Liebe Leser
Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel
Am 11. Oktober 1992 wurde von Papst Johannes Paul II. der „Katechismus der Katholischen Kirche“ (KKK) veröffentlicht. Dieses Datum wurde für die Promulgation des Weltkatechismus, wie er auch genannt wird, bewusst gewählt. Denn es war der dreißigste Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und nun sind eben wieder 30 Jahre vergangen, seit dieser Katechismus vorliegt.
Warum war dem Papst der Hinweis auf das Konzil so wichtig? Es sollte nie vergessen werden, dass der Katechismus eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils ist. Bereits dieKonzilsväter hatten angeregt, auf der Grundlage der Konzilsbeschlüsse den verbindlichen Glauben der Kirche in systematischer Form vorzulegen. Die entscheidenden Aussagen der verabschiedeten Dokumente sollten in diesen Katechismus eingearbeitet werden. Vor allem ging es um das neue Selbstverständnis der Kirche als Instrument des Heils für die ganze Welt. Diese Lehre sollte den Dialog mit den Andersgläubigen bestimmen, aber auch jedem Einzelnen die Verantwortung für die Rettung aller Menschen vor Augen führen.
Papst Johannes Paul II. stellte sich dem Auftrag des Konzils und widmete sich mit ganzer Kraft der Ausarbeitung eines solchen Katechismus. Er ließ sich durch den nachkonziliaren „Sturm und Drang“ in Theologie und Verkündigung nicht verunsichern. Im Gegenteil, den Wirren der 70er und 80er Jahre wollte er mit einer zuverlässigen und verbindlichen Orientierung begegnen. Dass es möglich war, in Abstimmung mit dem gesamten Weltepiskopat einen einheitlichen Katechismus zu erstellen, kann als Wunder des Heiligen Geistes betrachtet werden. Das 800 Seiten umfassende Dokument ist ein wahres Meisterwerk, ein kirchengeschichtliches Ereignis und gerade in dieser bewegten Zeit ein wunderbares Glaubenszeugnis der katholischen Kirche. Der Katechismus hat weltweites Erstaunen hervorgerufen, besonders auch bei anderen christlichen Konfessionen. Seitdem bildet er einen zuverlässigen Anhaltspunkt für Glaubensgespräche und die Ökumene.
Der „Synodale Weg“ in Deutschland hat den Weltkatechismus ganz unerwartet wieder in den Mittelpunkt der kirchlichen Diskussion gerückt. Denn er steht der Agenda der Reformen, die angestrebt werden, im Weg. So wird eine radikale Erneuerung des Katechismus gefordert, als handle es sich um ein Arbeitspapier, das man nach spontanem Gutdünken umschreiben könnte. Sicherlich hat sich im Lauf der vergangenen 30 Jahre gezeigt, dass der Katechismus entsprechend der Lehre der Kirche einer Entwicklung unterliegt und somit auch „weiterentwickelt“ werden kann und muss. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Todesstrafe, in der sich schon der hl. Papst Johannes Paul II. deutlichere Aussagen gewünscht hätte. Doch der Druck, der von den Medien und den Betreibern des „Synodalen Wegs“ auf die Bischöfe ausgeübt wird, die sich am Katechismus der Katholischen Kirche orientieren, hat mit dem Geist und der Botschaft des Evangeliums nichts mehr zu tun, auch nicht mit dem Hören auf den Heiligen Geist und der „Synodalität“, wie sie Papst Franziskus anmahnt. Ein solcher Weg wird keine positiven Früchte für den Aufbau des Reiches Gottes hervorbringen.
Liebe Leser, umso vertrauensvoller wollen wir um eine wahre Erneuerung der Kirche beten, aber auch um die eigene Treue und Stärkung im Glauben. Dazu blicken wir in dieser Ausgabe besonders auch auf das inspirierende Beispiel von Seligen und Heiligen.
Die derzeitigen Preissteigerungen, die auch unsere Zeitschrift sehr hart treffen, zwingen uns, über einschneidende Entscheidungen nachzudenken. Zugleich vertrauen wir auf Ihre großherzige Unterstützung, damit wir gerade jetzt unser Apostolat weiterführen können. Mit unserem Segensgruß zum Rosenkranzmonat sagen wir ein tausendfaches Vergelt’s Gott!
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
30 Jahre Weltkatechismus – ein Wunder mit Fortsetzung
Warum Katechismus?
Am 11. Oktober vor 30 Jahren wurde der Weltkatechismus promulgiert. Es war damals genau 30 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, auf dem ein solches Projekt bereits angedacht worden war. Eines der „Kinder“ dieses Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) ist der sog. YOUCAT. So nennt Bernhard Meuser (geb. 1953) die Übersetzung des Weltkatechismus für junge Rezipienten, der dieses Jugend-Projekt mitinitiiert hat. In seinem Beitrag hebt Meuser die Bedeutung des Katechismus für die heutige Zeit hervor und geht auch auf die Erfolgsgeschichte des YOUCAT ein. Gleichzeitig nimmt er Bezug auf die Diskussionen im Rahmen des „Synodalen Wegs“ in Deutschland, bei denen eine grundlegende Reform des Katechismus der Katholischen Kirche gefordert wird, um zu den erwünschten Erneuerungen der Kirche gelangen zu können.
Von Bernhard Meuser
Der 11. Oktober 1992 war für die Kirche ein bedeutender Tag. Aus der Sicht des damaligen Papstes, des hl. Johannes Paul II., ging an diesem Tag in gewisser Hinsicht das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende. Wie das? Jeder kann doch im Internet nachsehen, dass es an einem 11. Oktober im Jahr 1962 begann und am 8. Dezember 1965 endete. Papst Johannes Paul, der ein Gespür für große historische Gesten hatte, wählte bewusst den 30. Jahrestag des Konzilsbeginns, um das letzte große Werk des Konzils zu vollenden: einen Katechismus für die Weltkirche, den KKK. Um diese Tat ins Werk zu setzen, wählte er sich den besten Theologen seiner Zeit, einen Erzbischof in München, der sich zunächst dagegen sträubte, seinen Posten zu räumen und nach Rom zu kommen. Aber der Papst ließ nicht locker – und so musste aus dem Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, der Chef der Glaubenskongregation werden.
Sehr bald verstand der damals noch junge Theologe, wie klug und weitschauend der ebenfalls noch junge Papst die großen Linien auszog und hartnäckig dieses Werk von gewaltigen Dimensionen verlangte. Denn das Konzil, in das nicht nur die katholischen Christen so große Hoffnungen gesetzt hatten, schien an der Moderne abzutropfen wie Wasser von der Ölhaut. Eine bis heute anhaltende Flucht aus den Kirchen setze ein. Ganze Ortskirchen, wie die Kirche in den Niederlanden, schienen sich in Luft aufzulösen. Religionssoziologen prognostizierten, mit der Jahrtausendwende werde sich der christliche Glaube erledigt haben.
Aber lassen wir den „Macher“ des KKK selbst zu Wort kommen. Papst Benedikt XVI. hat den Jugendlichen der Welt selbst einmal erklärt, wie das war, als er sich an die Arbeit machte. Im Vorwort zum YOUCAT sagte er: „Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und in der veränderten kulturellen Situation wussten viele Leute nicht mehr recht, was nun die Christen eigentlich glauben, was die Kirche lehrt und ob sie überhaupt etwas lehren kann und wie sich das Ganze in die von Grund auf veränderte Kultur einfügt. Hat sich nicht das Christentum als solches überholt? Kann man vernünftigerweise heute noch gläubig sein? Das waren die Fragen, die sich auch gute Christen stellten. Papst Johannes Paul II. hat damals einen kühnen Entschluss gefasst. Er entschied, dass Bischöfe aus aller Welt zusammen ein Buch schreiben sollten, in dem sie auf diese Fragen Antwort geben würden.
Wie ein Wunder …
Er vertraute mir die Aufgabe an, die Arbeit der Bischöfe zu koordinieren und dafür Sorge zu tragen, dass aus den Beiträgen der Bischöfe ein Buch würde – ein richtiges Buch, nicht eine Zusammenstellung von vielerlei Texten. Dieses Buch sollte den altmodischen Titel „Katechismus der Katholischen Kirche“ tragen, aber durchaus etwas Aufregendes und Neues sein. Es sollte zeigen, was die katholische Kirche heute glaubt und wie man vernünftigerweise glauben kann. Ich war erschrocken über diesen Auftrag. Ich muss gestehen, ich zweifelte, ob so etwas gelingen könne. Denn wie sollte das zugehen, dass Autoren, die über die ganze Welt verstreut sind, gemeinsam ein lesbares Buch zustande bringen? Wie sollten Menschen, die nicht nur geographisch, sondern auch intellektuell und spirituell auf verschiedenen Kontinenten leben, zusammen einen Text schaffen, der eine innere Einheit bilden sollte und auch über alle Kontinente hin verstehbar ist? Dazu kam, dass ja auch diese Bischöfe nicht einfach als individuelle Autoren schreiben sollten, sondern im Kontakt mit ihren Mitbrüdern, mit ihren Ortskirchen. Ich muss gestehen, dass es mir auch heute noch als ein Wunder erscheint, dass dieser Plan schließlich gelungen ist.
Wir trafen uns etwa drei- oder viermal im Jahr eine Woche lang und diskutierten leidenschaftlich über die einzelnen Stücke, die in der Zwischenzeit gewachsen waren. …“
Ein Wunder mit Fortsetzung
Der KKK ist eine der großen Erfolgsgeschichten einer Kirche, die – global gesehen – von 265 Millionen Mitgliedern im Jahr 1900 auf 1,34 Milliarden Mitglieder heute gewachsen ist und in vielen Ländern vitale Zuwachsraten hat, während sie in der westlichen Hemisphäre geradezu wie in einem Todeskampf liegt. Letzteres hat nur vordergründig mit dem beschämenden Faktum von Missbrauch in der Kirche zu tun. Es hat mit einem radikalen Autonomiedenken („Ich lasse mir nichts mehr sagen, was ich nicht selber weiß und selber will“) und einer fundamentalen Gotteskrise in den westlichen Ländern zu tun. Man braucht keinen Herrn mehr über sich.
Bezeichnenderweise spielt der Katechismus in den Ländern, in denen der Glaube jung ist und wächst, in denen die Kirche fröhlich und zuversichtlich in der Bedrängnis ist und immer neue missionarische Dynamiken entfaltet, eine bedeutende, ja vielleicht die Schlüsselrolle. In den Ländern, die den Katechismus am Nötigsten hätten, spielt er keine Rolle, ja wird er von Theologen verächtlich gemacht und sogar von Bischöfen mit spitzen Fingern angefasst.
Doch zuvor möchte ich von dem zweiten Wunder sprechen, das Kardinal Schönborn einmal „das kleine gelbe Wunder nannte“ – dass als dankbares Kind des KKK ein Jugendkatechismus, der YOUCAT, entstehen konnte, der heute in 70 Sprachen der Welt lizensiert ist, zuletzt auf Mongolisch erschien, und bis jetzt über 10 Millionen mal in die Hände junger Menschen kam. Zu diesem Wunder muss man noch hinzuaddieren, dass in den Jahren seit 2011, als die Jugendlichen auf dem Weltjugendtag in Madrid den YOUCAT vorfanden, eine Fülle weiterer katechetischer Werke für junge Leute entstanden: eine Y-Bibel, der DOCAT (= Sozialkatechismus), YOUCAT for Kids, ein Firmkurs, ein Glaubenskurs, ein Jugendgebetbuch usw. – und während ich diese Zeile schreibe, ist ein Buch „Lieben – Alles, was du wissen musst auf dem Weg zur Ehe“ in Approbation, während wir von YOUCAT und „Kirche in Not“ mit internationaler Beteiligung einen Elementarkatechismus erstellen, der vielleicht „YOUCAT Basics“ heißen wird. Bischöfe aus Asien, Lateinamerika und Afrika hatten immer wieder nach einem „Minimus“ gefragt, wie ihn seinerzeit schon der hl. Petrus Canisius vorlegte – einen Katechismus für ganz einfache Menschen…
Als ein Team von zwei Priestern und zwei Laien 2006 die Arbeit am YOUCAT aufnahm, hatte uns Kardinal Schönborn einen genialen Satz mit auf den Weg gegeben: „Wenn man etwas für junge Leute tun möchte, muss man es mit jungen Leuten tun.“ Dieses Prinzip der Partizipation haben wir bis heute mit eiserner Disziplin durchgehalten, auch wenn es eine Menge Zeit und eine Menge Geld kostete und höchst aufwändig auch in der Kommunikation war – denn es musste nicht weniger als ein weltweites Netzwerk junger Katholiken betrieben und unterhalten werden, das sich nicht zuletzt mit der Mammutaufgabe Catechism goes digital befasste. Ausgerechnet Kardinal Lehmann war es, der das Neue am YOUCAT anerkannte: „Die Jugend selbst ist in einem hohen Maße durch ihre Fragen, aber auch durch einzelne sprachliche Vorschläge zum ,Subjekt‘ des YOUCAT geworden. Dies ist ein außerordentliches Zeugnis für die Erneuerung der Katechismus-Tradition, das man nicht genügend hervorheben kann.“
Heute fällt mir auf, dass sowohl die Väter des KKK wie auch wir bei YOUCAT etwas betrieben und noch betreiben, was derzeit in aller Munde ist: „Synodalität“ – das gemeinsame Suchen nach der Wahrheit im Hören auf das Wort Gottes, das nicht eher endet, bevor nicht Einmütigkeit da ist. Dagegen ist Parlamentarismus ein Kinderspiel.
Warum wir den Katechismus brauchen wie das täglich Brot
Der Erzbischof von München ist kein besonderer Freund des Mediums Katechismus; mit mir selbst haben sich gewiss viele über den abwertenden Satz „Der Katechismus ist nicht der Koran“ aufgeregt.
Vordergründig stimmt er; der Katechismus ist nicht vom Himmel gefallen. Er ist auch nicht die Heilige Schrift. Er ist nicht einmal eine Sammlung unfehlbarer Dogmen. Er ist – wie es der hl. Johannes Paul II. einmal ausdrückte – „die sichere Norm für die Lehre des Glaubens“. Man kann es auch auf eine etwas umfänglichere Formel bringen: „Der Katechismus ist ein Buch, in dem all das zusammenhängend benannt, durch die Vernunft erhellt und durch die Kirche verbürgt wird, was man begründet erhoffen darf, notwendig glauben muss und konsequent tun sollte, um ein Christ zu sein.“
Die Äußerung des Münchner Kardinals hat deshalb so großen Unmut ausgelöst, als sie in einem Kontext gefallen ist, in dem etwa Marc Frings, der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken davon spricht, der „Synodale Weg“ sei „eine bewusste Ansage gegen den Katechismus der Katholischen Kirche“. Es geht um die Punkte 2357-2359 im KKK, wo es heißt, dass „homosexuelle Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“, dass sie „gestützt auf die Heilige Schrift“ eine „schlimme Abirrung“ sind und dass homosexuelle Menschen „zur Keuschheit gerufen sind“. Dagegen geht der Kampf – und er wird mit einer Heftigkeit geführt, dass nicht nur der Katechismus, sondern auch die Personen, die hinter ihm stehen, mit Angriffen geradezu überschüttet werden. Die theologische und menschliche Diskreditierung traf zunächst Papst Johannes Paul, dann Papst Benedikt, zuletzt Papst Franziskus, der Barmherzigkeit gegenüber Betroffenen nicht auf Kosten der Prinzipien einhandelte. Der Bannstrahl der selbsternannten Reformkräfte traf ihn, als er sagte: „Zu homosexuellen Menschen wiederhole ich, was ich auf der Reise nach Rio de Janeiro sagte. Es steht im Katechismus der Katholischen Kirche.“
Zum Thema „Synodaler Weg“ und Katechismus muss man noch Folgendes anmerken: Der beste Beweis, warum die deutsche Kirche nichts dringender als intensives Studium des KKK benötigt, sind zwei Fragen, deren sich die Synodalversammlung allen Ernstes annahm: 1. Braucht die Kirche wirklich den geweihten Priester? 2. Gehören zur Ehe notwendig Mann und Frau? Das kann man für lachhaft, traurig, bekloppt oder skandalös halten. Es erweist nur die Tatsache, dass sich Leute erdreisten die Kirche reformieren zu wollen, die nicht einmal „katechetisiert“ sind, also nicht einmal mit den Anfangsgründen im Glauben vertraut sind.
Wer für die Kirche der Zukunft arbeiten möchte, wird wissen, wo der Schwerpunkt der nächsten Jahrzehnte liegen muss: „Studiert den Katechismus mit Leidenschaft und Ausdauer! Opfert Lebenszeit dafür! Studiert ihn in der Stille Eurer Zimmer, lest ihn zu zweit, wenn Ihr befreundet seid, bildet Lerngruppen und Netzwerke, tauscht Euch im Internet aus. Bleibt auf jede Weise über Euren Glauben im Gespräch! Ihr müsst wissen, was Ihr glaubt. Ihr müsst Euren Glauben so präzise kennen wie ein IT-Spezialist das Betriebssystem eines Computers“ (Papst Benedikt XVI., Vorwort zum Youcat).
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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Wachsende Bedeutung des „Katechismus der Katholischen Kirche“
Wenn das Glaubenswissen radikal schwindet
Der Theologe Dr. Hubert Philipp Weber (geb. 1969) ist Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems und langjähriger Sekretär von Christoph Kardinal Schönborn. Er hat an zahlreichen theologischen oder religiösen Buchprojekten mitgewirkt. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften, die Theologie des Augustinus sowie Grundfragen der theologischen Erkenntnislehre und die mittelalterliche Theologie. In seinem Beitrag wirft er ein Schlaglicht auf den „Katechismus der Katholischen Kirche“ aus heutiger Sicht. An der Entstehung des 800-seitigen Dokuments, das am 11. Oktober 1992 von Papst Johannes Paul II. promulgiert wurde, hatte Christoph Schönborn als Sekretär der Katechismus-Redaktion entscheidenden Anteil.
Von Hubert Philipp Weber
Am 11. Oktober 1992 erschien der Katechismus der Katholischen Kirche, damals auch Weltkatechismus genannt. Etwa ein Jahr zuvor war in Wien ein Theologieprofessor aus Freiburg in der Schweiz zum Weihbischof ernannt und geweiht worden: Christoph Schönborn. Er war Sekretär der Katechismus-Redaktion.
Für die moderne Theologie ein Rückschritt?
Die Reaktionen auf den Weltkatechismus waren damals sehr unterschiedlich. Insbesondere im deutschen Sprachraum und besonders bei Theologen und Religionspädagogen stieß er auf Kritik. Weltweit wurde er begrüßt. Und er wurde auch mit der deutschen Ausgabe ein Bestseller. Hatte die Veröffentlichung ein lang vorhandenes Bedürfnis erfüllt oder war der Katechismus für die moderne katholische Theologie eher ein Rückschritt? So schien damals die Frage zu sein. Doch aus einiger zeitlicher Entfernung, dreißig Jahre nach der Veröffentlichung, erscheint einiges vielleicht klarer.
Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils
Dass ein neuer Katechismus erarbeitet werden sollte, war ein Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Konzil folgte damit früheren Beispielen. Nach dem Konzil von Trient sollte der Katechismus dazu beitragen, das Glaubenswissen unter den Gläubigen zu verbreiten. Denn ein Glaube, der sich nicht auch selbst vergewissert und auskunftsfähig ist, wird schwer positiv in die Gesellschaft strahlen.
Zusammenfassung und Leitfaden für die Glaubensvermittlung
Damals wie heute war der Katechismus eigentlich nicht für die Gläubigen selbst gedacht, sondern für die Bischöfe, Priester, Katechetinnen und Katecheten, Lehrerinnen und Lehrer. Er ist eine Zusammenfassung und ein Leitfaden. Die Anpassung an den jeweiligen Kulturkreis sollte in der Verantwortung der Bischofskonferenzen liegen, die Aufbereitung für die jeweiligen Adressaten liegt bei den einzelnen Lehrerinnen und Lehrern. Das hat sich allerdings in der Praxis so nicht bewährt. Einzelne regionale Katechismen sind kaum entstanden, vielmehr haben viele Kirchen mit dem Katechismus selbst gearbeitet. Und viele Menschen haben sich selbst das Buch gekauft oder benützen die Internetversion.
Kirchliche Lehre und kein Teil der theologischen Diskussion
Der Katechismus der Katholischen Kirche enthält einige Neuerungen. Er geht argumentativ vor und hat auf das Frage-Antwort-Schema verzichtet. Er steht klar in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils und zitiert andere Dokumente des kirchlichen Lehramts. Der Katechismus ist eine Sammlung von kirchlichen Lehrdokumenten, die nicht vollständig ist, sondern einen Leitfaden anbietet. Er enthält auch weiterführende Zitate von Kirchenlehrern und Theologen, die zum Verständnis beitragen sollen, er ist aber dennoch kein Teil der theologischen Diskussion. Das ist nicht die Aufgabe. Wohl aber kann mit den Texten des Katechismus und auch über sie diskutiert werden.
Offen für Weiterentwicklung nach Maßgabe des Lehramts
Der Text wurde von einer Kommission erarbeitet und dann zur Stellungnahme breit ausgeschickt. Die Redaktion hatte die Aufgabe, die unzähligen Stellungnahmen zu bewerten und der Katechismus-Kommission Änderungen daraus vorzuschlagen. Der Text entstand also aus einem Prozess und hat daher auch an manchen Stellen Kompromisscharakter. Immer wieder wurden auch einzelne Bereiche verändert. Am bekanntesten sind wohl die Weiterentwicklungen zum Thema der Todesstrafe. Dabei ist zu beachten, dass der Katechismus ja nur abbildet, was die Lehrentwicklung in der Kirche ist. Das heißt, er wird sich dann weiterentwickeln, wenn sich die Kirche weiter entwickelt.
Zunehmende Bedeutung für die Orientierung in Glaubensfragen
Dass der Katechismus im deutschen Sprachraum nicht gut angenommen wurde, mag damit zusammenhängen, dass es hier eine große Tradition guter theologischer, katechetischer und religionspädagogischer Literatur gibt, die in anderen Ländern fehlt. Aus diesem Grund ist er wohl in anderen Ländern so positiv aufgenommen worden. Freilich haben auch die damaligen Auseinandersetzungen um Glaube und Kirchenbild dazu geführt, dass die Diskussion so heftig ausfiel. Vielleicht kann heute, wo das Glaubenswissen radikal schwindet, das Anliegen des Katechismus besser gewürdigt werden. Er ist kein Schulbuch für den Religionsunterricht, einzelne Texte können aber durchaus gut eingesetzt werden. Aus allen Richtungen der Kirche kommen immer wieder theologische Fragen auf mich als Theologen zu. Dann kann eine Information aus dem Katechismus ein guter Ausgangspunkt für eine Diskussion sein.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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Überlegungen zum „Katechismus der Katholischen Kirche“
Dem vor kurzem in den Ruhestand getretenen Universitätsprofessor Dr. Roman Siebenrock (geb. 1957) ist es ein Anliegen, dass die Qualitäten des „Katechismus der Katholischen Kirche“ angesichts der derzeitigen Diskussionen um Reformen nicht untergehen. Siebenrock, der von 2006 bis 2022 als Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck gelehrt hat, ist auch Vorsitzender der Internationalen Deutschen Newman-Gesellschaft. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.
Von Roman Siebenrock
Grundsätzlich ist es wichtig, dass sich eine Weltkirche über ihren Glauben in elementarer Form Rechenschaft gibt, um so für alle auskunftsfähig zu bleiben. Karl Rahner hat schon Anfang der 80er Jahre einen solchen Katechismus als Desiderat angemahnt. Dass sich dann eine solche Rechenschaft auch weiterentwickelt, ist selbstverständlich, weil auch ein Katechismus nie vollständig den Glauben der Kirche zu erfassen vermag.
Ob es dabei sinnvoll ist, wie es der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) andeutet, dass der Katechismus auch zur Überprüfung möglicher abweichender Meinungen in Predigt und Lehre dienen kann, ist zu bezweifeln, weil der Katechismus selbst in manchen Fragen offen bleibt – bei der Frage des Wissens Jesu wäre wohl auch der junge Ratzinger durchgefallen – und in anderen Feldern erscheinen mir seine Aussagen etwas zu eindeutig.
Der KKK war ja nicht gedacht als Obernorm für alles, sondern wollte als Inspiration für regionale und ortskirchliche Katechismen ebenso dienen, wie er auch für verschiedene Altersgruppen und Bildungsgrade auf Inkulturation hoffte. Dies ist im Kompendium und in den verschiedenen Formen des YouCat geschehen.
Ich spreche selber nicht gerne vom Weltkatechismus, sondern vom Katechismus der Katholischen Kirche. In diesem Zusammenhang scheint es mir sinnvoll zu sein, auch auf frühere Projekte („Holländischer Katechismus“) und parallele Projekte (gerade im Raum der Deutschen Bischofskonferenz) hinzuweisen.
Zudem sollte immer der gesamte Katechismus im Blick sein, nicht nur der lehrhafte Teil, sondern auch seine Aussagen zu den Sakramenten, der Liturgie und dem Gebet.
Der KKK hat besonders in der Frage des Antijudaismus die Orientierung des Konzils beispielhaft umgesetzt. In dieser heiklen Frage ist er für mich immer noch vorbildlich. Auch in Bezug auf die Religionsfreiheit und die Theologie der Religionen hat er die Entwicklungen nach dem Konzil gut integriert.
Besonders schätze ich am Katechismus, dass er Stimmen aus Theologie und Kirche aus allen Jahrhunderten zitiert und damit die Tradition lebendig zu erhalten vermag.
Auch für mich als Systematiker ist der KKK wichtig, weil ich mit ihm in kompakter Form die aktuelle Lehre der Kirche den Studierenden vorlegen kann. Das ist deshalb wichtig, weil viele der heutigen Studierenden so wenig Kenntnis vom Stand der Lehre haben und oft etwas ablehnen, was sie gar nicht kennen, oder falsche Vorstellungen über die Lehre der Kirche haben.
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Die Verbreitung der Frohen Botschaft ist ein klarer Auftrag
Die Mission ist die innerste Identität der Kirche
Der katholische Sender Radio Horeb erreicht die Menschen in ihren Häusern, auf der Straße, in Krankenhäusern, Altenheimen und sogar in Gefängnissen. Programmdirektor Dr. Richard Kocher wünscht sich, dass diese Stimme der Evangelisierung noch mehr bekannt gemacht wird. Dazu braucht es „Missionare“. Der Sender sucht viele ehrenamtliche Helfer – deutschlandweit – und bittet engagierte Gläubige, an der Verbreitung des Radios mitzuwirken.
Von Richard Kocher
„Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Das sind die Worte Jesu, nachdem er von den Toten auferstanden war. Unsere Mitwirkung an der Verbreitung der Frohen Botschaft ist keine freundliche Anfrage des Herrn, es ist ein klarer, dringender Auftrag! Damals wie heute. Die Menschen sollen erfahren, was Christus für sie getan hat. Die Mission ist die innerste Identität der Kirche und die DNA jedes Getauften. Wir sind oft „betriebsblind“ und entmutigt in dieser kirchlich schwierigen Zeit und aufgrund der ungewissen gesellschaftlichen Umbrüche. Die Notwendigkeit oder die Möglichkeit, den missionarischen Auftrag auszuführen, sehen wir nicht mehr. Wir kürzen das Gebet, es schleicht sich Routine ein und die Freude des Anfangs geht verloren; das missionarische Feuer brennt nicht mehr.
Eine „Anleitung für Missionare“ stammt von Paulus, einem Experten auf diesem Gebiet. Gehen wir in seine Schule: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phil 4,4-6).
Wir erhalten geradezu einen Befehl zur Freude! Diese muss der Grundakkord unseres Lebens und jedes Missionars sein. Dieses Kapitel im Philipperbrief trägt den Titel „Christliche Grundhaltung“. Paulus nennt drei Dinge, die ein Missionar braucht: Güte, die Nähe des Herrn und die Sorglosigkeit.
Die Güte: „Eure Güte werde allen Menschen bekannt…“ Die Nächstenliebe ist kein Gefühl, sie ist eine Haltung, die sich zunächst im Inneren vollzieht: den Menschen wertzuschätzen aufgrund seines Menschseins, nicht zwangsläufig aufgrund dessen, was er tut. Jesus fordert an vielen Stellen die Liebe, aber nicht das Urteilen. Nehmen wir das ernst! Lernen wir, die Menschen zu lieben, auch wenn sie nicht unserer Meinung sind, wenn sie aus unserer Sicht falsch handeln, sogar wenn sie uns schaden.
„Der Herr ist nahe“: Paulus weiß, dass diese Herausforderung ohne die Gegenwart Gottes nicht zu meistern ist. Die Nähe des Herrn zu suchen ist in dieser Zeit wichtiger denn je. „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Die Aussage Jesu ist klar: Er ist bei uns alle Tage, das bedeutet, auch im Alltag!
Die Sorglosigkeit: Es scheint logisch zu sein, dass Paulus als nächstes die Sorglosigkeit anführt, weil sie die Frucht einer gelebten Gemeinschaft mit Gott ist. Sich keine Sorgen zu machen, bedeutet, an Gottes Allmacht und zugleich an seine persönliche Teilnahme an unserem Leben zu glauben. Glaube und Vertrauen stehen auf dem Prüfstand. Im Gleichnis vom Sämann vergleicht Jesus die Sorgen mit den Dornen, welche die Saat des Glaubens ersticken (vgl. Mk 4,18). Gott hat alles in der Hand, auch die verfahrensten Situationen; deshalb können wir in jeder Lage betend und flehend unsere Bitten mit Dank vor Gott bringen (vgl. Phil 4,6).
Das können Sie tun, um Radio Horeb bekannt zu machen:
• Auf unserer Homepage www.horeb.org/presse finden Sie Vorlagen für eine Veröffentlichung in Ihrer Lokalzeitung oder für einen Pfarrbrief. Bieten Sie die von uns vorbereiteten Texte Ihrer Zeitung an oder sprechen Sie mit Ihrem Gemeindepriester!
• Bestellen Sie beim Hörerservice ein Plakat oder Handzettel zum Verteilen! Fragen Sie in Ihrer Gemeinde, Ihrem Verein, der Arbeitsstelle oder anderen Orten der Begegnung, ob Sie das Plakat aufhängen oder Handzettel verteilen dürfen!
• Sie haben eine eigene Homepage oder gar einen Video-Livestream? Auf unserer Seite www.horeb.org/presse finden Sie Grafiken, die Sie dort einbinden können.
• Teilen Sie Beiträge und Podcasts von unserer Webseite! In unserer Mediathek finden Sie Sendungen zu unterschiedlichen Themen. Vielleicht ist für Ihre Freunde, Ihre Familie oder Ihre Arbeitskollegen etwas dabei.
• Sie sind auf den Social Media Portalen aktiv? Teilen Sie unsere Beiträge auf Facebook, Instagram, Youtube und Twitter!
• Werden Sie Mitglied beim Radio Horeb Team Deutschland! Dies ist ein Netzwerk von Ehrenamtlichen, die über ganz Deutschland verteilt sind. Die Mitglieder werden von uns in regelmäßigen Treffen geschult. Hier finden Sie alle Aufgaben und Informationen, auch über neu zu gründende Gruppen: www.horeb.org/team-deutschland
• In allen Abteilungen (Redaktion, Technik, Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung, Online-Redaktion) sind wir dankbar für Ihre ehrenamtliche Unterstützung. Schenken Sie uns etwas von Ihrer Zeit und Ihrem Talent!
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© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
Gründer des Säkularinstituts „Notre Dame de Vie“
Das Charisma des Seligen Maria-Eugen vom Kinde Jesus
„Ihr seid aufgerufen, die ganze Unsicherheit des Provisorischen und die ganze Schönheit des Absoluten im gewöhnlichen Leben zu erfahren, auf den Straßen unter den Menschen“, sagte Papst Franziskus am 25. August zu den Delegierten der Weltkonferenz der Säkularinstitute, die zu dieser Zeit in Rom tagten. Vor 75 Jahren hat Pius XII. diese Form kirchlichen Lebens ermöglicht, die Franziskus bei dieser Gelegenheit als eine „Berufung für den Grenzbereich“ bezeichnete. Zugleich beschrieb er sie als exemplarisch für eine Kirche, die insgesamt „wieder entdecken muss, dass sie mit allen auf dem Weg ist, und die sich der Welt mit all dem Schweren und Schönen in ihr öffnet“, um darin ihr Zeugnis zu leben. Die Eigenart des Dienstes von Säkularinstituten sei „der Dienst des Samens, des Sauerteigs, des verborgenen und zugleich offensichtlichen Dienens, das im Rahmen der zeitbedingten Vorgänge – auch kirchlicher – zu sterben weiß, damit diese sich von innen her wandeln und gute Frucht bringen können“. Im folgenden Beitrag stellt Pfr. Lorenz Rösch eines der ersten Säkularinstitute und dessen Gründer vor.
Von Lorenz Rösch
Wer am Fuße des malerisch auf einem Felsplateau gelegenen historischen Ortskerns von Venasque in das Halbdunkel des Marienheiligtums „Notre Dame de Vie“ eintritt, erkennt sogleich zentral vor sich über dem Altar die Herrin des Ortes, eben „Unsere Liebe Frau vom Leben“. Sie erscheint wie bewegt vom Heiligen Geist, der – in symbolischer Darstellung – über ihr in den Raum hereindrängt und einstrahlt. Oder wirkt er vielmehr vom Heiligtum hinaus in die umgebende Welt? Erst im Nähertreten nimmt der Besucher die Seitenkapelle wahr und in seiner Mitte den bronzenen Reliquienschrein, nur wenig über den Boden erhöht und von allen Seiten zugänglich. Die Bögen der Kapelle und die Strahlen des Geistes finden auf dem Schrein ihre Fortsetzung: Ein großer Freund des Heiligen Geistes und der Jungfrau Maria bietet hier sozusagen handgreiflich weiterhin seine Nähe und Begleitung an. An den vier Seiten ist zu lesen, wer es ist und was ihn kennzeichnet: Pater Maria-Eugen vom Kinde Jesus (1894-1967) – Priester – Karmelit – Gründer des Instituts Notre-Dame de Vie.
Zwei in der Handschrift des Paters eingravierte Sätze – ein Auftrag und eine Zusage – bringen sein Vermächtnis auf den Punkt: „Seid Zeugen des lebendigen Gottes!“ und „Ich erbitte für euch den Heiligen Geist.“ Wobei der Auftrag im Grunde ebenfalls als Zusage zu lesen ist: Gott lässt sich als der Lebendige erfahren, so dass ihr ihn durch euer Leben bezeugen könnt! Der nunmehr Selige lädt ein, sich hierfür von seinem Beispiel inspirieren zu lassen und sich womöglich seiner konkreten Anleitung anzuvertrauen: Diesen Menschen insbesondere gilt das Versprechen seines Gebets. Dabei lehrt er im Wesentlichen das, was er selber von den Meistern des Karmel gelernt hat. Freilich mit den Akzenten seiner persönlichen Erfahrung. Die hat insbesondere mit dem Heiligen Geist zu tun: es gelte, „sich von seiner Anwesenheit zu überzeugen, damit das nicht nur jemand ist, den man hin und wieder aufsucht, sondern eine Person, mit der man ständig lebt“. Wie der Seminarist Henri Grialou ein gutes Jahr vor seiner Priesterweihe 1922 buchstäblich über Nacht von der Gewissheit überwältigt wird, dass Gott ihn im Karmel haben möchte (und wie es ihm gelingt, dass zuletzt alle Beteiligten sich diesem Ruf beugen), trägt bereits die Handschrift des Heiligen Geistes.
Im Karmel sah der Novize Pater Maria-Eugen vom Kinde Jesus sich sehr bald tief in die „inneren Wohnungen“ eingeführt, wie sie die „Madre“ Teresa von Avila durchlebt und dargelegt hat. Hier erfuhr er – seinen späteren Andeutungen zufolge – das Feuer des Heiligen Geistes bis zur Grenze des Erträglichen. Persönlich bereit, auf alle inneren Winke des Geistes einzugehen, vertraute er zugleich fest darauf: dass Er auch die äußeren Umstände und insbesondere die Entscheidungen von Oberen zu nutzen weiß, um ein Leben in seinem Sinne zu steuern und innerhalb der Kirche fruchtbar zu machen.
Für alle gottsuchenden Menschen
Treu und fest in der Kontemplation verwurzelt, entfaltete Pater Maria-Eugen ab 1923 (erste Gelübde) innerhalb seiner jeweiligen Ordensaufträge ein unermüdliches Apostolat mit großer Breitenwirkung. Schriftlich vor allem durch die Arbeit für die Zeitschrift „Carmel“, mündlich durch Festpredigten, Einkehrtage und Vortragsreihen. Das Echo machte ihm immer deutlicher, dass die Spiritualität des Karmel einem Bedürfnis der Zeit entsprach. Nicht nur einem Bedürfnis von Männern und Frauen aus den gebildeteren Milieus, die er unmittelbar erreichen konnte, sondern darüber hinaus dem unausdrücklichen Bedürfnis so vieler in der modernen „Masse“, die nicht in dem aufgehen konnten und wollten, was ihnen als Lebensinhalt vorgeschlagen wurde. In der ihnen bekannten Gestalt von Religion – Kultformen, Glaubenssätze, Moralvorschriften, die sich primär als Anspruch und Abgrenzung darstellten – konnten sie weithin keine Antwort erkennen. Es brauchte ein Apostolat, das in erster Linie Lebenszeugnis ist. Menschen, die sich den gleichen Lebensbedingungen aussetzen, aber offensichtlich in einer anderen Realität verwurzelt sind und daher für ihre Geschwister im Menschsein zu Türöffnern werden können.
Ein neuer Zweig innerhalb der Karmel-Familie
Diese Intuition führte ab 1932 auch zur Entstehung von „Notre-Dame de Vie“. Es begann mit drei Lehrerinnen, die mehr wollten, als sich je persönlich für Leben und Beruf an den Meistern des Karmel zu orientieren. Aus der Frauengemeinschaft, die sich in Verbindung mit der gleichnamigen Marienwallfahrtskapelle in der Provence entfaltete, wurde 1948 eines der ersten Säkularinstitute der Kirche. 1964 durfte Pater Maria-Eugen noch erleben, dass auch ein Männer- und ein Priesterzweig konkrete Gestalt gewannen; sie haben seit 1973 ihren Platz auch formal mit unter dem Dach des einen Säkularinstituts Notre-Dame de Vie. Wie der Gründer sind die Mitglieder (samt assoziierte Eheleute und Einzelpersonen) von dem Wunsch geleitet, ihr Christsein gemäß dem Charisma des Teresianischen Karmel in den unterschiedlichsten Kontexten von Beruf und Beziehungsfeld Gestalt werden zu lassen. Hier möchten sie Menschen, die Gott suchen, Zugänge zu einem innerlichen und lebendigen Glauben ermöglichen.
Soweit dies dann auch über die ausdrückliche Anleitung zu einem Weg inneren Betens geschehen kann, stützt man sich naturgemäß auf das umfassende Werk aus der Feder von Pater Maria-Eugen mit dem Titel „Ich will Gott schauen“. Es ist eine Synthese des geistlichen Lebens, die der Struktur der Teresianischen „Wohnungen“ folgt und diese jeweils kundig durch Querverweise auf das Gesamtwerk von Teresa sowie auf Johannes vom Kreuz und Therese vom Kinde Jesus erhellt. Zugleich nimmt der Autor die einzelnen Etappen zum Anlass für kompakte systematische Reflexionen, die immer in eine Reihe konkreter Ratschläge münden. Er erweist sich dabei gleichermaßen als profunder, durch und durch kirchlicher Theologe und als erfahrener, verlässlicher Seelenführer.
Der Titel des Werkes greift auf das allererste von Teresa überlieferte Wort zurück, ihre kindlich-naive Entschlossenheit „Ich will Gott sehen“ (koste es, was es wolle!); das Buch wirbt damit um Leser, die ein ähnliches Verlangen kennen und sich deshalb tatsächlich auf den Weg machen möchten. Diese Devise will allerdings ergänzt werden durch eine zweite, das al-lerletzte Wort Teresas auf ihrem Sterbebett: „Ich bin Tochter der Kirche“. Indem der Autor den zweiten Teil seines Werkes mit diesem Wort überschreibt, macht er bereits deutlich, wohin die Reise christlicher Mystik geht: nicht hinaus in Abgehobenheit und Absonderung, sondern hinein ins Wirken und Sich-Verausgaben in und mit der konkreten Kirche.
Verlangen des Herzens und Einsichten des Verstandes
„Ich will Gott schauen“ blieb das einzige von P. Maria-Eugen selbst redigierte Buch. Aus dem reichen Fundus seiner aufgezeichneten Vorträge und Predigten haben Mitglieder von Notre-Dame de Vie jedoch bereits etliche Bücher zusammengestellt, in denen er jeweils zu bestimmten Themenkreisen zu Wort kommt. Als ursprünglich gesprochenes Wort bieten sie einen unmittelbareren Zugang zum Herzen des Seligen. Im römischen Dekret zur Feststellung des heroischen Tugendgrades vom 19. Dezember 2011 heißt es: „Diese Texte konkretisieren deutlich sein Verlangen, wie er sagte, ,die Kontemplation auf die Straße‘ zu tragen und den allen geltenden Ruf zur Heiligkeit zu verbreiten.“ Im Blick auf Papst Johannes XXIII. und das von ihm begonnene Konzil konnte er sagen: „Das Institut ist auf dieses neue Pfingsten ausgerichtet. Ein Pfingsten, das jeden Tag, kontinuierlich stattfindet.“ Ohne sich auf außerordentliche Phänomene zu fixieren. Aber stets, wie im Pfingstsaal, gefördert durch die diskrete Gegenwart der „Mutter vom Leben“.
Drei wiederkehrende Schlüsselthemen und -einsichten, die dem Seligen besonders am Herzen lagen, seien hier benannt, die er zeit seines Lebens mit besonderem Nachdruck vermittelt hat:
1) Gott ist Liebe und Erbarmen; es ist ihm ein Bedürfnis, sich an die Armseligkeit des Menschen zu verschenken. Und er tut es, sowie jemand den Mut zur Selbsterkenntnis aufbringt und sich in schlichter Demut ihm anheimgibt. („Patin“ dieser Einsicht ist die hl. Therese vom Kinde Jesus.)
2) Der Schlüssel zu einer realen Beziehung mit Gott, einem Lebensaustausch mit Gott ist (wegen dessen völliger Andersartigkeit) der pure Glaube. Kontemplatives Beten ist (von Seiten des Menschen) ein stetes Setzen von Akten des Glaubens und des Gehorsams. Dass man sich als Glaubender in der „Dunkelheit“ voranbewegt, ohne zu sehen und zu begreifen, ist nicht eine ausnahmsweise Zumutung und Prüfung, sondern das Normale; doch gerade unter dieser Hülle schenkt sich Gott. („Pate“ dieser Einsicht ist der hl. Johannes vom Kreuz.)
3) Als Getaufte haben wir eine geistige Ausstattung bekommen – die Taufgnade: ein jeweils auf uns persönlich zugeschnittenes Teilhaben am Leben Gottes und zugleich ein Instrumentarium hierfür. Dieses gilt es betätigen zu lernen (nämlich die sog. theologalen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe) bzw. tätig werden zu lassen (nämlich die Gaben des Hl. Geistes, als Empfänglichkeiten für Gottes Einwirken in unserer Seele verstanden). Die Taufgnade ist bereits in sich ein Ruf und eine Befähigung zur Heiligkeit – also Jesus Christus in der Liebe ähnlich zu werden. Heiligkeit ist also kein Sonderziel für einige wenige besonders Befähigte, sondern inneres Ziel der Taufgnade selbst. („Pate“ dieser Einsicht ist insbesondere der hl. Thomas von Aquin.)
Entfaltungen des Charismas
Zwei von mehreren Ausprägungen des Charismas von Notre-Dame de Vie seien abschließend benannt: ein eigener Ansatz in der Kinderkatechese und das Engagement für Diözesanpriester. Die Kinderkatechese unter dem Leitwort „Erzähl mir von Gott“ (französische Vorlage: „Viens, suis-moi“) geht von der Erfahrung aus, dass schon jüngere Kinder offen und fähig sind, ihre von Gott bewohnte Innerlichkeit zu entdecken und den stillen Kontakt mit Gott zu üben. Elementar aufbereitete Inhalte der Bibel und des Glaubens bieten dafür ein Gerüst, das sich von Jahr zu Jahr anreichern kann. Eine solche Katechese muss freilich im Kontext der Kirche im deutschen Sprachraum erst (noch/wieder) ihre Orte finden. Sie kann jedoch auch aufgeschlossene Eltern oder Elterngruppen inspirieren und begleiten, gemeinsam die spirituelle Dimension des Lebens zu entdecken.
Die Priester lagen Pater Maria-Eugen von Anfang an am Herzen, war er doch selbst als Diözesankleriker gestartet. Von 1942 an bis zu seinem Tod 1967 führte er jährlich Pries-terexerzitien durch. Er sah klar, dass Priester in Gefahr sind, die prophetische Dimension ihrer Berufung zu verlieren oder erst gar nicht zu entdecken, wenn sie nicht in gewisser Weise den Rückzug in die „Wüste“ in ihren Lebensrhythmus zu integrieren wissen. Nur so könnten sie sich empfänglich halten für die Wege des Heiligen Geistes mit ihnen und mit der Kirche als ganzer. In diesem Sinne widmet sich Notre-Dame de Vie auch der Priesterausbildung in einer eigenen Hochschule mit überdiözesanem Priesterseminar. Die Priesterexerzitien gibt es weiterhin, sie waren auch für mich vor etwa 15 Jahren der Anlass, Notre-Dame de Vie kennenzulernen. Der Gedenktag des seligen Maria-Eugen ist übrigens der 4. Februar, der Tag seiner Priesterweihe vor nun 100 Jahren.
An Schriften zur Biografie sind in deutscher Sprache verfügbar:
• J.M. Laurier/R. Deglaire/J. Guichard: Pater Maria-Eugen vom Kinde Jesus – Aus der Kraft des Gebets, Verlag Christl. Innerlichkeit, Wien 2018, 63 S.
• G. Gaucher: P. Maria-Eugen vom Kinde Jesus. Leben und Werk, Verlag Christliche Innerlichkeit, Wien 2016, 292 S.
Die zentrale Niederlassung für den deutschen Sprachraum befindet sich in der Erzdiözese Bamberg, bislang in Weisendorf bei Erlangen (Edith-Stein-Haus), demnächst in Gößweinstein (Haus Loretto).
Internetseite – deutsche Sektion: notre-dame-de-vie.de Hier werden auch Einblicke in die Katechese-Materialien geboten. Interessierte können das Buch „Ich will Gott schauen“ beim Institut beziehen unter: notre-dame-de-vie@web.de
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
Die innige Beziehung des neuen Seligen zur Gottesmutter
Der sel. Philipp Jeningen – Missionar und Mystiker
Am 16. Juli 2022 wurde der Jesuitenpater Philipp Jeningen (1642- 1704) in seinem Hauptwirkungsort Ellwangen seliggesprochen. Das Pontifikalamt hielt der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Kardinal Hollerich, Vorsitzender der Europäischen Bischofskonferenz, in Vertretung des Präfekten des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Kardinal Marcello Semeraro. Die Feier fand mit Tausenden von Gläubigen auf dem Marktplatz von Ellwangen unweit der Stiftsbasilika statt, also in unmittelbarer Nähe zum Grab des Seligen. Pfarrer Norbert Traub, Wallfahrtsrektor von Maria Brünnlein bei Wemding, stellte den neuen Seligen auf Radio Horeb in drei Sendungen vor. Nachfolgend eine Zusammenfassung.
Von Norbert Traub
Schon zu Lebzeiten nannten die Leute den Jesuitenpater Philipp Jeningen (1642-1704) in aufrichtiger Verehrung den „guten Pater Philipp“. Generationen von Gläubigen beteten um seine Seligsprechung. 1920 wandten sich die deutschen Bischöfe in diesem Anliegen an Rom, wo 1945 schließlich sein Seligsprechungsprozess eingeleitet wurde.
Papst Johannes Paul II. bestätigte 1989 seinen „heroischen Tugendgrad“ und Papst Franziskus erkannte am 19. Juni 2021 ein Wunder an, das seiner Fürsprache zugeschrieben werden konnte. So stand der Seligsprechung nichts mehr im Weg, die nun am 16. Juli 2022 stattfand. Wer war dieser neue Selige?
Ein kurzer Aufriss seines Lebens
Das genaue Geburtsdatum von Philipp Jeningen steht nicht fest, doch wurde er wohl in den ersten Januartagen des Jahres 1642 in Eichstätt geboren. Seine Taufe ist nämlich am 5. Januar im Register der Dompfarrei eingetragen. Er war das vierte von elf Kindern des Goldschmieds und Bürgermeisters Nikolaus Jeningen und seiner Frau Anna Maria. So ist er in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Der 30-jährige Krieg war noch nicht vorbei und Eichstätt lag damals in Schutt und Asche. Erst 1650 wurde für die zerstörte und geplünderte Stadt der Friede proklamiert, sodass ein langsamer Wiederaufbau beginnen konnte. Von 1651 bis 1659 besuchte Philipp das Jesuiten-Gymnasium bei der Schutzengelkirche in Eichstätt. Ein ganz entscheidender Schritt in seinem Schulalltag war die Mitgliedschaft in der Marianischen Kongregation. Ihr trat er am 15. August 1654 bei, ein Schritt, der für sein ganzes Leben bedeutsam werden sollte und seine Beziehung zur Gottesmutter nachhaltig prägte.
Nach der Schulausbildung blieb Philipp den Jesuiten treu und wechselte an die Universität in Ingolstadt, die kein Geringerer als der hl. Petrus Canisius gut 100 Jahre zuvor gegründet hatte. Viele bedeutende Vertreter der Kirche, der Politik und der hohen Gesellschaft hatten dort ihre Ausbildung genossen. Von 1659 bis 1661 belegte Philipp dort das Studium der Philosophie. Seiner Berufung zum Priester und Jesuiten aber konnte er noch nicht nachgehen. Aus Briefen wissen wir, dass er bereits mit 14 Jahren das ernsthafte Verlangen hatte, in die Gesellschaft Jesu, also bei den Jesuiten, einzutreten; allerdings stellten sich beide Eltern unerbittlich dagegen. Es bedurfte einer langen Zeit des Wartens, bis sein Vater nach sieben Jahren seine Zustimmung gab.
Mit 21 Jahren durfte er 1663 endlich in das Landsberger Noviziat des Jesuitenordens eintreten. Fünf Jahre später kehrte er nach Ingolstadt zurück und studierte dort von 1668 bis 1672 Theologie. Er wollte Missionar werden und seinem großen Vorbild und Fürbitter, dem hl. Franz Xaver, nach Indien folgen und dort das Evangelium verkünden.
Als er das Studium abgeschlossen hatte, wurde er am 11. Juni 1672 im Eichstätter Dom zum Priester geweiht. Danach wurde er für ein Jahr nach Altötting gesandt, wo er am dortigen Jesuitenkolleg sein drittes Probejahr, das sog. Tertiat, ablegte, verbunden mit seinen zweiten 30-tägigen Exerzitien. Die nächsten sieben Jahre unterrichtete er als Lehrer in Mindelheim und Dillingen Griechisch, Latein und Religion. Daneben war er auch als Spiritual eingesetzt. Im Herbst 1680 wurde er nach Ellwangen an der Jagst versetzt. In der dortigen Ordensniederlassung war zunächst nur ein vorübergehender Aufenthalt geplant – doch widmete er schließlich sein ganzes Leben dieser Stadt, dem Heiligtum auf dem dortigen Schönenberg. Sein Missionsgebiet sollte nicht mehr Indien werden, sondern Ellwangen und viele Ortschaften im Umkreis von rund 80 Kilometern. Ab 1688 überschritt er die Grenzen der Umgebung und missionierte in weiten Gebieten der großen Diözese Konstanz, der Bistümer Würzburg, Eichstätt und Augsburg.
Eine wichtige Rolle spielte im Leben des „guten Pater Philipp“ ein außergewöhnlicher Gnadenerweis: es war die Vereinigung mit Christus durch die Stigmatisation am 2. August 1696.
Am 23. Januar 1704 begann er seine persönlichen Exerzitien, um zu Beginn des neuen Jahres sein Leben wieder neu auf Gott auszurichten. Am Ende der geistlichen Übungen besprach er sich mit seinem Oberen und konfrontierte ihn mit der Voraussage, dass er in wenigen Tagen sterben werde. Am Lichtmesstag empfing er die hl. Sakramente, ebenso am Abend des 8. Februar. Noch am selben Tag starb er im Alter von 62 Jahren. Der große Volksmissionar durfte im Tod dem begegnen, dem er ein Leben lang gedient und dessen Evangelium er eifrig verkündet hatte.
P. Philipp wurde im Kreuzgang der Stiftsbasilika von Ellwangen beigesetzt, direkt neben seiner Jesuitenkirche. Dort ruhte er bis 1953, seither in einer Nebenkapelle der Basilika, wo er jetzt auch als Seliger verehrt wird.
Das Ringen um seine Berufung als Missionar
Zu Weihnachten 1679 schrieb Pater Jeningen an den Jesuitengeneral in Rom: „So klopfe ich jetzt zu Weihnachten mit dem weinenden, in Windeln gewickelten Jesuskind bei eurer Paternität an und bitte demütigst durch Jesus und Maria, dass meine jahrelangen, in voller Ergebung vorgetragenen Bitten um die Mission in Indien, China oder Japan Erhörung finden …“
Auf die Bitte um die Entsendung in ein fernes Missionsland antwortete der Jesuitengeneral sehr entschieden: „P. Philipp, der von Apostolischem Geist bewegte Brief würde mich gewiss bewegen, Sie bei der Auswahl, die ich nächstens treffen werde, den Missionaren für Indien zuzuschreiben, wenn nicht anderswoher feststünde, dass Ihre Arbeit in der Gegend von Ellwangen so nützlich und für viele Seelen heilsam ist, wo Sie durch eine unermüdliche Tapferkeit Ihr Indien bereits gefunden haben und seit einigen Jahren mit einem solchen Eifer arbeiten, dass Sie bereits alle Tätigkeiten eines wahren Missionars ausgeübt haben.“
So findet der für die Auslandsmission glühende Pater Philipp, der seinen Oberen ein Leben lang mit dem Wunsch in den Ohren lag, nach Indien oder China zu reisen, um dort als Missionar zu wirken, seine Mission in Ellwangen. Und er darf weit über die Region des Altmühltals, des Virngrunds und des Nördlinger Rieses von der Botschaft Christi künden.
Seine lateinische Grabinschrift lautet in einer alten deutschen Übersetzung: „P. Philipp Jeningen SJ, ein im Ellwanger Bezirk und weit in der ganzen Umgebung in vier Bistümern unermüdlicher Missionar, ruhet hier. Nimmer hätte er von seiner apostolischen Arbeit gelassen, hätte es ihn nicht der Höchste geheißen. Feldaus, feldein eilte er stets zu Fuß, um Unzählige auf dem rechten Weg zu stärken, und die, welche himmelweit von Gott und Glauben irrten, in großer Zahl zurückzuführen, glücklich bei jenem Werk, bewundernswert in diesem. Sein Leben lang sich selbst abgestorben, schien er dem Nächsten nur zu leben, hätte nicht alle Welt gewusst, dass er für Gott allein nur lebte. Zur Verbreitung der göttlichen Ehre allzu eng erschien ihm unser Erdteil. Deshalb, mit 60 Jahren noch nach Indien er verlangte. Doch seine heißen Wünsche löschte plötzlich des Fiebers Glut und setzte dem Mann des Verlangens ein Ziel an der Ewigkeit Tor, am 8. Februar des Jahres 1704. Du Wanderer, dem Nimmerrastenden, dem Frommen, der hier festgebannt, erbitte die Ewige Ruhe.“
Der tiefe Geist der Marienverehrung im Jesuitenorden
Der Gründer des Jesuitenordens, der hl. Ignatius von Loyola, hatte sich im Anschluss an eine schwere Kriegsverletzung bekehrt, nachdem er die „Vita Christi“ des Kartäusermönchs Ludolf von Sachsen gelesen hatte. Darin heißt es: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast. – O von Gott aufgenommener Glaube, o Gott wohlgefällige Demut. O Gehorsam, der Gott mehr erfreut als jedes Opfer. O erhabene Jungfrau, Mutter Gottes. O Mutter, demütige Magd des Herrn … Was könnte man Demütigeres hören!“
Fortan schrieb der hl. Ignatius nur noch von seiner „Herrin“. Die Herrschaft übernimmt Christus, dessen Banner er tragen will, nicht mehr das Banner des Teufels. Herrin seines Lebens wird die Gottesmutter, die ihm Trost und Sicherheit vermittelt. Sie wird zur Begleiterin auf seinem Weg zum Ergriffensein, zur Bekehrung. Diesen tiefen Geist der Marienverehrung, von dem die junge Gemeinschaft des hl. Ignatius geprägt war, lernte Philipp durch die Jesuiten von Kindheit an kennen. Die Ordensleute betreuten in Eichstätt die Schutzengelkirche und das angrenzende Jesuitenkolleg, wenige hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt. Auch die Marianische Kongregation war dort zuhause.
Seine Liebe zur Gottesmutter intensivierte sich vor allem in Ingolstadt. Der hl. Petrus Canisius hatte eine Kopie der Lukas-Ikone, die in Rom als „Heil des Römischen Volkes“ verehrt wird, von dort mit nach Ingolstadt gebracht. Durch die Visionen des Dieners Gottes P. Jacob Rem erhielt sie den Titel der „Dreimal Wunderbaren Mutter“. Prägend waren für Philipp auch sein Einsatz für die Kirche in Echenbrunn unweit von Dillingen, wo eine Kopie des Altöttinger Gnadenbildes verehrt wird, sowie sein eigener Aufenthalt in Altötting, vor allem aber seine vielen Jahre am Schönenberg mit dem Gnadenbild der Gottesmutter aus Loreto.
Formung durch die Marianische Kongregation
Der Eintritt in die Marianische Kongregation, die die Jesuiten an ihrem Kolleg für die jungen Menschen betreuten, war für Philipp ein entscheidender Schritt. Am 26. April 1654 meldet die Chronik, dass Philipp mit weiteren drei Schülern in die Kandidatur aufgenommen wurde. Er sollte lernen, was es bedeutet, ein marianischer „Sodale“ zu sein. Die Sodalen wollten nicht nur untereinander Freunde und Weggefährten sein, sondern sie weihten sich der Gottesmutter, um Sie als Gefährtin auf dem Glaubensweg hin zu Christus an ihrer Seite zu haben. Hier wurde die Marienverehrung des jungen Philipp grundgelegt, sodass der Biograph Anton Höss über ihn schreiben konnte: „In den Versammlungen und Feierstunden der Kongregation entfaltete sich in der Seele des Jungmannes eine innige, zarte Liebe zur reinsten Jungfrau, die seinem ganzen Leben ein besonderes Gepräge verleihen wird.“ Vermutlich gehörte Philipp auch dem „Colloquium Marianum“ an, das P. Jacob Rem bereits 50 Jahre früher ins Leben gerufen hatte.
In der Marianischen Kongregation fand Philipp Trost und Freude während der langen Jahre des Harrens angesichts seiner ungelösten Berufungsfrage, aber auch eine Anleitung zum innerlichen Leben. Man muss sich vorstellen, dass er in diesen jungen Jahren bereits eine persönliche Anleitung zum inneren und betrachtenden Gebet zusammengestellt hat, in der er mit den Worten der Hl. Schrift betet. Er sieht hierin wiederum die Nachahmung Mariens, die in ihrem eigenen, uns bei Lukas überliefertem Gebet des „Magnificat“ nichts anderes sucht, als die Größe Gottes mit dem offenbarten Wort zu lobpreisen.
In der Demut und im Gehorsam der Gottesmutter sah er die Grundtugenden, um welche er sich Tag für Tag bemühen wollte. Aus der Zeit seines Noviziates sind uns erste Notizen in Tagebüchern erhalten. Darin schreibt er zur Tugend der Demut: „Ich will gleich einer leblosen Statue sein, die sich nicht rührt, wenn sie gelobt oder getadelt wird, ob sie von bösen Buben mit Schmutz oder mit Steinen beworfen wird. Wer liebt, dem ist es eigen, mehr auf den Wink des Geliebten zu achten, als auf seinen Befehl zu warten.“
Auch während seines Tertiats in Altötting übte er sich in diesen Tugenden. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Heiligen Kapelle mit dem altehrwürdigen Gnadenbild vertiefte er sich in den Geist Mariens. Neben seiner Ausbildung war er hier vor allem in der Beichtseelsorge tätig.
Zärtliche Liebe zur Gottesmutter
Jahre später schrieb Pater Jeningen in einem Brief, dass alles, was er von der Gottesmutter erbeten habe, großen Erfolg gehabt hätte.
Von seiner Liebe zur Gottesmutter sprechen einige Aufzeichnungen aus der Zeit, die er in Dillingen an der Donau verbrachte. In der Nähe befindet sich die kleine Wallfahrtskirche von Echenbrunn. Dort wird eine Kopie des Altöttinger Gnadenbildes verehrt. Für diese Statue versprach P. Philipp ein neues Kleid. Darüber lesen wir in seinem Tagebuch: „Als ich beim Anprobieren des Kleides der seligen Jungfrau die Statue umarmte, wurde ich von übernatürlicher, alles Irdische übertreffender Wonne überströmt. Als ich dann am 18. März nach Echenbrunn gehen wollte, regnete es: als ich die Seligste Jungfrau fragte, warum sie heute den Regen zugelassen habe, wodurch mein Gang nach Echenbrunn verhindert würde, und sie am andern Morgen nicht mit der neuen Toga bekleidet werden könnte, antworte sie mir: Morgen hätte ich eine andere Arbeit zu erledigen: ich solle nämlich den Brief an P. Provinzial abfassen. Ferner wolle sie nicht durch die Hände von Weltleuten bekleidet werden, was geschehen wäre, wenn ich morgen ging und der Schneider das Kleid brächte und ihr anzöge. Sie wähle den Tag des hl. Benedikt, der einst in Echenbrunn verehrt worden sei. Ich solle dort zelebrieren, dann könne man an diesem Werktag die hl. Messe mitfeiern, was sonst unterlassen würde… Als ich dann am genannten Tag in Echenbrunn zur Jungfrau sagte: Schenk uns deine Hilfe und bewahre unser Kloster unversehrt, sonst nehme ich das Kleid wieder mit, da antwortete die seligste Jungfrau: Hast Du nicht, als der Altar fertig war, gesagt: HERRIN, du hast dir einen Altar verschafft, sorge nun auch für ein Kleid – Jetzt habe ich mir ein solches verschafft, was geht dich also das Kleid an?“
Diese Niederschrift lässt erahnen, in welcher Vertrautheit P. Philipp mit der Gottesmutter Zwiesprache pflegte. Wenige Monate nach diesem Erlebnis wurde P. Philipp nach Ellwangen versetzt, wo wir ihn ab Mai 1680 finden. Er sollte dort den Brüdern im Kolleg dienen, den Schülern der Lateinschule, aber vor allem den Wallfahrern auf dem nahen Schönenberg.
Errichtung einer Wallfahrtskirche auf dem Schönenberg
Eine entscheidende Weichenstellung erfolgte bereits 1681. Nachdem P. Philipp im Gebet zur Gottesmutter Zuflucht genommen hatte, wurde die Stadt Ellwangen gerettet, die am 14. September 1681 durch einen schweren Blitzschlag in Gefahr war, niederzubrennen. P. Philipp war gerade zu Besuch bei Fürstpropst Adelmann, den er vom Studium in Ingolstadt her kannte. Der Biograph Anton Höss schreibt darüber: „Stadtbrände waren keine Seltenheit: Ellwangen war schon neunmal in Asche gesunken: ratlos blickte der Fürst vom Schloss oberhalb der Stadt auf den Feuerherd hinunter. P. Jeningen fasste sich zuerst wieder und bat den Fürst, sich mit ihm zum Gebet niederzuknien und der seligsten Jungfrau auf dem Schönenberg ein neues Gotteshaus zu geloben, wenn sie das Unglück von der Stadt abwende. Der edle Fürst ging sofort auf den Rat seines Freundes ein, und Maria erhörte das Gebet. Das Feuer griff nicht weiter um sich und erlosch, nachdem es das eine brennende Haus verzehrt hatte.“
So gelang es P. Philipp, den Fürstpropst der Stadt zu überzeugen, dass anstelle der kleinen Loreto-Kapelle eine große Kirche gebaut werden müsse. In seinen Aufzeichnungen finden sich die Worte: „Maria, du bist unser Vertrauen. Möge der Schönenberg von deinem Schutz umgeben ein heiliger Ort werden. Maria sei meine Schatzmeisterin. Ich werde die seligste Jungfrau stets in meinem Herzen tragen. Wo ihre Verehrung nicht besteht, will ich dafür arbeiten.“ Bereits im Jahr 1682 wurde vom Augsburger Bischof Johann Christoph von Freyberg der Grundstein für eine neue Kirche auf dem Schönenberg gelegt.
Durch Maria zu Jesus
Das persönliche Verhältnis von P. Philipp zu seiner „Herrin“ wurde immer inniger und gnadenreicher. Maria wird seine liebe Mutter, von der er alles erbittet und die ihm alle Gnaden vermittelt. Ja, sie wird ihm auch die mystische Vermählung mit Christus vermitteln. Die mystische Verlobung, die P. Philipp erleben durfte, war einer der Höhepunkte in seinem geistlichen Leben. Wir kennen das Phänomen von verschiedenen Heiligen, beispielsweise von der hl. Katharina von Siena, bei der ein Ring am Finger sichtbar geworden war. Über seine mystische Vermählung schreibt P. Philipp:
„Durch eine wunderbare Fügung Gottes ist mir ein Ring geschenkt worden, die Verlobung ist gefeiert. Der Ring, den mir die hl. Mutter Anna überreichte, soll zum ewigen Zeichen meiner Treue gegen die Gesellschaft Jesu sein. ‚Mein Sohn, ich gebe Dir den Ring zurück, den du mir gegeben hast.‘ – Sagte meine Herrin: ‚Du hast ihn mir gegeben, ich habe ihn angenommen. Nimm den teuren Ring zum Zeichen deiner und der Deinen ewigen Verlobung.‘“
Seine Vertrautheit mit der Gottesmutter fand schließlich ihren Höhepunkt in einer mystischen Stigmatisation. Wichtig ist zu betonen, dass es sich bei P. Philipp um eine rein geistige Einprägung der Wundmale Christi handelte, also nicht um eine körperlich sichtbare wie beim hl. Franz von Assisi, sondern eher vergleichbar mit der Stigmatisation der hl. Anna Schäffer.
Vom 2. August 1696, dem Festtag der Königin der hl. Engel, berichtet P. Philipp: „O mein erwünschter Anteil. O süße Schauung, als Jesus mit seiner Mutter da war. Die Selige Jungfrau selbst vom Schwert durchbohrt, durchbohrte meinen rechten Fuß, doch so sanft, dass mir die Durchbohrung wie das durchbohrende Schwert wie Wolle vorkam. Es sprach aber Christus Jesus mit dem Vater und dem Hl. Geist: Durch meine heiligste Mutter bezeichne ich dich mit dem Zeichen des Heiles meiner rechten Hand, dass du im Zeichen im Gutestun allezeit gerecht und wahrhaft befunden werdest. Dann drückte er mir in meine rechte Hand innen und au-ßen einen Teil seiner rechten Hand und legte darin eine Rose, die er aus seiner rechten Hand nahm. So geschah es auch mit der linken Hand, dem rechten Fuß, dem linken Fuß und der Seitenwunde. Die Worte bei der linken Hand: Ich Christus Jesus, der Sohn des lebendigen Gottes, bezeichne dich durch meine heiligste Mutter mit dem Zeichen des Heiles, damit du vor der Sünde bewahrt, viele Sünder zur Buße führen kannst. Beim rechten Fuß: Durch meine Heilige Mutter bezeichne ich dich mit dem Zeichen des Heiles meines rechten Fußes, damit du meine Wege wandelst und mein und meiner Mutter vollkommener Mitarbeiter seiest. Beim linken Fuß – damit du über Schlangen und Basilisken schreitest, Löwen und Drachen zertrittst und alle deine Feinde zuschanden machst. Bei der Seitenwunde sprach Christus: Damit du von meiner göttlichen Liebe ganz entzündet, ganz ein feuriger Wind wirst, ein Ignatius seiest und alles mit neuer Liebe, Wahrheit und Frömmigkeit und Eintracht entzündest.“
Bereits am 30. Januar 1692 findet sich im Tagebuch von P. Philipp die Aufzeichnung: „Mein Herz ist nicht mehr meines. Das ist längst verwest. Mein Herz ist das Herz Jesu und das Herz Mariens. Mein Herz nenne ich das Herz Jesu, das den himmlischen Vater mehr liebt als die ganze Welt ihn erfreut. Mein Herz ist das Herz Mariens, unter dem das Herz Jesu ruhte und zu leben begonnen hat.“
Maria formte P. Philipp zum Apostel
Maria machte P. Philipp wirklich zu einem Apostel. In seinem Wirken als Volksmissionar erfüllte sich, was ihm Christus und die Gottesmutter am 3. Februar 1681 zusagten: „Nach der hl. Messe reichte mir Christus die Hand, die ich küsste, und er versprach mir: Ich werde dir zeigen, dass ich ein Vater bin. Und ebenso tat die selige Jungfrau und sagte: Ich werde dir zeigen, dass ich eine Mutter bin. Und wenige Wochen, auf dem Heimweg von Hohenstadt am Fuß des Schönenbergs beim Kreuz mit der Schmerzhaften Mutter hörte er sie sagen: Trinke mein Sohn, die Süßigkeit meines Trostes, den ich dir niemals entziehen werde.“
In der vertrauten Aussprache mit seiner Herrin, im ständigen Miteinander, erfüllte P. Philipp seinen missionarischen Auftrag. Ihre Unterstützung in all seinen Aufgaben sollte vor allem dazu führen, dass sein Arbeiten und Wirken an Glaubwürdigkeit gewann. Umso mehr litt P. Philipp bei seinen Volksmissionen darunter, dass die Reformation die Marienverehrung aus den Herzen der Menschen auszutilgen versuchte.
Das mystische Niveau, das Gott dem sel. Philipp Jeningen in seinem geistlichen Leben geschenkt hat, ist eine reine Gnade. Der unmittelbare, ja fast kameradschaftliche Umgang mit Christus, der Gottesmutter und einigen Heiligen, die P. Philipp sehr verehrte, war eine außergewöhnliche Gnadengabe. Doch wurde sie ihm zum Heil der Menschen verliehen, für sein missionarisches Wirken und vor allem zur größeren Ehre Gottes.
Auch uns heutige Menschen kann das Lebenszeugnis des sel. P. Philipp im Glauben stärken, es kann uns ein wunderbares Vorbild in der Liebe zu Christus und zur Gottesmutter Maria sein. Innigst lebte er für die Kirche, innigst liebte er Christus und die selige Jungfrau. Möge der sel. P. Philipp Jeningen der Kirche von heute diesen missionarischen Geist für eine fruchtbare Neuevangelisierung erbitten!
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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Erinnerung an einen unverrückbar überzeugungstreuen Gelehrten
Dermot Fenlon – Historiker und Priester
Im August 2009 war Studiendirektor Jakob Knab bei Dermot Fenlon (04.12.1941-17.08.2022) zu Gast im Oratorium Birmingham. Bei dieser Gelegenheit zeigte ihm der Historiker die Harvington Hall und führte ihn in die geschichtlichen Hintergründe ein. Dort hatten beispielsweise unter Königin Elisabeth Priester Unterschlupf gefunden. Seit dieser Zeit verband Knab mit dem aus Dublin stammenden Priester eine enge Freundschaft. In den vergangenen zwölf Jahren standen sie nahezu täglich miteinander im geistlichen Austausch. So war Knab in die Berufungsgeschichte und das bewegte Leben dieser außergewöhnlichen Priestergestalt eingeweiht. Zur Predigt beim Requiem, das in der Hafenstadt Cobh im Süden Irlands stattfand, steuerte er wichtige Gedanken bei.
Von Jakob Knab
Der Historiker und Priester Dermot Fenlon ist verstorben. Am 22. August 2022, am Fest Maria Königin, kam eine treue Schar trauernder und gläubiger Menschen in die Klosterkirche St. Benedict in Cobh (Co. Cork, Ireland) zur „Requiem Mass“ für den Hausgeistlichen Fr. Dermot Fenlon (1941-2022). Der namhafte Prediger Vincent Twomey SVD (Maynooth) würdigte den Heimgegangenen als herausragenden Gelehrten, als edle Priestergestalt und stets bescheidenen Gottesmann.
Hier ein Blick auf seine bewegte Lebensgeschichte: Dermot Fenlon wurde am 4. Dezember 1941 in Dublin geboren. Seine Eltern waren dankbar und erfreut über die glänzenden schulischen und akademischen Leistungen ihres hochbegabten Sohnes. Noch heute ist seine Doktorarbeit über Kardinal Reginald Pole (1500-1558) als Paperback erhältlich. An der englischen Eliteuniversität Cambridge hatte der Historiker Dr. Fenlon eine glänzende Karriere vor sich. Aber es kam anders. Als er sich weigerte, eine umfassende Geschichte über König Heinrich VIII. und dessen Bruch mit der Kirche aus einer protestantischen Perspektive zu verfassen, führte dies zu einem abrupten Knick in der Karriere. Die elegischen Gedichte, die er in der damaligen Lebenskrise zu Papier brachte, konnten die innere Leere nicht füllen; doch in seiner schmerzhaften Suche nach Sinn, Halt, Orientierung und Wahrheit fand er den Weg zum Priestertum.
40 Jahre diente er der Kirche; die Hälfte seines priesterlichen Dienstes war er Archivar, Novizenmeister und Beichtvater im Oratorium von Birmingham. Dieser Ort des Gebetes und des Studiums war an Maria Lichtmess 1848 vom nunmehr Heiligen John Henry Newman eingeweiht geworden. Im September 2010 wurde der Diener Gottes Newman von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen. Warum der so unverrückbar überzeugungstreue, der mitunter so ungemein hartnäckige Geistliche Dermot Fenlon die Gemeinschaft der Oratorianer im Juli 2010 verlassen musste, bleibt uns verborgen. Nach anfänglicher Auflehnung fügte er sich und opferte die folgenden zwölf Jahre in der Verbannung für Christus und seine Kirche auf. Er konnte sein Kreuz auf sich nehmen im Rosenkranz, den er still in lateinischer Sprache betete. Es war sein Herzensgebet.
Den April 2010 hatte der damalige Oratorianer Rev‘d Dr. Dermot Fenlon C.O. in Bayern verbracht. Als er im April 2010 an das Jakob-Brucker-Gymnasium in Kaufbeuren eingeladen wurde, um sich den Fragen der angehenden Abiturienten im dortigen Leistungskurs Englisch zu stellen, erzählte er auch, wie er persönlich Gott erlebte; er zitierte Zeilen aus dem Gedicht „Hound of Heaven“ (Jagdhund des Himmels) des heute vergessenen Dichters Francis Thompson: „I fled Him, down the nights and down the days; I fled Him, down the arches of the years; I fled Him, down the labyrinthine ways of my own mind; and in the mist of tears I hid from Him, and under running laughter.“ An dieser Stelle sei für die deutsche Leserschaft Theodor Haeckers Übertragung angeführt: „Ihn floh ich hinab die Tage, hinab die Nächte; Ihn floh ich hinab die Lauben der Jahre; Hinab in meines Herzens labyrinth’sche Schächte: Im Nebel meiner Tränen, dass er nichts gewahre, verbarg ich mich und unter tropfendem Gelächter.."[1] Der Gelehrte Dermot Fenlon schilderte den angehenden Abiturienten, wie er selbst vor Gott weggelaufen sei, da er Freiheit suchte. Erst als er sich ergab und als er Gott sein Leben übergab, spürte und empfand er eine tiefe Freiheit.
In jenem ereignisreichen und für ihn so bedeutungsschweren Monat April 2010 war es für den Priester und Historiker Dermot Fenlon ein Gipfelpunkt seiner Lebensgeschichte, als er der hochbetagten Hertha Probst, geb. Dohrn (1912-2014), begegnen durfte. Er kam in lebendige Berührung zur deutschen Geschichte und zum Widerstand gegen das NS-Regime.
Zum historischen Hintergrund: In der jungen Weimarer Republik fand Dietrich von Hildebrand Kontakt zu Carl Muth, dem Herausgeber der Zeitschrift „Hochland“. Früh durchschaute Hildebrand den antichristlichen und rassistischen Ungeist der NS-Ideologie; im März 1933, sechs Wochen nach der Machtergreifung Hitlers, ging er ins politische Exil. Im Juli 1933 begann in Wien die Zusammenarbeit mit dem umtriebigen Publizisten Klaus Dohrn. Dessen jüngere Schwester war Hertha Dohrn (1912-2014), die im August 1941 den später als Mitglied der „Weißen Rose“ hingerichteten Christoph Probst heiraten sollte. Dohrn wurde der leitende Redakteur der Zeitschrift „Der christliche Ständestaat“. In Wien begegnete er auch dem künftigen Weggefährten Johannes Maria Oesterreicher.[2]
Dermot Fenlon hat sich bleibende Verdienste um Newmans Rezeptionsgeschichte erworben. Sein Aufsatz zur ideengeschichtlichen Wirkungsgeschichte Newmans wurde in den Internationalen Cardinal-Newman-Studien veröffentlicht. Hier der Schluss in deutscher Übersetzung: „In der Dunkelheit von Hitlers Deutschland brachte Newman denen, die zu hören bereit waren, die Gegenwart, Macht und erlösende Wirklichkeit des Kreuzes Christi. Die ihn lasen und übersetzten, verdienen unsere Aufmerksamkeit: Es sind Theodor Haecker und Matthias Laros, in deren Werk Fritz Hartnagel [Sophie Scholls Verlobter, JK] zuerst Newmans Predigten begegnete, dann Dietrich von Hildebrand und Otto Karrer, schließlich Edith Stein und Erich Przywara SJ, der Edith Stein inspirierte, Newman zu übersetzen."[3]
Auch Dermot Fenlon (1941-2022) hat aus tiefer Überzeugung das Gebet gesprochen, das uns der Heilige John Henry Newman schenkte:
Ich bin erschaffen, etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer erschaffen ist;
ich habe einen Platz in Gottes Ratschluss,
auf Gottes Erde, den kein anderer hat.
Ob ich reich oder arm bin, verachtet oder geehrt bei den Menschen, Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen.
Gott hat mich erschaffen,
dass ich ihm auf eine besondere Weise diene.
Er hat ein bestimmtes Werk mir übertragen und keinem andern. Ich habe meine Aufgabe, meine Mission –
Irgendwie bin ich zur Ausführung seiner Pläne nötig;
ich bin an meinem Platz so nötig wie ein Erzengel am seinigen.
Aber ich habe meinen Teil in diesem großen Werk,
ich bin ein Glied in der Kette, ein Band zwischen Personen.
Gott hat mich nicht umsonst erschaffen –
Ich soll Gutes tun und sein Werk vollbringen.
Ich soll auf meinem Posten ein Engel des Friedens,
ein Prediger der Wahrheit sein.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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[1] Francis Thompson: Der Jagdhund des Himmels, übertragen von Theodor Haecker, Innsbruck 1925, S. 51.
[2] Siehe Kirche heute 2+3/2022.
[3] Dermot Fenlon CO: From the White Star to the White Rose – John Henry Newman and the Conscience of the State, in: Günter Biemer/Bernd Trocholepczy (Hrsg.): Wirklichkeit, Verwirklichung und Wirkungsgeschichte. John Henry Newmans „Realizing“ als Basis einer praktisch-theologischen Theorie (NEWMAN STUDIEN vol. XX), Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2010, p. 47.
Vor 50 Jahren starb der Vater Europas
Richard Coudenhove-Kalergi und die Europäische Einigung
Vor 50 Jahren verstarb Richard Graf Coudenhove-Kalergi (17.11. 1894-27.07.1972). Auf ihn geht die Europäische Einigung von heute zurück, weshalb er 1950 als erster die höchste europäische Auszeichnung, den Internationalen Karlspreis von Aachen, erhielt. Seine Ideen und Anliegen, die er bereits zu Beginn der 1920er Jahre formulierte, erscheinen in unseren Tagen aktueller denn je. Mit seiner prophetischen Sicht konnte er Tausende von Mitstreitern in ganz Europa motivieren, seinen Traum zu unterstützen und politische Wirklichkeit werden zu lassen.
Von Stephanie Waldburg
Geboren wurde Richard Graf Coudenhove-Kalergi am 17. November 1894 in Tokio als Sohn des österreichisch-ungarischen Diplomaten Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi und der japanischen Kaufmannstochter Mitsuko Aoyama. 1896 übersiedelte er mit seiner Familie auf deren Besitz im böhmischen Rons-perg/Poběžovice, der unweit der oberpfälzischen Stadt Furth im Wald in der heutigen Tschechischen Republik liegt. Richards Vater Heinrich machte aus Ronsperg, das sich zwischen der böhmisch-bayerischen Staatsgrenze und der in Böhmen verlaufenden deutsch-tschechischen Sprachgrenze befand, eine kosmopolitische Oase, in der sich führende Vertreter von Christen, Juden, Muslimen und Buddhisten sowie Gelehrte aller Kulturen begegneten. Dieser Hintergrund prägte auch den jungen Richard, der sich sein Leben lang dem Kampf gegen Intoleranz und Nationalismus sowie für die Völkerverständigung widmete.
Pan-Europa
Im November 1922, also vor 100 Jahren, veröffentlichte er in den beiden wichtigsten liberalen Zeitungen des deutschen Sprachraums, der Vossischen Zeitung in Berlin und der Neuen Freien Presse in Wien, einen Aufruf zur Einigung Europas. Die Programmpunkte wirken heute noch brennend aktuell und reichen von der deutsch-französischen Aussöhnung über eine gemeinsame europäische Verteidigung gegen die Bedrohung aus dem Osten und einen europäischen Volksgruppen- und Minderheitenschutz, um Nationalitätenkonflikte zu entschärfen, bis hin zur Forderung nach einer Europäischen Verfassung.
Sein 1923 veröffentlichtes Buch „Pan-Europa“, in dem er diese Ideen ausformulierte, wurde ein Bestseller und in die meisten europäischen Sprachen übersetzt. Gemeinsam mit seiner Frau, der berühmten jüdischen Schauspielerin Ida Roland, baute er die bis heute in den meisten europäischen Ländern aktive Paneuropa-Bewegung auf, der sich Persönlichkeiten wie Arturo Toscanini, Albert Einstein, Franz Werfel, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, Bronislaw Hubermann, Sigmund Freud, Arthur Schnitzler oder zeitweise auch die Gebrüder Thomas und Heinrich Mann anschlossen. Den Vorsitz der Paneuropa-Union in Deutschland übernahm der sozialdemokratische Reichstagspräsident der Weimarer Republik, Paul Löbe. 1926 veranstaltete die Paneuropa-Union mit 2000 Teilnehmern aus ganz Europa ihren ersten großen Kongress, der zugleich der erste Europa-Kongress der Geschichte überhaupt war.
Von der Idee zur Staatsaktion
Die Ehrenpräsidentschaft der Paneuropa-Union auf internationaler Ebene übernahm auf Vermittlung des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš G. Masaryk der französische Premier- und Außenminister Aristide Briand. Dieser brachte im September 1929 Coudenhoves Idee eines geeinten Europas in die Vollversammlung des Völkerbundes in Genf ein. Coudenhove und Briand fanden zumindest teilweise Unterstützung beim deutschen Außenminister Gustav Stresemann und zahlreichen kontinentaleuropäischen Staaten, stießen aber auf den klaren Widerstand Großbritanniens sowie der nationalistischen Kräfte in den eigenen Ländern. Von Genf heimgekehrt, starb Stresemann; die Weltwirtschaftskrise brach aus, Briand verlor seine innenpolitische Basis. Gleichzeitig vollzog sich der Aufstieg des Nationalsozialismus, und am Horizont zeichnete sich der von Coudenhove schon 1922 prophezeite Zweite Weltkrieg ab, dem er sich mit einer Flut von Aktivitäten auf dem ganzen Kontinent entgegenstemmte.
1933 wurde die Paneuropa-Union im nationalsozialistischen Deutschland verboten, ihre Vertreter verfolgt und die Bücher Coudenhoves verbrannt. Hitler nannte ihn tobend einen „Allerweltsbastard“. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien 1938 wurde das Generalsekretariat der internationalen Paneuropa-Union in der Hofburg, das die österreichische Bundesregierung zur Verfügung gestellt hatte, aufgelöst. Coudenhove und seine Frau flohen zuerst in die Schweiz und schließlich in die Vereinigten Staaten, wo sie weiter für die europäische Einigung warben, so mit dem 5. Paneuropa-Kongress 1943 in New York.
Nicht nur Hitler hasste Coudenhove, sondern auch Stalin, der seine Kontakte in die USA nutzte, um die Rückkehr des Ehepaares Coudenhove nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1946 hinauszuzögern. Der damals berühmteste Staatsmann Europas, Winston Churchill, unterstützte allerdings wie schon in den dreißiger Jahren die Paneuropa-Idee und hielt am 19. September 1946 seine berühmte Zürcher Rede, in der er auf den unermüdlichen Einsatz Coudenhoves in der Zwischenkriegszeit hinwies und „so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa“ forderte.
Die europaweite Begeisterung über Churchills Rede nutzte Coudenhove, der durch seine Arbeit in den zwanziger und dreißiger Jahren ebenfalls auf dem ganzen Kontinent bekannt war, um 4256 Abgeordnete aus 13 europäischen Staaten schriftlich zu fragen, ob sie für eine Europäische Föderation im Rahmen der Vereinten Nationen seien. Sie antworteten zu 97,2 Prozent positiv, worauf der Paneuropa-Präsident Anfang September 1947, also vor 75 Jahren, im schweizerischen Gstaad die Europäische Parlamentarier-Union (EPU) ins Leben rief, der er als einziger Nicht-Parlamentarier angehörte. Diese gab den Anstoß zur Gründung des Europarates in Straßburg und schlug schon damals die Direktwahl eines Europäischen Parlamentes vor.
Das erste Europaparlament
Ein Jahr nach dem Treffen von Gstaad, das die internationale Presse als das „erste Europaparlament“ würdigte, verabschiedete die EPU den von Coudenhove verfassten Interlaken-Plan, den ersten modernen Entwurf einer Europäischen Bundesverfassung. Aufgrund seiner engen Freundschaft mit Konrad Adenauer, der schon 1926 der Paneuropa-Union beigetreten war, und General Charles de Gaulle trieb Coudenhove außerdem die deutsch-französische Aussöhnung voran, die 1962 mit der von der Paneuropa-Union initiierten feierlichen „Hochzeit“ beider Völker in der Kathedrale von Reims gekrönt wurde. Coudenhove nahm auf persönliche Einladung beider Staatsmänner als eine Art „Trauzeuge“ teil.
Wichtigstes Anliegen des Paneuropa-Gründers war in den sechziger Jahren die Schaffung einer gemeinschaftlichen Außen- und Sicherheitspolitik für den von ihm propagierten Europäischen Bundesstaat. 1972 brachte er bei der 50-Jahr-Feier der Paneuropa-Union in der Wiener Hofburg den Festredner, Österreichs sozialdemokratischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, der sich schon 1926 als Jugendlicher der Bewegung angeschlossen hatte, mit dem Paneuropa-Vizepräsidenten, dem österreichischen Kaisersohn Otto von Habsburg, zusammen, der Coudenhoves Wunschnachfolger war. Der symbolische Händedruck zwischen Kreisky und dem ehemaligen Thronfolger versöhnte nicht nur die Republik mit dem einstigen Kaiserhaus, sondern machte deutlich, dass es Otto von Habsburg nicht um Restauration, sondern um ein geeintes Europa ging.
Als Coudenhove wenige Wochen nach dem Fest in Wien im vorarlbergerischen Schruns, seinem Urlaubsort, starb, übernahm der Habsburger provisorisch die Leitung der Organisation und wurde ein Jahr später auf Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou, der lange Zeit Paneuropa-Schatzmeister war, als Coudenhoves Nachfolger an die Spitze der ältesten europäischen Einigungsbewegung gewählt. Heutiger internationaler Präsident der Paneuropa-Union ist der französische Europapolitiker Alain Terrenoire, ein Wegbereiter der deutsch-französischen Aussöhnung und des Elysée-Vertrages; Präsident der Paneuropa-Union Deutschland ist der langjährige Münchner Europaabgeordnete Bernd Posselt.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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Zum 125. Todestag der hl. Therese vom Kinde Jesus
„Ich sterbe nicht, ich gehe ein in das Leben!“
Wir feiern heuer den 125. Todestag der hl. Therese von Lisieux, die am 30. September 1897 zu ihrem Schöpfer heimgekehrt ist. Außerdem begehen wir den 25. Jahrestag ihrer Ernennung zur Kirchenlehrerin (19. Oktober 1997). Im Theresienkalender 1997, Badenia Verlag Karlsruhe, war zum 100. Todestag der hl. Therese eine Beschreibung ihres Todeskampfes von Arnold Amann erschienen, der 2003 verstorben ist. P. Georg Gantioler FSO hat nun diesen Beitrag angepasst und erweitert. Geschildert wird auf ergreifende Weise das Verlangen der hl. Therese, aus Liebe zu sterben, ein Verlangen, das alle Prüfungen und Anfechtungen überragte.
Von Arnold Amann († 2003) und P. Georg Gantioler FSO
Zeugnis ihrer leiblichen Schwester Céline
An ihrem Sterbetag waren Mutter Agnes von Jesus und ich nachmittags bei ihr. Zitternd und vernichtet bat sie uns um Hilfe… Sie litt furchtbare Schmerzen in allen Gliedern. Den einen Arm auf die Schulter der Mutter Agnes von Jesus, den anderen auf meine Schultern gelegt, verharrte sie, die Arme wie auf dem Kreuz ausgebreitet. In diesem Augenblick schlug es drei Uhr, und der Gedanke an den gekreuzigten Jesus stieg in uns auf: War unsere arme kleine Märtyrerin nicht sein lebendiges Ebenbild?“
So berichtete Thereses leibliche Schwester Céline, die wie Therese Ordensschwester im Karmel zu Lisieux war, über die letzten Stunden ihrer Schwester am 30. September 1897. In den Prozessen zur Selig- und Heiligsprechung Thereses in den Jahren 1910 bzw. 1915 hat sie ihre unmittelbaren Wahrnehmungen mitgeteilt und diese später auch schriftlich für die Nachwelt festgehalten. Über Thereses letzte Stunden und ihren Tod ist dieser Zeugenbericht ein unschätzbares Dokument. Céline fährt darin wie folgt fort:
„Wenig später setzte der Todeskampf ein. Er war lange und schrecklich. Wir hörten Therese immer wieder sagen: ‚Oh, das ist das nackte Leiden, weil es keinen Trost kennt; nein, keinen einzigen!‘ ‚O mein lieber Gott! Ich liebe ihn dennoch, den lieben Gott. … O meine liebe Mutter Gottes, komm mir zu Hilfe!‘ ‚Wenn das der Todeskampf ist, was ist dann der Tod…? O, meine Mutter, ich versichere Ihnen, der Kelch ist gefüllt bis zum Rand.‘ ‚Ja, mein Gott, alles, was du willst, doch hab Erbarmen mit mir!‘ ‚Nein; ich hätte niemals geglaubt, dass man so sehr leiden kann… niemals; niemals! Ich kann es mir nicht anders erklären, als aus dem glühenden Wunsch, den ich hatte, Seelen zu retten.‘ ‚Morgen wird es noch schlimmer sein! Nun ja, umso besser!‘ Die Worte kamen abgerissen und herzzerreißend und klangen doch von Ergebung in Gottes Willen.
Unsere Mutter ließ die Kommunität rufen. Schwester Therese empfing die Schwestern mit einem lieben Lächeln; dann, das Kruzifix mit beiden Händen umklammernd, schien sie sich ganz den Schmerzen zu überlassen. Sie sprach nicht mehr. Ihr Atem ging keuchend, kalter Schweiß überzog ihr Gesicht; durchfeuchtete ihre Kleidung und die Decken; sie zitterte… Nun, während ihrer Agonie, wenige Minuten ehe sie starb, befeuchtete ich ihre Lippen mit einem kleinen Stück Eis. Sie schenkte mir ein wunderbares Lächeln und sah mich mit prophetischer Dringlichkeit an. Ihr Blick war voll Zärtlichkeit und trug doch schon einen Ausdruck jenseits alles Menschlichen, war Ermutigung und Versprechen zugleich, als wollte sie mir sagen: ‚Vorwärts, vorwärts, Céline. Ich werde bei dir sein…!‘ Die Kommunität erschauerte, doch plötzlich, während der verschleierte Blick wiederum den Ausdruck des Leidens annahm, den er vorher gezeigt hatte, suchten die Augen unserer lieben kleinen Schwester unsere Mutter, die ihr zur Seite kniete.
Wenige Minuten später entließ unsere Mutter die Kommunität, weil sie dachte, der Todeskampf könne noch lange dauern. Die engelgleiche Patientin wandte sich ihr zu und fragte: ‚Meine Mutter, ist das nicht der Todeskampf, werde ich nicht sterben?‘ Als sie zur Antwort erhielt, die Agonie könne noch lange dauern, sagte sie mit sanfter, klagender Stimme: ‚Nun gut!… Vorwärts!… Vorwärts!… Oh! Ich möchte nicht weniger leiden!‘ Und ihr Kruzifix betrachtend: ‚Oh… Ich liebe ihn!… Mein Gott, ich liebe dich!‘ Es waren ihre letzten Worte. Kaum hatte sie sie ausgesprochen, da sank sie zu unserer großen Überraschung ganz plötzlich zurück, den Kopf nach rechts geneigt.
Aber mit einem Male richtete sie sich wieder auf, als rufe sie eine geheimnisvolle Stimme. Sie öffnete ihre Augen und heftete ihren strahlenden Blick auf eine Stelle, ein wenig oberhalb der Statue der heiligen Jungfrau. Dieser Blick währte einige Minuten, die Zeit, die man braucht, langsam das Credo zu sprechen. Diesem Augenblick unbeschreiblichen Erstaunens folgte ein Erbeben ihres ganzen Seins. Sie schien den Blick so großer Liebe nicht ertragen zu können, wie jemand, der wiederholten Angriffen ausgesetzt ist, der kämpfen will und in seiner Schwäche zum glücklichen Besiegten wird. Es war zu viel; sie schloss die Augen und stieß ihren letzten Seufzer aus.
Das geschah am Donnerstag, den 30. September 1897, um 19:20 Uhr. Nach dem Tod der Dienerin Gottes zeigte ihr Antlitz einen Widerschein ewiger Seligkeit. Sie hatte ein himmlisches Lächeln; doch am seltsamsten fand ich, dass von ihren gesenkten Lidern, fest geschlossen und zugedrückt, Leben und Glückseligkeit ausstrahlten, und zwar in solcher Intensität, dass es keinen Tod mehr gab. Ich habe das seither bei keiner verstorbenen Schwester mehr gesehen.."[1]
Lebenslage Vorbereitung auf den Tod
125 Jahre sind seit Thereses Tod vergangen. Sie hatte, als sie im noch nicht vollendeten 25. Lebensjahr von Gott heimgerufen wurde, einen „schweren Tod“. Seit sie rund eineinhalb Jahre vor ihrem Sterben in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag 1896 als Folge ihrer Lungentuberkulose das erste Mal Blut spukte, ertrug sie ihr Leiden aufopfernd und in beispielhafter Hingabe an Gottes Willen. Denn Leiden war für Therese ein Zeichen der Auserwählung: Gott, so sagte sie, schenkt es jenen, die seine besonderen Freunde sind. Deshalb hatte sie sich einen „Tod aus Liebe“ gewünscht und erbetet. Sie schrieb: „Jetzt aber will ich gerne mein ganzes Leben lang krank sein, wenn es dem lieben Gott so gefällt, und ich bin selbst dazu bereit, dass es ein ganz langes Leben wird. Nur eine Gnade erbitte ich, dass es von der Liebe aufgebrochen wird."[2]
In ihrer „Weihe an die barmherzige Liebe“ (Dreifaltigkeitssonntag 1895) bot sie sich Gott als „Brandopfer seiner Liebe“ an, damit sie eine „Märtyrerin seiner Liebe“ werde. Einen solchen Tod liebte Therese als Geschenk der barmherzigen Liebe Gottes. An ihrem Professtag trug sie an ihrem Herzen einen Zettel, auf dem ihre persönlichen Bitten niedergeschrieben waren. Im Mittelpunkt standen die Worte: „Jesus, ich möchte als Märtyrerin sterben. Verleihe mir das Martyrium des Herzens oder des Leibes. Ach, gib mir lieber beide!“ Therese hatte dem Tod ins Auge geschaut. Noch wenige Wochen vor ihrem Sterben schrieb sie dem Seminaristen Maurice Bellière: „Ich sterbe nicht, ich trete ins Leben ein."[3]
Therese hat sich während ihres ganzen Lebens auf den Augenblick ihres „Todes aus Liebe“ vorbereitet. Ihre Liebe zu Gott war innig und zart. Als man sie einmal fragte, wie sie ihre Aussage verstehe, sie habe keine drei Minuten verbracht, ohne an den lieben Gott zu denken, antwortete sie einfach: „Es ist doch natürlich, dass man an jemanden denkt, den man liebt.“ Ihre Schwester Céline berichtet: „Sie war unaufhörlich mit Gott verbunden, und nichts konnte sie davon ablenken.“ Ihr ganzes Leben war von solch einem lebendigen Glaubensgeist durchstrahlt.
Jahrelange Anfechtungen im Glauben
Therese ging keineswegs ohne Prüfungen und Anfechtungen durch das Leben. Celine hat sich im Heiligsprechungsprozess darüber geäußert: „Vor allem wurde sie durch eine schreckliche Versuchung gegen den Glauben geprüft, die sie zwei Jahre vor ihrem Tod überkam und die bis ans Ende ihres Lebens dauerte. Diese Angriffe bezogen sich vor allem auf die Existenz des Himmels. Sie sprach mit niemanden darüber aus Furcht, ihre unaussprechliche Qual auf andere zu übertragen. In der „Geschichte ihrer Seele“ sagt sie, dass sie diese grausamen Leiden ertrug, um Gottes Barmherzigkeit auf die bedauernswerten Seelen herabzurufen, die den Glauben verloren haben."[4] Auf ihrem Sterbelager offenbarte sie ihrer Schwester Céline auch, sie habe viele Glaubensakte erwecken müssen, um diesen bedrängenden Eindrücken zu widerstehen.
Das Verlangen, aus Liebe zu sterben, überragte jedoch die Prüfungen, unter denen Thereses Seele litt. Ihre letzten Monate auf Erden waren das Echo ihres Lebens. Sie verleugnete keinen Augenblick ihre zärtliche Hingabe an Gott, ihre Geduld und ihre Demut. Ja, Céline hob sogar hervor, dass ihr Gesichtsausdruck „von unbeschreiblichem Frieden war. Man fühlte, dass ihre Seele dorthin gelangt war, wohin die Wünsche ihres ganzen Lebens sie geführt hatten, die auf ein einziges Ziel gerichtet waren, das nun erreicht war“. Céline erinnerte sich auch noch lebhaft an ein Wort ihrer todkranken Schwester, das sie ihr eines Tages „in ernstem Ton“ sagte: „Alles ist gut, alles ist vollbracht, nur die Liebe zählt.“
Abschied in der Abgeschiedenheit
Die Karmelschwestern in Lisieux waren auf Thereses Tod vorbereitet. Ihr Sterben in der Abgeschiedenheit eines Karmelklosters wurde von niemandem bemerkt, außer von ihren Mitschwestern und ihren Angehörigen. Nach außen war Thereses kurzes Leben so unauffällig, dass eine Mitschwester in den letzten Monaten von Thereses Leiden sagen konnte: „Schwester Therese wird bald sterben; was wird unsere Mutter Priorin dann in ihrem Totenbrief über sie schreiben können? Sie trat bei uns ein, lebte und starb. Mehr ist wirklich nicht zu sagen.“
Dem schienen auch die Umstände im unmittelbaren Gefolge von Thereses Tod Recht zu geben. Zwar kamen zur Aufbahrung von Thereses sterblicher Hülle im Chor der Karmelkirche „viele Leute“, um sie zu sehen, wie Céline berichtete. Dies sei aber nichts Außergewöhnliches gewesen, „so ist es Sitte, und es war natürlich, dass dieser Zulauf stattfand, weil Therese aus Lisieux war und ihre Familie dort wohnte.“ Bei der Beisetzung auf dem städtischen Friedhof am 4. Oktober 1897 war die Zahl der Gläubigen „recht klein“; alles war bescheiden bei diesem Leichenzug. Im neuen Abteil des Friedhofs, der den Karmelitinnen vorbehalten war, war Therese die erste, die dort begraben wurde. Auf das Grab setzte man ein Holzkreuz mit Thereses Ausspruch als Inschrift: „Ich will meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun“.
Wo liegt nun der Grund für den wahrhaft meteorhaften Anstieg und die machtvolle Verbreitung der Verehrung, die Therese von Lisieux zunächst in ihrer normannischen Heimat und nach und nach in ganz Frankreich, dann aber weltweit zuteilwurde? Eine Antwort gab der evangelische Schweizer Hagiograph Walter Nigg, der in seinem Buch „Große Heilige“ feststellt: „Thereses Kindlichkeit ist eine eindringliche Illustration zu dem schwer erfüllbaren Wort Jesu: ‚Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes kommen‘ (Mt 18,3)“. Und der katholische Theologe Hans Urs von Balthasar reihte Therese in die Schar jener Heiligen ein, von denen das christliche Volk instinktiv weiß: „Sie sind die großen Geschenke, die Gott ihm macht. Nicht nur als ‚Patrone‘, die man in bestimmten Nöten anrufen kann; sondern als die großen tröstenden und wärmenden Lichter, die Gott mitten in die Kirche hineingestellt hat."[5]
Das aufstrahlende Licht
Die Päpste haben Therese von Lisieux ihre tiefe Verehrung erwiesen. Papst Pius X. nannte sie „die größte Heilige der Neuzeit“, Benedikt XV. pries ihre Lehre vom „Kleinen Weg“, und Pius XI., der Therese 1923 selig- und 1925 heiliggesprochen hat, nannte sie den „Stern meines Pontifikats“. „Sie hat den Geist des Evangeliums wiederentdeckt!“, sagte Pius XII., der noch als Kardinal die neue Basilika in Lisieux zu Ehren der hl. Therese geweiht hatte. Ebenso hat Papst Johannes XXIII. schon 1931, als er noch Apostolischer Visitator in Bulgarien war, die Pilgerstätten in Lisieux besucht und ließ sich vor der Theresienstatue im Innenhof des Karmels fotografieren. Papst Paul VI. hat das Heilige Jahr 1975 unter den besonderen Schutz Thereses gestellt. Papst Johannes Paul I. widmete ihr in seiner Briefsammlung an berühmte Persönlichkeiten einige Seiten. Bei seinem Pastoralbesuch in Frankreich sprach Papst Johannes Paul II. am 2. Juni 1980 in Lisieux von der „tiefen, einfachen und reinen Schönheit, die sich in Therese der Kirche und der Welt offenbart hat“. Diese Schönheit begeistere, sagte der Papst, und Thereses Charme höre nicht auf, die Menschen zur Arbeit für das Reich Gottes anzuspornen. 1997 erhob er Therese von Lisieux zur Kirchenlehrerin. Benedikt XVI. sagte in einer Mittwochskatechese über Therese, dass sie „die ganze Kirche mit ihrer tiefen geistlichen Lehre erleuchtet“ habe. Und Papst Franziskus schrieb am 1. Oktober 2020 auf Twitter: „Das Beispiel der heiligen Therese von Lisieux lädt uns ein, den ‚kleinen Weg‘ der Liebe zu beschreiten, keine Gelegenheit für ein Lächeln, für irgendeine kleine Geste zu verpassen, die Frieden und Freundschaft verbreitet.“
Mit ihrer Lehre vom „kleinen Weg“ hat die Heilige eine praktische Anleitung für das religiöse und geistliche Leben von unvergleichlichem Wert hinterlassen. Millionen von Christen haben diesen Weg begangen und praktiziert und auf diese Weise ein „System“ befolgt, das aus einem schwachen Kind eine große Heilige gemacht hat. Ihr Geheimnis erklärte Therese selbst: „Der liebe Gott kann keine unerfüllbaren Wünsche eingeben. Ich kann mir also trotz meiner Kleinheit Hoffnung auf Heiligkeit machen. Größer machen kann ich mich nicht. Ich muss mich also so ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten. Aber ich will ein Mittel finden, um auf einem kleinen, ganz direkten, ganz kurzen Weg in den Himmel zu kommen. … Der Aufzug, der mich bis zum Himmel emporheben soll, das sind deine Arme, o Jesus! Dafür brauche ich nicht größer zu werden. Im Gegenteil, ich muss klein bleiben, ja, es immer mehr werden."[6]
Ein Jahr nach Thereses Tod, im Oktober 1898, wurden ihre persönlichen Aufzeichnungen unter dem Titel „Geschichte einer Seele“ veröffentlicht. Dieses Buch, das heute in unzählige Sprachen übersetzt ist, hat die Ordensfrau von Lisieux, die nach ihrer kurzen Kindheit neun Jahre völlig verborgen im Kloster gelebt hat, in aller Welt bekannt gemacht. Therese wurde bald als Fürbitterin bei Gott verehrt. Die Zahl gemeldeter Gebetserhörungen, die täglich aus aller Welt beim Karmel in Lisieux eingingen, stieg schon nach kurzer Zeit auf mehrere Hundert.
„Wenn man die ‚Geschichte einer Seele‘ liest, ist man sicher, Thereses Seele ganz und gar zu kennen. Diese Seele erscheint wie ein sehr schönes Vorbild heroischer Heiligkeit, und der liebe Gott gibt seine Gnade dazu. Darin liegt für mich das ganze Geheimnis der weiten Verbreitung dieses Buches.“ Das sagte Schwester Agnes von Jesus, Thereses leibliche Schwester Pauline, beim Heiligsprechungsprozess im Jahre 1915. Groß ist seitdem die Zahl von Wundern, die auf Thereses Fürbitten an Kranken und Notleidenden geschehen sind. Sie haben nicht selten das Ausmaß sensationellen Geschehens.
In der Tat: Therese von Lisieux zählt zu den großen Heiligen unserer Zeit und Lisieux ist zu einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Welt geworden. Das Jubiläumsjahr ihres Todes vor 125 Jahren ist Anlass, ihr vorbildliches Leben und ihre Wegweisung erneut den Menschen unserer Zeit, die vielfach keine Richtung und deshalb keinen Halt mehr haben, nahezubringen und Gott zu danken, dass er uns diese kleine und doch so große Heilige geschenkt hat.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
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[1] Prozesse zur Selig- und Heiligsprechung der hl. Therese von Lisieux, Bd. II: Apostolischer Prozess, 302ff.
[2] Geschichte einer Seele, Ms C 8r.
[3] Brief 244.
[4] Prozesse zur Selig- und Heiligsprechung der hl. Therese von Lisieux, s. Anm. 1, 253.
[5] Schwestern im Geist – Therese von Lisieux und Elisabeth von Dijon, Einsiedeln 1970.
[6] Geschichte einer Seele, Ms C, 2v-3v.
Ein Klassiker der spirituellen Literatur für Christen von heute erschlossen
Leben in Freundschaft mit Gott
Der hl. Franz von Sales (1567-1622) hat 1609 das Buch „Anleitung zum frommen Leben“ herausgebracht, auch bekannt unter dem Titel „Philothea“. Es handelt sich um eine praktische Anleitung zu einem christlichen Leben in Beruf und Alltag. Das Buch zählt zu den Klassikern der christlichen Weltliteratur und hat bis heute nichts an Bedeutung verloren. Dr. Peter Dyckhoff hat es nun unter dem Titel „Leben in Freundschaft mit Gott"[1] behutsam in die heutige Zeit übertragen: in einer einfachen und verständlichen Sprache. Für alle, die auf der Suche nach einer lebendigen Gestaltung ihres christlichen Glaubens sind, kann es zu einer wertvollen Hilfe werden. Nachfolgend ein Auszug aus der Hinführung des Verfassers zu seinem neuen Buch.
Von Peter Dyckhoff
Hätte es schon vor 400 Jahren Bestsellerlisten gegeben: Das Buch von Franz von Sales „Philothea“ oder „Einführung in das geistliche Leben“ hätte in allen Charts auf Platz drei gestanden – gleich nach der Bibel und der „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen!
Der Theologe und Historiker Karl Böck (1916-2009) schreibt: „Nach der Heiligen Schrift und der ,Nachfolge Christi‘ gehört die ,Philothea‘ zu den am meisten verbreiteten religiösen Büchern der katholischen Christenheit im Abendland von 1600-1900.“
Die Anregung zu „Philothea“ erhielt Franz von Sales (1567-1622) aus seinen seelsorglichen Aufgaben, die er unter anderem auch im Schreiben vieler Briefe sah. Vielen Menschen, die er geistlich betreute, schickte er kleine Abhandlungen, die sie untereinander austauschen sollten. Eine große Anzahl dieser Briefe und Abhandlungen fasste er dann auf Wunsch zusammen und veröffentlichte die „Einführung in das geistliche Leben“ oder „Philothea“ erstmals im Jahr 1609.
Das Buch erlebte sofort einen großen Erfolg: Innerhalb von zehn Jahren erschienen mehr als vierzig Auflagen in französischer Sprache. Das Buch, das in alle europäischen Sprachen übersetzt wurde, erschien auch in Deutschland in ungezählten Auflagen. In der Bibliothek von Annecy sind heute 121 verschiedene „Philothea“-Ausgaben zu finden.
Um diese in „alter“ Sprache formulierten christlichen Weisheiten, Ratschläge und Hinweise zum Umgang mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit Gott auch heute leichter zugänglich und vor allem nachvollziehbar zu machen, habe ich versucht, die „Philothea“ in das heutige Verständnis zu übertragen.
„Wege der Freundschaft mit Gott – Geistlich leben nach Franz von Sales“ ist also eine Übertragung der fünf Teile der „Philothea“, die keinesfalls als wissenschaftlich genaue Übersetzung gelten soll. Das Buch versucht, in einer einfachen und heute verständlichen Sprache – ohne religiöse Überfrachtung – das so überaus kostbare Gedankengut, die praktischen Anweisungen und die Glaubenserfahrungen des Franz von Sales zu vermitteln.
Die fünf Teile der „Philothea“ zeigen einen gut nachvollziehbaren praktischen Weg auf, der mit dem Wunsch beginnt, intensiver geistlich zu leben. Es folgen auf den nächsten Stufen Anweisungen und Ratschläge, um durch ein einfaches religiöses Leben tiefgreifende Glaubenserfahrungen zu machen, bis der feste Entschluss reift, Gott zu dienen und ihm das Leben zu weihen. Die Texte sind von dem Grundgedanken geprägt, dass jeder Mensch wahre Gottesliebe üben kann. Somit möchte das Buch eine gelebte Theologie des Herzens und der Liebe vermitteln.
Zu Beginn werden Menschen angesprochen, die den Weg eines geistlichen Lebens suchen. Zugleich werden Themen und Fragen behandelt, die alle Menschen betreffen, unabhängig von theologischem Wissen und religiösen Erfahrungen. Mit zunehmender Intensität steigert sich der Anspruch in den übrigen vier Teilen des Buches. Es werden Situationen geschildert und Fragen gestellt, die uns das gesamte Leben hindurch begleiten und beschäftigen: Aufgaben und Pflichten, die wir eingegangen sind, aber auch Gefahren und Versuchungen. Grundsätzlich kann jeder Mensch aus den Texten Wertvolles für sich gewinnen – unabhängig davon, wie er sein Leben bisher gestaltet hat und auf welcher Stufe geistlichen Lebens er sich befindet.
Das Geheimnis dieser Schrift liegt in der bejahenden Welt- und Lebensauffassung. Die einzelnen Schritte, die Franz von Sales rät, sind für Menschen bestimmt, die in ihrem Christsein, in ihrem Glauben weiterkommen möchten, weil sie mit ihrem Zustand nicht zufrieden sind und sich von Gott auf den Weg gerufen wissen.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Peter Dyckhoff: Leben in Freundschaft mit Gott – Geistlich leben nach Franz von Sales, St. Benno Verlag, 400 S., geb., mit Leseband, ISBN 978-3-74626-105-8, Euro 18,95 (D) zzgl. Versandkosten – Webseite: https://www.vivat.de
Die Weihe Russlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens
Hoffnungen für die Zukunft
In einem umfangreichen Beitrag hat Dr. Manfred Hauke (geb. 1956), Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät von Lugano in der Schweiz, die Weihe erklärt, die Papst Franziskus am 25. März 2022 vorgenommen hat. Angesichts der jüngsten Ereignisse weihte der Papst nicht nur die ganze Menschheit, sondern ausdrücklich Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens. Professor Hauke, der auch Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Mariologie ist, geht auf den geschichtlichen und theologischen Hintergrund, die unmittelbare Vorbereitung und den Ablauf dieser Marienweihe ein. Nun wurde der Artikel auch als eigenes Büchlein herausgegeben.[1] Nachfolgend der abschließende Ausblick dieses Beitrags.
Von Manfred Hauke
Jede feierliche Marienweihe vonseiten der Weltkirche hat zweifellos wohltätige Wirkungen. Das gilt ganz besonders für die Weihe am 25. März 2022, welche die Bedingungen erfüllt, die Sr. Lucia aufgrund der Marienerscheinung vom 13. Juni 1929 genannt hat: die Weihe Russlands an das Unbefleckte Herz Mariens durch den Papst in Vereinigung mit dem Weltepiskopat. Noch nicht erfüllt ist die formale päpstliche Billigung und Empfehlung der Sühneandacht an den ersten fünf Monatssamstagen, welche die Seherin 1930 betonte und als Bedingung nannte für das Ende der Verfolgungen in Russland. Sr. Lucia verbindet die Weihe Russlands und die Sühnesamstage miteinander in den oben zitierten Aussagen über die Marienerscheinung am 13. Juli 1917.
Das Ende des Krieges
Bevor wir an die einzelnen Verheißungen der Fatima-Botschaft erinnern, sei zunächst einmal das Weihegebet vom 25. März befragt: Damit wird konkret um das Ende des Krieges gebetet und um den Frieden für die Welt. Beachtenswert ist jedenfalls, dass wenige Tage nach der Weihe die Nachricht kam, dass die russischen Truppen sich aus der Umgebung von Kiew zurückzogen, obwohl sie ursprünglich die Hauptstadt der Ukraine einkesseln und erobern wollten.[2]
Die Bekehrung Russlands und die Überwindung der marxistischen Irrtümer
Der Krieg entspringt dem „Elend der Sünde“, wie es im Weihegebet heißt, während Maria unter dem Zeichen ihres Unbefleckten Herzens zur „Umkehr“ einlädt.
Diese Anliegen entsprechen durchaus der Fatima-Botschaft, die freilich noch weiter geht: Es ist davon die Rede, dass Russland sich „bekehren“ wird. „Am Ende … wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren.“ Die Bekehrung Russlands hat bereits nach der Weihe vom 25. März 1984 beachtliche Fortschritte gemacht, aber ein „Triumph“ der vor der Erbsünde bewahrten Gottesmutter (des „Unbefleckten Herzens“) setzt die Annahme der vom seligen Pius IX. 1854 definierten Glaubenslehre voraus. Dabei geht es letzten Endes um die vollständige Rezeption der biblischen Gestalten des Petrus (dessen Aufgabe im Bischof von Rom weiterwirkt) und Mariens (die ohne Erbsünde empfangen ist).
Die ersten Zeugnisse über den sündenfreien Lebensursprung Mariens stammen zwar aus dem christlichen Osten, aber die Trennung der orthodoxen Christen von der Gemeinschaft mit der vom Papst geleiteten Weltkirche hat zu einer weitverbreiteten Ablehnung des Mariendogmas geführt.[3] Die Bekehrung zu Gott und zu Christus kann nicht vor der von Christus gestifteten Kirche haltmachen. Damit verbunden ist die Überwindung der strukturellen Neigung der orthodoxen Kirchen, sich einer nationalistisch geprägten politischen Herrschaft zu unterwerfen (Cäsaropapismus). Dieser Nationalismus, der sich im Krieg Putins gegen die Ukraine zeigt und von dem Moskauer Patriarchen unterstützt wird, ist zu überwinden zugunsten einer Öffnung für das Ganze der Welt und das „katholische“ Ganze des Glaubens.
Die Fatima-Botschaft vom 13. Juli 1917, niedergeschrieben 1941, spricht von den „Irrtümern Russlands“. Dabei ist vor allem an den durch Sowjetrussland verbreiteten Marxismus-Leninismus zu denken. Diese Ideologie hat freilich ihre Wurzeln in Deutschland und ist heute wohl stärker verbreitet in den liberalen Ländern des Westens als in Russland, das eine teilweise Rückkehr zum Christentum erfahren hat, vor allem zur orthodoxen Kirche. Als Beispiel für eine marxistische Grundstimmung sei hier nur an die Gender-Ideologie erinnert, die selbst den biologischen Unterschied zwischen den Geschlechtern auf die gesellschaftliche Formung zurückführt.[4] Die Bitte um die „Bekehrung Russlands“ ist darum nicht abzukoppeln von dem Ruf zur Umkehr für die ganze Welt.
Die Verbreitung der Sühneandacht an den ersten Monatssamstagen
Für die Bekehrung aus dem vom Weihegebet genannten „Elend der Sünde“ ist die Sühneandacht an den ersten Monatssamstagen eine beachtliche Hilfe. Sie fördert eine regelmäßige Praxis der persönlichen Beichte, die betende Betrachtung des Lebens Jesu aus der Perspektive Mariens im Rosenkranz und den Empfang der Eucharistie im Geiste der Sühne.
In der Kirche des hl. Karl Borromäus in Lugano beispielsweise gibt es folgende Praxis, um dieses Anliegen zu verwirklichen: Nach der Aussetzung des Allerheiligsten Sakramentes um 10.45 Uhr gibt es eine Viertelstunde stiller Anbetung, eingeleitet von dem Gebet des Engels (das den Seherkindern 1916 mitgeteilt wurde), mit der Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse im Geiste der Sühne gegenüber dem Heiligsten Herzen Jesu und dem Unbefleckten Herzen Mariens; es folgt das Gebet des Rosenkranzes, wobei den einzelnen Gesätzen das von der Gottesmutter gelehrte Gebet beigefügt wird („O mein Jesus, verzeihe uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen“); eingefügt werden beliebte Marienlieder und am Ende die Lauretanische Litanei. Es folgen (gegen 11.45 Uhr) der Sakramentale Segen und die Messfeier. Während der Aussetzung des Allerheiligsten und des Rosenkranzgebetes ist ein Priester bereit für die hl. Beichte, eine Einladung, die von vielen Gläubigen wahrgenommen wird.
Für eine formale päpstliche Approbation der Sühneandacht der ersten fünf Monatssamstage würde es wohl genügen, dass die Apostolische Pönitentiarie mit der Billigung des Heiligen Vaters ein entsprechendes Dekret veröffentlicht, das die (von der Beichte vorbereitete) Sühnekommunion mit den von Sr. Lucia genannten Bedingungen an fünf aufeinanderfolgenden ersten Monatssamstagen mit einem vollkommenen Ablass verbindet.[5]
Der „Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens“
Die Wirkungen der Weihe hängen ab von der Bereitschaft aller, die sie zu leben entschlossen sind, aber sie verbinden sich mit den großen Verheißungen der marianischen Prophetie: eine „Zeit des Friedens“ als Vorausbild der vollendeten Friedensherrschaft Christi nach seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten und ein „Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens“ in einem kräftigen Wachstum des wahren Glaubens.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Manfred Hauke: Die Weihe Russlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens – Ihre geschichtlichen Voraussetzungen in der marianischen Prophetie von Fatima und ihre Bedeutung für die Gegenwart, geb., 96 S., ISBN 978-3-9479314-3-9 Euro 13,95 (D), Euro 14,40 (A), Service Hotline: 07303-952331-0; E-Mail: buch@media-maria.de
[2] Vgl. etwa: Schneller Rückzug russischer Truppen aus dem Norden der Ukraine, 2. April 2022, in: www.spiegel.de, abgerufen am 6.4.2022.
[3] Vgl. Hauke: Introduction to Mariology (2021), 244f. Zur griechischen Erbsündenlehre und den Ursprüngen der Lehre von dem paradiesisch sündenfreien Lebensursprung Mariens im Orient vgl. ders.: Urstand, Fall und Erbsünde. In der nachaugustinischen Ära bis zum Beginn der Scholastik, in: Die griechische Theologie (Handbuch der Dogmengeschiche II, 3a, 2. Teil), Freiburg i. Br. 2007.
[4] Zur Gender-Ideologie vgl. etwa Gabriele Kuby: Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit, Kißlegg 2012.
[5] So der Vorschlag von Weihbischof Athanasius Schneider in dem Interview mit Diane Montagna: Exclusive: Bishop Schneider on Pope Francis’ Consecration of Russia and Ukraine, 21. März 2022, 5, in: https://onepeterfive.com, abgerufen am 22.3.2022.
Fatima-Lichterprozession in Berlin – 12. Oktober 2022 ab 18 Uhr
Erneuerung der Marienweihe Deutschlands
„Deutschland dankt Maria“, so nennt sich eine Initiative, welche die Erinnerung daran wachhalten möchte, dass Deutschland den Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung letztlich der Gottesmutter zu verdanken hat. Ganz herzlich lädt sie am 12. Oktober 2022 zu einer Lichterprozession entlang der einstigen Berliner Mauer ein. Am Brandenburger Tor oder an der Siegessäule ist eine Erneuerung der Marienweihe Deutschlands geplant. Der Apostolische Nuntius Erzbischof Nikola Eterović wird den Eröffnungsgottesdienst zu Ehren Unserer Lieben Frau von Fatima halten.
Von Werner Schiederer
Die Berliner Mauer ist als Symbol der Teilung Deutschlands und des Ost-West-Konflikts in die Geschichte eingegangen. Der Fall der Mauer am 9. November 1989 kann als weltgeschichtliches Ereignis betrachtet werden, welches das Ende des Eisernen Vorhangs markierte und den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands bereitete.
Sicherlich war die Überwindung des Kalten Krieges zwischen den Westmächten und dem sog. Ostblock das Ergebnis einer friedlichen Revolution, die sich ausgehend von Polen über Osteuropa ausgebreitet hatte. Doch darf bei aller Hochschätzung des Mutes der beteiligten Bürger das dahinterstehende Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte nicht vergessen werden. Es hatte mit den Erscheinungen der Gottesmutter in Fatima seinen Anfang genommen, wo Maria die Bekehrung Russlands und eine Zeit des Friedens verheißen hatte. Doch knüpfte der Himmel diese Gnade an die Bedingung, dass der Papst Russland dem Unbefleckten Herzen Mariens weiht. Der hl. Johannes Paul II. erfüllte 1984 diese Forderung und leitete eine historische Wende ein, welche schließlich zum Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa führte. Der Papst selbst betrachtete es als ein wahres Wunder Unserer Lieben Frau von Fatima.
Um der Gottesmutter für 33 friedliche Jahre (1989-2022) seit dem Fall der Berliner Mauer und für die Wiedervereinigung zu danken, wird am 12. Oktober 2022 in Berlin eine Lichterprozession entlang der einstigen Berliner Mauer, durch das Brandenburger Tor, vorbei am sowjetischen Ehrenmal, hin zum Friedensengel auf der Siegessäule durchgeführt.
Den Auftakt bildet ein Pontifikalamt, das der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, um 17:00 Uhr in der Kirche St. Clemens (Stresemannstr. 66) feiern wird. Von dort aus beginnt ab ca. 18:00 Uhr die Prozession unter dem Motto „Deutschland dankt Maria und betet für den Frieden in der Ukraine, Deutschland und ganz Europa“. Dabei wird die nationale Fatima-Statue mitgetragen, die der hl. Papst Paul VI. im Jahr 1967 bei seinem Besuch in Fatima als Pilgermadonna für Deutschland gesegnet hat. Am Brandenburger Tor oder an der Siegessäule wird eine Weihe Deutschlands und Europas an das Unbefleckte Herz Mariens vollzogen.
Die Veranstaltung ist eine reine Dank- und Bittprozession ohne politische Agenda. Am Vorabend des 105. Jahrestages des Sonnenwunders soll die Gottesmutter von Fatima in das Herz Berlins und der ganzen Nation getragen werden. Alle, welche dieses Anliegen unterstützen möchten, sind herzlich eingeladen, nach Berlin zu kommen, insbesondere die Bischöfe, Priester und Ordensleute. Mit der Lichterprozession sollen auch all die Beter zusammengeführt werden, welche sich an unzähligen Orten an der Initiative „Deutschland betet Rosenkranz“ beteiligen (bisher sind deutschlandweit 788 Orte verzeichnet). So fungieren die beiden Initiativen „Deutschland dankt Maria“ und „Deutschland betet Rosenkranz“ offiziell als Veranstalter.
Weitere Informationen zur Lichterprozession oder Hinweise auf eventuelle Programmänderungen sind der eigens dafür eingerichteten Internetseite zu entnehmen:
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 10/Oktober 2022
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
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