburg und lässt sie am 24. September im Salzburger Dom bestatten. Fortan gilt der Todestag, der 27. März, als Gedenktag des Heiligen vor allem in Worms, Speyer und Würzburg; der Tag der Translatio seiner Gebeine, der 24. September, aber ist der große Festtag in Salzburg und entwickelt sich, je mehr sein Andenken in Worms verblasst, zum eigentlichen Heiligenfesttag. Rupert wird zum Landespatron des Salzburger Landes und als Apostel der Bayern zum zweiten Patron Bayerns nach der Gottesmutter. Der 24. September ist im ganzen Salzburger Land bis heute staatlicher Feiertag, der „Ruperti-Kirtag“ das höchste Fest in der Stadt Salzburg. Allein in seiner Heimat ist Rupert fast vergessen. Aber nur fast.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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[1] Gesta Hrodberti c. 2, Übersetzung nach Heinz Dopsch: Schriftliche Quellen zur Geschichte des Heiligen Rupert, in: Hl. Rupert von Salzburg 996-1996, Salzburg 1996, 42.
[2] Vgl. ebd., 47.
[3] Ebd., 49.
[4] Gesta Hrodberti c.1, Übersetzung nach Heinz Dopsch: Der Heilige Rupert in Salzburg, in: Hl. Rupert von Salzburg 996-1996, Salzburg 1996, 69.
[5] Vgl. Karl Glöckner: Lorsch und Lothringen, Robertiner und Capetinger, in: ZGO Neue Folge 50, 1937, 301-354.
[6] Vgl. Dopsch: Der Heilige Rupert, 70.
[7] Zit. nach Dopsch: Schriftliche Quellen, 43.
[8] Vgl. Lothar Altmann: Heilige Kapelle Altötting (Kleine Kunstführer), Regensburg 2013.
[9] Dopsch: Schriftliche Quellen, 43f.
[10] Ebd. 44.
[11] Archäologische Grabungen 1980/81 unter dem Boden der Abteikirche St. Peter in Salzburg haben sowohl eine ursprüngliche römische Wohnbebauung, wie deren Weiterverwendung im Kontext der ersten klösterlichen Ansiedlung erweisen können; vgl. Stefan Karwiese: Die Ausgrabung zu St. Peter, in: St. Peter in Salzburg. Das älteste Kloster im deutschen Sprachraum, Salzburg 1982, 27-31.
[12] Dopsch: Schriftliche Quellen, 45f.

Wormser Glocken grüßen Salzburg

Regierungsrat Wilfried Marbach aus Zell am See setzt sich für eine Vertiefung der Verbindung zwischen Worms und Salzburg ein. Ihm liegt die Rückbesinnung auf die christlichen Wurzeln Europas am Herzen. So ist er auch dem Dombauverein Worms beigetreten. Denn in den Kaiserdomen sieht er ein hoffnungsvolles Zeichen für das wertvolle Erbe unserer christlichen Kultur, das es zu verteidigen und mit neuem Leben zu erfüllen gilt.  

Von Wilfried Marbach

Vergangenes Jahr besuchte ich mit dem Dombauverein Speyer den Kaiserdom in Worms. Wir wurden mit dem einmalig schönen „Himmelsgeläut“ des Wormser Domes empfangen, das wohl jeden von uns zutiefst berührte. Als Salzburger freue ich mich sehr darüber, dass die größte der fünf neuen Glocken, die 2855 kg wiegt, den Heiligen Amandus und Rupertus gewidmet ist und an die Verbindung zwischen Salzburg und Worms erinnert. Von dort aus hatte der hl. Rupertus unsere Gegend missioniert und auch die Reliquien des hl. Amandus mitgebracht. Dieser Heilige ist bei uns kaum mehr bekannt, wurde einst aber auch in Salzburg sehr verehrt. Wir sollten stets ein dankbares Erinnern an den hl. Rupertus bewahren, durch den vor 1300 Jahren die christliche Heilsbotschaft unser Land erreicht hat.

Einige Glocken des Wormser Domes hatten den II. Weltkrieg fast überlebt. Gegen Kriegsende sind diese jedoch bei einem Großangriff geschmolzen. 1949 wurden drei neue Glocken gegossen, als Domgeläut etwas dürftig. Anlässlich der Tausendjahrfeier des Wormser Domes im Jahr 2018 entschloss sich der rührige Dombauverein, endlich wieder ein würdiges „Himmelsgeläut“ anzuschaffen. Das großartige Ergebnis kann sich hören lassen. Der ab 1000 erbaute Kaiserdom erfüllte seine Funktion als Bischofskirche bis 1802. Als traurige Folge der Franzosenkriege hatte man das Bistum 1802 aufgelöst. Der Dom wurde zur Pfarrkirche, die Mehrheit der Stadtbevölkerung ist bis heute evangelisch. 1925 wurde der Dom zur päpstlichen Basilika erhoben. Das neue Geläut ist aber im ökumenischen Geist allseits freudig begrüßt worden.

Nach dem Krieg wurde im Wormser Dom vom Künstler Heinz Hindorf ein prächtiges Fenster geschaffen, das auf den hl. Rupertus hinweist. Nun wurde ein aufsehenerregender Altar aus Stampflehm gestaltet, der sich gut in die 1000-jährige Architektur des ehrwürdigen Domes einfügt. Für diesen Altar erhielt der Wormser Dompropst Tobias Schäfer vom Erzbischof aus Salzburg eine Reliquie des hl. Rupertus. So befindet sich jetzt eine solche Reliquie sowohl im Altar des Domes zu Salzburg als auch im Altar des Wormser Domes, was die Brücke zwischen Salzburg und Worms wiederum verstärkt.

Eine schöne Verbindung besteht auch über Dompropst Schäfer. 1987/88 hatte er in Salzburg studiert und ist aus diesen Zeiten mit dem Erzabt von St. Peter, Pater Korbinian, gut bekannt. Bis heute besteht ein herzlicher Kontakt. Die Erinnerung an unsere gemeinsame Geschichte kann reiche Früchte bringen. Worms grüßt Salzburg mit einem herrlichen Glockengeläut. Hören wir die Heilsbotschaft aus Worms, die auch heute noch gilt, und geben wir unsere dankbare Antwort.

Wer die so großartigen Kaiserdome am Rhein nicht kennt, dem sei ein Besuch angeraten. Ein kunsthistorisches, aber auch Hoffnung schenkendes religiöses Erlebnis bieten sowohl Speyer, als auch Worms und Mainz. Ich selbst habe in den Kaiserdomen erfahren, dass es nicht nur um großartiges Weltkulturerbe geht, sondern dass dort Kirche noch lebt, dass diese herrlichen Dome noch verkünden und mahnen, was uns Jesus Christus aufgetragen hat, damit unser geliebtes Europa noch einmal gerettet werden kann.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
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Beratung und Unterstützung durch 1000plus

Was diese Initiative für das Leben einer einzelnen Frau und das ihrer Familie bedeuten kann, zeigt folgender Dankesbrief:  

„Liebe Frau Brecht,

es ist nun Zeit, Ihnen zu danken. Dafür, dass Sie mir, obwohl wir uns nicht kennen, in der schwierigsten Zeit meines Lebens beigestanden haben.

Sie verbrachten Stunden damit, einer völlig Fremden zuzuhören und beizustehen. Sie sprachen mir Geduld, Durchhaltevermögen und Kraft zu, wo meinerseits keinerlei Hoffnung mehr bestand. Ihre regelmäßigen Anrufe waren mütterlicher Natur, voller Fürsorge, Empathie und Liebe. Sie sind ein Philanthrop und einer der wertvollsten Menschen, die mir je begegnet sind.

Danke, dass Sie an die Liebe in mir glaubten, als ich es nicht mehr tat. Sie sind einer der Pfeiler, die dazu beigetragen haben, dass unsere kleine Tochter eine faire Chance aufs Leben bekommt.

Ein herzliches, aufrichtiges Dankeschön von einer ehemals verzweifelten Frau, die nun beim Anblick ihres Bäuchleins das größte Glück dieser Erde empfindet.

Mögen Sie und Ihre Liebsten mit dem Besten gesegnet werden, was dieses Leben zu bieten hat!

In ewiger Verbundenheit“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 2+3/Februar+März 2020
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

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