Globalisierung im Licht der Evolution

In seinem Beitrag behandelt Pfr. Erich Maria Fink die neue Enzyklika „Caritas in veritate“. Sie wurde von Papst Benedikt XVI. am 29. Juni 2009, dem Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, unterzeichnet und trägt den Untertitel „Über die ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und der Wahrheit“. Der nachfolgende Kommentar geht von einem zentralen Gedanken aus, der das theologische und philosophische Schaffen des Papstes bzw. Joseph Kardinal Ratzingers von Anfang an geprägt hat: die evolutionäre Deutung der Welt- und Heilsgeschichte. Es ist überraschend, dass die bisherigen Besprechungen keinen Hinweis auf diesen Interpretationsschlüssel enthalten.

Von Erich Maria Fink

Papst Benedikt XVI. hat am 29. Juni 2009 seine dritte Enzyklika veröffentlicht und sie bewusst in die Reihe der sog. „Sozialenzykliken“ der Kirche hineingestellt, die mit Rerum novarum (15. Mai 1891) von Papst Leo XIII. ihren Anfang nehmen. Vor allem aber sieht Benedikt XVI. sein Rundschreiben als Weiterführung der Enzyklika Populorum progressio von Papst Paul VI., welche kurz nach dem II. Vatikanischen Konzil am 26. März 1967 erschienen ist. Wie die ersten Worte andeuten, geht es darin um „die Entwicklung der Völker“. In seinem neuen Dokument knüpft der Papst vor allem an diesen Gedanken der „Entwicklung“ an.

Es mag zunächst etwas befremdlich erscheinen, das als „Sozialenzyklika“ verstandene Schreiben des Papstes unter dem Thema zu behandeln: „Die Globalisierung im Licht der Evolution“. Ich bin jedoch überzeugt, dass der „evolutionäre“ Ansatz im philosophischen und theologischen Denken Joseph Ratzingers den entscheidenden Interpretationsschlüssel für das richtige Verständnis der neuen Enzyklika „Caritas in veritate“ – „Die Liebe in der Wahrheit“ bietet. Gerade darüber scheinen manche Kommentatoren gestolpert zu sein, die in dem päpstlichen Dokument eine Handreichung für Unternehmer oder Ökonomiefachleute zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise erwartet haben. Ähnlich offenbaren enttäuschte Reaktionen aus den Reihen der christlichen Sozialwissenschaftler ein gewisses Unverständnis. Auf der Suche nach systematisch entfalteten sozialethischen Grundsätzen empfinden manche die philosophisch-theologische Gedankenführung des Papstes als langatmig und mühsam. Auch ist es kein Wunder, dass oft nur von „Verfassern“ gesprochen wird, als ob mit Gewissheit davon auszugehen sei, dass Benedikt XVI. diese Enzyklika nicht selbst verfasst habe. Für einzelne Ausführungen zu konkreten wirtschaftlichen oder sozialpolitischen Problemstellungen mag dies vielleicht zutreffen, doch der gesamte Rahmen, in den die Enzyklika das Thema Globalisierung hineingestellt hat, ist theologisches Urgestein des heutigen Papstes. Ich möchte versuchen, diesen Rahmen ein wenig abzustecken.

Die Evolution: Darwin und Ratzinger

Einen ersten Blick werfen wir auf den britischen Naturforscher Charles Darwin, der heuer mit einem zweifachen Jubiläum aufwarten konnte. Zum einen wurde er vor 200 Jahren geboren, zum anderen veröffentliche er vor 150 Jahren sein Hauptwerk „On the Origin of Species“ über die „Entstehung der Arten“. Mit dieser Abhandlung begründete er die sog. „Evolutionslehre“, die wie kaum eine andere Idee die Wissenschaft in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten beschäftigt. Verständlicherweise entfachte das Darwin-Jahr 2009 ganz neu die Diskussionen um die Bedeutung der Evolutionslehre. Schon im Vorfeld widmete ihr auch Papst Benedikt XVI. eine besondere Aufmerksamkeit, und zwar im Rahmen eines Treffens seines Schülerkreises vom 1.-3. September 2006. Das Ergebnis wurde in dem Buch „Schöpfung und Evolution. Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castelgandolfo“ (2007, Augsburg) veröffentlicht. Im ausführlichen Vorwort (Seite 7-22) legt Christoph Kardinal Schönborn die ganze Entwicklung des evolutionären Ansatzes im Denken Joseph Ratzingers dar.

Schon als Professor nahm Ratzinger die gewaltige Herausforderung ernst, welche die Evolutionstheorie für den Glauben und die Theologie darstellt. Er suchte nach einer Antwort, erkannte aber sehr deutlich, dass die Lösung auch nicht im sog. „Kreationismus“ liegen kann. Darunter versteht man eine Schöpfungslehre, welche den biblischen Schöpfungsbericht im buchstäblichen Sinn auslegt. So glaubt der Kreationismus, dass alle Arten unmittelbar von Gott geschaffen worden sind und dass es unter ihnen keine stammesgeschichtlichen Zusammenhänge gibt. Ratzinger dagegen stellte sich eindeutig auf die Seite eines evolutionären Verständnisses der sichtbaren Welt. Gleichzeitig wehrte er sich aber auch entschieden gegen einen ideologischen Missbrauch der Evolutionstheorie, nämlich wenn sie sich als umfassende philosophische Erklärung der Welt ausgibt und behauptet, auch der Geist (z.B. das Denken des Menschen) sei Entwicklungsprodukt der Materie. Vor allem sagte Ratzinger der Hypothese den Kampf an, nach der sich die Entwicklung auf der Grundlage des reinen Zufalls vollziehe.

Benedikt XVI. hält demgegenüber fest, dass die Entstehung der Welt zwar als großer Entwicklungsprozess gesehen werden muss, dass aber die großen Linien in diesem Geschehen ohne eine geistige Grundlage nicht erklärt und verstanden werden können. Für ihn führt deswegen eine ehrliche Betrachtung der Entwicklung nicht vom Gedanken an Gott weg, sondern beweist geradezu, dass der Geist eine notwendige Voraussetzung bildet, die Grundlage für alles, was wir naturwissenschaftlich beobachten können. In seiner berühmten Regensburger Rede fasste er diese Überzeugung mit den Worten zusammen: „Wir glauben, dass das ewige Wort, die Vernunft, am Anfang steht und nicht die Unvernunft.“ Entscheidend ist für ihn, dass Gott nicht als Lückenbüßer hin und wieder in das ansonsten autonome Weltgeschehen eingreift und gleichsam die nicht zu erklärenden „missing links“ ersetzt, sondern dass sein göttliches Wort den gesamten Prozess trägt, ihn über Zeit und Geschichte hinweg umgreift und von innen her durchwirkt.

So besteht für ihn der Irrtum nicht im evolutionären Ansatz als solchem, sondern in dem Versuch, die Entwicklung durch zufällige Veränderungen (Mutationen) und natürliche Zuchtauswahl (Selektion) materialistisch erklären zu wollen. Wenn die biologischen Hypothesen und vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten auch auf das menschliche Zusammenleben übertragen werden, führt dies nach Benedikt XVI. zu einem grausamen Sozialdarwinismus, der das „Recht des Stärkeren“ letztlich als Garantie für den Fortschritt betrachten muss. Benedikt XVI. fühlt sich verpflichtet, sich genau dieser Ideologie zu widersetzen. Nicht zuletzt darin besteht auch die Bedeutung der neuen Enzyklika, welche einen Weg beschreiben möchte, auf dem die Globalisierung human gestaltet werden und ein wahrhaft menschliches Antlitz erlangen kann.

Der Kosmos: Teilhard de Chardin und Ratzinger

Einen zweiten Blick werfen wir auf Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955). Dass sich Joseph Ratzinger überhaupt für die Evolutionslehre öffnete und vom evolutionären Verständnis der Wirklichkeit überzeugen ließ, liegt wesentlich an diesem Naturwissenschaftler und Theologen, der schon sehr früh den kühnen Versuch unternommen hatte, den christlichen Glauben mit der evolutionären Sicht von Leben und Kosmos zusammenzudenken. Er betrachtete die Schöpfung nicht als etwas „einst“ Abgeschlossenes und seither Fertiges, sondern als einen bis ans Ende der Zeit fortdauernden Prozess. Nach ihm befindet sich nicht nur das Leben, sondern der ganze Kosmos in einer kreativen Bewegung, die von Gott bewirkt und ihrem Ziel entgegengeführt wird. Nach ihm besteht das letzte Ziel in der organischen Einheit alles Seienden, im Blick auf den Menschen in der Einheit der ganzen Menschheit. Evolution deutete er als ständige Zunahme von Organisiertheit und organischer Einheit. Motor dieser Entwicklung aber ist für ihn die Liebe. Gott selbst hält den Plan der „Einigung“ der Welt in seinen Händen und führt ihn in und durch Jesus Christus aus. Im Herzen des menschgewordenen Gottessohnes ist die Liebe vollkommen verwirklicht, in ihm ist das Ziel der Geschichte bereits vorweggenommen. So nennt er Christus in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes (Offb 21,6) das Omega oder den „Punkt Omega“, das heißt Ziel, Richtung und Motor der Evolution. In seinem Buch „Der Mensch im Kosmos“ (1959, München) antwortet er auf die Frage, auf welche Weise Gott die Welt „in einer organischen Vereinigung mit sich selbst“ eint: „Indem er zu einem gewissen Teil in die Dinge eintaucht, indem er sich zum ‚Element‘ macht, und indem er dann kraft des im Herzen der Materie gefundenen Stützpunktes die Führung und den Plan dessen übernimmt, was wir heute Evolution nennen. Als Prinzip universeller Lebenskraft hat Christus, indem er als Mensch unter Menschen erstanden ist, seine Stellung eingenommen, und er ist seit je dabei, den allgemeinen Aufstieg des Bewusstseins, in den er sich hineingestellt hat, unter sich zu beugen, zu reinigen, zu leiten, und aufs höchste zu beseelen“ (S. 305). Für Teilhard de Chardin ist die Menschheit „an einen entscheidenden Punkt der menschlichen Evolution gelangt“, sie steht vor einem neuen Entwicklungssprung: Dem menschlichen Geist hat sich die Möglichkeit, aber auch die „vitale Notwendigkeit“ eröffnet, sich als Weltgemeinschaft in der Liebe zu vereinigen und so „den Geist der Erde bis an seine Grenzen zu vollenden“, oder aber zugrunde zu gehen. „Wir nähern uns ... trotz aller Fehlschläge und Unwahrscheinlichkeiten einem neuen Zeitalter, in dem die Welt ihre Ketten abwerfen wird, um sich endlich den Kräften ihrer inneren Affinitäten zu überlassen“ (Rede in Peking, 1937). Was Teilhard de Chardin hier in Worte zu fassen versucht, sind Vorgänge, die heute im Zeitalter der Globalisierung tatsächlich immer deutlicher in Erscheinung treten.

In seinen Gründzügen teilt Ratzinger den Ansatz von Teilhard de Chardin. Seine Weltsicht war für ihn als jungen Theologen wie ein Tor, durch das er in die Wirklichkeit des Glaubens eingetreten ist. Gleichzeitig aber entfaltete er in diesem neu eröffneten Raum ein ganz eigenständiges philosophisches und theologisches Denken, das über Teilhard de Chardin hinausgeht. In seinem Buch „Einführung in das Christentum – Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis“ (1968, München) kommt Ratzinger immer wieder auf Teilhard de Chardin zu sprechen, begrüßt seine Anstöße und wertet sie als „bedeutendes Verdienst“. „Trotz einer nicht ganz unbedenklichen Tendenz aufs Biologistische hin“, so Ratzinger im Kapitel „Christus, ‘der letzte Mensch‘“, habe Teilhard de Chardin die Verbindung von Schöpfungslehre und Christologie „im ganzen doch wohl richtig begriffen und auf jeden Fall neu zugänglich gemacht“. (S. 193) Denn der Glaube wird „in Christus den Beginn einer Bewegung sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein eines einzigen Adam, eines einzigen ‘Leibes‘ – des kommenden Menschen. Er wird in ihm die Bewegung sehen auf jene Zukunft des Menschen hin, in der er gänzlich ‘sozialisiert‘, einverleibt in einen Einzigen ist, aber so, dass darin der einzelne nicht ausgelöscht, sondern ganz zu sich gebracht wird“ (S. 194). Und im Licht der Auferstehung von den Toten erklärt Ratzinger: „Diese letzte Stufe der Evolution, deren die Welt bedarf, um an ihr Ziel zu kommen, würde dann nicht mehr innerhalb des Biologischen geleistet, sondern vom Geist, von der Freiheit, von der Liebe. Sie wäre nicht mehr Evolution, sondern Entscheidung und Geschenk in einem“ (S. 252). Der Glaube an die Wiederkunft Christi schließlich eröffnet nach Ratzinger die eschatologische Hoffnung: „Kosmos und Mensch, die je schon zueinander gehören, wenn sich auch so oft gegeneinander stehen, werden eins sein durch ihre Komplexion im Größeren der den Bios überschreitenden und umgreifenden Liebe“ (S. 273).

Die Enzyklika „Caritas in veritate“ – „Die Liebe in der Wahrheit“

Es ist eine geniale Idee des Papstes, das Phänomen der Globalisierung im Licht dieses evolutionären Geschichtsverständnisses zu betrachten. Die entscheidende Frage lautet: Wie muss die Globalisierung gestaltet werden, damit sie wirklich zu einem Entwicklungssprung der Menschheit werden kann, hin zu einer geeinten Menschheitsfamilie? Der Papst gibt die schlichte Antwort: Sie muss „in der Wahrheit und der Liebe“ erfolgen. Und so macht er sich an die Arbeit, alles, was wir heute erleben und beobachten können, auf dieses Kriterium hin zu untersuchen. Deswegen stellt die Enzyklika vor allem eine Analyse, eine Beschreibung mit Bewertung, und nicht so sehr eine Handlungsanweisung dar.

Außerdem sind die Weichen dafür gestellt, Globalisierung nicht in erster Linie vom Wirtschaftsleben her zu definieren, nicht auf die Arbeitswelt einzuengen, sondern von der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen her zu beurteilen. Benedikt XVI. kommt zu dem Schluss: „Der wichtigste und entscheidende Bereich der kulturellen Auseinandersetzung zwischen dem Absolutheitsanspruch der Technik und der moralischen Verantwortung des Menschen ist heute die Bioethik, wo auf radikale Weise die Möglichkeit einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung selbst auf dem Spiel steht.“ Genau an dieser Stelle ruft er seine Absage an eine rein materialistische Evolutionstheorie in Erinnerung: „Nicht zufällig prallen das Sich-Verschließen gegenüber der Transzendenz und die Schwierigkeit zu denken, wie aus dem Nichts das Sein hervorgegangen und wie aus dem Zufall der Verstand entstanden sein soll, aufeinander“ (Nr. 74). Das Gelingen der Globalisierung also entscheidet sich nach Benedikt XVI. an der Frage des Lebens und der Würde der menschlichen Person. Man muss „heute feststellen“, so der Papst, „dass die soziale Frage in radikaler Weise zu einer anthropologischen Frage geworden ist, insofern sie die Möglichkeit selbst beinhaltet, das Leben, das von den Biotechnologien immer mehr in die Hände des Menschen gelegt wird, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu manipulieren“ (Nr. 75). Und zur Veranschaulichung zählt er die verschiedenen Fehlentwicklungen der „Kultur des Todes“ auf: wie die In-vitro-Fertilisation, Embryonenforschung, Möglichkeiten des Klonens und der Hybridisierung des Menschen, eine systematische eugenische Geburtenplanung, die Plage der Abtreibung und eine mens euthanasica.

Benedikt XVI. stellt die Globalisierung in die Geschichte von Mensch und Kosmos hinein, die als ein einziges großes Ganzes erscheint. Ihr Ziel leuchtet am Horizont auf und hat in Jesus Christus bereits Gestalt angenommen: „Die Liebe in der Wahrheit wird zum Gesicht Christi; und in Christus wird sie zur Berufung für uns, unsere Mitmenschen in der Wahrheit seines Planes zu lieben. Er selbst ist ja die Wahrheit (vgl. Joh 14,6)“ (Nr. 1). In ihm offenbart sich die alles umfassende Dynamik: „Aus der Liebe Gottes geht alles hervor, durch sie nimmt alles Gestalt an, und alles strebt ihr zu“ (Nr. 2). In all seinen Gedanken folgt der Papst der „Logik des Ganzen“. Immer wieder zitiert er Papst Paul VI., der als Aufgabe „die Entwicklung des ganzen Menschen und aller Menschen“ (Populorum progressio, 42) anmahnt (vgl. Nr. 18, 79). Der Blick auf die Vollendung aber hat dabei den Charakter einer Eschatologie, die nicht einfach in der Transzendenz verankert, sondern in die Geschichte eingebettet ist und getragen vom menschgewordenen Logos ihrem endgültigen Ziel entgegen geht. Der „Einsatz für das Gemeinwohl“, so der Papst, gehört „zu jenem Zeugnis der göttlichen Liebe, das, während es in der Zeit wirkt, die Ewigkeit vorbereitet. Wenn das Handeln des Menschen auf Erden von der Liebe inspiriert und unterstützt wird, trägt es zum Aufbau jener universellen Stadt Gottes bei, auf die sich die Geschichte der Menschheitsfamilie zubewegt. In einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung müssen das Gemeinwohl und der Einsatz dafür unweigerlich die Dimensionen der gesamten Menschheitsfamilie, also der Gemeinschaft der Völker und der Nationen (vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, 11. April 1963), annehmen, so dass sie der Stadt des Menschen die Gestalt der Einheit und des Friedens verleihen und sie gewissermaßen zu einer vorausdeutenden Antizipation der grenzenlosen Stadt Gottes machen“ (Nr. 7).

Deshalb ist es zu wenig, wenn wir die Enzyklika nur in dem Sinn interpretieren, als beurteile Benedikt XVI. die innerweltlichen Probleme aus der Sicht der Ewigkeit, wie es beispielsweise in der Presseerklärung von Kardinal Schönborn anklingt: „Der große Bogen der Enzyklika befreit aus der kleinen innerweltlichen Perspektive, stellt die Probleme in den Kontext des Ganzen von Wahrheit, Liebe, Ewigkeit und wirkt vom Ganzen her auf die innerweltlichen Fragen zurück.“ Das Spannende an der Enzyklika ist nicht die Rede von der Transzendenz als solcher bzw. von der Hoffnung auf die Vollendung des Menschen im ewigen Leben, sondern die Dynamik der Eschatologie, die aus den Gegebenheiten dieser Welt heraus auf die Vollendung der Geschichte zugeht.

So kehren wir zum Beginn der Enzyklika zurück. Von Anfang an kommt das evolutionäre Menschenbild zum Tragen, wie es Ratzinger in seinem philosophisch-theologischen Ansatz entworfen hat. Nach ihm ist das Sein, das im menschlichen Geist zu sich kommt, Teilhabe am Sein Gottes, der eben Geist ist. Die Berufung des Menschen besteht darin, immer vollkommener am göttlichen Sein teilzunehmen. Gott ist „die ewige Liebe und die absolute Wahrheit“ (Nr. 1). Wir Menschen empfangen in dem Maß Gottes Sein, Gottes Geist, als wir uns der Wahrheit und der Liebe öffnen und sie annehmen (vgl. Nr. 18). Zustimmende Erkenntnis der Wahrheit bildet dabei das Fundament für die Einswerdung mit dem Logos. So ist es begreiflich, warum der Papst so ausführlich darlegt, dass Liebe nicht unabhängig von der Wahrheit verwirklicht werden kann, sondern dass es eine Wahrheit der Liebe gibt: „Nur in der Wahrheit erstrahlt die Liebe und kann glaubwürdig gelebt werden. Die Wahrheit ist ein Licht, das der Liebe Sinn und Wert verleiht. Es ist das Licht der Vernunft wie auch des Glaubens, durch das der Verstand zur natürlichen und übernatürlichen Wahrheit der Liebe gelangt: er erfasst ihre Bedeutung als Hingabe, Annahme und Gemeinschaft“ (Nr. 3). Dazu sandte uns Gott seinen fleischgewordenen Logos, der die Fülle des Geistes Gottes in sich enthält und sie uns in einer personalen Beziehung anbietet. Freiheit und Verantwortung sind deshalb der Schlüssel, mit dem wir unser eigenes Sein für den Logos öffnen können, um mit ihm immer mehr eins zu werden, aber auch um die große Aufgabe der Globalisierung als ganzheitliche Entwicklung immer vollkommener zu erfüllen (vgl. Nr. 2).

Ausblick

Benedikt XVI. scheut sich nicht, ein stärkeres Eingreifen des Staates in den Globalisierungsprozess (Nr. 24,41), ja sogar eine „echte politische Weltautorität“ (Nr. 67) zu fordern, die aber „auf subsidiäre und polyarchische Art und Weise organisiert sein“ müsse, „um die Freiheit nicht zu verletzen und sich konkret wirksam zu erweisen“ (Nr. 57) – im Sinn einer Globalisierung der Liebe kein Widerspruch. Ebenso führt ihn sein kosmischer Blick dazu, dem Schutz der Umwelt eine unabdingbare Bedeutung zuzuschreiben.

Es ist sein evolutionärer Ansatz, der ihm die Gewissheit verleiht, dass die Globalisierung eindeutig positiv bewertet werden muss. Er ruft die Menschheit dazu auf, sich voller Hoffnung, Mut und Freude der Aufgabe zu widmen, „ein neues Denken hervorzubringen und neue Kräfte im Dienst eines echten ganzheitlichen Humanismus zu entfalten“ (Nr. 78).

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
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Christen: Liebhaber der echten Freiheit

Freiheit scheint uns so selbstverständlich zu sein wie die Luft. Doch Weihbischof Dr. Andreas Laun nimmt „warnende Donner“ und „verdächtige Windstöße“ wahr, die auf ein drohendes Gewitter hinweisen. Schneller als wir denken, „könnte es die Freiheit ertrinken lassen“. Weihbischof Laun betrachtet es als die Aufgabe der Christen, mit ihrem Zeugnis hartnäckig für das freie Denken, Reden und Handeln zu kämpfen.

Von Weihbischof Andreas Laun, Salzburg

Freiheit so selbstverständlich wie die Luft?

Geboren bin ich 1942, noch in der Zeit der schlimmsten Diktatur, und während ich in der Liebe meiner Eltern geborgen in der Wiege lag, rauchten in Auschwitz die Kamine. Die Freiheit war damals in ganz Europa zu einem Fremdwort geworden, etwas, was es „irgendwo in einem fernen, unerreichbaren Land wohl gibt, in der Vergangenheit auch bei uns gab, aber jetzt nicht mehr. Als ich zum Gebrauch der Vernunft erwachte, war der Albtraum vorüber, ich wuchs in einer Zeit auf, in der die Freiheit selbstverständlich war wie die Luft. Nur hinter dem „Eisernen Vorhang“, das wusste ich und die Menschen „dahinter“ taten mir leid, gibt es keine Freiheit! Aber diese Unfreiheit schien so entfernt zu sein wie die Unfreiheit in der Vergangenheit. Wir, das schien unbezweifelbar, leben in Freiheit und das wird so bleiben. Keine Nazis, keine Kommunisten, wir sind freie Menschen, frei im Denken, Reden und auch in allem, was dazu gehört.

Warnende Donner

Inzwischen hat uns die Wirtschaftskrise erschreckt wir ein Donner, aber das angekündigte „Wirtschafts-Gewitter“ scheint auf sich warten zu lassen, die Leute kaufen und amüsieren sich wie eh und je, scheinen sorglos zu sein, trotz der warnenden Stimmen. Aber wie ist es heute um die Freiheit bestellt, nach so vielen Jahren Freiheit – gibt es auch in Bezug auf sie einen warnenden Donner, verdächtige Windstöße? Die Freiheit scheint ungebrochen zu sein, die Politiker, die natürlich nach Wahlsieg und damit nach Macht streben, bekennen sich alle zur freiheitlichen Demokratie, also kein Grund zur Sorge, wenn man einmal vom Islam absieht, dessen Religion mit ihrem Streben nach Macht nicht gerade als Religion der Freiheit gelten kann.

Freiheit verlangt Gerechtigkeit

In meiner Biographie bin ich also in der Freiheit der Nachkriegszeit groß geworden. Älter geworden, habe ich zu unterscheiden gelernt: Freiheit besteht nicht darin, alles „zu dürfen“, was man tun könnte. Die Freiheit, in einen Lawinenhang einzufahren, führt in den Tod. Freiheit bedarf der Vernunft, die Welt zu sehen, wie sie ist. Auch die „Freiheit des Faustrechtes“ ist nicht die Freiheit, die wir meinen, weil sie nur auf Kosten der Freiheit anderer Menschen existiert. Freiheit ist an Gerechtigkeit gebunden! Um frei zu sein, darf man weder die Seinsgesetze (siehe Lawinenhang!) noch die Gesetze der Gerechtigkeit (siehe Faustrecht) missachten! Das eine führt in die Zerstörung des Lebens, das andere in die Diktatur der Stärkeren.

Zwei Gefährdungen der Freiheit

Die Menschen unserer Zeit scheinen verliebt in die Freiheit zu sein und wollen sie immer weiter ausdehnen. Man fordert die freie Wahl bezüglich der eigenen „sexuellen Orientierung“, Freiheit für irgendwelche „Formen des Zusammenlebens“, Freiheit dafür, wie Kinder zu erziehen sind, Freiheit für Abtreibung, Freiheit für Euthanasie, noch mehr Freiheit für Scheidung. Freiheit fordert man auch für den Islam, dessen Schwierigkeit mit Freiheitsrechten man als Binnenproblem abtut. In Europa, scheint es jedenfalls, könne von Gefährdung der Freiheit nicht die Rede sein.

Stimmt diese beruhigende Diagnose? Nein, und das aus mehreren Gründen: Erstens werden die Versuche immer mehr, das Leben gegen die klaren Vorgaben der Wirklichkeit und im eklatanten Widerspruch zur jüdisch-christlichen Bibel zu gestalten und diese durch Gesetze auszuschalten. Die Homo-Bewegung und ihr Siegeszug sind ein bedrückendes Beispiel für diese Entwicklung.

Zweitens weitet man die „Freiheit“ aus ohne nach dem Naturrecht, nach dem höheren Recht von Gott zu fragen und führt Freiheitsrechte mit Mehrheitsentscheidung ein, die fundamentale Freiheitsrechte anderer missachten. Man nimmt sich die Freiheit, das Böse gut zu nennen, weil es die Mehrheit so will. Vom Gewissen ist nicht mehr die Rede, das man zwar nicht wie Hitler eine „jüdische Erfindung“ nennt, wohl aber nicht besser behandelt, als es die Diktatoren der damaligen Zeit getan haben. Die Abtreibungsgesetze in vielen Ländern sind das offenkundigste Beispiel dafür.

Betäubung – Lüge – Gewalt

Die Ideologen, die hier trotz aller katastrophalen Erfahrungen am Werk sind, wissen im Grunde, dass die Wirklichkeit nicht in der Verfügungsgewalt ihres Wollens ist. Darum greifen sie mehr und mehr zu den altbewährten Mitteln aller Gewaltherrschaft, die da sind: die Betäubung der Menschen durch die Lust in allen Varianten, dann die Lüge und zum Schluss die Gewalt! Das geht so: Während die Ideologen die Menschen mit immer mehr Wellness einlullen, erfinden sie „Sprachspiele“ und Begriffe, die den Ohren schmeicheln und ablenken vom Freiheitsraub, der im Gange ist. Diejenigen aber, die das böse Spiel durchschauen, diese werden dem Volk gegenüber als die Ewig-Gestrigen vorgeführt und man beschließt „Anti-Diskriminierungs-Gesetze“ und Denkverbote. Aber sind nicht die Freiheit des Denkens und das Recht auf das freie Wort ein Grundwert, auf den Europa stolz ist und auch sein darf? Erkennt man nicht gerade an der Missachtung dieses Rechtes die Diktatur? Doch, so ist es, aber davon lassen sich die Freiheitsräuber nicht beirren.

Aus der Geschichte der „Gehirnwäscher“ weiß man, Freiheit lässt sich am besten unterdrücken im Namen der Gerechtigkeit, des Fortschrittes, dessen, was man, was alle, was die Mehrheit denkt! Verboten soll laut moderner Begrifflichkeit „Hassrede“ (der „hatespeech“, wie die Amerikaner sagen) und die Diskriminierung werden. Damit hat man die Vokabel, mit denen man alle Gedanken, die der eigenen Ideologie zuwiderlaufen, als eine Art „Verbrechen“ deuten und dann auch bestrafen kann. Eine mildere, weil der Krankheit zuzurechnende Möglichkeit besteht darin, den nicht systemkonform Denkenden an den Psychiater zu verweisen, wenn sich der Betreffende als irgendwie „phob“ outet, z.B. als „homophob“ oder „islamophob“.

Bedrohungen des Islam

Bedroht der Islam die Freiheit Europas? Vielleicht später, jetzt bedroht Europa sie selbst,auch dort, wo es dem Islam begegnet! Denn statt alle Europäer und alle Muslime zu einem aufrichtigen, freimütigen Dialog über bestimmte Lehren des Islam zu ermutigen und alle in die Schranken zu weisen, die dieses Gespräch verhindern wollen, tut Europa das Gegenteil: Kritische Fragen besorgter Europäer zum Islam gelten als politisch unkorrekt, derjenige, der sie stellt, wird ausgegrenzt und mit Beschimpfungen abgestraft. Was aber Muslime angeht, die bereit wären, sich gegen die Bevormundung und Unterdrückung innerhalb ihrer eigenen Religion zu wehren, werden weder ermutigt, noch hilft oder schützt man sie, sie werden viel eher ihren Unterdrückern zurückgegeben wie entlaufene Sklaven!

Kampf um das fünfte und sechste Gebot Gottes

Beispiele für diese Entwicklung hin zur Unfreiheit gibt es viele, sie betrifft die Denk- und Redefreiheit, biblisch gesprochen, vor allem im Bereich des 5. und 6. Gebotes Gottes. Man denke an die Abtreibungs-Debatte, daran, wie sogar Professoren der Universität abgesetzt werden, weil sie z.B. über die Frage, ob homosexuelle Neigungen veränderbar sind oder nicht, nur reden wollten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist auch die Art und Weise, wie die Gender-Ideologie mit voller Unterstützung der staatlichen Macht dem Volk aufgezwungen werden soll. Dabei fällt den Menschen weder auf, wie sehr der Staat in solchen Fragen seine Kompetenz überschreitet, noch lassen sie sich warnen, weil sie ungläubig reagieren wie seinerzeit bei der Lektüre von „Mein Kampf“: „Das kann er nicht ernst meinen, so ein Unsinn!“

Charakteristisch für diesen Kampf gegen die Freiheit ist: Menschen, die widersprechen, versucht man gar nicht zu widerlegen, Argumente zählen nicht. Leichter ist es, sie zu diffamieren, sie am Reden zu hindern, und gleichzeitig die Öffentlichkeit zu verdummen, indem man so tut, als ließen sich Sachfragen kraft Ideologie und Abstimmung beantworten: Es ist, als ob man die Frage, ob es in Afrika Elefanten gibt oder nicht, durch Arbeitskreise, Diskussionsrunden und Abstimmungen von Leuten beantworten lassen wollte, die noch nie in Afrika waren, nicht einmal im Tiergarten!

Freiheits-Kampf als Aufgabe der Christen

Angesichts solcher Blitze und Windstöße soll man nicht Angst haben vor einem Gewitter, das die Freiheit ertrinken lassen könnte? Aber mit der Freiheit ist es so wie in der Geschichte von dem Walfisch, der unter das Packeis geraten war und nur noch ein Luftloch hatte, das ständig zuzufrieren drohte. Was den Wal rettete, war die Zähigkeit, mit der er immer wieder die sich in dem Loch bildende Eisschicht durchstieß. Wenn wir frei denken, reden und handeln wollen, müssen wir genau das tun: frei denken, reden, handeln, das „Eis durchstoßen“! Gott sei Dank gilt: „Die Wahrheit kann untergehen, aber nie ertrinken!“ Ist Freiheits-Kampf eine Aufgabe der Christen? Ja, denn die Kirche will, wie sie in DH Nr. 8, in ihrem Dokument über Glaubens- und Gewissensfreiheit erklärt, dass Christen „Liebhaber der echten Freiheit“ sind!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
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Provozierend unmodern ins „Heute“ hineingestellt

Am 4. August 2009 werden es 150 Jahre, dass Johannes Maria Vianney (1786-1859), der hl. Pfarrer von Ars, gestorben ist. Papst Benedikt XVI. hat dieses Jubiläum zum Anlass genommen, ein „Jahr des Priesters“ zu begehen. Pater Notker Hiegl OSB fragt sich: Wird der Heilige dadurch nicht provozierend unmodern ins „Heute” hineingestellt? Doch je mehr er über diesen außergewöhnlichen Pfarrer nachdenke, umso fester werde er davon überzeugt: Vianney zeigt uns den Weg aus der Glaubenskrise unserer Zeit. Wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, so Hiegl: Trotz großer Betriebsamkeit mit Symposien, Zukunfts-Konzepten, Leitlinien, Seelsorge-Einheiten und organisierten Jugendtreffs liegt das religiöse Leben weithin danieder, ähnlich wie im verwahrlosten Ars. Nicht komfortable Büro-Ausrüstung oder perfekte Verwaltung können uns weiterhelfen, sondern das, was uns der hl. Pfarrer von Ars auch heute noch an Priesterlich-Existenziellem zu sagen hat.

Von Notker Hiegl OSB

Vor kurzem trafen sich die Priester unseres Dekanats zum monatlichen „Dies“. Thema war das „Jahr des Priesters“, das Papst Benedikt XVI. ausgerufen hatte. Der Dekan gab wunderschöne und tiefe Gedanken aus der päpstlichen Verlautbarung wieder, in welcher Johannes Maria Vianney, der hl. Pfarrer von Ars, als Patron und Vorbild der Priester vorgestellt wird. Bei der anschließenden Diskussion wurden Einwände erhoben: Hätte man für die Kirche heute, für den Priester in der gegenwärtigen Zeit nicht eine andere Identifikations-Figur finden können, wie zum Beispiel den hl. Karl Borromäus? Was kann Vianney, dieser provozierend unmoderne Mensch, dieser leibfeindliche Asket des 19. Jahrhunderts, uns Priestern am Anfang des dritten Jahrtausends sagen? Wie kann man sein Leben mit unseren heutigen Problemen in Verbindung bringen? Trotzdem will ich den hl. Pfarrer v. Ars, diesen oft so verkannten Seelsorger, auch für unsere jetzige Priester-Generation als Leitstern herausstellen.

Das Rätsel seiner Persönlichkeit

Johannes Maria Vianney tat nicht das Geringste, um die Anerkennung seiner Zeitgenossen zu erringen. Sie kam ganz von selbst. Vianney war nicht nur der meistgenannte Pfarrer von Frankreich, sein Name besaß weit über die Landesgrenzen hinaus einen Klang. Er ist ein Phänomen, das auf uns heutige Menschen, ja auch auf viele Priester, wie ein Zitterrochen wirkt: Wenn man sich ihm nähert, empfängt man zuerst einen „Schlag“. Vianney, diese aufschießende Stichflamme zum Himmel, dieser störrige Supranaturalist, stellt alles auf den Kopf. Warum gewann er ein solches Ansehen? Gewiss nicht wegen seines Äußeren: Er war von kleiner Gestalt, ging in einer arg geflickten Soutane einher, trug einen unmöglichen Hut und war in seinem Benehmen von linkischer Unbeholfenheit – ein Gegenpol zu John Henry Newman, dem heiligmäßigen Gentleman aus England. Ärmlich und schlicht, dies war sein „unrühmlicher Ruhm“. Unwillkürlich erinnere ich mich an Johann Wolfgang Goethes Wort: „Die Menschen verdrießt es, dass das Wahre so einfach ist.“

Hineingeboren in die Zeit der Französischen Revolution

Johannes Maria wurde am 8. Mai 1786 in Dardilly, nahe Lyon, geboren. Er war das Kind frommer Bauersleute und hatte fünf Geschwister. Zeitlebens blieb er ein volksverbundener Mensch. In Frankreich, „der ältesten Tochter der Kirche“, brach drei Jahre später die „Revolution“ aus, den einen zur Hoffnung auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, den anderen zum Schrecken. Auf jeden Fall war die Französische Revolution ein von Blut getränkter „Tsunami“. Hass erfüllt wandte sich der blindwütige Fanatismus gegen das Christentum. In Frankreich kam es zu einer Priesterverfolgung und zur Aufhebung aller Klöster. Dem sinnlosen Blutdurst fielen auch die bekannten Karmelitinnen zum Opfer, die in Paris singend das Schafott bestiegen und ihren Tod als Preis für die Rettung ihres Vaterlandes verstanden, damit Frankreich als christliches Land weiterexistiere. Von all diesen Vorkommnissen begriff der kleine Johannes Maria nur eines gefühlsmäßig: „Das Christentum ist eine verfolgte Religion.“ Messen in der Öffentlichkeit waren nur erlaubt, wenn sie von Priestern gelesen wurden, welche den Eid auf die staatliche Oberhoheit geschworen hatten. Diese „Staats-Priester“ wurden vom frommen Volk als Verräter betrachtet. Auch die Familie Vianney mied, trotz oder gerade wegen ihrer Frömmigkeit, fortan die öffentlichen Gottesdienste.

Erstkommunion bei einem kirchentreuen Priester

Die der Kirche treu gebliebenen Priester verkleideten sich gewöhnlich als Handwerker oder Bauern, suchten die Gläubigen in den späten Abendstunden auf und lasen die Heilige Messe in einem Hinterzimmer. Mit elf Jahren legte Johannes Maria seine erste heilige Beichte ab. Es war während des Besuchs eines verfolgten Priesters bei seinen Eltern. Auch die heilige Erstkommunion erlebte er nach einer notdürftigen Vorbereitung durch zwei aus dem Kloster vertriebene Nonnen. Er war damals dreizehn Jahre alt. Man begab sich in die Scheune, stellte einen Heuwagen vor das Tor und – um die Feier zu tarnen – schickten sich einige Männer an, das Heu abzuladen. Diese ungewöhnliche Feier, die eine regelrechte Kerbe in das jugendliche Gemüt geschnitten hatte, war nicht zu vergleichen mit einer heutigen Erstkommunion, bei welcher die familiäre Festlichkeit und die Geld-Geschenke leider oft den religiösen Eindruck hinwegschwemmen. Gleichzeitig waren Vianneys Eltern großherzige Leute, welche auch Bettler aufnahmen und mit ihnen speisten. Eine Familientradition: Schon sein Großvater hatte einmal einen bettelnden Wanderer namens Benedikt Labre, den wir heute als Heiligen verehren, zu Tisch geladen. Offensichtlich „spross Segen hervor“.

Wenige Tage im Dienst Napoleons

Als im jugendlichen Johannes Maria der Wunsch erwachte, Priester zu werden, wurde er darin von seiner Mutter bestärkt. Der Vater aber reagierte ablehnend, weil er dadurch einen Hofbauer verlor. Mit 18 Jahren wandte sich Johannes Maria an den Nachbarpfarrer Balley, der ihn durch Latein-Unterricht auf die priesterliche Laufbahn vorbereiten sollte. Ehe er jedoch mit seiner „Berufslehre“ richtig beginnen konnte, wurde er zum Militärdienst eingezogen. Sein Vater wollte ihn loskaufen, indem er für ihn einen Ersatzmann bezahlte. Dennoch erhielt Vianney den Einrückungsbefehl. Er wurde von der Militärpolizei abgeholt und einem napoleonischen Truppenkontingent zugeteilt. Der Überrumpelte erlitt jedoch einen Fieberschock und wurde sofort ins Lazarett eingeliefert. Wenige Tage später erklärte ihn der Heeresarzt für geheilt und schickte ihn einem bereits in Richtung Spanien aufgebrochenen Truppenteil nach. Zu Vianney, der weder Richtung noch Order genau kannte, gesellte sich ein Unbekannter. Ihm schilderte er sein Los. Es handelte sich um einen der vielen Fahnenflüchtigen jener Zeit. Absichtlich führte dieser den kaum Genesenen nachts in eine falsche Richtung. Am Morgen merkte Vianney, dass er seine Truppe nicht mehr erreichen würde. Ohne seinen direkten Willen war er zum Deserteur geworden. Im kleinen Cevennendorf Les Noës tauchte er unter und begann eine Lehre, bis ihm eine Generalamnestie für Fahnenflüchtige die Heimkehr ermöglichte.

Student mit sehr begrenzten Fähigkeiten

Vianneys Studiengang glich einem Hindernislauf. Er sollte sich wenigstens die lateinische Sprache aneignen, von Griechisch war gar keine Rede. Doch der französische Bauernjunge hatte keinen „Kopf“ dafür. Als ihn tiefe Mutlosigkeit überfiel, befahl Abbé Balley einem Mitschüler in der pfarrlichen Lateinschule, dem Jungmann die Verben und die einfachste Grammatik beizubringen. Der 12-jährige Mathias Loras, der später Bischof in Amerika werden sollte, verlor jedoch angesichts der Schwerfälligkeit seines „Unterschülers“ die Nerven und ohrfeigte ihn. Statt zurückzuschlagen sank der nun bereits 21-Jährige vor ihm in die Knie und bat flehentlich, ihm doch zu verzeihen, dass er so langsamen Geistes sei. Der Demutsakt machte Loras fassungslos. Schamröte stieg in sein Gesicht. Eine so entwaffnende Demut hatte er noch nie erlebt. Pfarrer Balley aber ließ sich durch Vianneys sprachliche Unbegabtheit nicht irremachen. Nach einigen Jahren fand es dieser ebenfalls heiligmäßige Priester für geboten, seinen inzwischen 26-jährigen Schützling im Kleinen und Großen Priesterseminar anzumelden.

Abenteuerlicher Studienverlauf

Die Seminarleitung erkannte nach wenigen Monaten, dass der neue Priesteramtskandidat das Studium der Philosophie und der Theologie nie schaffen würde und schickte ihn nach Hause. Pfarrer Balley aber kapitulierte nicht. Er intervenierte beim Seminar, bis Vianney wieder kommen durfte. Doch die Angst vor dem Examen entwickelte sich bei Vianney zur Katastrophe. Die Professoren richteten ihre Examensfragen an den Prüfling in lateinischer Sprache: keine Antwort. Der Beiprüfer fragte nun auf Französisch: Das Resultat schien ein wenig besser, doch die Prüfung war dennoch nicht bestanden. Erst als Pfarrer Balley sein Pfarrhaus als Prüfungsort anbot, war man nach einem theologischen Disput mit dem bescheidenen Resultat einigermaßen zufrieden. Msgr. Courbon, der damalige Generalvikar, der seit der Verbannung seines Bischofs die Diözese leitete, fragte schließlich: „Ist Vianney fromm? Verehrt er die Gottesmutter Maria? Kann er den Rosenkranz beten?“ Als alle drei Fragen von Balley positiv beantwortet wurden, ließ er ihn zur Weihe zu.

Priesterweihe und erster Einsatz als Vikar

Generalvikar Courbon schickte Vianney zur Priesterweihe in die Nachbardiözese Grenoble. Im dortigen Priesterseminar wurde der „Fremdling“ kühl empfangen. Bischof Simon von Grenoble weihte ihn schließlich am 13. August 1815 in der bischöflichen Hauskapelle zum Priester. Während die Priesterweihe mit anschließender Primiz gewöhnlich ein Fest der ganzen Familie und besonders der Heimatpfarrei darstellt, las der Neupriester Vianney seine erste heilige Messe an einem Altar ohne jeglichen Blumenschmuck und ohne Teilnahme auch nur eines einzigen vertrauten Menschen. Außerdem setzte ihm der Bischof pastorale Grenzen, indem er ihm vorläufig nicht gestattete, Beichte zu hören und die Absolution zu erteilen, ihm, dem späteren größten Beichtvater des Jahrhunderts. Johannes Maria Vianney wurde Vikar bei seinem verehrten Pfarrer Balley. Die beiden Männer arbeiteten vorzüglich zusammen und lieferten sich in der Frömmigkeit und der Buße einen heiligen Wettstreit. Das unerquickliche Sprachstudium belastete sie nicht mehr, so dass sie sich ganz der pfarrlichen Seelsorge zuwenden konnten. Der Pfarrer besprach mit seinem Vikar intensiv die moraltheologischen Fragen, um ihm die „Cura“ zu ermöglichen. Schon nach einem halben Jahr erhielt er die Beichtvollmacht. Nach zwei Jahren verstarb Pfarrer Balley und Vikar Vianney wurde nach Ars beordert, in jenes Dorf, das für immer mit seinem Namen verbunden bleiben sollte.

Ein verwahrlostes Dorf

Der neu ernannte Pfarrer machte sich am 9. Februar 1818 auf den Weg nach Ars. Es war ein nebliger Tag und die Häuser seines Sprengels waren zwischen den hügeligen Rebgärten nicht zu erkennen. Ein paar hundert Meter vor dem Dorf traf er einen Hirtenjungen, Antoine Givre, der ihm den Weg wies. Pfarrer Vianney bedankte sich bei ihm mit den Worten: „Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt; ich werde dir den Weg zum Himmel zeigen.“ Antoine sollte später der erste Bewohner von Ars sein, der nach dem Heiligen starb. Beim Anblick des Dorfes fiel der Neu-Pfarrer auf die Knie und betete für seine Gemeinde. Dann besuchte er zuerst die Kirche: Das Innere des Gotteshauses war verwahrlost, das Ewige Licht erloschen, doch das Allerheiligste befand sich noch im Tabernakel. Vianney zog am Glockenstrang, einige Frauen kamen aus Neugierde und sahen durch die geöffnete Kirchentür ihren neuen Pfarrer. Die Einwohner des kleinen 200-Seelen-Dorfes zeigten ihrem neuen Hirten die kalte Schulter, sie waren an einem kirchlichen Leben nicht interessiert. Aller übernatürlichen Beziehung waren sie längst entwöhnt.

Sühnen: stellvertretendes Opfern und Beten

Vianney schlug einen kraftvollen Weg ein, um die Bewohner von Ars zu Gott zurückzuführen. Er hatte Pfarrer Balleys Abtötungswerkzeuge geerbt – wahrhaftig eine seltene Hinterlassenschaft –, benutzte sie täglich und trug dazu ein Bußhemd. Sein gesamtes Leben unterwarf er einer strengen Disziplin. Mögen sich die Formen der Abtötung geändert haben, die Frage der Askese stellt sich in einem priesterlichen Leben jedoch immer wieder neu. Vianney wollte für seine verweltlichte Gemeinde Buße tun: 8% Kirchenbesuch, 15%, 25%, steigende Tendenz. Er tat es in Stellvertretung. Der Heilige sprang für seine Gemeinde in die Bresche. Das stellvertretende Handeln ist neutestamentlichen Ursprungs: Christi Leiden und Sterben geschahen für die Welt. Mit der Buße verband Vianney das Gebet für die Seinen. Er gehörte zu den großen Betern der Christenheit. Er betete stundenlang, schweigend, indem er sein Herz einfach auf den Tabernakel hin öffnete. Buße und Gebet flossen ineinander über; sie ließen sich nicht trennen und verschmolzen zu einer Einheit.

Allmählich wandelten sich die Einwohner von Ars, und zwar nicht nur einzelne Personen, sondern ohne Ausnahme der ganze Ort. Die Betrügereien hörten auf, die Kneipen schlossen ihre Türen, Tanz-Lustbarkeiten wurden verpönt, eine spürbare Sauberkeit kehrte in das Dorf ein und die Bauern falteten beim Angelus-Läuten wieder die Hände zum Gebet. Wer über den Pfarrer von Ars ernsthaft nachdenkt, dem erscheint unser heutiger Aktivismus unter den Priestern immer fragwürdiger. Eine Um-Orientierung vom „Verwalten“ zum „Sühnenden Beten“, von den Akzidentien hin zum Wesenskern ist von Nöten. Der Priester sollte wieder mehr Geistlicher sein, zeugnishaft nach Innen und Außen!

Führung der Gemeinde durch die hl. Beichte

Der Pfarrer von Ars hatte keinen geschlossenen Beichtstuhl. In der Sakristei der kleinen Dorfkirche stand ein unbequemer Stuhl mit Knieschemel daneben bereit. Die Pönitenten knieten nieder und flüsterten ihm ihre Sünden zu. Dabei besaß Vianney die Gabe der Herzensschau: Mit Gottes Gnade konnte er sich in den Beichtenden vollkommen „hineinspüren“. Zunächst kamen die Gläubigen aus Ars, dann von der näheren Umgebung, schließlich strömten die Menschen aus ganz Frankreich zu diesem Beichtstuhl, um die Lossprechung von einem Priester zu erlangen, der schon damals als Heiliger verehrt wurde. Bis zu 16 Stunden am Tag nahm er Hunderten von Personen die Beichte ab. Im Alter wurden ihm oft die Beine steif und unbeweglich. Trotzdem hielt er durch und gönnte sich keine Schonung: ein wahrer „Märtyrer des Beichtstuhls“. Kein Wunder, dass ihm „der Böse“ das Leben zu verleiden suchte, kein Wunder, dass er sich auch nach „Ruhe“ sehnte, Fluchtversuche unternahm oder von einem „beschaulichen Trappistenleben“ träumte.

Tätige Nächstenliebe

Vianney gründete zunächst eine Mädchenschule und ließ zu diesem Zwecke zwei geeignete Personen aus Ars, heute würde man von ehrenamtlichen Mitarbeitern sprechen, in einer Klosterschule als Lehrerinnen ausbilden. Ferner gründete er ein Waisenhaus, in dem er „Straßenkinder“ aus Nah und Fern beherbergte. Damals gab es viele umherstreunende uneheliche Kinder, dies umso mehr, als Napoleons Gesetzgebung zum Schutze seiner Soldaten verbot, nach deren Vaterschaft zu forschen.

Gegen Ende seines Lebens wurden dem Pfarrer zahlreiche politische wie kirchliche Ehrungen zuteil. Als ihn sein Bischof u.a. zum Domherrn ernannte und ihm die dazugehörende Mozetta überbrachte, meinte er, das rotseidene Mäntelchen mit dem Hermelinbesatz passe ganz und gar nicht zu ihm. Windschief ließ er sich den Schultermantel umlegen und ging wie in einem Spießrutenlauf durch sein Dörfchen, bis sich der Bischof verabschiedete. Minuten später hatte er es verkauft, um mit der erworbenen Summe dem Waisenhaus zu helfen.

Vollendung in Jesus Christus

Obwohl sich der Pfarrer von Ars nicht geschont hatte, erreichte er das Alter von 73 Jahren. Ende Juli 1859 kam er vom Beichthören in sein Pfarrhaus neben der Kirche zurück und stöhnte: „Jetzt geht es nicht mehr.“ Er hatte seinen letzten Gang mit der Laterne getan, die er täglich am frühen Morgen und am späten Abend benötigt hatte, um die Kirche in aller Frühe aufzuschließen und spät abends nach einem langen, schweren Arbeitstag zu schließen. Am Morgen des 4. August 1859, also vor 150 Jahren, lag er schwer atmend auf seinem Strohsack-Bett. Die Mücken, welche ihn belästigten, ließ er nicht verscheuchen, Buße bis zuletzt. Er verlangte nach der Wegzehrung. Jesus kehrte in sein Herz ein. Dann brach ein gewaltiges Gewitter los und unter dem verhallenden Donnerklang gab er sein Leben Gott zurück.

Der Bischof hielt dem Heimgegangenen die Grabrede und sagte unter anderem über den so unbeholfenen und doch feurigen Prediger: „Sein Anblick auf der Kanzel war Predigt genug, ergreifende Predigt, welche die Menschen verwandelte.“ Man begrub ihn entgegen der üblichen Vorschrift sofort in der Kirche, später legte man seinen unverwesten Leichnam (nur sein Gesicht ist mit einer leichten Wachsschicht geschützt) sichtbar in einen gläsernen Schrein oberhalb des Altars. Am 8. Januar 1905 wurde er selig gesprochen, am 31. Mai 1925 –vierzehn Tage nach der Kleinen hl. Theresia – in den Kanon der Heiligen aufgenommen. Papst Pius XI. erhob ihn 1929 zum „Schutzpatron aller Pfarrer des Erdkreises“. Nun soll er im Laufe dieses Jahres zum Patron aller Priester erklärt werden.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Abschluss des Paulusjahres in der Türkei

Zum Abschluss des Paulusjahres sandte Benedikt XVI. Jean-Louis Kardinal Tauran, der 13 Jahre lang vatikanischer „Außenminister“ war, als Päpstlichen Legaten in die Türkei. Die Feierlichkeiten begannen am 28. Juni 2009 in Antiochia. Zusammen mit dem Apostolischen Nuntius für die Türkei, Erzbischof Antonio Lucibello, und dem zuständigen Ortsbischof von Iskenderun, Luigi Padovese, besuchte er zunächst die Höhlenkirche des hl. Petrus, welche als die älteste christliche Kirche überhaupt gilt. Anschließend feierte er im Hof der katholischen Kirche einen festlichen Sonntagsgottesdienst.

Höhepunkt war schließlich die Ankunft des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. aus Istanbul und die gemeinsame Segensfeier in der griechisch-orthodoxen Kirche. Am 29. Juni fanden die offiziellen Abschlussveranstaltungen in Tarsus, der Geburtsstadt des hl. Paulus, statt. An beiden Orten erinnerte der Kurienkardinal an den italienischen Priester Andrea Santoro, der am 5. Februar 2006 in Trabzon ermordet worden war. Er bezeichnete ihn als Märtyrer und rief alle dazu auf, aus diesen Ereignissen zu lernen.

Von Jean-Louis Kardinal Tauran, Vatikan

Seid Christen, die zusammenhalten![1]

Im Brief, den der Hl. Vater an mich gerichtet hat, um mich zu seinem Sondergesandten für den Abschluss des Paulusjahres zu ernennen, bat er mich, euch zu ermutigen, euren Glauben in eurer täglichen Existenz und besonders durch ein harmonisches kirchliches Leben zu bezeugen.

Erlaubt mir also, euch besonders den einen Rat zu geben: Seid Christen, die zusammenhalten! Gewiss seid ihr eine Minderheit in einem Land mit einer großen Geschichte. Aber alle schauen auf euch und erwarten von euch etwas anderes, als es die Weisheit der Welt euch vorschlägt und anbietet. Ich denke, dass wir alle, nachdem wir ein Jahr in Begleitung des hl. Paulus verbracht haben, eine tiefere Vertrautheit mit Jesus und seiner Botschaft besitzen und vielleicht auch geneigter sind, den Nächsten in der Art Jesu Christi zu lieben. In einer Welt, die ihre Zukunft oft nach Zielsetzungen organisiert, die des Menschen unwürdig sind, wagen wir Christen zu sagen:

• Nein, man liebt den Menschen nicht wirklich, wenn man ihm immer mehr Reichtümer, Geld und Wohlstand verspricht.

• Nein, man liebt den Menschen nicht wirklich, wenn man seiner Neigung nach Macht, Ehrgeiz und eitlem Ruhm huldigt.

• Nein, man liebt den Menschen nicht wirklich, wenn man seine Triebe, sein Begehren nach egoistischem Vergnügen erregt.

Aber man liebt ihn, wenn man ihm vorschlägt, nach der Logik des Evangeliums zu leben:

• indem man ihn einlädt, die Güter der Erde in Einfachheit und Brüderlichkeit zu gebrauchen;

• indem man sich in den Dienst der Brüder stellt, um ihnen zu helfen, voranzukommen;

• indem man bereit ist, sich für das Glück der anderen aufzuopfern;

• indem man ihnen hilft, kleine Zeichen der Liebe zu schenken (z.B. „danke“ zu sagen), welche Wohlwollen hervorbringen und Geist und Herz für die Brüderlichkeit öffnen.

Die Christen können und müssen dem Land helfen[2]

Paulus war ein „Mann der Grenze“. In diesem Sinn war er zutiefst modern. Er lebte an der Kreuzung verschiedener Kulturen und Religionen. Dabei achtete er deren Lehren und Anhänger.

Paulus war auch ein Mann der Tat. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte er mit Reisen. Wie wir heute war er davon überzeugt, dass es, um den anderen und seine Bestrebungen verstehen zu können, notwendig ist, sich auf einer Ebene mit ihm zu bewegen, um ihn zu sehen, zu hören und ein Stück Weg mit ihm zu gehen.

Paulus war schließlich ein „Baumeister“ christlicher Gemeinschaften, errichtet und geöffnet auf die Welt hin. Er war sich gewiss, dass die Christen, wo immer sie leben, ihren Platz in der Gesellschaft haben. Heute wie gestern sind die christlichen Gemeinschaften sichtbar und wollen als solche anerkannt werden.

Ich kann diese meine kurzen Worte nicht beschließen, ohne den Autoritäten und dem türkischen Volk zu versichern, dass die Katholiken dieses edlen Landes die Sehnsucht haben, einen immer größeren Beitrag zum harmonischen Zusammenleben der Gesellschaft und zu einem respektvollen interreligiösen Dialog zu leisten. Die katholische Kirche glaubt fest, dass die gegenseitige Kenntnis der verschiedenen geistlichen Traditionen, die ehrliche Freundschaft und der gemeinsame Einsatz aller Gläubigen einen wertvollen Dienst zugunsten aller darstellen, den die Gläubigen dem Land leisten können (und müssen).

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
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[1] Auszug aus der Predigt am 29. Juni 2009 in Tarsus.
[2] Auszug aus dem Grußwort an die staatlichen Autoritäten am 29. Juni 2009 in Tarsus.

Der absolute Schutz des Beichtgeheimnisses

Im Rahmen der Fortbildung für Seminaristen und Priester zum Thema Bußsakrament, die im Februar dieses Jahres an der Gebetsstätte Wigratzbad stattfand, behandelte der Offizial der Diözese Augsburg, Dr. Ernst Freiherr von Castell, kirchenrechtliche Aspekte des sog. „Forum internum“. Er zeigte auf, dass der Fragenkomplex um das „Forum internum“, also der innere Bereich, „keine akademische Spielerei oder ein Beschäftigungsprogramm für pastorale Theoretiker ist, sondern ein schwieriger Kernbereich der Seelsorge, der in der Praxis Rechtskenntnis und Umsicht erfordert“. Wenn die Kirche zwischen innerem und äußerem, zwischen geheimem und öffentlichem Bereich unterscheidet, geht es ihr nicht nur um den Schutz des Beichtsakraments, sondern ganz allgemein um die Sicherung der Personenrechte des Einzelnen. Dennoch aber ist dabei ihr wichtigstes Anliegen der absolute Schutz des Beichtgeheimnisses. Mit dieser Thematik befasst sich der nachfolgende Auszug aus seinem umfangreichen Referat. Ein sehr hilfreicher Beitrag für Seelsorger wie Gläubige.

Von Ernst Freiherr von Castell

Drei Fallbeispiele

• Unvorsichtigkeit eines Jubelpriesters

Zum goldenen Priesterjubiläum kehrt ein Priester in seine alte Heimatgemeinde zurück. Im Pfarrsaal erzählt er von seinen Anfängen als Seelsorger: „Ich weiß noch genau, meine erste Amtshandlung war die Beichte vor der Frühmesse. Und da ist eine Frau zu mir gekommen…“ „Das war fei ich, das weiß ich genau,“ flüstert eine ältere Dame zu ihrer Nachbarin, „und ihr werdet es nicht glauben,“ fährt der Pfarrer fort, „gleich ein Ehebruch.“ Hat sich dieser Pfarrer eines direkten Bruchs des Beichtgeheimnisses (c. 1388 §1 CIC), verbunden mit der dem Papst vorbehaltenen Exkommunikation, schuldig gemacht?

Der Jubelpriester ist nicht exkommuniziert, denn er hat das Beichtgeheimnis nicht direkt verletzt. Ihm ist zudem nur eine leichte Fahrlässigkeit, aber bestimmt keine Absicht zu unterstellen, denn dass tatsächlich nach Jahrzehnten noch jemand weiß, wer sein erster Pönitent war, ist mehr als Zufall. Andererseits zeigt hier der Fall: Man kann nicht vorsichtig genug sein.

• Zeugnisverweigerungsrecht eines Notfallseelsorgers

Ein Priester wird als Notfallseelsorger zu einem schweren Verkehrsunfall mit zwei Toten gerufen. Einer der Unfallbeteiligten fragt ihn, ob er mit ihm als Seelsorger reden kann, auch wenn er selbst ungetauft ist. Der Priester erfährt in diesem Gespräch, dass der Betreffende der eigentliche Unfallverursacher ist. Zwei Wochen später erhält besagter Priester ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft, in dem er als Zeuge geladen wird. Der Staatsanwalt teilt ihm darin mit, dass er sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §53 StPO berufen kann. Schließlich sei der Betreffende nicht getauft und damit nicht zur Religionsgemeinschaft des Priesters gehörig und zudem hätte er ja nicht beichten können, so dass das Beichtgeheimnis durch eine Aussage des Priesters nicht tangiert würde. Ist der Notfallseelsorger in diesem Fall also zu einer Aussage verpflichtet?

In diesem Fall hat der Staatsanwalt nur mit Platzpatronen geschossen: Man muss sich Art. 9 des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 nämlich genau anschauen: „Geistliche können von Gerichtsbehörden und anderen Behörden nicht um Auskünfte über Tatsachen angehalten werden, die ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden sind und deshalb unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fallen.“ Entscheidend ist hier nicht die Frage der Religion des Ansprechpartners oder ob es tatsächlich um eine Beichte ging: Das Recht zu schweigen bezieht sich auf alles, was einem Geistlichen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut wird. Diese Situation war hier ohne Zweifel gegeben, weswegen der Geistliche ein uneingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht besitzt.

• Entscheidung über die Eignung eines Weihekandidaten

Der Heimatpfarrer eines Weihekandidaten erhält vom Regens des Priesterseminars ein Formular. Es geht darin um Fragen zur persönlichen Lebensführung bzw. zur Eignung des Bewerbers. Aus mehreren Beicht- und Seelsorgegesprächen weiß der Heimatpfarrer von Vorfällen, die den Kandidaten für ungeeignet erscheinen lassen. Nichts von diesen Dingen ist jedoch öffentlich bekannt. Wie soll sich der Heimatpfarrer verhalten? Wenn er die entsprechenden Fragen ehrlich beantwortet, bricht er das Beichtgeheimnis, wenn er sie aber einfach auslässt, muss dann nicht der Eindruck entstehen, dass er Dinge weiß, die gegen eine Weihe des Kandidaten sprechen?

Gemäß c. 240 §2 CIC darf bei Entscheidungen darüber, ob Alumnen zu den Weihen zugelassen oder aus dem Seminar entlassen werden, niemals eine Stellungnahme des Spirituals oder eines Beichtvaters eingeholt werden. Der Heimatpfarrer unseres Weihekandidaten sollte darum den ganzen Fragebogen unbeantwortet lassen und mit dem Hinweis auf c. 240 §2 sich für ungeeignet erklären, irgendwelche Angaben oder irgendein Urteil über dessen Eignung zu tätigen.

Unterscheidung von öffentlichem und innerem Bereich

Die Ausübung hoheitlicher Gewalt geschieht in der Kirche meistens im öffentlichen Bereich („Forum externum“), da rechtliches Handeln in der Regel auf eine sichtbare Außenwirkung abzielt. Das Heil der Seelen, das oberstes Ziel kirchlichen Handelns ist, macht es im Einzelfall erforderlich, dass nur in einem inneren Bereich („Forum internum“), also nicht öffentlich vorgegangen wird.

Hintergrund dieser Unterscheidung in öffentliches und nichtöffentliches Vorgehen ist Grundrecht der Gläubigen auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. C. 220 legt darum fest, dass niemand den guten Ruf, den jemand hat, rechtswidrig schädigen und das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen darf. Gerade das Gebiet von persönlicher Schuld und Sünde ist ein ganz persönlicher Bereich, der unbedingte Vertraulichkeit und ein Höchstmaß an Diskretion erfordert. Geheimes soll hier geheim bleiben, während Öffentliches auch öffentlich aufgearbeitet werden muss.

Eine solche Vorgehensweise zieht sich von Anfang an wie ein roter Faden durch die kirchliche Bußpraxis hindurch. Das zeigte sich bereits in der frühkirchlichen Praxis der Unterscheidung zwischen der Strafexkommunikation als Sanktion für öffentlich bekannte schwere Verfehlungen gegen die kirchliche Gemeinschaft und der Bußexkommunikation als Teil der Wiederversöhnung. Die Buße war hier zwar öffentlich, die Ablegung des Bekenntnisses jedoch geheim vor dem Bischof, der dann eine angemessene Bußzeit bzw. entsprechende Bußwerke verhängte.[1] Wo es um das Heil der Seelen geht, greifen also moralische, rechtliche und pastorale Aspekte ineinander. „Die Anerkennung des Forum internum als eines eigenen Rechtsbereiches entspricht der Tatsache, dass das kirchliche Recht nicht nur eine äußere Ordnungsfunktion zu erfüllen hat, sondern auch auf die Absicherung sittlicher Lebensorientierung in der Gemeinschaft (vgl. bonum commune) ausgerichtet ist. Dabei will kirchliches Recht auch das Gewissen des Einzelnen schützen und als Höchstwert anerkennen: vgl. c.748 CIC. Man könnte sagen: Das Kirchenrecht versucht, seinen objektiven sittlichen Gestaltungsauftrag mit dem größtmöglichen Respekt vor dem Gewissen des Einzelnen zu harmonisieren."[2]

Schutz des Beichtgeheimnisses im Kirchenrecht

Das Beichtgeheimnis ist gemäß c.983 §1 unverletzlich. Dem Beichtvater ist es darum streng verboten („nefas est“), den Pönitenten durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten. Zur Wahrung des Geheimnisses sind auch, falls beteiligt, der Dolmetscher und alle anderen verpflichtet, die auf irgendeine Weise aus der Beichte zur Kenntnis von Sünden gelangt sind (c. 983 §1), also etwa Personen, die vor dem Beichtstuhl standen und zufällig etwas vom dort Gesprochenen mitbekommen haben. Das Beichtgeheimnis gilt also unter allen denkbaren und möglichen Umständen und ohne jede Ausnahme, selbst für den Fall größter zukünftiger Gefahren. Deshalb sind Priester nach c. 1550 §2 2° vor dem kirchlichen Gericht zeugnisunfähig hinsichtlich jedweder Kenntnis, die sie aus der sakramentalen Beichte gewonnen haben, selbst wenn der Pönitent deren Offenbarung verlangt hat; sogar das, was von irgendwem und auf irgendeine Weise gelegentlich einer Beichte gehört worden ist, kann nicht einmal als Anhaltspunkt für die Wahrheit entgegengenommen werden.

Ein solch umfassender Schutz ist die unbedingte Vertrauensgrundlage für den Pönitenten, seine u. U. geheimsten inneren Konflikte und Nöte einer anderen Person anzuvertrauen. Daher ist eine Diskussion über die Möglichkeit, etwa Verbrechen durch Bruch des Beichtgeheimnisses zu verhindern[3] in sich sinnlos, denn ohne das Wissen um die unbedingte Verschwiegenheit würde niemand in der Beichte solche Dinge ansprechen. Im Letzten ist das Beichtgeheimnis ein Ausdruck der göttlichen Barmherzigkeit, die niemanden, auch nicht den größten Verbrecher, von der Möglichkeit der Umkehr ausschließt. Der rechtliche Schutz des Pönitenten umfasst aber nicht nur die direkte Weitergabe des Gebeichteten, sondern generell dessen Verwendung: C. 984 §1 bestimmt daher, dass ein Gebrauch des aus der Beichte gewonnenen Wissens, der für den Pönitenten belastend wäre, dem Beichtvater streng verboten ist, selbst wenn jede Gefahr, dass etwas bekannt werden könnte, ausgeschlossen ist. Zu denken wäre hier etwa, dass der Priester einen Pönitenten auch nicht unter vier Augen auf die von ihm bekannten Sünden von sich aus anspricht, oder, dass er sein Auto nicht mehr bei einer bestimmten Werkstatt zum Kundendienst bringt, weil er in der Beichte erfahren hat, dass dort geschlampt wird.

Um bereits im Vorfeld mögliche Konflikte zwischen dem aus dem „Forum internum sacramentale“ gewonnenen Wissen und einer Verantwortung im „Forum externum“ zu vermeiden, sollen Personen nicht oder nur unter besonderen Bedingungen zu Beichtväter gehen, die äußere Gewalt über sie ausüben. Gemäß c. 984 §2 darf, wer eine leitende Stellung einnimmt, die Kenntnis von Sünden, die er zu irgendeiner Zeit aus der Entgegennahme einer Beichte erlangte, auf keine Weise bei der äußeren Leitung gebrauchen. Daher dürfen der Novizenmeister und sein Gehilfe sowie der Rektor eines Seminars oder einer anderen Erziehungseinrichtung sakramentale Beichten ihrer Alumnen, die sich im selben Haus aufhalten, nur hören, wenn die Alumnen in Einzelfällen von sich aus darum bitten (c. 985). Gemäß c. 240 §2 CIC darf bei Entscheidungen darüber, ob Alumnen zu den Weihen zugelassen oder aus dem Seminar entlassen werden, niemals eine Stellungnahme des Spirituals oder eines Beichtvaters eingeholt werden.

Bei der strikten Trennung zwischen der Gewaltausübung in „foro interno sacramentale“ und in „foro externo“ geht es neben dem Schutz des Beichtsakramentes auch um den Schutz der Personenrechte des Pönitenten. Eine gemeinsame Machtausübung über beide Bereiche hat letztlich totalitäre Züge, der dem Betroffen keinerlei persönliche Freiheit mehr lässt. Daher bestimmt c. 991 auch ausdrücklich, dass es jedem Gläubigen freisteht, sich seinen Beichtvater frei zu wählen, sofern dieser nur rechtmäßig bestellt  ist, auch wenn er einem anderen Ritus abgehört. „Es kann also niemand zur Beichte bei einem bestimmten Beichtvater verpflichtet werden, selbst wenn für eine bestimmte Einrichtung eigens ein Beichtvater bestellt wäre (Priesterseminar c. 240 §1, Orden c. 630 §2 und §3) oder dieser die Muttersprache des Pönitenten spricht."[4]

Schutz des Beichtgeheimnisses im weltlichen Recht

„Nach deutschem weltlichem Recht ist das Beichtgeheimnis zusammen mit dem Berufsgeheimnis geschützt (§383 Abs. 1 Ziffer 4 ZPO und §53 Ziffer 4 StPO)."[5] Zudem regelt Art. 9 des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 ganz klar: „Geistliche können von Gerichtsbehörden und anderen Behörden nicht um Auskünfte über Tatsachen angehalten werden, die ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden sind und deshalb unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fallen.“ Dass die Beichte eine Ausübung der Seelsorge ist, die unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fällt, kann nicht bestritten werden. „Durch Art. 9 RK wird das geistliche Berufsgeheimnis ganz allgemein geschützt, so dass im Zivilprozess der von der Schweigepflicht entbundene Priester (vgl. §385 ZPO) sein Aussageverweigerungsrecht nicht verliert. Auch in strafrechtlicher Hinsicht ist der Geistliche von der Anzeigepflicht ausgenommen (vgl. §139 StGB).

In Österreich ist das Amtsgeheimnis durch Art. 18 des Konkordates und im staatlichen Recht gemäß §151 Nr.1 StPO geschützt, während das Schweizer Strafgesetzbuch (Art. 321) eine Verletzung des Amtsgeheimnisses sogar durch eine Strafdrohung bewehrt."[6] Damit ist in den angeführten Ländern das Beichtgeheimnis umfassend geschützt.

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[1] Vgl. Aymans-Mörsdorf: KanR III, 284- 285.
[2] H. Pree: Forum externum und Forum internum, in: AfkKR 168 (1999), 33.
[3] So ist aus Aussagen des Kindermörders Jürgen Bartsch bekannt, dass er sein erstes Verbrechen gebeichtet hat.
[4] Vgl. R. Althaus: MK 991/2.
[5] Aymans-Mörsdorf: KanR III, 304.
[6] Ebd. 404.

Hans Buschor – ein beispielloses Lebenswerk

Am 15. März dieses Jahres feierte Pfarrer Hans Buschor, der Gründer von K-TV, sein 50. Priesterjubiläum. In Kürze darf er auf das 10-jährige Bestehen seines Fernsehsenders zurückblicken. Was er aufgebaut hat, gleicht einem Wunder. Er selbst schreibt es vor allem der Fürsprache des hl. Pater Pio zu. Über ihn produzierte er 1968 den Kinofilm „Pater Pio – Vater von Millionen“. Mit seinem Fernsehapostolat ist er nun selbst „Vater von Millionen“ geworden.

Von Alfons Sarrach

Auf „Fels“ gebaut

Als am 11. September 1999 erstmals die Ausstrahlung des privaten katholischen Fernsehsenders K-TV auf einem eigenen Kanal erfolgte, gaben ihm Fachleute keine große Überlebenschance. Sie sollten sich geirrt haben. Nach zehn Jahren ist man immer noch „auf Sendung“. K-TV ist zum Begriff geworden. „K“ steht übrigens für Kephas, was Felsen bedeutet. Es erinnert an die Worte Jesu an seinen Apostel Simon, den er Kephas, Petrus nannte. Er sollte seine Brüder im Glauben stärken, wie ein Felsen.

Prophetische Weitsicht

Diesem Vermächtnis fühlt sich der Sender verpflichtet. Dahinter aber steht ein Mann, Hans Buschor, Priester aus der Schweiz, der schon sehr früh die Bedeutung der modernen Medien für die Verkündigung der Frohen Botschaft erkannte. Er ahnte, welche Steigerung und Vervielfältigung sie bei der Verbreitung und Verteidigung des Glaubens bieten können.

Leidenschaftlicher Filmemacher

Seine persönliche Filmarbeit begann mit zwei Jugendfilmen zwischen 1959 und 1969: „Werner, der Ministrant“ und „Walther und die blauen Wölfe“. Ein paar Jahre später entstanden in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen die Streifen: „Sieben Buben und ein Töffli“ und „Hölloch“, ein Film über eine Naturhöhle. Für beide lieferte Buschor das Drehbuch und führte bei der Entstehung Regie. Auch zwei Kinostreifen hat der leidenschaftliche Filmemacher vorzuweisen: 1968 produzierte er den Film „Pater Pio, Vater von Millionen“ und 1977 „Fatima, unsere Hoffnung“.

Kein Cafeteria-Christentum

K-TV beschäftigt inzwischen um die 15 Mitarbeiter. Das Studio ist in einer ehem. Fabrikhalle in Dornbirn im Dreiländereck am Bodensee untergebracht. Ein Studio befindet sich inzwischen auch bei der Gebetsstätte Wigratzbad. Der Sender unterhält sich – und das kommt fast einem Wunder gleich – ausschließlich von Spenden. Neben wertvollen Beiträgen aus der katholischen Glaubenswelt und Kindersendungen überträgt der Sender vor allem wichtige Auftritte mit dem Papst, oft der einzige Sender in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das allerwichtigste aber ist, dass er keine Kompromisse mit dem Zeitgeist eingeht. Das Cafeteria-Christentum ist ihm fremd.

Glaube, der Berge versetzt

Was Hans Buschor in zäher und mühsamer Kleinarbeit auf die Beine gestellt hat, ist für die deutschsprachigen Länder beispiellos. Das Ergebnis zeigt, was möglich ist, wenn ein starker Glaube an die Sache dahintersteht. Hinzu kommt ein Leben aus dem Glauben, das ausstrahlt und rüberkommt.

Im Dienst der Ewigen Wahrheit

Der Präsident einer großen amerikanischen Fernsehgesellschaft hat einmal gesagt: Sein Job sei es nicht, den Menschen Informationen zu liefern, die sie haben wollen, sondern solche Nachrichten, über die der Sender entscheidet, dass man sie haben sollte oder auch nicht. Auf solche Art von Manipulation konnte Hans Buschor stets verzichten. Er will Wahrheit vermitteln, die in Bezug steht zur Ewigen Wahrheit.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Einladung zum Kongress „Freude am Glauben“

Von Hubert Gindert

Der Kongress „Freude am Glauben“ vom 11. bis 13. September 2009 in Aschaffenburg steht mitten in der geistigen Auseinandersetzung, in der wir uns heute befinden. Das unterstreicht das Generalthema: „Mit einer starken Kirche die Gesellschaft erneuern!“ Es besteht weithin Übereinstimmung, dass unsere Gesellschaft erneuerungsbedürftig ist. Die Banken- und Wirtschaftskrise haben auch die moralische Krise freigelegt. Sie wird nicht nur im Profitstreben deutlich, die die Krise ausgelöst hat. Sie zeigt sich im Auseinanderbrechen der Familien, in sexueller Zügellosigkeit und in der weitverbreiteten Abtreibung. Romano Guardini hat einmal angemerkt: „Die Kirche darf die Gesellschaft nicht im Stich lassen. Sie treibt orientierungslos und hilflos dahin. Aber nur eine starke, in sich gefestigte Kirche kann einen Beitrag für die dringend notwendige Erneuerung der Gesellschaft leisten.“ Ist unsere Kirche in dieser Verfassung, wenn das oberste Laiengremium (ZdK) zum Boykott gegen päpstliche Rundschreiben aufruft, in den führenden Repräsentanten der von der Kirche verbotenen Schwangerenkonfliktberatung „Donum Vitae“ verbunden ist, eine Kommission des ZdK den Missionsauftrag Christi relativiert? Ist die Kirche in Deutschland stark, wenn Theologieprofessoren die Auferstehung Christi von den Toten oder die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi in der Eucharistiefeier infrage stellen? Ist die Kirche in Deutschland stark, wenn überfällige Beschlüsse, wie die „Königsteiner Erklärung“, nicht revidiert werden?

Die Zeit erlaubt uns nicht, die Hände in den Schoß zu legen, bis alles in Ordnung gebracht ist. Aus der Geschichte wissen wir, dass die Reformer in der Kirche ihrer Aufgabe stets mit ganzer Hingabe und in engem Schulterschluss mit dem Stellvertreter Christi nachgekommen sind. Ungehorsam war nie ein Erfolgsrezept. Der Kongress „Freude am Glauben“ stellt sich der Herausforderung.

Wir haben einen großartigen Papst an der Spitze der Kirche. Er ist eine weltweit anerkannte moralische Autorität und der Sprecher der Christenheit. Die Kirche verfügt auch heute noch über große Reserven, wenn sie zu den Kraftquellen der Erneuerung zurückkehrt. Darüber werden wir auf dem Kongress vieles erfahren. Wir freuen uns, dass der Kardinal von Madrid, Antonio Rouco Varela, Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz, zu uns kommt. Er hat in den zurückliegenden Jahren Millionen Katholiken für die Anliegen und Rechte der Familie mobilisiert. Wir sind dankbar, dass der Apostolische Nuntius von Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, sowie die Bischöfe Hofmann (Würzburg), Müller (Regensburg), Hanke (Eichstätt), Wiesemann (Speyer) im Programm mitwirken. Hinzu kommen u.a. als Referenten P. Karl Wallner, Domherr Christoph Casetti, P. Peter Willi FOS, Hubert Lenz SAC, Pfarrer Winfried Abel, der Buchautor Michael Hesemann, Nathanael Liminski.

Die Jugend wird mit Pfarrer Elmar Stabel, Kaplan Christof Anselmann, Kaplan Andreas Süß, Thomas Schührer, Angelika Keindl und Bernadette Ballestrem eigene Akzente setzen und die Themen der Weltjugendtage weiterführen. Es gibt auch ein zusätzliches Kinderprogramm.

Die Podiumsgespräche „Islam“ und „Wo Christen zusammenstehen müssen“ greifen heiße Eisen auf. Das Programm bietet Raum für Begegnungen, Gespräche, den Besuch der Info-Stände etc.. Wie bisher wird der Kongress von eucharistischer Anbetung begleitet. Es ist ausreichend Zeit für den Empfang des Bußsakramentes gegeben. Wir werden wieder eindrucksvolle Gottesdienste feiern, auch eine heilige Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus.

Das Kongresszentrum „Stadthalle am Schloss Aschaffenburg“ liegt nur 5-8 Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Es gibt ausreichend Parkmöglichkeiten für Pkws.

Alle sind herzlich zum Kongress in Aschaffenburg eingeladen. Bringen Sie auch ihre Bekannten und Freunde mit!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
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Schriftsteller im Dienst des Glaubens

Maximilian Rimmel (1925-2009) war ein weithin bekannter Heimatdichter aus dem nördlichen Allgäu. Als starke, väterliche Persönlichkeit bezeugte er bis zuletzt einen im Leben verwurzelten Glauben. Es ist der Vater unseres Mitherausgebers Thomas Maria Rimmel, der im Auftrag der Diözese Augsburg seit etwa zehn Jahren die Gebetsstätte Wigratzbad leitet. Im priesterlichen Wirken seines Sohnes scheint manches auf, was diese Künstlergestalt ausgezeichnet hat.

Von Werner Schiederer

Eine gesunde Wertordnung

Am 30. Juni 2009 starb der Schriftsteller Maximilian Rimmel. Mit gefühlvoller Phantasie und glaubensstarkem Realismus verstand er, den Leser zu fesseln und ihn in die Welt der christlichen Werte einzuführen. Geboren am 5. März 1925 in Legau wuchs er als Sohn eines Schneiders zusammen mit drei Schwestern in sehr einfachen, aber vom christlichen Glauben geprägten Verhältnissen auf. Seine künstlerische Ader erwachte bereits in der Schulzeit. Über den Gehalt seiner Gedichte waren die Lehrer zutiefst erstaunt. Doch erst die unseligen Erfahrungen des Krieges regten ihn an, sich intensiver der schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen. Der Einsatz als Gebirgsjäger hatte ihn nach Frankreich und Italien geführt. Als er 1944 im Lazarett von Briançon lag, fasste er den Entschluss, ein Buch zu schreiben. So entstand sein erster Roman mit dem Titel „Kamerad in Krieg und Frieden“, der schließlich 1960 erschien. In einer Beurteilung schrieb der damalige Bundesjugendseelsorger Dr. Emmeran Scharl: Das Buch „gleicht in seiner Sprache und Gefühlsdichte den bekannten Heimatromanen und -filmen. Es unterscheidet sich aber wesentlich von dem oft sentimentalen Heimatkitsch, weil durch alle Ereignisse, die er in einer Fülle von spannenden Erlebnissen schildert, eine gesunde Wertordnung durchleuchtet“. Diese Charakterisierung trifft auf das gesamte Werk von Maximilian Rimmel zu. Es besteht aus unzähligen Lied- und Gedichttexten, Künstlerkarten und Märchen, an erster Stelle aber aus seinen vier Romanen, die miteinander 1487 Seiten umfassen. Nach dem bereits genannten Roman kamen 1977 „Der Kurier des Abendlandes“, 1988 „Der einsame Christus“ und 1996 „Das Hauptgebot“.

Der Herr ist erstanden

Maximilian Rimmel schöpfte aus einem unerschütterlichen katholischen Glauben und versuchte, die „Erlöserbotschaft Christi ins Herz [der Menschen] hineinzupflanzen“ (Der einsame Christus, 10). Er sprach letztlich von sich selbst, wenn er in aller Demut schrieb: „Wir können nur hoffen und beten, dass alles, was wir bisher im Namen Jesu Christi und zur Ehre der Gottesmutter begonnen haben, doch niemals ganz vergebens war“ (Der Kurier des Abendlandes, 131f). Sein Lieblingsevangelium waren die Seligpreisungen am Beginn der Bergpredigt. In diesem Geist ging er nach dem Krieg als gelernter Käser und jüngster Molkereipächter Bayerns eine Ehe ein, aus der neun Kinder hervorgingen, unter anderem die beiden Priestersöhne Thomas Maria und Reinfried. Jeder Tag war vom Gebet durchwoben. Mit einer tiefen marianischen Frömmigkeit bewältigte er alle Höhen und Tiefen seines Lebens, besonders auch die letzten acht Jahre, in denen er vollkommen auf die Pflege seiner Familie angewiesen war. Die Beerdigung an einem Herz-Mariä-Samstag bildete einen symbolischen Abschluss seines Pilgerweges, auf dem er sich außer Wallfahrten zu den großen Heiligtümern der Gottesmutter keinen einzigen Urlaub gönnte. Wie sehr der auferstandene Christus als siegreicher Herr sein Leben bestimmte, spiegeln die folgenden Zeilen aus seiner Feder wider:

Es kündet das Rauschen von Strom zu Strom,
der Klang aller Glocken von Dom zu Dom.
Gesprengt sind die Banden von ewiger Not;

der Herr ist erstanden – kein ewiger Tod.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 8+9/August+September 2009
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

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