Liebe Leser

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Mit dem Kreuz-Erlass hat der neue bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder seiner Amtsführung bereits jetzt einen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt. Die Verordnung, dass ab 1. Juni 2018 im Eingangsbereich aller Behörden ein Kreuz aufgehängt werden muss, kam vollkommen überraschend. Sie passt ganz und gar nicht in den gängigen Mainstream.

Überraschend sind aber auch die Reaktionen. Dass die Initiative in der Bevölkerung und sogar bei Verbänden mit nichtchristlicher Ausrichtung auf so breite Zustimmung stoßen würde, war in keiner Weise abzusehen. Andererseits ließ aufhorchen, dass ausgerechnet kirchliche Vertreter dagegen mobil machten, wohl auch, um die Kirche vorsorglich in Schutz zu nehmen. Aber gerade dadurch war von Anfang an klargestellt, dass der Kreuz-Erlass von keiner Kirchenleitung „angezettelt“ wurde. Und in diesem Sinn hätte der Bayerischen Staatsregierung, die ja zur Neutralität verpflichtet ist, eigentlich gar nichts Besseres passieren können, als umgehend eine deutliche Kritik des Münchener Kardinals, der zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, einstecken zu müssen.

Bezeichnenderweise sind die beiden Galionsfiguren des Kreuz-Erlasses, nämlich Ministerpräsident Söder und Dr. Markus Blume, der neue Generalsekretär der CSU, keine Katholiken, sondern Protestanten. Man könnte leicht auf das nicht ganz gesunde Verhältnis der Kirchen der Reformation zur Staatsgewalt verweisen, da ja Luther die Kirchenleitung den Landesfürsten übertragen hatte. Aber eine solche Mutmaßung würde dem mutigen Schritt der bayerischen CSU nicht gerecht.

Wir haben die Debatte um den Kreuz-Erlass als Titelthema gewählt, weil wir das Zeugnis der bayerischen Politiker für ein richtungsweisendes Signal halten. Als Christen können wir nur dankbar sein, wenn angesichts einer aggressiven Säkularisierung der Gesellschaft, welche die Religionsausübung immer weiter in den privaten Bereich zurückdrängen will, Politiker mit Format auftreten und zeigen, dass man auch heute noch eine Entscheidung in die andere Richtung treffen kann. Gleichzeitig fangen sie die Ängste vieler Menschen vor einer drohenden Islamisierung auf und vermitteln die Zuversicht, dass die christlichen Fundamente unseres Zusammenlebens immer noch tragfähig sind.

Doch wäre es zu wenig, den Kreuz-Erlass nur kulturell und gesellschaftspolitisch einzuordnen. Wir dürfen ihn durchaus im Licht des Glaubens sehen, zumal seine Initiatoren überzeugte Christen sind. Vom Kreuz geht Segen aus. Denken wir nur an die Fahnenstange in der Wüste, die Mose aufstellen musste, um die von den Giftschlangen gebissenen Menschen zu retten. Ein Blick auf dieses Zeichen genügte, um am Leben zu bleiben. Wir wissen im Rückblick, dass dieses prophetische Zeichen im Kreuz seine Erfüllung gefunden hat. Wenn man das Kreuz aufhängt, wird der Erlöser ins Spiel gebracht. Die Wirkung hat in einzigartiger Weise Kaiser Konstantin erfahren. Vor der entscheidenden Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 sah er in einer Vision ein Kreuz und hörte die Aufforderung: „In diesem (Zeichen) siege!“ Er ließ es auf allen Schilden seiner Soldaten anbringen, siegte ohne wirklichen Kampf und läutete damit eine neue weltgeschichtliche Epoche ein.

Liebe Leser, wir wollen das Bekenntnis der bayerischen Politiker zum Kreuz mit unserem Gebet begleiten, damit es letztlich zum Heil gereiche. Ihnen danken wir für Ihre großherzige Unterstützung und wünschen Ihnen auf die Fürbitte Mariens Gottes reichen Segen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Bekenntnis der Bayerischen Staatsregierung zum Kreuz

Ein Fanfarenstoß

Der bayerische „Kreuz-Erlass“ hat zu heftigen Debatten geführt. Pfarrer Erich Maria Fink setzt sich mit der Frage auseinander, wie wir als Christen eine solche politische Entscheidung aufnehmen sollten. Einerseits begrüßt er den Vorstoß als wertvolles Zeugnis politischer Verantwortungsträger in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft, andererseits ruft er in Erinnerung, worauf Kirche und Staat in ihrem Verhältnis zueinander achten müssen und welche Aufgabe dabei den beiden Seiten jeweils zukommt.

Von Erich Maria Fink

Die Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, Kreuze im Eingangsbereich aller bayerischen Behördengebäude verpflichtend aufzuhängen, ist eine Sensation. Wie die heftigen Debatten zeigen, hat der Fanfarenstoß seine Wirkung nicht verfehlt. Bewusst setzte die Bayerische Staatsregierung ihren Hebel dort an, wo sie ihre politischen Befugnisse nicht überschreitet, wo sie jedoch ein Signal aussendet, das den rechtlich fassbaren Rahmen eindeutig sprengt.

Zeichen, dem widersprochen wird

Das Kreuz ist Zeichen des Widerspruchs. Im Vorausblick auf den Kreuzestod Jesu hat der greise Simeon im Tempel von Jerusalem über das kleine Kind die prophetischen Worte gesprochen: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden.“ Nach dem Kreuz-Erlass kann sich kaum jemand der Diskussion entziehen. Er hat genau dazu geführt, dass dadurch „die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“. Durch das „Zeichen, dem widersprochen wird“, zeigt sich, wo der Einzelne steht. Das gilt für politische Parteien wie für Vertreter der Kirche. Allein schon diese Herausforderung zum Bekenntnis ist ein Effekt, der grundsätzlich positiv zu bewerten ist. In der Öffentlichkeit werden plötzlich ernsthafte Gespräche über christliche Werte geführt, die man auf breiter politischer Ebene nicht mehr für möglich gehalten hat. Damit leistet der Vorstoß ohne Zweifel auch einen Beitrag zur Evangelisierung. 

Noch wichtiger aber scheint es mir zu sein, ganz ehrlich zu erörtern, was zu dieser Entscheidung der Verantwortungsträger in der CSU geführt hat. Welche Absichten stehen hinter diesem Schritt? Tatsache ist, dass die christlichen Parteien viele Wähler verloren haben, besonders auch die Christlich-Soziale Union in Bayern. Die Abwanderung zur „Alternative für Deutschland“ – ohne damit eine Bewertung dieser Partei abgeben zu wollen – hat einen regelrechten Schock ausgelöst. Auf politischer Ebene musste man eingestehen, dass in der Bevölkerung Ängste vorhanden sind, die man ernstnehmen muss, die größer sind, als man wahrhaben wollte. Diese hängen unmittelbar mit der Flüchtlingsproblematik und den damit verbundenen Veränderungen im gesellschaftlichen Leben zusammen. Gäbe es nicht die berechtigte Angst vor einer zunehmenden Islamisierung und als Reaktion darauf die unerwünschten parteipolitischen Erdbeben, hätte Söder wohl keinen Kreuz-Erlass initiiert.

Die Entscheidung wurde also aus der Not heraus geboren. Das ist an sich nichts Schlechtes. Es ist ähnlich wie bei Menschen, die in einer ausweglosen Situation plötzlich wieder an Gott denken und zu beten anfangen. Und wie oft findet dadurch ein „verlorener Sohn“ wieder zum Vater zurück! In diesem Licht darf man auch den Kreuz-Erlass deuten. Eine erschütterte Partei nimmt alle Kräfte zusammen und holt zu einem Befreiungsschlag aus. Sie möchte der Bevölkerung vermitteln, dass man sich auf ihre Politik verlassen kann, dass sie vor dem Druck der Islamisten nicht zurückweicht, dass sie vielmehr bereit ist, die bayerische Heimat vor Überfremdung zu schützen. So zu tun, als habe der Kreuz-Erlass nichts mit dem Wahlkampf zu tun, wäre völlig unrealistisch und nicht aufrichtig. Politiker haben immer auf die Wählergunst zu achten. Bei allem, was sie tun, müssen sie auf die Befindlichkeiten der Bevölkerung Rücksicht nehmen. Das ist ihr Schicksal, aber in gewisser Hinsicht auch ihre Berufung, ja sogar ihre Pflicht. Auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Stimmung in der Gesellschaft hat die CSU mit ihrem Bekenntnis zum Kreuz sicher einen Coup gelandet. Je heftiger die Entscheidung von bestimmten Kräften kritisiert wird, umso nachhaltiger wird sie sich gesellschaftspolitisch auswirken. Bei der Mehrheit der Bevölkerung ist das Signal jedenfalls bereits angekommen und positiv aufgenommen worden. Und so wird sich der Kreuz-Erlass wohl als kluger Schachzug erweisen.

Wertvolles Zeugnis für das christliche Wertefundament

Es stellen sich nun verschiedene Fragen. Zunächst gilt es zu klären, ob denn eine Partei oder eine Regierung in unserer freiheitlichen Demokratie berechtigt ist, eine Kreuz-Pflicht für alle staatlichen Behörden einzuführen. Verletzen damit die Verantwortungsträger nicht ihre weltanschauliche Neutralitätspflicht?

Die Vertreter der CSU erklären den Sinngehalt des Kreuzzeichens im soziokulturellen Kontext. Sowohl Ministerpräsident Söder als auch der Generalsekretär der CSU, Markus Blume, haben betont, dass das Kreuz sicherlich ein religiöses Symbol sei und bleibe, dass es darüber hinaus aber auch eine kulturelle Bedeutung habe. Es sei ein Zeichen, das in unmissverständlicher Weise das christlich geprägte Wertefundament des europäischen Kulturraums symbolisiere. Und als solches sei das Kreuz über alle religiösen und weltanschaulichen Grenzen hinweg ein allgemein verständlicher Ausdruck für die gemeinsamen Grundlagen unseres Zusammenlebens, die sich sowohl in der bayerischen Verfassung als auch in der gesamten europäischen Gesetzgebung widerspiegelten.

Die Begründung ist nachvollziehbar und auch aus kirchlicher Sicht durchaus sachgerecht. Dass das Kreuz seinen Platz im öffentlichen Raum beansprucht wie zum Beispiel auf Kirchtürmen, an Wegrändern oder auf Berggipfeln, hängt zunächst einmal mit dem Prinzip der Religionsfreiheit zusammen, durch welche auch die Möglichkeit gegeben sein muss, seine religiöse Überzeugung öffentlich zu bekunden. Darüber hinaus aber darf auch eine politische Volksvertretung ausdrücklich für christliche Werte eintreten, insofern diese mit der Verfassung eines Landes – also in Deutschland mit dem Grundgesetz – in Einklang stehen. Wäre es nicht berechtigt, das Kreuz in Klassenzimmern, Gerichtssälen und eben auch in den Eingangsbereichen der Behörden anzubringen, dürfte sich eine politische Partei auch nicht ausdrücklich „christlich“ nennen, wie dies bei den beiden Unionsparteien der Fall ist.

Jeder Politiker kann auf verschiedene Weise Zeugnis für seine christliche Glaubensüberzeugung ablegen. Bei Abstimmungen über Gesetzesvorhaben ist ein katholischer Abgeordneter im Gewissen verpflichtet, sich an der Morallehre der Kirche zu orientieren und beispielsweise gegen die Legalisierung der Abtreibung oder der aktiven Sterbehilfe zu votieren. Eine andere Form des Zeugnisses ist die öffentliche Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen entweder als Privatperson oder als Vertreter des Staates. Einen besonderen Charakter erhält das Zeugnis, wenn ein Politiker als Amtsperson das Wort ergreift und beispielsweise eine Grußbotschaft an eine kirchliche Versammlung richtet.

Kein Politiker wäre im Gewissen verpflichtet, das Aufhängen der Kreuze in staatlichen Räumen anzuordnen. Insofern ein solcher Schritt aber eine politische Berechtigung besitzt, kann der bayerische Kreuz-Erlass nur als herausragendes Zeugnis der Initiatoren für ihren christlichen Glauben bewertet werden. Die Verwendung des Kreuz-Symbols in der Politik ist aus christlicher Sicht weder eine Usurpation noch ein Missbrauch. Vielmehr kann sich die Kirche über das mutige Vorgehen der christlichen Politiker in Bayern nur freuen.

Deutungshoheit über religiöse Symbole

Die Deutungshoheit über das Kreuz liegt tatsächlich nicht bei der Politik, sondern bei den christlichen Glaubensgemeinschaften. Nach einem Kreuz-Erlass liegt es an der Kirche, die Chance zu ergreifen und nun eine umfassende Deutung zu liefern. Dabei kann die Kirche wunderbar zwischen den beiden Bereichen differenzieren, nämlich der politisch relevanten Sinngebung und der dahinterstehenden Botschaft des Glaubens. Solange die Kreuze im öffentlichen Raum Ausdruck der gewachsenen und tatsächlich vorhandenen Glaubenssubstanz sind, werden sie verstanden und als Selbstverständlichkeit angenommen. Wenn sie aber, wie es nun der Fall zu sein scheint, ein Wertefundament abstützen sollen, das immer weniger von einem vorhandenen Glaubensleben getragen ist, kommt der Stimme der Kirche eine umso größere Verantwortung zu. Dieser darf sie sich auf keinen Fall entziehen, gerade auch im Blick auf die Anhänger nichtchristlicher Religionen. Denn hier ist die europäische Politik auf die Hilfe der christlichen Kirchen angewiesen.

Ein Politiker kann von der Würde des Menschen, von Freiheit, Solidarität, Offenheit, Nächstenliebe, Gleichheit und Gemeinschaft sprechen. Doch nur die Theologie kann im letzten erklären, warum der ans Kreuz genagelte Gottessohn unsere Freiheit garantiert, in unüberbietbarer Weise die Perspektive für ein solidarisches Gemeinwesen eröffnet und die Gleichheit und unantastbare Würde aller Menschen ohne jede Ausnahme garantiert.

Erst dadurch kann den Nationen des christlich geprägten europäischen Kontinents die Augen dafür geöffnet werden, dass ein Islam, der keine Trennung zwischen Staat und Kirche, zwischen Religion und Politik kennt und der zur Scharia tendiert, sobald die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, nie mit der freiheitlichen Demokratie des europäischen Kulturraums vereinbar ist. Umgekehrt wird genau im Zeichen des Kreuzes klar, warum das christliche Wertefundament die Offenheit besitzt, alle Weltanschauungen zu achten und echte Religionsfreiheit zu gewähren. Auf diesem Hintergrund ist der bayerische Kreuz-Erlass eben kein „schändliches Wahlkampfgetöse“, wie es die Bundesvorsitzende der Grünen nennt, sondern ein prophetisches Zeichen, ein Weckruf, um sich angesichts der fortschreitenden Islamisierung Europas auf die unverzichtbaren Voraussetzungen zu besinnen, auf denen unser freiheitliches Staatswesen basiert.

Umso mehr aber müssen Staat und Kirche auf das richtige Verhältnis zwischen Politik und Religion achten. Die notwendige Trennung verbietet dem Staat, die Kirche als Instrument für seine Ziele zu vereinnahmen. Umgekehrt darf die Kirche nie der Versuchung nachgeben, über eine Regierung, die ihr gewogen ist, direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen und politische Macht auszuüben. Ein ausgewogenes Miteinander aber kann der ganzen Bevölkerung zum Segen gereichen und das Gemeinwohl außerordentlich fördern. Wir brauchen auf beiden Seiten mutige Zeugen. Wir brauchen christliche Politiker, die sich für das Kreuz nicht schämen. Und wir brauchen Hirten der Kirche, die in vollkommener Freiheit – ohne die Fesseln der Political Correctness –  die Ideale des Evangeliums verkünden.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Bischof Voderholzer und Regionalbischof Weiss, Regensburg, zum Kreuzstreit:

Ökumenisches JA zum Kreuz

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 3. Mai 2018 haben sich Bischof Dr. Rudolf Voderholzer und Regionalbischof Dr. Hans-Martin Weiss, Regensburg, ausdrücklich für den bayerischen Kreuz-Erlass ausgesprochen. Mit einem „Ökumenischen JA“ begrüßen Sie die Initiative von Ministerpräsident Dr. Markus Söder und danken den Politikern für ihr Bekenntnis. Die vielfache Kritik in der Debatte um das Kreuz in öffentlichen Räumen staatlicher Einrichtungen weisen sie zurück.

Von Bischof Rudolf Voderholzer und Regionalbischof Hans-Martin Weiss, Regensburg

Aus Dankbarkeit für das gerade im Gedenkjahr der Reformation gewachsene ökumenische Vertrauen zwischen unseren Gemeinden und in christlicher Verantwortung für die Seelsorge an den Menschen in unserm Land möchten wir uns in einer gemeinsamen Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um das Kreuz äußern.

Die bayerische Staatsregierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder hat verfügt, dass im Eingangsbereich staatlicher Einrichtungen sichtbar ein Kreuz aufgehängt werden soll. Dieser Erlass hat wenig Lob und viel Kritik auf sich gezogen. Die öffentlich vorgebrachten Argumente gipfelten in dem Vorwurf der Instrumentalisierung eines religiösen Symbols für Wahlkampfzwecke.

Diese Meinung teilen wir nicht, sondern begrüßen und unterstützen, wenn das Kreuz im öffentlichen Raum präsent ist – auch und erst recht dort, wo politische und/oder administrative Verantwortung für unser Gemeinwesen wahrgenommen wird.

Für uns sind dabei die folgenden Gründe maßgeblich:

Das Kreuz ist ein kostbares Erinnerungszeichen. Es ruft in Erinnerung, dass das „Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ zu den Grundwerten unseres Gemeinwesens und insbesondere unserer verfassungsmäßigen Ordnung gehört (vgl. die Präambel des Grundgesetzes). Die Väter und Mütter der Bayerischen Verfassung haben nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und unter dem Eindruck der Selbstvergötzung des Staates mit den bekannten verheerenden Folgen für Europa und die ganze Welt dem Verfassungstext eine „Invocatio Dei“ (Anrufung Gottes) vorangestellt und darüber hinaus die Ehrfurcht vor Gott als Bildungsziel formuliert. Dies geschah in der Überzeugung, dass eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft von Voraussetzungen lebt und auf Fundamenten aufbaut, die sie selbst nicht garantieren kann, um es mit Ernst-Wolfgang Böckenförde zu formulieren.

Historisch und sachlich betrachtet ist in unserer bayerischen Heimat die christliche Religion das Fundament der staatsbildenden Grundwerte. Das im christlichen Glauben gründende Wertesystem prägt und formt unsere Gesellschaft positiv, und zwar auch dort, wo ihr dies längst nicht mehr bewusst ist.

An die Botschaft des Kreuzes erinnert zu werden ist nicht nur zumutbar, sondern auch hilfreich, auch für jene, die diesen Glauben nicht teilen.

Das Kreuz steht stellvertretend und symbolisch für das vor-staatliche Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Das Kreuz bewahrt den Staat vor der Versuchung, sich totalitär des Menschen zu bemächtigen.

Das Kreuz erinnert alle Frauen und Männer, die im Dienst des Staates stehen, an ihre Verantwortung, der Würde und Freiheit der Menschen zu dienen.

Am Kreuz hängt der Grund unserer Menschenrechte.

Wir wissen auch, dass das Kreuz schon politisch und militärisch missbraucht wurde, und dass die Menschenrechte vor 200 Jahren zum Teil gegen die Kirchen zur Geltung gebracht wurden. Die Gründe dafür sind komplex und müssten eigens angeschaut werden. Fest steht aber auch, dass die Menschenrechte einen religiösen, jüdisch-christlichen Hintergrund haben. Die Menschenrechte widerspruchsfrei zu begründen, ist ohne den Rückgriff auf die Wirklichkeit Gottes kaum möglich, wie ein Blick in Staaten mit anderer geistig-geistlicher Tradition (z.B. China) zeigt.

Das öffentlich angebrachte Kreuz sichert die Grundlagen der Neutralität des Staates im Sinne der Freiheit der Religionsausübung. Das Kreuz Christi steht für Versöhnung, ja sogar für die Möglichkeit der Versöhnung von Tätern und Opfern. Das Kreuz steht für die Achtung der Würde jedes Einzelnen, besonders der Schwachen und Hilfsbedürftigen. Vor dem Kreuz als dem Zeichen der verwandelnden und erlösenden Kraft der Liebe muss sich niemand fürchten.

Der Philosoph Jürgen Habermas hat die Gefahr angedeutet, dass der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat von seinen vorgegebenen religiösen Fundamenten „zehrt“ und dass diese vielleicht einmal aufgezehrt sein könnten. So muss es jedem und jeder Verantwortlichen in der Politik ein Anliegen sein, für den Erhalt dieser dem Zusammenleben vorausliegenden Grundlagen Sorge zu tragen. Dass es mit dem Anbringen von Kreuzen alleine nicht getan ist, wird niemand bestreiten. Aber dieser symbolischen Selbstvergewisserung der eigenen Grundlagen nur unlautere Motive zu unterstellen, verkennt die Notwendigkeit einer auch zeichenhaften Vergegenwärtigung der religiösen Fundamente.

Wir sind jeder Politikerin und jedem Politiker dankbar für das öffentliche Bekenntnis zu den vorpolitischen Fundamenten unserer Gesellschaft. Wir sehen darin den Auftrag an alle Christinnen und Christen verwirklicht, unsere Gesellschaft positiv aus dem Geist des Evangeliums mitzugestalten. Wer sich auf das Kreuz beruft und unter das Kreuz stellt, wird sich auch an seinem Anspruch messen lassen.

Wir erinnern uns in diesen Tagen gerne an die Worte von Landesbischof Dr. Hermann von Loewenich, der 1995 deutlich machte, dass das Kreuz den Menschen davor bewahrt, sich selbst zu überschätzen und ihm den Weg zum Himmel weist: Das Kreuz „stellt uns alle in Frage, wenn wir uns eine Religion wünschen, die nur unserer Selbstbestätigung oder unserm eigenen Glück dient. Es redet ja von Gericht und Gnade, darum kann es für jeden von uns auch zum Ärgernis und zur Torheit werden. Es warnt uns vor Missbrauch, es warnt uns davor, unsere Bäume in den Himmel wachsen lassen zu wollen. Allein das Kreuz verbindet uns mit dem Himmel. Es ist eine Gotteskraft – sagt der Apostel Paulus – und sie verhilft uns, unser Kreuz auf uns zu nehmen und im Geist Jesu Christi menschlich zu handeln.“ – Diesem Zuspruch und diesem Anspruch fühlen wir uns in unserem gemeinsamen ökumenischen Anliegen verbunden. Wir hoffen auf eine freundliche und hilfreiche Diskussion über die angesprochenen Sachfragen.  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Bekenntnis zur Identität

Kaum jemand hat den bayerischen „Kreuz-Erlass“ in der Öffentlichkeit so leidenschaftlich verteidigt wie Markus Blume (geb. 1975). Der evangelisch-lutherische Unternehmer und Familienvater von zwei Kindern ist seit 2008 CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag und seit dem 14. März 2018 Generalsekretär der CSU. Nachfolgend einige Auszüge aus seinem Redebeitrag im Bayerischen Landtag am 26. April 2018.

Von Markus Blume

Im ersten Brief des Paulus an die Korinther heißt es: „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden“ (1 Kor 1,18). Vorzugeben, die christlichen Kirchen schützen zu wollen vor einem Staat, der sich anmaßen würde, das Kreuzzeichen zu usurpieren, ist heuchlerisch.

Das Kreuz ist das Bekenntnis zu den Grundwerten unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung. Natürlich ist das Kreuz das Zeichen des Christentums. Aber unter dem Einfluss von Humanismus und Aufklärung ist es eben auch zu einem konstitutiven Element unserer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung geworden. In der Präambel der Bayerischen Verfassung heißt es: „Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat…“ Das war der historische Hintergrund, vor dem diese Bayerische Verfassung entstanden ist. Zu behaupten, dass diese Verfassung frei wäre von christlicher Prägung, von christlichen Werten und diesem Erlebnis nach dem Zweiten Weltkrieg, ist in jeder Hinsicht falsch. Lassen Sie mich einen Sozialdemokraten zitieren, den Reichstagsabgeordneten Carlo Mierendorff (1897-1943). Er hat nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager gesagt: „Wissen Sie, als Atheist bin ich in das Konzentrationslager gekommen, und nach dem, was ich dort erlebt habe, verließ ich es als gläubiger Christ. Es ist mir klar geworden, dass ein Volk ohne metaphysische Bindung, ohne Bindung an Gott, weder regiert werden noch auf Dauer blühen kann.“

Wer sich zum Kreuz bekennt, wer Kreuze aufhängt, der muss sich nicht dafür rechtfertigen, denn er bekennt sich gerade zu den notwendigen Wertegrundlagen unserer freiheitlichen, pluralen und offenen Gesellschaft. Das Kreuz steht für Menschenwürde, Toleranz und Nächstenliebe. Wer Kreuze abnimmt, der nimmt auch die Toleranz ab und er hängt im Gegensatz Intoleranz auf in diesem Land.

Wir hängen Kreuze auf, weil wir damit Haltung zeigen, Haltung übrigens auch gegen die, die ein anderes Land wollen, die Intoleranz in diesem Land säen und vielleicht sogar Antisemitismus hoffähig machen wollen. 

Wer nicht in der Lage ist, seine eigenen Werte zu vertreten, ist der wahre Feind der offenen Gesellschaft. Die weltanschauliche Neutralität des Staates darf nicht gleichgesetzt werden mit einem sittlich ungebundenen Staat. In Deutschland sind Staat und Kirche unterschieden, ja, das ist richtig, aber sie sind sich gegenseitig nicht egal. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat geurteilt: „Das Neutralitätsgebot ist nicht als Gebot zur Eliminierung des Religiösen aus dem öffentlichen Bereich zu verstehen.“ Es bedeutet eben keine völlige Indifferenz in religiös-weltanschaulichen Fragen und auch keine laizistische Trennung von Staat und Kirche. Es ist Aufgabe des Staates, die Grundlagen unseres Zusammenlebens zu sichern: die natürlichen Lebensgrundlagen, die kulturelle Überlieferung, aber eben auch die christliche Prägung.  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Benedikt XVI. über den christlichen Kulturraum Europas

„Die Freiheit befreien“

Am 11. Mai 2018 wurde in der ehrwürdigen Sala Zuccari im Senat der Italienischen Republik mit Antonio Tajani, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, und Giampaolo Crepaldi, dem Erzbischof von Triest, ein neues Buch mit politischen Texten von Benedikt XVI. vorgestellt. Es trägt den Titel „Die Freiheit befreien. Glaube und Politik im dritten Jahrtausend“.[1] Eine kleine Sensation: Darin findet sich auch ein bislang unveröffentlichter Aufsatz Benedikts zum Thema „Die Multiplikation der Rechte und die Zerstörung des Rechtsbegriffs“, den er 2014 in Reaktion auf ein Buch des italienischen Philosophen und Politikers Marcello Pera verfasst hatte. Nachfolgend der Vortrag, den Erzbischof Georg Gänswein zu diesem Anlass gehalten hat (dokumentiert von CNA dt./EWTN News).

Von Georg Gänswein

Bevor Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde, ist er als Deutscher groß geworden, vielleicht mehr noch als Bayer. Doch von seinem Elternhaus hatte er als Kind auch immer ins Salzburger Land hinübergeschaut, nach Österreich, und die Kultur des alten Habsburg vor Augen, vielleicht dachte er auch an seine Großmutter aus Südtirol, dem heutigen Italien. Grenzüberschreitungen kennzeichnen sein Leben, immer vor dem unendlichen Horizont des Katholischen. Nicht Grenzen, sondern das Ganze des Abendlands wurde deshalb von Kindesbeinen an sein politisches Zuhause, sogar in den Tagen, als die entfesselte Furie des Totalitarismus unseren Kontinent in den Abgrund zu stürzen versuchte.

So war es kein Wunder, dass Europa schon früh die politische Passion des jungen Gelehrten wurde. Kein Wunder ist es deshalb auch, dass Konrad Adenauer den jungen Joseph Ratzinger faszinierte und dessen zielstrebige Politik, mit der es der erste Bundeskanzler Nachkriegsdeutschlands gegen alle Verlockungen und Versprechen der Sow-jet-Union durchgesetzt hat, die neue Bundesrepublik nach dem „Zivilisationsbruch“ Deutschlands unter den Nazis wieder ganz neu im freiheitlichen Wertesystem der jüdisch-christlichen Geschichte des lateinisch-westlichen Abendlandes zu verankern.

Nur hier, in dieser Geschichte, hatte Joseph Ratzinger früh erkannt, war der Gott Jakobs nicht als der Zürnende, sondern als der Liebende zuerst erkannt worden, der die Menschen nicht zwingt, sondern der um sie wirbt. Nur hier, in diesem Kulturraum, war deshalb auch die unvergleichliche „Freiheit des Christenmenschen“ entdeckt und entwickelt und verteidigt worden, von der vor 500 Jahren Martin Luther sprach, und die schon 1000 Jahre zuvor den hl. Columban beseelt hat, dessen Erkenntnis: „Si tollis libertatem, tollis dignitatem“ noch heute die Columban-Kapelle im Fundament des Petersdoms schmückt. „Wenn du die Freiheit nimmst, nimmst du die Würde“, heißt diese Richtlinie des großen irischen Missionars aus dem 6. Jahrhundert auf Deutsch. Hier, in den „Cavi“ unterhalb des Papstaltars in der Confessio, die Bernini über dem Grab des Apostelfürsten Petrus errichtete, gehört dieser Satz Columbans deshalb gewissermaßen auch mit zu den Grundlagen des Papsttums. Es war dieser Geist, davon war Joseph Ratzinger schon früh überzeugt, mit dem irische Wandermönche im 6. Jahrhundert nach Christus Westeuropa christianisierten und inmitten der Völkerwanderung quasi neu begründet hatten. Der schöne Titel des Buches „Die Freiheit befreien“ könnte deshalb fast als ein cantus firmus im Leben Joseph Ratzingers und Benedikts XVI. gelten.

Denn der Papst aus Deutschland reifte ja gewissermaßen in der „katholischen Epoche“ der Nachkriegsgeschichte zum Mann und Denker und Lehrer heran, als Erich Przywara, der Lehrer Josef Piepers, die „Idee Europa“ entwickelte, und als Konrad Adenauer, Robert Schuman und Alcide de Gaspari das Wagnis einer Neugründung Europas über Ruinen unternahmen, und zwar im alten karolingischen Erbteil des Abendlands.

Es war diese Zeit, die den jungen und früh schon hochgelehrten homo historicus wie von selbst auch zum homo politicus werden ließ. Sein politischster Begriff fiel aber auch da schon in eins mit dem wichtigsten theologischen Begriff des jungen Priesters. Das war die „Wahrheit“, die er später zum Motto seines Bischofswappens erhob, wo er um Mitarbeiter an eben dieser Wahrheit warb. Denn „wenn wir von dem Begriff der Wahrheit abgehen, gehen wir von den Grundlagen ab,“ erklärte er im Februar 2000 seinem Biografen Peter Seewald einmal auf Europas Schicksalsberg, im Mutterkloster des hl. Benedikt auf dem Monte Cassino, und sagte weiter: „Der wirkliche Friede ist deshalb streitbar. Die Wahrheit ist das Leiden und auch den Streit wert. Ich darf die Lüge nicht hinnehmen, damit Ruhe ist. Niemand traut sich mehr zu sagen, dass das, was der Glaube sagt, wahr sei.“

Die Wahrheit zu suchen und für sie zu kämpfen, wurde deshalb zum roten Faden im Leben Joseph Ratzingers und Benedikts XVI., weil sie, so war es seine Überzeugung, keine Wahrheit ist, die man „haben oder besitzen“, sondern der man sich nur annähern kann, weil die Wahrheit im Glauben und im Verständnis der Christen Person geworden ist: in Jesus Christus, in dem Gott sein Gesicht gezeigt hat. Diese Überzeugung machte den katholischen Theologen deshalb auch zu einem besonders respektierten Gesprächspartner von Jürgen Habermas, dem erklärtermaßen „religiös unmusikalischen“ großen Philosophen Deutschlands, mit dem er sich gleichwohl darin einig war, dass das jüdisch-christliche Leitbild der menschlichen Ebenbildlichkeit Gottes den Wesenskern Europas ausmacht. Es ist diese – nach Josef Pieper –„theologisch gegründete Weltlichkeit“ unserer westlichen Welt, von der der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde später den in Deutschland berühmt gewordenen Schluss ableitete: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Der Gläubige und der Ungläubige würden und könnten sich hier „im Zweifel“ begegnen, hat Joseph Ratzinger Jahrzehnte davor und nunmehr auch schon wieder vor 50 Jahren in seiner „Einführung in das Christentum“ einmal formuliert. Im Kulturraum Europas aber ist die Begegnung der Gläubigen und Ungläubigen nicht nur im Zweifel, sondern auch in der Wahrheit möglich, wie der Dialog zwischen Ratzinger und Habermas in diesem Buch wieder darlegt.

Deshalb nahm Papst Benedikt XVI. aber auch umso schärfer die Grenzen dieses einzigartigen Kulturraums gegenüber allen anderen Kulturen wahr, wie er es am 12. September 2006 so unerschrocken in seiner berühmten „Regensburger Rede“ zum Ausdruck brachte: „Nicht vernunftgemäß, nicht mit dem Logos handeln ist dem Wesen Gottes zuwider, hat Kaiser Manuel II. von seinem christlichen Gottesbild her seinem persischen Gesprächspartner gesagt. In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächspartner ein.“

Wenn Papst Franziskus im Vorwort dieses Bandes sagt, dass diese Texte uns zusammen mit dem kraftvollen Gesamtwerk seines Vorgängers  helfen könnten, „unsere Gegenwart zu verstehen und eine sichere Orientierung für die Zukunft zu suchen“, dann kommen mir dabei fast von selbst jene Worte zur Verteidigung des Naturrechts in den Sinn, die Papst Benedikt am 22. September 2011 den Abgeordneten der deutschen Bundesrepublik im Reichstag in Berlin eingeschärft hat, mit denen ich meinen kleinen Beitrag beschließen will: „,Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande‘, hat der hl. Augustinus einmal gesagt“, erklärte er damals den Parlamentariern als der Lehrer, der er immer war, und fuhr fort: „Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren. Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen. Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden?“

Die Bitte des weisen König Salomon an den Gott Jakobs: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ bleibe deshalb entscheidend vor allen Aufgaben, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen. Denn jene „historische Stunde“, von der der emeritierte Papst vor sechs Jahren in Berlin sprach, ist noch lange nicht zu Ende.  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Benedikt XVI./Joseph Ratzinger: Die Freiheit befreien. Glaube und Politik im dritten Jahrtausend. Mit einem Vorwort von Papst Franziskus und einem bisher unveröffentlichten Text von Benedikt XVI. Hsrg. von Pierluca Azzaro und Carlos Granados (Benedikt XVI./Joseph Ratzinger: Schriften aus meiner Feder, Bd. 2), Herder, Freiburg 2018, 22,– Euro.

Botschaft Jesu an die Mystikerin Rozalia Celakowna

„Inthronisation Jesu Christi“ als König von Polen

Im Jahr 1975 gründete P. Tadeusz Myszczynski von der Gesellschaft Christi (1914-1991) in Polen die Zeitschrift „Liebt einander!“, die zunächst nur in polnischer Sprache erschien. Inzwischen ist sie zu einem weltweiten Instrument der Neuevangelisierung geworden, das von der Kirche unterstützt und in 20 Sprachen verbreitet wird, darunter auch auf Deutsch. In der Januar-Ausgabe dieses Jahres veröffentlichte P. Mieczyslaw Piotrowski SChr, der Chefredakteur der Zeitschrift, einen ungewöhnlichen Beitrag über die Botschaften Jesu an die Dienerin Gottes Rozalia Celakowna (1901-1944) und deren Bedeutung für die polnische Geschichte. Anlass war ein Ereignis, das am 19. November 2016 in Łagiewniki, dem Krakauer Heiligtum der Barmherzigkeit Gottes, stattfand. Der polnische Episkopat erfüllte einen Wunsch Jesu, der in den genannten Botschaften an Rozalia Celakowna eine zentrale Rolle spielt, und vollzog in Anwesenheit von Staatspräsident Andrzej Duda und Ministerpräsidentin Beata Szydło eine sog. „Inthronisation Jesu Christi“ als König von Polen. Sowohl der kirchenpolitische Akt selbst als auch die damit verbundenen Prophezeiungen haben großes Aufsehen erregt.

Von P. Mieczyslaw Piotrowski SChr

Jesus sagte zu der Mystikerin Rozalia Celakowna (1901-1944): „Wenn Polen nicht geistig wiedergeboren wird und seine Sünden nicht verwirft, dann wird es sterben. Nur eine vollkommene geistige Wiedergeburt und die Hingabe seiner selbst unter die Herrschaft Meines Herzens kann nicht nur Polen, sondern auch andere Völker vor der völligen Vernichtung bewahren.“

Und der Herr bat sie, diesen Aufruf zur Bekehrung nicht nur den Polen, sondern auch den Bevölkerungen aller anderen Nationen weiterzugeben.

In einer mystischen Vision hatte die Dienerin Gottes zunächst die Gestalt des gegeißelten Jesus erblickt. Sein ganzer Leib war von Wunden bedeckt, aus denen das Blut in Strömen floss. Der Herr Jesus sagte zu ihr: „Sieh, mein Kind, welch schreckliche Beleidigungen und Schmerzen mir die Sünden der Unreinheit, die Morde (an Kindern) und der schreckliche Hass zufügen. Ich kann diese Schmähungen und Beleidigungen, die mir die unreinen Sünden zufügen, nicht länger ertragen.“ Und darauf folgte die bereits genannte Aufforderung, sich ganz der Herrschaft seines Herzens zu unterstellen.

Als Rozalia Celakowna über den moralischen Niedergang im Vorkriegspolen schrieb, stellte sie fest, dass die Machthaber selbst am meisten zur moralischen Degeneration des Volkes beigetragen hatten, und zwar durch ihr Beispiel eines demoralisierten Lebens. Und ferner stellte die Mystikerin die Frage: „Warum hat unser Episkopat diese Dinge derartig toleriert? Warum haben unsere Bischöfe und Priester geschwiegen? Es hat sich nicht ein einziger Piotr Skarga (ein polnischer Jesuit und die führende Gestalt der Gegenreformation in Polen) gefunden, der dem Präsidenten der Republik und überhaupt der ganzen Regierung Polens einmal ihre Vergehen aufgezeigt hätte, denn dort waren fast alle – vom ersten bis zum letzten – so, bis zum letzten Augenblick. Der Herr Jesus hat sich mit größerem Ekel von der ehemaligen polnischen Regierung abgewandt als von Herodes, denn dort wurden schreckliche, entsetzliche Sünden der Unkeuschheit begangen. Warschau ist eine schlimmere Stadt als Sodom.“

Hier ist die Rettung

Solange der Mensch auf Erden lebt, hat er immer die Chance, zu Gott zurückzukehren, der alle Sünden vergibt und von der schrecklichen Sklaverei des Satans befreit. Der Herr Jesus ruft uns auf vielfältige Weise zur Bekehrung auf, zur Zurückweisung und Verabscheuung der Sünde und zur Annahme des Geschenks Seiner unendlichen Barmherzigkeit. Einen außerordentlich starken Aufruf zur Bekehrung richtet der Herr Jesus durch die Dienerin Gottes Rozalia Celakowna an uns.

Am 4. Juli 1938 hatte sie während des Gebets eine mystische Vision. Sie sah sich auf einem hohen Berg, und von dort sah sie einen großen Erdball, auf dem sie Teile der Welt sowie verschiedene Staaten erkannte. Eine geheimnisvolle Gestalt begann mit großer Besorgnis zu Rozalia zu sprechen: „Mein Kind, für die Sünden und Verbrechen (hier folgte die Erwähnung von Morden und sittenloser Ausschweifung), die von der Menschheit auf der ganzen Welt begangen werden, wird der Herrgott schreckliche Strafen schicken. Die Gerechtigkeit kann diese Vergehen nicht länger ertragen. Es werden nur jene Staaten bestehen bleiben, in denen Christus König sein wird. Wenn ihr die Welt retten wollt, muss die Inthronisierung des Allerheiligsten Herzens Jesu in allen Staaten und Völkern auf der ganzen Welt durchgeführt werden. Hier und nur hier ist die Rettung. Diejenigen Staaten und Völker, die sie nicht annehmen und sich nicht der Herrschaft der süßen Liebe Jesu unterwerfen, werden unwiderruflich von der Erdoberfläche verschwinden und nie wieder auferstehen! Denk daran, mein Kind, dass eine derart wichtige Angelegenheit nicht übersehen wird und nicht in Vergessenheit gerät. Man muss alles tun, dass diese Inthronisation durchgeführt wird. Dies ist die letzte Anstrengung der Liebe Jesu für diese letzten Zeiten! Polen wird nicht untergehen, wenn es Christus im vollen Wortsinn als seinen König annimmt, wenn es sich unter das Gesetz Gottes fügt, unter das Gesetz Seiner Liebe. Anders, mein Kind, wird es nicht bestehen bleiben. … Es werden nur jene Staaten nicht untergehen, die dem Herzen Jesu durch diese Inthronisation hingegeben sein werden, die Ihn als ihren König und Herrn anerkennen werden. Staaten, die der Herrschaft Christi und Seinem Göttlichen Herzen untergeben sein werden, werden den Gipfel der Macht erreichen, und es wird nur noch eine Herde und ein Hirte sein. Eine schreckliche Katastrophe wird über die Welt kommen … ein Krieg, der das Werk der Zerstörung vollenden soll.“

Während einer ihrer mystischen Visionen sah Rozalia die Zerstörung Deutschlands und anderer Staaten Europas. Nachdem sie die hl. Kommunion empfangen hatte, fragte sie den Herrn Jesus, was dies zu bedeuten habe. Sie erhielt die Antwort: „So, mein Kind, wird es geschehen, wenn sich die Menschheit nicht Gott zuwendet. Man darf die Sache der schnellstmöglichen Inthronisierung in Polen nicht vernachlässigen.“

Die Inthronisation von Christus König

Am 15. März 1939 hörte Rozalia während des Gebets im Innern ihrer Seele eine Stimme: „Groß und schrecklich sind die Sünden Polens. Gottes Gerechtigkeit will dieses Volk für seine Sünden bestrafen, insbesondere für die Sünden der Unkeuschheit, für Morde und Hass. Doch es gibt eine Rettung für Polen: Wenn es Mich durch die Inthronisation vollkommen als seinen König und Herrn anerkannt, nicht nur in einzelnen Teilen des Landes, sondern im ganzen Staat mit der Regierung an erster Stelle. Diese Anerkennung soll durch die Abwendung von der Sünde und durch eine vollkommene Hinwendung zu Gott bestätigt werden. (…) Allein der Akt der Weihe Polens an Mein Herz durch die Inthronisation wird segensreichen Nutzen bringen, denn dadurch werden sich sehr viele Seelen zu Gott dem Herrn bekehren, indem sie sich Seinem Gesetz unterwerfen.“ Die Inthronisation, also die vollkommene Unterwerfung aller Lebensbereiche unter die Herrschaft Christi, ist nicht nur eine äußere Formel, sondern im Innern der Seele auch Ausdruck einer wirklichen Unterordnung unter die Forderungen, die die Liebe Christi stellt.

Rozalia schrieb, der Herr Jesus wünsche, dass Polen durch sein Beispiel alle Staaten der Erde zu diesem Akt der Inthronisation ermutige, besonders Russland, Mexiko, Spanien und Deutschland, aber auch die Vereinigten Staaten und Australien. „Dies wage ich mit Entschiedenheit zu behaupten“, schrieb Rozalia, „dass Polen eine starke Macht sein wird, die stärkste nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt, wenn es dem Aufruf des Herrn Jesus folgt; und wenn nicht, dann wird es untergehen. Dies sind nicht meine eigenen Gedanken und Worte. Das, was mir der Herrgott am 4. Juli 1938 gezeigt hat, wird mit Sicherheit eintreten.“

Jubiläumsakt am 19. November 2016

Die Inthronisation von Christus König, also der Jubiläumsakt der Annahme Jesu als König und Herrn durch die Menschen in Polen, hat am 19. November 2016 im Sanktuarium der Göttlichen Barmherzigkeit in Gegenwart des polnischen Episkopats und des Präsidenten der Republik Polen stattgefunden.

Dieser bedeutsame Akt verpflichtet jeden, sich täglich Christus als Sein ausschließliches Eigentum zu übergeben, damit Er in jedem der Herr und König sei. Praktisch bedeutet dies ein Leben in der heiligmachenden Gnade und das sofortige Aufstehen aus jeder Todsünde im Sakrament der Buße. Wenn jemand die Barmherzigkeit Gottes ablehnt, nicht zur Beichte gehen will und im Stand der Todsünde verharrt, dann begibt er sich freiwillig in die Sklaverei des Satans und gehört seinem Königreich des Hasses und des Todes an.

Kurz vor ihrem Tod schrieb Rozalia mit großer Trauer: „In meiner Seele empfinde ich einen ungeheuren Schmerz, wenn ich die gewaltige Blindheit und die Verwilderung der Sitten sehr vieler Menschen sehe, insbesondere in den Kreisen der Intelligenz.“ Sie lebten nämlich, als ob Gott nicht existieren würde. „Das sind Menschen, die wie Tiere leben, das sind Freigeister, für die Jesus keinerlei Bedeutung hat. (Sie meinen – Anm. d. Red.) Religion ist etwas von sehr niedrigem kulturellem Niveau, es ist nichts für diese Gelehrten, sondern für die ungebildete Masse des Pöbels. Diese wahnsinnig stolzen Geister, diese unzähligen Dummköpfe, die trotz ihrer Universitätsbildung dem Abgrund des Verderbens entgegenhetzen und, wenn sie sich nicht demütigen und Jesus Christus als das Ziel ihres Lebens annehmen, in den Abgrund stürzen werden, der sie für immer und ewig verschlingen wird. Der Stolz ist schrecklich, denn er verblendet den Menschen und macht ihn zum Götzendiener“ (30. Januar 1943).

Die Erfüllung der Sendung (1939-44)

Rozalia erhielt immer nachdrücklichere Aufforderungen, den Inthronisationsakt durchführen zu lassen. Für diese Sache wollte sie alles durchleiden und war bereit, so schrieb sie: „in größter Verlassenheit zu sterben, so wie unser Jesus am Kreuz“. Ihr größter Wunsch war es, dass in Polen die Inthronisation durchgeführt würde und andere Völker diesem Beispiel folgen würden.

In der schrecklichen Zeit der Besatzung Polens, als in jedem Augenblick die Festnahme, die Verschickung ins Konzentrationslager und der Tod drohten, schrieb Rozalia: „Trotz allem bin ich sehr ruhig… Wenn wir wüssten, wie sehr der Herr Jesus uns liebt, würden wir in keinem Augenblick Furcht und Angst in unseren Seelen zulassen.“ Rozalia sorgte sich vor allem darum, so viele Menschen wie nur möglich vor der ewigen Verdammnis zu retten.

Zu Beginn des Kriegs wurde sie in einer Ambulanz angestellt, in der deutsche Ärzte arbeiteten. Von einem Übermaß an Pflichten niedergedrückt, war Rozalia auch noch gezwungen, die deutsche Sprache zu erlernen. Sie litt sehr darunter, dass die Menschen sich trotz des tobenden Krieges nicht bekehrten und Gott weiterhin durch schwere Sünden beleidigten. Oft weinte sie über das Schicksal und die Sünden ihres Volkes. Ihr reines Herz sowie die Tiefgründigkeit ihrer Beobachtungsgabe ermöglichten ihr, das Übermaß an moralischer Verkommenheit der Gesellschaft zu sehen. Im Oktober 1939 schrieb sie: „Eine solche Entwürdigung und dermaßen viele Sünden hat es in unserem polnischen Volk noch nie gegeben, wie es sie in letzter Zeit gibt.“

In ihren Gebeten flehte Rozalia Gott unaufhörlich um Barmherzigkeit für die Sünder an. Im Geiste der Sühne für die Sünden jener Menschen nahm sie mit Liebe alle Leiden und Demütigungen an. Jesus der Herr überflutete als Antwort darauf ihre Seele mit der unbeschreiblichen Freude Seiner Gegenwart und Liebe. Zu Beginn des Jahres 1941 verschlechterte sich Rozalias Gesundheitszustand rapide, aber sie gab ihre Arbeit im Krankenhaus nicht auf. Bis zum Ende verzehrte sie sich im Dienst für Gott und die Menschen. 

Durch ihre Arbeit, ihr Gebet und ihr Leiden tat Rozalia alles, um den Tag der Inthronisation näherzubringen, den Tag, an dem die Völker der Regentschaft Christi des Königs übergeben werden sollten. Damit erfüllte sie die Bitte Jesu: „Ich will in den Herzen der Menschen ungeteilt herrschen; bitte um ein schnelleres Kommen Meiner Herrschaft in den Seelen durch die Inthronisation.“

Vier Jahre vor ihrem Tod schrieb Rozalia an ihren Beichtvater: „Mein Leben geht seinem Abend entgegen. Ich mag den Sonnenuntergang so sehr: Dann versinkt meine Seele in Gott, in dieser Sonne der Gerechtigkeit und ich denke an den Herrn, wie ich Ihn lieben soll und wie Ihm gefallen, damit mein Leben einmal so endet, wie der Tag endet, aber wie ein heller und sonniger Tag.“

Anfang September 1944 fühlte sie sich sehr schwach. Eine Bekannte Rozalias, die an Grippe erkrankt war, bat sie, ihr Schröpfköpfe aufzusetzen. Während dieses Besuchs erkältete sich Rozalia heftig und musste sich ins Bett legen. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich von Tag zu Tag, und so wurde sie am 11. September ins Krankenhaus gebracht. Die Kranke betete die ganze Zeit über den Rosenkranz. Sie empfing die Sterbesakramente und das Sakrament der Krankensalbung. Rozalia Celakowna starb im Schlaf in der Nacht vom 12. auf den 13. September 1944. Sie wurde auf dem Rakowicki-Friedhof in Krakau bestattet. Trotz des Krieges nahm ein großer Kreis von Priestern, Ordensschwestern, Verwandten und Bekannten an dem Begräbnis teil. Nach ihrem Tod berührten ihre Einfachheit, Herzensgüte und selbstlose Liebe die Gewissen und Herzen vieler Menschen, die sie gekannt hatten. Schnell verbreitete sich die Nachricht, dass Gott den Menschen auf ihre Fürsprache hin außerordentliche Gnaden erweist, wenn sie darum bitten. Ihr Seligsprechungsprozess ist bereits im Gange.

Rozalia sagte, dass Heiligkeit Liebe ist. Bitten wir Jesus mit ihren Worten um diese größte Gabe: „Herr Jesus, gib mir Liebe, eine Liebe, die Dich für die ganze Welt zu lieben vermag, lieben bis zur Torheit, so wie Du hier auf Erden noch nie geliebt wurdest. Denn Du, Jesus, kannst mein kleines Herz unendlich weit machen. Du bist allmächtig, und so wirst Du dieses Wunder tun.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Rückblick auf die Vergebungsbitte der Kirche im Jubiläumsjahr 2000

„Die Reinigung des Gedächtnisses“

Prof. Dr. Anton Štrukelj hält die Vergebungsbitte, die der hl. Papst Johannes Paul II. im Jubiläumsjahr 2000 öffentlich ausgesprochen hat, für ein wichtiges Ereignis. Er sieht in ihm einen Schlüssel für das richtige Verständnis der Kirche überhaupt. Über Jahre hinweg hatte der Papst diesen Schritt vorbereitet und ihn wiederholt als „Reinigung des Gedächtnisses“ bezeichnet. Er war überzeugt, dass die Kirche durch dieses Eingeständnis ihres Versagens in der Vergangenheit nichts einbüßt, sondern vor der Welt an Glaubwürdigkeit nur gewinnen und dadurch umso fruchtbarer wirken kann. Prof. Strukelj, der selbst an der Entstehung des Dokuments „Erinnern und Versöhnen“ beteiligt war, stellt den bleibenden Sinn des Ereignisses heraus, indem er die entscheidenden Aussagen zur liturgischen Vergebungsbitte im Jahr 2000 in Erinnerung ruft und auf anschauliche Weise zusammenstellt.

Von Anton Štrukelj

Ein Höhepunkt des Heiligen Jahres 2000 war die Bußliturgie am 12. März, dem ersten Fastensonntag, in Sankt Peter in Rom. Der inzwischen heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. bat öffentlich um die Vergebung der Schuld der Kirche in der Vergangenheit. Die liturgische Bitte war gut bedacht und sorgfältig vorbereitet worden. Einerseits war sie etwas Neues, gleichsam eine prophetische Geste, andererseits befand sie sich in einer tiefen Kontinuität mit der Geschichte der Kirche.

Bereits in seinem Apostolischen Schreiben „Tertio millennio adveniente“ vom 10. November 1994 hatte Johannes Paul II. den Wunsch geäußert, das Jubiläumsjahr sollte nicht nur ein besonderer Anlass zur individuellen Buße sein, sondern müsse auch zur „Reinigung des Gedächtnisses“ der ganzen Kirche beitragen. Sie sollte sich auf die Schuld der Vergangenheit besinnen, die auf der Geschichte der Kirche lasste. Der Papst betonte: „Das Eingestehen des Versagens von gestern ist ein Akt der Aufrichtigkeit und des Mutes."[1] Darin zeige sich die Vitalität der Kirche, die den einzelnen und der Gesellschaft ein Beispiel der Reue und Umkehr bieten könne.

Papst Benedikt XVI. sagte es unumwunden: „Dieser Akt der Reinigung des Gedächtnisses, der Selbstreinigung, des Sich-Öffnens für die Gnade des Herrn, die anspornt, Gutes zu tun, dient auch dazu, uns vor den Augen der Welt glaubwürdig zu machen."[2]

Vom Sinn einer Vergebungsbitte der Kirche

In der Ankündigungsbulle des Heiligen Jahres 2000 „Incarnationis mysterium“ (29. November 1998) hob Johannes Paul II. hervor, die „Reinigung des Gedächtnisses“ gehöre zu den Zeichen, „die in angemessener Weise dazu dienen können, die außerordentliche Gnade des Jubiläums intensiver zu erleben“. Die „Reinigung des Gedächtnisses“ fordere „von allen einen mutigen Akt der Demut, nämlich die Verfehlungen zuzugeben, die von denen begangen wurden, die den Namen Christen trugen und tragen“.[3]

In seiner Homilie am 12. März 2000 erklärte Papst Johannes Paul II.:

„Vor Christus, der aus Liebe die Schuld unserer bösen Taten auf sich geladen hat, sind wir alle zu einer gründlichen Gewissenserforschung eingeladen. Ein charakteristisches Element des Großen Jubiläums besteht in dem, was ich als ,Reinigung des Gedächtnisses‘ (Incarnationis mysterium, 11) bezeichnet habe. Als Nachfolger Petri habe ich gefordert, dass ,die Kirche, gestärkt durch die Heiligkeit, die sie von ihrem Herrn empfängt, in diesem Jahr der Barmherzigkeit vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht‘ (ebd.). Der heutige Erste Fastensonntag schien mir die geeignete Gelegenheit dafür zu sein, dass die Kirche, geistig um den Nachfolger Petri versammelt, das göttliche Vergeben für die Verfehlungen aller Gläubigen erfleht: Wir vergeben und bitten um Vergebung!

Dieser Aufruf hat in der kirchlichen Gemeinschaft eine tiefe und fruchtbringende Reflexion ausgelöst, die in den vergangenen Tagen zur Veröffentlichung eines Dokuments der Internationalen Theologenkommission geführt hat mit dem Titel ‚Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit‘. Ich danke allen, die an der Ausarbeitung dieses Textes mitgewirkt haben. Er ist für das richtige Verständnis und das Umsetzen der echten Vergebungsbitte sehr nützlich. Diese beruht auf der objektiven Verantwortung, die die Christen als Glieder des mystischen Leibes miteinander tragen und die die Gläubigen von heute dazu drängt, zusammen mit den eigenen Verfehlungen die der Christen von gestern im Licht einer sorgfältigen historischen und theologischen Klärung anzuerkennen. Denn ,wegen jenes Bandes, das uns im mystischen Leib miteinander vereint, tragen wir alle die Last der Irrtümer und der Schuld derer, die uns vorausgegangen sind, auch wenn wir keine persönliche Verantwortung dafür haben, und nicht den Richterspruch Gottes, der allein die Herzen kennt, ersetzen wollen‘ (IM, 11). Die Verirrungen der Vergangenheit anzuerkennen, dient dazu, unser Gewissen wachzurütteln angesichts der Kompromisse der Gegenwart und jedem den Weg der Versöhnung zu erschließen. Wir vergeben und bitten um Vergebung!"[4]

An dieser Stelle kann man sich mit Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. fragen: „Was ist das eigentlich, Vergebung? Was geschieht da? Schuld ist eine Wirklichkeit, eine objektive Macht, sie hat Zerstörung angerichtet, die überwundern werden muss. Deshalb muss Vergebung mehr sein als Ignorieren, als bloßes Vergessenwollen. Deshalb muss aufgearbeitet, geheilt und so überwunden werden. Vergebung kostet etwas – zuerst den, der vergibt: Er muss in sich das ihm geschehene Böse überwinden, es inwendig gleichsam verbrennen und darin sich selbst erneuern, so dass er dann auch den anderen, den Schuldigen, in diesen Prozess der Verwandlung, der inneren Reinigungen hineinnimmt und sie beide durch das Durchleiden und Überwinden des Bösen neu werden."[5]

Die Kirche wendet sich in ihrer Bitte um Vergebung zuallererst an Gott. Sie bekennt und preist seine herrliche Gnade und Barmherzigkeit. „Ihre Vergebungsbitte ist kein Trick, der sich mit Demut tarnt. Die Vergebungsbitte ist auch keine Absage an ihre zweitausendjährige Geschichte, die so reich ist in allen Bereichen der Caritas, der Kultur und der Heiligkeit. Die Kirche antwortet jedoch auf eine unwidersprechliche Herausforderung der Wahrheit, dass es neben all den positiven Aspekten auch die menschlichen Grenzen und Schwächen gegeben hat, die in vielen Generationen der Jünger Christi zu verzeichnen sind."[6]

„Durch die Sünden befleckt, doch schön“

Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., betrachtete als damaliger Präfekt der Glaubenskongregation die Initiative des Papstes als eine wichtige Herausforderung an die Theologie. Das Neue an den Gedanken des Papstes und an der von ihm geplanten Bußliturgie der Kirche stelle die Theologen vor die Aufgabe, die theologische Bedeutung eines solchen Schrittes zu bedenken. Die Internationale Theologische Kommission unter ihrem Präsidenten Joseph Kardinal Ratzinger hatte den Auftrag erhalten, mit einer wissenschaftlichen Studie diesen Akt der Vergebungsbitte vorzubereiten und in seinem tieferen Sinn zu erläutern. Das Dokument „Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit"[7] wurde vom Kardinalpräfekten Joseph Ratzinger am 7. März 2000 im Presseamt des Heiligen Stuhls vorgestellt.[8] Kardinal Georges Cottier OP gab als Sekretär der Theologenkommission eine nähere Erläuterung zum Text ab.[9]

Nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils ist „die Kirche in Christus gleichsam Sakrament, d.h. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium, 1).

Zum einen hebt Hans Urs von Balthasar hervor: „Alle Christen sind Sünder, und wenn die Kirche nicht als Kirche sündigt, so sündigt sie in allen ihren Gliedern und muss durch den Mund all ihrer Glieder ihre Schuld bekennen."[10]

Zum anderen ist die Kirche heilig, weil sie das Heilsinstrument des Heiligen Geistes ist. Deshalb ist sie unzerstörbar im Bekenntnis der Heilstaten Gottes, in ihrem Glauben, in ihrer Lehre und in den Sakramenten, die Christus ihr eingestiftet hat. Weder innerer Zerfall noch Feindschaft von außen werden sie jemals überwinden (Mt 16,18).

In diesem Zusammenhang analysierte Joseph Kardinal Ratzinger das Phänomen der Feindseligkeit gegen die Kirche: „Der Protestantismus wollte zeigen, dass die katholische Kirche nicht nur von Sünden befleckt ist, wie sie immer wusste und sagte, sondern dass sie vollständig korrupt und zerstört und nicht mehr die Kirche Christi, sondern im Gegenteil ein Instrument des Antichristen geworden sei … Die Lage erschwerte sich weiter im Zuge der Aufklärung: Denken wir etwa an Voltaire: ,Écrasez l'Infâme!‘ Die Anklagen wachsen schließlich bis hin zu Nietzsche, wo die Kirche nicht mehr als Verfehlung des Willens Christi, sondern als das große Übel der Menschheit überhaupt erscheint, als die Entfremdung des Menschen von sich selbst, von der er endlich befreit werden müsse, um wieder er selber zu werden. Das gleiche Motiv sehen wir in anderer Durchführung im Marxismus … Seit der Aufklärung sind manche betrüblichen Realitäten der Geschichte zu wahren Mythen hochgesteigert worden: Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennung sind weit über die geschichtliche Tatsache hinaus zu mythischen Schreckbildern geworden, die das Nein zur Kirche nicht nur rechtfertigen, sondern erfordern."[11]

In dieser bedrängten Situation bekennt die Kirche mit großem Freimut ihre eigene Schwäche, bittet um Vergebung und zeigt den Weg zur Versöhnung auf. Darin besteht ihr prophetisches Charisma. Mit ihrem Beispiel öffnet die katholische Kirche auch der zivilen Gesellschaft die Augen für den Ausweg aus manchen noch tieferen Krisen. Die Vergebungsbitte ist zudem ein wichtiges Zeichen für die Neuevangelisierung, die immer zur Versöhnung mit Gott und unter den Menschen hinführen muss.

Papst Benedikt XVI. erläuterte das „Confiteor“, das jeden Tag in die Feier der Liturgie einführt: „Der Priester, der Papst, die Laien, alle bekennen mit ihrem Ich – jeder einzeln und alle gemeinsam vor Gott und in der Gegenwart der Brüder und Schwestern –, dass sie gesündigt, Schuld, ja sogar übergroße Schuld auf sich geladen haben. Mir scheinen zwei Aspekte dieses Beginns der heiligen Liturgie wichtig. Einerseits spricht man in der Ichform: ,Ich‘ habe gesündigt; ich bekenne nicht die Schuld der anderen, ich bekenne nicht anonyme Sünden eines Kollektivs, ich bekenne mit meinem ,Ich‘. Aber gleichzeitig sind es alle Beter, die mit ihrem ,Ich‘ sagen: ,Ich habe gesündigt‘. So kommt in dieser Gemeinschaft des Bekennens jenes Bild der Kirche zum Ausdruck, das vom II. Vatikanischen Konzil in Lumen gentium 8 formuliert wurde: ,Ecclesia … sancta simul et semper purificanda, poenitentiam et renovationem continuo prosequitur‘ – Kirche ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und der Erneuerung. Dieses vom II. Vaticanum formulierte und täglich in der Liturgie konkret vollzogene Bild der Kirche spiegelt einerseits die Gleichnisse des Evangeliums vom Unkraut unter dem Weizen, vom Fischnetz, das alle Arten von Fischen fängt, gute und schlechte, wider. Die Kirche hat in allen Generationen diese Gleichnisse als einen vom Herrn vorweggenommenen Ausdruck ihrer eigenen Erfahrungen erkannt. … Die Kirche Jesu Christi kann sich nicht von den Sündern absondern; sie muss es annehmen, dass in ihrem Netz alle Arten von Fischen sind und dass auf ihrem Acker mit dem Weizen im-mer auch das Unkraut wächst."[12]

Confessio fidei – confessio peccati – confessio laudis

Immer wieder bekennt die Kirche in einer selbstkritischen Haltung ihre eigene Schuld, „mea culpa“. Doch trotzt der nicht zu leugnenden und mehr als offensichtlichen Sünden bleibt sie die heilige Kirche. Mit der Vergebungsbitte und dem Dokument der Theologenkommission verurteilt die Kirche von heute nicht die Kirche der Vergangenheit. Sie bekennt vielmehr die Wurzeln der eigenen Verfehlungen in der Vergangenheit. Die Kirche ist sich sehr wohl bewusst, dass es in ihr Sünde gibt. Sie hat immer gegen die Vorstellung einer Kirche gekämpft, in der nur für Heilige Platz ist. „Die Sünde zu bekennen, ist ein Akt der Aufrichtigkeit, durch den wir den Menschen verständlich machen können, dass der Herr stärker ist als unsere Sünden. Mir kommt eine Anekdote in den Sinn, die man von Kardinal Consalvi, dem Staatsekretär von Pius VII., erzählt. Als man ihm sagte: ,Napoleon will die Kirche zerstören‘, gab er zur Antwort: ,Das wird er nicht schaffen, es ist ja nicht einmal uns gelungen.‘"[13]

Joseph Kardinal Ratzinger nennt drei Kriterien für ein richtiges Verständnis der Vergebungsbitte:

Erstens: Die Kirche der Gegenwart kann nicht als Tribunal auftreten, das über vergangene Generationen urteilt.

Zweitens: Bekennen bedeutet nach Augustinus „die Wahrheit tun“.[14]

Drittens: „Gemäß Augustinus müssen wir sagen, dass eine christliche ,Confessio peccati‘ immer mit einer ,Confessio laudis‘ Hand in Hand gehen muss. Bei einer aufrichtigen Gewissensprüfung sehen wir, dass wir unsererseits viel Böses in allen Generationen getan haben. Aber wir sehen auch, dass Gott trotz unserer Sünden die Kirche stets reinigt und erneuert und große Dinge zerbrechlichen Gefäßen anvertraut. Und wer könnte verkennen, wie viel Gutes zum Beispiel in den beiden letzten Jahrhunderten, die durch die Grausamkeit der Atheismen verwüstet wurden, von neuen religiösen Kongregationen, von Laienbewegungen, im Bildungsbereich, im Sozialbereich, im Einsatz für die Schwachen, Kranken, Leidenden und Armen geleistet wurde? Es wäre ein Mangel an Aufrichtigkeit, nur unser Böses zu sehen und nicht das Gute, das Gott durch die Gläubigen – trotzt ihrer Sünden – gewirkt hat. Die Kirchenväter haben dieses Paradox von Schuld und Gnade in den Worten der Braut des Hohenlieds zusammengefasst gefunden: ,Nigra sum sed formosa‘ (Hld 1,5). ,Ich bin durch die Sünden befleckt, doch schön‘ – schön durch deine Gnade und durch das, was Du getan hast. Die Kirche kann offen und vertrauensvoll die Sünden der Vergangenheit und der Gegenwart bekennen in dem Wissen, dass das Böse sie niemals vollständig zerstören wird; in dem Wissen, dass der Herr stärker ist als unsere Sünden und seine Kirche immer wieder erneuert, damit sie das Werkzeug der guten Werke Gottes in unserer Welt bleibt."[15]

Leider kann die Erinnerung an die Ärgernisse der Vergangenheit das Zeugnis der Kirche in der Gegenwart behindern. Umgekehrt aber kann das Eingeständnis des Versagens der Söhne und Töchter der Kirche von gestern die Erneuerung und Versöhnung im Heute begünstigen. Darum bekennt die ganze Kirche mit dem Bekenntnis der Sünden ihrer Glieder immer auch ihren Glauben an Gott und seine unendliche Güte und Vergebungsbereitschaft. Gleichzeitig mahnen die Kirchenväter wie z.B. der hl. Ambrosius: „Hüten wir uns also, dass nicht unser Fall zu einer Wunde der Kirche werde. Caveamus igitur, ne lapsus noster vulnus Ecclesiae fiat."[16]

Die Vergebungsbitte der Kirche ist ein heilsamer und prophetischer Schritt. Der hl. Augustinus sagt: „Auch die Heiligen sind nicht von den täglichen Sünden frei. Die Kirche als ganze sagt: Vergib uns unsere Sünden! Sie besitzt also Makeln und Runzeln. Aber durch das Bekenntnis wird die Runzel geglättet, durch das Bekenntnis die Makel abgewaschen. Die Kirche steht im Gebet, um durch das Bekenntnis gereinigt zu werden, und solange Menschen auf Erden leben, steht sie so im Bekenntnis und im Gebet."[17]

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Johannes Paul II.: Tertio millennio adveniente, Art. 33.
[2] Joseph Ratzinger: „Nur die Wirklichkeit der Vergebung macht das Bekenntnis der Sünden möglich“, in: Joseph Ratzinger: Kirche – Zeichen unter den Völkern, Gesammelte Schriften 8/1, Herder, Freiburg 2010, 504f.
[3] Johannes Paul II.: Incarnationis mysterium, Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000, Art. 11.
[4] Predigt von Johannes Paul II. am Tag der Vergebung im Heiligen Jahr 2000, am 12. März 2000 in Sankt Peter in Rom.
[5] Joseph Ratzinger: Jesus von Nazareth, Gesammelte Schriften 6/1, Herder, Freiburg 2013, 262.
[6] Johannes Paul II.: Ansprache vom 1. September 1999, in: L'Osservatore Romano, 2. Sept. 1999, 4.
[7] Internationale Theologische Kommission: Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit. Ins Deutsche übertragen und hrsg. von Gerhard Ludwig Müller, Johannes Verlag Einsiedeln, Freiburg 22000. Im Original: Commissione Teologica Internazionale: Memoria e riconciliazione. La Chiesa e le colpe del passato, in: Commissione Teologica Internazionale, Documenti 1969-2004, Edizioni Studio Domenicano, Bologna 2004, 598-650.
 [8]Joseph Ratzinger: Die Schuld der Kirche. Vorstellung des Dokuments Erinnern und Versöhnen der Internationalen Theologischen Kommission, in: Joseph Ratzinger: Kirche – Zeichen unter den Völkern, Gesammelte Schriften 8/1, Herder, Freiburg 2010, 495-502.
[9] Georges Cottier OP: Memoria e pentimento. Il rapporto fra Chiesa santa e cristiani peccatori, la purificazione della memoria, l'importanza della richiesta di perdono per l'ecumenismo, 2000.
[10] Hans Urs von Balthasar: Casta Meretrix, in: Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, Johannes Verlag Einsiedeln 31960, 203-305, hier 257.
[11] Joseph Ratzinger: Die Schuld der Kirche (vgl. Anm. 8), 500.
[12] Ebd., 497.
[13] Joseph Ratzinger: „Nur die Wirklichkeit der Vergebung macht das Bekenntnis der Sünden möglich“ (vgl. Anm. 2), 504.
[14] Vgl. dazu Joseph Ratzinger: Originalität und Überlieferung in Augustins Begriff der confessio, in: REAug 3 (1957) 375-392, bes. 385. Vgl. Joseph Ratzinger: Die Schuld der Kirche (vgl. Anm. 8), 502.
[15] Ebd., 502.
[16] Ambrosius: De virginitate, 8,48 (PL 16,278D). Vgl. Hans Urs von Balthasar: Casta Meretrix (vgl. Anm. 10), 258f.
[17] Augustinus: Sermo 181,5,7 (PL 38,982). Vgl. Hans Urs von Balthasar: Casta Meretrix (vgl. Anm. 10), 300. 

Zum Umgang mit passiver und aktiver Sterbehilfe

Dem Leben dienen

Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Evangelium Vitae (25. März 1995) von einer sich ausbreitenden „Kultur des Todes“ gesprochen. Seine Worte haben sich als prophetisch erwiesen. Wir werden heute von einer gesellschaftspolitischen Entwicklung überrollt, auf die das Christliche immer weniger Einfluss hat. Beispiel für einen Dammbruch in Deutschland ist das einschneidende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 2. März 2017: Assistierter Suizid wird im „Ausnahmefall“ erlaubt, wobei die Ausnahmefälle nicht umgrenzt werden. Ralph Weimann (geb. 1976), promoviert in Theologie und Bioethik, rät in diesem Zusammenhang zu einer Weitung der Perspektive, zu welcher der Glaube Wesentliches beiträgt. Die ganze Debatte um Euthanasie und Sterbehilfe kann nur dann zielführend sein, wenn klar ist, wer der Mensch ist und worin seine Würde besteht. Nachfolgend ein Auszug aus seinem Vortrag zum Thema: „Der Beichtvater und die Herausforderungen von Euthanasie und Sterbehilfe“.

Von Ralph Weimann

In einer „Erklärung zur Euthanasie“ vom 5. Mai 1980 definierte die Glaubenskongregation Euthanasie folgendermaßen: „Unter Euthanasie wird hier eine Handlung oder Unterlassung verstanden, die ihrer Natur nach oder aus bewusster Absicht den Tod herbeiführt, um so jeden Schmerz zu beenden. Euthanasie wird also auf der Ebene der Intention wie auch der angewandten Methoden betrachtet."[1] Es wird hinzugefügt, dass dies für den Menschen in jedem Stadium gilt, für den Embryo, den Fetus, das Kind wie den Greis. Feststeht, dass es zwischen den unterschiedlichen Formen der Sterbehilfe teils beachtliche Unterschiede gibt: grundsätzlich lässt sich zwischen vier Formen von Sterbehilfe unterscheiden: passive Sterbehilfe, aktive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und assistierter Suizid. Im Folgenden werden nur die ersten beiden Formen Erwähnung finden.[2]

Passive Sterbehilfe

Unter passiver Sterbehilfe versteht man den Verzicht „auf eine medizinische Maßnahme, deren Reduktion oder Abbruch bei einem schwerkranken Patienten."[3] Sie wird von 72% der Deutschen befürwortet, lässt sich aber juristisch schwer fassen, zumal die Maßnahmen des Therapieabbruchs sehr unterschiedlich sein können. Ein Beispiel kann helfen, das Gesagte zu verdeutlichen:

Piergiorgio Welby litt seit seinem 18. Lebensjahr an einer fortschreitenden Muskelschwäche. Am 20. Dezember 2006 wurde das Beatmungsgerät abgestellt, auf das er in den letzten zehn Jahren seines Lebens angewiesen war. „Im September 2006 hatte sich der Patient mit seinem Wunsch nach Sterbehilfe an ein Zivilgericht in Rom und mit einem offenen Brief an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano gewandt. Am 16. Dezember lehnte das zuständige Gericht in Rom den Antrag auf passive Sterbehilfe ab. Er starb vier Tage später mit Hilfe seines Arztes Mario Ricci. Der Anästhesist wurde daraufhin wegen Mordes angeklagt, ein Gericht wies den Fall jedoch ab."[4] Die katholische Kirche hat Welby die Beerdigung verweigert. Die Art seines Sterbens widerspreche der katholischen Lehre.[5] Am 14. Dezember 2017 hat sich die Gesetzeslage auch in Italien geändert, nun ist die passive Sterbehilfe dort grundsätzlich möglich.[6]

Die Glaubenskongregation verfasste 2007 einen Kommentar, um Orientierung im Hinblick auf den richtigen Umgang mit lebensverlängernden Maßnahmen zu bieten. Darin wird u.a. auf Menschen im „vegetativen Stadium“ eingegangen, denen ein gewöhnliches und verhältnismäßiges Mittel der Lebenserhaltung zu gewähren sei. Doch worin besteht dies? Das Dokument legt zwei Grundhaltungen nahe, immer gemäß dem Grundsatz Ad impossibilia nemo tenetur (Niemand ist zum Unmöglichen verpflichtet):

Zunächst gilt, dass eine lebenserhaltende Maßnahme durchführbar sein muss: „die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen erfolgt, [ist] immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und nicht eine therapeutische Behandlung […]. Ihre Anwendung ist deshalb als gewöhnlich und verhältnismäßig zu betrachten, auch wenn der ‚vegetative Zustand‘ andauert."[7]

Auf der anderen Seite braucht das Leben nicht um jeden Preis verlängert zu werden, dennoch darf die Unterlassung nicht „hinreichender Grund“ für den Tod sein. Atmung und Nahrungsaufnahme sind zu gewährleisten, wohingegen der Abbruch der Ernährung mittels einer Magensonde legitim sein kann, ebenso wie der Abbruch einer weiteren Dialysebehandlung, der Reanimation, antibioethischer Behandlungen oder kreislaufunterstützender Maßnahmen.

Dabei gelten folgende Kriterien:

• Das Leben muss nicht um jeden Preis erhalten werden, der Sterbeprozess ist nicht künstlich aufzuhalten oder zu verlängern.

• Passive Sterbehilfe beginnt, wenn der Arzt das Sterben akzeptiert und es nicht mehr verhindert.

• Es gilt demnach genau hinzuschauen, worin die Intention des Arztes besteht, wenn er passive Sterbehilfe vornimmt.

• Die Absicht der Unterlassung darf nicht der Tod per se sein, sondern, den Sterbeprozess nicht aufzuhalten.

• Der Tod des Patienten ist im Bereich des Möglichen, er kann auch erwartet werden, er wird aber nicht beabsichtigt, sondern lediglich zugelassen.

Wie diese Kriterien zeigen, kommt es maßgeblich darauf an, wie passive Sterbehilfe definiert wird. Die katholische Kirche hebt hervor, dass der Therapieabbruch nicht der hinreichende Grund sein darf, der zum Tod führt, wie im Fall von Welby.

Das Lehramt der Kirche hat sich dazu deutlich geäußert, so z.B. die Glaubenskongregation in ihrer Erklärung zur Euthanasie vom 5. Mai 1980 im Hinblick auf die Verwendung therapeutischer Mittel. Dort werden vier Bereiche angegeben, die im Kontext dieses Themas zu berücksichtigen sind:

• Mit Zustimmung des Kranken können auch neueste, noch nicht ausreichend experimentierte Mittel zum Einsatz kommen.

• Ebenso darf die Anwendung dieser Mittel abgebrochen werden, wenn das Ergebnis die auf sie gesetzte Hoffnung nicht rechtfertigt.

• Es ist immer erlaubt, sich mit den Mitteln zu begnügen, welche die Medizin allgemein zur Verfügung stellt. … Ein Verzicht darauf darf nicht mit Selbstmord gleichgesetzt werden.

• Wenn der Sterbeprozess begonnen hat, darf man sich im Gewissen entschließen, auf weitere Heilversuche zu verzichten.[8]

Papst Johannes Paul II. führte als grundlegendes Kriterium an, „dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten."[9] Die katholische Kirche also unterscheidet grundlegend zwischen der Herbeiführung des Todes und der Zulassung des Todes. Der Begriff „passive Sterbehilfe“ ist problematisch, und wenn die genannten Kriterien nicht Berücksichtigung finden, ist sie abzulehnen, was im Hinblick auf die aktive Sterbehilfe noch offensichtlicher wird.

Aktive Sterbehilfe

Bei der aktiven Sterbehilfe bzw. bei der direkten Euthanasie (Tötung auf Verlangen) handelt es sich um die bewusste und intentionale Herbeiführung des Todes auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten. In Deutschland können sich einem Bericht zufolge, der 2014 in spiegel.online erschienen ist, „55 Prozent der Deutschen vorstellen, ihrem Leben im Alter aufgrund von schwerer Krankheit, langer Pflegebedürftigkeit oder Demenz selbst ein Ende zu setzen. Zwei Drittel der Deutschen sprachen sich in einer weiteren Umfrage für aktive Sterbehilfe aus."[10] Dennoch ist die aktive Sterbehilfe in Deutschland ausnahmslos verboten, wie fast weltweit (Ausnahmen gibt es in einigen Benelux-Staaten, der Schweiz und in sechs US-Bundesstaaten). Im Strafgesetzbuch heißt es dazu: „Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen“ (§ 216 Abs. 1 StGB).

Im Unterschied zur passiven Sterbehilfe wird der Tod in diesem Fall aktiv verursacht. Der Patient stirbt infolge der aktiven Sterbehilfe und nicht an seiner Grundkrankheit. Die Hauptargumente, die zugunsten der aktiven Sterbehilfe angeführt werden, sind gewöhnlich die folgenden: a) Verhinderung von Leid; b) Selbstbestimmung und Würde des Kranken; c) Keine Last für andere sein.

Dem Priester, aber auch allen, die in der Pastoral tätig sind, kommt es zu, den Menschen zu verstehen zu geben, dass sie keine Last sind, das Zeugnis von Johannes Paul II. weist den Weg. Wahre „Aufklärung“ ist zu leisten, denn das Leid hat einen Sinn und Wert, wenn es mit Christus getragen wird. Kranke zu besuchen gehört zu den Werken der Barmherzigkeit, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Es entspricht der Würde des Menschen, das Leben vom Anfang bis zum natürlichen Ende zu bejahen. In der Enzyklika Evangelium vitae heißt es dazu:

„Da im Bewusstsein der Menschen und in der Gesellschaft das Wahrnehmungsvermögen dafür, dass die direkte, d.h. vorsätzliche Tötung jedes unschuldigen Menschenlebens, besonders in seinem Anfangs- und Endstadium, ein absolutes und schweres sittliches Vergehen darstellt, zunehmend schwächer wird, hat das Lehramt der Kirche seine Interventionen zur Verteidigung der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens verstärkt“ (Nr. 57).

Und im Katechismus der Katholischen Kirche findet sich folgende Wertung:

„Sie [direkte Euthanasie] ist sittlich unannehmbar. Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord, ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet“ (KKK 2277). 

Wenn eine derartige Praxis in welcher Form auch immer (Stichwort: Ausnahmeregelung) erlaubt wird, dann lassen sich Grenzen kaum mehr ziehen. So etwas ist vergleichbar mit einem Dammbruch und ein gebrochener Damm ist bekanntlich wertlos. Am Beispiel der Niederlande wird dies sehr deutlich. Zunächst wurde die aktive Sterbehilfe toleriert, inzwischen ist es Ärzten gestattet, den Tod von Neugeborenen herbeizuführen, sofern diese schwer und unheilbar krank sind. Das Deutsche Ärzteblatt hat berichtet, dass die Königliche Niederländische Ärztevereinigung (KNMG) entsprechende Regeln erlassen hat.[11] Demnach dürfen Mediziner die Behandlung von Neugeborenen vorzeitig abbrechen (= direkte Sterbehilfe durch Unterlassung) bzw. deren Tod direkt durch die Verabreichung einer Überdosis von Muskelrelaxanzien herbeiführen. Drei Prozent aller Todesfälle (2011: 3695 Menschen) in den Niederlanden gehen inzwischen offiziell auf Euthanasie zurück Die Dunkelziffer liegt höher.

Jeder Christ – dies gilt in besonderer Weise für den Priester – hat Anwalt des Lebens zu sein, schließlich ist Christus der Weg zum Ewigen Leben. Daher ist es notwendig, auch im Hinblick auf die Fragen, die das Ende des Lebens betreffen, die Gläubigen aufzuklären. Gerade den Alten und Kranken gilt es zu zeigen, dass jeder Mensch eine unantastbare Würde hat und von Gott geliebt ist. Umgekehrt lädt jeder Mensch, der sich in welcher Form auch immer an passiver/aktiver Sterbehilfe/Euthanasie beteiligt, sehr große Schuld auf sich. Dafür sollte eine neue Sensibilität geschaffen werden, die zur Neuentdeckung der sakramentalen Vergebung der Sünden führen sollte. Außerdem wäre es ratsam, Apostolate zu gründen, um sich bedürftiger Menschen anzunehmen, damit sie sich nicht als Last empfinden, sondern sich getragen wissen von Gott und den Menschen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung zur Euthanasie, vom 5.5.1980.
[2] Die folgenden Ausführungen folgen G Maio: Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Ein Lehrbuch, Stuttgart 2012, 338-351.
[3] Vgl. ebd. 339.
[4] Eine Frage der Würde, vom 25.6.2010, in: www.sueddeutsche.de/leben/bekannte-faelle-von-sterbehilfe-eine-frage-der-wuerde-1.965387 [14.5.2018].
[5] Vgl. Piergiorgio Welby ist tot. Kirche verweigert Beerdigung, vom 22.12.2006, in: www.n-tv.de/panorama/Kirche-verweigert-Beerdigung-article205441.html [14.5.2018].
[6] Vgl. Senato della Repubblica, Atto Camera n. 2801, XVII Legislatura, 14 dicembre 2017, in: senato.it
[7] Kongregation für die Glaubenslehre: Kommentar, 1.8.2007.
[8] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung zur Euthanasie, IV.
[9] Johannes Paul II.: Ansprache an die Teilnehmer eines Internationalen Kongresses zum Thema „Lebenserhaltende Behandlungen und vegetativer Zustand: Wissenschaftliche Fortschritte und ethische Dilemmata“ am 20.3.2004, in: Osservatore Romano (deutschsprachige Wochenausgabe), 9.4.2004.
[10] G. Mayr und H. Ternieden: Sterbehilfe-Debatte in Deutschland. Der gewünschte Tod, vom 11.2.2014, in: www.spiegel.de/panorama/fragen-und-antworten-zur-sterbehilfe-debatte-in-deutschland-a-945147.html [20.5.2018].
[11] Vgl. Deutsches Ärzteblatt: Niederlande legalisieren Sterbehilfe bei todkranken Babys, 13.6.2013.  

Fatima und die junge Bundesrepublik (Teil 7)

Diözesansynode im Marianischen Jahr 1954

Maria steht mit ihrer mütterlichen Liebe und Fürsorge für ein harmonisches und fruchtbares Miteinander. Kardinal Frings legte mit der Art seiner Amtsführung ein beeindruckendes Zeugnis dafür ab, wie sich seine persönliche marianische Spiritualität auf seinen Hirtendienst auswirkte. Die Durchführung der Diözesansynode im Jahr 1954 geschah – noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil – in einem ausgesprochen kollegialen Geist, der den zukünftigen Weg des Erzbistums prägen sollte und durchaus für die synodale Zusammenarbeit auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens in unserer heutigen Zeit beispielhaft sein kann. Die Dokumentation der Synode bestätigt darüber hinaus, wie sehr Kardinal Frings von der Liebe zur Gottesmutter durchdrungen war und beständig aus der tiefgründigen Quelle der Fatima-Botschaft schöpfte. Prof. Dr. Wolfgang Koch und seine Frau Dorothea lassen in ihrem siebten Beitrag zur Artikelserie über den Aufstieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg erkennen, welch hohen Stellenwert sie dem Thema einer würdigen Feier der Liturgie für die religiöse Erneuerung beimessen.

Von Dorothea und Wolfgang Koch

Zu allen Zeiten nahmen Provinzialsynoden neue religiöse Impulse auf und erneuerten das kirchliche Leben. So stehen die Reformsynoden des hl. Bonifatius am Anfang der deutschen Kirchengeschichte. Sie beseitigten Missstände, stellten die verfallene Kirchenverfassung und -zucht wieder her und verpflichteten alle Klöster auf die Benediktinerregel. „Der hl. Benedikt ist ein grundlegender Bezugspunkt für die Einheit Europas und ein nachdrücklicher Hinweis auf die unverzichtbaren christlichen Wurzeln der europäischen Kultur und Zivilisation“, betont Benedikt XVI. zu Beginn seines Pontifikats.[1]

Das Erlöschen dieser Flamme kirchlichen Lebens unter bischöflicher Autorität mag man mit Kardinal Frings bedauern: „Frings hat uns erzählt, dass er auf dem Konzil gegen die Stärkung der Bischofskonferenzen war“, erinnert sich seine Großnichte. „Er sah dies als Verlust der persönlichen Autorität des Diözesanbischofs an. Vor dem Konzil waren in der Bischofskonferenz ja nur die regierenden Diözesanbischöfe stimmberechtigt. Nach dem Konzil wurden auch die Weihbischöfe stimmberechtigt. Das führte zu einem ganz anderen Tun in der Bischofskonferenz. Frings ist auf keinen Fall ein Kronzeuge für die Kollegialität, die die Entscheidungsbefugnis des Einzelbischofs in Frage stellt."[2]

Vorbild für künftigen Neubeginn?

Durch die Kölner Provinzialsynode im Marianischen Jahr 1954 versuchte Frings den religiösen Aufbruch der Nachkriegsjahre zu verstetigen. Möglicherweise gehen von ihr Impulse aus, die auch für unsere Zeit fruchtbar werden können. Vor allem ist die „innere Bauform“ dieser Synode vorbildlich.

Der Gedanke, alle Belange der Kölner Erzdiözese systematisch zu ordnen, beschäftigte Frings schon lange.[3] Sein Vorbild war Erzbischof Maximilian Heinrich von Bayern (1621-1688), der die Diözesansynode des Jahres 1662 während dreier Tage im Kölner Dom durchgeführt und auch das Kölner Erzbistum der Gottesmutter geweiht hatte. Bereits am 13. Januar 1949 kündigte Frings eine Synode an, „um gemeinsam zu beraten, was geschehen muss, um für jetzt und für die kommenden, gewiss nicht leichten Jahre das religiöse und kirchliche, das geistige und sittliche Leben in unserer Erzdiözese neu zu begründen und zu neuer Blüte zu bringen“.

Über die Sorgfalt der Vorbereitungen schreibt sein Biograph: „Hier wurden realistischere Vorstellungen über die Arbeitsmöglichkeiten eines Großgremiums wie einer Synode sichtbar als zehn Jahre später bei den Vorbereitungen des II. Vatikanischen Konzils, bei denen jede Vorbereitungskommission in der Wahl von Stil und Länge ihrer Texte ohne Vorgaben blieb!“ und verweist auf entsprechende Klagen des Priesters und bedeutenden Kirchenhistorikers Hubert Jedin (1900-1980).

Die Synode beginnt am 9. März mit einem Pontifikalhochamt im Kölner Dom. Zur Eröffnung beschreibt Frings das Ineinander seiner persönlichen Verantwortung als Bischof und der Fachkompetenz seiner Mitarbeiter: „Wohl ist der Bischof der alleinige Gesetzgeber der Synode … und auf ihm ruht die ganze Verantwortung, aber alle Dekrete sollen zuerst durchberaten werden; alle Synodalen sollen aus ihrem Wissen und ihrer Erfahrung beitragen…, dass gute Gesetze zustande kommen. Offenbar verspricht sich die Kirche von so zustande gekommenen Verordnungen eine tiefere und weitergreifende Wirkung, als wenn sie nur von oben herab erlassen würden.“ Allein aufgrund der sorgfältigen Vorbereitung war es möglich, das umfassende Gesetzgebungswerk mit 1148 Dekreten in drei Tagen zu beraten. Vor allem wurden strittige Punkte und zuletzt eingetroffene Voten diskutiert.

Tage echter priesterlicher Gemeinschaft

Die Synode „wurde nach den Vorschriften des Pontificale Romanum gehalten“, erinnert sich Frings. „Danach musste an jedem Morgen der drei Tage in der Kathedrale ein Gottesdienst stattfinden. Einige Synodalen waren davon nicht sonderlich entzückt und meinten, man könne die Zeit besser für die Verhandlungen verwenden. Nachher aber sagten viele, der Dom sei ihnen seit ihrer Seminarzeit niemals mehr so nahegekommen wie während der Diözesan-Synode. Sie begann dementsprechend mit einem Hochamt zu Ehren des Heiligen Geistes, bei dem der Domchor eine mehrstimmige Messe sang.“

„Wir haben uns in diesen Tagen wirklich als Brüder gefühlt, die von ihrem Bischof als consacerdotes angesehen und behandelt wurden“, dankt Stadtdechant Robert Grosche (1888-1967) beim Abschluss. „Als solche haben wir ein gemeinsames Werk zustande gebracht. Jeder hat wirklich die Freiheit gehabt, sine scrupulo seine Meinung zu äußern; keinem ist das Wort abgeschnitten worden; keine Anregung ist ungehört unter den Tisch gefallen; auf alles, was mit Gründen vorgebracht wurde, ist unser Vorsitzender in liebenswürdiger Weise eingegangen. … Es waren Tage echter priesterlicher Gemeinschaft.“

Wie sehr Frings die Dekrete prägte, zeigen zahlreiche handschriftliche Spuren. Vollständig aus seiner Feder stammen die Passagen über das persönliche Gebet des Priesters: „Der katholische Priester ist kaum zu denken ohne ein inniges Verhältnis zur Gottesmutter Maria, der Mutter seines Meisters, der Mutter aller Christen und insbesondere der Priester. Gleicht ja die Aufgabe, die ihr von Gott anvertraut wurde, in manchem den Aufgaben des Priesters: Christus in den Herzen der Gläubigen Leben und Gestalt zu geben, auf den Altären unter seinen Händen ihm reale Gegenwart zu verleihen, seinem Opfer aufs engste zu assistieren.“

Frings empfiehlt die päpstlichen Äußerungen über Maria und das Rosenkranzgebet: „Besonders gern und alle Tage wird er den Rosenkranz beten, um mit den Augen Mariens die großen Geheimnisse unseres Glaubens immer wieder mitzuerleben und ihre mächtige Fürbitte für die Kirche Gottes zu erflehen.“

Zeitlose Aufgaben der Seelsorge

Nicht immer kann Frings sich durchsetzen. Für das Dekret über Frauenseelsorge wünscht er die Formulierung: „Das unübertreffliche Idealbild der christlichen Frau und Mutter ist Maria, die Magd des Herrn, die Königin des Himmels und der Erde. Es wäre töricht und unverantwortlich, wollte die katholische Frauenseelsorge diesen Schatz nicht gebührend ausnützen. Alle Frauenseelsorge stehe unter dem besonderen Patronat der unbefleckt empfangenen Jungfrau.“

Der verabschiedete Text wirkt gegen den Entwurf des Kardinals eigentümlich blass:[4] „Die Frauenseelsorge orientiere sich zunächst an dem personalen Wert der Frau, der in Natur und Gnade grundgelegt ist. Danach sind Mann und Frau von verschiedener Art, aber von gleichem Werte. Sodann betrachte sie die Stellung, welche die Frau im Lebensganzen einnimmt; das Gesetz der Wechselbeziehungen von Mannes- und Frauenart ist nicht nur bedeutsam für die Ehe, sondern auch für den Aufbau des gesamten geistigen, sittlichen und religiösen Lebens.“ Für die gerade heute drängende Auseinandersetzung mit der „Gender-Ideologie“ bietet er keine überzeugende Grundlage.

Ein weiteres Herzensanliegen des Erzbischofs zeigt das Dekret über die Jugendseelsorge: „Es ist ein dringendes Seelsorgeanliegen unserer Zeit, in den Dörfern eine Gruppe von Menschen zu schaffen, die der weiteren Entchristlichung des Dorfes sich entgegenstellen und positiv die christlichen Kräfte zusammenfassen.“

Wiederaufblühen der Kirchenmusik

Die Synode initiiert ein Erneuerungsprogramm, das unmittelbar in die Pfarreien hineinwirkte. Obwohl es in den postkonziliaren Stürmen weitgehend unterging, bietet es gerade für unsere Zeit einen wirksamen Ansatz. Im Marianischen Jahr 1954, im 1200. Todesjahr des hl. Bonifatius, als Kardinal Frings unser Land dem Unbefleckten Herzen Mariens weihte, erinnert die Kölner Provinzialsynode daran, dass der Gregorianische Choral der Gesang der römischen Kirche schlechthin sei, der „in höchstem Maße zur Mehrung von Glaube und Frömmigkeit“ beitrage.

Die Pfarrer sollen sich „nach Kräften bemühen, durch regelmäßige Einführung in den Textgehalt der liturgischen Gesänge die Chöre für einen richtigen und schönen Vortrag des Chorals zu erwärmen und ihnen auch Gelegenheit bieten, durch Teilnahme an Instruktionskursen sich im Choralsingen zu vervollkommnen“. Die Zelebranten selbst „sollen bestrebt sein, durch würdigen, richtigen und andächtigen Vortrag der Altargesänge allen als Beispiel zu dienen“. Es sei nicht gestattet, Gesangstexte ganz oder teilweise auszulassen. Die Synode verweist aber auch auf die Werke der klassischen Polyphonie.

Acht Jahre vor dem Zweiten Vatikanum mit seinen Konsequenzen für die Liturgie bezieht sich die Synode auf „die vom Apostolischen Stuhl erlassenen eindeutig klaren Richtlinien für die Kirchenmusik“.[5]

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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[1] Benedikt XVI. (2005): Generalaudienz am 27. April 2005. www.vatican.va
[2] Sigrid Sels über Kardinal Frings, in: Kirchliche Umschau, Jg. 16, Nov. 2013, 14.
[3] Die Kölner Synode 1954, in: J. Frings (1973): Für die Menschen bestellt, Köln, 159ff.; N. Trippen (2003): Josef Kardinal Frings (1887-1978), Bd. I. Paderborn, 425ff.
[4] Kölner Diözesan-Synode 1954, Köln, 119.
[5] Ebd., 368f. 

Fast drei Jahrzehnte nach dem Krieg sind Katholiken in Bosnien und Herzegowina in ihrer Existenz bedroht

„Eine Blamage für Europa“

Seit 23 Jahren schweigen die Waffen in Bosnien und Herzegowina. Doch das Land gleicht einem Pulverfass, erklärt Bischof Franjo Komarica. Der 72-Jährige leitet die Diözese Banja Luka im Norden des Landes – und ist ein Freund klarer Worte, besonders wenn es um die katholische Minderheit geht. Den europäischen Regierungen wirft er Versagen vor: Sie verschlössen die Augen vor einer Entwicklung, die eine gemeinsame Tagung der österreichischen und bosnischen Bischöfe im März so formulierte: „In vielen Teilen des Landes sind die Katholiken vom völligen Verschwinden bedroht.“ Die Bischöfe machten damit auf einen Umstand aufmerksam, der in der europäischen Öffentlichkeit wenig bekannt ist: Bis zu 10.000 Katholiken verlassen jährlich ihre Heimat. Gründe sind wirtschaftlichen Unsicherheit wie religiöse Diskriminierung. Auch den Kriegsvertriebenen werde eine Rückkehr unmöglich gemacht, berichtet Bischof Komarica. Die Päpstliche Stiftung „Kirche in Not“ steht den bedrängten Katholiken Bosniens und Herzegowinas zur Seite. Mit Bischof Komarica sprach Tobias Lehner, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei „Kirche in Not“ Deutschland.[1]

Interview von Tobias Lehner mit Bischof Franjo Komarica

Tobias Lehner: Exzellenz, der Bosnienkrieg ist seit dem Abkommen von Dayton im Jahr 1995 offiziell beigelegt. Aber wie sieht es in der Realität aus?

Bischof Franjo Komarica: Die Waffen schweigen zwar, aber der Krieg wird mit anderen Mittel fortgeführt. Es herrscht ein „kontrolliertes Chaos“ in Bosnien und Herzegowina. Mein Eindruck ist, als sei weder die Regierung noch die internationale Gemeinschaft am Aufbau eines Rechtsstaats interessiert, in dem Gleichberechtigung unter den Volksgruppen und Menschenrechte auch für Minderheiten garantiert werden. Bosnien und Herzegowina steht bis heute faktisch unter dem Semiprotektorat der Vereinten Nationen. Ein Teil der Staatsgewalt wird von einem „Hohen Kommissar“ ausgeübt (seit 2009 der Österreicher Valentin Inzko; Anm. d. Red.). Aber er sagt, ihm seien hinsichtlich der politischen Entwicklung die Hände gebunden. Das Land ist nach wie vor in drei Volksgruppen gespalten: Kroaten, Serben, Bosniaken. Die Kroaten sind mehrheitlich katholisch und die kleinste Bevölkerungsgruppe. Sie orientieren sich nach Europa. Die Serben, mehrheitlich orthodox, stehen stark unter dem Einfluss Russlands. Und die muslimischen Bosniaken orientieren sich immer mehr in Richtung Türkei und der islamischen Welt. So entstehen gefährliche Zentrifugalkräfte. Und das schadet nicht nur dem Land, das schadet auch Europa!

„Katholiken haben weder politische noch rechtliche Unterstützung“

Wie meinen Sie das?

Das serbische und das bosnische Volk werden durch den ausländischen Einfluss absichtlich in Feindschaft gehalten. Das Land ist nach wie vor ein Pulverfass! Und die Kroaten sind dazwischen. Sie wurden während des Kriegs zu hunderttausenden vertrieben und können auch mehr als zwanzig Jahre danach nicht zurück, obwohl ihnen im Dayton-Vertrag ein Rückkehrrecht zugestanden wurde. Das Gegenteil ist passiert: Viele gehen auch jetzt noch ins Ausland. Wir haben von Seiten der Bischofskonferenz immer wieder gefordert, den Dayton-Vertrag zu ergänzen, um der kroatischen Minderheit mehr Sicherheit zu geben. Sie sind nach wie vor nicht gleichberechtigt.

Was sind die Gründe für diese Ungleichberechtigung der katholischen Minderheit?

Die Kroaten werden nicht als konstitutive Volksgruppe für Bosnien und Herzegowina behandelt. Auch viele ausländische Regierungen erklären, dass für sie Bosnien und Herzegowina nur aus zwei Völkern besteht: den Serben und den Bosniaken. Das hat schwerwiegende Folgen, wie ein Beispiel aus der Republik Srpska zeigt (die Republik Srpska wurde im Vertrag von Dayton als „zweite Entität“ des Bundestaates Bosnien und Herzegowina geschaffen und umfasst weite Teil im Norden und Osten des Landes; Anm. d. Red.). Dort sind in den 69 Pfarreien, die vor dem Krieg dort bestanden, nur etwa fünf Prozent der Katholiken zurückgekehrt. Und in den anderen Landesteilen wandern jetzt sogar noch Katholiken ab. Die Kroaten haben weder politische, noch rechtliche, noch finanzielle Unterstützung. Es ist ihnen nahezu unmöglich, ihre Häuser wiederaufzubauen oder eine Arbeit zu finden. Sie werden systematisch diskriminiert. Das ist ein schwerer Schaden für das ganze Land. Das sehen im Übrigen auch die anderen Religionen so: Ich habe kürzlich mit dem bosnischen Großmufti gesprochen. Auch er sagt: „Wir brauchen die Kroaten unbedingt hier!“

Der ranghöchste Muslim im Land hat also das Problem erkannt. Tun es auch seine Glaubensgeschwister? In jüngster Zeit war zu hören, dass sich auch in Bosnien und Herzegowina Muslime radikalisieren…

Ja, diese Entwicklung gibt es. Aber noch schlimmer als die religiöse ist die existenzielle Diskriminierung. Um es klar zu sagen: Auch unter Verfolgung können wir unseren Glauben bewahren – und das haben wir auch getan. Aber wenn die Katholiken kein Recht haben auf ihre Heimat und ihr Eigentum, dann wirkt das noch zerstörerischer. Ein Beispiel: Der Bürgermeister eines Ortes in meiner Diözese sagte mir: „Ihr dürft hier keine Kirche bauen.“ Dabei hatte es dort vor dem Krieg eine katholische Pfarrei gegeben! Er hat auch kein Recht dazu, denn in der Verfassung von Bosnien und Herzegowina ist Religionsfreiheit garantiert. Also habe ich Widerspruch eingelegt. Aber auch die übergeordnete Stelle hat mich abgewiesen. Schließlich bin ich zum Vertreter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, zuständig für die Koordination des Wiederaufbaus; Anm. der Red.) gegangen. Er sagte mir: „Bischof, ich verbiete Ihnen eine Kirche zu bauen!“ Ich habe ihm die Bilder der alten Pfarrkirche gezeigt und auch das Bild des Pfarrers, der im Krieg ermordet wurde. Er hat sich weder entschuldigt, noch den Kirchenbau erlaubt. Das ist ein offener Angriff auf die katholische Kirche. Mir wurde auch wiederholt gesagt: „Ihr Katholiken müsst aus dem Land verschwinden.“

„Quo vadis, Europa?“

Diese dramatische Situation der Katholiken in Bosnien und Herzegowina ist im Ausland nur wenig bekannt. Was fordern sie von der internationalen Gemeinschaft?

Die Politiker müssen endlich Farbe bekennen und diese schwere Diskriminierung mitten in Europa verurteilen. Das gilt besonders für die Christen. Ich erwarte von denjenigen, die es ernst mit dem Glauben meinen, dass sie sich auch für die entrechteten Menschen in meiner Heimat einsetzen – mit Worten und Taten. Bislang verhallten unsere Appelle ungehört. Das ist eine Blamage für Europa! Quo vadis, Christentum in Europa? Wie wollen wir anderen Völkern unsere christlichen Werte näherbringen, wenn wir solch eine Entwicklung im eigenen Haus zulassen und wegschauen?

So viel Hass und Zwietracht wurde in Bosnien und Herzegowina gesät. Was kann die katholische Kirche dennoch tun, damit die Gesellschaft wieder zusammenfindet?

Wir Katholiken sind die älteste Glaubensgemeinschaft des Landes. Wir fühlen uns verpflichtet, dass unsere Heimat zu einem gerechten und dauerhaften Frieden findet! Wir leisten Versöhnungsarbeit vor allem durch unsere sozialen Angebote und die Bildungsarbeit, vor allem in unseren katholischen Schulen. Auch wenn wir von der Politik für diesen Einsatz bestraft werden! Deshalb bin ich Hilfswerken wie „Kirche in Not“ so dankbar, dass sie auf unser Schicksal aufmerksam machen und uns unterstützen. Ich werde weiter für die Wahrheit eintreten, obwohl ich dafür bereits tätlich angegriffen wurde. Unsere Gegner werden gewinnen, wenn wir schweigen!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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[1] Ein aktuelles 2-teiliges Fernsehinterview „Der Heimat beraubt – Katholiken in Bosnien und Herzegowina“ mit Bischof Franjo Komarica und dem Journalisten und Buchautor Winfried Gburek finden Sie in der Mediathek von „Kirche in Not“ (die Beiträge sind auch kostenfrei, zzgl. Versandkosten, bestellbar unter kontakt@kirche-in-not.de):
www.kirche-in-not.de/app/mediathek/play/sItem/0020002854
(Teil 1)
www.kirche-in-not.de/app/mediathek/play/sItem/0020002858
(Teil 2)

Kleine Verständnishilfe für das derzeitige Pontifikat

Die „franziskanische“ Werteskala

Wilhelm Dresbach ist ein engagierter katholischer Diplom-Theologe, der mit seiner soliden, nach konservativen Werten ausgerichteten Meinung nicht hinter dem Berg hält. Gegen Fehlentwicklungen in Kirche und Gesellschaft erhebt er mutig seine Stimme. Seit vielen Jahren greift er sachlich und argumentativ in Diskussionen ein. Selbst einen Papst Johannes Paul II. konnte er kritisieren, wenn er der Ansicht war, der Lebensschutz müsste noch deutlicher verteidigt werden. Umso mehr erstaunt nun seine Stellungnahme zum derzeitigen Pontifikat, die er selbst als „kleine Verständnishilfe“ bezeichnet. Eine gekürzte Fassung.

Von Wilhelm Dresbach

Mein Anliegen ist es, irrige Verdächtigungen in Bezug auf Papst Franziskus auszuräumen. Mit dem derzeitigen Oberhirten der Kirche verbinden mich auffällige Gemeinsamkeiten und eine frappierende Ähnlichkeit im Wesen, sodass es mir leicht fällt, mich mit seinem Denken zu identifizieren und seine Entscheidungen nachzuvollziehen. Wir gehören demselben Jahrgang an und sind im gleichen „Sternbild“ – mit nur zwei Tagen Differenz – geboren. Jeder von uns ist jeweils der Erstgeborene unter seinen Geschwistern und von Kindesbeinen an sind wir zweisprachig aufgewachsen, wobei Spanisch unsere gemeinsame Sprache ist. Beide haben wir als Jugendliche in einem chemischen Labor gearbeitet und Grundsubstanzen analysiert. Nach einer „Bekehrung“ fühlen wir uns beide zum Apostolat unter einfachen Menschen berufen und sind bestrebt, unser Leben möglichst anspruchslos, aber in Würde zu gestalten. In einem zweiten Anlauf haben wir Theologie studiert und das entsprechende Diplom erworben. Aufgrund unserer Spontanität kommt es immer wieder vor, dass wir aus dem Gefühl heraus, also mit dem Herzen Entscheidungen treffen, die wir aber nachträglich mit der Vernunft korrigieren müssen. Wohl deshalb kann ich Papst Franziskus besonders gut verstehen.

Vorbehalte unter kirchentreuen Katholiken

Bei Papst Franziskus gibt es Äußerungen und Handlungen, die tatsächlich schwer nachvollziehbar sind. Sie haben insbesondere bei kirchentreuen Katholiken Unbehagen ausgelöst, während sie bei vielen Gläubigen und gerade auch bei Fernstehenden, die von der Kirche wenig halten, begeisterte Zustimmung finden. Inzwischen gibt es sogar fromme Kreise, die überzeugt sind, Papst Franziskus agiere im Dienst der Freimaurer und wolle die Kirche in deren Sinn von innen her langsam umgestalten. Mit Zitaten aus der Apokalypse, dem katholischen Katechismus und kirchlich anerkannten Offenbarungen meinen sie nachweisen zu können, dass Franziskus kein legitimer Papst sei, mit Geheimbünden in Verbindung stehe und die Kirche radikal umformen wolle, nämlich in eine „dogmenfreie“ Glaubensgemeinschaft, die sich beispielsweise auf dem Weg der Interkommunion mit anderen christlichen Denominationen vereinigen, ja sogar mit nichtchristlichen Religionen verschmelzen könnte. Der amerikanische Kapuzinerpater Thomas Weinandy, Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Vatikans, bat den Papst in einem öffentlichen Brief, seinen Weg zu korrigieren. Er schreibt, dass „das Pontifikat von Papst Franziskus für Verwirrung sorgt“ und „dass der Papst die Wichtigkeit der Glaubenslehre im Leben der Kirche schmälert“.

Diese Vorwürfe müssen geklärt werden. Die Frage lautet: Gegen welche Glaubenssätze der Kirche verstößt der Papst? Wodurch verursacht er Verwirrung?

Persönlichkeitsstruktur und Werteskala des Papstes

Doch zuvor ist es aufschlussreich, sich mit der Person des Papstes zu befassen und sich über seine Werteskala Klarheit zu verschaffen. Vom ersten Augenblick an, als Jorge Bergoglio nach der Papstwahl auf der Loggia erschien, lediglich mit einer weißen Soutane bekleidet, als er sich mit dem Gruß „Buona sera“ als der neue Bischof der Römer vorstellte und in andächtiger Sammlung die auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen einlud, gemeinsam mit ihm zu beten, war mir klar, dass wir es von nun an mit einem „Giganten“ auf dem Stuhl Petri zu tun haben werden. Selten ist mir ein Priester mit einem derart selbstverständlichen, tiefgreifenden Gottvertrauen begegnet. Wie aber ist dieser Mensch zu einer so ausgeglichenen, robusten Autorität herangereift?

Für die Charakterbildung sind Geschwister und vor allem die Konstellation, in der sie zueinander stehen, von entscheidender Bedeutung. Als Erstgeborener war Jorge-Mario für die nachfolgenden Geschwister von vornherein das Haupt. So konnte sich in ihm die Autorität eines Menschenführers heranbilden und festigen. Nach seiner Geburt 1936 bekam er 1938 einen Bruder, 1940 eine Schwester, 1942 wieder einen Bruder und 1949 wieder eine Schwester. Letztere, Maria-Elena, und der Papst sind die einzigen, die noch leben. Signifikant ist auch der jeweils gleichbleibende Zeitabstand in der alternativen Reihenfolge der Geschwister. Dies lässt auf ein harmonisches Leben in der Familie Bergoglio schließen.

Auch seine Krankheit, in deren Verlauf ein Teil seiner Lunge entfernt wurde, hat ihn stark geprägt. Seither muss er mit stets gleichbleibender konditionierter Lautstärke sprechen.

Schon als junger Mann dachte und agierte Jorge Bergoglio „eindimensional“, einfach und praktisch. Zudem ist sein Handeln spontan, es bezieht sich immer auf Konkretes, auf eine Angelegenheit, bei der es z.B. um die Linderung einer Not oder um eine Erleichterung der Lebensumstände der Menschen geht. Dabei lässt er die Implikationen seiner Entscheidungen oft au-ßer Acht. Abstraktes Denken nämlich ist ihm fremd.

Schon aufgrund dieser Persönlichkeitsstruktur kann man ausschließen, dass Papst Franziskus ein Doppelleben führt. Ein Agent, der im Dienst einer fremden Macht steht, muss abstrakt denken können. Das angeborene eindimensionale Denken von Papst Franziskus ist geradezu ein Garant dafür, dass er absolut unfähig ist, als „Agent“ zu fungieren und der Kirche bewusst schaden zu wollen. Andererseits geht er zielstrebig ans Werk, wenn er etwas als gut und notwendig erachtet. Ohne sich groß mit anderen zu beraten, packt er die für ihn wichtigen Angelegenheiten selbstsicher und mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit an. In der Regel folgt bald darauf ein zweiter Anlauf, in dem er dann einen realitätsbezogenen Lösungsvorschlag unterbreitet.

Nicht zufällig nahm er bei seiner Ernennung zum Papst den Namen des hl. Franz von Assisi an. Dieser radikale Heilige rühmte sich, mit der Armut „vermählt“ zu sein. Er hatte auf jegliche Art von Besitz verzichtet. Nicht einmal eine eigene Schlafstelle wollte er sein Eigen nennen. Zugleich ignorierte er die meisten gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner Zeit. Sein Mitleid mit den Armen war stärker als seine Liebe zur Theologie. Dennoch ist er als strahlende Leuchte und als Galionsgestalt einer „Wende“ des Mittelalters in die Geschichte eingegangen. Ähnlich ist es bei Papst Franziskus. Wenn er einem Armen begegnet, wendet sich sein Herz diesem Bedürftigen unmittelbar zu. Er kann sich dessen Not nicht entziehen.

Nicht wenige streng legalistische Katholiken nehmen Anstoß an der „franziskanischen“ Werteskala des Papstes, die in dem Wort des Herrn gründet: „Was ihr für einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Tatsächlich stehen die Belange der Armen und der „Schwachen im Glauben“ bei Papst Franziskus weit mehr im Fokus als die Pflege der Liturgie oder die Belange der Theologen und Glaubenshüter. Dennoch trennt er nach jesuitischer Manier säuberlich die Bereiche von Glaube und Politik. Im Mittelpunkt seiner stets präzis durchstrukturierten Ansprachen – mittwochs zur Generalaudienz und sonntags zum Angelus – steht die Sorge um die Erlösung und um die Vermittlung des Heils in Jesus Christus. Dazu bedient er sich einer einfachen Sprache, gut verständlich, ohne Fremdwörter, untermauert mit einleuchtenden Beispielen aus dem alltäglichen Leben. Während er großen Wert auf Schlichtheit bei den liturgischen Handlungen legt, hat er wenig für theologische Hypothesen und spekulative Auseinandersetzungen übrig. Interessant ist auch, dass er seit etlichen Jahren bewusst kein Fernsehen schaut.

Engagement in der Flüchtlingsfrage

In der Seelsorge orientiert sich der Papst an der Devise Jesu: „Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen.“ Es geht ihm primär nicht um das genaue Einhalten von Gesetzen oder um das Befolgen von Lehren, sondern um die Heilung des leidenden Menschen, um die Rettung des Menschen in seiner Erlösungsbedürftigkeit. Dazu ist anzumerken, dass die Gesetze natürlich beachtet werden müssen, sonst würde die Kirche, ja die ganze Gesellschaft, im Chaos versinken. Jedenfalls kommt Papst Franziskus aufgrund seiner spontanen Großherzigkeit nicht selten in ein Dilemma, sodass er seine ursprünglichen Entscheidungen korrigieren muss. Auf sein spontanes, vollblutiges Zupacken im Geist franziskanischer Nächstenliebe folgt die Anpassung an die Wirklichkeit, auf seine ersten Aussagen der Realitätssinn.

Guido Horst, Mitarbeiter der Tagespost, hat diese Vorgehensweise des Papstes in einem Kommentar zum Thema „Der Papst und die Flüchtlinge“ dargestellt:

„Das Wort des Papstes wiegt, vor allem wenn er von Flüchtlingen spricht. Als Ende August die Botschaft von Franziskus zum Weltjugendtag erschien, war die Kernbotschaft für viele unverdaulich. Denn die lautete unmissverständlich, in jedem Fremden eine Gelegenheit zur Begegnung mit Jesus Christus zu sehen und alles zu tun, um Flüchtlinge aufzunehmen, zu schützen und zu fördern. Dies war sozusagen die grundsätzliche Weisung an jeden Christen.

Jetzt, vor Journalisten auf dem Rückweg von Kolumbien nach Rom, hat Franziskus diese Weisung differenziert. Nun sprach er die Regierenden an und meinte, dass diese die Herausforderungen durch die Flüchtlingsströme mit der Tugend der Besonnenheit lösen müssen. Die Politik solle auch fragen: Wie viele Fremde kann unser Land aufnehmen? Und können wir die alle auch integrieren? Dies klingt dann schon etwas realistischer und nicht ganz so apodiktisch, wie es in der Botschaft zum Migrantentag geklungen hatte. Das heißt, die Regierenden haben nicht nur eine Verantwortung für die, die als Migranten an der Türe klopfen, sondern auch für die, die in unserem Land schon leben.

Wir haben nun einmal einen Papst, dessen Haltung zu drängenden Fragen der Zeit nicht immer einem einzigen Dokument oder lehramtlichen Text zu entnehmen ist. Da muss man bisweilen mehrere Dokumente zusammennehmen, auch solche, die er in freier Rede äußert, wie jetzt bei der fliegenden Pressekonferenz. Somit empfiehlt sich für die, die jede Aussage von Franziskus verfolgen, eine gewisse Besonnenheit: Nicht jeden starken Satz als „ultima Ratio“ zu lesen, als „Roma locuta causa finita“. Die gerade in zeitlichen Fragen nötige Differenzierung kommt dann etwas später – wie jetzt geschehen. Wie gesagt, das gilt für die Fragen der Zeit, wie in diesem Fall der Flüchtlingspolitik. Gerade die Medien, aber auch manche Interessengruppen neigen dazu, die Stimme des Papstes zu instrumentalisieren. Doch für jeden, der klug ist, empfiehlt sich dort, wo der Papst nicht unfehlbar spricht, ein gewisses Maß an Verblüffungsresistenz“ (Die Tagespost vom 14.09.2017).

Umgang mit dem Islam

Ein Thema, das nicht wenige Christen beunruhigt, ist die wohlwollende Haltung des Papstes gegenüber den Muslimen bzw. dem Islam. Es macht den Anschein, als hätte dieser Papst noch nie den Koran zur Hand genommen und deshalb keine Ahnung von den grausamen Mordbefehlen, die darin gegen Christen vorgeschrieben sind und die tagtäglich irgendwo ausgeführt werden (vgl. Sure 9,30).

Jorge Bergoglio hat offensichtlich schon früh den Islam durchschaut und erkannt, wie gefährlich er sein kann. Dies dürfte ihn dazu veranlasst haben, sich mit dem Konzilsdokument „Nostra aetate“ zu identifizieren, das sich jeder kritischen Äußerung enthält. So sagt auch Franziskus nie etwas Negatives über den Islam. Das bezeugt schon seine Reaktion auf die berühmte Vorlesung, die Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 in Regensburg gehalten hat. Damals hatte Benedikt aus dem Dialog des byzantinischen Kaisers Manuel II. Paläologos mit einem muslimischen Gelehrten die Worte zitiert: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Bald darauf meldete sich Kardinal Bergoglio – als einziger Bischof – zu Wort und distanzierte sich öffentlich von diesem Zitat. Nicht nur in den Medien, sondern auch in kirchlichen Kreisen hieß es, dass der Primas von Argentinien dem Papst in den Rücken gefallen sei. Umso entsetzter waren die Kritiker, als die Proteste der Muslime immer lauter wurden. Den Christen wurde regelrecht der „Krieg erklärt“, viele wurden angriffen und sogar getötet. Schließlich sah sich Papst Benedikt gezwungen, sich von diesem Zitat öffentlich zu distanzieren, um die Muslime zu beruhigen.

Papst Franziskus ist sich also der Tatsache bewusst, dass eine öffentliche negative Bemerkung über den Islam und seinen Propheten seitens einer kirchlichen Autorität dramatische Folgen haben kann. Alle Versuche, dem Papst ein Wort der Kritik bzw. ein negatives Urteil über den Islam zu entlocken, blieben bisher erfolglos. Als er beim Rückflug aus Polen gebeten wurde, sich über die rituelle Hinrichtung des französischen Priesters Jacques Hamel durch Islamisten zu äußern, antwortete er mit einem makabren Vergleich. Er sagte, es gebe auch unter Christen „Terroristen“. So habe neulich ein Christ seine Schwiegermutter erschlagen, ein anderer seine Geliebte. „Und das waren getaufte Christen!“, fügte er hinzu. Dieser Papst macht sich eher selber zum Narren, als etwas Negatives über den Islam zu sagen. Er wollte den Journalisten klarmachen, dass sie ihm kein negatives Wort über den Islam abringen können.

Diese „Hochachtung“ des Papstes gegenüber dem Islam wird von etlichen Christen als Verrat an Jesus Christus betrachtet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Gerade durch seine Menschenfreundlichkeit verkündet er überzeugend Jesus Christus und liefert einen Beweis von der Liebe Christi. Und sein Zeugnis kommt an. In der islamischen Welt wird dieser Papst wie kein anderer vor ihm geschätzt. Bei seinen Besuchen in islamischen Ländern kommen zahlreiche Muslime zu seinen Messfeiern und hören ihm zu. Seine guten Beziehungen zur Kairoer islamischen Al-Azhar-Universität haben beispielsweise dazu geführt, dass der Rektor dieser Universität nach dem Attentat am 29.12.2017 in einer koptischen Kirche mit neun Toten einen Aufruf an alle Muslime in Ägypten gerichtet hat mit der Bitte, die Christen vor Attentaten zu schützen. Und der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi wohnte in den beiden letzten Jahren zu Weihnachten der Christmette in Kairo bei. Solche Gesten können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie sollten von allen bedacht werden, denen die Achtung des Papstes gegenüber den Muslimen ein Ärgernis ist.

„Amoris laetitia“ im Licht der traditionellen Glaubenslehre

Einige Aussagen des päpstlichen Rundschreibens „Amoris laetitia“ (AL) haben unter Theologen wie unter Gläubigen heftige, mitunter leidenschaftliche Auseinandersetzungen ausgelöst. Strenggläubige Katholiken werfen Papst Franziskus vor, er würde sich in Bezug auf die pastorale Betreuung der wiederverheirateten Geschiedenen nicht immer an die traditionelle Lehre der Kirche halten und dadurch Verwirrung stiften.

Wer die Aussagen des Papstes richtig verstehen will, muss den gesamten Kontext beachten und zu einer umfassenden Analyse des Dokuments bereit sein (vgl. Kästchen S. 25). Außerdem gilt es, die Perspektive zu beachten, also zu bedenken, dass Jesus nicht für die Gesunden gekommen ist, sondern um die Verletzten und Gestrauchelten zu erlösen und zu heilen. Man sollte sich fragen: Kenne ich Eheleute, die Schiffbruch erlitten haben? Habe ich dabei „mitgelitten“? Kenne ich Leute, die eine zweite Verbindung eingegangen sind? Kenne ich Wiederverheiratete, die eine solide Familie mit Kindern gründen konnten?

Wer den Text von einer streng legalistischen Warte aus betrachtet, wer vom Buchstaben des Gesetzes bzw. vom Kirchenrecht ausgeht und jeden Satz des Schreibens für sich analysiert, wird gewisse Aussagen beanstanden. Doch haben wir wirklich verstanden, weshalb Jesus den Kreuzestod auf sich genommen hat? Reagieren wir nicht ähnlich wie damals die Pharisäer, die stets auf der Lauer lagen, um Jesus Gesetzesverletzungen vorzuwerfen? Gesetze sind notwendig, doch müssen sie den Menschen zur Erlösung hinführen. Ein Gesetz darf nicht den Zugang zum Heil versperren.

Nach dem Erscheinen des Schreibens haben sich vier Kardinäle mit fünf „Dubia“ – „Zweifeln“ an Papst Franziskus gewandt. Es geht um theologische Fragen hinsichtlich der Ehepastoral, welche eine situationsbezogene seelsorgliche Betreuung von Wiederverheirateten in Aussicht stellt. Doch Papst Franziskus ging nicht darauf ein. Warum?

Mir kommt sein Schweigen wie die Reaktion des Pilatus auf den Einwand der Juden vor. Er sollte die Inschrift „Jesus Nazarener König der Juden“ entfernen oder korrigieren. Doch er erwiderte: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“ Dies bedeutet, es wird nichts daran geändert. Nach Franziskus muss die Kirche in jedem einzelnen Fall entscheiden, worauf es bei der pastoralen Betreuung ankommt. Es gibt diesbezüglich keine Patentlösung.

In diesem Sinn erinnert mich das Verhalten des Papstes noch mehr an Jesus selbst. Eine Gruppe von Juden stellte eine Ehebrecherin vor Jesus hin und wollte ihn zu einer verbindlichen Stellungnahme zwingen. Denn sie erkannten einen offenkundigen Widerspruch zwischen „seiner“ Barmherzigkeit und dem Gesetz des Mose. Für sie war beides unvereinbar. Doch Jesus forderte die Fragenden ihrerseits zu einer Entscheidung heraus: „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“ Dann schwieg er, bückte sich und schrieb etwas in den Sand. So lieferte er sie ihrem eigenen Gewissen aus. Auf ähnliche Weise gibt Papst Franziskus den Seelsorgern zu verstehen, dass sie selber entscheiden müssen, was in den konkreten Konfliktsituationen zu tun ist, um die Betroffenen zu heilen und Christus näher zu bringen, und zwar nach ihrem besten Wissen und Gewissen sowie nach dem Gewissen der Betroffenen selbst.

Das private Leben von Papst Franziskus

Worüber der Papst nie spricht, ist sein Leben in der Nachfolge Jesu, das er völlig unauffällig in klarer Ordnung und mit eiserner Disziplin gestaltet. So „haust“ er äußerst bescheiden im Gästehaus des Vatikans, in einfachen Zimmern. Zum Mittagessen begibt er sich in die Kantine und steht dort Schlange. Dann setzt er sich, wo gerade Platz frei ist und sucht den Kontakt zu seinen jeweiligen Tischnachbarn. Auch bereitet er sich selbst das Abendessen zu und trägt seine Schuhe, bis sie abgenutzt sind, und putzt die Räume seiner Wohnung selber. Wichtig ist, dass er jeden Morgen, in aller Frühe, zwei Stunden lang im kontemplativen Gebet verharrt. Dies ist sicherlich der Grund, warum er ausgeglichen ist, Freude ausstrahlt und in allen Situationen der Gleiche ist, ein Kind Gottes, das mit den Menschen, selbst mit „schwierigen Charakteren“, spontan Kontakt aufnehmen kann. Etwas Neues sind seine Worte nach jeder Audienz und nach dem Angelus-Gebet: „Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten.“

Es dürfte Kardinal Bergoglios unbefangene, frohmachende Spontaneität bei gleichzeitiger innerer Festigkeit gewesen sein, weshalb die Kardinäle im Konklave sich „verleiten“ ließen, ihn, einen bisher kaum bekannten Kardinal, schon am 2. Wahltag für das Petrusamt zu bestimmen.

Man kann Papst Franziskus nur gerecht werden, wenn man Jesus vor Augen hat. Grundtenor der Werteskala von Jorge Bergoglio ist seine spontane, offene Menschenfreundlichkeit, vor allem gegenüber den Armen und Erlösungsbedürftigen. Dieser Papst kann nicht nach den üblichen Parametern beurteilt werden. – Als Student trat er in den Jesuitenorden ein, um sich bewusst einer Disziplin unterzuordnen. Jorge Bergoglio ist nämlich von Natur aus ein selbstbewusster Autodidakt, der in der praktischen Seelsorge vor allem unter den einfachen Menschen Karriere gemacht hat und sich dabei zu einem Giganten entwickelt hat.

Als er gefragt wurde, welche Bücher er im Falle einer Flucht mitnehmen würde, antwortete er, die Bibel und sein Adressennotizbuch. Mit nur zwei Wörtern hat er somit die beiden Pole seines Interesses beschrieben. Alles, was dazwischen liegt, ist für ihn nur insofern relevant, als es der besseren Verbindung zwischen Gott und den Sündern bzw. den Menschen untereinander dienlich ist. Der Verdacht, er wolle die Kirche in eine weltliche Institution verwandeln, ist absurd, ebenso der Vorwurf, er verbreite Häresien. Was er tut, ist, auf Jesus zu schauen und nach dessen Maxime „Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen“ zu handeln.

Seine Ausgewogenheit kommt ganz deutlich in einem Kommuniqué an eine in Rom tagende Bischofssynode zum Ausdruck. Papst Franziskus warnte die Bischöfe gleichermaßen vor einer „feindlichen Erstarrung“ wie vor einer „falschen Barmherzigkeit“: Der einen Versuchung würden „Traditionalisten und Intellektualisten“ erliegen, die sich „im Geschriebenen einschließen und sich nicht von Gott überraschen lassen wollen“. Die Versuchung einer „falschen Barmherzigkeit“ sei hingegen typisch für die sogenannten „Progressiven und Liberalen“ sowie für ein „zerstörerisches Gutmenschentum“. Sie würden Wunden verbinden, „ohne sie zuvor zu pflegen und zu behandeln.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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Signifikante Aussagen im 8. Kapitel von „Amoris laetitia“

Von Papst Franziskus

(Nr. 298:) „Die Geschiedenen in einer neuen Verbindung … können sich in sehr unterschiedlichen Situationen befinden, die nicht katalogisiert oder in allzu starre Aussagen eingeschlossen werden dürfen, ohne einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung Raum zu geben. Es gibt den Fall einer zweiten, im Laufe der Zeit gefestigten Verbindung, mit neuen Kindern, mit erwiesener Treue, großherziger Hingabe, christlichem Engagement, mit dem Bewusstsein der Irregularität der eigenen Situation und großer Schwierigkeit, diese zurückzudrehen, ohne im Gewissen zu spüren, dass man in neue Schuld fällt. Die Kirche weiß um Situationen, in denen ,die beiden Partner aus ernsthaften Gründen – zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder – der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können."[1] Es gibt auch den Fall derer, die große Anstrengungen unternommen haben, um die erste Ehe zu retten, und darunter gelitten haben, zu Unrecht verlassen worden zu sein, oder den Fall derer, die ,eine neue Verbindung eingegangen [sind] im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und … manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung [haben], dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war."[2] Etwas anderes ist jedoch eine neue Verbindung, die kurz nach einer Scheidung eingegangen wird, mit allen Folgen an Leiden und Verwirrung, welche die Kinder und ganze Familien in Mitleidenschaft ziehen, oder die Situation von jemandem, der wiederholt seinen familiären Verpflichtungen gegenüber versagt hat. Es muss ganz klar sein, dass dies nicht das Ideal ist, welches das Evangelium für Ehe und Familie vor Augen stellt. Die Synodenväter haben zum Ausdruck gebracht, dass die Hirten in ihrer Urteilsfindung immer ,angemessen zu unterscheiden‘typo3/#_ftn3[3] haben, mit einem ,differenzierten Blick‘ für ,unterschiedliche Situationen‘.[4] Wir wissen, dass es ,keine Patentrezepte‘typo3/#_ftn5[5] gibt.

(Nr. 300:) Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen – wie jene, die wir vorhin erwähnten – berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte. Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle. Und da ,der Grad der Verantwortung […] nicht in allen Fällen gleich [ist]‘,[6] müsste diese Unterscheidung anerkennen, dass die Konsequenzen oder Wirkungen einer Norm nicht notwendig immer dieselben sein müssen.[7] Die Priester haben die Aufgabe, ,die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre der Kirche und den Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten. In diesem Prozess wird es hilfreich sein, durch Momente des Nachdenkens und der Reue eine Erforschung des Gewissens vorzunehmen. Die wiederverheirateten Geschiedenen sollten sich fragen, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten haben, seit ihre eheliche Verbindung in die Krise geriet…“

(Nr. 301:) „… Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in irgendeiner sogenannten ,irregulären‘ Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben. … Wie die Synodenväter richtig zum Ausdruck brachten, ,kann [es] Faktoren geben, die die Entscheidungsfähigkeit begrenzen.‘[8] Schon der heilige Thomas von Aquin räumte ein, dass jemand die Gnade und die Liebe besitzen kann, ohne jedoch imstande zu sein, irgendeine der Tugenden gut auszuüben,[9] so dass er, selbst wenn er alle ihm eingeflößten moralischen Tugenden besitzt, das Vorhandensein irgendeiner von ihnen nicht deutlich offenbart, weil die praktische Ausübung dieser Tugend erschwert ist: ,Es wird gesagt, dass einige Heilige keine Tugenden besitzen, insofern sie Schwierigkeiten empfinden in deren Ausübung, obwohl sie die Gewohnheiten aller Tugenden haben.“[10]

(Nr. 302:) „In Bezug auf diese Bedingtheiten macht der Katechismus der Katholischen Kirche eine überzeugende Aussage: ,Die Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie können durch Unkenntnis, Unachtsamkeit, Gewalt, Furcht, Gewohnheiten, übermäßige Affekte sowie weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren vermindert, ja sogar aufgehoben sein.“[11]

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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[1] Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 84: AAS 74 (1982), 186. Viele, welche die von der Kirche angebotene Möglichkeit, „wie Geschwister“ zusammenzuleben, kennen und akzeptieren, betonen, dass in diesen Situationen, wenn einige Ausdrucksformen der Intimität fehlen, „nicht selten die Treue in Gefahr geraten und das Kind in Mitleidenschaft gezogen werden [kann]“. (Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute, 51).
[2] Joh. Paul II.: Familiaris consortio, a.a.O., 186.
[3] Relatio Synodi 2014, 26.
[4] Ebd., 45.
[5] Benedikt XVI.: Gespräch mit dem Papst beim VII. Weltfamilientreffen (Mailand, 2. Juni 2012), Antwort 5: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 42, Nr. 24 (15. Juni 2012), 12.
[6] Ebd., 51.
[7] Auch nicht auf dem Gebiet der Sakramentenordnung, da die Unterscheidung erkennen kann, dass in einer besonderen Situation keine schwere Schuld vorliegt. Dort kommt zur Anwendung, was in einem anderen Dokument gesagt ist: vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 44. 47: AAS 105 (2013), 1038-1040.
[8] Relatio finalis 2015, 51.
[9] Vgl. Summa Theologiae I-II ae, q. 65, art. 3, ad 2; De malo, q. 2, art. 2.
[10] Summa Theologiae I-II ae, q. 65, art. 3, ad 3.
[11] Nr. 1735. 

Kongress „Freude am Glauben“ vom 20.-22. Juli 2018 in Fulda

„Selbstbewusst mit Christus“

Das „Forum Deutscher Katholiken“ will papst- und kirchentreue Katholiken zusammenführen. Als es im Jahr 2000 von Prof. Dr. Hubert Gindert (geb. 1933) gegründet wurde, stand es unter dem Vorzeichen des Pontifikats Johannes Pauls II. und zielte darauf ab, die Anliegen des Papstes in Deutschland zur Geltung zu bringen. Wichtigste Veranstaltung des Forums ist der Kongress „Freude am Glauben“, der seit 2001 jährlich stattfindet. Federführend ist bis heute Prof. Dr. Gindert, der das diesjährige Programm kurz vorstellt.

Von Hubert Gindert

Das „Forum Deutscher Katholiken“ führt vom 20.-22. Juli 2018 in Fulda seinen 18. Kongress „Freude am Glauben“ durch. Was können die Teilnehmer von diesem Kongress erwarten? Der Kongress greift Themen auf, die kirchenverbundene Katholiken bewegen. Ich nenne einige:

• Die Glaubensweitergabe in den neuen Großraumpfarreien.

• Wie können wir unsere Religionsfreiheit und Gewissenentscheidung, angesichts staatlicher Gesetze, die im Widerspruch zur kirchlichen Lehre stehen, bewahren?

• Religionsfreiheit gilt als Menschenrecht. Wie sieht es aber damit in Wirklichkeit in einer Reihe von Ländern aus?

• Das Interesse von Moslems am Christentum in bestimmten Ländern ist größer als wir aus den Medien erfahren. Was geschieht, wenn Moslems Christen werden wollen?

• Welche Bedeutung haben Glauben und Glaubensvermittlung in der Erziehung und Lebensbegleitung durch die Familie?

• Verlässt das vereinigte Europa die Fundamente, auf die es die Gründungsväter Adenauer, Schumann und De Gasperi gestellt haben?

• Was sind die Kraftquellen für uns Katholiken, um in einer säkularisierten Welt unserer Bestimmung und Aufgabe gerecht zu werden und Freude am Glauben zu erleben?

Unsere Referenten werden aus einer klar katholischen Sicht zu den Themen Stellung beziehen. Das halten wir in dieser Zeit der Verunsicherung und Verwirrung, in der viele fragen, was gilt eigentlich noch, auch für geboten.

Einige kurze Stellungnahmen von Referenten sollen das ein wenig erläutern: „Infolge des Priestermangels werden in vielen Diözesen größere Seelsorgeräume gebildet. In dieser Entwicklung liegen große Herausforderungen. Was bedeuten die neuen Strukturen für die Priester? Was bedeuten sie für eine lebendige Weitergabe des Glaubens? Wo liegen die Probleme und wo die Chancen“? (Bischofsvikar Christoph Casetti). „Wer früh eine Beziehung zu Gott aufbauen kann, den trägt diese Beziehung durchs Leben. Deshalb sind Eltern nicht nur die ersten Erzieher, sondern sie und die Großeltern sind auch die ersten Vorbilder für einen gelebten Glauben und eine gelebte Glaubensbildung“ (Jürgen Liminski). „Die Legitimität einer medizinischen Intervention bei der Fortpflanzung hängt davon ab, dass sich der Arzt der Tatsache bewusst bleibt, dass er es nicht nur mit dem Kinderwunsch eines Paares, sondern mit dem Kind als einem dritten Subjekt zu tun hat. Das Kind als eigenständiges Subjekt, dem Menschenwürde zusteht, aber ist das große Tabu der assistierten Reproduktion“ (Prof. Manfred Spieker). Der Kongress erinnert an das Wort von Papst Benedikt XVI.: „Alle Übel lassen sich auf die Vorstellung zurückführen, dass es keine endgültigen Wahrheiten gebe, die unser Leben bestimmen, weil für den postmodernen Menschen die menschliche Freiheit keine Grenzen habe.“

Für Jugendliche und junge Erwachsene gibt es auf dem Kongress ein Medien- und Kommunikationstraining (MAKA-Seminar). Die Teilnehmer lernen, wie man Fragen richtig stellt und beantwortet, wie man Botschaften und Statements entwickelt und formuliert. Sie werden auf diesem Seminar in die Medien- und Kommunikationswelt eingeführt.

Der Kongress bietet außerdem ein Rahmenprogramm mit eucharistischer Anbetung, Beichtgelegenheit, Gesprächsmöglichkeit mit den Referenten und die Möglichkeit, sich an den Informationsständen über Initiativen und neue Gemeinschaften zu informieren. Die Kinder werden bis zu fünf Jahren während der Vorträge betreut. Die Sechs bis Zwölfjährigen haben ein eigenes Kinderprogramm.

Die Anmeldung ist auch online möglich unter www.forum-deutscher-katholiken.de oder per Telefax unter 08191-966743.

Wir laden alle Interessierten sehr herzlich zu diesem Kongress ein.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 6/Juni 2018
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