Weihnachten aus der Sicht eines Historikers

Rechtzeitig zur Kardinalserhebung ist nun das Gespräch, das Ingo Langner mit Prälat Prof. Dr. Walter Brandmüller über den Atheismus geführt hat, auch auf Deutsch erschienen. In diesem Buch[1] treffen zwei Phänomene aufeinander: die spritzige Art des ehemaligen „Chefhistorikers des Vatikans“ und die erstaunliche Bewandertheit eines Regisseurs und Fernsehproduzenten auf religiösem Gebiet, der mit der Wendigkeit des gelehrten Professors in genialer Weise Schritt halten kann. Der in Berlin lebende Langner wurde 1951 geboren, ist verheiratet und kann eine bewegte wie erfolgreiche Berufslaufbahn vorweisen. Bereits 2006 überraschte er mit einer Schrift über den Fall Galilei, die er ebenfalls zusammen mit Prof. Brandmüller verfasste, sowie mit einer Fernsehdokumentation über „Manoppello. Das wahre Gesicht Christi?“. Zum neuen Buch schreibt Richard Wagner in einem Vorwort: „Die Atheisten sind eine Partei, die sich vor allem gegen das Christentum wendet, und zwar ausdrücklich gegen den Katholizismus. Der Atheismus ist ein Phänomen der westlichen Welt. Sein Hauptfeind ist der Vatikan. Es ist sein Feindbild. Als gelte es die von ihm angeblich verteidigte säkulare Gesellschaft gegen den Vatikan zu behaupten.“ Nachfolgend Auszüge, die das Thema „Weihnachten“ berühren.

Von Walter Kardinal Brandmüller und Ingo Langner

Maria und der Engel: Drama und Mysterium

Langner: Die Evangelien berichten: Jesus wurde „empfangen durch den Heiligen Geist“ und „geboren von der Jungfrau Maria“. So steht es auch im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Ich frage mich, wer selbst von den regelmäßigen Kirchgängern das noch glaubt, und traue mich, ehrlich gesagt, gar nicht danach zu fragen.

Vor Jahren habe ich erlebt, wie eine von christlichem Selbstverständnis durchdrungene Dame sich fest davon überzeugt zeigte, dass Jesus von Josef gezeugt worden sei. Mein Hinweis auf das Apostolische Glaubensbekenntnis – das auch die Protestanten beten – wurde elegant beiseite gewischt.

Wer ist schuld daran, dass dieses Essential des christlichen Glaubens erst angezweifelt, dann verworfen und schließlich dem Gespött der Atheisten preisgegeben worden ist? Wieder die liberalen Theologen? Oder geht alles auf einen Übersetzungsfehler im Alten Testament zurück, wo der Prophet eigentlich gar nicht von einer Jungfrau, sondern von einer jungen Frau spricht?

Brandmüller: Die Antwort auf die zuletzt gestellte Frage ist verhältnismäßig einfach. Denn der Prophet Jesaja (7,14) spricht von der Geburt dieses Kindes als von einem prophetischen Zeichen. Dass eine junge Frau ein Kind bekommt, ist etwas so Alltägliches, dass es sich als Zeichen überhaupt nicht eignet. Die Septuaginta, also die noch jüdische Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische, übersetzt das hebräische „Alma“, das junge Frau und Jungfrau bedeutet, denn auch eindeutig mit „Parthenos“, d.h. mit Jungfrau. Und damit dürfte es klar sein, dass hier die Geburt eines Kindes von einer Jungfrau in Rede steht.

Langner: Geboren von der Jungfrau Maria, empfangen durch den Heiligen Geist. Die berühmte Szene. Warum ein so spektakulärer Auftakt?

Brandmüller: Ja, ganz einfach, weil es so geschehen ist.

Langner: Und weiter? Sie sollen doch jetzt keinen Schlusspunkt machen?

Brandmüller: Wir haben doch hier kein Drama vor uns, das interpretiert wird.

Langner: Ich denke schon, dass es auch ein Drama ist. Ein großes sogar … 

Brandmüller: Sie sind eben immer noch ein Kind des Theaters. Das merkt man jetzt. Sie wollen den Evangelisten Lukas hoffentlich nicht zum Theaterdichter machen!

Langner: Natürlich nicht! Da sind wir uns einig. Sein Bericht ist aber auch ein Drama. Und aus theologischer Sicht?

Brandmüller: Wir stehen hier vor einem göttlichen Mysterium. Dessen Sinn und Bedeutung und Begründung aus der Offenbarung zu erforschen, ist natürlich eine Bände füllende Angelegenheit. Aber ich will hier nun wirklich nicht kneifen. Also: Ich gebe natürlich zu, dass die Glaubenslehre von der Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria, die ihren Sohn ohne einen menschlichen Vater empfangen habe, unglaublich klingt und jeder menschlichen Erfahrung widerspricht.

Wider die Hermeneutik des Verdachts

Langner: Und gegen all das erhebt sich – aus Aufklärungssicht geradezu zwangsläufig – ein ganzer Schwarm von Fragezeichen und Widerworten. Oder deutlicher gesagt: eine Hermeneutik des Verdachts.

Brandmüller: Aber ist etwas, weil dergleichen noch nie vorgekommen, deswegen schon unmöglich? Ist etwas, was den gemeinhin bekannten Naturgesetzen widerspricht, deswegen undenkbar?

Wer diese Frage mit einem Ja beantwortet, der erhebt allerdings ganz unbedenklich menschliche Erfahrungen und menschliches Denkvermögen bzw. die Vernunft zum nicht hinterfragbaren Kriterium für Möglich und Unmöglich. Aber ein solches Kriterium wird durch die Erfahrung ad absurdum geführt.

Wie viel hat sich nicht am Ende schon als tatsächlich erwiesen, was Jahrtausende als unmöglich galt? Es sollten uns doch die verhältnismäßig engen Grenzen der menschlichen Vernunft, des menschlichen Erkenntnisvermögens, bewusst bleiben. Ergo: Wenn auf historisch-kritischem Wege die Tatsächlichkeit eines Faktums, eines Ereignisses, gesichert werden kann, dann gilt: Contra factum non valet argumentum. Eine Tatsache kann durch kein Argument aus der Welt geschafft werden.

Langner: Damit stehen wir vor dem Problem, dieses Faktum zu erklären.

Brandmüller: Warum erinnern wir uns da nicht an den mit menschlichen Kategorien nicht fassbaren, wenn auch erkennbaren, unendlichen Schöpfergeist? Ist nicht er es, der die Grenzen zwischen möglich und unmöglich zieht? Ist es denn vernunftgemäß, die Möglichkeit von Ereignissen bzw. Tatsachen zu leugnen, die sich einer natürlichen Erklärung entziehen? Nach diesen allgemeinen Überlegungen, die ich auch für andere Fälle im Kopf zu behalten bitte, nun einige Details zu der Frage Jungfrauengeburt Jesu.

Natürlich weiß ich, dass sehr viele Bibelwissenschaftler behaupten, die so genannten Kindheitsgeschichten, wie sie von Matthäus (1,18-2,23) und Lukas (1 und 2) erzählt werden, seien historisch wertlos. Fromme Legenden. Elemente des Mythos seien hier mit verschwindend geringen Fakten zu einer poetisch erbaulichen Geschichte verwoben worden, um die Göttlichkeit des Kindes von Betlehem, das übrigens in Wahrheit in Nazaret zur Welt gekommen sei, zu begründen. Aber so einfach geht das nicht.

Zunächst ist festzustellen, dass die Evangelien des Matthäus und des Lukas ausdrücklich von Betlehem berichten. Bei allem wunderbaren Inhalt erscheinen beide Berichte als historisch zuverlässig und auf ursprüngliche Auskünfte aus dem Kreis der Zeugen zurückgehend. Da ist die Volkszählung, der Census, deretwegen Josef und Maria nach Betlehem gingen, wo Jesus geboren wurde. Was Lukas über sie berichtet, entspricht bis in die Terminologie und die Einzelheiten hinein dem, was über Steuerveranlagungen und Volkszählungen in dieser Zeit auf Grund neuerer Funde und Forschungen bekannt ist. … Lukas ist Historiker. Und er erklärt, dass er es sein will. Und er berichtet diese Geschichte mit dem Census korrekt. Ich muss also dann, wenn ich die Jungfrauengeburt nicht akzeptieren will, begründen, warum er ausgerechnet in diesem Punkt…

Langner: Gut, die glaubwürdigen Zeugen könnten überzeugen, und dass „ganz und gar unwahrscheinlich“ nicht automatisch „unmöglich“ bedeutet, ist logisch nicht falsch. Doch weiter. Sie wissen, als alter Theatermann interessiere ich mich nicht nur für Dramatik, sondern auch für die Dialoge.

Brandmüller: Nun aber, bitte, Vorsicht! Der Historiker muss wiederum darauf aufmerksam machen, dass wir hier kein Gesprächsprotokoll vor uns haben. Lukas gestaltet auch hier literarisch, was ihm seine Gewährsleute berichtet haben – und was letztlich gewiss auf Maria, die einzige Zeugin zurückgeht.

Langner: Dennoch: Ganz wunderbar ist der Dialog zwischen dem Engel Gabriel und der Jungfrau Maria. … Maria weiß, wie normalerweise Menschenkinder entstehen. Sie ist aufgeklärt! Und sie spricht die auf Anhieb nicht leicht verständlichen Worte: „da ich keinen Mann erkenne“. Sie sagt nicht, da ich keinen Mann erkannt habe. Sie meint das offenbar grundsätzlich: Sie „erkennt“ keinen Mann heißt im Klartext, sie schläft mit keinem Mann. Sie ist augenscheinlich aus Überzeugung Jungfrau. Sie hat sich für diese Lebensform entschieden, bevor der Engel kam. Und soviel ich weiß, soll sie so etwas wie ein Jungfrauengelübde abgelegt haben. Aber das scheint theologisch höchst umstritten zu sein.

Brandmüller: Diese Schwierigkeit ist inzwischen behoben!

Langner: In welchem Sinne?

Brandmüller: Nun: Die Frage des Jungfräulichkeitsgelübdes Mariens wurde bisher von vielen strikt verneint, weil man meinte, dass es im ganzen jüdischen Kulturkreis, im jüdischen religiösen Denken undenkbar sei, dass ein Mädchen nicht Mutter werden wollte. Da kommt nun allerdings Qumran ins Spiel. Hier haben wir nämlich einen Text aus der Zeit vor Christi Geburt, die so genannte Tempelrolle. Und in dieser Tempelrolle werden u.a. am Ende Vorschriften über verschiedene religiöse Verhaltensweisen gegeben. Da ist nun auch die Rede von Jungfräulichkeitsgelübden. Von Unverheirateten wie von Verheirateten. Das gab es also wirklich und es war im essenischen Milieu offenbar nicht ungewöhnlich. Eine gewisse Nähe der Familie Jesu zu essenischen Kreisen haben wir ja schon erwähnt.

Langner: Was ist nun aber mit dem „Magnifikat“? Das soll die Gottesmutter Maria ja auch nie wirklich gesagt haben.

Brandmüller: Sie meinen also den Lobgesang, den – so der Evangelist Lukas (1,47-55) – Maria bei ihrer Begegnung mit Elisabet gesprochen hat? Nun, auch dieser Text ist eine Komposition von Lukas.

Langner: Bitte nicht! Bisher ist es doch so gut gelaufen. Das enttäuscht mich jetzt aber sehr.

Brandmüller: Tut mir leid.

Langner: Hat die Gottesmutter das „Magnifikat“ nie so gesagt, wie es uns Lukas überliefert: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“?

Brandmüller: Mit großer Sicherheit nicht. Ebenso wie Zacharias – der Vater Johannes‘ des Täufers – das „Benediktus“, seinen Lobgesang (1,68-79), gewiss nicht in dieser Form gesprochen hat.

Langner: Und in diesem Fall soll die historisch-kritische Exegese also Recht haben. Warum ausgerechnet hier?

Brandmüller: Sie führt auch in anderen Punkten zu richtigen Ergebnissen! Was nun das „Benediktus“ und „Magnifikat“ betrifft – und das gilt auch von Reden des Petrus etc. in der Apostelgeschichte –, folgt Lukas der Tradition der antiken Historiografie. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass die historisch-kritische Methode bei der Interpretation des Neuen Testaments – innerhalb ihrer Grenzen – notwendig und auch fruchtbar ist. In diesen beiden Fällen zeigt sie uns, aus welchen Versatzstücken beide hochbedeutsamen Texte zusammengefügt sind. Sie werden doch nicht annehmen, dass zum Beispiel im Augenblick der Begegnung Mariens und Elisabets ein Stenograf den Bleistift gezückt hat?

Langner: Was heißt hier Stenograf? Seit Homer kennen wir die mündlichen Überlieferungen, und die Jünger haben die Jesusworte ja wohl auch nicht mitstenografiert und trotzdem sind sie uns überliefert. Aber ich will hier deswegen kein Fass aufmachen. Gleichwohl: Das ist für mich außerordentlich bitter. Das muss ich schon sagen. Von wem ist das „Magnifikat“ denn geschrieben worden?

Brandmüller: Von Lukas. Der Autor komponiert einen Text, dessen Inhalt – nicht aber seine Sprachgestalt – historisch glaubwürdig ist. Ein zuverlässig überlieferter Inhalt wird vom Geschichtsschreiber literarisch gestaltet.

Langner: Die Madonna sagt: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“ Aber genau das ist doch passiert.

Brandmüller: Ja, natürlich. Das hat Lukas schon geahnt. Und der Heilige Geist, der ihn inspiriert hat. …

Sterne über Betlehem

Langner: Welche anderen historisch gesicherten Fakten können Sie denn im Zusammenhang mit Christi Geburt noch nennen?

Brandmüller: Nun, auch der Magierbesuch und der Stern von Betlehem sind durch die jüngste Forschung als historisch gesichert dargetan. Da ist auf Konrad Ferrari d‘Occhieppo zu verweisen, den bedeutenden Kenner der antiken Astronomie und langjährigen Direktor des Instituts für historische Astronomie an der Akademie der Wissenschaften in Wien, der 2007 gestorben ist. Dessen Buch ist in mehreren Auflagen erschienen. Er hat u.a. nachgewiesen, dass selbst der Wortlaut des Matthäusevangeliums (2,1-13) Ausdrücke aus der astronomischen Fachsprache enthält.

Langner: Wissen Sie, was das für Fachtermini sind?

Brandmüller: Da geht es etwa um den Terminus „Anatole“: „Wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen.“ Das ist aber eine völlig falsche Übersetzung, richtig ist: „Wir haben seinen Stern bei seinem Aufgang gesehen!“ Wenn es „im Morgenland“ bedeuten würde, dann müsste es „en anatolais“ heißen, also im Plural stehen. Es steht dort aber „en anatolä“ und das ist der Frühaufgang eines Gestirns.

Langner: Das ist jetzt Griechisch?

Brandmüller: Ja. Es geht um den Frühaufgang eines Planeten. Es gibt noch mehrere Begriffe dieser Art im Matthäusevangelium.

Langner: Was ist mit diesem Stern passiert? Wo ist der heute? Gibt es den noch?

Brandmüller: Es handelt sich um eine dreimalige Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische. Und diese Konjunktion ist ein besonderes astronomisches Phänomen, das sich nur alle ca. 800 Jahre ereignet. Und das ist genau im Jahre 7-6 vor Christus passiert. Man hat tatsächlich einen ganzen Kalender des Jahres 7-6 vor Chr. in einer Keilschriftbibliothek in Mesopotamien gefunden. Ferrari d‘Occhieppo und andere haben ihn dann ausgewertet.

Langner: In Mesopotamien gab es Kalender von jedem Jahr?

Brandmüller: Ja, die Frage ist nur, was davon erhalten ist. Ausgerechnet dieses Jahr ist aber in zwei oder drei Exemplaren von Tontafeln erhalten.

Langner: Wie praktisch!

Brandmüller: Ja, es ist in der Tat erstaunlich, dass gerade in jüngerer Zeit eine Reihe von archäologischen Funden die geschichtliche Zuverlässigkeit der Evangelien untermauern.

Langner: Schön, also ein kleines Geschenk von oben. …

Engelsgesang

Langner: Aber was es schwierig macht, ist gleichwohl dies: Mal ist es historisch verbürgt, dann wieder nur eine Metapher. Wer soll sich da zurechtfinden?

Brandmüller: Für eine solche Unterscheidung stehen dem Historiker die bewährten Methoden der Quellenkritik zur Verfügung. Dazu nur ein Beispiel: Der arme Lazarus und der reiche Prasser (Lukasevangelium 16,20 ff.) oder der barmherzige Samariter (ebd. 10,25 ff.) haben nie gelebt. Sie sind Figuren in einer Lehrerzählung Jesu. Denken Sie aber etwa an die Passionsgeschichte, da ist es offenkundig, dass Tatsachen berichtet werden sollen. Auch die Volkszählung und der Magierbesuch in Betlehem sind Ereignisberichte. 

Langner: Nun aber konkret: Haben die Engel über der Geburtsgrotte zu Betlehem gesungen?

Brandmüller: Ja, der Engelsgesang in Betlehem mit dem „Ehre sei Gott in der Höhe“ etc., das klingt für manche Ohren denn doch zu fantastisch. Wie auch manch anderes in den Evangelien Berichtete. Da will ich Ihnen nicht widersprechen. Bedenken Sie aber bitte eines: In all diesen Fällen handelt es sich um Dinge, die in der Alltagserfahrung des Menschen nicht vorkommen. Und für die es eben deswegen auch keinen adäquaten sprachlichen Ausdruck gibt.

Der Mensch erfährt, erlebt Unsagbares, Unaussprechliches, und wenn er dies trotzdem mitzuteilen versucht, findet er lediglich Worte, die nur irgendwie und immer unzureichend ausdrücken können, was er eigentlich sagen wollte. Das heißt, wir sollten, wenn von solchen Dingen die Rede ist, uns bewusst machen, dass das, was zu berichten versucht wird, viel größer ist als die Worte, die dafür zur Verfügung stehen. Die Streichholzschächtelchen unserer Begriffe fassen die übernatürliche, göttliche Realität nicht. Unsere Begriffe zerbrechen, wenn sie das Mysterium greifen wollen. …

Langner: Warum akzeptieren Sie die Engelschöre nicht als Faktum, aber die Jungfrauengeburt schon?

Brandmüller: Wer sagt Ihnen, dass ich den Engelsgesang nicht als Faktum akzeptiere? Natürlich tue ich das! Fragt sich eben nur, um welche Art von Faktum es sich handelt! Aber da verweise ich Sie auf das Gesagte: Es gibt Fakten, die die normalen, irdisch-menschlichen Kategorien sprengen. …

Man muss ja beachten, dass die Kindheitsgeschichte bei Lukas eigentlich dem Evangelium vorangestellt wurde. Das Evangelium nach Lukas beginn ursprünglich anders: „Es war im 15. Jahre der Regierung des Kaisers Tiberius. Pontius Pilatus war Landpfleger von Judäa, Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Vierfürst von Abilene, Hohepriester waren Annas und Kaiphas. Da ging der Ruf Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias in der Wüste“ (3,1-6). Das ist eine exakte Datierung!

Die vorangestellte Jugendgeschichte Jesu, seine Kindheitsgeschichte, geht eindeutig auf ein aramäisches Original zurück. Das ist philologisch einwandfrei erkennbar. Danach beginnt nämlich ein ganz anderes Griechisch, nämlich das Griechisch des Lukas. Lukas hat bekanntlich nicht aramäisch geschrieben, sondern griechisch, und die ersten beiden Kapitel sind offenkundig aus dem Aramäischen übersetzt.

Langner: Und wo kommt die aramäische Vorlage her?

Brandmüller: Vermutlich aus der Familie Jesu. Das wäre doch die natürlichste Erklärung. Bei Lukas (2,51-52) ist zu lesen: „Dann zog Jesus mit ihnen hinab und kam nach Nazaret und war ihnen untertan. Seine Mutter bewahrte alles, was geschrieben war, in ihrem Herzen.“ Das ist die Quelle.

Langner: Das Herz Mariens, das Herz der Mutter, ist die Quelle für Kindheit und Jugend Jesu. Ja, was denn eigentlich sonst? Mit dieser schönen und recht eigentlich zu Herzen gehenden Erklärung versüßen Sie mir die bittere Pille mit dem „Magnifikat“ von vorhin wieder. Die Mütter erinnern sich – an alles. Das ist so alt wie die Welt.


[1] Walter Kardinal Brandmüller/Ingo Langner: Vernünftig glauben. Ein Gespräch über Atheismus. Mit einem Vorwort von Richard Wagner. Taschenbuch, 224 S., ISBN: 978-3-86357-000-2, Euro 6,95, Verlagsprogramm im Internet: www.fe-medien.de

Walter Kardinal Brandmüller

Am 13. November 2010 wurde Prälat Prof. Dr. Walter Brandmüller in der Kirche der deutschsprachigen Katholiken in Rom „Santa Maria dell’Anima“ zum Bischof geweiht und am 20. November während des Konsistoriums im Petersdom von Papst Benedikt XVI. zum Kardinal kreiert. Pfr. Erich Maria Fink sieht in der Ernennung von Prof. Brandmüller zum Kardinal nicht nur eine Auszeichnung oder Ehrung. Für ihn ist sie die Übertragung einer neuen Aufgabe, die in Rom auf einen Experten und tiefgläubigen Geistlichen wie Walter Kardinal Brandmüller wartet.

Von Erich Maria Fink

Ohne Zweifel ist die Ernennung von Prof. Dr. Walter Brandmüller zum Kardinal eine besondere Auszeichnung für sein Lebenswerk. Der aus Ansbach in Bayern stammende Theologe und Priester des Erzbistums Bamberg war von 1970 bis 1997 Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Augsburg und von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft in Rom, also der so genannte „Chefhistoriker des Vatikans“. Seit seiner Habilitation beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit der Erforschung der Konzilien und gibt seit 1979 eine zweireihige („Darstellung“ und „Untersuchungen“) „Konziliengeschichte“ heraus, die bislang 37 Bände umfasst. Erfreulicherweise zeigen die Reaktionen auf seine Erhebung in den Kardinalsstand, dass ihm seine Kompetenz auf dem Gebiet der Kirchengeschichte ausnahmslos zugestanden wird.

Natürlich bezeichnen die Medien seine Einstellung als konservativ. Seien es seine Beiträge zum „Fall Galilei“, die Aufarbeitung der Geschichte der Kreuzzüge oder die Auseinandersetzung mit der Rolle der Kirche in der NS-Zeit und dem Pontifikat von Pius XII. (1939-1958), nie passte er sich dem Zeitgeist an. Keiner unangenehmen Frage oder Auseinandersetzung wich er aus. Und das macht auch seine Größe als Wissenschaftler aus. Aber Walter Kardinal Brandmüller ist mehr als nur ein mutiger Verteidiger kirchlicher Positionen.

In einer Zeit großer Verunsicherung bewahrte er immer einen glasklaren Blick. Bis heute gibt er als Hirte und Lehrer zuverlässige Orientierung. Dies verdankt er vor allem seiner tiefen Gläubigkeit. Mit einem selbstverständlichen Gehorsam gegenüber dem kirchlichen Lehramt beurteilt er Vergangenheit und Gegenwart. Immer weiß er, worauf es ankommt. Dabei schöpft er aus dem reichen Erfahrungsschatz der Kirche, ohne deren Schattenseiten zu beschönigen. Die menschlichen Grenzen, die durch ihre ganze Geschichte hindurch zu Tage treten, stehen ihm deutlich vor Augen. Dies bewahrt ihn vor Illusionen, erfüllt ihn aber im Wesentlichen mit einer heiligen Treue.

Kardinal Brandmüller ist zwar von einer großen Leidenschaft für Gott und seine Kirche erfüllt, aber er ist absolut kein schwärmerischer Geist. Im spirituellen Leben fordert er Nüchternheit. Für ihn bringt der reine Glaube, der keine besonderen Gefühlszustände sucht, den Menschen am weitesten voran. Als engagierter Seelsorger war er in liturgischen Fragen nach dem II. Vatikanischen Konzil gegen alle Entgleisungen gefeit. Ohne die Liturgiereform zurückzuweisen, hob er immer die Schätze der Tradition hervor und setzte mit seinem Stil deutliche Akzente. Seine Anliegen stimmen mit dem Bemühen Papst Benedikts XVI. vollkommen überein. Die rationale Durchdringung der Ausdrucksformen des christlichen Glaubens verbindet er dabei zeit seines Lebens mit einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik.

Mit 80 Jahren ging Prof. Brandmüller (geb. am 5. Januar 1929) in den „vatikanischen Ruhestand“. Das Amt des Präsidenten der Päpstlichen Historikerkommission trat er an den französischen Prämonstratenserpater Bernard Ardura (61) ab, der bis dahin Sekretär des vatikanischen Kulturrates war. An einer möglichen Papstwahl darf Kardinal Brandmüller mit der Überschreitung des 80. Lebensjahres nicht mehr teilnehmen. Aber heißt dies nun, dass die Verleihung der Kardinalswürde nur ein Zeichen der Anerkennung ist? Bedeutet sie nur eine Ehrung oder angesichts der dezidierten Haltung des Kardinals zu vielen umstrittenen Themen allenfalls noch ein Signal an anders denkende Gläubige? Im Fall Brandmüller darf die Ernennung zum Kardinal sicherlich auch als Übertragung einer neuen Aufgabe für Kirche und Welt verstanden werden.

Zu denken ist dabei an die Verhandlungen des Vatikans mit der Priesterbruderschaft St. Pius X., die sich nicht ganz einfach gestalten. Es geht nicht nur um Diplomatie, sondern wirklich um das Verständnis des II. Vatikanischen Konzils. Was ansteht, ist eine Aufarbeitung der Konzilsdokumente, eine authentische Interpretation strittiger Punkte in der Kontinuität des kirchlichen Lehramts, d.h. im Licht der Tradition. Mit einer allgemeinen Loyalitätserklärung zum Konzil ist es dabei nicht getan. Das Bemühen, die einzelnen Konzilstexte vom Inhalt und Charakter her detailliert einzuschätzen und in den Lauf der Geschichte einzuordnen, stellt sowohl für die Piusbruderschaft als auch für den Vatikan eine historische Chance dar. Hier sind Experten gefragt, die von Emotionen frei sind und auf Grund ihrer Erfahrung die notwendige Weite besitzen. Kardinal Brandmüller könnte auf dem Hintergrund der Konziliengeschichte eine unersetzbare Hilfestellung leisten und seinen Dienst nach den Worten ausüben, mit denen ihm der Papst am Christkönigssonntag den Kardinalsring überreichte: „Empfange den Ring aus den Händen des Petrus zum Zeichen der Würde, der pastoralen Sorge und einer festeren Gemeinschaft mit dem Sitz des Petrus.“

Bedeutung von Privatoffenbarungen

Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Verbum Domini“ über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche vom 30. September 2010 geht Papst Benedikt XVI. auch auf die Bedeutung von Privatoffenbarungen ein. Die Synode habe empfohlen, „den Gläubigen zu helfen, das Wort Gottes von Privatoffenbarungen zu unterscheiden“, so der Papst. Und dazu legt er eine klare, aber sehr ausgewogene Richtlinie vor. Einerseits weist er darauf hin, dass keine Pflicht besteht, von Privatoffenbarungen Gebrauch zu machen, andererseits aber zählt er eine ganze Reihe positiver Aspekte auf und bezeichnet sie als wertvolle Hilfe, die man nicht achtlos beiseite schieben sollte. Diese lehramtliche Äußerung zu Privatoffenbarungen findet sich in Abschnitt 14 unter der Überschrift „Die eschatologische Dimension des Wortes Gottes“.

Von Papst Benedikt XVI.

Jesus Christus – das endgültige Wort Gottes

Die Kirche bringt das Bewusstsein zum Ausdruck, dass sie in Jesus Christus dem endgültigen Wort Gottes gegenübersteht; er ist „der Erste und der Letzte“ (Offb 1,17). Er hat der Schöpfung und der Geschichte ihren endgültigen Sinn gegeben; deshalb sind wir berufen, in diesem eschatologischen Rhythmus des Wortes die Zeit zu leben, die Schöpfung Gottes zu bewohnen; „daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13)“.[1] Wie die Väter während der Synode in Erinnerung gerufen haben, „zeigt sich das Besondere des Christentums im Ereignis Jesu Christi, Höhepunkt der Offenbarung, Erfüllung der Verheißungen Gottes und Mittler der Begegnung zwischen dem Menschen und Gott. Er, ,der von Gott Kunde gebracht hat‘ (vgl. Joh 1,18), ist das einzige und endgültige Wort, das der Menschheit gegeben wurde“.[2]

Weiser Rat des hl. Johannes vom Kreuz

Der hl. Johannes vom Kreuz hat diese Wahrheit wunderbar ausgedrückt: „Da Gott uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein einziges und endgültiges Wort ist, hat er uns in diesem einzigen Wort alles auf einmal gesagt und nichts mehr hinzuzufügen … Denn was er ehedem den Propheten nur teilweise kundgetan hat, das hat er in seinem Sohn vollständig mitgeteilt, indem er uns dieses Ganze gab, seinen Sohn. Wer darum den Herrn jetzt noch befragen oder von ihm Visionen oder Offenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß unvernünftig handeln, sondern Gott beleidigen, weil er seine Augen nicht einzig auf Christus richtet, sondern Anderes und Neues sucht.“[3]

Privatoffenbarungen als wertvolle Glaubenshilfe

Folglich hat die Synode empfohlen, „den Gläubigen zu helfen, das Wort Gottes von Privatoffenbarungen zu unterscheiden“.[4] Diese „sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi … zu ,vervollständigen‘, sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben“.[5] Der Wert der Privatoffenbarungen ist wesentlich unterschieden von der einer öffentlichen Offenbarung: Diese fordert unseren Glauben an, denn in ihr spricht durch Menschenworte und durch die Vermittlung der lebendigen Gemeinschaft der Kirche hindurch Gott selbst zu uns. Der Maßstab für die Wahrheit einer Privatoffenbarung ist ihre Hinordnung auf Christus selbst. Wenn sie uns von ihm wegführt, dann kommt sie sicher nicht vom Heiligen Geist, der uns in das Evangelium hinein und nicht aus ihm herausführt. Die Privatoffenbarung ist eine Hilfe zu diesem Glauben, und sie erweist sich gerade dadurch als glaubwürdig, dass sie auf die eine öffentliche Offenbarung verweist.

Neue Akzente mit prophetischem Charakter

Die kirchliche Approbation einer Privatoffenbarung zeigt daher im Wesentlichen an, dass die entsprechende Botschaft nichts enthält, was dem Glauben und den guten Sitten entgegensteht; es ist erlaubt, sie zu veröffentlichen, und den Gläubigen ist es gestattet, ihr in kluger Weise ihre Zustimmung zu schenken. Eine Privatoffenbarung kann neue Akzente setzen, neue Weisen der Frömmigkeit herausstellen oder alte vertiefen. Sie kann einen gewissen prophetischen Charakter besitzen (vgl. 1 Thess 5,19-21) und eine wertvolle Hilfe sein, das Evangelium in der jeweils gegenwärtigen Stunde besser zu verstehen und zu leben; deshalb soll man sie nicht achtlos beiseite schieben. Sie ist eine Hilfe, die angeboten wird, aber von der man nicht Gebrauch machen muss. Auf jeden Fall muss es darum gehen, dass sie Glaube, Hoffnung und Liebe nährt, die der bleibende Weg des Heils für alle sind.[6]


[1] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, 4.
[2] Propositio 4.
[3] Hl. Johannes vom Kreuz: Aufstieg auf den Berg Karmel, II, 22.
[4] Propositio, 47.
[5] Katechismus der Katholischen Kirche, 67.
[6] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Die Botschaft von Fatima (26. Juni 2000), Ench. Vat. 19, Nrn. 974-1021.

Das Heiligtum von Knock

Knock in Irland ist einer der größten Wallfahrtorte Europas. 1879 fand dort eine Marienerscheinung statt, die von der Kirche als authentisch anerkannt wurde. Im Zentrum der Ereignisse aber steht nicht die Gottesmutter, sondern das Geheimnis der hl. Eucharistie. Pfr. Erich Maria Fink und Direktor Thomas Maria Rimmel werfen einen Blick auf den Ursprung des Heiligtums und stellen eine Verbindung zur aktuellen Situation in Irland her. Gleichzeitig deuten sie die Vision von damals im Licht des bevorstehenden Weihnachtsfestes.

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Ereignisse im Jahr 1879

Knock ist ein kleiner Ort im Nordwesten Irlands. Er gilt neben Lourdes und Fatima als einer der größten Marienwallfahrtorte Europas. Jährlich wird er von etwa eineinhalb Millionen Pilgern besucht. Dort fand an einem regnerischen Abend, dem 21. August 1879, eine außergewöhnliche Erscheinung statt.[1] Etwa 20 Personen sahen an der Südwand der Kirche drei weiß leuchtende Gestalten: in der Mitte die Gottesmutter Maria, die weiß gekleidet schien und ihre Hände wie ein Priester bei der hl. Messe nach oben hielt, ihr zur Rechten der hl. Josef mit gefalteten Händen und zur Linken der hl. Apostel Johannes in weißem Ornat. In der linken Hand hielt er ein geöffnetes Buch und die rechte Hand hatte er wie bei einer Predigt zu einer lehrenden Geste erhoben. Neben der Personengruppe erschien ein Altar, auf dem ein Lamm stand. Überragt wurde der Altar von einem Kreuz, umstrahlt von Licht und blitzenden Sternen. Manche Zeugen berichteten von vielen Engeln, die um das Lamm schwebten. Diese Erscheinung dauerte etwa von 19.00 bis 21.00 Uhr.

Kirchliche Anerkennung

Unter den Personen, die sich vor der Kirchenfassade versammelt hatten, befand sich auch die Haushälterin des Pfarrers, Bartholomew Cavanagh, eines seeleneifrigen und heiligmäßigen Priesters. Eine halbe Stunde nach Beginn der Erscheinungen meldete sie ihm die Vorkommnisse, doch er weigerte sich mitzukommen. Eben war er von einem pastoralen Besuch völlig durchnässt heimgekommen. Seine Entscheidung und die Tatsache, die Erscheinungen nicht gesehen zu haben, bezeichnete er später als die größte Demütigung seines Lebens. Doch sah er darin auch eine Fügung Gottes. Denn umso glaubwürdiger konnte er sich danach für die ganze Sache einsetzen. Der zuständige Erzbischof von Tuam, Dr. John MacHale, ließ eine Untersuchung durchführen. Fünfzehn Zeugen mussten gleichzeitig und unter Aufsicht jeder für sich allein einen Bericht abfasen. In allen Einzelheiten stimmten die Zeugnisse überein, was schließlich zur Anerkennung führte. Anlässlich der Hundertjahrfeier 1979 stattete Papst Johannes Paul II. dem Heiligtum einen Besuch ab und bestätigte auch damit die positive Haltung der Kirche.

Bedeutung der Erscheinung

Das irische Volk litt um die Mitte des 19. Jahrhunderts unsäglich an Unterdrückung und sozialer Not. Der Leidensweg betraf besonders die katholische Kirche und ihren Konflikt mit der englischen Besatzungsmacht. Hungersnöte infolge von Missernten und unmenschliche politische Maßnahmen trieben das Volk an den Rand seiner Existenz. In diese Situation hinein bedeutete die Erscheinung der Gottesmutter eine unglaubliche Tröstung. Das erniedrigte Volk verstand die Aufmerksamkeit von oben als Aufwertung, die alle menschlichen Ungerechtigkeiten überragte. Es erlangte seine nationale Würde wieder zurück, obwohl sich an den Zuständen nicht sofort etwas änderte. Ihm genügte das Wissen, von seiner himmlischen Mutter nicht vergessen zu sein. Bei der Erscheinung fiel kein einziges Wort, aber gerade deshalb war sie umso vielsagender und überzeugender für das ganze Volk.

Eucharistische Botschaft

Unmissverständlich steht im Mittelpunkt der Erscheinung das Geheimnis der Eucharistie. Die Gottesmutter tritt nicht nur tröstend an die Seite ihres Volkes, sondern lädt es ein, zum einzigen rettenden Quell der Gnade seine Zuflucht zu nehmen, nämlich zur Erneuerung des Kreuzesopfers im allerheiligsten Sakrament des Altares. Außer den anbetenden Engeln steht dem Altar mit Lamm und Kreuz der hl. Apostel Johannes am nächsten. Er ist mit priesterlichen Gewändern angetan und trägt eine bischöfliche Mitra. Eucharistie und Priestertum sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne priesterliche Vollmacht kann das Opfer Christi nicht erneuert werden. Und Johannes hält den Menschen sein geöffnetes Evangelium entgegen, verbunden mit einem eindringlichen Fingerzeig der Belehrung und Aufforderung zum Glauben. Niemand überlieferte die Offenbarung des eucharistischen Geheimnisses, des Sakramentes des Leibes und Blutes Christi, so wunderbar wie der Lieblingsjünger Johannes (z.B. Joh 6,22-59; 15,1-17), der auch als einziger der Apostel unter dem Kreuz stand und Zeuge des Lebensopfers des Gottessohnes wurde (Joh 19,16-30).

Haltung der Aufopferung

Auch Maria zeigte sich bei der Erscheinung nicht als Schmerzensmutter, sondern in einer priesterlichen Haltung der Aufopferung. So hatte sie schon auf Golgatha am Erlösungsopfer mitgewirkt. Nicht, als hätte sie dem Leiden Christi zur Wiedergutmachung der Sünden etwas hinzugefügt. Doch konnte das Erlösungsopfer seine Vollendung erst dadurch finden, dass es von der Menschheit angenommen wurde. Stellvertretend für alle öffnete sie ihr Herz nach dem Maß des Leidens Jesu, nach dem vollen Umfang seiner Hingabe. Jeden Schmerz hatte sie mitvollzogen und mit ihm durchlitten. Nur so konnte sie das Opfer des Erlösers ohne Einschränkung aufnehmen und dem Himmlischen Vater für die Sünden der ganzen Menschheit anbieten. Bei jeder Hl. Messe ist Maria anwesend. Denn es wird auch ihre Mitwirkung am Opfer Christi vergegenwärtigt. Zugleich bringt sie immer wieder neu dem Himmlischen Vater seinen geopferten Sohn fürbittend und sühnend für die Menschheit dar.

Mahnung an die Priester

Pfarrer Cavanagh hatte gezielt 100 Hl. Messen für die Armen Seelen gefeiert, die 100ste genau an dem Tag, als sich abends die Erscheinung zeigte. Welche Mahnung an die Priester, bei der Hl. Messe den Opferakt für Lebende und Sterbende bewusst zu vollziehen! Und welches Signal geht von den Lichtgestalten aus! Angesichts der Missbrauchsskandale ist es ein prophetischer Aufruf zur Reinheit und Heiligkeit im priesterlichen Dienst. Auch der hl. Josef in seiner dienenden Haltung, der kurz zuvor im Jahr 1870 von Papst Pius IX. zum Patron und Sachwalter der Kirche erklärt worden war, darf in diesem Licht gedeutet werden.

Bethlehem – Haus des Brotes

Knock lädt alle Gläubigen ein, den neugeborenen Heiland in die Krippe ihres Herzens aufzunehmen – mit einem echten Akt des Glaubens, der Anbetung, aber auch der Aufopferung. Ein Impuls für eine fruchtbare Weihnachtskommunion.


[1] Peter H. Görg: Das Wunder von Knock. Die Erscheinung der Jungfrau Maria in Irland in Zeiten sozialer Not. Geb., 176 S., ISBN 978-3-9811452-6-7, Euro 16,90 – Zu bestellen unter Tel. 07303-952331-0, Fax: 07303-952331-5, E-Mail: buch@media-maria.de – Internet: www.media-maria.de

Neuer Seliger der Jugendpastoral: Kaplan Gerhard Hirschfelder

Am 19. September 2010 hat Joachim Kardinal Meisner Kaplan Gerhard Hirschfelder im Dom von Münster selig gesprochen. Der katholische Priester und Märtyrer war ein ausgezeichneter Jugendseelsorger, bis er 1942 im Konzentrationslager Dachau mit 35 Jahren ums Leben kam. Bei der Seligsprechung wurde er als „deutscher Popieluszko“ bezeichnet.

Von Werner Schiederer

Weg zum Priestertum

Gerhard Hirschfelder wurde am 17. Februar 1907 in der niederschlesischen Stadt Glatz geboren. Er wuchs in der Obhut und Liebe seiner ledigen Mutter Maria Hirschfelder auf. 1927 schloss er das katholische Gymnasium in Glatz mit dem Abitur ab. Danach studierte er als Priesteramtskandidat der zum Erzbistum Prag gehörenden Grafschaft Glatz an der Universität Breslau Philosophie und Theologie und wurde am 31. Januar 1932 im Breslauer Dom von Kardinal Bertram zum Priester geweiht. Bis Februar 1939 war er als Kaplan in Tscherbeney (1937–1945: Grenzeck, heute: Czermna) und danach in Habelschwerdt (Bystrzyca Klodzka) tätig. Zugleich wurde er im Juli 1939 zum Jugendseelsorger der Grafschaft Glatz ernannt. Denn er verstand sich wunderbar mit der Jugend. Zudem hatte er den Ruf eines ausgezeichneten Predigers und beliebten Seelsorgers.

Prägung in der Jugendbewegung

Hirschfelder gehörte dem „Quickborn“ an, einer relativ offenen katholischen Jugendbewegung, die sich um die Formung einer selbständigen und reifen Persönlichkeit in froher Gemeinschaft bemühte. Einfachheit und Wahrhaftigkeit wurden verbunden mit einem lebendigen Bezug zur Natur und der bewussten Abstinenz von Genussmitteln, die eine körperliche Abhängigkeit verursachen könnten. Von dieser Vereinigung und ihren Zielen war Hirschfelder geprägt. Er hatte ein frisches Temperament und zeigte schon in seiner Studienzeit ein ausgesprochenes Führungstalent. In seiner fröhlichen und musikalischen Art sammelte er als Kaplan die Jugend um sich, die ihm fast wie von selbst zuströmte. Eine Zeitzeugin berichtet: „Gern denken wir an die katholischen Gruppenstunden zurück, als unser Kaplan mit Gitarre und nach besinnlichen Worten und Katechese uns bei Volksliedern begleitete und bei Gesellschaftsspielen mitmachte. Der Ausklang war immer das Lied ‚Kein schöner Land in dieser Zeit‘.“

Rastloser Einsatz für junge Menschen

Nachdem Kaplan Hirschfelder als Diözesanjugendseelsorger für das Glazer Land eingesetzt worden war, rief er bereits in den ersten Wochen die Jugendseelsorger der oberen Grafschaft zu einem Arbeitskreis zusammen, um mit ihnen die noch möglichen Wege der Jugendseelsorge zu besprechen. Auch hier verstand er es wie kaum ein anderer, mit jungen Menschen umzugehen. Die von ihm organisierten Unternehmungen wie die Jugendwallfahrten nach „Maria Schnee“ wurden zum Erlebnis. Trotz der Nazi-Herrschaft und den damit verbundenen Risiken, seinen Glauben zu bekennen, wurde die Schar der katholischen Jugend von Habelschwerdt immer größer. In einer Zeit, in der der Religionsunterricht in den Schulen bereits verboten war, erreichte er eine große Zahl junger Menschen. Er konnte ihnen den christlichen Glauben und Lebensorientierung vermitteln und sie so gegen die nationalsozialistische Ideologie widerstandsfähig machen. Joachim Kardinal Meisner sagte bei der Seligsprechung:

Furchtloser Kämpfer Gottes

Der Totalitätsanspruch der NS-Ideologie musste zwangsläufig zur Konfrontation mit der seelsorglichen Arbeit Kaplan Hirschfelders führen. Er hatte mit prophetischer Sicherheit die antichristlichen Züge der NS-Ideologie erkannt und Stellung bezogen. Wegen seiner NS-kritischen Predigten wurde er schon während seiner Kaplanstätigkeit in Tscherbeney denunziert. Auch in Habelschwerdt wurde er bespitzelt und wiederholt von der Gestapo verhört. Als er in einer Sonntagspredigt im Juli 1941 die mutwillige Zerstörung christlicher Symbole angeprangert und ausgerufen hatte: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher!“, wurde er am 1. August während einer abendlichen Glaubensstunde verhaftet und in das Gefängnis der Kreisstadt Glatz gebracht. Während des kurzen Gefängnisaufenthalts verfasste er Kreuzweggebete und schrieb einen kurzen Kommentar zu den Paulusbriefen. In einem der Gebete heißt es: „Herr, wenn man mir auch meine äußere Ehre nimmt, ich bleibe doch Kind Gottes, Kämpfer Gottes, Priester Gottes, das kann mir niemand nehmen. Lass mich dessen froh bleiben in allem Leid.“

Sühneopfer bis in den Tod

Vier Monate später wurde er in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Im Verzeichnis der römisch-katholischen Geistlichen erhielt er die Nr. 841 und als Gefangener die Nr. 28972. Der unerschütterliche Glaube an die Vorsehung Gottes und das persönliche Opfer wurden zu seinen tragenden Leitgedanken. Bereits im Gefängnis hatte er geschrieben: „Nichts dürfen wir scheuen, selbst das eigene Opfer des Lebens nicht.“ In den Briefen, die er aus dem KZ an seinen Habelschwerdter Pfarrer Langer richtete, sprach er immer wieder von der Sühne und seiner Bereitschaft, sich für die Pfarrei, die Jugend, die Kommunionkinder aufzuopfern. Einige Tage vor seinem Tode schrieb er an seinen Pfarrer: „ ... so wünsche ich Dir von ganzem Herzen die Kraft, die ich selbst schöpfe aus dem Vertrauen auf Gottes Vorsehung. Damit wollen wir in die Zukunft schauen. Als Gottes Priester ist uns seine größte Liebe sicher.“ Ein ehemaliger Mitgefangener erinnert sich: „Kaplan Hirschfelder war nicht von kräftiger Statur. Das unmenschlich harte Lagerleben hatte ihn schwer mitgenommen. Eines Tages brach er völlig entkräftet zusammen.“ Nur wenige Tage später, am 01.08.1942, starb er im Alter von 35 Jahren. Die Urne mit seiner Asche wurde auf dem Friedhof in Tscherbeney beigesetzt, wo er sieben Jahre als Kaplan wirkte. Eine Ansprache durfte bei der Beisetzung nicht erfolgen, die Todesursache nicht bekannt gegeben werden.

Zeichen der Versöhnung

Die Seligsprechung von Kaplan Hirschfelder fand am 19. September 2010 im Münsteraner Dom statt. Bei der Gabenbereitung wurden Erinnerungsstücke an den neuen Seligen zum Altar gebracht: eine Flöte, die er selbst gespielt hat, die Originalschrift seiner Kreuzweggebete, auf die Kardinal Meisner in seiner Predigt mehrmals eingegangen war, der Kelch, mit dem der Selige selbst die Messe feierte. Bischof Dec aus dem polnischen Schweidnitz brachte seine „große Freude“ über die Seligsprechung zum Ausdruck und nannte Hirschfelder eine „neue Brücke“ zwischen Tschechen, Polen und Deutschen. In seiner Diözese werde Hirschfelder der „deutsche Popieluszko“ genannt. Wie der 1984 vom polnischen Staatssicherheitdienst ermordete Geistliche sei Hirschfelder Opfer des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts.

 

Seligsprechung in Münster

Woher aber kommt es, dass Kaplan Hirschfelder am 19. September 2010 in Münster selig gesprochen wurde? Ein Blick in die Geschichte lohnt sich. Gerhard Hirschfelder stammt aus der schlesischen Stadt Glatz. Sie liegt heute auf polnischem Gebiet nahe der tschechischen Grenze, also im Südwesten des Landes. Seit dem 13. Jahrhundert gehörte das Glatzer Land, das 1459 zur Grafschaft erhoben wurde, zur Erzdiözese Prag. Innerhalb des Bistums, das bereits im Jahr 973 gegründet worden war, hatte Glatz immer eine besondere Stellung inne. Seit 1789 durfte der Vikar und Dechant der Grafschaft ein Prälatenkreuz tragen. Im Jahr 1810 versuchte die preußische Regierung in Schlesien, die Grafschaft Glatz aus ihrer kirchlichen Zugehörigkeit zum Erzbistum Prag zu lösen, und verlieh dem Vikar den Titel „Großdechant“. Dieser in der katholischen Kirche einzigartige Titel blieb bis heute bestehen, obwohl das preußische Vorhaben trotz großer Bemühungen nicht gelungen war. 1920 wurde die Grafschaft Glatz zum Generalvikariat erhoben und der Großdechant als verantwortlicher Priester dem Erzbistum Prag gegenüber auch Generalvikar des preußischen Anteils der Erzdiözese Prag. Damit wurde er auch Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz. Das galt auch nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus ihrer angestammten Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Grafschafter schufen sich durch die Verbundenheit mit ihrem Großdechanten eine neue geistige Heimat. Der derzeitige Großdechant Prälat Franz Jung, der dieses Amt im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz 1983 übernahm, schied erst 1998 als festes Mitglied aus der Bischofskonferenz aus. Inzwischen hatte der Vatikan die kirchlichen Verhältnisse in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße mit einer Bestimmung vom 28.06.1972 neu geordnet und die Grafschaft Glatz zusammen mit anderen Dekanaten „für immer“ der Erzdiözese Breslau eingegliedert. Erst seit dieser Zeit gehörte die Grafschaft nicht mehr zur Erzdiözese Prag. Doch diese Regelung dauerte auch nicht allzu lange. Denn am 25.02.2004 wurde die gesamte Grafschaft Glatz dem neu gegründeten polnischen Bistum Świdnica (Schweidnitz) zugeteilt, das offizielle Amt des Großdechanten aber „Visitator“ für das Heimatgebiet der vertriebenen Grafschafter. Der Sitz der „Visitatur der Grafschaft Glatz“ aber ist mit der Zugehörigkeit von Prälat Jung zur Diözese Münster eben dort angesiedelt. 1998 beantragten Katholiken der Grafschaft Glatz, unter denen Kaplan Hirschfelder als heiligmäßiger Priester verehrt wurde, den Seligsprechungsprozess. Auf Initiative ihres Großdechanten übernahm das Bistum Münster die Durchführung des Verfahrens.

Gewissenszwang im demokratischen Rechtsstaat?

Dr. François Reckinger wirft einen Blick auf die offiziellen Richtlinien für den schulischen Sexualkunde-Unterricht. Den Wenigsten sind die staatlichen Vorgaben bekannt oder bewusst. Doch jeder gläubige Katholik, der sich mit dem Wortlaut auseinandersetzt, erkennt sofort, dass die darin vermittelten Werte und Vorstellungen mit der kirchlichen Lehre unvereinbar sind. Umso verwunderlicher ist es, dass sich so gut wie niemand gegen eine solche „Verführung“ unserer Kinder wehrt. Erst die kürzliche „Erzwingungshaft“ zweier baptistischer Mütter, die wegen ihres Widerstandes eine Woche hinter Gitter gesetzt wurden, schreckte auf. Doch was ist zu tun? Wie sollten sich Eltern verhalten, um wirklichen Schaden von ihren Kindern fernzuhalten? François Reckinger zeigt Wege auf und gibt ausgewogene Ratschläge.

Von François Reckinger

Mütter im Gefängnis

Mitte April 2010 war Presseberichten zu entnehmen, dass zwei baptistische Mütter aus Salzkotten (Kreis Paderborn) eine Woche „Erzwingungshaft“ im Gefängnis absitzen mussten, weil sie sich ihrer Gewissensüberzeugung entsprechend standhaft weigerten, ihre Kinder am schulischen Sexualkunde-Unterricht teilnehmen zu lassen. Da reibt man sich doch verwundert die Augen: Wurde denn nicht in unserem Staat vor Jahrzehnten mit gutem Grund die Regelung durchgesetzt, dass zum Wehrdienst Einberufene, die dagegen glaubwürdig Einspruch aus Gewissensgründen einlegten, von der entsprechenden Verpflichtung befreit wurden und deren Erfüllung durch eine Zivildienstleistung ersetzen konnten? Dabei maßte sich unser Staat nicht an, ernsthaft vorgetragene Gewissensgründe zu bewerten. M.a.W.: Es wurden auch solche Gründe akzeptiert, die von der Mehrzahl der Bürger und der Staatsvertreter als Ausdruck eines irrigen Gewissens eingestuft wurden. Wäre ein ähnliches Entgegenkommen nicht auch in anderen Gesellschaftsbereichen zu fordern, wenigstens in derart sensiblen Bereichen wie dem der Sexualerziehung, die von Natur aus ein grundlegendes Recht der Eltern ist? (Vgl. dazu das Grundgesetz der  Bundesrepublik Deutschland, Art. 6, Absatz 2).

Recht auf Sexualität für Kinder?

Dabei brauchen wir die erwähnte Rücksicht auch auf das irrige Gewissen nicht einmal zu bemühen, denn nach unserer Kenntnis der Dinge sieht der betreffende Unterricht, wenn er den geltenden staatlichen Richtlinien entsprechend erteilt wird, so aus, dass nicht nur Baptisten, sondern alle Christen, soweit sie am authentischen Christentum festhalten und es nicht dem Zeitgeist entsprechend umdeuten, guten Grund haben, Einspruch zu erheben. In einer Expertise der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ (2010 im Internet) wird beanstandet, dass die „Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“ von 1999 in den Richtlinien für die einzelnen Fächer in demselben Bundesland noch nicht genügend umgesetzt seien.

Als erste „Errungenschaft“ jener Richtlinien von 1999 wird hervorgehoben, dass darin „Kindern und Jugendlichen ganz eindeutig das Recht auf Sexualität zugestanden“ wird (114). Dies ist ein Beispiel von subtiler Sprachverwirrung durch Verwischung des Unterschieds zwischen allgemeiner und konkret ausgeübter Sexualität. Die allgemeine prägt den ganzen Menschen und macht aus, dass ein Mann als Mann und eine Frau als Frau denkt, fühlt, reagiert und handelt. Darauf hat natürlich ein jeder zu jeder Zeit seines Lebens das Recht. Die volle Ausübung der Sexualität im engeren Sinn des Wortes dagegen, durch die leibliche Vereinigung zweier Partner, ist laut Christentum an die monogame Ehe zwischen Mann und Frau gebunden; die Vorstufen der ehelichen Vereinigung haben ihren Platz in einer ernsthaften gemeinsamen Vorbereitung auf die Ehe.

Staatliche Kritik am Religionsunterricht

Die Verfasser der Expertise verspüren sehr wohl etwas vom Gegensatz zwischen Christentum und derzeitigem gesellschaftlichem Mainstream, denn sie kritisieren anschließend die „Fachrichtlinien für den katholischen Religionsunterricht“, obwohl diese das oben Gesagte sehr diplomatisch-leisetreterisch formulieren: „Nicht selten erahnen sie (die Schüler/-innen), dass Sexualität ohne Zärtlichkeit und Bindung inhuman ist und dass sie Liebe, Treue und Bejahung des Anderen beinhalten muss.“ Selbst einen derart moderat vorgetragenen Anspruch weisen die Autoren aus der Bundeszentrale als ein „tendenzielles Problematisieren“ von Jugendsexualität zurück.

Die staatlich anvisierte Sexualerziehung soll ferner dazu verhelfen, angesichts der offenbar als gleichberechtigt konzipierten „sexuellen Orientierungen … die eigene sexuelle Identität zu finden“ (115) – authentisches Christentum dagegen muss jegliche Ausübung der Geschlechtlichkeit zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern der Bibel und der christlichen Überlieferung entsprechend ablehnen. Von daher sagt es derselbe Text auch offen und unverblümt: „Eine christlich-religiöse Wertorientierung ist in den nordrhein-westfälischen Richtlinien für die Sexualerziehung nicht zu finden.“

Derselbe Gegensatz wird u. a. noch hinsichtlich der Abtreibung ersichtlich: Während das Christentum diese eindeutig ablehnt, sprechen die staatlichen Richtlinien rein theoretisch-vage von der Aufgabe des Staates, „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“ (114).

Mögliche Optionen christlicher Eltern

Ein eingestandenermaßen so tief unchristliches Konzept von Sexualerziehung kann innerhalb einer ebenso tief vom Christentum geprägten Kultur wie der europäischen nur als ein anti-christliches Abschneiden der eigenen Wurzeln bezeichnet werden. Wenn dann Christen unter Androhung und Verhängung von Haftstrafen gezwungen werden sollen, ihre Kinder an einem entsprechenden Unterricht teilnehmen zu lassen, ist das als Vergewaltigung des Gewissens und als ansatzweise Christenverfolgung zu werten. Deshalb spreche ich den beiden baptistischen Müttern, die sich einem solchen Zwang nicht gebeugt haben, meine tiefe Hochachtung und meine geschwisterliche Solidarität aus. Damit will ich nicht sagen, dass die von den beiden gewählte Option für alle betroffenen gläubigen Eltern die einzig mögliche sei. Je nach den Umständen kann auch die andere Lösung als die wahrscheinlich aussichtsreichere gewählt werden. Je nach Charakter und Entwicklungsstadien der Kinder können Eltern urteilen, dass diese es schwer ertragen würden, sich längere Zeit absondern zu müssen, und in Gefahr gerieten, mit den Inhalten eines Kurses zu sympathisieren, den ihre Eltern ihnen „vorenthalten“ wollten. In einer solchen Situation könnte es zu Recht klüger erscheinen, sie teilnehmen zu lassen, gleichzeitig aber ihren kritischen Geist zu schärfen und sie zu ermutigen, im Unterricht Widerspruch zu äußern und notfalls (gegenüber praktischer Einübung von sexueller Annäherung etwa) gewaltfreien Widerstand zu leisten.

Anmaßung moralischer Bewertung durch den Staat

Gewiss kann es sich dabei hinsichtlich beider Optionen nur um eine vorläufige Notlösung handeln. In der politischen Auseinandersetzung müsste nach einer dauerhaften Lösung gesucht werden, die dem faktisch gegebenen Gegensatz zwischen traditionell-religiös gebundenen Bürgern und denen, die dies nicht sind, Rechnung tragen und beide Seiten nach Möglichkeit befriedigen würde. Ein Entwurf für eine solche Lösung soll im Folgenden skizziert sein.

Angesichts des aufgezeigten (und von den „Richtlinien“ eingestandenen) Gegensatzes zwischen beiden Volksgruppen müsste der Staat darauf verzichten, Sexualerziehung zu praktizieren. Er kann das nicht, weil er aus staatlich gleichberechtigten Gruppen besteht, die ihrer jeweiligen Überzeugung entsprechend in diesem Bereich gegensätzliche Erziehungsziele verfolgen. Der Staat kann demnach lediglich Sexualkunde lehren, d.h. Information vermitteln, und muss sich dabei nahezu jeglicher moralischer Wertung enthalten. Ausgenommen sind nur jene Punkte, in denen nahezu allgemeiner Konsens besteht – wie etwa, dass Pädophilie abzulehnen und zu bekämpfen ist. In dieser Frage wurde weitgehende Übereinstimmung erreicht, nachdem die Achtundsechziger, die Grünen und die Humanistische Union um die Jahrtausendwende ihre frühere Position dazu – die Befürwortung einer gesetzlichen Freigabe der Pädophilie oder doch das Liebäugeln mit einer solchen Maßnahme – schamhaft weggesteckt haben.

Hauptträger der an alle Schüler zu vermittelnden Information müsste der Biologielehrer sein. Er sollte die erforderlichen fachlichen Angaben kurz und emotionslos vortragen, mit dem Hinweis darauf, dass die sexuelle Aktivität beim Menschen nicht wie bei den Tieren durch Instinkt und Brunstphasen geregelt ist und die Aufgabe der Regelung durch Verstand und Willen darum in die Verantwortung des Menschen selbst gelegt ist. Anschließend wäre, ggfs. seitens anderer Fachlehrer, über die wenigen Verhaltensregeln zu reden, hinsichtlich derer quasi allgemeiner gesellschaftlicher Konsens besteht, insbesondere über die erwähnte Frage der Pädophilie, und es wären Methoden zu lehren, wie Kinder und Jugendliche sich gegen Missbrauchsversuche zur Wehr setzen sollten.

Haltung zur notwendigen Aids-Vorbeugung

Nicht verwehren kann man dem Staat auch das Bemühen, Kinder und Jugendliche zu einem Verhalten zu motivieren, das die Ansteckung durch Aids ausschließt oder zumindest nicht fördert. Einen gewissen Dissens gibt es da nur hinsichtlich der anzuwendenden Methode, um sich selbst und andere wirksam zu schützen. Eine gesunde katholische Position in dieser Frage hat davon auszugehen, dass jede geschlechtliche Vereinigung vor oder außerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau in sich schwer sündhaft ist. Im Einzelfall kann man dabei je nach den Umständen die in der katholischen Moraltheologie anerkannte Regel anwenden, dass es erlaubt ist und mitunter geboten sein kann, jemandem, der zur Sünde ohnehin entschlossen ist und sich nicht davon abbringen lässt, zum geringeren Übel zu raten, das heißt in diesem Fall, Kondome zu gebrauchen. Andererseits sind aufgrund der sattsam gemachten Erfahrung allgemeine Kondomkampagnen jedoch abzulehnen, weil sie ein falsches Gefühl der „Sicherheit“ vermitteln und gleichzeitig die Meinung begünstigen, als habe der Mensch unbedingt sexuelle Befriedigung nötig, gerade auch unabhängig von der Ehe. Denn wer sich auch nur ein wenig mit Aids-Statistiken auskennt, der weiß, dass die Geschlechtsgemeinschaft zwischen Ehepartnern in den wenigsten Fällen Ursache der Ansteckung ist. Wer sich noch näher mit derartigen Statistiken befasst hat, kann im Gegenteil belegen, dass der Misserfolg von Kondomkampagnen wiederholt festgestellt wurde: zum Beispiel von einem Harvard-Aids-Forscher, Edward Green (Die Tagespost, 24.3.2009, 4). Die allgemein angesehene F.A.Z. hat zudem eine ganz andere Quelle als Hauptursache für die Rückkehr einst überwundener Geschlechtskrankheiten, u.a. der Syphilis, und für die Verbreitung der Aids-Seuche aufgezeigt: die sexuellen Kontakte zwischen Männern (28.11.2009, 9).

Gewiss können wir katholische Christen nicht erwarten, dass derartige Statistiken ohne weiteres ein Umdenken bei allen Politikern und allen Lehrern herbeiführen, die Tag für Tag dem Trommelfeuer der Mainstream-Presse ausgesetzt sind. Aber wir haben das Recht, zu verlangen, dass auch bei der schulischen Darlegung der Aids-Problematik vor- und außereheliche sexuelle Betätigung nicht als selbstverständlich dargestellt und nicht dazu angeregt wird; und dass die katholische Aids-Prävention in Afrika, die ohne Empfehlung von Kondomen arbeitet, nicht für inexistent oder unwirksam erklärt wird. Hat ihr doch etwa, im Anschluss an „Komma“ und zusammen mit KATH.NET, auch die evangelische Nachrichtenagentur idea im März 2009 das Zeugnis ausgestellt, dass die Ausbreitung von Aids nahezu umgekehrt proportional zum Prozentsatz der Katholiken in den jeweiligen afrikanischen Ländern erscheint (Nr. 13/2009). Wer immer Kondome empfiehlt, von dem ist im Übrigen auch im rein irdischen Interesse eine realistische Information zu deren Zuverlässigkeit zu verlangen (als Verhütungsmittel mit Pearl-Index 2-12 getestet und demnach ein sehr löcheriger „Schutz“). Wer einen Hinweis darauf unterlässt, macht sich der Irreführung in einer lebensgefährlichen Angelegenheit und damit der vielfachen fahrlässigen Tötung schuldig.

Wo immer daher im schulischen Unterricht im Sinn des medialen Mainstreams über diese Dinge geredet wird, müssten christliche Schüler in der Lage sein, intelligenten und fundierten Widerspruch einzulegen. Aufgabe von christlichen Gruppen und Verbänden, die diese Bezeichnung verdienen, wäre es, Eltern und Schüler zu einem solchen Widerspruch zu motivieren und zu befähigen.

Aufgabe des Religionsunterrichts

Zu allem, was über die genannten Themen hinausgeht, müssten die Biologielehrer und alle anderen Lehrer, die in allgemein verbindlichen Fächern über Sexualität sprechen, den Schülern erklären, dass hinsichtlich der entsprechenden Grundsätze für eine moralische Bewertung die Überzeugungen innerhalb unserer Gesellschaft sehr auseinandergehen und sie selbst deswegen in ihren für alle verpflichtenden Kursen keine weitergehenden moralischen Wertungen aussprechen dürfen, sondern diesbezüglich auf den Ethikunterricht und auf den von den Religionsgemeinschaften verantworteten Religionsunterricht zu verweisen haben. Eine derartige Lösung würde voraussetzen, dass jene Bundesländer, in denen bisher kein Ethikunterricht als Alternative zum Religionsunterricht besteht, einen solchen wenigstens für einige Klassenstufen einrichten würden. Sehr streng wäre von den beteiligten Lehrern zu fordern, dass ihr Kurs keineswegs eine Neigung zu früher sexueller Aktivität anstacheln darf und dass darin die entsprechenden moralischen Lehren der einzelnen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsrichtungen nicht angegriffen oder lächerlich gemacht werden dürfen.

Im Prinzip könnten und sollten unter diesen Bedingungen Ethik- und Religionsunterricht alternativ zueinander verpflichtend sein. Eine Möglichkeit der Befreiung davon sollte jedoch vorgesehen werden für Angehörige von Religionsgemeinschaften, die im schulischen Unterricht nicht vertreten sind, sowie für Mitglieder christlicher oder vom Christentum herstammender Sondergruppen, die sich weder im katholischen noch im evangelischen Religionsunterricht richtig aufgehoben sehen.

Gewiss wäre angesichts der Art und Weise, wie Religionslehrer faktisch weitgehend aus- und weitergebildet, Lehrpläne für den Religionsunterricht kirchlich abgesegnet und Religionsbücher zugelassen werden, mit der oben vorgeschlagenen Lösung nicht viel gewonnen. Doch das ist eine innerhalb der Kirche hausgemachte Notlage, auf die in dieser Zeitschrift wiederholt hingewiesen wurde. In diesem Beitrag ging es um eine der ganz wichtigen Fragen innerhalb der Beziehung zwischen Kirche und Staat. Eine gesunde Beziehung zwischen beiden setzt eine im Wesentlichen gesunde Kirche voraus. In unseren deutschsprachigen Ländern aber ist die Kirche zurzeit trotz aller guten Aufbrüche weithin todkrank. Lasst uns sie daher umso mehr lieben, für sie beten, für sie arbeiten, an ihr und für sie leiden.

1000 Babyflaschen für das Leben

„Hilfe statt Abtreibung“ lautet das Motto des „Projekts 1000plus“, das ungewollt Schwangeren Beratung und Hilfe anbietet. Ziel der neuen Aktion ist es, den Schwangeren eine Alternative zur Abtreibung zu eröffnen und so eine „freie Entscheidung“ überhaupt erst zu ermöglichen. Die überwältigende Mehrheit der beratenen Frauen ergreift diese Alternative.

Von Paula von Ketteler

Das „Projekt 1000plus“: Aufbau eines neuen Beratungsnetzwerks

Die Nachfrage von ungewollt Schwangeren nach Beratung und Hilfe ist massiv gestiegen. Die derzeitigen Beratungskapazitäten reichen bei weitem nicht aus. Deshalb planen die Organisationen Pro Femina e.V., Stiftung Ja zum Leben und Die BIRKE e.V. gemeinsam den Aufbau eines neuen, deutschlandweiten Beratungsnetzwerks für ungewollt Schwangere. Künftig sollen jährlich 1000 und mehr Frauen im Schwangerschaftskonflikt beraten werden können – daher der Name „1000plus“. Dies soll durch die Gründung neuer Beratungsstellen und die Einrichtung von Kooperationen mit bereits bestehenden Konfliktberatungen umgesetzt werden.

Der gemeinnützige Verein Pro Femina wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, ungewollt Schwangeren durch Beratung und Hilfe eine Perspektive für das Leben mit dem Kind zu eröffnen (vgl. §219 StGB). Die Beratungsarbeit kennzeichnet sich durch die Erarbeitung von echten Alternativen zur Abtreibung – als Weg zur Entscheidungsfreiheit der Frau auf dem Fundament eines unbedingten Ja zum Leben. Pro Femina sowie alle mit dem Verein kooperierenden Beratungspartner stellen daher keinen Beratungsschein aus, der eine straffreie Abtreibung ermöglichen würde. Schwerpunkt der Arbeit von Pro Femina ist derzeit die Online-Beratung. Einziger Beratungspartner ist bisher Die BIRKE e.V., doch sollen nun weitere Partner gefunden werden. Die Beratungsarbeit finanziert sich zu 100% aus Spenden und wird von der Stiftung Ja zum Leben gefördert.

Spendensammeln mit Babyflaschen

Um Spendenmittel für die Initiative zu sammeln, wurde nun eine Babyflaschen-Aktion gestartet. Die Firma HiPP stiftete dazu 1.000 Babyflaschen, die zu Spendendosen umgewandelt wurden. „Die Babyflaschen geben ein hundertprozentig positives Signal: Sie symbolisieren das ‚Ja zum Leben‘ schlechthin“, so Manfred Libner, Geschäftsführer der Stiftung Ja zum Leben, die an der Durchführung der Aktion wesentlich beteiligt ist. Bisher wurden bereits über 500 Flaschen verteilt, damit die „Botschafter“ des Projekts zu Hause und bei Bekannten Geld für Schwangere und ihre Babys sammeln können. Auch Prof. Dr. Claus Hipp hat eine Babyflasche auf seinem Schreibtisch aufgestellt und ist begeistert: „Eine gute Idee, Ihr Projekt!“ In den kommenden Wochen werden in vielen Kirchengemeinden aller Konfessionen Sammelaktionen mit den HiPP-Flaschen durchgeführt.

Einzelpersonen, Gruppen und Kirchengemeinden, die sich für die Arbeit interessieren und die Babyflaschen-Aktion unterstützen möchten, sind herzlich eingeladen, sich beim „Projekt 1000plus“ zu melden: Pro Femina e.V. | Projekt 1000plus, Bergstraße 114, 69221 Heidelberg, Tel.: 0800-1000-7857, Internet: www.1000plus.de

Die stille Mithilfe des hl. Josef

Pater Notker Hiegl OSB hat schon wiederholt von seiner Kapelle „Maria Mutter Europas“ in Gnadenweiler berichtet. Dieses Mal legt er ein beeindruckendes Zeugnis über die machtvolle Mithilfe des hl. Josef ab, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das Heiligtum zu errichten. Wie der Beschützer und Nährvater der Hl. Familie schon in Nazareth und in Bethlehem ganz unauffällig im Hintergrund gewirkt hat, so begleitet er bis heute das Erlösungswerk des Sohnes Gottes in seiner Kirche.

Von P. Notker Hiegl OSB

Man kann etwas ansparen und sich daraufhin etwas leisten. Man kann natürlich auch den umgekehrten Weg gehen: sich etwas leisten und dann beginnen zu sparen, damit man die ausgegebene Summe eines Tages mit Zinsen und Zinseszinsen abbezahlt hat. Unter diesen beiden Möglichkeiten würde ich so meinem Naturell nach die erstere Variante wählen, die Zinsen würden mich als „Schwaben“ bzw. als gebürtigen „Donauschwaben“ gewaltig reuen. Doch bin ich nicht nur sparsam veranlagt, sondern durch die Gene meiner Eltern und meiner Vorfahren auch konservativ-katholisch-religiös geprägt. „Konservativ heißt“, wie es Franz-Josef Strauss einmal ausgedrückt hat, „an der Spitze des Fortschritts schreiten unter Bewahrung des Bewährten!“ Wozu diese Einführung? Ich möchte einen Gedanken vorlegen, der heutigen Menschen vielleicht mittelalterlich oder sogar absurd erscheinen könnte, jedoch viel realer ist, als es sich so mancher Planer und Macher der modernen Wirtschaft vorzustellen vermag.

Das Vorbild des hl. Josef

Kürzlich richtete ein Exerzitienmeister immer wieder die herzhafte Bitte an uns Mönche: „Bitte, normal bleiben“. Was meinte er damit? – Dass wir das Übernatürliche und das Natürliche in richtiger Weise miteinander verbinden. Frank Duff, der Gründer der Legion Mariens, sagte einmal: „Das Ärgste, was einem Menschen widerfahren kann, ist die Verdrängung des Übernatürlichen durch das Natürliche.“ Der Mensch will eben alles selbst schaffen: selbst ist der Mann, ich bin autonom, ich kann es ohne fremde Hilfe. Man will sich und die Seinen durch die natürlichen Mittel ins Paradies führen. Dann bleibt für die Übernatur keine Zeit: keine Zeit zum Beten, zum Gottesdienst, zur Lesung der Heiligen Schrift, meist auch keine Zeit mehr für die Nächstenliebe. Ist da nicht der hl. Josef nach katholischem Verständnis ein richtungweisendes Vorbild? Er hat das Natürliche und das Übernatürliche geradezu genial miteinander in Einklang gebracht. In seinem Beruf als Zimmermann und Tischler wurde er Nährvater und Beschützer des Gotteskindes Jesus. Unter größten Opfern pilgerte er nach Bethlehem und floh mitten in der Nacht nach Ägypten. Zwei Jahre später wollte er nach Bethlehem zurückkehren, um den Leuten in Nazareth auszuweichen. Gott aber setzte ihm den gefährlichen Archelaus als Herrscher in Jerusalem vor die Nase. Das hätte wieder höchste Gefahr für das Jesuskind bedeutet. Lieber nahm er mit Maria, seiner jungfräulichen Braut, den Weg nach Nazareth in Kauf, um nur ja seinen von Gott-Vater anvertrauten Jesusknaben nicht in Gefahr zu bringen. Er horchte immerfort auf Gott und ließ sich von ihm alles sagen. Denn er wusste: Letztlich hängt alles nicht so sehr von seinem eigenen Schaffen und Planen ab, sondern von der Führung des Himmels. So ist Josef in der traditionellen Verehrung der katholischen Kirche zu einem strahlenden Leitbild für unser Verhalten und Tun geworden. Mit dem Blick und im Vertrauen auf den hl. Josef können wir in unserem wirtschaftlichen Werken und finanziellen Planen die goldene Mitte finden und die Balance zwischen Natur und Übernatur halten.

Die biblische Wurzel des christlichen Europas

In der Apostelgeschichte (16,6ff.) wird geschildert, wie ein Mazedonier dem hl. Apostel Paulus erscheint und ihn bittet, nach Europa zu kommen. Er und seine Begleiter versuchten zunächst, ihre Missionstätigkeit in Kleinasien fortzusetzen, „doch der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht“. Nicht Asien, sondern Europa sollte der erste christliche Erdteil werden. „So durchwanderten sie Mysien und kamen nach Troas hinab“, das an der Nordwestspitze Kleinasiens dem europäischen Festland gegenüber liegt. Da hatte Paulus in der Nacht eine Vision: „Ein Mazedonier stand da und bat ihn: ‚Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!’“ Er bittet also den Apostel Paulus, nach Europa herüberzukommen und die Frohbotschaft von Christus den Europäern zu bringen. Europa ist biblisch gesehen der Kontinent, in dem sich das Christentum als „Gesamt-Religion“ entfalten sollte. Im biblischen Text heißt es weiter: „Wir waren überzeugt, dass uns Gott dazu berufen hatte, dort das Evangelium zu verkünden.“ Am folgenden Tag kamen sie nach Philippi, einer Stadt im ersten Bezirk von Mazedonien. „Eine Frau namens Lydia, eine Purpurhändlerin … hörte zu; sie war eine Gottesfürchtige und der Herr öffnete ihr das Herz … Als sie und alle, die zu ihrem Haus gehörten, getauft waren …“ Die erste Taufe einer Europäerin also! Europa ist von seiner biblischen Wurzel her christlich und soll auch in unserer so gleichgültigen Zeit christlich bleiben.

Eine Marienkapelle als „Arche“ für unsere Zeit

Das Heiligtum „Maria Mutter Europas“ in einem kleinen Ort nahe Beuron mit dem bezeichnenden Namen „Gnadenweiler“ ist als „Signum“ und „Sakramentale“ der Gnade und Fürbitte für den Erhalt und die Einigung Europas in biblisch-christlicher Prägung erbaut. Als Gesamtkunstwerk verweist es der Landschaft und Umgebung entsprechend auf die gnadenvolle Rettung Noahs und somit auf den Erhalt des Menschen und der Natur (Gen 6-10). Die Arche Noah strandete auf einem hohen Berg, auf dem Ararat, ähnlich diesem Kapellen-Berghügel auf der Schwäbischen Alb. Das Bild der Kapelle mit dem 12-stämmigen Gewölbe im aufgerissenen Himmel (12 Stämme Israels, 12 Apostel des Neuen Bundes) bildet zunächst einen Hinweis auf den robusten Archenbau. Dies unterstreicht auch der Altar mit Schiffsbug-Charakter aus Bärenthaler Tuffstein. Darüber zeigt das Deckenbild Gott-Vater-Hände, denen die Heilig-Geist-Taube entfliegt. Mit dem Christusbildnis im Heck des Archekörpers bildet dieses Ensemble einen modernen Gnadenstuhl. Die Arm-Tätowierung des leidenden Herrn mit Motiven der Pflanzen und Kleintierwelt weisen auf die Erlösungssehnsucht der gesamten Schöpfung hin (vgl. Röm 8,1ff.). Höhepunkt: Die zwölf Sterne um das Haupt der „wunderschönprächtigen“ Marienfigur mit dem Jesuskind sind Grundlage unserer Europa-Symbolik, dem blauen Zwölf-Sternen-Banner des sich allmählich wieder findenden vereinigten Europas unter dem Schutz des Herrn und seiner jungfräulichen Mutter Maria. Christus im Tabernakel ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen; jedoch hat er in seiner Weisheit die Jungfrau Maria in das Geschehen der Heilsökonomie mit einbezogen. So dürfen wir sie mit dem hl. Erzengel Gabriel täglich grüßen: „Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit …“ – auch durch uns Europäer des beginnenden 21. Jahrhunderts. In den letzten Jahren beteten und sangen nun schon über 60.000 Gläubige auf dem Gnadenweiler. Viele nahmen die Möglichkeit in Anspruch und warfen ihre Sorgen – auf Zettel geschrieben – in die „Seitentasche“ des Herrn, um persönliche Hilfe, für ein geeintes christliches Europa.

Die Geburt des Heiligtums unter „Schmerzen und Bangen“

Künstler Helmut Lutz aus Breisach machte nach meinen theologischen Vorstellungen die Pläne und Entwürfe für diesen neuen Marien-Wallfahrtsort auf dem Gnadenweiler. Mit einem Modell der geplanten Kapelle fuhren wir beide Anfang Januar 2005 ins Erzbischöfliche Ordinariat nach Freiburg zu einer Baukonferenz u.a. mit dem Leiter der Baubehörde und einem Domkapitular. Ich wusste nicht, dass zur selben Zeit eine Pfarrkirche in der Bischofsstadt Freiburg zur Veräußerung als Konzertraum verhandelt wurde. Nun kommt ein kleiner Dorfpfarrer in die große Bischöfliche Behörde und will eine neue Kapelle errichten, während Kirchen verkauft werden. „O sancta simplicitas – o heilige Einfalt!“ Höflich und mit vielen guten Worten wurden „Einschränkungen und Vorbehalte“ geäußert, nach dem Preis der zu erstellenden Kapelle gefragt und die Hoffnung eingedämmt. Die angegebene Zahl von 120.000 Euro wurde zunächst akzeptiert und im wohlwollenden Ton darauf hingewiesen: Wenn die Summe durch Sammelspenden erreicht sei, „würde eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt“. Es sollten sich noch viele andere Hindernisse in den Weg stellen, doch nahm ich diese Aussage als „volle moralische Genehmigung“ für die zu erbauende Kapelle in meinem Herzen auf. Zwar wurde die Größe von 12 mal 12 Meter auf 7 mal 7 Meter heruntergehandelt, doch wir fanden einfach ein anderes Baukonzept mit großen Grasflächen und offenen Türen, damit doch viele Gläubige dem Gottesdienst beiwohnen können. Und die Finanzierung von 120.000 Euro veranlasst mich zu einem Loblied auf den hl. Josef.

Hl. Josef als Finanzminister

Nach der Bausitzung und dem ungewöhnlichen „Sammelbefehl“ verspürte ich eine noch größere Nähe zum Nährvater unseres Herrn Jesus. Als ich von Freiburg her Richtung Beuron durch das „Himmelreich“ und das „Höllental“ fuhr, sagte ich mir: „Ab jetzt ist der hl. Josef der Finanzminister für die kommende Kapelle ‚Maria Mutter Europas‘. Er darf und muss und wird mir die nicht vorhandene Summe einbringen.“ Und so war es auch. Ich schlug ihm vor: „Da ich im Sommer mit dem Bau beginnen will, sollten die ersten 60.000.– Euro bis zum 31. März da sein, und die restlichen 60.000.– Euro bis zum 30. Juni. Hl. Josef, ich vertraue ganz fest auf dich. Zeig dich als Helfer für ein Heiligtum für deine Braut und dein dir anempfohlenes Jesuskind!“ Dies ist nun keine mittelalterliche fromme Heiligengeschichte, sondern eine reale Schilderung aus dem Jahr 2005. Bis zum Abend des 31. März waren auf dem Konto – sage und schreibe – 58.600.– Euro eingegangen. Beim Nachtgebet dankte ich dem hl. Josef, sagte ihm aber: „Hl. Josef, 58.600.– Euro sind ja nicht Nichts, aber es sind keine 60.000.– Euro!“ Da läutete das Telefon, ich solle doch schnell zu einem Versehgang nach Bärenthal kommen. Ich zog mich wieder an, fuhr dorthin und konnte dem Schwerkranken mit den Sakramenten der Kirche beistehen. Dann schaute ich – kurz vor 24.00 Uhr – im dortigen Pfarrhaus nochmals nach, ob Post angekommen ist. Und tatsächlich fand ich zwei Bankbriefe vor: eine Überweisung über 1.000.– Euro von einer Frau namens Eva Hiegl. „Die heißt ja wie meine Mutter“, dachte ich. Schließlich stellte ich fest, dass mir meine eigene Mutter von ihrer relativ kleinen Rente den Betrag übermittelt hatte, obwohl sie nichts von meinem „Vertrag mit dem hl. Josef“ wusste. Und eine weitere Überweisung über 500.– Euro von einer jungen Frau, die ihre Berufsprüfung bestanden hatte und den Betrag als Dank überwiesen hatte. 31. März: 60.100.– Euro. Mit tiefer Dankbarkeit schlief ich ein. Ebenso ging es am 30. Juni – nicht am 29.6. oder am 1.7., sondern genau am 30.6. waren es ein bisschen mehr als 120.000.– Euro.

Sendung der „Kirche in Europa“

Die Anfangsschwierigkeiten liegen nun schon lange hinter uns. Das Erzbischöfliche Bauamt staunte, wie die Kapelle heranwuchs. Fast wie ein prophetisches Wort erfüllte sich die Aussage des Domkapitulars Dr. Klaus Stadel: „Eine Quelle, welche zu Beginn des 21. Jahrhunderts hervorsprudelt, sollte man nicht so einfach wieder zuschütten!“ Zehntausende von Pilgern sind bereits zu dieser Gnadenquelle gekommen, um daraus zu schöpfen und ihren religiösen Durst zu löschen. Der hl. Josef musste aber noch über viele finanzielle und organisatorische Hürden hinweg helfen und er tat es, sodass bei der Einweihung des Heiligtums kein einziger Cent Schulden auf dem Konto stand. Es konnte sogar ein Sicherungsfond für die Zukunft angelegt werden, wie es von der Erzdiözese erbeten worden war. Für all dies sage ich dem hl. Josef meinen Dank. Die neue Kapelle steht unter dem Schutz Mariens, der Mutter Europas. In seinem Nachsynodalen Schreiben vom 28. Juni 2003 ruft Papst Johannes Paul II. der „Kirche in Europa“ zu: „Kirche in Europa, richte … deinen betrachtenden Blick … auf Maria und erkenne, dass sie ‚mütterlich und teilnahmsvoll anwesend ist bei den vielfältigen und schwierigen Problemen, die heute das Leben der einzelnen, der Familien und der Völker begleiten‘ … Maria, wache über die Kirche in Europa: … sie lebe ihre Sendung, das Evangelium der Hoffnung zu verkündigen.“ (Ecclesia in Europa, 124 u. 125). In diesem Evangelium liegt die Wurzelkraft unserer europäischen Einheit. Wirtschaft und Kapital, nationale Vielfalt und Ideen, Wohlstand und Frieden, Arbeit und Entwicklung, Achtung und Gleichberechtigung aller Menschen in Europa sind positive Werte, welche ihren Konsens in der Bergpredigt (Mt 5,1ff.) unseres Herrn Jesus Christus finden. Der Weg aber führt durch Maria zu Jesus, unter stiller Mithilfe des hl. Josef, der – wie es seinem Wesen entspricht – im Hintergrund wirkt.

 

Wir haben es nicht für möglich gehalten!

Mit Datum vom 03.11.2010 erhielt P. Notker Hiegl OSB bzw. der Katholische Stiftungsrat St. Johann Baptist in Bärenthal vom Erzbischöflichen Ordinariat folgenden Brief:

Sehr geehrter Herr Pater Notker,

am 16.08.2010 hatten wir einen ganz besonderen Brief in unserem Posteingang.

Ohne Worte haben Sie einen Konto-Auszug des Sonderkontos „Kapelle Maria Mutter Europas“ vorgelegt und damit dokumentiert, dass es Ihnen inzwischen tatsächlich gelungen ist, eine Rücklage in Höhe von 100.000,– Euro für die Kapelle Maria Mutter Europas zu bilden. Als wir den Kapellenbau mit Erlass vom 24.07.2006 kirchenaufsichtlich genehmigt haben, hätten wir dies nicht für möglich gehalten.

Wir stehen zu unserem Wort, das wir Ihnen gegeben haben, bei einer Rücklagenbildung von 100.000,– Euro einer schenkungsweisen Übertragung des Grundstücks und der Kapelle ins Eigentum der Kirchengemeinde St. Johann Baptist Bärenthal zuzustimmen. Mit diesem konkreten Anliegen können Sie sich gerne mit Herrn Busam von unserem Referat Liegenschaften in Verbindung setzen. Bitte entschuldigen Sie, dass wir uns aufgrund unserer enormen Arbeitsauslastung erst heute bei Ihnen melden. Für die zeitliche Verzögerung gibt es sonst keinen Grund.

Wir wollen es nicht versäumen, Ihnen bei dieser Gelegenheit für Ihr außergewöhnliches Engagement und Ihre Redlichkeit in dieser Sache unseren Dank und ein herzliches „Vergelt‘s Gott“ auszusprechen. Wir wissen, dass die Kapelle von gläubigen und anderen Besuchern sehr gut angenommen wird. Dies und nicht zuletzt das außergewöhnliche Spendenaufkommen lassen erkennen, dass Maria, die Gottesmutter und Mutter Europas, ihre schützende Hand auf Sie und die Kapelle in Gnadenweiler ausstreckt.

Mit freundlichen Grüßen

Benedikt XVI. als Pilger in Spanien

Papst Benedikt XVI. scheint eine besondere Vorliebe für Spanien zu haben. 2006 war er zum V. Weltfamilientreffen nach Valencia gekommen, heuer besuchte er Santiago und Barcelona und im kommenden Jahr steht der Weltjugendtag in Madrid auf dem Programm. Der Papst reiste dieses Jahr als „Pilger“ nach Spanien, doch klammerte er die gesellschaftspolitischen Fragen, die das Land bewegen, nicht aus. Darüber hinaus sandte er von der iberischen Halbinsel aus ein deutliches Signal an den ganzen europäischen Kontinent.

Von Erich Maria Fink

Die Apostolische Reise Papst Benedikts XVI. nach Spanien hatte zwei Ziele: Aus Anlass des „Heiligen Jahres des Apostels Jakobus“ pilgerte er am 6. November 2010 nach Santiago de Compostela, wo das Grab des hl. Jakobus des Älteren verehrt wird. Und in Barcelona weihte er am 7. November den Altar der weltberühmten Kirche der „Sagrada Familia“ von Gaudí, der er bei dieser Gelegenheit den Titel „Basilica minor“ verlieh. Beides waren wunderschöne Gesten des Papstes, pastorale Impulse, die ihre Bedeutung ganz unhabhängig von allen Höhepunkten, eindrucksvollen Feiern und inhaltsreichen Ansprachen dieser Reise hatten.

Verneigung vor den Pilgern

Zum einen reihte sich der Papst in die unzählige Schar von Pilgern ein, die sich in neuerer Zeit – oft auch zu Fuß – auf den Weg nach Santiago de Compostela machen. Damit unterstrich er, wie sehr er diesen Aufbruch von Menschen schätzt, die zum Teil von Kirche und liturgischem Leben weit entfernt sind, aber sich auf die Suche machen und ihre Sehnsucht durch diese Wallfahrt zum Ausdruck bringen. So waren seine ersten Worte schon auf dem Flughafen in Santiago de Compostela: „Im tiefsten Inneren seines Seins ist der Mensch immer auf dem Weg, ist er auf der Suche nach der Wahrheit. Die Kirche nimmt an diesem tiefen Streben des menschlichen Seins teil. Sie macht sich selbst auf den Weg und begleitet den Menschen, der sich nach der Fülle seines Seins sehnt.“ Dabei müsse die Kirche „nach der Demut Jesu leben“ und nach der „Logik der Liebe und des Dienens“ Gemeinschaft aufbauen.

Bewunderung für Gaudí

Zum anderen ging es dem Papst um die Hochschätzung der Architektur von Antoni Gaudí (1852-1926), einer Kunst, die von tiefem Glaubensgeist durchdrungen ist und ewige Wahrheiten zu vermitteln vermag. Er bezeichnete die Kirche der „Sagrada Familia“ als „Wunderwerk“ eines „genialen Architekten“, in dem sich „die ganze Größe des menschlichen Geistes widerspiegelt, der sich Gott öffnet“. Nicht umsonst läuft für Gaudí seit 2003 ein Seligsprechungsverfahren. Denn er war, wie der Papst betont, gleichzeitig ein „konsequenter Christ“, „dessen Fackel des Glaubens bis zum Ende seines Lebens brannte, das er in Würde und völliger Schlichtheit führte“. Obwohl der Bau voraussichtlich erst 2026 zum 100. Todesjahr Gaudís vollendet wird  – das wären 144 Jahre nach Baubeginn –, weihte Benedikt XVI. schon jetzt das Innere und den Altar. Bisher wurde die Liturgie in der großen Krypta gefeiert, die noch zu Lebzeiten Gaudís fertig gestellt worden war.

Forderung an die Politik

Die Verbindung von Schönheit und Wahrheit in der Architektur Gaudís nützte der Papst auch dazu, die göttliche Architektur des menschlichen Zusammenlebens zu beleuchten: Wir erfahren die Schönheit in Ehe und Familie nur, wenn wir uns an die Wahrheit, an die göttliche Ordnung halten. Und so richtete der Papst einen ungewöhnlich scharfen Appell an die Politik: „Daher fordert die Kirche angemessene wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, dass die Frau zu Hause und am Arbeitsplatz ihre volle Verwirklichung finden kann; dass der Mann und die Frau, die den Ehebund schließen und eine Familie gründen, vom Staat wirklich unterstützt werden; dass das Leben der Kinder vom Augenblick ihrer Empfängnis an als heilig und unantastbar verteidigt wird; dass die Geburten auf rechtlicher, sozialer und legislativer Ebene Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung erhalten.“

Botschaft für Europa

Benedikt XVI. richtete aus Santiago de Compostela eine eindringliche Botschaft an den europäischen Kontinent. Der Grundtenor lautet: „Europa muss sich Gott öffnen!“ Der Papst nennt es eine Notwendigkeit, dass „der Name Gottes unter dem Himmel Europas freudig wieder erklingt“. Er fordert Europa dazu auf, Gott wieder die Ehre zu geben. Das bedeutet nicht eine staatliche oder politische Ausübung von Religion, sondern dass das Unverfügbare wieder fester Bezugspunkt für die Politik wird. Nur unter der Voraussetzung einer Ehrfurcht vor Gott hat die unantastbare Würde des Menschen ein Fundament. Dazu aber müssen wir Menschen in Europa Gott wieder als „das Fundament und den Gipfel unserer Freiheit“ erkennen und ihn nicht als „ihr Gegner“ betrachten. Den Dienst, den die Kirche dabei der Menschheit anbieten müsse, beschreibt Benedikt XVI. mit den einzigartigen Worten: „Ikone der göttlichen Schönheit zu sein, brennende Flamme der Liebe, Weg, der dahin führt, dass die Welt an den glaubt, den Gott gesandt hat (vgl. Joh 6,29).“


Bernhard Philberth – ein genialer Gottsucher

Am 8. August 2010 ist Bernhard Philberth, einer der ungewöhnlichsten Wissenschaftler der modernen Zeit, in Australien verstorben. Sein großes Anliegen war die Zusammenschau von Glaube und Naturwissenschaft. Derselben Aufgabe hatte sich auch sein Bruder Karl verschrieben. Ihre lebenslange Zusammenarbeit brachte überragende Früchte hervor. Die Philberth-Bücher gehören zu den erstaunlichsten Werken der neueren Geistesgeschichte. Auf mitreißende Art werden höchste naturwissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt und Zusammenhänge aufgezeigt, welche die ganze Wirklichkeit einfangen. Zugleich münden alle Forschungsergebnisse ein in die Verherrlichung des allmächtigen Gottes. Ein kurzer Blick auf das Lebenswerk eines genialen Gottsuchers.

Von Waltraud Uhlenbruch

Bernhard Philberth wurde am 26. März 1927 in Traunstein geboren und wuchs in einer bürgerlichen Familie auf. Sein Vater war Richter, seine Mutter Hausfrau. Er wurde im katholischen Glauben erzogen, obwohl seine Mutter evangelisch war. Bernhard und sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Karl waren beide sehr wissbegierige Kinder, die schon früh begannen, beispielsweise mit Chemikalien und explosiven Stoffen zu experimentieren. Überschattet wurde Bernhards Jugend durch den 2. Weltkrieg, in dem er als Fünfzehnjähriger bei der Flak (Flugabwehr) eingesetzt wurde.

Weg zum Priestertum

Nach dem Ende des Krieges studierte er an der Universität München Physik, obwohl er von Kindheit an Priester werden wollte. Ständig war er beschäftigt mit Erfindungen und mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit, sodass er das Theologie-Studium immer wieder hinausschob. Erst im Alter von 45 Jahren wurde er zusammen mit seinem Bruder Karl zum Priester geweiht, nachdem ihnen der Vatikan Dispens vom Theologiestudium gewährt hatte. Sie absolvierten lediglich einen Intensivkurs von sechseinhalb Wochen und wurden „ad titulum patrimonii“ geweiht. Das heißt, sie waren „exempt“ und direkt dem Papst verantwortlich. Sie empfingen keine Vergütung durch die Kirche, sondern verdienten ihren Lebensunterhalt durch die Erträge aus ihren Erfindungen.

Berater des Vatikans

Gleichzeitig nahmen sie eine umfangreiche Beratertätigkeit für den Vatikan auf. Bernherd Philberth wurde sogar vom Heiligen Stuhl eingeladen, nach Rom zu kommen, dort zu leben und als Experte für naturwissenschaftliche Fragen zu arbeiten. Er lehnte das Angebot ab, da er befürchtete, ein Leben in Rom könnte seiner wissenschaftlichen Arbeit und seinem inneren Frieden abträglich sein. In seinen späteren Jahren zweifelte er an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Sicherlich hätte er seinen grandiosen Geist und seine Fähigkeit, Probleme zu lösen, zum Wohl der Kirche einsetzen können.

Forscher in Australien

Stattdessen reiste er auf Einladung der Regierung nach Australien, um dort als Berater für die Antarktisforschung zu wirken. Nicht zuletzt wegen des klaren Himmels, der es im erlaubte, den Nachthimmel zu beobachten und im Observatorium das Weltall zu erforschen, verlegte er schließlich seinen Wohnsitz ganz nach Australien. Dennoch arbeiteten Bernhard und sein Bruder Karl ihr Leben lang zusammen. Sie ergänzten sich in wunderbarer Weise. Bernhard war der Mann brillanter Ideen, es fehlte ihm jedoch die Gabe, diese Konzepte wissenschaftlich auszudrücken. Karl war und ist der präzise Wissenschaftler, der versuchte, Bernhards Visionen in wissenschaftliche Formeln zu kleiden, was eine höchst schwierige und oft frustrierende Arbeit war.

Suche nach dem Göttlichen

Sein ganzes Leben lang suchte Bernhard nach Antworten – nach dem Sinn des Lebens. Als Teenager studierte er den Buddhismus und war von dieser Lehre tief beeindruckt. In seinen zwanziger Jahren kam er jedoch zu der Erkenntnis, dass es für Menschen unmöglich ist, sich selbst zu erlösen und dass sie einen Erlöser brauchen, der uns einzig in Jesus Christus gegeben ist. Dies überzeugte ihn von der Wahrheit des Christentums und des katholischen Glaubens. Viele Jahre lang machte er jedes Jahr einige Wochen Exerzitien im Benediktinerkloster Metten, Diözese Regensburg. Dort erlebte er zum ersten Mal in seinem Leben die Gegenwart Gottes. Diese Erfahrung des Heiligen, der Sphäre des Göttlichen, war bestimmend für sein ganzes Lebenswerk, wegweisend für seine Arbeit und seine Schriften. Er wurde ein „Kämpfer für Gott“ von solch tiefem Glauben und solcher Überzeugung, dass er unzählige Menschen inspirierte und zur Umkehr führte. Die Priesterweihe war einer der glücklichsten Momente in seinem Leben und seine größte Freude bestand in der Feier der Eucharistie.

Genialer Erfinder

Bernhard Philberth war ein Mann mit vielen Gesichtern: Erfinder, Naturwissenschaftler, Denker, Visionär, Prophet, Priester und Philanthrop. Er forschte und arbeitete auf Gebieten, die für viele fremd sind. Seine erste Erfindung machte er im Alter von 13 Jahren. Zusammen mit seinem Bruder Karl ist er der Inhaber von über hundert Patenten. Dazu gehört auch der berühmte Philberth-Transformator. Mit noch nicht dreißig Jahren initiierte er ein Projekt zur Beseitigung radioaktiven Abfalls im grönländischen Eisschild, der bis zu 3000 Meter tief ist. Dieses Projekt basierte auf einer übernatürlichen Vision, die er bei Einkehrtagen im Kloster Metten empfangen hatte.

Unschätzbares Erbe

Was von Bernhard Philberth bleibt, ist nicht in erster Linie die Philberth-Foundation, eine Stiftung für philippinische Kinder aus benachteiligten Familien, sondern vor allem das unschätzbare Zeugnis, das sich in seinen Büchern findet – und diese sind nicht wie andere Bücher (vgl. www.philberth.de). Sie enthalten Gedanken, Vergleiche und Einblicke, die völlig neu sind. Sein größter Wunsch war, der Kirche zu helfen, eine Theologie zu entwickeln, die ein Urteil über die Entdeckungen in den Wissenschaften erlaubt, ohne den Kern der christlichen Lehre zu verletzen.

Bernhard Philberth entdeckte den Zeitgradienten und entwickelte zusammen mit seinem Bruder eine neue Kosmologie, die ihren Niederschlag in dem Buch „Das All“ gefunden hat. Sein grundlegendes Werk „Der Dreieine“ gewährt erstaunliche Einblicke in die großen Zusammenhänge des Mikro- und Makrokosmos. Es zeigt die dreifache Struktur alles Seienden auf und führt die ganze Wirklichkeit auf Gottes Gesetze zurück, die in allem regieren. Sein aufrüttelndes Buch „Christliche Prophetie und Nuklearenergie“ enthält eine Warnung an die Welt, die Details über die Konsequenzen eines Atomkriegs aufzeigt. Diese Schrift half, den Weg für die atomare Abrüstung zu bahnen. In seinem letzten Buch „Offenbarung“ spricht er von den Dingen, die ihn am tiefsten bewegten. Er baut eine Brücke zwischen dem katholischen Lehramt und den gegenwärtigen Erkenntnissen der Wissenschaft. So bietet er eine wunderbare Kombination von treuem Glauben und profundem Wissen. 

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