Liebe Leserinnen und Leser!
Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel
Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,23f.).
Diese Worte ruft der hl. Apostel Paulus den Gläubigen in Korinth zu, als er sie zur Einheit mahnen muss. Spaltungen haben die Gemeinde erschüttert und in eine Krise gestürzt. Da weiß der Apostel, dass allein die Besinnung auf das Kreuz Christi die Herde wieder zusammenführen kann. An dieser Botschaft scheiden sich die Geister. Im Geheimnis des Kreuzes aber besitzt die Gemeinschaft der Christen ihre radikale Identität, in der sie sich von der übrigen Welt unterscheidet: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1 Kor 1,18).
Was am Beginn der Christenheit so sonnenklar aufstrahlt, gilt bis heute. Auch in unseren Tagen erleben wir Uneinigkeit und Spaltung und damit verbunden eine sich zuspitzende Krise der Kirche. Da gilt es, auf das Kreuz zu schauen, um das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren. Dann kann die Kirche auch wieder ein einmütiges Zeugnis ablegen.
Humanismus und Demokratie reichen nicht aus, um die unantastbare Würde des Menschen zu verteidigen und zu retten. Wer kann kompromisslos für das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod eintreten? Nur wer in der Nachfolge Christi den Weg zum Leben erkennt und bereit ist, das Kreuz auf sich zu nehmen. Nur im Licht des Kreuzes können die Hirten der Kirche vor einer Politik warnen, die Sterbehilfe und Abtreibung bis zur Geburt legalisiert, die der Embryonenforschung und den Kinderwunschzentren freien Lauf lässt, die Ehe und Familie zerstört und Drogenkonsum erlaubt. Und ohne die Weisheit des Kreuzes kann auch der Missbrauch nicht überwunden und von der Wurzel her aufgearbeitet werden.
Umso mehr muss die Kirche im Licht des Kreuzes Christi eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leids geben. Wenn die Menschheit von Kriegen, Gewalt und Hass, von entfesselter Selbstsucht und Naturkatastrophen heimgesucht wird, ist unser Glaube an die Vorsehung Gottes und seine Liebe herausgefordert. Wie sehr braucht die Welt das Licht des Evangeliums, welches den Sinn des Lebens im Ostersieg Christi enthüllt und uns das ewige Ziel vor Augen führt!
Die schlimmsten Verfolgungen haben die Christen im Lauf der Geschichte aus der Kraft ihrer österlichen Hoffnung heraus durchgestanden und im wahrsten Sinn des Wortes besiegt. Immer rauer wendet sich auch heute der Geist der Welt gegen das Christentum, weltweit entfesselt sich eine gesellschaftspolitische Dynamik gegen die Kirche. Wir gehen auf eine Verfolgung zu, wie wir sie uns im Augenblick noch gar nicht vorstellen können. Doch genügt ein ehrlicher Blick auf die verschiedensten Konfliktfelder, um zu erahnen, wie global sich dieser Angriff gestaltet, seien es Klima- oder Gender-Ideologien, sei es religiös aufgeladener Fundamentalismus und Terrorismus, seien es politische Regime, die sich immer totalitärer gebärden.
Liebe Leser, da sollten wir uns eingestehen, wie kurzsichtig und armselig oft das ganze Gezänk in unserer Kirche ist. Die Zeichen der Zeit rufen uns auf, in aller Demut zusammenzustehen, gerade auch in Einheit mit dem Nachfolger Petri, um nicht fehlzugehen. Der hl. Johannes Paul II. hatte angekündigt, dass sich durch die schweren Zeiten hindurch, die uns bevorstehen, ein neuer Frühling der Kirche und Menschheit anbahnen werde. In dieser Hoffnung sagen wir Ihnen ein herzliches Vergelt‘s Gott für Ihre treue Unterstützung und wünschen Ihnen auf die Fürsprache Mariens, der Königin des Himmels, eine gesegnete Osterzeit!
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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Das Leid der Welt als Anfrage an die Vorsehung
Im Licht des Kreuzes
In seiner Dissertation setzte sich Pfarrer Dr. Richard Kocher (geb. 1959) sehr eingehend mit dem Thema Vorsehung auseinander. Wichtige Ergebnisse fasste er nach dem Abschluss seiner Arbeit in kurzen Abhandlungen zusammen, die wir als Artikelreihe veröffentlichen. In einem zweiten Beitrag geht es um das sog. Theodizee-Problem, also um die Frage nach dem Sinn des Leids. Während seines Wehrdienstes las Richard Kocher das Buch „Der Archipel GULAG“. In diesem monumentalen Werk dokumentierte der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn das grausame System der sowjetischen Straflager. Das Zeugnis von den unmenschlichen Bedingungen und dem Leiden der politischen Gefangenen hinterließ in Richard Kocher tiefe Spuren. Es wurde mit ausschlaggebend dafür, dass er sich für den Priesterberuf entschied und später das Thema „Herausgeforderter Vorsehungsglaube“ für seine Promotionsarbeit wählte.
Von Richard Kocher
Das Leid in der Welt war von jeher der schärfste Einspruch gegen einen Gott der Liebe. Es ist auch der neuralgische Punkt des Vorsehungsglaubens, die crux providentiae (Kreuz der Vorsehung). Kaum eine Arbeit über die Vorsehung übergeht diese Problematik.
Naturkatastrophen wie ein Erdbeben oder ein Vulkanausbruch raffen in einem Augenblick zehntausende oder hunderttausende Menschen hinweg: „Ohne Wahl zuckt der Strahl“ (Schiller). Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass bei allen gleichzeitig die „Lebensuhr“ abgelaufen ist, dass sich selbst solche Unglücksfälle noch in ein sinnhaftes, wenngleich uns verborgenes Konzept einordnen lassen.
1. Die Frage nach dem Sinn des Leidens – im Großen wie im Kleinen
Zu den sowieso schon harten Fragen an den vorsehenden Gott kommt die ungeheure Eskalation des Bösen in der jüngsten Vergangenheit hinzu, welche das Theodizee-Problem beträchtlich verschärft. Die Folgen totalitärer Machtpolitik und menschenverachtender Ideologien in diesem Jahrhundert stellen alles bisher aus der Geschichte Gekannte in den Schatten. Besonders das Vernichtungslager Auschwitz steht für die unsagbaren Leiden der Menschheit in unserer Zeit und wirkt wie ein wuchtiger Hammerschlag auf das zerbrechliche Gefäß der Vorsehung. Für viele Philosophen und Theologen ist Auschwitz kein singulärer Zwischenfall der Geschichte, sondern die Offenbarung eines absoluten Leidens. Die herkömmlichen Formeln der Theodizee scheinen solchen monströsen Zügen des Leides nicht mehr gewachsen zu sein.
Existentiell bedrängender sind aber nicht so sehr die großen Leiden der Menschheit, sondern die des Alltags und der oft feststellbare Sieg des Gemeinen und Niederträchtigen, von Gottfried Benn so ausgedrückt: „Die Pfütze prüft den Quell, der Wurm die Elle, die Kröte spritzt dem Veilchen in den Mund – Halleluja! – und wetzt den Bauch im Kies."[1] Schmerzen, Verluste und „Amputationen“ finden sich auch im glattesten Lebenslauf. Wer offenen Auges durch die Welt geht, wird viele Leidenssituationen ohne große Mühe ausmachen können. Oft wird man nur mehr der destruktiven Seite des Leides ansichtig, die keine erkennbar positive Auswirkung auf die personale Würde des Menschen mehr hat. Welchen Sinn hat das Leiden von Greisen, die im Altersschwachsinn vor sich hindämmern, oder derer, die in Wahnideen und Geisteskrankheit leben? Sind solche Personen von der Vorsehung Liegengelassene?
Muss man angesichts dieser Problemlage nicht von vornherein passen, wie es eine Aussage Voltaires nahelegt, der die Frage nach dem Übel für ein sinnloses intellektuelles Spiel Disputierender erklärte? Diese sind für ihn nichts anderes als Sträflinge, die mit ihren Ketten spielen. Sie können sozusagen Lockerungsübungen mit ihren Ketten machen; loskommen werden sie dadurch aber nicht von ihnen. Ähnlich sei es mit der Theodizee. Man könne zwar viel darüber reden; es gäbe hier aber nicht einmal einigermaßen befriedigende Antworten – auch nicht des Glaubens.[2]
Wenn deshalb im Anschluss an Voltaire und viele andere Kritiker des christlichen Glaubens nicht selten gesagt wird, dass das Christentum am Ende sei, dann muss die Frage gestellt werden, ob denn die „Welt“ eine überzeugende Antwort zu geben vermag. Können die heute oft in einem existentialistischen Denkhorizont vorgelegten Antwortversuche die Angst des Menschen beschwichtigen und sein Bedürfnis stillen, wenn dies der christliche Glaube angeblich nicht mehr kann? Deshalb wird der Frage, wie ein auf Gott Vertrauender und jemand, der in einem existentialistischen Denken angesiedelt ist, konkret mit dem Leid fertig wird, nachgegangen werden müssen. Auf genuin christliche Positionen, wie die Proexistenz im Leid für andere, kann hierbei nicht verzichtet werden.
2. Das Theodizee-Problem im Horizont eines existentialistischen Denkens
Das Leid prüft nicht nur eine christliche Vorsehungslehre, sondern auch jede andere Weltanschauung. Der Ausweis des praktischen Verhaltens enthält hierbei auch eine Bestätigung oder Verwerfung eines theoretischen Systems.
Paradigmatisch für den Versuch, aus eigener Kraft mit dem Leid fertig zu werden, ist das Leben und Werk des Biologen und Nobelpreisträgers Jacques Monod. In seinem Bestseller „Zufall und Notwendigkeit“ – es war 1972 der größte philosophische Bucherfolg nach dem Krieg – versucht er, mit einem evolutionistisch-existentialistischen Menschenbild überzeugende Antworten auf die Grundfragen des Lebens zu geben. Seinen Ausführungen stellt er ein Zitat aus Camus‘ „Der Mythos des Sisyphos“ voran: „Der Kampf um die Gipfel allein kann ein Menschenherz ausfüllen. Man muß sich Sisyphos glücklich denken."[3] In einer heroischen Entscheidung, das absurde menschliche Dasein als frei gewähltes Schicksal anzunehmen, versucht der Mensch mit seiner Situation fertig zu werden.
Für Monod ist der Mensch der große Gewinner der Evolutionslotterie. Da sich dieser nicht mehr einem Schöpfer, sondern dem Zufall und den ehernen Gesetzen der Notwendigkeit verdankt, sind die „geistigen Amputationen“, die dem Menschen hierbei abverlangt werden, beträchtlich. Monod plädiert deshalb für einen asketischen Verzicht auf jede weitere geistige Nahrung. Der Mensch soll auf seine, ihm vom Schöpfer verliehene Fähigkeit zur Transzendenz verzichten. Er ist somit wie eingemauert in den Kerker dieser Welt, da ihm jeder Ausblick auf ein Leben über den Tod hinaus verwehrt ist.
Über der Monodschen Konzeption liegt sicher ein Glanz titanischer Größe; manchmal schwebt eine religiöse Atmosphäre über allem. In einer gewissen Trotzhaltung wird Großes aus dem Leben herausgeholt. Ein aristokratischer Genuss der eigenen Kraft wird deutlich. Der eindrucksvollen Geschlossenheit dieses Systems korrespondiert aber auf der anderen Seite eine verzweifelte Ungöttlichkeit und Unmenschlichkeit. Schon Nietzsche fragte sich, ob die Belastungen des Lebens mit einer solchen Sicht überhaupt ausgehalten werden können: „Mensch der Entsagung, in Alldem willst du entsagen? Wer wird dir die Kraft dazu geben? Noch hatte Niemand diese Kraft!"[4]
Gerade in Grenzsituationen des Lebens zeigt es sich, dass der postulierte heroische Nihilismus das Gepräge eines Konstrukts an sich ist, das nicht trägt und dort in voller Wucht auf den Menschen zurückschlägt. Das tragische Lebensende Monods und anderer existentialistischer Denker durch Selbstmord ist die Bestätigung dafür. Wenn die existentialistische Weltanschauung in einer Extremsituation des Lebens nur in der Lage ist, die Tür zum Selbstmord zu öffnen, dann ist dies kläglich, so tragisch das Sterben des einzelnen auch ist. Jemand, der wie Sisyphos zu ewig sinnloser Tätigkeit verdammt ist, die nie ihr Ziel erreicht, kann nicht glücklich werden. Der Mensch, der selbst mit dem Leid ohne Gott fertig werden möchte, zerbricht daran; er ist überfordert. Der existentialistische Titanismus enthüllt sich als Anmaßung, sein Lobpreis der tragischen Werte als substanzloses Gerede. Sein völliges Versagen angesichts des Leides ist nur allzu offensichtlich. Wenn der Mensch in seiner ganzen Erbärmlichkeit völlig auf sich allein gestellt ist, dann ist das Scheitern notwendig „inbegriffen“. Gibt es keine Hoffnung auf ein Jenseits, wird auch das Diesseits zerstört, dann zerrinnt das Leben zur puren Absurdität. Ein absurdes Dasein erscheint aber nicht als lebenswert; es entsteht nur eine potenzierte Not des Leidenden. „Wir sind der modernen Existentialphilosophie dankbar, daß sie mit einer Gewalt, die keinem mittelalterlichen Prediger zur Verfügung stand, gezeigt hat, daß der Mensch ohne Gott nur ins Nichts eilen kann“ (Betschart).[5] So ist diese Richtung der Philosophie zwar eine Kontraposition zur Vorsehung, aber keine echte und lebbare Alternative, denn aus dem Bodenlosen wächst kein Vertrauen.
Erst in der Ausrichtung auf das göttliche Du kann dem menschlichen Ich ein tragender Sinn im Leben entstehen; sonst kann es leicht geschehen, dass aus dem ins Dasein Geworfenen ein Verworfener wird.
3. Die Bewältigung des Leides aus der Kraft des Glaubens
Der christliche Glaube fordert nicht nur zu tatkräftigem Einsatz angesichts des Leides in der Welt auf, sondern gibt auch die Kraft, es zu bewältigen.
Heute wird – auch in der Theologie! – der Blick fast nur noch auf die Sinnlosigkeit und das Destruktive des Leides gerichtet. Man fällt im Vergleich zur Vergangenheit in das gegenteilige Extrem: Konnte man dieser mit einer gewissen Berechtigung eine vorschnelle Vertröstung, mithin eine Verharmlosung menschlicher Leidenssituationen anlasten, so gefällt man sich jetzt in der Betonung des Sinnlosen und nicht Einsehbaren. Gegen diese Tendenz muss festgehalten werden, dass es aus dem Glauben heraus die Möglichkeit gibt, selbst in extremsten Leidenssituationen standhalten zu können.
Solschenizyns Buch „Der Archipel GULAG“ ist ein überwältigendes Zeugnis für die Kraft, die der Glauben verleihen kann: „Und wie bleiben sich die echt religiösen Menschen im Lager treu? ... Wiederholt in diesem Buch sind sie uns begegnet auf ihrem unbeirrten Marsch durch den Archipel, eine schweigende Prozession mit unsichtbaren Kerzen. Manche stürzen, wie von Maschinengewehrsalven niedergemäht, die nächsten treten an ihre Stelle und gehen diesen Weg weiter. Seelische Stärke, wie sie das 20. Jahrhundert nicht kennt! Und es ist nichts Theatralisches, nichts Pathetisches daran ... Das ist Glaubensstärke. Wie sollte man diese Menschen nicht beneiden! War ihre Situation etwa günstiger? Kaum! Es ist bekannt, daß man die ,Nonnen‘ zu den Prostituierten und Kriminellen in die Strafaußenstellen steckte. Doch hat sich je ein Gläubiger ,zersetzen lassen‘? Sie sind gestorben – ,zersetzen lassen‘ haben sie sich nicht! Und wie läßt sich erklären, daß manche wankelmütigen Menschen gerade im Lager zum Glauben gefunden haben, durch ihn stark geworden sind und innerlich unversehrt überlebt haben? ... Man wird also eher sagen können: Das Lager kann denen nichts anhaben, die einen heilen Kern besitzen ... Im Lager verrotten die, deren Leben vorher durch keine sittlichen Prinzipien und keine geistige Erziehung bereichert war."[6]
Die Extremsituation des Archipel zerrt unbarmherzig das zutage, was im Menschen ist, und verstärkt es: Der vor seiner Einlieferung innerlich schon korrupte Mensch wird seinen Mitmenschen zur Bestie, während jemand mit geistigen Prinzipien über sich hinauswächst. Die religiösen Gläubigen – und fast nur sie allein, betont Solschenizyn immer wieder! – sind innerlich ungebrochen den Weg durch die Lager Sowjetrusslands gegangen. Ihnen wurde dazu noch ein schwereres Kreuz aufgebürdet als den anderen. Ist es nicht im höchsten Maß angebracht, für diese Menschen Bewunderung zu zeigen? Sie strafen all jene Lügen, welche die Vorsehung als eine leitende Institution aufgrund der Leiden dieser Zeit für abgesetzt erklären. Machtvoll legen sie Zeugnis für den Gott der Liebe ab im Inferno des GULAG.
Klar erkennbar ist in Solschenizyns „Der Archipel GULAG“ auch die reinigende und klärende Funktion des Leidens; alle Grobheit und Rohheit des Herzens wird im Feuerofen des Leides unbarmherzig weggebrannt. Worte allein genügen in den wenigsten Fällen, um uns zur Einsicht zu bringen. „Das einzig richtige Mittel, uns Einhalt zu gebieten, ist der Schmerz, und er <Gott> weiß, wie man es anwendet. Wenn wir von jemanden verraten werden, gehen uns die Augen für die eigenen Verrätereien auf. Wenn Hunger, Pest und Krieg über uns kommen, lernen wir die ganze Niedertracht und Härte dessen kennen, was wir über die anderen gebracht haben“ (Carretto).[7] Die Hilfe Gottes für den Menschen besteht deshalb auch in Schicksalsschlägen, durch welche dessen Verkrampfung an ichhafte Ziele aufgebrochen wird. Es ist erst der Hunger, der den verlorenen Sohn zum Nachdenken zwingt: „Das ist nicht sehr schön, auch nicht stilvoll, aber so geht‘s im Leben.“[8]
Solschenizyn selbst gehört zu der Gruppe der wankelmütigen Menschen, die gerade im Lager zum Glauben gefunden haben und durch ihn innerlich stark geworden sind: „Und wenn ich über die Lauheit des Westens, seine politische Kurzsichtigkeit, Uneinigkeit und Kopflosigkeit klagen höre, so erinnere ich daran: Haben wir, bevor wir den Archipel durchlebten, etwa mehr Festigkeit, mehr Gedankenstärke besessen? Daher sage ich, zu den Jahren meiner Haft gewandt – und es wird meine Mitmenschen verwundern: SEI GESEGNET, MEIN GEFÄNGNIS!"[9]
Solschenizyn wurde die Erfahrung des Bösen in seinem Leben zum Segen. Im Ersten Petrusbrief wird es als „eine Gnade in den Augen Gottes“ bezeichnet, wenn man „recht handelt und trotzdem Leiden erduldet“. Ja, es heißt sogar: „Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt“ (1 Petr 2,20f.). Wenn uns solche Gedanken fremd vorkommen, dann vielleicht deshalb, weil wir etwas in uns verdrängt haben: die Notwendigkeit der Kreuzesnachfolge und damit der Stellvertretung im Leiden.
4. Stellvertretung im Leid
Die Antwort der Schrift auf die Frage nach dem Warum des Leides geht letztlich darauf hin, dass dieses zur Aufarbeitung der Sünde beiträgt; das Abtragen der Schuld geschieht aber nicht selten in Stellvertretung.
Schon im Alten Bund stehen im Gespräch Gottes mit Abraham die zehn Gerechten stellvertretend für die vielen Ungerechten in Sodom und Gomorra ein (vgl. Gen 18,23-33). Moses bittet in Solidarität mit dem götzendienerischen Volk Gott, an seiner Statt aus dem Buch des Lebens getilgt zu werden (vgl. Ex 32,32; vgl. auch Dtn 3,23-28). Die Propheten mussten oft bis zum Rand des völligen Zusammenbruchs die Last des sündigen Volkes tragen. Vom unschuldigen und gerechten Gottesknecht wird gesagt, dass er die Gebrechen wegen der Sünden der Vielen trägt, zu ihren Gunsten und an ihrer Stelle (vgl. Jes 53,9.11). Auch die Perikope vom stellvertretenden Leiden des guten Hirten bei Deuterosacharja weist in diese Richtung (vgl. Sach 13,7-9).
Das Evangelium kann in einem recht verstandenen Sinn in einem einzigen Wort zusammengefasst werden: hyper (griechisch), pro (lateinisch), für (deutsch). Christus hat sich für uns geheiligt (vgl. Joh 17,19) und stellvertretend den Fluch der Sünde auf sich genommen (vgl. Gal 3,31), ja er ist „für uns zur Sünde gemacht“ (2 Kor 5,21) worden. Offensichtlich darf die Sündhaftigkeit dieser Welt nicht zu leicht genommen werden. Sie wird von Gott nicht einfach übersprungen, sondern im furchtbaren Leiden seines Sohnes „hinweggetragen“ (Joh 1,29). Nur um uns seine Liebe zu zeigen, hätte der Sohn nicht auf diese grausame Weise sterben müssen; dann wäre der Vater tatsächlich ein grausamer Tyrann, der seinen eigenen Sohn grundlos so furchtbar leiden und sterben ließ.
Das Theodizee-Problem ist in zentraler Weise von der Proexistenz Christi betroffen. Wenn Christus den Kelch bis zur Neige leert „für uns“, dann leuchtet im Leid ein Sinn auf, nämlich jener, die Welt zu entsühnen. Ein objektiver Raum bleibt für alle Christen am Kreuz ausgespart und freigegeben. Für die Kirche ist zu ergänzen, „was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Das Erlösungswerk Christi findet seine Fortsetzung in dem der Kirche. „Ja, es scheint zum Wesen selbst des erlösenden Leidens Christi zu gehören, dass es fortwährend ergänzt werden will“ (Johannes Paul II.).[10] Die Proexistenz des Christen, sein Sein-für-die-anderen reicht deshalb bis in die sühnende Stellvertretung hinein. Die Hingabe des Lebens als Lösegeld für die Vielen (vgl. Mk 10,45) ist nicht nur für den Herrn reserviert. Ja, es lässt sich hier überhaupt der Sinn der Kirche in der Welt ausmachen. Sie ist nicht für sich selbst da, sondern mit Christus zusammen als sein Leib und seine Braut; sie ist sacramentum mundi (Sakrament der Welt). Einzelne Heilige durften gutmachen und stellvertretend auf sich laden, was viele in ihrer sündhaften Eigenmächtigkeit anrichteten.
Auffallend ist, dass in vielen einschlägigen Publikationen der Stellvertretungsgedanke kaum angesprochen wird trotz biblischer Begründung und lehramtlicher Fundierung. Entsprechend wird die Teilhabe des Menschen am erlösenden Leiden des Gottessohnes in der theologischen Wissenschaft kaum gewürdigt. Das ist umso seltsamer als die Verantwortlichkeit und Selbsttätigkeit des Menschen heute hoch veranschlagt wird. Die Verdrängung und geringe Beachtung dieser Thematik führte dazu, dass der theologische Begriff der Sühne „lange ein Dasein vornehmlich im Schattenreich frommer Untergrundliteratur“ (Hoffmann)[11] fristete. Wer den Stellvertretungsgedanken ablehnt, versperrt sich den sachgemäßen Zugang zu einem Verständnis der Leidbewältigung und von Kreuzesnachfolge, das bei vielen Heiligen ausgeprägt war und für unsere Zeit immer wichtiger wird. Offensichtlich muss diese verdrängte Wahrheit den Menschen wieder ins Bewusstsein gerufen werden.
Angesichts der monströsen Dimensionen des Leides in unserer Welt erhält der Stellvertretungsgedanke große Bedeutung; an ihn knüpfen sich Hoffnungen auf eine Erneuerung und Vertiefung des christlichen Selbstverständnisses. Die Relevanz der Proexistenz zeigt sich, wenn Metz auf die Frage, ob man nach Auschwitz noch beten könne, so antwortet: „Wir können nach Auschwitz beten, weil auch in Auschwitz gebetet wurde."[12] Gemeint sind damit die Gebete und Schreie der Opfer. An diesem Ort des Grauens beteten und starben auch Edith Stein und Maximilian Kolbe in Proexistenz. Aus dem Lebenszeugnis dieser beiden geht hervor, dass selbst die unmenschlichen Leiden in Auschwitz noch einmal von der Liebe Gottes unterfangen sind:
Edith Stein bat die Priorin des Karmels in Echt am Passionssonntag 1939, sich dem Herzen Jesu als Sühnopfer für den Frieden anbieten zu dürfen. Sie wusste, dass das Kreuz Christi jetzt auf das jüdische Volk gelegt wurde. „Die meisten verstünden es nicht; aber die es verstünden, die müßten es im Namen aller bereitwillig auf sich nehmen.“ Zeitzeugen hörten, wie sie zu ihrer Schwester Rosa bei der Abführung durch die SS am 2.8.1942 sagte: „Komm, wir gehen für unser Volk.“
Pater Kolbe bemühte sich, den Mithäftlingen klar zu machen, dass Gott auch in Auschwitz ist. In unbemerkten Augenblicken versammelte er diese um sich und erklärte ihnen eindringlich, dass sie nicht am Glauben verzweifeln dürften, weil sie sonst den letzten Halt verlieren würden. Für einen Familienvater ging Maximilian Kolbe in den Hungerbunker. Was bis dahin nie in Auschwitz vorgekommen war, hörte man jetzt: Aus dem Hungerbunker ertönten geistliche Lieder. Er betete mit den anderen Todeskandidaten den Rosenkranz und tröstete sie.
In opferbereiter Hingabe kann das Böse innerlich bewältigt werden. Nur so ist es möglich, gewissermaßen einen archimedischen Ort zu gewinnen, von dem aus man Herr über das Leid zu bleiben vermag. Aus den Ausführungen Solschenizyns über die Gläubigen im Lager geht hervor, dass der Weg der Stellvertretung nicht nur wenigen mit dem geistigen Format eines Kolbe oder einer Sr. Teresia Benedicta a Cruce offensteht – dann wären es in der Tat nur wenige Auserwählte –, sondern auch von vielen „normalen“ Christen beschritten wurde.
Der Vorsehungsglaube kann inmitten aller Unruhe und Umtriebe des Lebens eine große Sicherheit und ein Vertrauen schenken. Das Wissen darum, dass Gott alles gut machen kann, kann den Menschen tragen. Es ist jedoch eine fatale Täuschung, wenn dieses „Feststehen“ (Hebr 11,1) als bürgerliche Lebenssicherung verstanden wird. Gottes vorsehender Plan hat nichts mit einem großen, auskalkulierten System zu tun, das alle Eventualitäten auffängt und Risiken vorausberechnet. Dieses mögliche Missverständnis von Vorsehung wurde durch die grauenvollen Ereignisse der beiden Weltkriege gründlich ausgeräumt. Gott nimmt der Welt aber nicht ihre Härten und Ungerechtigkeiten. Gerade zu seinen Auserwählten kann er ungemein fordernd sein, das Leid in Stellvertretung für andere zu übernehmen. Wesentlich zum Glauben gehört nach biblischem Verständnis das Wagnis, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen, letztlich, sich selbst loszulassen auf Gott hin. Eine Hingabe an die Führung eines allmächtigen Vatergottes wird vom glaubenden Menschen erwartet. Zur Bewährung unserer geschichtlichen Existenz mutet er uns viel zu. „Diese Dramatik wird bleiben; sie gehört zum Menschen“ (Scheffczyk).[13]
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Hossfeld, F.-L.: Wie sprechen die Heiligen Schriften, insbesondere das Alte Testament, von der Vorsehung Gottes?, in: QD 115, Freiburg u.a. 1988, 72-93, 82.
[2] Vgl. Voltaire, F.-M.: Dictionnaire philosophique, Paris 1967, 59.
[3] Monod, J.: Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie, München 1971, 1.
[4] Nietzsche, Fr.: Die fröhliche Wissenschaft, viertes Buch, 285, in: Colli, G./Montinari, H. (Hg.): Nietzsche. Werke, Bd. V/2, Berlin New York 1973, 208.
[5] Betschart, I.: Vorsehung und Weltvertrauen. Gedanken zu einer gläubigen Welterfassung, Salzburg 1956, 29.
[6] Solschenizyn, A.: Der Archipel GULAG, Bd. 1, 2 u. 3, Reinbek 1978, Bd. 2, 566-568.
[7] Vgl. Carretto, C.: Warum, Herr? Erfahrungen der Hoffnung über das Geheimnis des Leids, Freiburg u.a. 1986.
[8] Ebd., 93.
[9] Solschenizyn: Der Archipel GULAG, Bd. 2, 561.
]10] Johannes Paul II.: Salvifici doloris, Nr. 24, in: AAS 76 (1984) 234.
[11] Hoffmann, N.: „Sühne“, ein umstrittener Grundbegriff neutestamentlicher Erlösungslehre. Erwägungen im Licht trinitarischer Kreuzesontologie, in: Internationales Institut vom Herzen Jesu (Hg.): Entwicklung und Aktualität der Herz Jesu Verehrung, Aschaffenburg 1984, 180-222, 182.
[12] Metz, J.B.: Theologie als Theodizee?, in: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee – Gott vor Gericht?, München 1990, 103-118, 111.
[13] Scheffczyk, L.: <Diskussionsbeitrag>, in: Luyten, N.A. (Hg.): Zufall, Freiheit, Vorsehung (= Grenzfragen 5), Freiburg-München 1975, 370.
Haben Leid und Leiden in Leben und Kosmos einen Sinn?
Die Theodizee-Frage als Zugang zum Glauben
Der Philosoph, Arzt und Psychotherapeut Dr. med. Dr. phil. Boris Wandruszka (geb. 1957) hat sich sein Leben lang mit dem Thema Leid beschäftigt. Schon in jungen Jahren war er mit einer schweren Krankheit konfrontiert und stellte sich existenzielle Sinnfragen. Im Lauf der Jahre entwickelte er einen philosophisch-theologischen Zugang zum Theodizee-Problem, also zur Frage nach dem Sinn des Leidens, den er „Metaphysik des Leidens“ nennt.[1] In seinem Beitrag skizziert er diesen Ansatz, der phänomenologisch grundgelegt ist und in eine Art Ethik des Leidens einmündet. Den Schlüssel bilden für ihn die verschiedenen Sinn-Dimensionen, die durch die Erfahrung von Leid ins Bewusstsein rücken können. In einem zweiten Artikel, den wir in der nächsten Ausgabe veröffentlichen, wird Dr. Wandruszka näher auf den „Sinn des christlichen Kreuzes“ eingehen.
Von Boris Wandruszka
Sechs grundlegende Dimensionen, in denen ein Sinn des Leidens aufleuchtet
Wenn, wie jetzt in der Ukraine und im Gazastreifen, Kinder, Frauen und Männer vertrieben und verletzt, verstümmelt und getötet werden, oder wenn wir selbst Unrecht erleiden, am Leben verzweifeln, die Hoffnung verlieren, vom Gefühl übermannt werden, alles sei vergeblich oder werde scheitern, dann sind wir tief betroffen, verwirrt, bedrängt und leiden, oft so sehr, dass nicht wenige fragen: Was hat das alles für einen Sinn? Das kann doch nicht sein! Das ist ja durch und durch sinnlos!
Seelische Verletzbarkeit
So verständlich dieser verzweifelt-empörte Ruf auch ist, er beweist unzweideutig, dass es in diesem gigantischen und so menschenfeindlich anmutenden Universum Wesen gibt, die innerlich betreffbar sind, die fühlen, nachsinnen und fragen, was doch bedeutet, dass es „Leben von innen her“, ja Geistiges gibt, das dem Universum, diesem Schauplatz der Zerstreutheit und Vergänglichkeit, als etwas Eigenes gegenübertritt. Betroffenheit und fühlende Resonanz, Denken und Fragen lassen sich nun aber sinnfern nicht denken, im Gegenteil offenbaren sie eine erste und grundlegende Sinndimension, die mit dem materiellen Universum niemals auf ein Maß gebracht werden kann, den Sinn der seelisch-geistigen Empfänglich- und Verletzbarkeit.
Gespür für Maß und Ordnung
Wo Wesen existieren, die so fühlen und fragen, die verzweifeln und aufbegehren, da ist entweder mit ihnen selbst oder mit ihrem Weltverhältnis etwas nicht in Ordnung.
Das aber bedeutet, dass sie schon in sich, die Philosophen sagen „apriori“, ein vages Wissen von Ordnung besitzen, von dem also, wie es sein soll (aber nicht ist), und damit eine Ahnung von Maß, Stimmigkeit, Richtschnur, Wahrheit und Gerechtigkeit haben, von deren Entstehung und Herkunft sie erst einmal nichts Genaueres wissen.
Wollte aber nun jemand ernsthaft behaupten, Ordnung, Maß, Sollen, Wahrheit und Gerechtigkeit seien sinnlose, unverständliche Dinge, auch wenn sie, zugegeben, erst durch ihre Abwesenheit so schmerzhaft bewusstwerden, so würden die meisten wohl den Kopf schütteln und darauf bestehen: „Nein, gerade dieses Maß, diese Wahrheit und diese Gerechtigkeit sind uns die sinnvollsten Dinge, durch die uns überhaupt erst alles sinnhaft wird!“ Wir stoßen also auf eine zweite grundlegende Sinndimension, den Sinn des in unserem Sein mitgegebenen Maßbewusstseins.
Transzendenter Ruf des Gewissens
Wo Lebewesen existieren, leidend, fragend, suchend existieren, die über solch ein unmittelbar gefühltes Grundwissen verfügen, das sich auf seelisch-geistige Größen und Verhältnisse bezieht, eben auf Ordnung und Maß, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden (ein Grundwissen im Übrigen, das sie sich selbst nicht gegeben haben), da gibt es Dimensionen, und zwar geistig-lebendige, die über sie hinausgehen. Dieses Drüber-hinaus nennen die Philosophen und Theologen „Transzendenz“ (transcendere = überschreiten), doch handelt es sich eigenartigerweise um ein Drüber-hinaus, das ins Hier, Jetzt und Diesseits hineinreicht, in die so genannte Immanenz des irdischen Daseins, der Welt (immanere = drinbleiben, drinsein).
Können wir aber Seinsdimensionen sinnlos nennen, die in geistiger Weise – denn Maß und Ordnung, Wahrheit und Gerechtigkeit, Frieden und Güte sind rein materiell gewiss nicht bestimmbar – in uns hineinreichen? Ja mehr noch, die, wenn wir genauer schauen und horchen, in uns erhellend und klärend, belebend und stärkend, leitend und sogar – so im Gewissensruf – richtend hineinstrahlen? Wohl kaum. Wir entdecken die hochbedeutsame dritte Sinndimension einer Immanenz, die für eine Transzendenz durchlässig ist.
Unauslöschliche Sehnsucht
Spüren und denken wir noch genauer, die Philosophen sagen „phänomenologisch“, in diese Phänomene hinein, deutet sich Weiteres, ja ganz Neues an, wenigstens spurenhaft und in Andeutung. Ich meine das, was schon Platon, Augustinus, Spinoza und viele andere beschrieben und erkannt haben, nämlich die Gültigkeit von etwas Letztem oder Erstem, von etwas Fundamentalem und Ursprünglichem, in dem sich ein Höchstsinniges (Logoshaftes) und ein Höchstwertiges (Heiliges) kundgeben? Wo also Leid ist, fühlen und denken wir wie von selbst ein höchstes Glück, eine umfassende Freude, einen unerschütterlichen Frieden, ein durchdringendes Rechtsein und Erfülltsein, das nicht wieder zerstört werden kann.
Kaum jemand wird leugnen, dass jedes Leiden zumindest mit solchen „Ungeheuerlichkeiten“ schwanger geht, und genau diese „Schwangerschaft“, diese ausstehende Geburt macht sich als unauslöschliche Sehnsucht bemerkbar, die von den genannten reinen Sinn-Möglichkeiten sozusagen geistig träumt. Das größte Sehnsuchtsgenie, Aurelius Augustinus, hat diese vierte Sinndimension wie kaum ein anderer zur Sprache gebracht: „Du (Gott) hast uns zu Dir hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ausruhen kann in Dir“ (Confessiones 1,1,1).
Wissen um absolute Werte
Nehmen wir außerdem hinzu, was jene Denker ebenfalls schon herausgearbeitet haben, dass alle Relativitäten dieses Daseins nur Sinn auf dem Hintergrund von absoluten Maßstäben machen, zeugt alles Leiden indirekt von letzten, höchsten Werten, eben von der Glückseligkeit schlechthin, von der Gerechtigkeit schlechthin, von der Liebe schlechthin, vom „ewigen Frieden“ (Immanuel Kant) usw.
Stimmt dies – und wer wollte es leugnen? –, erscheint zwar nach wie vor alles Leid vordergründig als Mangel, Schmerz, Not, Entbehrung, Unfrieden und Unglück, aber es kann dies nur, weil es das aus einem anderen, verborgenen Bezug heraus tut, dem Bezug eben zu einem Ursein, Ursinn und Urwert, die allen Mangel und alle Not, alles Unrecht und alles Leid als Mangel, Not, Unrecht Leid überhaupt erst möglich und fühlbar, ja brennend-leidvoll fühlbar machen. Wie auch könnten wir sonst z.B. an Einsamkeit leiden, wenn in uns nicht ein Wesenswissen davon bestünde, dass zum Menschsein Verbundenheit, Gemeinschaft, Austausch, Gabe und Gegengabe gehören? Es wäre ganz unmöglich. Analoges gilt von allem anderen, gilt von der Ungerechtigkeit, vom Unfrieden, vom Misslingen des Lebens usw. Die absolute Gültigkeit oder Geltung, diese fünfte Sinndimension, ist aber Sinn schlechthin.
Durst nach dem unendlichen Du
Damit noch nicht genug, waltet im Leiden unendlich mehr, und zwar vor allem dies: Leiden kann nur ein Wesen, das zum einen selbsterlebend, selbstbewusst, innerlich also aktiv lebend und zum anderen nicht fertig, nicht vollendet, sondern „auf dem Weg“ ist – denn weder der leblose Stein noch der vollkommene Gott können leiden. Ein solches Wesen nennt der Philosoph „endliches Subjekt“, „Geistgeschöpf“, „Seelenwesen“, „leibhafte Person“. Wenn nun ein solches Wesen an einem sozusagen „unendlichen“ Leid leidet, also an einem Zustand, den es selbst nicht, ja den überhaupt kein endliches Geschehen beheben kann, dann folgt logisch zwingend, dass nur ein „Überendliches“, das zugleich subjektiven Charakter hat, dazu in der Lage ist. Wie sollte auch etwa ein verhindertes, verunglücktes, tödlich missbrauchtes Leben durch irgendein endliches Ding geheilt werden können, etwa durch Materielles, durch gutes Zureden, „positive thinking“? Hier kann nur ein absolutes, ein unendliches Subjekt helfen, das wir Gott nennen und das im Christus-Heiland irdisch Mensch wurde, ein Wesen also, das wirklich in der Lage ist, eine Wunde zu heilen, die in Zeit und Endlichkeit unheilbar ist.
Somit gilt: Wo Leiden, da – im Verborgenen – Gott. Gott aber ist als letzter Grund und Quell von allem die Einheit selbst von Ursein, Urwert und Ursinn – die sechste, selbstverständlich höchstmögliche Sinndimension, in der alles Leiden sein definitives Ende findet, seinen Sabbathfrieden.
Der Mensch ist fremd in der Welt
Wenn dies stimmt, drängt sich nun aber die erst recht beunruhigende Frage auf, wie ein Wesen, das so „glückshungrig“ ist wie der Mensch, in ein solches „prekäres“ Weltall hat verschlagen werden können, ein All, das mit menschlichen Anliegen und Zielen, mit Leiden und Glück so wenig zu tun hat, das einfach nur ausgedehnt ist und nach ehernen physikalischen Gesetzen funktioniert (vgl. Blaise Pascal)? In seiner irdischen Existenz wird der leidende Mensch nämlich mit einer Weltfremdheit, einem Nichtbeheimatetsein konfrontiert, das er durch nichts, auch durch die großartigsten Erfindungen seiner Technik nicht überwinden kann. Warum ist er aber dann überhaupt hier, in dieser Welt – dort also, wo er eigentlich nicht hingehört, bzw. warum ist er nicht dort, wo er seiner tiefsten Sehnsucht nach hinpasst und sein will, in seiner Heimat: im Haus des Friedens, im Hain des Glücks, in der Grotte der Geborgenheit und Erfüllung?
Ein fundamentaler, sowohl existenzieller als auch kosmischer Widerspruch tut sich hier gähnend auf und durchzieht als fundamentaler Sinnmangel das menschliche Dasein, der erlösenden Auflösung harrend (Paulus, Röm 8,18-22). Bliebe dieser tiefste Sinnmangel unverstanden, würden alle bisher ermittelten Sinndimensionen fragwürdig und hohl. Umso mehr gilt es, seine Bedeutung und Herkunft zu erhellen (z.B. in Form der Patho-, Kosmo- und Theodizee). Versuchen wir in der gebotenen Kürze am Ende auch dies.
Gründe für die Verbannung
Alle Kulturen wissen irgendwie um unser metaphysisches Verbannt- und Ausgestoßensein, um dieses In-der-Fremde- und Verlorensein, dessen Grund sie meist nicht angeben oder nur erahnen oder in allerlei großartigen Mythen nur bildhaft umschreiben können. Handelt es sich dabei nur um Phantasterei? Wohl kaum. Und nicht nur Platon und Pythagoras, sondern auch Judentum, Christentum und Islam wissen da-rum und lehren es in ihren heiligen Schriften: Der Mensch ist keineswegs ein „verirrter Zigeuner am Rande des Universums“ (Jaques Monod), keineswegs wurde er willkürlich in die tödliche Unbehaustheit der Welt geworfen (Martin Heidegger) und unter die dunklen Mächte von Kampf, Leid, Lieblosigkeit, Zufall, Krankheit, Verfall, Einsamkeit, Verlorenheit, Schuld und Tod gegeben; im Gegenteil ist er aus „sehr guten“ Gründen dort, mindestens nämlich aus einem negativen und aus einem positivem Grund.
Urschuld und Mitverantwortung
Ausgedrückt in bildmächtigen Mythen (Homer), Erzählungen (Gertrud von Le Fort), Gleichnissen (Jesus) und Dramen (Aischylos, Sophokles, Shakespeare), fühlt der Mensch immer wieder tief, dass er an seiner „Seinskatastrophe“ (Robert Spaemann) irgendwie mitbeteiligt ist, dass eine Urschuld auf ihm lastet und irgendwie mit seinen unendlich vielen Leiden in und an der Welt zusammenhängt. Ja, sehr oft glaubt er geradezu zu spüren, dass er diese dunkle Schuld zu sühnen und mit seinem Glück und Leid, seinem Schaffen und Forschen wiedergutzumachen habe, so dass ihm dieser gesamte gigantische Weltablauf, wie schon der griechische Weise Anaximander andeutete, als ein einziger Wiedergutmachungsprozess erscheint, den er willig und tapfer, gehorsam und dankbar auf sich zu nehmen habe. In einem Lehrgedicht Anaximanders (um 610-546 v. Chr.) über das Apeiron, das Unendliche, heißt es: „Anfang und Ende der seienden Dinge ist das Apeiron. Woraus den seienden Dingen das Werden, in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie zahlen einander gerechte Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Zeit Anordnung.“
Auftrag zur Weltverwandlung
Genau darin aber, in dieser Negativität, so wird ihm bald bewusst, erfährt er die Gunst und Gnade, zu seinem wahren und vollen Geschöpfsein zu reifen und einen wahrlich positiven Weltauftrag erfüllen zu dürfen! Den Auftrag nämlich, die passiv-ausgedehnte, in ihrem Seinskern leere, gleichsam geistlose (obwohl durchaus viel Geist ausdrückende) Weltmaterie mit seinem lebendigen Ichsein, seinem personalen Geist, seiner „unendlichen Innerlichkeit“ zu füllen und so in grenzenloser Weise zu verlebendigen; weiter dann sogar durch die Entfaltung seiner seelisch-geistigen (und natürlich auch seiner technischen) Fähigkeiten von innen heraus zu „vergeisten“, d.h. sinnstiftend durch Kunst, Wissenschaft und Religion, Recht, Medizin, Therapeutik und Technik endlos zu bereichern.
Und wozu dies? Um im Endlichen das Unendliche, im Bedingten das Unbedingte, das heißt in der Welt des „endlichen“, allerdings stets grenzenlos erweiter- und vertiefbaren Geistes die Dimension des welttrans-zendenten Geistes, des göttlichen Urgeistes und Ursinnes aufleuchten zu lassen, wie das alle große Kunst und Wissenschaft, alle große Heilkunde und Religion immer getan haben und immer noch tun. Immer noch tun? Wirklich tun? Ja und nein. Denn wenn nicht alles trügt, zeigt uns die Welt heute immer deutlicher ein ganz anderes Gesicht, ein entstelltes, ja geradezu ein pervertiertes Bild vom Menschen. Wir sehen nämlich unverblümt eine Menschheit am Werk, die von jenem Urauftrag gänzlich abzufallen droht und sich immer mehr dem (Un-)Geist der Macht und des Konsums, der Technik und schrankenlosen Machbarkeit, der Medienwelt und Blendung, der Verführung, des Betrugs und der Selbsttäuschung verschreibt, philosophisch gesprochen, im Endlichen ihr Heil und ihre Erfüllung sucht, religiös gesprochen, im größten Götzendienst, den die Welt bisher gesehen, versinkt, wir könnten auch sagen: im Un-Sinn der Wertlosigkeit, die letztendlich Seinslosigkeit bedeutet und im Nichts, nihil, im Nihilismus zu verschwinden droht.
Folgen des Nihilismus
Wie in einem echten Drama, so erheben sich nun aber gerade in diesem Leben die unverbrüchlichen Sinngesetze des Seins und zeigen ihre unverfügbare, jetzt ganz andere, nicht mehr erfüllende und beglückende, sondern ihre klarstellende und richtende Seite: Was einst als schenkende Hand dargereicht war, wird zur unbarmherzigen „Nemesis des Seins“. Denn es gilt: Wer sich vom inneren, authentischen Leben abkehrt, wird unausweichlich und qualvoll innere Leere, Kälte und Zerrissenheit erleiden; wer im Anderen (und bald auch in sich) nur das auszubeutende Objekt sieht, macht sich selbst zum Objekt, das ausgebeutet wird; wem nichts mehr heilig ist, den quälen bald die „Dämonen“ des seelischen Schmutzes, Ekels und der Selbstverachtung; wer Sinn und Wert leugnet, der wird sich selbst bald als wertlos empfinden und sein Dasein als sinnlos wegwerfen.
Hieraus ist wahrlich kein Entkommen, der Ernst und Ursinn (!) des Seins lässt nämlich nicht mit sich spielen und offenbart auf diese Weise unerbittlich sein höchstes Richteramt: Gegen die (Ur-)Positivität des Lebens lässt sich nichts Positives, sondern nur Negatives, Privatives, Verfallendes, ja nur Nekrophiles setzen, die „Kultur des Todes“, wie ein Papst es nannte. Die aber ist Unheil und Leiden pur, nun allerdings nicht als erlösendes und schöpferisches, sondern als zersetzendes, als (selbst-)destruktives Leiden, das, wo es nicht umkehrt, einen unendlichen Abgrund aufreißt, in den es ohne Ende in ewigem Grauen hinabstürzt. Was türmt sich hier anderes auf als Bild und Realität der Hölle, die keineswegs, wie Jean-Paul Sartre meinte, die Anderen sind, sondern die sich die Menschen selbst erzeugen.
Unendlicher Horizont der Freiheit
Doch selbst hier waltet und zeigt sich noch der Sinn, der ungeheure Sinn nämlich unserer Freiheit, der sogar die Macht anvertraut wurde, sich von dem abzuwenden, der sie ermöglicht, um den Preis allerdings, immer unfreier zu werden. Wo sich unsere Freiheit dagegen ihrem göttlichen Ursprung und ihrer unendlichen Lebensquelle zuwendet, da taucht sie in den Horizont einer unendlichen Freiheit ein, die mit unendlicher Weite, Tiefe und Höhe, mit nicht endender Kraft, Klarheit und Schönheit beschenkt. Nur dem Sinnblinden, der sich selbst geblendet hat, kann diese unerschöpfliche Sinndimension entgehen, die er vielleicht entdeckt, wenn ihm aufgeht, dass doch das Sehen selbst staunenswerter Sinn und beglückendes Licht ist.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Zur Vertiefung: Boris Wandruszka (2023): Philosophie des Leidens. Zur Seinsstruktur des pathischen Lebens, 1. Band: Phänomenologie des Leidens, 2. Band: Metaphysik des Leidens, Alberverlag, Freiburg i.B.
Synodaler Geist im Dienst missionarischer Dynamik
Auf Kurs Richtung Oktober 2024
Wie kann die Kirche missionarischer werden? Diese Frage bestimmt das gesamte Pontifikat von Papst Franziskus. Dabei ist er überzeugt, dass die Kirche ihren Weg in die Zukunft nur auf synodale Weise finden kann. Auf allen Ebenen sollten die Gläubigen in einen dialogischen Austausch treten, um ihre Sendung entdecken und zur Entfaltung bringen zu können. Pfarrer Lorenz Rösch wagt eine Bestandsaufnahme des synodalen Prozesses der katholischen Weltkirche und arbeitet heraus, worauf es in der derzeitigen Phase bis zur zweiten Tagungsperiode der Bischofssynode im Oktober 2024 ankommt.
Von Lorenz Rösch
Die katholische Weltkirche geht weiter voran im synodalen Entdecken und Entfalten ihrer Mission. Das jedenfalls ist das Programm, das Papst Franziskus ihr aktuell ans Herz legt. Die erste Tagungsperiode der Weltsynode im Oktober 2023 hat Früchte des Weges seit Oktober 2021 gebündelt und damit wiederum Grundlagen gelegt für den Weg zur zweiten Tagungsperiode (Oktober 2024): mit einem „Brief an das Volk Gottes“ und einem umfangreichen „Synthese-Bericht“.
Eigenart und Stellenwert des weltsynodalen Prozesses
Viele, gerade in Deutschland, könnten sich fragen: Betrifft uns das überhaupt? Vielleicht auch: Sind das womöglich nur aufwändige Manöver, um den Reformdruck umzuleiten? Gewiss betrifft uns das, einfach sofern auch wir Teil der Weltkirche sind. Alle Ortskirchen (die Bistümer bzw. Diözesen) sind angesprochen; alle sind auch an den eigentlichen Synodentreffen in Rom beteiligt (zumindest indirekt, über die Synodalen aus der jeweiligen Bischofskonferenz bzw. dem jeweiligen Land). Jedoch wurde und wird in Deutschland auf nationaler wie auf diözesaner Ebene denkbar wenig getan, um den synodalen Prozess in die Breite des Kirchenvolkes zu bringen. Ein hierfür zuständiges diözesanes Synodalteam, wie vom Synodensekretariat vorgegeben, wurde teilweise gar nicht erst gebildet.
Man wollte offenbar nicht neben dem deutschen Synodalen Weg „noch einen weiteren Prozess“ starten. Einen Prozess, der ohnehin wahrscheinlich keine „Ergebnisse“ bringen würde, während in Frankfurt endlich zielstrebig auf Ergebnisse, sprich: Reformbeschlüsse hingearbeitet wurde. So blieb einem guten Teil der Katholiken nur, die Debatten über die Medien zu verfolgen und sich in den eigenen Kreisen über Themen, Textpassagen und Abstimmungsverhalten zu erhitzen. Gleichzeitig konnten manche beim Blick über den deutschen Tellerrand hinaus erstaunt feststellen, welche Dynamik der weltsynodale Prozess in anderen Ländern entfaltete. Das Synodenthema wurde für viele Katholiken weltweit zum Ereignis: Synodalität (im Dreiklang von Gemeinschaft, Teilhabe und Sendungsauftrag) nicht beschränkt bestenfalls auf das Wählen von delegierten Parlamentariern, sondern als echtes Miteinander-Gehen – „und ich mit dabei“.
So sehr auch die guten Absichten der Bischöfe, das aufrichtige Ringen der deutschen Synodalen und einzelne Beschlüsse von Frankfurt zu würdigen sind: Die deutsche Ignoranz gegenüber der Weltsynode bleibt ein Jammer und ein Skandal. Hier zeigt sich freilich auch die völlig verschiedene Denkweise diesseits und jenseits der Alpen, die einem „gemeinsamen (Vor)Gehen“ im Weg steht. Man tut sich bei uns extrem schwer zu verstehen, dass es Sinn machen kann, in erster Linie nicht auf themenzentrierte Beratungen und handfeste Beschlüsse oder Voten zu setzen, sondern auf einen hörbereiten Austausch, bei dem alle Seiten sich in der gemeinsamen Mission verbunden wissen und sich durch eine ständige Ausrichtung auf den mit-redenden Heiligen Geist führen lassen, über vorgefasste Standpunkte und fixe Ideen hinaus. Mit anderen Worten: Man tut sich bei uns nach wie vor schwer mit dem von Papst Franziskus vertretenen Grundsatz, dass es wichtiger und evangeliumsgemäßer ist, „Prozesse in Gang zu setzen anstatt Räume zu besitzen“ (Evangelii Gaudium, Nr. 223).
Die Vorgehensweise des deutschen Synodalen Weges hat gerade darin ihre Grenzen offenbart, dass sie ausgrenzend gewirkt hat: Mehrheiten haben den Standpunkt von Minderheiten disqualifiziert und den ihrigen durchgesetzt (wenn auch teilweise „unter Zähneknirschen“ abgeschwächt, um eine ausreichende Mehrheit zu finden). Und außerhalb des Kreises der Delegierten fand überhaupt kein Prozess statt; der Auftrag des Kirchenvolks war ja sozusagen durch Meinungsumfragen längst geklärt und gab die Agenda vor. Auch gegenüber Rom zieht man es vor, fertige Positionen zu vertreten und mit dem Schaffen neuer Fakten vorzupreschen, statt den Prozess mitzugehen.
In dieser Situation – die sich auch auf der unteren kirchlichen Ebene widerspiegelt – wird eine innerkatholische Ökumene dringlich. Die in den vergangenen zwei Jahren eingeübte und verfeinerte Methodik „Gespräch [oder: Austausch] im Geist“ hat dafür viel Potenzial. Und, ja, sie kann und sollte auch bei uns vor Ort eingeübt und gepflegt werden, in den Räten und darüber hinaus. Immer mit der Leitfrage aus der Anleitung des Synodensekretariats („Bis Oktober 2024“), nämlich: „Wie können wir [in unserem Bereich] eine synodale Kirche in der [gemeinsamen] Sendung sein?“ Erhellende Erfahrungen mit der synodalen Gangart könnten sogar nochmals über das Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (bis Anfang Mai) in den weltsynodalen Prozess eingespeist werden.
Der Zeitplan für die Phase zwischen den beiden Tagungsperioden
Die abgebildete Zusammenschau (siehe S. 13) der weiterzuführenden synodalen Arbeit stammt vom Synodensekretariat. Sie soll sich entlang von drei parallelen „Achsen“ (in der deutschen Fassung nicht ganz zutreffend „zentrale Punkte“ genannt) abspielen.
Zur ersten Achse heißt es im Leitfaden „Bis zum Oktober 2024“: „Die Ortskirchen und Gruppen von Kirchen sind zunächst aufgerufen, ausgehend von einer Leitfrage zur Vertiefung einiger Aspekte des Synthese-Berichts beizutragen, die für das Thema der Synode grundlegend sind: „WIE können wir eine synodale Kirche in der [uns übertragenen] Sendung sein?“ Dabei geht es immer um das „Wir“ einer konkreten Ortskirche, Gemeinde oder Gruppierung, mit konkreten Menschen. Für sie sind „die Wege und Instrumente zu identifizieren, die zu beschreiten sind, um die Originalität eines jeden Getauften und einer jeden Kirche in der einen Sendung der Verkündigung des auferstandenen Herrn und seines Evangeliums in der heutigen Welt zu stärken.“ Nochmals zugespitzter formuliert: „WIE kann die differenzierte Mitverantwortung aller Glieder des Volkes Gottes für die Sendung gestärkt werden? Welche Beziehungsformen, Strukturen, Prozesse der Unterscheidung und Entscheidungsfindung in Bezug auf die Mission ermöglichen es, diese zu erkennen, zu gestalten und zu fördern?“
Zur zweiten Hauptachse wird erläutert, es sei von ebenso großer Wichtigkeit, die in den letzten beiden Jahren in Gang gekommene synodale Dynamik zu bewahren und zu beleben, oder vielmehr, die erste Versammlung habe als Priorität benannt, die Zahl der an den synodalen Prozessen beteiligten Personen auszuweiten und bisher zutage getretene Hindernisse hierfür zu überwinden. „Zu diesem Zweck werden auch die Ortskirchen aufgefordert, den gesamten Synthese-Bericht durchzugehen und die Anregungen zu sammeln, die ihrer Situation am ehesten entsprechen. Auf dieser Grundlage werden sie in der Lage sein, die geeignetsten Initiativen zu fördern, um das ganze Volk Gottes einzubeziehen.“ Genannt werden: Weiterbildungsangebote, Studientreffen zur theologischen Vertiefung, im synodalen Stil durchgeführte Begegnungen, Suchen des Gesprächs mit der Basis, Anhörung von Menschen aus Bevölkerungsminderheiten und aus gesellschaftlichen Randgruppen, Räume oder Formate, in denen kontroverse Themen angegangen werden können; nicht zuletzt auch die Welt der digitalen Kommunikation.
Die „relevanten Themen“ (Themen von großer Relevanz und Tragweite) sind nicht eigentlich Gegenstand des synodalen Prozesses in seiner Breite, jedoch rücken sie in deren Zusammenhang unausweichlich in den Blick. Sie sind einer eigenen, dritten Achse zugeordnet. Eine Reihe solcher Themen hat die Synodenversammlung aufgelistet und in der Folge dem Papst vorgelegt. „Zu den von ihm benannten Themen werden Expertengruppen aus allen Kontinenten einberufen, die unter Einbeziehung der zuständigen Dikasterien der Römischen Kurie in einer vom Generalsekretariat der Synode koordinierten kirchlichen Dynamik synodal arbeiten werden.“ So bleibt die Arbeit an diesen Themen Teil des Prozesses und wird zugleich im notwendigen Rahmen fachlicher und amtsbezogener Kompetenz angesiedelt.
Die Weltsynode „geht“ weiter
Die oben genannten beiden Dokumente der ersten Synodenversammlung sowie die Vorgaben des Synodensekretariats für die Zeit bis zur zweiten Versammlung – und vieles mehr – können eingesehen werden unter: www.synod.va (die Hauptsprachen der Seite sind Englisch, Italienisch und Spanisch, doch wenn man die jeweiligen Dokumente aufruft, sind dort vielfach auch deutsche Fassungen verfügbar).
Einmal mehr verweist der Leitfaden für die verbleibende Zeit auf die Ansage von Papst Franziskus in „Evangelii Gaudium“ (Nr. 27): „Ich träume von einer missionarischen [Grund-]Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient. Die Reform der Strukturen, die für jede pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des ‚Aufbruchs‘ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet. Wie Johannes Paul II. zu den Bischöfen Ozeaniens sagte, muss ‚jede Erneuerung in der Kirche … auf die Mission abzielen, um nicht einer Art kirchlicher Introversion zu verfallen‘.“
In Deutschland besteht die Tendenz, genau die Ansätze missionarischer Pastoral der Introversion zu verdächtigen, während man dafür plädiert, sich einfach nur offen und lernbereit zu zeigen und ja nicht die Freiheit des anderen substanziell herauszufordern. Lässt man jedoch die ideologische Brille beiseite, ist die Introversion dieser missiophoben Kirche mit Händen zu greifen. Ein dialogisch und synodal gelebter missionarischer Geist ist hingegen ein Segen für alle Seiten. Für orts- und lokalkirchliche Gehversuche auf die synodale Art ist es ein bisschen spät, aber noch nicht zu spät.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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Das Ja des Sohnes und das Ja Mariens
Glaubensweg zur österlichen Vollendung
Bei der Theologischen Tagung zur „Bleibenden Bedeutung von Benedikt XVI.“ vom 20. bis 25. August 2023 ging Kurt Kardinal Koch, der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, auch auf die „Mariologischen Grundgedanken bei Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.“ ein. Der Sinn des Leids in der Welt und im Leben des Einzelnen erschließt sich für den Christen vom Kreuz her. Maria ist gerade darin Urbild und Mitte der Kirche geworden, dass sie am erlösenden Leiden ihres Sohnes vollumfänglich Anteil genommen hat. So ist die Kirche „nicht nur unter dem Kreuz geboren worden, sondern sie ist immer Kirche unter dem Kreuz“. Gleichzeitig leuchtet in der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, dem „eigentlichen Abschluss des Osterfestes“, bereits die „Vollendung der ganzen Schöpfung“ auf. Nachfolgend Auszüge aus dem Vortrag „Maria in der Gemeinschaft der Heiligen“.
Von Kurt Kardinal Koch
In der Gemeinschaft der Heiligen kommt Maria, der Mutter Gottes, ein besonderer Platz zu.[1] Sie bildet in der Gemeinschaft der Heiligen die „Mitte“, wie Joseph Ratzinger sehr schön bereits in dem Vortrag hervorgehoben hat, den er vor dem Konzil für Kardinal Josef Frings erarbeitet hat.[2] Der christliche Glaube verehrt Maria deshalb als Königin in der Gemeinschaft der Heiligen. Diesen Titel trägt sie in dem präzisen Sinn, dass sie „Königin im Dienst für Gott und für die Menschheit“ ist: „Sie ist Königin der Liebe, die die Selbsthingabe an Gott lebt, um in den Heilsplan für den Menschen einzutreten."[3] An Maria wird vollends sichtbar, was ein heiliger Mensch ist. Sie hat dies dadurch gezeigt, dass sie mit ihrem Leben ganz auf Gott verwiesen hat, der allein heilig ist. Denn wir Menschen vermögen allein dadurch heilig zu werden, dass wir uns ganz für Gott und seinen heiligen Willen öffnen, ihn in uns eintreten lassen und für ihn bewohnbar werden. Ein Heiliger ist ein Mensch, der so offen und empfangsbereit für Gott ist, dass Gott bei ihm ankommen, Advent halten und in ihm wohnen kann. Oder anders gesagt: Ein Heiliger ist ein Mensch, der wie und mit Maria zu leben wagt, in der Gott Wohnung genommen hat, um in unsere Welt zu kommen.
Innere Einheit der Sendung Mariens mit der Sendung Jesu Christi
Maria steht vor unseren Augen als Ikone des gehorsamen Glaubens. Ihr Glaubensgehorsam, der in ihrem Ja-Wort zu Gott zum Ausdruck gekommen ist, ist so weit gegangen, dass man mit Papst Benedikt XVI. von einer inneren Einheit zwischen den Sendungen Jesu und Mariens sprechen muss. Gemäß dem Hebräerbrief hat Jesus seine Sendung bei seinem Eintritt in die Welt mit den Worten ausgesprochen: „Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7). In gleicher Weise hat Maria als Antwort auf den Anruf des Engels ihren eigenen Willen in souveräner Freiheit in den Willen Gottes hinein gebeugt: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast (Lk 1,38).
Beim ersten Hinsehen mögen zwar das Ja des Sohnes Gottes und das Ja Mariens wie zwei verschiedene Ja-Worte erscheinen. Tiefer gesehen werden sie aber zu einem einzigen Ja verbunden, damit das Wort Gottes in Maria Fleisch werden kann. Das Wort Mariens ist in Wirklichkeit der vollkommene Widerschein des Ja-Wortes, das Jesus Christus selbst gesprochen hat, wie Papst Benedikt XVI. sehr tief interpretiert: „Der Wille Marias stimmt mit dem Willen des Sohnes in dem einzigartigen Plan der Liebe des Vaters überein, und in ihr vereinen sich Himmel und Erde, der Schöpfergott und sein Geschöpf. Gott wird Mensch, Maria wird zum ,lebendigen Haus‘ des Herrn, zum Tempel, in dem der Höchste wohnt".[4]
Was Maria und Jesus am tiefsten miteinander verbindet, ist das zweifach-eine Ja, in dessen Zusammenfallen die Menschwerdung Gottes geschehen konnte und geschehen ist. Auf Seiten Mariens zeigt sich diese innere Einheit der beiden Sendungen darin, dass sie sich mit ihrer Grundhaltung der demütigen Großherzigkeit, Gottes Willen in geschöpflicher Freiheit anzunehmen, Gott ganz übereignet und sich seinem Willen überlassen hat, wie er in seinem eigenen Sohn offenbar geworden ist.
Diese Grundhaltung Mariens zeigt sich nirgendwo so exemplarisch und so schön wie bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11). Auf die von den Gastgebern geäußerte Sorge, dass sie keinen Wein mehr haben, antwortet Maria den Dienern: „Was er euch sagt, das tut.“ Diese Antwort bedeutet konkret, dass Maria Jesus nicht um irgendetwas Bestimmtes bittet, schon gar nicht darum, er solle Wein produzieren und damit ein Mirakel wirken. Maria sieht ihre Aufgabe vielmehr nur darin, die Sorgen der Hochzeitsleute, denen der Wein ausgegangen ist, Jesus anzuvertrauen und es ihm zu überlassen, was er daraufhin tun will. Was Maria in Kana getan hat, legt ihr eigentliches Wesen aus, so dass glaubende Menschen auch heute ihre Sorgen, Nöte und Bedrängnisse Maria ans Herz legen können, weil sie im Glauben überzeugt sind, dass Maria ihre liebevolle Fürsorge uns Menschen auch heute erweist und ihre Gebetsanliegen vor ihren Sohn trägt – wie sie es bereits bei der Hochzeit zu Kana getan hat.
Wenn wir diese intime Einheit, die zwischen Maria und Jesus besteht, auf uns wirken lassen, dann fällt im Bericht über die Hochzeit von Kana allerdings ein Wort auf, das uns befremdet oder zumindest irritiert. Als Maria auf Jesus zugeht und ihm die Sorge der Gastgeber bei der Hochzeit vorträgt, spricht Jesus Maria nicht als seine Mutter an, sondern mit dem distanzierten Wort „Frau“ und fügt schroff hinzu: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4). Genau übersetzt müsste es sogar heißen: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ Es stellt sich deshalb unweigerlich die Frage, wie diese Antwort Jesu, die auf uns schroff und abweisend wirkt, zumal angesichts der zweifach-einen Sendung Jesu und Mariens, zu verstehen ist.
Eine hilfreiche Antwort hat Papst Benedikt XVI. gegeben, indem er drauf aufmerksam gemacht hat, dass Jesus mit der „Stunde“ auf das Kreuz vorausgewiesen hat, das die „Stunde der Hochzeit, die Stunde der Vereinigung zwischen Gott und Mensch“ sein wird. Denn erst am Kreuz kommt das Geschehen bei der Hochzeit zu Kana zu seiner Vollendung und wird auch der tiefste Sinn des Weinwunders Jesu offenbar. Die Hochzeit wird damit zum Bild jenes „Augenblicks, in dem Jesus die Liebe bis zum Äußersten führt, seinen Leib aufreißen lässt und so sich für immer uns schenkt, Einheit mit uns wird – Hochzeit zwischen Gott und Mensch."[5]
Mutter Jesu und Mutter der Glaubenden
Vom Kreuz her leuchtet auch der tiefe Sinn ein, dass Jesus bei der Hochzeit zu Kana Maria in der förmlichen Weise mit „Frau“ angesprochen hat. Denn auch diese Anrede weist voraus auf die Stunde des Kreuzes, in der Jesus zu Maria sagen wird: „Frau, siehe, dein Sohn“, und zu Johannes: „Siehe, deine Mutter“. Mit diesen Worten, die Jesus am Kreuz spricht, vertraut er Johannes seiner Mutter Maria an und gibt er seine Mutter dem Jünger Johannes anheim. Mit der förmlichen Anrede „Frau“ weist Jesus darauf hin, dass seine Mutter unter dem Kreuz zur Mutter aller Jünger geworden ist. In der Stunde des Kreuzes findet die Mutterschaft Mariens, die mit ihrem „Fiat“ in Nazareth begonnen hat, ihre Vollendung, indem sie in der Übergabe des Jüngers an sie durch Jesus – „Siehe, dein Sohn“ – auf alle Menschen ausgeweitet und Maria zur Mutter der Kirche geworden ist.
Am Kreuz hat freilich auch Jesus seine Sendung vollendet, wie Papst Benedikt XVI. sehr tief sagt: „Im erhabenen Augenblick der Erfüllung der Sendung des Messias hinterlässt Jesus … jedem seiner Jünger als kostbares Erbe seine Mutter, die Jungfrau Maria."[6] Bei seiner Rückkehr zum himmlischen Vater lässt Jesus in der Übergabe seiner Mutter an den Sohn die „Erstlingsfrucht der neuen Familie“ zurück, die zur „Keimzelle der Kirche und der neuen Menschheit“ werden wird.[7] Wenn es anschließend im Johannesevangelium heißt: „von jener Stunde an“ habe der Jünger Johannes Maria zu sich genommen, dann darf man darin die tiefste Wurzel der Kirche als der neuen Familie Jesu Christi erblicken. Denn der ursprüngliche Kern der neuen Familie Jesu Christi liegt in der neuen Verbindung zwischen der Mutter Maria und dem Jünger Johannes, die Jesus vom Kreuz herab gewirkt und zugleich die göttliche Mutterschaft Mariens und ihre Mutterschaft in Bezug auf die Kirche unlösbar miteinander verbunden hat. Gerade als Mutter Jesu ist Maria auch die Mutter seiner Kirche.
„Von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“ Diese übliche Übersetzung gibt freilich die eigentliche Tiefe des biblischen Wortes nicht präzis genug wieder. Denn der Evangelist will mehr sagen als bloß dies, dass der Jünger die Mutter Jesu in seine Wohnung aufgenommen hat. Genau übersetzt müsste es vielmehr heißen, Johannes habe Maria in sein Eigenes („eis tà idia“) hineingenommen, nämlich „in sein innerstes Leben, sein innerstes Sein“.[8] Dies bedeutet, dass zwischen dem Jünger Jesu – und damit jedem Jünger damals und heute – und Maria eine ganz persönliche Beziehung besteht, genauer: im Hineinlassen Mariens in das Innerste unseres geistigen und geistlichen Lebens, in dem sich immer wieder die Christusgeburt ereignen kann.
Damit leuchtet das Mariengeheimnis unter dem Kreuz Jesu auf: Jesus schenkt uns Maria, seine Mutter. Seine und unsere Mutter will jedoch nichts anderes als dies: uns zu Jesus Christus, ihrem Sohn, zu führen. Beides gehört hier unlösbar zusammen: Maria führt uns zu Jesus, und er schenkt uns Maria, damit auch wir immer mehr Maria werden:
Wie Gott in Maria Wohnung nehmen konnte, weil sie ihr „Fiat“, die Mutter Gottes zu werden, in großem Glaubensgehorsam gesprochen hat, so sind auch wir Christen heute berufen, Gottes Wohnung in der Welt zu sein und Gott zu den Menschen zu bringen. Wie das ganze Wesen Mariens darin bestanden hat, sich dem lebendigen Gott zu übereignen und sich seinem Willen zu überlassen, so sind auch wir Christen heute herausgefordert, mit unserem Leben in den Willen Gottes einzuwilligen.
Und wie Maria unter dem Kreuz die vollständige Teilhabe am Leiden ihres Sohnes zugemutet worden und sie dem größten Dunkel in ihrem Leben ausgesetzt gewesen ist, so muss auch die Kirche heute immer wieder lernen, dass sie nicht nur unter dem Kreuz geboren worden ist, sondern immer Kirche unter dem Kreuz ist.
Teilhabe an der Auferstehung im Tod
Vom Geheimnis der Gottesmutterschaft Mariens leitet sich auch ihre Aufnahme in den Himmel ab. Denn die Frau, die den Heiland geboren hat, konnte der Verwesung nicht unterworfen sein, die aus der Macht der Erbsünde kommt. Gott hat die von der Erbsünde befreite Gottesmutter auch vom Tod befreit und sie mit Leib und Seele in das ewige Leben bei ihm hineingeführt. Denn die Liebe Gottes, die allein allmächtig ist, siegt auch über den Tod als Konsequenz der Sünde und schenkt Ewigkeit. Dieses Glaubensgeheimnis hat Papst Pius XII. am 1. November 1950 feierlich verkündet. Er hat damit das in dogmatischer Gestalt zum Ausdruck gebracht, was in der Verehrung und Frömmigkeit des Gottesvolkes bereits lange zuvor als Verherrlichung Mariens gefeiert worden ist.
Das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele ist das älteste Marienfest und bildet den „eigentlichen Abschluss des Osterfestes“.[9] Wenn es verkündet, dass Christus all denen, die zu ihm gehören, an seiner eigenen Vollendung in der Auferstehung Anteil geben will, worum er selbst in seinem Abschiedsgebet seinen himmlischen Vater gebeten hat: „Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast“ (Joh 17,24). Diese frohe Verheißung gilt in erster Linie Maria, der Mutter Gottes. Sie ist die Empfangende gewesen, die mit ihrem „Fiat“ es ermöglicht hat, dass Christus in die Welt kommen konnte. Und sie ist mit ihm den Weg gegangen und ist ihm in seinem ganzen Leben und Sterben nahe gewesen. Ihr gilt deshalb zuerst der österliche Ruf Jesu zur Teilhabe an seiner österlichen Auferstehung.
Das Marienfest im August schenkt uns damit einen Blick in den Himmel. Beim Himmel handelt es sich freilich nicht um eine abstrakte Größe, sondern um jene konkreteste und wahre Wirklichkeit, die Gott selbst ist: „Gott ist der Himmel. Und er ist unser Ziel, das Ziel und die ewige Wohnstatt, von der wir herstammen und nach der wir streben“.[10] Weil Maria zur Wohnung für den Herrn in dieser Welt geworden ist, ist bei ihrem Tod nun Gott ihre Wohnung geworden, wie Papst Benedikt XVI. wiederum sehr schön sagt: „Gott ist ihre Wohnung geworden, weil sie selbst Wohnung Gottes in der Welt war, ihm in dieser Welt, da er anklopfte, Herberge gegeben hat. Nun wohnt sie in Gott; das Haus, in dem sie wohnt, ist Gott selbst. Sie wohnt einfach in dem Ozean der ewigen Liebe."[11]
Das Geheimnis der Aufnahme in den Himmel verkündet von daher auch die schöne Botschaft, dass in Gott Raum ist für den Menschen, Raum auch für seinen Leib. Denn wen Jesus Christus zu sich nehmen will, den will er ganz bei sich haben. Da wird nichts liegen gelassen, sondern alles heimgebracht. Und mit dem Leib ist für den ganzen Menschen Raum in Gott: In Maria ist „die ganze Menschheit in die Aufnahme zu Gott hineingenommen, und mit ihr die ganze Schöpfung“.[12] Indem Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist, steht sie auch als Urbild und Siegelbewahrerin der Vollendung der ganzen Schöpfung vor uns.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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[1] Vgl. R. Hangler: Juble, Tochter Zion. Zur Mariologie von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. = Ratzinger-Studien, Band 9 (Regensburg 2016); M. G. Masciarelli: Il segmo della donna. Maria nella teologia di Joseph Ratzinger (Cinisello Balsamo 2007).
[2] J. Ratzinger: Das Konzil und die moderne Gedankenwelt, in: Ders.: Zur Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils = Gesammelte Schriften. Band 7 /1 (Freiburg i. Br. 2012) 73-91, zit. 91.
[3] Benedikt XVI.: Katechese bei der Generalaudienz am 22. August 2012.
[4] Benedikt XVI.: Predigt während des Pastoralbesuchs in Loreto zum 50. Jahrestag der Pilgerreise von Johannes XXIII. am 4. Oktober 2012.
[5] Benedikt XVI.: Predigt in der Eucharistiefeier in Altötting am 11. September 2006.
[6] Benedikt XVI.: Katechese bei der Generalaudienz am 2. Januar 2008.
[7] Benedikt XVI.: Predigt in der Heiligen Messe beim Marienheiligtum „Meryem Anna Evi“ in Ephesus am 29. November 2006.
[8] Benedikt XVI.: Katechese bei der Generalaudienz am 12. August 2009.
[9] J. Ratzinger: Predigt am Fest Mariä Aufnahme in den Himmel in Regensburg am 15. August 1993, in: Ders.: Predigten = Gesammelte Schriften, Band 14/2 (Freiburg i. Br. 2018) 1221-1225, zit. 1222.
]10} Benedikt XVI.: Predigt in der Heiligen Messe am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel in Castelgandolfo am 15. August 2008.
[11] J. Ratzinger: Predigt am Hochfest von Mariä Aufnahme in den Himmel in Regensburg am 15. August 2004, in: Ders.: Predigten = Gesammelte Schriften, Band 14/2 (Freiburg i. Br. 2019) 1231-1238, zit. 1235.
[12] Benedikt XVI.: Predigt in der Heiligen Messe am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel in Castelgandolfo am 15. August 2008.
John Henry Newman – ein neuer Kirchenlehrer?
Lehrer des Gewissens
P. Dr. Hermann Geißler FSO (geb. 1965) ist Dozent für dogmatische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz, an der Theologischen Fakultät Florenz und an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom. 2023 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „John Henry Newman. Ein neuer Kirchenlehrer?"[1] Nachfolgend eine Besprechung von Prälat Prof. Dr. Helmut Moll.
Von Helmut Moll
Der Autor Hermann Geißler gilt als ein ausgewiesener Fachmann, der 1991 über das Thema „Gewissen und Wahrheit bei John Henry Kardinal Newman“ an der Päpstlichen Lateranuniversität promoviert wurde. Darüber hinaus ist er seit Jahren Direktor des Internationalen Zentrums der Newman-Freunde in Rom, das zu regelmäßigen Symposien einlädt und die Leserschaft mit bibliographischen Arbeiten zum Thema bereithält.
Die „Einleitung“ (7-11) beleuchtet die Frage, ob Newman zum Kirchenlehrer erhoben werden kann. Zwar wurde Newman auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil niemals ausdrücklich zitiert, doch seit geraumer Zeit sind Stimmen vor allem von Päpsten nach der Kirchenversammlung zu hören, „die in ihm einen möglichen Kirchenlehrer sehen“ (9). Hier zitiert Geißler Papst Johannes Paul II., der Newmans „unerschütterliche Liebe zur Kirche“ (8) hervorhebt. Sein Nachfolger, Papst Benedikt XVI., würdigt Newman nicht nur durch seine persönlich vorgenommene Seligsprechung am 19. September 2010 in Birmingham, sondern auch durch seine Erkenntnis der Wahrheit, die in Zeiten eines intellektuellen und moralischen Relativismus nicht hoch genug eingeschätzt werden darf. Papst Franziskus, der Newman am 13. Oktober 2019 in die Schar der Heiligen aufnahm, verweist auf die „Aktualität seines Denkens und Wirkens“ (9).
Die Monographie gliedert sich in sechs Kapiteln, die der Biographie Newmans folgen. „Zeuge des Glaubens: Leben und Denken Newmans“ (15-30) enthält die entscheidenden Lebensstationen, beginnend mit der „Ersten Bekehrung“, der „Konversion zur katholischen Kirche“ bis zu den „Prüfungen und Leiden“. Newman zeigt trotz allem Bedenken gegen die „neueren römischen Lehren – etwa über Maria, die Heiligen, das Fegefeuer“ (22; vgl. 32, 42-43). Denn die „anglikanische Gemeinschaft zu verlassen, fiel ihm alles andere als leicht“ (23), galt er doch in ihren Augen als „Verräter“ (25, 72, 73). „Die Väter haben mich katholisch gemacht“ (Polemische Schriften, 19), bekennt Newman, der die Church of England durch die Kirchenväter erneuern wollte (20, 27, 32, 58, 77). Zugleich wandte sich Newman gegen einen verbreiteten Liberalismus (20, 28).
Das zweite Kapitel „Die Entwicklung der Glaubenslehre“ (31-51) entfaltet die „Lehrentwicklungen im Vergleich mit Lehrkorruptionen“ und hebt deren „Aktualität“ hervor. Kapitel drei bemüht sich um die „Weitergabe der kirchlichen Lehre“ in ihren Inhalten. Das vierte Kapitel beschreibt die Entstehungsgeschichte seiner „Apologia pro Vita Sua“ auch aufgrund seiner Biographie (71-84). Kapitel fünf entfaltet kenntnisreich die „Bedeutung des Gewissens“, das sich an Gott und an das Lehramt der Kirche bindet. Im abschließenden Kapitel arbeitet Geißler die „Herzenshaltungen des Apostels“ Paulus heraus, die für Newman sinnstiftend werden sollten. Im Schlusswort fasst Geißler, der Oratorianer war, seine Einsichten kurz komprimiert zusammen.
Die Wiedergabe der Biographie Newmans darf als ebenso gewinnbringend wie detailreich interpretiert werden. Ein Hinweis fehlt: Am Ersten Vatikanischen Konzil nahm Newman trotz Einladungen, u.a. durch Paul Kardinal Cullen, nicht teil, mit dem er sich im Übrigen in der Frage der katholischen Universität überworfen hatte, äußerte Bedenken gegen eine zu rasche Definition der Unfehlbarkeit des Papstes (Brief an Bischof William Ullathorne von Birmingham vom 28. Januar 1870). Der Priester, der Newman am 9. Oktober 1845 in die katholische Kirche aufgenommen hat, ist der italienische Passionist Dominicus a Matre Dei (Domenico Bàrberi) (vgl. aber 23), der als „Apostel Englands“ gilt und am 27. Oktober 1963 von Papst Paul VI. seliggesprochen wurde.
Drei Kriterien bestimmen gemäß Papst Benedikt XIV. die Erhebung zum Kirchenlehrer: die herausragende Glaubenslehre, die hervorstechende Heiligkeit und die Erklärung durch den Papst oder durch ein Allgemeines Konzil. Die Schriften eines Kirchenlehrers müssen eine neue Dimension in die Theologie gebracht haben. Zuständig ist nach der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium (19. März 2022) das römische Heiligsprechungsdikasterium: „Es kommt dem Dikasterium zu, über die Verleihung des Titels eines Kirchenlehrers an einen Heiligen zu befinden, nachdem es das Votum des Dikasteriums für die Glaubenslehre bezüglich dessen herausragender Glaubenslehre erhalten hat“ (Art. 102). Der Papst ist in seiner endgültigen Entscheidung unabhängig und frei. – Erfüllt Newman diese Kriterien? Als Lehrer des Gewissens, dessen anthropologische Zentralität er vortrefflich herausgestellt hat, könnte für Newman der Weg geebnet werden, zur Würde eines Kirchenlehrers erhoben zu werden.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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[1] Hermann Geißler FSO: John Henry Newman. Ein neuer Kirchenlehrer?, Be+Be-Vlg. Heiligenkreuz 2023, Hardcover, 120 S., ISBN 978-3-903602-89-2; Euro 21,90; Internet: www.bebeverlag.at
Zum 100. Geburtstag von Sr. Imma Mack am 10. Februar 2024
„Engel von Dachau“
Als „Engel von Dachau“ ist Pater Engelmar Unzeitig bekannt, der 2016 seliggesprochen wurde. Im Juni 1941 kam er ins Konzentrationslager Dachau, wo er den Ruf als uneigennütziger Helfer erlangte. Als im November 1944 Flecktyphus ausbrach, meldete er sich freiwillig zur Pflege der Kranken und konnte Hunderten von Sterbenden die Sakramente spenden, auch vielen russischen Gefangenen. Schließlich steckte er sich selbst mit der tödlichen Krankheit an und starb am 2. März 1945. Mithäftlinge und Überlebende nannten ihn den „Engel von Dachau“. Studiendirektor Jakob Knab bezeichnet gerne auch Frauen als „Engel von Dachau“, welche für die Häftlinge zu Boten der Liebe wurden. Dazu gehören Christine Steinbüchler (1934-1962), die Lebensmittel und Medikamente ins Lager schmuggelte, Anna Warth (1905-1990), die Pater Josef Kentenich half, und auch Josefa Mack (1924-2006).
Von Jakob Knab
Es war ein „merk-würdiger“ Samstag, jener 4. Dezember 1982. An diesem Tag besuchte ich in Gersthofen (bei Augsburg) Pfarrer Johannes Burkhart (1904-1985), den seinerzeit einzigen noch lebenden Priester im Bistum Augsburg, der das KZ Dachau überlebt hatte. Erstmals hörte ich dabei den Namen Theodor Haecker. Pfarrer Burkhart erzählte mir auch von der geheimen Priesterweihe des Diakons Karl Leisner und von der Primiz des neugeweihten Priesters. Dabei sprach er auch voller Hochachtung von „Mädi“, dem „Engel von Dachau“, die in den Kriegsjahren 1944/45 Messwein und Hostien, Dokumente und Medikamente ins KZ Dachau geschmuggelt hatte. Mein Forscherdrang war geweckt, einige Wochen später besuchte ich Schwester Imma am Mariahilfplatz in München-Au.
Wenn heute vom „Engel von Dachau“ die Rede ist, dann sind auch diese beiden tapferen Frauen gemeint: Das Mädchen Christine („Christl“) Steinbüchler aus Dachau wurde von den KZ-Priestern „Engerl“ genannt. An der Verkaufsstelle der Plantage gab sie heimlich Lebensmittel für die Häftlinge ab. Familie Steinbüchler pflegte auch gute Kontakte zu Josefa Mack. Christine Steinbüchler starb 1962 im Alter von 27 Jahren.
Gott ruft Josefa Mack
In der Lebensgeschichte von Josefa Mack gibt es ein tiefes geistliches Erlebnis, wo sie die Nähe Gottes spürte und seinen Ruf vernahm: „Am Samstag vor dem Weißen Sonntag, da ich meine Erstkommunion feiern durfte, ging ich mit meiner Freundin Marerl in die Kirche, um Weihwasser zu holen. Wir blieben im Mittelgang stehen und sprachen laut unsere gewohnten Gebete. Marerl lief anschließend weg. Ich blieb aus einem unerklärlichen Grund noch stehen. Plötzlich fühlte ich mich von Gott durchdrungen und von ihm ganz persönlich angesprochen. Dieses Erlebnis schenkte mir ein tiefes Glücksgefühl. Ich glaube, seit dieser Stunde wusste ich, dass ich mein Leben Gott schenken sollte, in welcher Form, das wurde mir erst später klar.“
Josefa Mack, die am 10. Februar 1924 in dem Dorf Möckenlohe bei Eichstätt das Licht der Welt erblickte, wollte Schulschwester werden und bat im Kriegsjahr 1940 bei den Armen Schulschwestern in München-Au um Aufnahme. Im Januar 1942 kam sie als Kandidatin nach Freising ins Kloster St. Klara, um im dortigen Kinderheim mitzuhelfen. Da dort auch Bombenwaisen betreut wurden, bekam das Heim die Erlaubnis, bei der „Plantage“ des KZ Dachau Gemüse zu beziehen. Da der SS-Reichsführer Heinrich Himmler esoterischen Neigungen anhing, war in den Jahren 1938/39 auf dem Gelände des KZ Dachau eine Heilkräuterkultur angelegt worden. Diese „Plantage“, auf der ab März 1942 überwiegend Arbeitskommandos der Priester tätig waren, hatte eine Verkaufsstelle für die Bevölkerung. Ab Frühjahr 1944 war der junge Priester Ferdinand Schönwälder (1912-1980), der zunächst in Auschwitz inhaftiert war, im Verkaufsbüro der Plantage tätig.
Benötigen Messwein und Hostien
Ab Mitte Mai 1944 unternahm die Kandidatin Josefa Mack von Freising aus ihre wöchentlichen Wege zur Plantage des KZ Dachau. Schon bei der ersten Begegnung wurde sie von Schönwälder gebeten, wieder zu kommen und dann Messwein, Hostien und Medikamente gegen Typhus zu bringen. Für Josefa Mack (Deckname „Mädi“) begann, wie sie es selbst ausdrückte, „das schöne Werk der Caritas auf den Wegen der göttlichen Vorsehung.“ Sie schmuggelte für die deutschen Priester Briefe nach draußen und brachte Medikamente und Lebensmittel, so viel die Schwestern entbehren konnten, und – vor allem für die polnischen Priester – Hostien und Messwein. Ihr Schmuggelgut war auf dem Boden ihres Gemüsekorbs sicher aufgehoben. Selbst die SS-Wachen hätten Josefa mit dem braven und unschuldigen Gesicht nichts „Böses“ zugetraut.
Ihre wahrhaft lebensgefährliche Mission unternahm sie im Dezember 1944: Sie übermittelte Schreiben an Kardinal Faulhaber, den Erzbischof von München-Freising, mit der Bitte, dass der französische Häftling Gabriel Piguet, Bischof von Clermont-Ferrand, den schwerkranken Häftling Karl Leisner zum Priester weihen dürfe. Josefa Mack brachte die notwendigen Erlaubnisse, ebenso eine Stola, heiliges Öl und die liturgischen Texte. So konnte Diakon Karl Leisner am Sonntag „Gaudete“ im Advent 1944 heimlich zum Priester geweiht werden. Am Stephanstag 1944, einige Wochen vor der Befreiung, feierte Karl Leisner seine Primiz. An ihren Besuch beim Erzbischof erinnert sich Imma Mack so: „Kardinal Faulhaber hatte wegen der schweren Fliegerangriffe auf München im Dezember 1944 und Januar 1945 Wohnung auf dem Domberg in Freising genommen. Unsere Generaloberin vermittelte mir Ende Januar 1945 eine Audienz bei ihm. Ich brachte die schriftliche Bestätigung von der Priesterweihe Karl Leisners, die Ritualbücher und die Stola zurück. Zum Abschied segnete er mich und zeichnete mir auch ein kräftiges Kreuz auf die Lippen mit dem Wunsch, dass ich mein Schweigen in dieser gefährlichen Zeit halten könne.“
Kardinal Faulhaber würdigt Sr. Maria Immaculata Mack
Das Konzentrationslager Dachau war am 22. März 1933 vor den Toren Münchens errichtet worden. Einen Tag zuvor, am Frühlingsbeginn, hatte das NS-Regime den „Tag von Potsdam“ gefeiert, wo sich Reichskanzler Hitler vor dem Reichspräsidenten Hindenburg tief verbeugte. Im Dezember 1940 wurde im KZ Dachau der Priesterblock (Block 26) errichtet. Insgesamt wurden bis zum Kriegsende 2720 Geistliche inhaftiert. Die überwältigende Mehrheit, nämlich 1780 verhaftete Priester, stammten aus Polen; 447 kamen aus Deutschland, es waren 411 katholische Priester und 36 protestantische Pastoren. 1034 dieser Häftlinge überlebten den KZ-Terror nicht. Ende April 1945 wurde das KZ Dachau durch Soldaten der 7. US-Armee befreit.
Nach dem Ende des Krieges und der NS-Gewaltherrschaft wurde Josefa Mack von Kardinal Michael von Faulhaber öffentlich gewürdigt. In seiner Predigt sprach der Münchner Erzbischof von der „jungen Botin, die in das nächtliche Dunkel und die abgrundtiefe Not des Konzentrationslagers wagemutig Trost und Hilfe brachte, ohne an Gefahr und eigene Sicherheit zu denken.“
Ich verdanke ihr mein Leben
Im August 1945 wurde die Kandidatin Josefa Mack eingekleidet. Als sie ein Jahr später als Sr. Maria Immaculata Mack bei der Kongregation der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau ihre Gelübde ablegte, da waren auch der Priester Ferdinand Schönwälder sowie Christine Steinbüchler, das „Engerl von Dachau“, zugegen.
Überwältigt von innerer Freude war Schwester Imma, als sie Jahrzehnte später ein Schreiben des polnischen Redemptoristen Wacław Pilarczyk (1920-2005) erhielt. Nach der Befreiung wirkte er als Missionar in Argentinien. Im Herbst 1985 hatte er die Geschichte von „Mädi“, dem „Engel von Dachau“, in einer katholischen Wochenzeitung gelesen. Zu Weihnachten 1985 sandte er anrührende und dankbare Worte nach München; hier schilderte er, wie er im KZ Dachau lebensgefährlich an Typhus erkrankt war und wie er dem mutigen Einsatz von „Mädi“, die Medikamente eingeschmuggelt hatte, sein Leben verdankt.
Die Arme Schulschwester Maria Imma Mack wurde vielfach ausgezeichnet und geehrt: Für ihre Verdienste um die Anliegen der Kirche und des Papstes erhielt sie das Ehrenkreuz „Pro Ecclesia et Pontifice“. Die Bayerische Staatsregierung verlieh ihr „als Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste“ den Bayerischen Verdienstorden. Vom Bundespräsidenten wurde ihr das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Im Münchner Stadtteil Au wurde eine Seitenstraße nach Imma Mack benannt. In ihrem Geburtsort Möckenlohe erinnert eine Gedenktafel an sie. Seit März 2007 gibt es in Eching (bei München) die „Imma-Mack-Realschule“. Da sich unter den Dachauer KZ-Häftlingen viele Franzosen befanden, wurde sie als Ritterin (femme chevalier) in die Ehrenlegion Frankreichs aufgenommen. Diese Ehrenlegion ist die ranghöchste Auszeichnung Frankreichs. Aber wichtiger als öffentliche Ehrungen und Auszeichnungen war für Schwester Imma diese tiefe Einsicht aus dem Evangelium: „Armselige Knechte und Mägde sind wir. Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10). Im Juni 2006 starb Schwester Maria Imma Mack im Alter von 82 Jahren im Kloster am Mariahilfplatz in München.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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Der Publizist Friedrich von Lama – 1944 von den Nazis ermordet
Widerstand durch das Wort
Die Germanistin und Romanistin Dr. Margarete Sedlmeyer (geb. 1940) hat sich intensiv mit dem Lebenswerk des katholischen Publizisten Friedrich Ritter von Lama (1876-1944) beschäftigt. Schon früh war Lama mit seinen dezidierten Wortmeldungen ins Visier der Nazis geraten, bis er schließlich am 9. Februar 1944 im Gefängnis München-Stadelheim ermordet wurde. Sedlmeyer weist nach, dass Lama als echter Widerstandskämpfer eingeordnet werden kann. Seine schriftstellerische Tätigkeit als Buchautor und Journalist war Glaubenszeugnis und „effektiver politischer Widerstand“ zugleich. Dabei weist seine Biografie Schnittmengen mit der Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ und eine enge Verbindung zu Therese Neumann von Konnersreuth (1898-1962) auf. Als Märtyrer des katholischen Glaubens habe Lama unserer Zeit viel zu sagen, so Sedlmeyer. Heute gebe es schleichende Ansätze zu einer Meinungsdiktatur, die zum Widerstand herausfordere. Eine religiöse Überzeugung, die im Übernatürlichen verankert sei, könne die notwendige Immunität und Kraft dazu verleihen. Über Friedrich von Lama brachte sie 2022 ein Buch mit dem Titel „Widerstand durch das Wort"[1] heraus. Im nachfolgenden Artikel sind Zitate aus Lamas Schriften kursiv gekennzeichnet.
Von Margarete Sedlmeyer
„Verbrannte und Verbannte“ heißt ein Projekt, das die Liste der im Nationalsozialismus verbotenen Publikationen, Autoren und Verlage öffentlich zugänglich macht. Friedrich Ritter von Lama (04.09.1876 – 09.02.1944), einstmals einer der im deutschsprachigen Raum bekanntesten katholischen Publizisten, steht auf dieser „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aus der NS-Zeit. Heute ist Lama unter den „NS-Glaubenszeugen“ im Martyrologium der Erzdiözese München-Freising aufgeführt. Die Kriterien: gewaltsamer Tod des Opfers, Ergebenheit in Gottes Willen, Hass auf Glauben und Kirche als Motiv der Täter.
Unter diesen „Blutzeugen“ ist Lama das Beispiel für die politische Schlagkraft der mystischen, der übernatürlichen Seite des Katholizismus. Seine Waffe dazu war das Wort im Kampf gegen „den weltanschaulichen Monopolanspruch des NS-Regimes“. „Gegenüber NS-Gedankengut resistent zu sein“ und als „Staatsfeind“ sein Leben zu riskieren – das bescheinigen heute Historiker wie Dr. Andreas Heusler vor allem dem „moralisch-sozialen Milieu von Katholiken und Arbeiterschaft“. Zu Vita und Werk dieses katholischen Laien ein Blick ins Archiv Erzbischof Faulhabers und in die Gestapo-Akte.
Lebensabriss: Werdegang als Publizist und Verfolgung
Die Familie „de Lama“ (von der Kling) entstammte einem Südtiroler Adelsgeschlecht, einem „verarmten Teil eines spanisch-habsburgischen Rittergeschlechts“. Geboren 1876 in Salzburg, heiratet Friedrich von Lama 1903 in Breslau Hedwig Bernhardt (gest. 1923) und 1929 Christa Stieler (gest. 1974). Aus erster Ehe hat er zwei Kinder, seine Tochter Elisabeth (1909-1937) und seinen Sohn Franz Xaver. Dieser kommt 1911 in Rom zur Welt und stirbt 1945 an den Folgen der Inhaftierung im KZ Dachau. Lama vertritt von 1901 bis 1914 in Rom den Pustet-Verlag und ist von 1914 bis 1937 internationaler Journalist mit „Beiträgen aus der katholischen Welt“, und zwar für Kirchenzeitungen, für die bedeutende „Augsburger Postzeitung“, die „Wiener Reichspost“ und für Blätter der einstigen österreichischen Monarchie.
In der Jugend lernt er im Windthorstbund in Regensburg „Politik aus katholischer Perspektive“ kennen – im Kontakt zur Zentrumspartei, bei der sein Vater Reichstagsabgeordneter ist. Auf dem Hintergrund seiner Verbindung zum Heiligen Stuhl in Rom publiziert Lama zu Mission und Sozialeinsatz, zu kolonialer Ausbeutung, zu Bolschewismus und Kommunismus. Mit seiner Frau übersetzt er Bestseller von Benson, Sheehan und Bertran – zur Unvereinbarkeit von ideologisch-politischem Machtanspruch und christlichem Glauben: „Der Herr der Welt“, „Tristram Lloyd“, „Cäcilius“.
Im Ersten Weltkrieg arbeitet Lama von der Schweiz aus auch als deutsch-österreichischer Spion. Bis 1930 wohnt er in Füssen, die letzten 14 Lebensjahre in Gauting/München, wo sich auch sein Grab befindet.
Als Lama 1917 eine Serie zu den gescheiterten Friedensvermittlungen von Papst Benedikt XV. verfasst, dankt ihm Kardinal Faulhaber für „die Kundgebungen in dem Kampf gegen Rom, so klar aus den Quellen herausgearbeitet, so sieghaft in der Beweisführung, so allverständlich in der Form“. Am 4. Januar 1925 erwidert Lama: „… in vollster Überzeugung sage ich mir, daß meine Arbeit niemals irgendeinen Erfolg hervorzubringen vermocht hätte, wenn nicht Gott sich ihrer bedient hätte, der mit dem geringsten Werkzeuge auch Großes zu wirken imstande ist. Wie sich dabei manchmal alles zusammenschickt, läßt sich nur durch das Wirken der Vorsehung erklären.“
In den 1920er und 30er Jahren gibt Lama Schriften über Heilige, Stigmatisierte und Muttergotteserscheinungen heraus. Als allmählich kompetente Adresse für mystische Phänomene wird er ab 1927 Herausgeber der Konnersreuther Chronik. Er nennt als Zweck dieser Jahrbücher: „daß die Taten Gottes weitestens bekannt gemacht werden, der Glaube an Gott gestärkt, der Zukunft sichere Daten überliefert und der christlichen Mystik gedient wird.“ In diesem religiösen Kontext informiert Lama, in mehreren Sprachen, bis 1938 auch über „unser armes Deutschland, von äußeren Feinden bedrängt; unser innerer Feind sind Landsleute, welche Kirche, Gottesglauben, Moral, Recht, Gesittung, Schule und die Seelen der heranwachsenden Kinder mit brutaler Gewalt zerstören“ (Chronik 1929/30!). Im sog. „Widerstandskreis von Konnersreuth“ trifft Lama nun auf Journalisten wie Fritz Gerlich und Erwein von Aretin oder die Patres Ingbert Naab und Titus Brandsma. Diese lose Verbindung um Therese Neumann kümmert sich auch um konvertierte Juden wie Kaplan Bruno Rothschild oder Erna Hermann, ein Patenkind Edith Steins. Nach ihrer Konversion wohnt Hermann kurz bei Lama.
Politisch tendiert der Kreis zu einer christlich-demokratisch-monarchistischen Staatsform: Lama im habsburgisch-mitteleuropäischen Sinn, Fürst Waldburg-Zeil als Befürworter einer Alpenunion und Aretin als Mitglied im Bayerischen Heimat- und Königsbund. Es besteht Kontakt zum Harnier- und Eichstätter-Kreis, zu Bischof Graf v. Preysing in Berlin und zu NS-Politikern wie Franz Sperr, Rudolf Heß oder Ritter v. Epp.
1934 führt die Gestapo Lama als „Vertreter der Kath. Aktion, der Belange Roms und als Mitarbeiter vom ‚Geraden Weg‘“. Gerlich, der 1933-34 diese „Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“ herausbringt, stirbt im KZ Dachau; schon davor bringt Lama darin den Abdruck von „Der Herr der Welt“ in Fortsetzungen. Nach dem Verbot der Zeitung soll Gerlichs Stellvertreter, „der flüchtige Schriftsteller Wilhelm Kiefer, durch strengste Überwachung von Lamas Post“ aufgespürt werden. Trotz dieser Verordnung Heydrichs ließ Lama laut Gestapo-Akten am „1.4.34 in Gautings Häuser verbotene Druckschriften verteilen: Die Schildwache, Deutschlands Unglück 1917 – und jetzt?“
„Im Hinblick auf die stark klerikale Einstellung und die Beziehung des Ritter von Lama zu höheren geistlichen Würdenträgern des In- und Auslandes“ (Gestapo) erhält er Ende 1937 zuerst kein Visum zum Besuch seines Sohnes in Wien – stattdessen ab 1937 Schreibverbot. 1938 kommt er ein halbes Jahr in München in „Schutzhaft“, wiederum 1940. 1944 stirbt er nach drei Wochen Haft am 9. Februar in München-Stadelheim, unter Gewaltanwendung – „sanft an Herzschwäche entschlafen“ (Gestapo).
Nach unzähligen Hausdurchsuchungen, Verhören und „Schutzhaft“ war für diesen „fanatischen Katholiken und Offenbarungsmystiker“ die legale Tötung wegen offiziellen Vergehens vorgesehen: „Vatikansender gehört“ bedeutet Hochverrat. Als Teil der „politischen Kirche, als geistiges Haupt mehrerer Kreise“, versuche er „unter dem Schutz religiöser Belange eine Wiedererrichtung monarchischer Regime, um die der politischen Kirche feindliche NS-Regierungsform zu zerstören“. Nach Lamas Festnahme hatte Joseph Graf v. Soden-Fraunhofen – in einer freiwilligen Aussage – vergeblich bewiesen, dass er den Osservatore Romano legal bezogen und Lama daraus die Übersetzung gemacht hat.
NS-Terror gegen Lamas Angehörige
Zeitgleich werden zwischen 1938 und 1945 Lamas Angehörige von den NS „ausgeschaltet“. Sein älterer Bruder Karl wird 1938 in München von seinen Lateinschülern im Wittelsbacher NS- Mustergymnasium denunziert. Zuvor kommt der jüngere Bruder Camillus, Weltpriester der Diözese Augsburg, wegen seiner Predigten in die Haftanstalt Landsberg. Beide sterben an den Folgen.
Nur Lamas Frau Christa und sein jüngster Bruder, Pater Severin MSC im Kloster Hiltrup, überleben. Nach einer Hausdurchsuchung kommt dieser 1939 ins Kloster Salzburg-Liefering. Später berichtet er in der Chronik „Scholastikat“, dass dort neben geflohenen verwundeten Soldaten auch Paula Schlier, eine Sekretärin aus Hitlers Anfangszeiten, nach ihrer Konversion Unterschlupf fand.
Lamas Sohn Franz, Journalist in Wien, überlebt die Folgen der sechsmonatigen Haft im KZ Dachau nicht. Nach dem „Anschluss Österreichs“ 1938 wurde er mit führenden österreichischen Politikern, Presseleuten und Legitimisten dort eingeliefert – während sich sein Vater in München schon in Haft befand.
Politischer Widerstand auf katholischer Basis
Lamas Leben und Werk kann ohne Zweifel als politischer Widerstand auf katholischer Basis bezeichnet werden. Er durchschaut Hitler von Anfang an! Dies belegt ein Brief Lamas aus dem Jahr 1932, also noch vor Hitlers Machtergreifung. In dem Brief, der sich in Lamas Nachlass befindet, schreibt er: „Sehen Sie in dieser ganzen Bewegung den Hass gegen die katholische Kirche, gegen Rom, gegen Mitmenschen, den ständigen Gebrauch der Lüge und Verleumdung in der Agitation. Und Hitler soll ein von Gott Gesandter sein? Sehen Sie doch seinen unbändigen Stolz, seine Überhebung an, wie er alles einsetzt, damit es ihm diene, nicht aber Gott!“ (von Lama unterstrichen).
Lama analysiert die Ideologie und manipulative Taktik der NS-Bewegung. Schlüsselwörter wie Hass, Lüge und Agitation decken die politische Zielsetzung Hitlers auf, nämlich den absoluten Machtanspruch mit dem Plan, Gott und Kirche zu beseitigen. Lama verweist von Anfang an auf Parallelen zum Kommunismus/Bolschewismus, hatte er doch dazu 1929/30 Studien herausgebracht. Er entlarvt immer wieder Hitlers Lüge in der Rede vom 1. Februar 1933, zur Wiederherstellung „der geistigen und willensmäßigen Einheit unseres Volkes“ sei der Kommunismus zu bekämpfen, und zwar auf der „Basis christlicher Moral“.
So druckt Lama im Jahrbuch 1933/34 aus „Der Gral“ Informationen zu Russland von P. Muckermann SJ ab, die „ganz Europa kennen sollte. Aber sie würden als Schwindel aufgefaßt, denn Europa glaube nicht mehr an Gott“ (Lama). Laut Muckermann liege der Grund „im Materialismus – einem Denken, das nur auf sein Geschäft aus sei. Die Industriellen würden den Satan nicht sehen, den klugen Geist, wie ihn Dostojewski nannte; sie sitzen und trinken mit ihm an einem Tisch.“ Ideologien bestimmten nun an Gottes Stelle das Denken der Menschen und die Leitung eines Staates.
Lama setzt dagegen die mystische Dimension von Kirche in ihrer politischen Bedeutung ein. Er glaubt und baut auf Gottes Wirken in der Geschichte! „Es zeigt sich im Übernatürlichen, in der Überlegenheit über Naturgesetze. Wenn wir nun mittels Vernunft und Glauben erkennen, dass das Außergewöhnliche durch Gott geschieht, müssen wir unser Verhalten danach richten. Glaube verpflichtet.“ Lama sieht keinen Widerspruch zwischen Vernunft und Glaube. Himmel und Erde, irdische und überirdische Phänomene gelten ihm als Einheit (Konnersreuther Jahrbuch 1931).
Sowohl die Nationalsozialisten als auch Lama setzen „Wörter“ als publizistische Waffe ein. So benützt Hitler mystisch-religiöses Vokabular, um sein Sendungsbewusstsein herauszustellen: die „Vorsehung“ habe ihn bei jedem Attentat beschützt. Er bezeichnet sich als „Prophet“ und legitimiert die Judenverfolgung als „Projekt rassischer Selbstverwirklichung“ für ein „tausendjähriges Reich“. Laut Christopher Clark (geb. 1960), einem in Großbritannien lebenden australischen Historiker, ist dies die eschatologische Perversion des Bibelzitats, wonach das Heil mit der Bekehrung der Juden käme. Lama pariert dies auf der gleichen Stilebene. Nach dem Reichskonkordat im Juli 1933 verwendet er dazu im Jahrbuch 1933/34 z.B. eine Stelle aus dem Thessalonikerbrief: „Der Antichrist, der sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt“ (2 Thess 2,4).
Hitlers manipulativer Wortwahl und seinem „Recht der Lüge“ stellen Lama und Gerlich mit ihrer „historisch-kritischen Methode“ den christlichen Wahrheitsanspruch entgegen: Es gehe laut Lama darum, „die geschichtliche Wahrheit festzustellen, gleichviel ob’s dem einen oder anderen paßt oder nicht.“ Beide greifen frontal die Forderung der Nationalsozialisten an, „fallweise objektive Standpunkte fallen zu lassen, um unter Relativierung der Werte nicht gegen die Ziele der NS zu verstoßen“ (Völkischer Beobachter).
Als „Offenbarungsmystiker“ eingestuft trifft Lama die NS-Politik in ihrem Kern. Wörter wie „Endsieg“, „Endkampf“ u.a. – Hitlers „eschatologisches Vokabular“ (Clark) oder seine Propaganda von einem „Tausendjährigen Reich“ – erklären, warum Lama nach dem Schreibverbot ab 1937 Schriften von Hildegard v. Bingen, Voraussagen aus früheren Jahrhunderten wie die Visionen von Bartholomäus Holzhauser (1613-1658) über den Großen Monarchen und auch die Offenbarung des Johannes erforscht. Denn im Kreis um Therese Neumann hat Lama, wie er schreibt, selbst erlebt, dass mystische Phänomene als Tatsachen zu werten seien. So können sie auch als Waffe im Kampf gegen den Mythos der NS-Ideologie dienen. Gestapo-Akten und das „Scholastikat“ von Lamas Bruder P. Severin zeigen, wie ernst dies auch die Gegenseite nimmt. Aus Hitlers Privatbibliothek ist belegt, dass er Prophezeiungen in sein Kalkül mit einbezog. Briefe im Archiv von Amberg bestätigen näherhin sein Interesse an Therese Neumann.
Lamas Stellung innerhalb des christlichen NS-Widerstands
Besondere Gewichtung kommt Lamas publizistischem Schaffen als Multiplikator im In- und Ausland zu. Seine häufigen Zitate hoher Würden- und Entscheidungsträger in den Texten belegen Lamas Vernetzung und Bedeutung: verfolgt „als geistiges Haupt mehrerer Kreise“ (Gestapo), ist auch ein Indiz für die gemeinsamen Schnittmengen verschiedener christlicher Widerstandskreise.
Eine monarchistische Staatsform bot für Lama die Garantie zur Verteidigung christlicher Werte. In seiner Verbundenheit mit dem Haus Habsburg gilt er bei den Nazis als „Legitimist“. Jedoch entdecken sie seine Formulierungen auch bei anderen politisch-christlichen Gruppierungen, die ähnliche Lösungen vertreten. Unter anderem belegt dies Lamas Briefverkehr mit Erwein Freiherr von Aretin.
Mit seiner kompromisslosen Treue zu Papst und Kirche ist er einer der vielen Laien im katholischen Widerstand. Dies bringt ihm den Vorwurf des „Hochverrats als fanatischer Katholik“ ein. Mit Zitaten von Päpsten und Bischöfen macht er sich zu ihrem Sprachrohr, unterläuft damit so manches NS-Veröffentlichungsverbot. In die Chronikberichte zu 1933 ist z.B. die Aufforderung deutscher Bischöfe eingebaut: „Jeder Politik, die sich anmaßt, Gott auszuschalten, und seinen Thron beansprucht, ist Widerstand zu leisten.“
Lamas Verurteilung als „Offenbarungsmystiker“ verweist zum einen auf den Konflikt der Nazis in ihrem Anspruch auf alleinige Deutungshoheit in Punkto Religion. Sie wussten, dass Lama in der Bewertung mystischer Phänomene ein „Alleinstellungsmerkmal“ zugeschrieben wurde.
Zum anderen verweist Lamas „Sich Gottes Willen nicht verweigern, wenn er einen als Werkzeug seines Wirkens in der Welt einsetzen will“ auf den tieferen Kern, auf die christliche Gewissensbasis, wie sie auch im vierten Flugblatt der „Weißen Rose“ aufscheint: „Zu den Zeiten der höchsten Not sind Menschen aufgestanden, Propheten, Heilige, die ihre Freiheit gewahrt haben, die auf den einzigen Gott hinwiesen und mit seiner Hilfe das Volk zur Umkehr mahnten.“
Der christliche Glaube von Katholiken, Protestanten, Orthodoxen ist ein gemeinsamer Nenner im Widerstand Lamas und der „Weißen Rose“. Die Nazis wussten, warum eine grundlegende geistige Basis „auszuschalten“ war – derlei Publikationen gaben Halt, waren zu verbrennen.
Zu dieser Rolle von Gedankengut im Widerstand ein kleines Beispiel: Prof. Kurt Huber, dem jene Zeilen den Tod brachten, wohnte in Gräfelfing – wo laut Gestapo „Lama sich regelmäßig mit anderen trifft“. Lama publizierte auch in „Hochland“, kennt den Herausgeber Carl Muth und den Bibliothekar im Kloster St. Ottilien. Auf Bitten beider sichern dort Hans Scholl und Alexander Schmorell wertvolle Buchbestände für den Fall der Klosterauflösung. Sophie Scholl wohnt zuerst bei Muth und ordnet mit ihrem Bruder dessen Bibliothek. Als Medizinstudent macht dieser dann mit Schmorell im „Reservelazarett“ St. Ottilien die Famulatur. Nach dem Kriegseinsatz kontaktieren sie Prof. Huber.
Fazit: Immunität und Kraft zum Widerstand aufgrund religiöser Überzeugung
Den damaligen Kampf um die Oberhoheit im Denken illustrieren Zitate aus zwei Reden. Goebbels verlangt am 15. März 1933: „Das Volk soll anfangen, einheitlich zu denken, einheitlich zu reagieren.“ Vizekanzler v. Papen warnt 1936 in Marburg die Parteigenossen vor den Folgen solcher Befehle: „Eine auf Gewissensfreiheit aufgebaute religiöse Überzeugung lehnt es ab, sich von der Politik im Ureigensten kommandieren zu lassen. Jedes Wirken in den europäischen Raum hinein und die Erfüllung der deutschen Aufgabe im vorwiegend christlich geprägten Europa werden unmöglich.“
Lama und die Gruppe der „Weißen Rose“ lehnten, wie manch andere Laien im Widerstand, NS-Ideologie und die damit folgende Diktatur aus ihrem christlichen Glauben heraus ab. Für sie waren Religion und Gewissen nicht allein Privatsache wie heute. Sie riskierten dafür ihr Leben.
Woher schöpfen wir heute die Kraft, derlei Ansprüchen auf „Oberhoheit“ zu widerstehen? Sprach- und Gesinnungswandel in den vergangenen 80 Jahren, mangelnde Geschichtskenntnis, vielfältige Ideologien – all das erschwert heutzutage auch, die politische Bedeutung Lamas und katholischer Publizistik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als effektiven Widerstand anzuerkennen. Doch manches aus der Geschichte wiederholt sich; man sollte daraus lernen. Der Aktionskünstler Joseph Beuys drückte dies 1978 so aus: „Vor der Frage: Was können wir tun? muss der Frage nachgegangen werden: Wie müssen wir denken?“
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Friedrich Ritter v. Lama: Widerstand durch das Wort. Ein Gautinger Publizist im NS-Widerstand, Gesellschaft für Archäologie und Geschichte, Oberes Würmtal e.V. (GfAG), 200 S., ISBN 978-3-00-73166-2, Euro 15,–; erhältlich über die Gautinger Buchhdlg. Kirchheim (Tel. 089-8503511).
Adoratio Altötting 2024
Um das „Geheimnis des Glaubens“ geht es beim diesjährigen Adoratio-Kongress, der von 14. bis 16. Juni 2024 in Altötting stattfinden wird – zum bereits fünften Mal. Es ist ein Glaubenskongress, um dem Gebet, im Besonderen der eucharistischen Anbetung, neuen Raum zu geben.
Kirche neu erleben, Hoffnung bekommen, Gemeinschaft erfahren. Dafür steht Adoratio. Der Kongress zur eucharistischen Anbetung und Glaubenserneuerung findet in diesem Jahr wieder statt. „Nach der schönen Erfahrung von Adoratio im letzten Sommer, die viele Menschen als Ermutigung und Stärkung ihres Glaubens erlebt haben, freue ich mich wieder, viele in Altötting begrüßen zu dürfen“, so Ingrid Wagner, Verantwortliche für Adoratio. Neben dem Gastgeber Bischof Stefan Oster SDB (Passau) haben bereits die Bischöfe Gregor Maria Hanke OSB (Eichstätt) und Wolfgang Ipolt (Görlitz), sowie Kardinal Rainer Maria Wölki (Köln) ihre Teilnahme in Altötting zugesagt.
Der diesjährige Adoratio-Kongress beschäftigt sich mit dem Thema „Geheimnis des Glaubens“. Unter anderem sprechen hierzu Pater Dr. Johannes Paul Chavanne OCist, Prior und Pressesprecher des Stiftes Heiligenkreuz, sowie Dozent für Liturgiewissenschaft, Bernadette Lang, Speakerin und Autorin der Loretto-Gemeinschaft, der Augustiner-Chorherr Dirk Egger C.R.V., sowie Rednerin und Autorin Sophia Kuby und viele mehr.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Workshops zu den Themen Gebet, christliches Leben und Evangelisierung. Auch für junge Leute ist ein Programm vorgesehen. Zentrum der Tage in Altötting wird das gemeinsame Gebet und die Erfahrung von Gemeinschaft im Glauben sein. Neben Anbetung, Lobpreis, Eucharistiefeiern ist ein Höhepunkt die Lichterprozession um die Gnadenkapelle.
Bischof Stefan Oster lädt zum Kongress ein und freut sich auf die Begegnung mit zahlreichen Gläubigen: „Bei Adoratio erlebt man Freude am Glauben, Hoffnung und tiefe Gemeinschaft um den, der unser Zentrum ist: Jesus Christus. Ich lade Sie alle herzlich ein, nach Altötting zu kommen.“
Veranstaltungsort ist die Basilika St. Anna in Altötting. Der Ticketpreis pro Person liegt bei 50 Euro. Die Plätze sind begrenzt. Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre ist die Teilnahme am Kongress kostenlos. Familien sind herzlich nach Altötting eingeladen. Eine Kinderbetreuung ist mit vorheriger Anmeldung möglich. Auch Gruppenanmeldungen sind verfügbar. Beim Kauf von sieben Tickets gibt es eins kostenlos dazu. Einzelne Tagestickets werden ab April verfügbar sein.
Organisiert wird der Kongress vom Referat für Neuevangelisierung im Bistum Passau in Kooperation mit dem Bistum Augsburg und dem Bistum Eichstätt. Adoratio wird auch in diesem Jahr wieder über Radio Horeb, EWTN.TV und K-TV übertragen werden. Weitere Infos und Tickets unter www.adoratio-altoetting.de
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
„Mit dem Herzen Mariens“ in der Gebetsstätte Heroldsbach vom 5.-7. Juli 2024
Adoratio-Kongresse auf Expansionskurs
In Deutschland sind dieses Jahr bereits drei sogenannte „Adoratio-Kongresse“ geplant. Zu Altötting und Neuzelle wird die oberfränkische Gebetsstätte Heroldsbach dazukommen. Bekannt geworden ist der Ort durch die angeblichen Marienerscheinungen im Jahr 1949. Doch bereits 1950 hat sich die Kirche gegen deren übernatürlichen Charakter ausgesprochen. Erzbischof Dr. Karl Braun von Bamberg regelte die Situation 1998 dadurch, dass er dem Ort den Status einer „Gebetsstätte“ verlieh. So ist Heroldsbach nun offiziell eine Marianische Gebetsstätte, an der die Mutter Gottes unter dem Titel „Mutter der göttlichen Weisheit“ verehrt wird. Seit 2009 wird dort die Eucharistische Anbetung rund um die Uhr gepflegt. Der Adoratio-Kongress wird vom 5.-7. Juli 2024 stattfinden und steht unter dem Thema „Anbeten mit dem Herzen Mariens, der Mutter der heiligen Eucharistie“. Nähere Informationen unter: cvts.eu/adoratio24-heroldsbach
Von Andrea Borneis
Rom, Saint-Maximin-la-Sainte-Bau-me, Notre-Dame du Laus, La Réunion, Altötting, Toulon, Neuzelle. Die Orte dieser Auflistung könnten unterschiedlicher kaum sein, und dennoch haben sie eine wunderschöne Gemeinsamkeit: Dort hat entweder schon einmal ein Adoratio-Kongress stattgefunden oder es werden dort regelmäßig Kongresse dieser Art ausgerichtet. Die sehr erfreuliche Entwicklung der letzten Jahre gibt Anlass zur Hoffnung, dass deren Zahl weiterhin steigt und eine regelrechte Bewegung entsteht, durch die die Menschen näher zum Herzen Jesu geführt werden, der in der heiligen Eucharistie wahrhaft anwesend ist, real präsent.
Der erste Adoratio-Kongress
Den Auftakt markierte Adoratio Rom im Juni 2011. Organisatoren waren Père Florian Racine und die Priester seiner Gemeinschaft, die Missionare der Allerheiligsten Eucharistie (MSE). Hochkarätige Spezialisten, darunter sechs Kardinäle aus der Weltkirche, referierten zu dem Thema „Von der eucharistischen Anbetung zur Evangelisierung“. Bei sämtlichen Programmpunkten wurde die Aufmerksamkeit des internationalen Teilnehmerkreises auf jene Voraussetzung für die Verkündigung gelenkt, mit der erfahrungsgemäß besonders viele Gnadenströme einhergehen: auf die eucharistische Anbetung.
Bei ihrer sehr segensreichen Arbeit lassen sich die Missionare der Allerheiligsten Eucharistie immer wieder von ihrem Patron inspirieren, dem hl. Pierre-Julien Eymard. Dieser große französische Apostel der heiligen Eucharistie hatte genau das erlebt, worum es beim ersten Adoratio-Kongress ging. Zu seinen Lebzeiten, also im postrevolutionären Frankreich des beginnenden 19. Jahrhunderts, erweckte so ziemlich alles den Anschein, als sei dort die lange Geschichte des Christentums an ihrem Ende angekommen. Es herrschte eine dramatische Gottesferne. Doch – oh Wunder – überall da, wo Jesus Christus in der heiligen Eucharistie angebetet wurde, vorzugsweise rund um die Uhr, flossen die Gnaden in Strömen und die Kirche blühte tatsächlich wieder auf.
Weitere Adoratio-Kongresse
Von 2014 bis 2018 fanden die Adoratio-Kongresse der Missionare der Allerheiligsten Eucharistie im südfranzösischen Saint-Maximin-la-Sainte-Baume statt, wo sie beheimatet sind und wo sich gemäß der Tradition die Grabeskirche der hl. Maria Magdalena befindet, jener großen Liebenden, die als prominenteste Zeugin der Auferstehung Jesu von Papst Franziskus zur Apostelin der Apostel erhoben wurde.
Gott hat dieser offiziellen kirchlichen Gemeinschaft von Priestern das Charisma geschenkt, die ewige eucharistische Anbetung in Pfarreien zu fördern, was ihnen sehr gut gelingt. Bei den – je nach Wunsch – in Französisch, Englisch oder Deutsch durchgeführten Missionseinsätzen werden interessierte Gläubige zuallererst angeleitet, Jesus mehr zu lieben, denn ohne Liebe gibt es keine Anbetung.
Im Jahr 2019 sprang der Funke nicht nur auf die im Indischen Ozean gelegene französische Insel La Réunion über, sondern auch nach Altötting. Dass dieses bayerische Marienheiligtum Austragungsort eines Adoratio-Kongresses wurde, haben wir Bischof Dr. Stefan Oster SDB und dem Referat für Neuevangelisierung des Bistums Passau zu verdanken. In Frankreich ging es danach zunächst im Marienwallfahrtsort Notre-Dame du Laus weiter, später in Toulon. Dank der Offenheit von Bischof Wolfgang Ipolt und P. Isaak Maria Käfferlein OCist kam in Deutschland im Jahr 2022 Adoratio Neuzelle hinzu.
Adoratio Heroldsbach 2024
Dieses Jahr wird es im deutschen Sprachraum zusätzlich zu Adoratio Altötting und Adoratio Neuzelle ein Adoratio in der oberfränkischen Gebetsstätte Heroldsbach geben, und zwar vom 5.-7. Juli 2024. Das Thema „Anbeten mit dem Herzen Mariens, der Mutter der heiligen Eucharistie“ und die Referenten aus Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA, die die eucharistische Anbetung allesamt lieben und damit viel Erfahrung haben, lassen ein Anbetungswochenende erwarten, von dem viele Gnaden ausgehen.
Den Organisatoren von Adoratio Heroldsbach 2024 ist es ein Herzensanliegen, die Gläubigen an die Dringlichkeit der eucharistischen Anbetung zu erinnern, um unsere Gemeinden und unsere Welt durch Jesus Christus zu erneuern. Dass auf diese Weise Erneuerung stattfindet, hatte bereits der heilige Papst Johannes Paul II. in einem Brief an Bischof Albert Houssiau von Lüttich zum 750. Jahrestag der Einführung des Fronleichnamsfestes am 28. Juni 1996 geschrieben: „Durch die Anbetung trägt der Christ auf geheimnisvolle Weise zur radikalen Veränderung der Welt und zum Aufkeimen des Evangeliums bei. Wer zum Erretter betet, zieht die ganze Welt mit sich und erhebt sie zu Gott. Wer anbetend vor dem Herrn kniet, erfüllt daher einen außerordentlich wichtigen Dienst. Er bringt diejenigen vor Christus, die ihn nicht kennen oder die weit von ihm entfernt sind. In ihrem Namen wachen sie vor ihm.“
Maria, die Mutter der Heiligen Eucharistie
Beim Nachdenken über die heilige Eucharistie stellen wir fest, dass uns zentrale Bereiche dieses großen Geheimnisses unseres Glaubens verschlossen bleiben, wenn wir nicht die Muttergottes in unsere Überlegungen einbeziehen. Mutter und Sohn gehören zusammen, was die hl. Mutter Teresa von Kalkutta in unübertrefflicher Prägnanz und Schnörkellosigkeit zum Ausdruck gebracht hat: „No Mary, no Jesus!“ Ohne Jesu Menschwerdung, an der die Jungfrau Maria entscheidend mitgewirkt hat, gäbe es dieses Sakrament nicht.
In ihr geschah das erste Wunder der Wandlung. Das Wort Gottes war in ihrem Herzen so fest verankert, dass das ewige Wort (vgl. Joh 1,1-3) in ihr in der Kraft des Heiligen Geistes Fleisch werden konnte. Sie glaubte bedingungslos, was der Engel ihr sagte, sodass man sie als ersten Tabernakel bezeichnen kann, als ersten Ort, wo Gott leibhaftig anwesend war. Zudem war sie die erste Missionarin, schon kurz nach der Verkündigung lief sie eilig durch das karstige Bergland von Judäa zu ihrer Cousine Elisabeth, die trotz ihres hohen Alters ebenfalls einen Sohn erwartete. Ihr wollte sie beistehen, mit ihr wollte sie die Freude über die ungeheuerliche Nachricht teilen, ihr wollte sie Jesus bringen.
Als Mutter Jesu ist sie natürlich auch die Mutter der heiligen Eucharistie, in der ja derselbe Jesus gegenwärtig ist, der vor zweitausend Jahren auf unserer Erde gelebt hat. Sie war auch seine erste Anbeterin. Die Liebe und Ehrfurcht, die Maria ihrem göttlichen Kind in der Krippe erwies, war so groß, dass die Heiligen Drei Könige daran erkannten, dass sie am Ziel ihrer Reise angekommen waren.
Der hl. Pierre-Julien Eymard bat seinerzeit im Vatikan darum, ihr den Ehrentitel Unsere Liebe Frau vom Allerheiligsten Sakrament zu verleihen. Dieser Bitte kam der heilige Papst Pius X. (1835-1914), der Papst der heiligen Eucharistie, sehr gern nach. Er gewährte sogar einen Ablass, wenn wir die Muttergottes in dieser Form anrufen: „Unsere Liebe Frau vom Heiligsten Sakrament, Mutter und Vorbild der Anbeter, bitte für uns, die wir dich um Hilfe anflehen!“
Da niemand Jesus mehr geliebt hat als die Muttergottes, ist sie für den Prozess des Wachstums der Liebe zu unserem eucharistischen Herrn die beste Ratgeberin, die man sich nur wünschen kann. Ihr oberstes Ziel ist es, jeden Menschen zu ihrem Sohn zu führen. Noch heute – wie damals in Kana – fordert sie uns auf: „Tut, was er euch sagt!“ (Joh 2, 5). Und was sagt er? „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!“ (Mt 11,28).
Indem wir ihrer Herzenshaltung nachspüren, stellen wir fest, dass sie – wie es Papst Johannes Paul II. ausdrückte – eine „von der Eucharistie geprägte Frau“ (EdE, 53) ist. Das gesamte Wesen Jesu Christi ist Hingabe, und Maria ist ihrem Sohn so nahe, dass seine Hingabe mit ihrer Hingabe synchron ist. Wie überaus glücklich muss sie gewesen sein, als das kleine Herzchen des Jesuskindes anfing, im Takt mit ihrem eigenen zu schlagen. Diesem Gleichklang der Herzen entsprach eine wunderbare Übereinstimmung in den Wünschen und den Gefühlen, denn ein Einswerden in der Liebe ist immer auch ein Einswerden des Willens.
Ausblick
Eine nachhaltige Neuevangelisierung muss unbedingt mit einer Erneuerung der Wertschätzung der heiligen Eucharistie einhergehen, besonders mit einer Intensivierung der eucharistischen Anbetung. Die US-amerikanischen Bischöfe haben das erkannt und sind uns in dieser Hinsicht Vorbilder. Sie starteten im Jahr 2022 ein auf drei Jahre angelegtes Programm, das ein National Eucharistic Revival, eine nationale eucharistische Renaissance zum Ziel hat. Ein starkes Zeichen der Hoffnung.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
Engelbert Recktenwald: Wirklichkeitserschließendes Sollen
Das Gewissen als Quelle der Erkenntnis
Pater Engelbert Recktenwald widmet sich als Priester seit jeher philosophischen Fragestellungen, die den Sinn des Lebens und die Gottesfrage berühren. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit dem moralischen Selbstverständnis des Menschen. Denn er ist überzeugt, dass der sittliche Anruf, den jeder Mensch in seinem Gewissen erfährt, eine Tür zur Erkenntnis der Wahrheit öffnet, also eine Chance darstellt, die genützt werden will. In diesem Sinn hat Immanuel Kant vom „Primat der praktischen Vernunft“ gesprochen und schon Anselm von Canterbury das Empfinden des moralischen Werts als Weg der Erkenntnis gesehen. Dr. Michael König stellt nun das Buch „Wirklichkeitserschließendes Sollen"[1] von Pater Recktenwald vor, das 2023 erschienen ist. Der Verlag Karl Alber schreibt dazu: „In diesen Aufsätzen zeigt Recktenwald im konstruktiven Dialog mit zeitgenössischen Philosophien, dass diese Chance kein Trug ist, sondern nur darauf wartet, zugunsten eines menschenwürdigen Bildes vom Menschen ergriffen zu werden.“
Von Michael König
„Wirklichkeitserschließendes Sollen“, das ist der Titel der neuesten Publikation von P. Engelbert Recktenwald. Für einen begeisterten Dilettanten, also – im Wortsinn – einen Liebhaber und sinnsuchenden Flaneur in den Gefilden der Philosophie und Theologie wie mich, ist es eine aufregende Initiation in die verborgenen Schichten dessen, was unserem Willen und unseren Entscheidungen vorgängig ist.
Fichte: „Aus dem Gewissen stammt die Wahrheit!“
Der Autor schreibt in seinem Prolog: Als „ich als Student vor über vierzig Jahren durch die Vertiefung ins transzendentalphilosophische Denken in die quälende Krise des Bodenlosen geriet, in den ‚Sturz der Realität‘ (Fichte), wurde mein Philosophieren tatsächlich ein Philosophieren aus Not. Die Erlösung kam durch eine Erkenntnis, die ich nicht aus Büchern gewann, nach der ich dann aber in Büchern fahndete. Ich wurde fündig. Treffend fand ich sie bei Fichte ausgedrückt: ‚Aus dem Gewissen allein stammt die Wahrheit.‘ So ist es! Mit dem Gewissen ist hier die elementare Sollenserfahrung gemeint (…) Fast alle meine Texte sind Variationen dieses Themas. Dass das Gewissen zu einer Quelle der Gewissheit wird, die sich uns nicht in Form eines unabschüttelbaren Denkgesetzes aufdrängt, sondern nur in Freiheit ergriffen werden kann, wurde für mich zu einer Wahrheit, die nicht nur gedacht, sondern auch gelebt werden will.“
Das Buch ist eine Kompilation von neun Aufsätzen. Schon der erste Aufsatz über die Bedeutung der ursprünglichen moralischen Intuition, d.h. der Evidenz intrinsischen bösen Handelns, und die Kraft, welche daraus dem Widerständler gegen ein totalitäres Unrechtsregime zuwächst, zeigt eine Methode an, die der Autor in vielen der anderen Texte exerziert: es werden moralische Systeme analysiert, die scheinbar die Ablehnung des Bösen teilen, es aber dennoch legitimieren, indem sie eben diese moralische Intuition fragwürdig machen.
Das Zwei-Ebenen-Modell von Richard Hare
So z.B. das Zwei-Ebenen-Modell von Richard M. Hare, im deutschsprachigen Raum von Peter Schaber vertreten, wonach es zwei Ebenen des moralischen Denkens gäbe. Einmal eine intuitive für Durchschnittsbürger in alltäglichen Situationen. Es gibt aber moralische Konfliktfälle, in denen die Berufung auf Intuitionen allein nicht weiterhilft. Recktenwald weist auf die Gefahr hin, wenn die zweite, nämlich kritische Ebene „dazu dient, die Intuitionen als letzte Quelle moralischer Erkenntnis auszuhebeln und an ihre Stelle ein konsequentialistisches Nutzenkalkül zu setzen.“ Der Konsequentialist weiß, dass das moralisch Gute das ist, was den Interessen von Personen dient. So bestimmt Schaber das Gute. Er exemplifiziert das am Beispiel der Freundschaft, die für ihn einen „bloß instrumentellen Wert“ hat. „Der moralische Grund, solche Beziehungen zu pflegen, liegt für den Konsequentialisten nicht in der Freundschaft selbst, sondern in ihrem Beitrag zur Wertmaximierung“.
Aus einem Beispiel, das Robert Spaemann berichtet: „Die Nationalsozialisten stellten einen Polizisten vor die sadistische Alternative, eigenhändig ein zwölfjähriges jüdisches Mädchen zu erschießen oder in Kauf zu nehmen, dass zehn andere Juden erschossen würden. Der Polizist schoss. Er glaubte, die Verantwortung zu haben für den Tod der anderen, wenn er nicht geschossen hätte. Anschließend landete er in der Psychiatrie. Nein, er hätte diese Verantwortung nicht gehabt. Er hatte in diesem Augenblick nur die Verantwortung für das Kind.“
Schabers Konsequentialismus kann die Sorge, sich nicht am Tod des Mädchens schuldig zu machen, „als eine Form der Selbstgefälligkeit“ verstehen. Was intuitiv als Unrecht erscheint, kann in diesem Zwei-Ebenen-Modell als eine moralisch gute Handlung betrachtet werden. Auf dieser Umkehrung beruhte auch der Erfolg des berühmten Milgram-Experiments, das den Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Bestrafung zu erforschen vorgab und bei dem die Mehrzahl der Probanden bereit war, dem angeblichen Schüler immer stärkere Stromschläge zu versetzen bis zum vermeintlichen Tod. Die Versuchsleiter konnten Gewissensbisse mit dem Hinweis auf die alternativlose Notwendigkeit des Versuchs für die Wissenschaft „beruhigen“.
Recktenwald: „Hier zeigt sich: Die Akzeptanz des konsequentialistischen Nutzenkalküls geht mit der Anfälligkeit für kriminelle Verführung Hand in Hand. Ebenfalls damit verbunden ist die Bereitschaft, das eigene Gewissen an die Autorität der im Versuchsleiter verkörperten Wissenschaft zu delegieren. Das Zwei-Ebenen-Modell bietet für solche Entmündigung die ideale Grundlage. Von einer Autonomie der praktischen Vernunft kann keine Rede mehr sein, moralische Erkenntnis wird zum Expertenwissen.“
Dem Autor gelingt es, die entscheidende Bedeutung des Gewissens als moralischen Maßstab vor und über jeder Theorie, bzw. Ideologie, zu beweisen. Auch in den weiteren Aufsätzen werden scheinbar geschlossene Theorien gründlichst durchleuchtet und die inhärenten Gefahren eines materialistischen, naturalisierenden Menschen- und Weltbildes drastisch und, in den Gedankenschritten, auch für Laien transparent vor Augen geführt.
Joseph Ratzingers Gotteshypothese
Ein Aufsatz, der mich besonders positiv angeregt, ja begeistert hat, betrachtet „Joseph Ratzingers Gotteshypothese“ und einige Reaktionen darauf. Es geht um einen Vortrag von Kardinal Ratzinger über die Errungenschaften und Grenzen der Aufklärung, in dem er „unseren Freunden, die nicht glauben, den Vorschlag machte, so zu leben, veluti etsi Deus daretur – als ob es Gott gäbe“ – scheinbar eine bloße Umkehrung des aufklärerischen Mottos „etsi Deus non daretur“. Nun wollten viele Aufklärer ihren Atheismus nicht als Freibrief für Sittenlosigkeit verstehen, sondern die Moral von metaphysischer Spekulation befreien.
Ein Zitat von Joseph Ratzinger liefert die Grundlage für die weiteren Erörterungen: Der Mensch „ist in die Brunnenstuben des Seins hinabgestiegen, hat die Bausteine des Menschseins entziffert und kann nun sozusagen selbst den Menschen montieren, der dann nicht mehr als ein Geschenk des Schöpfers in die Welt tritt, sondern als Produkt unseres Machens und damit auch nach den selbstgewählten Bedürfnissen selektiert werden kann. Über diesem Menschen leuchtet dann nicht mehr der Glanz der Gottebenbildlichkeit, der ihm seine Würde und seine Unantastbarkeit gibt, sondern nur noch die Macht des menschlichen Könnens.“
Jürgen Habermas, ein Protagonist gegenwärtiger aufklärerischer Philosophie muss nun versuchen, diese Idee der Gottesebenbildlichkeit in säkulare Sprache zu übersetzen. Er schreibt: „Bei Kant findet die Autorität göttlicher Gebote in der unbedingten Geltung moralischer Pflichten ein unüberhörbares Echo.“ Damit fragt er, „da ja für das aufgeklärte Denken die Autorität göttlicher Gebote entfällt“, aus welcher Quelle die moralischen Unbedingtheiten ihre Autorität haben.
Dann zitiert der Autor Habermas‘ „älteren Kollegen aus der Frankfurter Schule, Max Horkheimer, der zur Kritischen Theorie bemerkt: ‚Sie weiß, daß es keinen Gott gibt, und doch glaubt sie an ihn.‘ Die kategorische Verurteilung des Mordes etwa setze eine ‚letzte Autorität‘ voraus, die ihn verbiete. Das bedeutet: Wenn der Gang der Ideen seit der Aufklärung das Projekt einer atheistischen Moral zum Scheitern gebracht hat, dann muß man in Sachen der Moral wenigstens so tun, als ob es Gott gäbe – also genau das, was Ratzinger vorgeschlagen hat.“
Sinnsuche angesichts von Unrecht und Leid
Horkheimer geht noch weiter. Er bezieht sich in der Sinnfrage auf Gott: „Einen unbedingten Sinn zu retten ohne Gott, ist eitel.“ Habermas versuchte, das zu widerlegen. „Gelungen ist ihm das nur für einen begrenzten Sinn von ‚Sinn‘, nämlich in Bezug auf die Geltung von Wahrheitsansprüchen in Behauptungen. Deren Unbedingtheit führt jeden Wahrheitsrelativismus zu einem performativen Widerspruch. Um das einzusehen, braucht man keinen Gott. Doch dadurch ist nichts gewonnen für die Frage nach dem Sinn des Lebens und dem möglichen Sinn der Moral in einem sinnlosen Leben. Das Problem, das Habermas bedrückt, ist der Schatten, den nicht wiedergutzumachendes Unrecht und das Leiden seiner Opfer auf alle Anstrengungen wirft, dem Leben des Einzelnen wie auch dem Gang der Geschichte einen Sinn abzugewinnen. Welchen Sinn kann das Leben im Ganzen haben, wenn jede Hoffnung auf Wiedergutmachung zum Scheitern verurteilt ist, wenn das Unrecht, das die menschliche Geschichte durchwaltet, das letzte Wort hat? Diese Leere kann Habermas nicht ausfüllen. Ebenso wenig findet er eine Antwort auf die Frage, wie sich die Geltung der Moral angesichts solcher Sinnlosigkeit soll behaupten können.“
Gerne würde ich noch weiter aus den luziden Erörterungen des Autors zitieren, das möge doch den hoffentlich zahlreichen Lesern dieses großartigen Buches angelegen sein. Dazu möchte ich meine ungeminderte Empfehlung aussprechen.
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
[1] Engelbert Recktenwald: Wirklichkeitserschließendes Sollen, Verlag Karl Alber 2023, 157 S., brosch., 34,00 Euro, ISBN 978-3-495-99511-2; Tel.: +49 (0) 7221 2104-0; Internet: www.nomos-shop.de/karl-alber/
„Jesus, ich vertraue auf Dich!“
Die zentrale Feier des Festes der göttlichen Barmherzigkeit findet jedes Jahr am Sonntag nach Ostern (Weißer Sonntag) statt. Die Feier dieses Sonntags geht auf die hl. Sr. Faustina Kowalska, eine polnische Ordensfrau, zurück, die als „Botin der göttlichen Barmherzigkeit“ gilt. Am Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit steht also im Zentrum, dass Gott uns sein Herz schenkt. Die Feier des Sonntags der göttlichen Barmherzigkeit wurde im Jahr 2000 von Papst Johannes Paul II. in Verbindung mit der Heiligsprechung von Sr. Faustina Kowalska (1905-1938) eingeführt. Die Ordensfrau in der Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit hatte von Gott den Auftrag erhalten, den Glauben an die Barmherzigkeit Gottes neu in der Kirche zum Leuchten zu bringen. Papst Johannes Paul II. entsprach diesem Auftrag durch die weltweite Einführung des Barmherzigkeitssonntags mit der Empfehlung, der Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Barmherzigkeit Gottes dürfen wir auf vielfältige Weise in unserem Leben erfahren, ganz besonders im Sakrament der Eucharistie und im Sakrament der Versöhnung. Deshalb spielen diese beiden Sakramente am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit auch eine große Rolle. Wir sind auch aufgerufen, diese Barmherzigkeit an andere weiterzuschenken – in Wort, Tat und Gebet. (Bistum Augsburg/Evangelisierung)
Weitere Informationen zu finden unter www.heiligefaustina.de sowie unter
www.horeb.org/programm/news-beitraege/details/news/schwester-faustyna-verkuenderin-der-barmherzigkeit-gottes/
Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 4/April 2024
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