Liebe Leser

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Im Nahen Osten ist ein weiterer Kriegsherd entbrannt. Das Heilige Land steht in Flammen. Hass und Gewalt, Rache und Zerstörung lodern genau dort auf, wo uns himmlische Heerscharen die weihnachtliche Botschaft verkündet haben: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade!“ (Lk 2,14). Aber in dieser Verheißung steckt auch ein Anruf an die Welt: Nur wenn wir Gott die Ehre geben, wird uns der Friede geschenkt werden. Wir müssen unseren Blick nach oben erheben, uns voll Vertrauen Gott zuwenden, denn nur er kann uns versöhnen und in Einheit zusammenführen.

Jesus selbst beginnt die Verkündigung des Evangeliums mit dem Aufruf zur Buße und Umkehr. Das meint nicht nur ein „Umdenken“, sondern auch eine Absage an den Geist dieser Welt, eine Abkehr von der Sünde in Demut und Reue, damit das Reich Gottes Raum gewinnen und in dieser Welt anbrechen kann.

So haben wir dieses Doppelheft unter das Titelthema „Buße und Umkehr als Schlüssel zum Frieden“ gestellt. Dass sich der Leitartikel des Pastoraltheologen Prof. Dr. Ludwig Mödl mit dem Thema Missbrauch befasst, mag überraschen. Doch er stellt heraus, dass diese endlose Geschichte offenbar macht, wie sträflich die Kirche das Bußgeschehen vernachlässigt hat. Nur so konnte es geschehen, dass die Opfer fast vollkommen aus dem Blickfeld geraten sind. Ohne Buße verliert die Kirche ihre innere Einheit und kann nach außen hin dem emotionalen Druck nicht standhalten. Statt eines kraftvollen Neuanfangs schlittert sie in eine heillose Selbstdemontage hinein.

Kurt Kardinal Koch wirft einen Blick auf das theologische Vermächtnis von Benedikt XVI., der den umfassenden Sieg der Liebe über den Hass im Kreuzesopfer Christi sieht. Aus dieser Quelle des Friedens, die uns in der Eucharistie angeboten ist, gilt es zu schöpfen. Umkehr heißt vor allem, sich diesem Sakrament der Verwandlung der Welt zuzuwenden.

Papst Franziskus hat den unter Gewalt und Krieg leidenden Völkern im Rahmen des Friedensgebets am 27. Oktober 2023 ein wunderbares Gebet geschenkt. Darin erinnert er an die unüberhörbaren Aufrufe der Gottesmutter zu Buße, Umkehr und Gebet um den Frieden. Er nennt Maria „Königin des Friedens“ und „Herrin der Völker“ und vertraut die Menschheitsfamilie ausdrücklich ihrem Unbefleckten Herzen an.

Dazu passt das Zeugnis von Mirjana aus Medjugorje, welche eine mitreißende Autobiografie herausgegeben hat, in der sie auch den Umgang mit der Realität des Krieges beschreibt. Was Umkehr, Gebet und Verzeihen in diesem Kontext bedeuten, leuchtet darin auf unvergleichliche Weise auf. Vom Balkankrieg unmittelbar betroffen ringt sie sich durch, auch im serbischen Präsidenten Slobodan Milošević einen Bruder in Christus zu sehen und für sein Heil zu beten. Ein Interview mit dem neuen Franziskanerprovinzial in der Herzegowina, Pater Dr. Jozo Grbeš, führt zu dem „Phänomen“ von Medjugorje hin, das kirchlich noch nicht als Erscheinungsort anerkannt ist, aber einzigartige Impulse zum Thema Frieden geben kann.

Ein Studientag am 18. Dezember 2023 in Augsburg mit Kurt Kardinal Koch als Hauptreferenten wird sich mit der Bedeutung der Einheit für die Evangelisierung beschäftigen, was die Zielsetzung der Bischofssynode mit unserem Titelthema verbindet. In diesem Licht wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen gnadenreichen Advent, frohe Weihnachten und ein gesegnetes Neues Jahr 2024 unter dem Schutz Mariens, der Königin des Friedens. Vergelt’s Gott für Ihre treue Unterstützung! Und im Vertrauen auf Ihre großherzige Weihnachtsspende können wir voll Zuversicht unser Apostolat fortsetzen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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Plädoyer für Reformen im Bereich des Bußgeschehens

Missbrauch – und kein Ende

Der Pastoraltheologe Prof. Dr. Ludwig Mödl (geb. 1938) vermisst in der gesamten Auseinandersetzung mit dem Thema Missbrauch eine rational geführte Diskussion. In seinem Beitrag lenkt er die Aufmerksamkeit auf wichtige Zusammenhänge, die seiner Meinung nach viel zu wenig berücksichtigt werden. Deshalb seien gutgemeinte Versuche, den Skandal aufzuarbeiten, oft nicht zielführend. Ja, die katholische Kirche stolpere über ihre eigene Befangenheit, was auf eine Selbstdemontage hinauslaufe. So stellt er zunächst die Frage, wie der Missbrauch überhaupt „katholisch“ werden konnte. Und er zeigt den Grund auf, warum nur am Versagen in der katholischen Kirche ein öffentliches Interesse besteht. Denn ihre Lehre passe nicht zur gängigen Vorstellung von der absoluten Autonomie des Menschen. Deshalb soll die Kirche als Institution insgesamt marginalisiert werden. Innerkirchlich aber sieht Prof. Mödl vor allem die Vernachlässigung der Buße als schwerwiegenden Mangel und mahnt eine Reform in diesem Bereich an.

Von Ludwig Mödl

Ausgehend von der Erfahrung, dass auch in akademischen Kreisen gegenwärtig keine rational dominierte Diskussion über Missbrauch in der katholischen Kirche möglich ist, ohne dass emotional eingebrachte und von Betroffenheit gezeichnete Einwände das Gespräch lenken, versuche ich einige Anmerkungen zu machen, die unser Denken auf eine rationale Sichtweise hinlenken könnten. Zu den folgenden Zeilen habe ich mich drängen lassen, obwohl ich weiß: Argumente kommen gegen Gefühle nicht an, vor allem wenn diese öffentlich als plausibel anerkannt sind und oft genug wiederholt präsentiert werden. So könnte es sein, dass mancher Leser in dem, was ich im Folgenden nur referierend sagen möchte, schon eine Wertung sieht und sich gegen meine Argumente sträubt.

Dennoch schreibe ich einige Gedanken auf, die vielleicht etwas beitragen zu der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass Missbrauch zu einer „katholischen Sache“ geworden ist; denn offensichtlich interessiert nur der „katholische Missbrauch“, die Missbrauchsfälle in anderen Institutionen aber (wie z.B. in der evangelischen Kirche oder in weltlichen Internaten – die Odenwaldschule ausgenommen – oder in Sportvereinen oder – und das vor allem – in Familien und Nahbeziehungen) werden nur marginal wahrgenommen, obwohl diese nach den bislang veröffentlichten Zahlen weit über 98 Prozent ausmachen dürften.

Wie konnte es dazu kommen, dass Missbrauch „katholisch“ wurde? Mir fallen drei Sachverhalte ein. Es ist (1.) eine Eigendynamik der Missbrauchsdebatte, (2.) die Art und Weise der Kommunikation außerhalb und innerhalb der Kirche, sowie (3.) die Idee von der absoluten Autonomie des Menschen.

1. Eigendynamik des Vorgangs

Als im Jahr 2003 nicht mehr verschwiegen werden konnte, dass die sog. sexuelle Befreiung, die in den sechziger Jahren propagiert wurde (vgl. Oskar Kolle: Schulmädchenreport usw.), in der katholischen Kirche – trotz, ja vielleicht sogar wegen der so stringent propagierten gegensätzlichen katholischen Sexuallehre – sexueller Missbrauch in der perversen Form von Kindesmissbrauch wüten konnte, wollte man die Sache mit Aufarbeitungs- und Präventionsversuchen lösen. 2010 merkten sensible Beobachter, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen können. Und so veröffentlichte Pater Mertens S.J. in ungeschönter Form die Missbrauchsfälle im Jesuitenkolleg. Und andere Ordensgemeinschaften wie auch die Diözesen beschlossen, die Sache grundlegend aufzuarbeiten und die in die Jahrzehnte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs reichenden Fälle offenzulegen und Wiedergutmachung zu versuchen.

Es sollte beispielhaft sein für alle anderen Institutionen, in denen ähnliche Fälle zu vermuten waren. Eine erste Unschärfe war: man hat sexuelle Missbrauchshandlungen gleichgesetzt mit körperlicher Züchtigung und oftmals beides vermischt. Um seitens der katholischen Kirche den Eindruck von Vertuschung zu vermeiden, hat man die Sache an unabhängige Kanzleien oder Institute gegeben, die zunächst nur mit juristischem Blick die Akten durchsuchten. Ihnen waren spezifisch katholische Gewohnheiten (wie Aktenführung oder Ministranten-Verhalten usw.) nicht bekannt. Schwerer wiegt, dass der Täterposition keine Verteidigungsmöglichkeit gegeben wurde. Die Ankläger wurden unwidersprochen ernst genommen, Motive oder Umstände und Kontexte der Täter undifferenziert im Vagen gelassen und ausschließlich moralisch beurteilt. Dass Erinnerung, vor allem an schlimme Erfahrungen, nicht immer dem entspricht, was tatsächlich geschehen ist (wie jeder Therapeut, Kriminologe, Polizist oder Seelsorger weiß), wurde kaum kommuniziert.

Weiterhin suchten die einzelnen Institutionen (Diözesen, Ordensgemeinschaften) nebeneinander ihre Fälle aufzuarbeiten und die Ergebnisse nach und nach zu veröffentlichen, so dass seit 2010 keine Woche verging, in der nicht ein neuer Fall öffentlich wurde. Diese ständige Wiederholung, ansonsten ein propagandistisches Mittel, hier von der Kirche selbst gegen sich veranstaltet, hinterlässt den Eindruck: Missbrauch „gehört zur DNA der katholischen Kirche“. Da manch ein Gutachten einem Plädoyer glich, vorgetragen (oder zumindest aufgenommen) im Modus zum aktuellen Mainstream passend, stand unbemerkt nicht mehr nur der einzelne Missbrauchstäter, sondern die katholische Kirche als Institution am Pranger – als gäbe es eine Art Kollektivschuld. Von einer solchen spricht man freilich nicht, sondern man macht „Strukturen“ verantwortlich, die solcherlei begünstigten. Dieses Vorgehen im Modus der Selbstdemontage hat viele Kirchenaustritte und vor allem eine völlige Verunsicherung der kirchlichen Leitungspersonen hervorgebracht, die – statt zu einer neuen Leitungsstrategie – zu einer permanenten Macht-Missbrauchs-Diskussion geführt hat, welche die Kirchenmitglieder spaltet.

2. Emotionalisierung

Von den fünf in der Rhetorik gelehrten Argumentationsformen (rationale, moralische, taktische, plausible und Leerformel-Argumente), kommen in unseren öffentlichen Disputen moralische, plausible, taktische und Leerformel-Argumente vor, kaum aber rationale, die in der Wissenschaft zwingend sind. Oftmals sind es ausschließlich die moralischen. So werden nicht rationale Gedankengänge konstruiert, sondern ausschließlich emotional aufgeladene, die Betroffenheit, Schuldgefühle oder andere Gefühle aktivieren, gegen die anzureden fast unanständig erscheint. Zudem wird die Anweisung des Sophisten Gorgias (400 vor Christus) oftmals angewandt, die lautet: Hast du keine Argumente, greife die Person an. Mache das, was die Person sagt oder tut, zum Schlimmsten aller Verbrechen, so dass alle Abscheu empfinden; dann werden dir deine Zuhörer folgen (und du kannst herrschen).

In Diskussionen über Missbrauch sind natürlich die Opfer, um die sich niemand gekümmert hat oder denen niemand geglaubt hat, ungefragt die zu Bemitleidenden, was richtig ist. Die Täter werden als schlimme Verbrecher angesehen, da ja nur die wirklich schlimmen Fälle veröffentlicht werden. Hier aber kommt – ungesagt – ein neues Element ins Spiel: Diese Täter können doch – bis auf vielleicht einige wenige – nicht nur böse sein. Wer aber hat sie verführt oder nicht gehindert? Wer hat ihnen die Möglichkeit geboten, solches zu tun? Und da lautet das Urteil: die Institution Kirche! In ihr gibt es Strukturen, die zum Missbrauch verleiten. Und auch die Art und Weise, mit Schuld umzugehen, die man als Sünde definiert, entspricht nicht den öffentlichen Standards. So ein zweites Urteil!

Hier sei freilich kirchenkritisch angemerkt: Ganz falsch ist diese Sicht (hinsichtlich des Umgangs mit Schuld) nicht; denn tatsächlich funktioniert das Bußinstitut in der Kirche seit vielen Jahrzehnten nur noch marginal. Was der nachvatikanische „ordo poenitentiae“ von 1974 als Bußordnung vorgibt, wird praktisch nicht verwirklicht. Das Fasten spielt (anders als im Islam) keine Rolle, die Bußfeiern und das Beichtinstitut werden nur nebenher oder gar nicht wahrgenommen oder geübt, die Bußzeiten sind keine Kontrollzeiten, in welchen sich alle auf allen Ebenen fragen, ob ihr Handeln denn tatsächlich dem Evangelium entspricht. Dabei hätte man z.B. vielleicht merken können, dass man sich auch um die Missbrauchsopfer hätte kümmern müssen. Buße fand und findet innerkirchlich nur marginal statt – und wird deshalb (bei der Missbrauchsdiskussion) in so drastischer Weise von außen eingefordert. Hier müsste, so meine ich, unter anderem eine Kirchenreform ansetzen.

Nun scheint mir aber ein weiteres Phänomen in unserer Gesellschaft die Missbrauchsdebatte in einen nochmals größeren Rahmen zu stellen.

3. Der absolut autonome Mensch

Die Aufklärung brachte die Idee, dass der Mensch, da er denken kann, in weiten Bereichen sein Leben selbst bestimmen sollte. Im Staat sollen ihm Rahmenbedingungen gegeben werden, innerhalb derer er sich frei entfalten kann. Das ist sicher eine passable Idee. Doch schon der reformierte Theologe Karl Barth hat in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufmerksam gemacht auf eine Gefahr, die in ihr steckt. Der Einzelne könnte sich wie „König ohne Land“ fühlen. Er sorgt nur für sich. Er kennt nur „Ich“; das „Du“ existiert für ihn nur so lange, wie es ihm nützt. Dieser ichbezogene Mensch wird heute öffentlich propagiert. Er darf über alles selbst bestimmen – ob er Mann sei oder Frau oder etwas anderes. Er darf heiraten und sich scheiden lassen, und er darf Kinder zeugen und sie abtreiben lassen, er darf sein Leben beenden, wann er will. Vom Staat und vor allem von der Geschäftswelt wird er verwöhnt, alles wird für ihn erledigt. Er muss nur zahlen und sich an die Details von Vorschriften halten, die ihm nützen und sein Leben erleichtern. Das ist die Option. Für diesen Menschen gibt es keine vorgegebenen allgemeinen Wahrheiten – auch naturgegebene nicht. Er kennt nur seine eigene Wahrheit! Als lebenswertes Ziel wird angegeben: gut leben. Worin dieses „gute Leben“ besteht, bestimmt er selbst.

Dabei spielt eine menschliche Gegebenheit eine wichtige Rolle, ja für manchen Menschen ist sie die Hauptquelle für aktuelles Glück: die Sexualität – jener Urtrieb, der seit der tiefenpsychologischen Revolution durch Sigmund Freud im Denken vieler eine Hauptrolle spielt. Und auch wenn heute Freud und die Psychoanalyse an vielen psychologischen Schulen nur noch als Nebenfach gelten, haben sie doch die westlichen Gesellschaften wesentlich geprägt. Die Sexualität spielt eine Hauptrolle – im umgekehrten Sinn auch in einigen Schulen der katholischen Theologie. Und in diese Situation greift der Missbrauch hinein.

Die Enzyklika „Humanae vita“ Paul‘s VI. von 1968 wurde (wegen des Einschubs über das Verbot künstlicher Verhütung) in ihrer eigentlichen Intention nicht verstanden. Sie war eine Korrektur der Enzyklika „Casti connubii“ Pius‘ XI. von 1930, in welcher als Erstzweck der Ehe die Erzeugung und Erziehung von Kindern, und als Sekundärzweck die gegenseitige Liebe als Leben-gestaltendes Element genannt worden war. „Humanae vita“ dreht die beiden Ehezwecke um und benennt als das tragende Element der Ehe die gegenseitige Liebe. Damit korrigiert sie zugleich jene damals schon propagierte und heute von vielen geglaubte Einstellung, Sexualität sei das dem oder der Einzelnen zukommende Element schlechthin für das eigene Glück. Die Enzyklika hält dagegen fest: Sexualität ist als verantwortliches Handeln immer auf Beziehung und damit auf menschliche Liebe und wiederum auf Ehe ausgerichtet. Damit widerspricht diese grundlegende Aussage der katholischen Sexuallehre einem unausgesprochenen „Dogma der Autonomie-Idee“, nämlich dass sich jeder Mensch in allen personalen Dingen an keine Vorgaben zu halten habe, auch nicht an sexuelle.

Innerhalb der Kirche gibt es seither eine heftige Diskussion, wie diese Aussage – in differenzierter Abwägung mit Erkenntnissen der anthropologischen Wissenschaften und der Tradition – im Konkreten gelebt werden kann. Am Grundsatz, dass Sexualität mit Beziehung zu tun hat, halten aber (im Gegensatz zur Idee der „absoluten Autonomie“) alle katholischen Theorien fest, mögen sie sich im Detail und in praktischer Hinsicht noch so unterscheiden.

Im Umfeld dieses Dissenses zwischen katholischer Lehre und dem entgegengesetzten autonomen Lebensgefühl rückt die Sache „Sexualität“ und Missbrauch nochmals in einen anderen Zusammenhang. Wie oben gesagt, gilt die Sexualität als der private Glücks-Garten des Einzelnen. Dabei ist ihm alles erlaubt, was einem Geschlechtspartner nicht schadet, nichts gilt als pervers, außer Kindesmissbrauch, was man seit den achtziger Jahren erkannt hat (nachdem man die in den zwei Jahrzehnten zuvor angedachte und teilweise propagierte Freigabe von Pädophilie als schädlich erkannt hat). In der katholischen Sexuallehre werden nun viele dieser Praktiken nicht nur von konservativen, sondern auch von progressiven Katholiken, welche die anthropologischen Neuerkenntnisse der Psychologie, Biologie und anderer Forschungsbereiche sehr ernst nehmen, als pervers oder pornographisch und dem Menschen nicht zuträglich bezeichnet, was der absoluten Autonomie-Idee fremd ist. Also stört diese im katholischen Umfeld geltende Meinung, dass nicht nur Kindesmissbrauch, sondern auch andere sexuelle Praktiken pervers sein können. Und so ist die Aufdeckung von Kindesmissbrauch im Kernbereich der katholischen Kirche, also bei Amtsträgern, ein weitreichendes Argument, dass die Sexuallehre als Ganze in Frage gestellt werden kann. Und da noch andere Sonderheiten in der katholischen Kirche nicht den sonstigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten entsprechen, kann die gesamte Institution auf den Prüfstand gestellt werden. Das mag für eine innerkirchliche Reform durchaus notwendig sein, außerkirchlichen Interessen gilt es als Anlass, den gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen. Denn tatsächlich wird hier offenbar, dass das Menschenbild des öffentlich propagierten „absolut autonomen Menschen“ nicht dem christlichen Menschenbild entspricht.

Künftig wird sich jeder und jede entscheiden müssen, ob er oder sie dem christlichen Menschenbild nachstrebt oder dem „absolut autonomen“. Beide sind nicht vereinbar. Sie widersprechen sich.

Schluss

Die Aufdeckung des Kindesmissbrauchs hat die katholische Kirche weltweit, besonders aber in Deutschland in eine Krise geführt, die aufzeigt, dass Reformen notwendig sind – im Bereich des Bußgeschehens, der Leitung (Kontrolle, Amtsführung, Lebensnähe u.a.), der gesellschaftlichen Einbindung und in noch anderen Bereichen. Der Synodale Weg war ein Versuch, der – wie mir scheint – noch Metamorphosen braucht, um zielführend zu sein. Ich meine, diese neu notwendigen Anstöße müssten aus der Mitte der Theologie kommen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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Eindrucksvolles Friedensgebet des Papstes

„Mutter, ergreife die Initiative!“

Bei der Gebetsstunde „Pacem in terris“ am 27.10.2023 im Petersdom überraschte Papst Franziskus zum Abschluss mit einem Gebet, in dem er das Heilige Land dem Unbefleckten Herzen Mariens anvertraute.

Von Papst Franziskus

Maria, sieh uns an! Wir sind hier vor dir. Du bist Mutter, du kennst unsere Mühen und unsere Wunden. Du, Königin des Friedens, leidest mit uns und für uns, wenn du siehst, wie viele deiner Kinder von Konflikten heimgesucht werden und aufgrund der Kriege, die die Welt zerreißen, verängstigt sind.

In dieser dunklen Stunde blicken wir tief in deine leuchtenden Augen und vertrauen uns deinem Herzen an, das mit unseren Schwierigkeiten mitfühlt. Es war nicht frei von Befürchtungen und Ängsten: Wie viel Sorge, als es in der Herberge keinen Platz für Jesus gab, wie viel Furcht, als ihr eilig nach Ägypten geflohen seid, weil Herodes ihn töten wollte, wie viel Angst, als ihr ihn im Tempel verloren habt! Aber in den Prüfungen bist du beherzt und mutig gewesen: Du hast auf Gott vertraut und auf die Sorge mit Fürsorge, auf die Furcht mit Liebe und auf die Angst mit Hingabe geantwortet. Du hast dich nicht zurückgezogen, sondern in den entscheidenden Momenten die Initiative ergriffen: Du bist zu Elisabeth geeilt, bei der Hochzeit zu Kana hast du das erste Wunder von Jesus erwirkt, im Abendmahlssaal hast du die Jünger beisammengehalten. Und als auf Golgotha ein Schwert deine Seele durchbohrte, hast du, als demütige und starke Frau, die Nacht des Leids mit österlicher Hoffnung durchwebt.

Mutter, ergreife jetzt noch einmal die Initiative für uns, in diesen von Konflikten zerrissenen und von Waffen verwüsteten Zeiten. Wende deinen barmherzigen Blick der Menschheitsfamilie zu, die den Weg des Friedens verlassen hat, die Kain dem Abel vorgezogen hat und die nicht wieder zu einer häuslichen Atmosphäre findet, da sie den Sinn für Geschwisterlichkeit verloren hat. Bitte für unsere Welt, die in Gefahr und Aufruhr ist. Lehre uns, das Leben anzunehmen und zu bewahren – jedes menschliche Leben! – und uns loszusagen vom Wahnsinn des Krieges, der Tod sät und die Zukunft auslöscht.

Maria, du bist schon oft zu uns gekommen und hast uns um Gebet und Buße gebeten. Doch wir sind – von unseren Bedürfnissen eingenommen und von vielen weltlichen Interessen abgelenkt – taub gewesen für deinen Ruf. Aber du, die du uns liebst, wirst unser nicht müde. Nimm uns an die Hand, führe uns zur Umkehr, mach, dass wir Gott wieder an die erste Stelle setzen. Hilf uns, die Einheit in der Kirche zu bewahren und Gemeinschaft in der Welt zu stiften. Erinnere uns an die Bedeutung unserer Aufgabe, lass uns wahrnehmen, dass wir Verantwortung tragen für den Frieden, dass wir gerufen sind zu beten und anzubeten und für das ganze Menschengeschlecht einzutreten und Wiedergutmachung zu leisten.

Alleine schaffen wir es nicht, ohne deinen Sohn können wir nichts tun. Aber du führst uns zu Jesus zurück, der unser Friede ist. Deshalb, Mutter Gottes und unsere Mutter, kommen wir zu dir und suchen Zuflucht in deinem unbefleckten Herzen. Wir bitten um Barmherzigkeit, Mutter der Barmherzigkeit; um Frieden, Königin des Friedens! Rüttle die Gemüter derer auf, die in Hass gefangen sind, bekehre diejenigen, die Konflikte nähren und schüren. Trockne die Tränen der Kinder, steh den Einsamen und Alten bei, stärke die Verwundeten und Kranken, beschütze diejenigen, die ihre Heimat und ihre Liebsten verlassen mussten, tröste die Entmutigten, wecke wieder Hoffnung.

Wir vertrauen dir unser Leben an und weihen es dir, jede Faser unseres Seins, alles, was wir haben und sind, für immer. Wir weihen dir die Kirche, damit sie, indem sie der Welt die Liebe Jesu bezeugt, ein Zeichen der Eintracht und ein Werkzeug des Friedens sei. Wir weihen dir unsere Welt, besonders die Länder und Gebiete, die sich im Krieg befinden.

Du Morgenröte des Heils, eröffne Lichtblicke in der Nacht der Konflikte. Du Wohnstatt des Heiligen Geistes, inspiriere die Verantwortlichen der Staaten zu Wegen des Friedens. Du Herrin aller Völker, versöhne deine Kinder, die vom Bösen verführt und von der Macht und vom Hass geblendet sind. Du, die du einem jeden nahe bist, verringere die Distanz zwischen uns. Du, die du für alle Mitgefühl hegst, lehre uns, für andere zu sorgen. Du, die du die Zärtlichkeit des Herrn offenbarst, lass uns zu Zeugen seines Trostes werden. Du Königin des Friedens, gieße die Harmonie Gottes in unsere Herzen ein. Amen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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Die Eucharistie als Sakrament der Verwandlung in einem fünffachen Sinn

Sieg der Liebe über den Hass

Vom 20. bis 25. August 2023 fand in Balderschwang eine Theologische Tagung zur „Bleibenden Bedeutung von Benedikt XVI.“ statt. Getragen war sie von der Überzeugung, dass das theologische Erbe dieses großen Papstes, der am 31. Dezember 2022 verstorben ist, noch Generationen von Gläubigen inspirieren wird. Neben den Professoren DDr. Ralph Weimann und Dr. Markus Graulich SDB wirkte Kurt Kardinal Koch, der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen und Protektor der Schülerkreise Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., mit. Einer seiner vier Vorträge, die ein nachhaltiges Echo hervorgerufen haben, war dem Thema „Anbetung in Geist und Wahrheit – Die innerste Mitte der Liturgie in der Sicht von Papst Benedikt XVI.“ gewidmet. Benedikt XVI. habe die Feier der Eucharistie als „in sich selbst die größte Handlung der Anbetung der Kirche“ bezeichnet[1] und immer wieder die Aussage des hl. Augustinus zitiert, dass niemand „von diesem Fleisch“ essen soll, „wenn er nicht zuvor angebetet hat“.[2] Um aber die Praxis der Anbetung wiederzugewinnen, gelte es, sich in das Geheimnis der Eucharistie als „Sakrament der Verwandlungen“ zu vertiefen. Nachfolgend der zentrale Teil des Vortrags.

Von Kurt Kardinal Koch

Das Geheimnis der Eucharistie versteht Papst Benedikt XVI. als „Sakrament der Verwandlungen“.[3] Denn das Wort „Verwandlung“ gehört zu den Urgegebenheiten des eucharistischen Glaubens. Verwandlung vollzieht sich dabei in der Feier der Eucharistie vor allem in einem fünffachen Sinn, dem wir im Folgenden nachgehen wollen, um die Notwendigkeit und Schönheit der eucharistischen Anbetung zu vertiefen.

1. Wandlung von Gewalt in Liebe und von Tod in Leben

Die erste und grundlegende Verwandlung in der Eucharistie ist jene Wandlung, die Jesus bereits im Abendmahlssaal vollzogen hat. Beim Letzten Abendmahl spricht Jesus nicht nur von seinem Leib, sondern er redet bewusst von seinem Leib, der für euch hingegeben wird, und von seinem Blut, das für euch vergossen wird. Indem Jesus Brot in seinen Leib und Wein in sein Blut wandelt und an seine Jünger austeilt, „nimmt er seinen Tod vorweg, nimmt er ihn von innen her an und verwandelt er ihn in eine Tat der Liebe“.[4]

Verstehen lässt sich diese Wandlung nur, wenn man das Letzte Abendmahl Jesu als prophetische und vorwegnehmende Ankündigung dessen versteht, was sich in seinem Sterben am Kreuz vollziehen wird. Denn ohne den Tod Jesu am Kreuz wären die Abendmahlsworte Jesu letztlich eine Währung ohne Deckung; und ohne die Abendmahlsworte wäre sein Kreuzestod eine bloße Hinrichtung ohne jeden erkennbaren Sinn. Von außen betrachtet ist der Kreuzestod ein profanes Ereignis brutaler Gewalt, nämlich die Hinrichtung eines Menschen in der grausamsten der von Menschen ersonnenen Arten. Diese erbärmliche Gewalttat der Menschen gegen ihn hat Jesus aber beim Letzten Abendmahl in einen Akt der Hingabe für uns Menschen, in einen Akt der gewaltlosen Liebe umgewandelt, und zwar von innen her. Die Heilige Schrift und dabei vor allem Paulus deutet deshalb den Kreuzestod Jesu mit kultischen Aussagen und versteht ihn als „ständigen Versöhnungstag Gottes“, an dem die Gewalt der Menschen von innen her in einen Akt der Liebe umgewandelt ist.[5]

Die Wandlung von Gewalt in Liebe erweist sich an Ostern als Wandlung von Tod in neues Leben, als Wandlung des getöteten Leibes Jesu in den auferstandenen Leib Christi. Denn als der Auferstandene ist Christus vollends reine Hingabe in Liebe. Indem Jesus den Tod in Leben umgewandelt hat, ist er von innen her bereits überwunden und Auferstehung gegenwärtig. Diesen Wandlungsvorgang bezeichnet Papst Benedikt XVI. als „Kernspaltung im Innersten des Seins“, als „Sieg der Liebe über den Hass“ und als „Sieg der Liebe über den Tod“,[6] von dem eine Kette von Wandlungen ausgeht, die die Welt umzuformen vermag. Diese Wandlung der Gewalt in Liebe und des Todes in Leben ist die grundlegende Wandlung, die im Mittelpunkt der Feier der Eucharistie steht. Und diese Umwandlung ist die innere Voraussetzung dafür, dass wir in der Feier der Eucharistie Christus als gegenwärtig erfahren. Seine Gegenwart können wir aber nicht einfach zur Kenntnis nehmen; wir werden ihr vielmehr nur gerecht, wenn wir den in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn anbeten.

2. Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi

Erst in diesem größeren Zusammenhang erhält die zweite Wandlung in der Eucharistie ihren tiefen Gehalt, nämlich die Wandlung der Gaben von Brot und Wein, so dass in diesen verwandelten Gaben der Schöpfung Gottes der sich uns Menschen hingebende Christus, seine Hingabe und damit Er selbst, sein Leib und Blut gegenwärtig sind. Mit dieser Wandlung der Schöpfungsgaben ist jene Wandlung angesprochen, die wir üblicherweise mit diesem Wort bezeichnen, nämlich die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, die die Kirche auf dem Konzil von Trient als Geheimnis der „Transsubstantiation“ zum Ausdruck gebracht hat: „Durch die Konsekration des Brotes und des Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt."[7]

„Transsubstantiation“ ist freilich ein auch für den heutigen Christen schwieriges Wort, nicht nur wegen der Fremdheit der Sprache, sondern vor allem auch wegen des damit Gemeinten. Dies gilt zumal in einer Zeit wie der heutigen, in der wir Menschen nur noch in Funktionen denken und leben können – bis dahin, dass der Mensch selbst nur noch nach seinen Funktionen und nach seinem Funktionswert eingestuft wird. Gerade in dieser gesellschaftlichen Atmosphäre muss die Kirche mit dem Sakrament der Eucharistie bekennen, dass sie aus dem rein Funktionalen herausführt und den tiefsten Grund der Wirklichkeit berührt. Denn das, was in der Eucharistie geschieht, ist nicht Um-Funktionierung, sondern wirkliche Um-Wandlung von Brot und Wein. Mit dem Wort „Transsubstantiation“ stellt die Kirche die oberflächliche Einstellung in Frage, die sich vor allem an das Greifbare, Messbare und Funktionale hält, und sie bekennt mit den Worten von Joseph Ratzinger: „Die Eucharistie ist mehr Wirklichkeit als die Dinge, mit denen wir täglich umgehen. Hier ist die eigentliche Wirklichkeit. Hier ist der Maßstab, die Mitte; hier begegnen wir jener Wirklichkeit, von der aus wir alle andere Wirklichkeit messen lernen sollten."[8]

In der Eucharistie geschieht wirklich Verwandlung. Von diesem Geheimnis her erschließt sich auch die katholische Überzeugung von der bleibenden Dauer der eucharistischen Gegenwart Jesu Christi über den Abschluss der liturgischen Feier der Eucharistie hinaus. Christus schenkt sich in der Eucharistie seiner Kirche dadurch, dass seine Gegenwart in den Gaben von Brot und Wein eine konkret-sinnliche Gestalt annimmt. Seine Gegenwart bleibt deshalb so lange, wie die Kirche lebt. Die sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi ereignet sich nicht allein um einer liturgischen Feier willen, sondern primär für die Kirche. Die Kirche wird deshalb, solange sie lebt und glaubt, von Christus begleitet in der Konkretheit und Leibhaftigkeit, die seine Gegenwart in den eucharistischen Gaben angenommen hat. Auch wenn die Liturgie als Vorgang abgeschlossen ist, lebt die Eucharistie in den eucharistischen Gaben weiter. Diesem Wunder der Gegenwart Jesu Christi in den verwandelten eucharistischen Gaben können wir im Glauben nur entsprechen, wenn wir den eucharistischen Herrn anbeten.

3. Antizipation der Wandlung der ganzen Schöpfung in der Parusie

In die Wandlung der Gaben von Brot und Wein wird die ganze Schöpfung einbezogen, wie wir diese Wandlung im liturgischen Akt der Gabenbereitung bekennen, vor allem mit den Begleitgebeten, in denen die eucharistischen Gaben als „Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit“ gedeutet werden. Wir bringen damit unseren Glauben zum Ausdruck, dass die Kirche in der Verwandlung der eucharistischen Gaben auch die Verwandlung des ganzen Kosmos am Ende der Zeiten und damit die endgültige Verherrlichung Gottes durch die gesamte Schöpfung vorweg feiert. Indem in der Feier der Eucharistie die himmlische Welt Gottes in unsere Welt und Zeit hereinragt und gegenwärtig wird, und indem in der Feier der Eucharistie der himmlische Lobgesang Gottes vorweggenommen wird, erhält die Eucharistie jene kosmische Weite zurück, die das Spezifikum christlicher Liturgie ausmacht und deren Wiedergewinnung ein besonderes Anliegen von Papst Benedikt XVI. gewesen ist. Denn für ihn besteht die wahre Größe christlicher Liturgie darin, dass in ihr Christus die Menschen in das Gebet der Schöpfung hineinruft und hineinnimmt: „Die christliche Liturgie ist ein kosmisches Ereignis – die Schöpfung betet mit, wir beten mit der Schöpfung, und dabei öffnet sich zugleich der Weg auf die neue Schöpfung hin, auf die alle Kreatur wartet."[9]

Damit öffnet sich der Blick auf die Vollendung der Welt, die wir in der Wandlungsakklamation bekennen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit.“ In der Eucharistie wird auch die Parusie Christi vorweg gefeiert und zugleich die Hoffnung der Kirche auf die Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten und auf die endgültige Verwandlung der Schöpfung gestärkt. Die Eucharistie wird im Vorblick auf das himmlische Hochzeitmahl der Endzeit gefeiert und ist deshalb Parusie, das Kommen des Herrn zu uns; jede Eucharistie ist zugleich „Spannung der Sehnsucht, dass der Herr seinen verborgenen Glanz offenbare“.[10] Die Eucharistie ist damit auch das wahre „Viaticum“ für die in der Geschichte wandernde Kirche, die unterwegs ist zu ihrer wahren Vollendung im verheißenen Reich Gottes, in die auch die ganze Schöpfung einbezogen sein wird.

Von daher erschließt sich erst recht der tiefe Sinn der eucharistischen Anbetung. In ihrer unscheinbaren und doch gewichtigen Gestalt weist sie über das jetzige irdische Leben voraus auf das ewige Leben bei Gott, in dem seine Anbetung nicht mehr enden, sondern bleibende Gegenwart sein wird, weil dann Gott „weder auf dem Berg noch in Jerusalem“, sondern für alle Ewigkeit „im Geist und in der Wahrheit angebetet“ (Joh 4,23) werden wird. Denn ewiges Leben ist im Kern Verweilen in der dankbaren Anbetung des absoluten Geheimnisses des Dreieinen Gottes. Die Anbetung ist genau das, was die Heiligen bereits im Himmel vollziehen und an dem wir in der Feier der Eucharistie Anteil erhalten. Die eucharistische Anbetung ist deshalb die beste Vorbereitung auf das ewige Leben bei Gott. Wer sich dessen bewusst ist, wird sich für die eucharistische Anbetung Zeit nehmen in der Überzeugung, dass das anbetende Verweilen in der Gegenwart des ewigen Gottes auch unsere Zeit verwandelt.

4. Wandlung der Kirche in den Leib Christi

Bei der Vollendung der ganzen Schöpfung geht es um jene gemeinschaftliche Teilhabe, für die die Kirche Zeichen und Werkzeug ist. Damit tritt die vierte Wandlung, nämlich die Wandlung der Kirche in den Leib Christi, und zugleich die innere Verbindung von Eucharistie und Kirche an den Tag, die der Apostel Paulus so eindringlich herausstellt. Für ihn verbindet die Teilhabe an dem einen Kelch und dem einen Brot die die Eucharistie Feiernden auch untereinander zum einen Leib des Herrn, der die Kirche ist: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,16-17). Um den unlösbaren Zusammenhang zwischen Eucharistie und Kirche zu verdeutlichen, stellt Paulus – im Unterschied zu allen anderen neutestamentlichen Abendmahlstraditionen – das Kelchwort dem Brotwort voran. So kann er unmittelbar vom „Leib Christi“, an dem das eucharistische Brot sakramental Anteil gibt, hinführen zum „Leib Christi“, der die Kirche ist. Auf diese Weise macht er verständlich, dass der Aufbau der Kirche durch die Eucharistie geschieht und dass die Einheit der vielen Glaubenden in der einen Kirche von dem einen eucharistischen Brot und damit von dem einen Christus her kommt.

In der Eucharistie empfangen wir den Leib Christi und werden zu seinem Leib umgewandelt. Der Leib des Herrn, der die Kirche ist, wird in der Eucharistie aufgebaut, und die Eucharistie, in der der Herr uns seinen Leib gibt und zu seinem Leib macht, ist „der immerwährende Entstehungsort der Kirche“, wo „er sie selbst immerfort gründet“.[11] Wie eine der ältesten Bezeichnungen der Eucharistie, nämlich synaxis, zeigt, ist die Kirche im Kern eucharistische Versammlung, so dass Kirche überall dort ist, wo sich Christen zur Feier der Eucharistie um den Altar des Herrn versammeln. Von daher hat es seinen tiefen Sinn, dass der elementare Ausdruck für den Empfang der Eucharistie in der katholischen Tradition „Kommunion“ heißt. Denn Kirche entsteht und besteht dadurch, dass Christus in Kommunion mit den Menschen tritt, sich ihnen kommuniziert und sie zur Kommunion miteinander bringt. Die eucharistische Communio ist deshalb nicht nur personal als Anteilhabe der Glaubenden am auferstandenen Christus zu verstehen und zu vollziehen, sondern auch ekklesial als Gemeinschaft der Glaubenden untereinander. Der „Leib Christi“ als eucharistische Nahrung und der „Leib Christi“ als kirchliche Gemeinschaft und damit das „doppelte Geheimnis des Leibes Christi“ bilden deshalb „ein einziges Sakrament“.[12]

Um dieses Geheimnis im Glauben erfahren zu können und es zu verinnerlichen, legt es sich nahe, die eucharistische Anbetung auch in der kirchlichen Gemeinschaft zu pflegen. Sie stellt eine wesentliche Hilfe dar, dass sich das „doppelte Geheimnis des Leibes Christi“ als unlösbarer Lebenszusammenhang zwischen der Teilhabe am sakramentalen Leib Christi und dem Leben der Kirche als Leib Christi im kirchlichen Alltag immer besser verwirklichen kann, wie es der hl. Augustinus auf die schöne Kurzformel gebracht hat: „Wenn ihr selbst also Leib Christi und seine Glieder seid, dann liegt auf dem eucharistischen Tisch euer eigenes Geheimnis… Ihr sollt sein, was ihr seht, und sollt empfangen, was ihr seid."[13]

5. Wandlung des christlichen Lebens

Wir sind ausgegangen von der grundlegenden Wandlung von Gewalt in Liebe und von Tod in Leben, die weitere Wandlungen nach sich zieht, vor allem die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. „Aber an dieser Stelle“, so hebt Papst Benedikt XVI. hervor, „darf die Verwandlung nicht Halt machen, hier muss sie erst vollends beginnen. Leib und Blut Jesu Christi werden uns gegeben, damit wir verwandelt werden. Wir selber sollen Leib Christi werden, blutsverwandt mit ihm."[14] Damit tritt die fünfte Wandlung zu Tage, um die es in der Feier der Eucharistie geht und auf die sie hinzielt. Denn die bisher genannten Wandlungen bilden noch nicht den Schlusspunkt, sondern verweisen auf einen weiteren Weg der Wandlung: „Das Ziel der Eucharistie ist die Verwandlung der Empfänger in der wahren Communio mit seiner Verwandlung. Und so ist das Ziel Vereinigung, Friede, dass wir aus getrennten, neben- oder gegeneinander stehenden Individuen selbst mit Christus und in ihm ein Organismus der Hingabe werden, auf die Auferstehung und die neue Welt zu leben."[15]

Um diese Umwandlung des Lebens der Menschen, die Eucharistie feiern, zu verdeutlichen, bezieht sich Papst Benedikt XVI. auf eine Vision des hl. Augustinus, die er noch vor seiner Bekehrung hatte und in der eine Stimme zu ihm sagt: „Ich bin das Brot der Starken, iss mich! Doch nicht du wirst mich in dich verwandeln, sondern ich werde dich in mich verwandeln."[16] In dieser Vision geht dem hl. Augustinus der grundlegende Unterschied zwischen der alltäglichen Speise und der eucharistischen Speise auf: Beim gewöhnlichen Essen ist der Mensch der Starke, indem er die Speisen in sich aufnimmt und sie in seinem Körper assimiliert werden, so dass sie Teil seiner eigenen Substanz werden. Bei der eucharistischen Speise hingegen ist Christus der Starke, und zwar dadurch, dass wir in ihn hinein assimiliert werden und wir eins werden mit ihm und untereinander. Christus verwandelt uns in ihn hinein und reinigt uns von dem, was nicht mit ihm vereinbar ist. Die Eucharistie ermöglicht und schenkt so die innerste Sym-Pathie von uns Christen mit Christus, den Gleichklang unseres Herzens mit dem Herzen Jesu, das für uns Menschen geschlagen hat, bis es aus Liebe für uns verblutet ist.

Die Eucharistie hat Jesus nichts weniger als das Leben gekostet. Die Teilnahme an der Eucharistie ist deshalb immer auch Teilhabe am Todesgehorsam Jesu, der sein Leben hingegeben hat zur Vergebung unserer Sünden. Diese Teilhabe setzt jenes gegenseitige Durchdrungensein von Christus und dem Christen voraus, aus dem der hl. Paulus gelebt hat, indem er nach der Bekehrung sein neues Leben mit Christus mit den Worten beschrieben hat: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich jetzt aber noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat“ (Gal 2,19b-20). Darin besteht die neue Ausrichtung seines Lebens: Wer in der Eucharistie die Liebe Christi erfährt, lebt nicht mehr für sich selbst, sondern lässt sich in eine neue Lebensgemeinschaft hinein versammeln, indem er mit Christus lebt und an der eucharistischen Verströmung der Liebe Jesu Christi teilnimmt. Denn er ist berufen, als eucharistischer Mensch zu leben, der sich in der Eucharistie so tief in den gekreuzigten und auferstandenen Christus hinein verwurzelt, dass sein alltägliches Leben, wie der hl. Franz von Assisi einmal sehr schön gesagt hat, zu einem einzigen eucharistischen Hochgebet werden kann.

In diesem Sinn verwendet die Heilige Schrift eine eucharistische Sprache, wenn sie vom christlichen Leben im Alltag spricht und die Sendung des Christen in der Welt als Frucht der Eucharistie betrachtet. Vor allem Paulus versteht das christliche Leben der Getauften als einen vernünftigen Gottesdienst, wenn er die Christen in Rom mahnt, sie sollten ihre Leiber und damit sich selbst „als lebendiges und heiliges Opfer darbringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst“ (Röm 12,1). Paulus bringt damit zum Ausdruck, dass die Feier der Eucharistie ihr Ziel darin findet, dass die Teilnehmenden in den auferstandenen Christus hinein assimiliert werden und durch diesen Umschmelzungsprozess auch untereinander eins werden. Diesem Ziel dient in besonderer Weise die eucharistische Anbetung. Denn in der Eucharistie will Anbetung Vereinigung werden.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Benedikt XVI.: Angelus am 10. Juni 2007.
[2] Augustinus: Enarrationes in Psalmos 98, 9: „Nemo autem illam carnem manducat, nisi prius adoravit.“
[3] J. Cardinal Ratzinger: Eucharistie – Communio – Solidarität: Christus gegenwärtig und wirksam im Sakrament, in: Ders.: Unterwegs zu Jesus Christus (Augsburg 2003) 199-130, bes. 126-130.
[4] Benedikt XVI.: Predigt während der Heiligen Messe auf dem Marienfeld bei Köln während des XX. Weltjugendtages am 21. August 2005.
[5] J. Kardinal Ratzinger: Israel, die Kirche und die Welt, in: Ders.: Die Vielfalt der Religionen und der Eine Bund (Hagen 1998) 17-45, zit. 43.
[6] Benedikt XVI.: Predigt während der Heiligen Messe auf dem Marienfeld bei Köln während des XX. Weltjugendtages am 21. August 2005.
[7] DH 1642.
[8] J. Kardinal Ratzinger: Die wirkliche Gegenwart Christi im eucharistischen Sakrament, in: Eucharistie – Mitte der Kirche. Vier Predigten von Joseph Kardinal Ratzinger (München 1978) 40-66, zit. 61.
[9] J. Ratzinger: Geleitwort zur koreanischen Ausgabe von „Der Geist der Liturgie“, in: R. Voderholzer/Ch. Schaller/F. X. Heibl (Hrsg.): Mitteilungen Institut-Papst-Benedikt XVI. Band 2 (Regensburg 2009) 53-55, zit. 64.
[10] J. Ratzinger: Eschatologie. Tod und ewiges Leben (Regensburg 1977) 167.
[11] J. Kardinal Ratzinger: Zur Gemeinschaft gerufen. Kirche heute verstehen (Freiburg i. Br. 1991) 34.
[12] J. Kardinal Ratzinger: Zum Fortgang der Ökumene, in: Ders.: Kirche, Ökumene und Politik. Neue Versuche zur Ekklesiologie (Einsiedeln 1987) 128-134, zit.133.
[13] Augustinus: Sermo 272.
[14] Benedikt XVI.: Predigt während der Heiligen Messe auf dem Marienfeld bei Köln während des XX. Weltjugendtages am 21. August 2005.
[15] J. Cardinal Ratzinger: Eucharistie – Communio – Solidarität: Christus gegenwärtig und wirksam im Sakrament, in: Ders.: Unterwegs zu Jesus Christus (Augsburg 2003) 129.
[16] Augustinus: Confessiones VII, 10, 16.

Medjugorje ist heute wichtiger denn je

Kommt und seht!

Pater Dr. Jozo Grbeš OFM (geb. 1966) wurde 2022 zum Provinzial der Franziskanerprovinz Mariä Himmelfahrt in der Herzegowina gewählt. Er hat in Pastoraltheologie promoviert und engagiert sich für das Wallfahrtsgeschehen in Medjugorje.

Interview mit P. Jozo Grbeš

Kirche heute: Herr Pater Jozo, im Jahr 2018 ernannte Papst Franziskus Erzbischof Henryk Hoser zum Apostolischen Visitator der Pfarrei Medjugorje. Welchen Einfluss hatte diese Entscheidung für das Wallfahrtsgeschehen und wie hat sich der Ort seither entwickelt?

P. Jozo Grbeš: Auf dem inzwischen 42-jährigen Weg des Phänomens von Medjugorje war es ein wichtiger Schritt nach vorne. Wenn der Papst jemanden ernennt, um eine so spezifische Aufgabe zu übernehmen, bedeutet dies, dass der Thematik höchste Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dank Papst Franziskus wird Medjugorje nun so gesehen, wie es sein sollte, nämlich als Ort des Gebets und der Begegnung mit Gott.

Welche Akzente setzt sein Nachfolger Erzbischof Aldo Cavalli?

Ich glaube, dass Erzbischof Cavalli hervorragende Arbeit leistet, insbesondere dadurch, dass er vielen Pilgern begegnet. Ich denke, er sieht, was viele von uns sehen, und zwar wie Pilger ihr Leben verändern und durch die Veränderung ihres Lebens zu Missionaren der Gegenwart Christi werden.

Wie steht er zu den Erscheinungen von Medjugorje?

Ich weiß es nicht. Da geht es um eine ganz persönliche Sichtweise. Ich glaube, dass jede persönliche Meinung oder Position von persönlicher Erfahrung abhängt.

Wie können wir im Geist der Botschaften von Medjugorje „die ausgestreckten Hände Mariens in der Welt“ sein?

Indem wir demütig sind. Ich glaube, die wichtigste Lehre, die uns Maria erteilt, ist die Lektion in der Demut. Der Herr spricht zu den Demütigen. Wenn wir demütig sind, werden wir uns bewusst, wie sehr wir Gott und die Liebe der Mutter brauchen.

Und was bedeutet es heute, „Zeugen der Hoffnung“ zu sein?

Unsere Welt ist leer. Sehr leer. Sie steckt irgendwo zwischen Konflikt und Selbstliebe. Der Egoismus breitet sich enorm aus. Andererseits ist es unsere Berufung, Zeuge der Hoffnung zu sein, zu wissen und zu verkünden, dass es eine andere Art zu leben gibt.

Welches Licht wirft Medjugorje auf die Ereignisse im Heiligen Land?

Die Botschaft vom Frieden ist zeitlos. Ein Ruf nach Frieden ist immer begehrt. Die Welt befindet sich im Aufruhr. So wird Medjugorje heute mehr denn je gebraucht.

Wie beurteilen Sie den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern?

Was da vor sich geht, ist traurig. Aber es kommt nicht völlig überraschend. Denn es ist eigentlich ganz klar, was passiert und aus welchem Grund. Jede Ursache hat ihre Konsequenz. Bedauerlicherweise leiden oft Kinder und Unschuldige. Ohne Vergebung wird das Leben von einem endlosen Kreislauf aus Groll und Vergeltung beherrscht. Dinge von gestern sind das Problem und die Ursache der Probleme von heute. Alle Konflikte hängen mit dem Gestern zusammen, mit dem, was zuvor passiert ist. Unsere Lasten stammen von gestern. Oftmals spielt Ignoranz eine große Rolle. Aber es stehen auch Ideologien im Vordergrund.

Wie präsent ist in Medjugorje der Ukraine-Konflikt?

Es kommen sehr viele Ukrainer nach Medjugorje. Es gibt dort Tausende von ihnen. Das Gebet für die Ukraine ist ständig auf den Lippen der Medjugorje-Pilger. Ich weiß, dass die Leute von Medjugorje und die Pilger jeden Tag für den Frieden beten. Ganz aufrichtig lieben sie die Menschen in der Ukraine. Die Kroaten haben vor nicht allzu langer Zeit die Brutalität eines blutigen Krieges erlebt. Ich denke, sie können leicht mit dem Leid der guten Menschen in der Ukraine mitfühlen.

Was hat Medjugorje angesichts der aktuellen Ereignisse der Kirche zu sagen?

Kommt nach Medjugorje und seht! Die Hügel von Medjugorje werden zu euch sprechen. Wir brauchen die Begegnung mit dem Göttlichen, um uns selbst zu verstehen. Wir müssen zum Ursprung zurückkehren und unsere eigene christliche DNA wieder neu entdecken. Wer Gott nahe ist, empfängt die Stärke, um das Böse zu besiegen und die vorhandene Leere zu verändern.

Wie sehen Sie auf dem Hintergrund des missionarischen Aufbruchs in Medjugorje die Bischofssynode in Rom, die inzwischen ein erstes Dokument veröffentlicht hat?

Das Dokument spricht neben anderen wichtigen Themen vom Dienst des Zuhörens und der Begleitung. Zuhören und Begleiten sind in Medjugorje ganz und gar präsent. Beides wird in unserer heutigen Kirche sehr dringend benötigt. Ich glaube, Medjugorje hat da viel zu bieten. Es ist ein kleines Dorf mitten im Niemandsland, das jedoch Berge versetzt. Gott liebt es, das ganz Große im Kleinen zu verpacken: das Universum im Atom, den Baum im Samen, den Menschen im Embryo, den Schmetterling im Wurm, die Ewigkeit im Augenblick, die Liebe im Herzen, sich selbst in uns. Ich glaube, dass wir gerade durch das Zuhören dieses große Geheimnis unseres Lebens entdecken werden.

Von Herzen danken wir Ihnen für die wertvollen Impulse und wünschen Ihnen für Ihren verantwortungsvollen Dienst Gottes reichen Segen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Seid freudige Träger des Friedens in dieser unruhigen Welt!

Umgang mit der Realität des Krieges

Mirjana Dragičević-Soldo ist eine der sechs Jugendlichen, denen in Medjugorje nach eigenen Angaben die Muttergottes erschienen sein soll. Sie wurde am 18. März 1965 in Sarajevo geboren, wo sie aufwuchs und zur Schule ging. Dorthin waren ihre Eltern, die beide aus Medjugorje stammen, als junges Paar gezogen. Mirjana verbrachte gerade die Ferien bei ihrer Großmutter, als sie zusammen mit anderen Jugendlichen am 24. Juni 1981 eine erste Erscheinung hatte. Bis zum 25. Dezember 1982 setzten sich die Visionen täglich fort. Seitdem sehe sie die Gottesmutter jedes Jahr an ihrem Geburtstag, also am 18. März. Vom 2. August 1987 bis 2. März 2020 seien ihr zusätzlich jeden Zweiten des Monats Visionen zuteil geworden. Am 16. September 1989 heiratete sie Marko Soldo, mit dem sie die beiden Töchter Marija und Veronica hat. Inzwischen ist sie Großmutter und lebt weiterhin in Medjugorje. 2016 brachte sie ihr erstes Buch heraus, eine Autobiografie, die zunächst in englischer Sprache erschien. Nun liegt auch eine deutsche Übersetzung mit dem Titel „Mein Herz wird triumphieren“ vor.[1] Auf mitreißende Weise erzählt sie die Geschichte von Medjugorje aus ihrer ganz persönlichen Perspektive. Nachfolgend ihre Erfahrungen mit dem Krieg in ihrer Heimat (Kap. 26), welche als Glaubenszeugnis wertvolle Impulse geben können. Denn es ist festzuhalten, dass die Kirche bislang den übernatürlichen Charakter der Erscheinungen nicht anerkannt hat.

Von Mirjana Dragičević-Soldo

Wir müssen uns für den Frieden entscheiden

Warum lässt Gott den Krieg zu?“ Nur Menschen, die Gottes Liebe nicht kennen, können diese Frage stellen. Die Muttergottes spricht in ihren Botschaften von Gott als „die große Liebe“. Gott lässt keinen Krieg entstehen – wir selbst tun es. Gott hat jedem Menschen die Freiheit geschenkt, zu entscheiden, wie er sein Leben gestalten möchte, was er daraus machen möchte. Jeder Mensch muss in sich gehen und sich fragen: Möchte ich den Frieden pflegen oder möchte ich meinen Bruder töten?

Wir dürfen Gott nicht für unsere Entscheidungen verantwortlich machen! Wenn wir das tun, leugnen wir das Geschenk unseres freien Willens!

Der Krieg ließ unzählige Opfer zurück, die an unvorstellbaren Schmerzen zu leiden hatten. Als Christen sollten wir nie wegschauen, wenn wir andere leiden sehen. Unsere Anteilnahme ist das wertvollste Geschenk, das wir Leidenden geben können. Nur wenige Menschen sind sich bewusst, dass liebe Worte oder eine herzliche Umarmung die Welt verändern können. Wie wir andere behandeln, hat exponentielle Auswirkungen und betrifft die Zukunft mehr als alles andere. „Gott ist Liebe“, lehrte uns Jesus, „und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“

Projekt „Mutterdorf“ – Erfahrung mit Waisenkindern

Pater Slavko arbeitete unermüdlich daran, das Mutterdorf Realität werden zu lassen. Er erwarb ein Landstück am Rande der Pfarrei. Als ich das Grundstück zum ersten Mal zu Gesicht bekam, war es mir ein Rätsel, wie man darauf etwas bauen sollte – das Land war verwildert, uneben und übersät mit riesigen Steinbrocken. Aber P. Slavko erinnerte mich an den sicheren Beistand Gottes und so beteten wir zuversichtlich weiter um die erfolgreiche Umsetzung unseres Projektes.

Auf P. Slavkos Anfrage hin ebneten die in Medjugorje stationierten UN-Soldaten den felsigen Boden mithilfe der Schwermaschinen, die sie für ihre Friedens-Sicherungs-Mission mitgebracht hatten. Für einen Baustart reichte unser Geld allerdings nicht aus. Die Regierung bot uns zwar finanzielle Unterstützung an, allerdings nur unter der Bedingung, dass dem Gebäude jegliche religiösen Gegenstände oder Symbole fernblieben. P. Slavko lehnte das Angebot ab.

„Dies wird das Waisenhaus der Muttergottes sein. Wie könnten wir sie da ausschließen?“

Aber andere Spender – vor allem Menschen, die zuvor als Pilger nach Medjugorje gekommen waren – halfen uns, unseren Traum zu verwirklichen. Dazu gehörte auch die Errichtung des Gartens des hl. Franziskus – eines schönen Waldparks mit Gehwegen, einem Amphitheater und einem Spielplatz.

Nach der Eröffnung des Mutterdorfes diskutierten Pater Slavko und ich weitere Möglichkeiten, den Waisen zu helfen. Uns kam die Idee eines Programms, das es den Kindern erlauben würde, jeweils die Wochenenden bei örtlichen Familien zu verbringen. Das Ziel war es, den Kindern wenigstens teilweise ein gewöhnliches Familienleben zu ermöglichen.

Viele Menschen im Dorf erklärten sich bereit, Kinder aufzunehmen, auch Marko und ich. Diese Wochenend-Besuche waren entzückend. Für die Kinder glich das Leben in einer richtigen Familie einem Märchen. In dem Wissen, wie viel diese Kinder gelitten hatten, übergossen wir sie mit Aufmerksamkeit – mehr noch als unsere eigenen Kinder. Wir sorgten für viel Spaß, kochten gemeinsam die Lieblingsgerichte der Kinder und lasen ihnen Bücher wie „Der Kleine Prinz“ vor, bevor es Zeit zum Schlafengehen war. Marko genoss es vor allem, mit den Jungs Fußball zu spielen. Aber nach zwei Tagen waren wir gezwungen, die Kinder wieder zurück in das Mutterdorf zu bringen, was für mich als Mutter nicht immer einfach war. Noch schlimmer aber war der Abschied für die Kinder. Schließlich mussten P. Slavko und ich deshalb erkennen, dass das Programm unter dem Strich keine gute Idee war.

Qualvoller Schmerz nach jeder Erscheinung

Als Seherin konnte ich nachvollziehen, wie sich die Kinder bei ihrer Rückkehr ins Mutterdorf hatten fühlen müssen. Auch ich empfand jedes Mal einen qualvollen Schmerz, wenn ich nach den wenigen Minuten mit der Muttergottes wieder zurück auf die Erde kommen musste.

Ein Paradebeispiel dafür war meine nächste jährliche Erscheinung, die ich am 18. März 1995 erlebte. Die Muttergottes erschien voller Kummer, was ich sonst bei den Erscheinungen am 18. März noch nicht erlebt hatte. Wir beteten gemeinsam für je-ne, die die Liebe Gottes nicht kennengelernt hatten, für die Seelen im Fegefeuer und für alle Anliegen jener, die zu Anlass der Erscheinung zu mir nach Hause gekommen waren. Zudem sprach sie mit mir über die Geheimnisse. In ihrer Botschaft an die Welt beklagte sie die Hartherzigkeit der Menschen gegenüber den Leidenden.

„Solange ihr nicht liebt, werdet ihr die Liebe eures Vaters nicht kennen.“ Sie erinnerte uns daran, dass wir uns nie vor etwas zu fürchten brauchen – auch nicht vor der Zukunft –, denn „Gott ist Liebe“. Sie schloss mit den Worten: „Ich führe euch zum ewigen Leben. Das ewige Leben ist mein Sohn. Empfangt ihn und ihr empfangt die Liebe.“

Die Erscheinung dauerte zehn Minuten. Nachdem die Muttergottes verschwunden war, zog ich mich sofort in mein Zimmer zurück und weinte. Als mich später einige Augenzeugen fragten, weshalb ich so verstört gewesen sei, erklärte ich ihnen, dass jedes Treffen mit der Muttergottes die Erfüllung aller meiner Sehnsüchte ist. Bei ihr fühle ich mich vollkommen.

„Zum Beispiel“, sagte ich, „liebe ich Marija und Veronika aus tiefster Seele und wie jede normale Mutter würde ich mein Leben für die beiden hingeben. Aber wenn ich mit der Muttergottes bin, existieren für mich nicht einmal meine Töchter. Ich möchte nur eines: mit der Muttergottes gehen. Wenn die Erscheinung dann endet, fühle ich einen unbeschreiblichen Schmerz, als wäre ich in einem Augenblick im Paradies und im nächsten in der einsamsten Wüste. Ich fühle mich verlassen, obwohl ich weiß, dass ich es nicht bin. Erst nach einigen Stunden des Gebets verstehe ich, dass ich noch eine Weile hier auf der Erde bleiben muss und dass die Muttergottes im Himmel sein muss.“

Hast du jemals jemanden geliebt, mit dem du nicht beisammen sein konntest? Hast du dich jemals nach einer Zeit oder einem Ort gesehnt, zu der oder an den du niemals mehr zurückkehren konntest? Hast du je um einen lieben Menschen getrauert? Wenn ja, dann kannst du meinen Herzschmerz vielleicht nachvollziehen. Von der Muttergottes getrennt zu werden, fühlt sich an wie eine Mischung aus verschmähter Liebe, Exil und Trauer – und doch ist es nichts von all dem. Nach jeder Erscheinung mache ich das durch. Mit Gottes Hilfe gelingt es mir dann nach einiger Zeit, wieder zu einem relativ normalen Leben zurückzukehren. Manchmal glaube ich, dass Menschen einfach nicht dafür gemacht sind, dem Göttlichen auf eine so intensive Weise zu begegnen.

Traurigkeit der Gottesmutter angesichts des herannahenden Krieges

Vielleicht war die Muttergottes während ihres Kommens am 18. März so traurig, weil sie die schlimmsten Horrorszenarien des Krieges kommen sah. Am 25. Mai 1995 – dem Geburtstag des Präsidenten Tito und dem offiziellen Tag der Jugend – feuerten die Serben eine Splittergranate auf die Stadt Tuzla ab. Viele der 71 Opfer waren Jugendliche und kleine Kinder. Die Attacke kam wie eine abscheuliche Geburtstagsüberraschung, bereitet vom letzten Rest des jugoslawischen Kommunismus. Ein Gedicht des bosnischen Dichters Mak Dizdar wurde später in ein Denkmal eingraviert, das an der Stelle des Tuzla-Massakers errichtet wurde:

„Hier lebt man nicht, um zu leben. Hier lebt man nicht, um zu sterben. Hier stirbt man, um zu leben.“

Ich rief mir ins Gedächtnis, was die Muttergottes in ihrer Botschaft vom 18. März über die Nächstenliebe gesagt hatte und betete dafür, dass die Menschen begannen, sich gegenseitig als Brüder und Schwestern zu sehen.

Im Laufe des Jahres 1995 erreichten die Gräueltaten einen entsetzlichen Höhepunkt: Im Juli wurden in Srebrenica mehr als 8.000 Männer und Jungen ermordet und ihre Leichen wurden wie Abfall in Massengräber geworfen. Internationale Beobachter nannten diese Massaker einen Völkermord – einen Akt der ethnischen Säuberung, so grausam, dass ihn die meisten Menschen nie für möglich gehalten hätten.

Medjugorje und Kibeho 1981 – eine bemerkenswerte Parallele

Nur ein Jahr zuvor hatte ein Genozid das winzige afrikanische Land Ruanda in ein Blutbad verwandelt. Einige Kinder des Dorfes Kibeho in Ruanda hatten im November 1981 – nur fünf Monate nachdem die Erscheinungen in Medjugorje begonnen hatten – von Erscheinungen der Muttergottes berichtet, in denen ihnen Bilder des herannahenden Schreckens gezeigt worden waren.

In Medjugorje forderte die Muttergottes die Menschen weithin zum Friedensgebet auf. Im Jahr 1995 bat sie die Menschen durch die monatlichen Botschaften, die Marija empfing, ihre Anliegen hinaus in die Welt zu tragen und dort zu verbreiten, „sodass der Fluss der Liebe in das Volk voll Hass und Unfrieden fließt“. Zudem lud sie alle ein, „freudige Träger des Friedens in dieser unruhigen Welt zu sein“, und sie bat uns um unser Gebet, damit „sobald wie möglich die Zeit des Friedens zu herrschen beginnt, welche mein Herz mit Ungeduld erwartet“.

Anfang August starteten die kroatischen und bosnischen Kräfte einen Angriff auf die Serben. Im selben Monat feuerten die Serben Mörsergranaten auf denselben Marktplatz in Sarajewo ab, der schon ein Jahr zuvor getroffen worden war. 43 unschuldige Menschen kamen dabei ums Leben. Die Welt konnte diese Massaker nicht länger ignorieren. Eine internationale Vereinigung verübte Luftschläge auf die bosnisch-serbische Armee, woraufhin im Oktober ein Waffenstillstand ausgerufen wurde. Schließlich endete der Krieg durch die Unterzeichnung des Dayton-Abkommens am 21. November 1995 – einem marianischen Festtag, der von zwei Konfessionen gefeiert wurde: für die Katholiken war es der Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem und für die Orthodoxen der Eintritt der heiligsten Theotókos in den Tempel.

Infolge des jahrelangen Wahnsinns waren in einem Land von der Größe eines Drittels des Bundesstaates New York über 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Der Krieg war vorüber, aber nach vier Jahren des Kampfes saßen die Wunden tief und heilten nur langsam. Wie jeder andere im Land hatte auch ich Familienmitglieder und Freunde verloren und es schmerzte mich, so viel Leid um mich herum mit ansehen zu müssen.

Ich betete intensiv um die Gnade der Vergebung

Jesus sagte uns, dass wir unseren Feinden vergeben sollen. Aber wie vergibst du jemandem, der deine Liebsten getötet hat?

„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: ,Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen‘. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,21.27.35).

Schaffte ich es also nicht, zu vergeben, wie konnte ich mich dann eine Christin nennen? Als jemand, der die Muttergottes sah und ohne Zweifel wusste, dass Jesus existierte, gab es für mich keinen Grund, nicht alle Seine Lehren zu befolgen. Ich betete sehr intensiv um die Gnade der Vergebung.

Seit dem Beginn der Erscheinungen nannte sich die Muttergottes die Königin des Friedens und forderte uns zum Gebet um den Frieden auf. Aber damals wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass sich diese Aufforderung unter anderem auf einen Krieg in unserem eigenen Land bezogen hatte. Ich war immer davon ausgegangen, dass sie den Frieden in unseren Herzen im Sinn hatte. Dass noch im 20. Jahrhundert ein Krieg von derartigem Hass und solcher Bosheit möglich war, hätte ich mir nie vorstellen können.

In der Politik kannte ich mich nur spärlich aus, aber die Muttergottes hatte mich gelehrt, jeden Menschen zu lieben. Sie legt uns ans Herz, uns gegenseitig als Brüder und Schwestern anzunehmen, ganz abgesehen von unseren Verschiedenheiten.

Sie beginnt ihre Botschaften nie mit Liebe Italiener, Liebe Kroaten oder mit Liebe Katholiken – sie nennt uns immer nur Liebe Kinder. Sie kommt als die Mutter aller Menschen!

Während meines Lebens in Sarajewo hatte ich kaum wahrnehmen können, dass sich die Kroaten nach bestimmten grundlegenden Freiheiten sehnten, wie beispielsweise nach der Freiheit, die eigene kulturelle Identität auszudrücken, oder der Freiheit, die eigene Religion praktizieren zu können. Jahrelang hatte das bloße Erwähnen ihres kulturellen Erbes einen Besuch auf dem Polizeiposten oder gar im Gefängnis zur Folge gehabt. Am zehnten Jahrestag der Erscheinungen hatten sie ihren kroatischen Staat zwar erhalten, aber mit dem hohen Preis, den sie dafür hatten bezahlen müssen, hatten die wenigsten gerechnet.

Der Krieg wird von den satanischen Mächten regiert

Ich habe einmal gehört, dass Menschen, die mit Schuld beladen sind, auf ihrem Sterbebett oft rastlos sind, während Menschen mit reinen Seelen leicht und sanft verscheiden. Vielleicht hätte der Kommunismus sanft sterben können, hätte er nicht die vielen schweren Sünden begangen und so viel Leid verursacht. Wie eine verwundete Bestie hatte er seine letzten Stunden mit grausamen Kämpfen ausgekostet, mit dem Ziel, jeden, der ihm in die Quere kam, mit sich ins Verderben zu stürzen. Jede Schlacht, jede Gräueltat war ein Zucken in seinem Todeskampf und verstärkte das zornige Wüten bis zum bitteren Ende.

In Medjugorje hatten wir den Krieg nicht auf dieselbe Weise erlebt, wie die Menschen in Vukovar oder Sarajewo. Obwohl wir zu leiden hatten, waren wir durch Glück oder Gnade vom schlimmsten Elend verschont geblieben – ich schätze, es war die Gnade. Wenn die Muttergottes nicht begonnen hätte, vor einigen Jahren hier zu erscheinen, wer hätte Medjugorje dann gekannt? Trotz der Gefahren hatten Menschen aus ganz Amerika und aus allen Teilen Europas medizinische Hilfsgüter und Nahrungsmittel geschickt, und Gläubige aus aller Welt hatten gefastet und für den Frieden gebetet.

Wenn ich über das Leiden dieser unzähligen Menschen nachdenke, das durch den Krieg entstanden ist, füllen sich meine Augen mit Tränen. Krieg bringt Schmerz und Verzweiflung und ich werde niemals verstehen können, wie sich einige Menschen nach so etwas sehnen können. Wenn es keine Liebe gibt, wenn es keinen Glauben gibt, dann gewinnt der Teufel an Macht und übernimmt die Führung. Er kommt, um alles Gute zu zerstören – das Leben, den Frieden, die Freude, die Würde. Es passiert überall auf der Welt – und wir können es Tag für Tag bezeugen.

Auch als mich die Kommunisten verfolgt und drangsaliert haben, habe ich mich für die Vergebung entschieden. Ich hatte begriffen, dass ich ihnen erlauben würde, mich gleich doppelt zum Opfer zu machen, wenn ich zugelassen hätte, dass ihre Taten meinen inneren Frieden zunichtemachten. Wenn wir von Hass erfüllt sind, kann das unserer Beziehung zu Gott nur schaden.

Aus diesem Grund war ich mehr und mehr davon überzeugt, dass der Krieg im Grunde nicht von den Menschen, sondern von satanischen Kräften regiert worden war. Die Menschen hatten dem Teufel erlaubt, sie zu beeinflussen und die Leere in ihren Herzen mit Bosheit zu füllen. Jene, die anderen durch ihren Hass Leid und Schmerzen bereitet hatten, mussten nun mit ihren Taten leben, möglicherweise bis an ihr Lebensende.

Ich erinnerte mich an jenen Soldaten, der im Jahr 1945 in Siroki Brijeg die Franziskaner getötet hatte und der für den Rest seines Lebens keine Nacht mehr ruhig hatte schlafen können. – Ich erinnerte mich auch daran, dass Jesus sogar seinen Kreuzigern vergeben hatte, als Er sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Sogar Milosevic als meinen Bruder in Jesus annehmen

Viele würden wohl behaupten, dass Milosevic und seine Verbündeten genau gewusst hätten, was sie taten, aber allmählich begann ich das anders zu sehen: Wenn sie Gott nicht kannten, dann wussten sie im Grunde nichts.

Als mir die Muttergottes Jahre zuvor gezeigt hatte, was auf jene Menschen wartet, die die Dunkelheit dem Licht vorziehen, war ich zutiefst erschüttert gewesen. Wie also konnte ich dieses unbeschreiblich schreckliche Elend für irgendjemanden wollen? Wenn ich meinen Feinden wünschte, dass sie eine Ewigkeit lang zu leiden hatten, dann wäre ich kein bisschen besser als sie selbst – vielleicht noch schlimmer, denn als Atheisten glaubten sie nicht, dass der Tod zu irgendetwas Ewigem führt.

Vielleicht war die Tatsache, dass Milosevics Mutter, Vater und Onkel Selbstmord begangen hatten – zu einer Zeit, als er noch jünger war – der Auslöser für seine Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber. Vielleicht war sein Atheismus eine Folge des kommunistischen Erziehungssystems. Fällt die Schuld für sein Tun dann allein auf ihn oder auch auf seine Umwelt – oder auf eine Kombination aus vielen Umständen? Nur Gott weiß das – und nur Er kann richten. Aber wenn das Leben scheinbar bedeutungslos war und Gott für Milosevic nicht existierte, welchen Grund hätte er dann dazu gehabt, das Gute anzustreben?

Würden sich die Kinder in einem Klassenzimmer alle vertragen, wenn der Lehrer zwar anwesend, aber unsichtbar wäre?

Indem ich auf diese Weise über Milosevic nachdachte, verwandelte sich meine Wut nach und nach in Empathie und meine Gebete für ihn wurden intensiver. Am Ende gewann die Liebe die Überhand und ich war fähig, Milosevic als meinen Bruder in Jesus anzunehmen. Bald konnte ich ohne negativen Gedanken für ihn beten und ich bat Gott um Hilfe für ihn, damit er eines Tages von allem Bösen erlöst werden würde.

Für alle beten, die die Liebe Gottes noch nicht kennen

Diese Erfahrung half mir, das Anliegen der Muttergottes – für jene zu beten, die die Liebe Gottes noch nicht kennengelernt haben – besser zu verstehen. Wenn jemand die Liebe Gottes kennt, dann ist er nicht in der Lage, Krieg zu führen. So betete ich für all jene um diese Liebe, die während des Krieges Schlechtes getan hatten, damit das Böse aus diesen Herzen verbannt werden konnte, damit es keinen weiteren Krieg mehr geben würde.

In ihrer Botschaft vom 18. März 1997 sagte die Muttergottes: „Den wahren Frieden wird nur derjenige haben, der in seinem Nächsten meinen Sohn erkennt und liebt.“ Und am 18. März 2005 sagte sie: „Der Weg zu meinem Sohn, der wahrer Friede und Liebe ist, führt über die Liebe zu allen Nächsten.“

Nichts sollte uns davon abhalten, Jesus in den anderen Menschen zu sehen – keine ethnischen, religiösen oder politischen Unterschiede, keine trivialen Dinge wie die Art und Weise, wie sich jemand anzieht oder was für einen Beruf er hat. Die Muttergottes bittet uns, in jedem Einzelnen Jesus zu sehen: im bettelnden Obdachlosen, im Muslimen oder im Serben; im Atheisten, der nicht an Jesus glaubt, und im Christen, der Ihn nicht versteht; im neugeborenen Baby und im ungeborenen Baby; in deinem Priester, in deinem Bischof und im Papst. Wir sollen Jesus in jenen Menschen sehen, die uns verletzt haben, und in jenen, die wir verletzt haben; im Dieb, im Drogensüchtigen, im schlimmsten Sünder, den wir kennen, und – und das ist vielleicht das Wichtigste – in uns selbst.

Sieh Jesus in jedem Menschen!

Als Menschen suchen wir immer wieder nach diversen Ausreden, damit wir das Gebot, unseren Nächsten so wie uns selbst zu lieben, umgehen können.

Ich kann vergeben, aber ich kann nicht vergessen, sagen viele Menschen. Ein kroatisches Sprichwort lautet: Der Wolf wechselt sein Fell, aber nie sein Temperament.

Wahre Liebe jedoch ist bedingungslos und hat keine Grenzen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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[1] Mirjana Dragicevic-Soldo: Mein Herz wird triumphieren, Verleger: Tiberias d.o.o., Medjugorje, HC, 438 S., ISBN 978-9926-532-00-0, Euro 22,– / Zu bestellen bei versch. Verlagen, so z.B. beim Miriam Verlag: Tel. +49 (0) 77 45 / 92 98 30; E-Mail: info@miriam-verlag.de – Internet: www.miriam-verlag.de

10 praktische Tipps für die Mitfeier von Fernsehmessen

Jesus im Fernsehen begegnen

Durch die Corona-Pandemie geriet nicht nur das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in eine Krise, sondern auch die Kirche. Professor Pater Dr. Karl Wallner, Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich, sieht darin aber auch neue missionarische Chancen. Denn die Notwendigkeit, die heilige Messe im Livestream oder Fernsehen zu übertragen, habe dazu geführt, dass die Verkündigung endlich in den Medien angekommen sei. In einer neuen Publikation mit dem Titel „Jesus im Fernsehen? Eine Handreichung für Mess-Übertragungen"[1] gibt er zehn praktische Tipps, wie aus dem reinen „Anschauen“ ein echtes „Mitfeiern“ werden kann. Ein Zeichen für das Wirken der Gnade sieht er in den Gebetserhörungen, die sich durch die Fernsehgottesdienste ereignet hätten. Seit Beginn der Pandemie seien ihm von den Zuschauern etwa 180.000 Gebetsanliegen zugeschickt worden. Täglich habe man bei den Fernsehmessen einige vorgelesen. Inzwischen seien tausende Gebetserhörungen gemeldet worden. Einen Teil davon habe Dr. Gabriela Wozniak für das Buch zusammengestellt. Nachfolgend einige Auszüge aus der Publikation.

Von Karl Wallner OCist

„Hygiene-Interdikt“ über die Gläubigen

Im März 2020 brach bei uns in Europa die Corona-Pandemie aus und führte zu einer Situation, die es in der 2000-jährigen Geschichte der Kirche noch nie gegeben hatte. Aufgrund der Lockdowns, also der Ausgangs- und Besuchseinschränkungen, konnten die meisten Gläubigen physisch nicht mehr an der Feier einer heiligen Messe teilnehmen.

Als Kirche leben wir von der Begegnung mit Jesus Christus in der Feier der Sakramente. Jede hl. Messe, jeder Gottesdienst hat für uns Katholiken eine vertikale und horizontale Dimension, die unlösbar miteinander verschränkt sind: Gemeinschaft („Communio“) mit dem dreifaltigen Gott und mit den mitfeiernden Schwestern und Brüdern.

Im Mittelalter gab es die Kirchenstrafe des „Interdikts“. Der Papst oder der zuständige Bischof verhängte über ein bestimmtes Territorium das Verbot von gottesdienstlichen Handlungen. Die Sakramente durften nicht mehr gespendet und konnten folglich nicht mehr empfangen werden. Von den mittelalterlichen Menschen wurde ein solches Sakramentenverbot als schreckliche Bestrafung empfunden. Weil es als politisches Druckmittel missbraucht wurde, hat die Kirche das territoriale Interdikt schon lange abgeschafft – doch nun kam ein Virus und verhängte ein flächendeckendes „Hygiene-Interdikt“ über die Gläubigen. In fast allen Ländern der Welt, auch im Vatikan, wurde die Spendung der Sakramente eingeschränkt, in vielen die Abhaltung von öffentlichen Gottesdiensten unter Teilnahme der Gläubigen ausgesetzt…

Das Gute an der Krise

Ein englisches Sprichwort lautet: „Never miss a good crisis!“ Das klingt merkwürdig, denn eine Krise ist ja nie gut, und die Corona-Krise war definitiv etwas Böses, das unsere Gesellschaft nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch gespalten hat... Und doch! Es kommt nämlich darauf an, wie man mit einer Krise umgeht! Das griechische „krisis“ kommt von „krimein“, und das heißt wörtlich „trennen“. Krise ist die Trennung vom Bisherigen, der Abschied vom Eingespielten und Selbstverständlichen. Jede Krise ist daher zunächst einmal unbequem, weil sie das Verharren im Gewohnten nicht mehr zulässt. Das gute Element, das eine Krise in sich trägt, besteht darin, dass sie einen zwingt, neue Lösungen zu suchen, Experimente zu wagen und Neues zu erfinden.

Das Virus hat etwas geschafft, das ein Dutzend päpstlicher Enzykliken, Apostolischer Schreiben und Konzilsdokumente in den letzten hundert Jahren, die zur Mission und zur Neuevangelisierung auffordern, nicht geschafft hat: wir Katholiken waren gezwungen, neue Ideen und neue Wege zu entwickeln, um den Menschen beizustehen, vor allem auch, um sie durch Gebet und Gottesdienste zu stärken. Dabei ist Papst Franziskus eine maßgebliche Rolle zugekommen. Er ist ein Meister der symbolischen Gesten und des wegweisenden Agierens. Er hat hier neue Maßstäbe gesetzt, wie die Kirche über die Medien bei den Menschen sein kann, seine vom 10. März bis zum 18. Mai täglich übertragene Frühmesse wurde zum Quotenhit.[2]

Missionarische Chance

Auch wir bei Missio Österreich haben sofort die Mittel einzusetzen versucht, die uns schon zur Verfügung standen: Wir hatten bereits 2017 eine Kapelle eingerichtet, von wo aus wir eine Mittagsmesse drei Mal die Woche über den katholischen Sender K-TV und über den Livestream übertrugen. Uns war klar, dass wir die Not meistern müssen, ja aus ihr vielleicht sogar eine Tugend machen können. Wir leben ja im 21. Jahrhundert, wo uns Medien zur Verfügung stehen, die es in den vergangenen 2000 Jahren noch nicht gegeben hat! Fernsehen oder Livestream bieten sich an, um neue Formen der Mitfeier des Gottesdienstes zu entwickeln. So haben wir ab dem 16. März 2020 begonnen, täglich eine „Mittagsmesse"[3] zu übertragen, und für den Montag haben wir das Format der Übertragung einer „Kindermesse"[4] um 17 Uhr entwickelt. Und das setzen wir bis heute fort!

Diese Übertragungen kosten uns viel Kraft; auch mussten wir in die Technik investieren und haben ein „allewelt-Studio"[5] eingerichtet. Und doch ist gerade durch diese täglichen Fernsehmessen die Nationaldirektion der Päpstlichen Missionswerke in Wien zu einem missionarischen Hotspot geworden. Alle Überlegungen, die täglichen Übertragungen zu beenden, musste ich verwerfen, da es dann hunderte Anrufe, Emails und verzweifelte Bitten gab, bis hin zu Formulierungen wie: „Ohne Mittagsmesse kann ich nicht mehr leben...“

Kein Ersatz für reale Mitfeier

Doch wie ist das mit den Fernsehmessen, die es ja schon vor der Corona-Krise gegeben hat, die aber jetzt zu einer stärkeren Realität in der Kirche geworden sind, die bleiben wird. Bei der Verwendung der modernen Medien haben wir Katholiken im „alten“ Europa ohnehin Nachholbedarf. Als ich im November 2022 die bedrängte und verfolgte Kirche in Pakistan besuchte, staunte ich nicht wenig, dass dort selbstverständlich jede Messe „gestreamt“ wird und jede Diözese Fernseh- und Radiostudios betreibt. Die jungen wachsenden Kirchen ha-ben schon lange die Möglichkeiten der digitalen Medien entdeckt, um Gottesdienste und Katechesen zu übertragen...

Dabei ist klar, dass es sich bei der Mitfeier der heiligen Messe via Fernsehen, Livestream oder Radio um „Notfallmaßnahmen“ oder um zusätzliche „geistliche Erbauung“ handelt, die die „physische“ Mitfeier nicht ersetzen kann. Das gilt besonders für die gebotene Mitfeier der Messe an Sonn- und Feiertagen. Unser Herr Jesus Christus hat uns ja die Sakramente in Form von äußeren sinnlichen Zeichen geschenkt. Das Mitfeiern der Messe nur vor dem Bildschirm kann daher niemals die persönliche Anwesenheit bei der Messfeier ersetzen. Die mediale Übertragung von Messen muss daher auch immer das Ziel haben, die Sehnsucht nach einer realen Mitfeier zu erwecken und zu fördern.

Zehn Tipps für Fernsehmessen

Die Übertragung von Fernsehmessen wird bleiben. Doch wie feiere ich eine Fernsehmesse fruchtbar mit? Dafür gibt es meines Wissens noch keine Regeln. Nach Anordnung der Kirche muss aber jede heilige Messe immer live übertragen werden, damit die Gläubigen sich auch wirklich zeitgleich mit dem sakramentalen Geschehen, vor allem bei der Wandlung, verbinden können. Dies gilt zumindest für den deutschen Sprachraum. Natürlich kann man sich auch eine aufgezeichnete Messe andachtsvoll anschauen. Damit aber ein reales Mitfeiern geschieht, muss die Messübertragung live erfolgen! Schon dadurch drücken die kirchlichen Autoritäten aus, dass es ihnen zu wenig ist, wenn man die Fernsehmesse bloß „anschaut“. Geistlich fruchtbar kann eine sakramentale Feier ja nur sein, wenn man innerlich mit-tut, mit-feiert...

So wie die physische Teilnahme am Gottesdienst eine äußere Ordnung braucht, so auch die Mitfeier vor dem Bildschirm. „Kult“ braucht „Kultur“. Daher müssen wir für dieses neue Phänomen der Fernsehmessen eine „Kultur“ des Mitfeierns entwickeln, damit aus dem passiven Zuschauen ein aktives Mitfeiern wird, das dann auch gnadenhaft wirksam wird. Hier betreten wir weitgehend Neuland! Ich möchte deshalb 10 Tipps geben, wie man zu Hause vor dem Bildschirm mitfeiern kann.

1. Tipp: Mache die Mitfeier

zu Deiner Hauptsache!

Während des Gottesdienstes solltest Du nicht anderen Beschäftigungen daneben nachgehen, etwa essen oder am Smartphone herumwischen. Die Mitfeier soll für Dich nicht bloß eine „Nebensache“ sein, mache sie zur „Hauptsache“ und fokussiere Dich!

2. Tipp: Sei stilvoll und ehrfurchtsvoll!

Ziehe Dich für das Ereignis passend an: Pyjama und Jogginganzug sind für den Alltag. Jede Messe ist eine „Feier“. Du musst Dir in Deiner Wohnung natürlich kein „Sonntagsgewand“ anziehen, aber Dein bequemes Home-Outfit soll stilvoll und würdevoll sein.

3. Tipp: Gestalte „Hauskirche“

Da Du Dich in Deinem profanen Wohnbereich befindest, solltest Du einige Maßnahmen treffen, um Dein Zuhause in eine „Hauskirche“ zu verwandeln.

Du musst selber ein Gefühl für das entwickeln, was Dir zur Mitfeier hilft. Ein großer Fernseh-Bildschirm ist besser als ein kleiner, oder gar nur Laptop oder das Smartphone.

Du darfst Ideen entwickeln, zum Beispiel: Stelle ein Kreuz auf, zünde eine Kerze an, platziere eine Ikone, ein Herz-Jesu-Bild oder ein Marienbild in der Nähe des Bildschirms, schalte das Licht ab... Du kannst auch Bilder Deiner Lieben neben dem Bildschirm aufstellen, um für sie zu beten. Lass Dir was einfallen!

4. Tipp: Am besten feierst Du „miteinander“

Da es sich gemeinsam besser betet, so feiere – wenn es möglich und erlaubt ist – die heilige Messe mit anderen, etwa aus Deinem Haushalt. Ideal wäre es, wenn sich die ganze Familie zur Live-Messe versammelt. Durch eine unaufdringliche Einladung an Mitbewohner, die keine so große Lust haben, hast Du sogar die Chance, „missionarisch“ zu sein.

5. Tipp: Beginne bewusst

Wenn möglich, bereite die Texte der Messe vor und lege sie Dir zurecht. Und am Beginn bete ein Vorbereitungsgebet. Das katapultiert Dich in die geistige Dimension. Durch ein Gebet überschreitest Du geistig die Grenze vom banalen Dasein zum Sein vor Gott.

Gebet vor Beginn der hl. Messe:

Du, Jesus, bist das Licht der Welt. Du bist von den Toten auferstanden und vertreibst alle Dunkelheit. Erleuchte, was in mir und um mich dunkel ist.

Du trägst mein Leben. Nimm an meinen Dank. Erhöre meine Bitten. Ich feiere die heilige Messe mit und bitte dabei besonders für ... / um ... Lass mein Herz für Dich brennen! Amen.

6. Tipp: Verhalte Dich liturgisch

Versuche die hl. Messe so mitzufeiern, als ob Du in der Kirche direkt dabei wärst. Du kannst gerne mitbeten und mitsingen, Dich bekreuzigen... Zumindest beim Evangelium und beim Vaterunser solltest Du stehen. Wenn es Dir möglich ist, so knie bei der Wandlung nieder. Du darfst hier aber nach Gefühl handeln, damit Dein Verhalten vor dem Fernseher oder Computer nicht peinlich für Dich und für andere wird.

7. Tipp: Sei innerlich und verbinde Dich geistlich

Während der hl. Kommunion verbinde Dich im Geist mit Jesus. Lade ihn in Dein konkretes Leben ein. Bete ein Gebet zur geistlichen Kommunion und vertraue Jesus Dein Leben, Deine Sorgen an. Bitte Ihn, danke Ihm. Sei intensiv innerlich.

Gebet zur geistlichen Kommunion:

Mein Jesus, ich glaube, dass Du im Allerheiligsten Sakrament des Altares zugegen bist. Ich liebe Dich über alles und meine Seele sehnt sich nach Dir. Da ich Dich aber jetzt im Sakrament des Altares nicht empfangen kann, so komm bitte geistigerweise zu mir und nimm Wohnung in meinem Herzen.

Ich umfange Dich und vereinige mich mit Dir. In tiefster Ehrfurcht bete ich Dich an. Sei Du mein Licht, meine Kraft und mein Heil – und segne meine Lieben. Halte mich fest und lass mich niemals von Dir scheiden. Lass nicht zu, dass ich mich je von Dir trenne. Amen.

8. Tipp: Nimm Dir bewusst Zeit und sei entspannt

Wenn Du zu Hause mitfeierst, ist es sehr einfach davonzulaufen oder umzuschalten, wenn es einmal nicht so spannend ist. Lass das! Die Messe endet auch für Dich vor dem Bildschirm mit dem Segen Gottes und dem „Gehet hin in Frieden!“

Schutzgebet zum hl. Erzengel Michael, deutsch:

Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe! Gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels sei unser Schutz. „Gott gebiete ihm!“ – so bitten wir flehentlich. Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen, stoße den Satan und die anderen bösen Geis-ter, die in der Welt umhergehen, um die Seelen zu verderben, durch die Kraft Gottes hin-ab in die Hölle. Amen.

9. Tipp: Beende die Mitfeier bewusst

Am Schluss mache das Kreuzzeichen und beende die Mitfeier mit einem Gefühl der Dankbarkeit. Dann solltest Du aufstehen und etwas Anderes machen, denn Du bist ja ins Leben hinausgesendet worden: „Ite missa est...“ heißt wörtlich: „Geht, es ist Sendung!“ Bete ein abschließendes Gebet. 

10. Tipp: Für unsere Priester

Diesen letzten Tipp möchte ich meinen Mitbrüdern geben. Die Feier einer Messe, wo ein Teil der Mitfeiernden – manchmal sogar die Mehrheit – nicht direkt vor uns sitzen, sondern irgendwo zu Hause vor dem Fernsehapparat, ist für uns ungewohnt. Übertragungen von Messen im Fernsehen und im Livestream hat es schon vor Corona gegeben, jetzt nach Corona müssen wir uns darauf einstellen.

Für uns Priester ist es notwendig, dass wir uns psychologisch auf diese Situation einstellen. Wir sind es nicht gewohnt, über Kameras mit einer unsichtbaren Gemeinde zu interagieren. Wenn wir es aber verabsäumen, eine Verbindung mit den Mitfeiernden „zu Hause“ herzustellen, dann nehmen wir ihnen die Chance, mitzufeiern. Daher müssen wir etwas völlig Neues lernen: mit den Menschen via Kamera zu kommunizieren!

Die Mitfeiernden werden es schätzen, wenn wir uns bei den Gebetsteilen und beim Hochgebet innerlich voll auf den Herrn konzentrieren. Da brauchen wir nicht in die Kamera schauen! Es gibt aber Teile der Messe, wo wir die Herzen der Mitfeiernden zu Hause erreichen müssen. Wir müssen lernen, so zu agieren, dass „der Funke überspringen“ kann: indem wir z.B. bei den Verkündigungsstellen Blickkontakt über die Kamera suchen. Und indem wir uns trauen, die für uns unsichtbaren Menschen zu Hause direkt und persönlich anzusprechen...

Mich persönlich hat im ersten Lockdown, wo ich die Messe in einer leeren Kapelle feiern musste, auch der Gedanke gerettet, dass die Liturgie der Einbruch Gottes in diese Welt ist, ein übernatürliches Kommen und Wirken Gottes. Wir Priester sind – und das ist auch gut so – oft stark fokussiert auf die Gemeinde, auf die Gläubigen. Wir wären schlechte Diener des Herrn, wenn wir nicht die Sehnsucht danach haben, vielen die Frohe Botschaft verkünden und die Gemeinschaft mit Christus schenken zu können.

Doch Liturgie ist nicht nur Seelsorge mit der Zielrichtung auf die Gläubigen; sie ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, „vor allem Anbetung der göttlichen Majestät“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 33).

Mich hat der Gedanke gerettet, dass der Wert einer heiligen Messe unabhängig ist von der Zahl der sichtbar auf Erden Mitfeiernden, dass es unermesslich wertvoll ist, Gott zu dienen, und dass ein so verstandener Dienst an Gott dann wieder zum Dienst Gottes an den Menschen wird.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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[1] Karl Wallner/Gabriela Wozniak: Jesus im Fernsehen – Eine Handreichung für Mess-Übertragungen, Be+Be-Verlag Heiligenkreuz 2023, 135 S., Softcover, 21x14 cm, ISBN: 978-3-903602-76-2, Euro 14,90; Bestellung direkt: Tel. 0043 2258 8703-400, E-Mail: bestellung@bebeverlag.at – https://www.klosterladen-heiligenkreuz.at/
[2] Vgl. Karl Wallner: Die Krise als missionarische Chance. Durch die Corona-Pandemie kommt die Verkündigung endlich in den Medien an, in: Walter Kardinal Kasper/George Augustin (Hg.): Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus, Ostfildern 2020, 170-190.
[3] https://www.missio.at/gottesdienst-livestream-heilige-messe/
[4] https://www.missio.at/youngmissio/kindermesse/
[5] www.missio.at/alle-welt/

Grausame und unmenschliche Bilder verfolgen uns bis in die Nacht hinein

Schlüssel zum inneren Frieden

Nur die „göttliche Ruhe“ führt zu einem inneren Frieden, der in den Stürmen standhält und trägt. Dazu müssen wir lernen, uns regelmäßig zurückzuziehen, abzuschalten und für Gott Zeit zu finden. Ansonsten trocknen wir aus und werden von den dunklen Mächten überwältigt und gelähmt. Ein ausgewogenes Leben aber schenkt Freude und Heiterkeit.

Von Peter Dyckhoff

Bei der Reizüberflutung, die täglich auf uns einströmt, bei den Nachrichten, die wir aus der ganzen Welt täglich mehrmals hören und sehen, ist es eine Wohltat, abschalten zu können und zu schweigen. Und dennoch verfolgen uns viele Bilder weiter bis in die Nacht und den nächsten Tag hinein, weil sie so grausam und unmenschlich sind, weil Menschen anderen Menschen so Schreckliches antun. Man kann krank daran werden, wenn man erfahren muss, wie ohnmächtig man ist, wenn man nicht helfen oder dagegen einschreiten kann. Wichtig ist, dass wir uns von den dunklen Mächten nicht überwältigen und lähmen lassen.

Wenn ich spüre, dass meine Psyche von all den schlimmen Ereignissen überlastet ist, versuche ich, mich für eine halbe Stunde in die Stille zurückzuziehen. Aus beruflichen Gründen kann das nicht immer spontan geschehen, doch an den Übergängen von einem Tun zum anderen ist es erstaunlicherweise häufiger möglich, als ich es mir vorgestellt habe. Wie viel Zeit verbringen wir am Tag mit Unnötigem, auf das wir verzichten können? Wichtig ist, dass wir nicht auf die Dauer überfordert werden und beginnen, an einem Defizit zu leiden, das allzu schnell zu einer Krankheit führt. In der Überaktivität des Alltags fehlt vielen Menschen die innere Ruhe als Kraftquelle für ein ausgewogenes Leben, das auch Freude und Heiterkeit beinhalten muss.

Die Ruhe, die im Wellnessbereich gewonnen wird, kann zwar im Augenblick sehr angenehm und wohltuend sein, doch sie reicht bei all dem, was wir zu verkraften und zu verarbeiten haben, nicht aus. Wenn wir von Ruhe sprechen, ist damit die göttliche Ruhe gemeint, die der Herr am siebten Schöpfungstag in die Schöpfung hineinlegte, die er selbst pflegte und uns gebot, sie zu halten. Die Wochenenden sehen bei den meisten Menschen und Familien jedoch nicht nach dieser Ruhe aus, sondern eher nach noch mehr Aktivität als in der Woche. Eine Hochkultur, wenn sie überlastet ist und man nur von ihr fordert, anstatt sich auch kreativ einzubringen, wird unweigerlich zugrunde gehen. Ähnlich ist es auch mit unserer christlichen Religion als Quelle des Lebens. Wenn sie versiegt und wir keine Zeit haben für Gott, müssen wir nicht nur auf seine Gnadenzuwendung verzichten, sondern auch unser gesamtes Leben trocknet langsam aus.

Es gibt – im wahrsten Sinne des Wortes – wunderbare Wege, den inneren Frieden zu finden. Zu ihnen gehören Gebetsformen wie der Rosenkranz oder das Ruhegebet, eine einfache Gebetsweise, die die Wüstenväter aus dem Neuen Testament entwickelt haben und die Johannes Cassian (360-435) als Erster aufgezeichnet hat. Auch die meditative Betrachtung des Christophorus-Bildes, in dem der Weg der dienenden Hingabe aufleuchtet, kann dazu gezählt werden. All diese Wege haben letztlich den Empfang der Sakramente und eine Bereicherung des gesamten Lebens zum Ziel.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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Bild von Dieric Bouts auf dem Flügelaltar „Perle von Brabant“

Christophorus – Weg der Wandlung

Das Bild des hl. Christophorus findet sich auf Medaillen bzw. Plaketten im Auto oder am Schlüsselbund. Kaum jemand kann jedoch sagen, warum er von Gläubigen und auch Nichtgläubigen als Schutzbegleiter gesehen wird. Wer ist dieser oft vergessene Heilige? Welche Botschaft kann uns Christophorus heute vermitteln? Im Oktober dieses Jahres ist ein Buch von Dr. Peter Dyckhoff über diesen Heiligen erschienen. Es trägt den Titel „Christophorus – Weg der Wandlung“.[1] Denn das Leben des hl. Christophorus zeigt einen erlösenden Weg der äußeren und inneren Wandlung. Es macht deutlich, dass religiöses Leben nicht nur aus Gebet besteht, sondern auch aus aktivem Tun – auch für andere. Dazu geht Dyckhoff von einem Bild des hl. Christophorus aus, das der niederländische Maler Dieric Bouts im 15. Jahrhundert geschaffen hat. Es schmückt die rechte Seite des Flügelaltars „Perle von Brabant“, der sich in der Alten Pinakothek von München befindet.

Von Peter Dyckhoff

Beim heiligen Christophorus geht es vornehmlich und besonders vor seiner Bekehrung nicht um das Gebet, sondern um Aktivität in dienender Hingabe.

Der andere Weg, um Gott zu finden

Ein Einsiedler forderte ihn auf zu fasten. Darauf antwortete ihm Christophorus: Er fordere von mir einander Ding, denn dies vermag ich nicht zu tun. Der Einsiedler entgegnete: Es ist Not, dass du viel zu ihm betest. Christophorus erwiderte: Ich weiß nicht, was das ist, und kann ihm darin nicht folgen.

Das Leben des heiligen Christophorus zeigt keinen Gebetsweg auf, um Gott zu finden, sondern es ist ein aktives und bewegtes Leben, das durch ein Dienen in Hingabe seine Erfüllung findet. Der Höhepunkt in seinem Leben ist die Begegnung mit Christus und die damit verbundene Wandlung. Diesen Augenblick, der von österlicher Kraft durchflutet ist, hat Dieric Bouts (um 1410-1475) auf wunderbare Weise auf der rechten Seite des Flügelaltars „Perle von Brabant“ dargestellt. Es ist ein stilles und gleichzeitig heilbringendes Bild.

Gotteserfahrung durch meditatives Anschauen

Das Buch „Christophorus – Weg der Wandlung“ ist diesem Bild gewidmet, und die darin ausgesprochenen Worte möchten zu einem langen meditativen Anschauen führen, um dadurch Ruhe für die Seele und Gotteserfahrung zu finden. Dieser Weg führt also über ein einzelnes Bild und es heißt, sich Zeit zu nehmen, um stufenweise sein Geheimnis zu entschlüsseln.

Andererseits bestätigt dieses Bild und auch das Leben des Christophorus, dass nicht ausschließlich Fasten und Beten den Christen ihrem Ziel näherbringen, sondern auch ein aktives Leben. Wie jeder Weg muss auch dieser immer neu korrigiert werden, wenn er zur Sackgasse wird und wir anstatt Christus dem Bösen dienen.

Fakten, die seine historische Existenz belegen

Wer ist dieser Christophorus, der vor seiner Taufe Reprobus hieß? Es sollen zunächst einige Fakten aufgezählt werden, die seine Existenz belegen. Christophorus lebte im 3. Jahrhundert nach Christus in Kleinasien und starb dort als Bekenner des Glaubens an Jesus Christus.

Der älteste Beweis seiner Existenz ist eine Inschrift auf einem Stein, der nahe dem antiken Chalkedon gefunden wurde. Dieser Stein gehört zu den Ruinen einer dem heiligen Christophorus geweihten Kirche. Er bekundet, dass Bischof Eulalius von Chalkedon im Mai 450 mit dem Bau dieser Kirche begonnen und sie am 22. September 452 eingeweiht hat. Es ist anzunehmen, dass diese Christophorus-Kirche als Konzils-Gedächtniskirche errichtet wurde. Das Konzil fand 451 in Chalkedon statt (heute ein Stadtteil von Istanbul). Hinweis auf einen gewaltsamen Tod des Heiligen gibt die Tatsache, dass in der frühchristlichen Zeit nur Märtyrer als Kirchenpatrone ernannt wurden.

Im größten Verzeichnis von Märtyrern und Heiligen, das um 450 zusammengestellt wurde, ist Christophorus ein eigener Festtag zugedacht. Papst Gregor I. spricht in einem Brief aus dem Jahr 598 an Bischof Secundinus von Taormina von einem „monasterium Sancti Christophori“. Dieses dem hl. Christophorus geweihte Kloster muss sich demnach in der Diözese Taormina auf Sizilien befunden haben. Stätten der Verehrung des hl. Christophorus entstanden an großen Straßen, die bedeutsam waren für Kaufleute und Pilger. Hier wurden Kirchen gegründet und dem Heiligen geweiht. Schon seit früher Zeit hat man Christophorus in Verbindung gebracht mit Menschen, die unterwegs sind.

Verehrung vom Mittelalter bis zur Neuzeit

Die Benediktiner des Inselklosters Reichenau im Bodensee nahmen Christophorus im 9. Jahrhundert in die Allerheiligen-Litanei auf und widmeten ihm eine eigene Messe. Um die Jahrtausendwende entstand im Abendland das älteste Wandgemälde, das Christophorus darstellt. Es befindet sich in der römischen Kirche Santa Maria Antiqua. Das genannte Bild von Dieric Bouts stammt aus dem 15. Jahrhundert und befindet sich in der Alten Pinakothek in München.

Ein Bild in einem Museum wird eher als Kunstwerk angeschaut und auch entsprechend taxiert. Für viele ist es in einem Museum nicht mehr ein Bild des Glaubens, nicht mehr ein Anspruch, der auf eine Antwort von uns wartet. Und dabei wurde vor diesem Altar, der „Perle von Brabant“, 500 Jahre lang gebetet und es wurden unzählige heilige Messen gefeiert. Gerade die Feier des Todes und der Auferstehung Jesu Christi hat diesen wunderbaren Flügelaltar geheiligt.

Dem Museum eine besondere Weihe verleihen

Könnten wir nicht einmal in ein Museum gehen und die Andachtsbilder wieder andächtig anschauen und vor ihnen beten? Dadurch würde auch das Museum eine ganz besondere Weihe erfahren. Warum sollten wir dies nicht tun, wenn schon diese Bilder nicht mehr in die Kirche zurückgebracht werden können, woher sie eigentlich kommen und wohin sie eigentlich gehören? Doch viele alte wertvolle Kunstwerke müssen restauriert und geschützt werden.

Des Öfteren habe ich in München die Alte Pinakothek besucht, um mir immer wieder die „Perle von Brabant“ und besonders den rechten Flügel mit Christophorus anzuschauen. Jedes Mal verließ ich dankbar und erfüllt das Museum, in dem ich gern noch mehr Zeit verbracht hätte, um Einzelheiten und größere Zusammenhänge auf den Bildern zu entdecken.

Der lange Weg der Wandlung

Zum Anschauen dieses Bildes möchte ich mit meinem Buch über den hl. Christophorus einladen. Zu Beginn erzählt Jakobus de Voragine aus seiner „Legenda aurea“ die Lebensgeschichte des Christophorus.

Im ersten Teil „Der lange Weg der Wandlung“ werden besondere Stationen seines Lebens vertieft und veranschaulicht. Der zweite Teil führt zum detaillierten Anschauen und geistlichen Betrachten des Flügelaltars. Der dritte Teil widmet sich dann ganz dem Christophorus-Bild. Im Kapitel „In der Unrast schenkst du Ruh“ offenbart sich das Bild in ganz besonderer Weise. Zwei Fragebögen sind angehängt, die ganz persönliche Fragen zu unserem Lebens- und Glaubensweg beinhalten. Diese können, wenn man Zugang zu ihnen findet, während des Lesens des Buches beantwortet werden. Möge diese Lebensgeschichte eines Heiligen gut ankommen und besonders das Betrachten dieses zutiefst vergeistigten Bildes Segen bringen!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
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[1] Peter Dyckhoff: Christophorus – Weg der Wandlung, fe-Medien 2023, HC, 128 S., mit 40 Abb., ISBN: 978-3-8635-7393-5, Euro 15,00  – www.fe-medien.de – Bestell-Tel.: +49 (0)7563 608 998-0 

Einheit und Evangelisierung

Studientag in Augsburg

Am 16. Dezember 2023 findet im Haus Sankt Ulrich in Augsburg von 9:00 Uhr bis 17:15 Uhr ein Studientag zum Thema „Die Bedeutung der Einheit für die Evangelisierung“ statt. Am Vormittag hält Kurt Kardinal Koch, der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, zwei grundlegende Vorträge. Nachmittags werden nach einem Podiumsgespräch 14 Workshops angeboten. Dabei wirken neben Vertretern aus der Seelsorge vor allem geistliche Gemeinschaften und Einrichtungen mit wie die Caritas, das Collegium Orientale, die Communauté de Taizé, das Gebetshaus Augsburg, die Gemeinschaft Chemin neuf, Kirche in Not, die Koinonia-Gemeinschaft und das Ökumenische Lebenszentrum e.V. Ottmaring.

Von Dr. Bertram Meier, Bischof von Augsburg, und
Pfr. Reinfried Rimmel, Leiter der Abteilung Evangelisierung

Einheit ist gerade in Krisenzeiten ein Grundbedürfnis. Wir erfahren jedoch viele Spaltungen – politisch, sozial, religiös. Sie belasten unseren Umgang miteinander und verschließen den Weg zu Gott. „Alle sollen EINS sein“ (Joh 17,21) – Einheit ist der Plan des himmlischen Vaters, der Wunsch Jesu Christi, das Werk des Heiligen Geistes. Wie kann Einheit im christlichen Sinn gelingen?

Im 6. Jahrhundert veranschaulichte Dorotheus von Gaza mit dem geistlichen Bild des Rades den Weg zur Einheit: Die Welt ist wie ein Kreis, in dessen Mitte EINER steht: Gott. Linien zum Zentrum hin sind Wege der Menschen. Wenn sie auf Gott zugehen, kommen sie auch einander näher. Je näher also Christen Gott kommen, desto mehr leben sie Einheit untereinander, desto glaubwürdiger ist ihr Zeugnis. Papst Paul VI. sagt: „Das Zeichen der Einheit unter allen Christen ist eigens als Weg und Mittel der Evangelisierung hervorzuheben.“

Wir gehen im Jahr des Ulrichsjubiläums mit Kurt Kardinal Koch sowie in spannenden Workshops den folgenden Fragen nach: Welche Bedeutung hat Einheit für die Evangelisierung? Wie sehen konkret Wege der Einheit aus? Wie kann ich mitwirken? Wir freuen uns auf Sie!

Nähere Infos unter: www.evangelisierung-augsburg.de – Anmeldung unter E-Mail: evangelisierung@bistum-augsburg.de – oder Tel.: 0821/3166-3121.

 

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„Wir sind nicht für ein bequemes Leben erschaffen worden, sondern für das Große!“ (Benedikt XVI.)

Mit Exodus90 zur „Freiheit der Söhne Gottes“

Das Apostolatswerk „Regnum Christi“ lädt vom 1. Januar bis Ostern 2024 wieder zur Teilnahme an seinem weltweit bewährten 90-Tage-Programm ein, durch das Männer mehr Freiheit von oberflächlichen Ablenkungen und Vergnügungen und eine tiefere Verbundenheit mit Gott erlangen können. Der Name „Exodus 90“ erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus der Knechtschaft Ägyptens. Über 100.000 Männer, davon 2.000 im deutschen Sprachraum, haben auf diesem Weg eine neue „Freiheit der Kinder Gottes“ erlangt, welche sie befähigt, offener und aufmerksamer für ihre Ehefrauen und Kinder, für ihre Freunde oder ihre Pfarrgemeinde da zu sein. Darunter sind auch Diakone, Priester und Bischöfe. Durch eine Kombination von täglichem Gebet, Schriftlesung und Askese gelingt es den Teilnehmern, ihre Komfortzonen zu verlassen und eine neue Liebesfähigkeit zu entwickeln. Viele konnten ihre Abhängigkeiten z.B. von Alkohol, von übermäßigem Essen, von Pornografie oder von unkontrolliertem Handy- und Fernsehkonsum überwinden. Ein entscheidender Ansporn erwächst aus dem regelmäßigen Austausch mit gleichgesinnten Männern. In den Kleingruppen, „Bruderschaften“ genannt, reifen tragfähige Freundschaften heran. Eine Reihe von jungen Männern konnte sich bereits für einen geistlichen Beruf entscheiden.

Zeugnis von Tobias Biebl

Dem uns Menschen unendlich liebenden Gott konnte ich im August 2014 im Rahmen einer sehr beeindruckenden Ministrantenwallfahrt nach Rom begegnen. Gemäß dem Motto der Wallfahrt „Frei! Darum ist es erlaubt, Gutes zu tun“ konnte ich in Folge einer feierlichen Abendvesper auf dem Petersplatz mit Papst Franziskus, und tausenden anderen jungen Menschen, wirklich die Liebe Gottes sowie die wahre Freiheit der Kinder Gottes spüren.

Ganz entscheidend auf dem Weg meiner persönlichen Berufungsfrage war und ist für mich der Dienst als Mesner in meiner wunderschönen, altehrwürdigen Heimatpfarrkirche St. Stephanus in Stefanskirchen im Pfarrverband Ampfing. Neben vielen anderen Dingen ist die Hauptaufgabe eines jeden Mesners, hinsichtlich der Liturgie für die Gottesdienste und sakramentalen Feiern alles gründlich vor- und nachzubereiten.

Besonders bereichernd war das zweimalige, aktive „Mitmachen“ des Fastenprogrammes „Exodus 90“ in einer kleinen Gruppe von gleichaltrigen Männern. Ich konnte einen sehr lebendigen, wahren Glauben in der Gemeinschaft der katholischen Kirche erleben. Es entstanden wertvolle, tiefe Freundschaften und ein gutes Netzwerk.

Mit der Zeit wurde mir dabei immer mehr bewusst, dass mich Jesus in seine engere Nachfolge ruft, auch in Bezug auf meinen frühen Wunsch, einmal Priester zu werden. Besonders die diesjährigen 90 vorösterlichen Tage voller Gebet, Askese und Bruderschaft mit Exodus haben mir sehr dabei geholfen, mich im Priesterseminar konkret zu melden und somit das „JA“ hin zum Priestertum zu wagen.

Die Welt von heute braucht dringend Priester, die mutig und fundiert den katholischen Glauben verkünden, die Sakramente der katholischen Kirche eifrig spenden, und für die Menschen als nahbare Seelsorger und gute Begleiter gerne zur Verfügung stehen. Ich bin bereit, dem Ruf des Herrn zu folgen und nach seinem Heilsplan IHM und den Menschen als römisch-katholischer Priester zu dienen.

Zeugnis von Thomas Kämmerer

Auch und gerade als evangelischer Christ war die Teilnahme an Exo-dus90 für mich ein Gewinn: Zwar lebe ich mein Christ-sein aktiv und engagiert. Und doch hat diese Zeit meine Beziehung zu Jesus erheblich vertieft. Nach Exo-dus90 mit den täglichen Gebetszeiten und den Fasten-Erfahrungen spüre ich: Mein Glaube ist lebendiger als jemals zuvor. Besonders in diesen drei Monaten habe ich Gottes Begleitung intensiv erfahren.

Selbst bin ich verwurzelt in evangelischer Tradition, habe evangelische Theologie studiert. Und doch: Exodus90 hat meine ökumenische Seite gestärkt: Die katholischen Brüder haben mich sehr herzlich in die Bruderschaft mit hineingenommen. So konnte ich in den regelmäßigen Messen, aber auch durch die Kommentare zu den Bibeltexten katholische Traditionen besser kennenlernen als es auf andere Weise möglich ist. Und ich habe diese Traditionen sehr schätzen gelernt, weil ich sie eben nicht nur wissenschaftlich-nüchtern zur Kenntnis genommen habe, wie es auch im Studium passiert ist, sondern ich durfte diese Traditionen miterleben. Dafür, dass man mich in ökumenischer Verbundenheit mitfeiern ließ, bedeutet mir sehr viel.

Die Gemeinschaft mit den Mitbrüdern ist eine großartige Sache! Die gemeinsamen Treffen, die Gottesdienste, Gespräche und der gegenseitige Austausch erfüllen mich mit großer Dankbarkeit. Solche Begegnungen passieren nicht einfach so. Da hat Gott ganz sicher seine Hand im Spiel!

Bis heute bin ich begeistert von der Stimmigkeit des Exodus90-Konzepts: Die regelmäßigen Treffen mit den Mitbrüdern, aber auch dass man einen Ankerbruder hat und die dadurch möglichen täglichen Gespräche helfen, dabei zu bleiben und die doch sehr anspruchsvollen Anforderungen zu bestehen. Ich würde sogar behaupten, ohne den Ankerbruder ist es nur sehr schwer möglich, Exodus90 durchzuhalten. Gott hat es so gefügt, dass ich einen Ankerbruder hatte, mit dem ich jeden Tag gute Gespräche geführt habe, die mir immer neue und weiterführende Impulse gegeben haben.

Der Exodus90 fand vier Monate vor meinem 50. Geburtstag statt. Diese Fastenzeit hat mir eine ganz neue Dimension christlicher Existenz gezeigt. Ein neuer Lebensabschnitt hat für mich begonnen und ich glaube, dass die in den 13 Wochen gemachten Erfahrungen einen wichtigen Anteil daran haben, dass nun für mich eine ganz neue Zeit angebrochen ist.

Zahlreichen Männern auf der ganzen Welt wünsche ich, dass sie diese außergewöhnlichen Erfahrungen machen. Wer sich darauf einlässt, geht als ein anderer, als ein neuer Christ aus dieser Zeit hervor.

 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Weihnachts-Apostolat 2023

Chance für Glaubenserneuerung

Günther Zoppelt von der „Katholischen Neuevangelisierung Wien“ lädt auch dieses Jahr wieder dazu ein, ihren Folder „Was feiern Christen im Advent und zu Weinachten?“ unter die Leute zu bringen. Er liegt dieser Ausgabe von „Kirche heute“ bei und enthält auch konkrete Vorschläge, wie sich jeder an dieser Art der „Heimatmission“ beteiligen kann.

Von Günther Zoppelt

Den Zauber der Weihnachtszeit spüren nicht nur Christen, sondern Menschen quer durch alle Religionen. Und doch zeigen Umfragen, dass viele die Botschaft von Weihnachten nicht oder nur ungenau kennen – nämlich, dass Gottes Sohn in Bethlehem Mensch wurde, geboren von der Jungfrau Maria, als das große Geschenk der Liebe Gottes des Vaters, der uns seinen Sohn als Erlöser gesandt hat. Und jeder, der an Jesus glaubt und in der Liebe Gottes lebt, hat das ewige Leben (vgl. Joh 3,16).

Antworten von Befragten lauteten häufig sinngemäß so: Weihnachten ist ein Fest der Familie; hat mit dem Glauben zu tun; wichtig sind die Geschenke; ein Fest des Friedens; wird aus Tradition gefeiert; ist die Feier der Geburt Jesu, hat aber mit uns heute wenig zu tun, etc. Dennoch – in der Advent- und Weihnachtszeit sind Menschen jeglicher Herkunft und Überzeugung offener für ein Wort des Glaubens. Und diese Chance für die Verkündigung des Evangeliums sollte von uns Christen als solche neu entdeckt und kraftvoll und konkret umgesetzt werden.

Papst Franziskus sagt ganz klar: „Als Getaufte sind alle Christen dazu berufen, der Welt das Evangelium zu bezeugen.“ Die katholische Initiative WEIHNACHTS-APOSTOLAT 2023 will genau dies in der Advent- und Weihnachtszeit umsetzen und lädt Christen ein, sich aktiv daran zu beteiligen: Priester, Ordensleute und gläubige Laien. Für dieses Apostolat haben wir ein einfaches Instrument gewählt – einen Folder mit dem Titel „Was feiern Christen im Advent und zu Weinachten?“ In komprimierter Form wird der Kern der Advent- und Weihnachtszeit leicht verständlich dargestellt. Zeugnisse von Heiligen, aber auch ein Minikatechismus sowie eine Einladung zur Weihnachtsbeichte sind enthalten.

Teilen wir unsere eigene Weihnachtsfreude mit vielen anderen, damit wir gemeinsam einstimmen können in den Lobpreis der hl. Engel „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade!“ (Lk 2,14).

Bestellungen für den Folder an: Verlag Kath. Welt-Apostolat, 1180 Wien, Gentzgasse 122/1. Email: heute.glauben@gmail.com – Tel.: (0043)650/6741371.

 

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 12/Dez.2023+1/Jan.2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

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