Liebe Leser

Von Erich Maria Fink und Thomas Maria Rimmel

Unser Titelthema „Aufbruch der jungen Kirche im Geist Mariens“ fasst drei Anliegen von Papst Franziskus zusammen. Zum einen geht es um einen „Aufbruch“, wie ihn Franziskus in seinem programmatischen Schreiben „Evangelii gaudium“ – „Freude des Evangeliums“ zum Ausdruck gebracht hat. Der Papst wünscht sich eine missionarische Kirche, die mit neuer Dynamik auf die heutigen Menschen zugeht und ihnen in der Nachfolge Jesu Christi die frohe Botschaft vermittelt.

Was der Papst unter „junger Kirche“ versteht, hat im Nachsynodalen Schreiben „Christus vivit“ – „Christus lebt“ vom 25. März 2019 einen besonderen Niederschlag gefunden. Einerseits blickt Franziskus auf die Anfänge der Kirche zurück, auf die „junge Kirche“ im Abendmahlssaal, die sich für ihren Auftrag der Evangelisierung bis an die Grenzen der Erde rüstet. Andererseits aber meint er mit „junger Kirche“ die Jugendlichen von heute, die schon der hl. Papst Johannes Paul II. „Apostel und Protagonisten der Neuevangelisierung“ genannt hat. Nach Franziskus sind sie berufen, der ganzen Kirche zu helfen, Formen und Wege zu finden, wie sie heute notwendig sind, um das Evangelium in die Herzen der Menschen bringen zu können.

Und schließlich ist es ein Herzensanliegen des Papstes, dass die Kirche ihren missionarischen Auftrag „im Geist Mariens“ erfüllt. Für Papst Franziskus ist die Gottesmutter der Innbegriff von Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit. Mit mütterlicher Sorge eilt sie ihren Kindern zu Hilfe, versteht ihre Schwächen und Nöte, klagt sie nicht an, sondern stellt sich auf ihre Seite und verteidigt sie, versucht sie vor Gefahren und Angriffen des Bösen zu schützen, ermahnt sie voller Güte, zeigt ihnen unermüdlich den richtigen Weg und setzt sich mit der ganzen Kraft ihrer Liebe dafür ein, dass sie gerettet werden. In Panama rief Franziskus die Jugendlichen auf, Maria als Mutter in ihr Leben aufzunehmen und sich ihrer Liebe anzuvertrauen, denn ohne ihren Schutz könnten sie in der heutigen Zeit nicht bestehen. Und immer wieder bringt er seinen Wunsch zum Ausdruck, dass auch die Kirche in all ihrem Tun die Mütterlichkeit Mariens ausstrahle. Die Menschen müssten in der Pastoral eine mütterliche Zuwendung und Fürsorge zu spüren bekommen. Schon in „Evangelii gaudium“ bezeichnet er den marianischen Stil als Voraussetzung für eine erfolgreiche Evangelisierung. Und am 1. Januar 2019 erklärte er, die „göttliche Liebe“ sei „väterlich und mütterlich“, „wie jene einer Mutter, die nicht aufhört, an ihre Kinder zu glauben, und sie nie im Stich lässt. Der Gott-mit-uns liebt uns trotz unserer Fehler, trotz unserer Sünden, trotz der Weise, wie wir die Dinge drehen. Gott glaubt an die Menschheit, von der sich zuerst und unvergleichlich seine Mutter abhebt.“

Auf dem Weltjugendtag in Panama hob Franziskus einen weiteren Aspekt des „Geistes Mariens“ hervor. Das Jawort der jungen Maria, mutig, voller Vertrauen und Entschlossenheit, müsse auch die Beziehung der heutigen jungen Menschen zu Jesus Christus prägen. Wenn sie glücklich werden wollten, müssten sie sich für die Heiligkeit entscheiden. Damit verbunden ist ein weiterer Aspekt: Die ganze „Macht“ Mariens besteht in ihrer vollkommenen Hingabe für die anderen. Sie zeige uns, was es bedeute, eine dienende Kirche zu werden.

Unser verehrter Papst emeritus Benedikt XVI. hat mit seinem überraschenden Brief auf unvergleichliche Weise den Missbrauchsskandal beleuchtet. Die Überlegungen von Papst Franziskus zum „Geist Mariens“ bilden dazu eine tiefgreifende Ergänzung. Liebe Leser, so wünschen wir Ihnen von Herzen österliche Freude und Zuversicht im „Geist Mariens“ und sagen Ihnen ein aufrichtiges Vergelt’s Gott für Ihre Unterstützung.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Maria, das große Vorbild für eine junge Kirche

Das Mädchen von Nazareth

Mit Datum vom 25. März 2019, dem Hochfest der Verkündigung, hat Papst Franziskus das Nachsynodale Apostolische Schreiben „Christus vivit“ – „Christus lebt“ an die jungen Menschen und das ganze Volk Gottes veröffentlicht, unterzeichnet in „Loreto, beim Heiligtum des Heiligen Hauses“. Der Papst sah von Anfang an die Bischofssynode im Herbst 2018 zur Jugendpastoral und den Weltjugendtag in Panama im Januar 2019 als Einheit. Diese Verbindung spiegelt sich auch im Nachsynodalen Schreiben wider. Das umfangreiche Dokument geht häufig auf die Bedeutung Mariens für die Jugendlichen von heute ein, besonders im Abschnitt über den Aufbruch der jungen Kirche (Nr. 43-48).  

Von Papst Franziskus

Im Herzen der Kirche scheint Maria auf. Sie ist das große Vorbild für eine junge Kirche, die Christus mit Frische und Fügsamkeit nachfolgen will. Als sie noch sehr jung war, erhielt sie die Botschaft des Engels und unterließ es nicht, Fragen zu stellen (vgl. Lk 1,34). Doch sie hatte eine bereitwillige Seele und sagte: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“ (Lk 1,38).

Träger einer Verheißung

Noch immer beeindruckt die Kraft des „Ja“ der jungen Maria. Die Kraft jenes „Mir geschehe“, das sie zu dem Engel sagte. Dies war keine passive oder resignierte Einwilligung. Es war etwas Anderes als ein „Ja“, im Sinne eines „Gut, schauen wir mal, was passiert“. Maria kannte diesen Ausdruck nicht: „Schauen wir mal, was passiert.“ Sie war entschlossen, sie hat verstanden, worum es ging, und sagte „Ja“, ohne Umschweife. Es war mehr, es war etwas Anderes. Es war das „Ja“ eines Menschen, der sich einbringen und Risiken eingehen will und alles auf eine Karte setzen will, mit keiner anderen Garantie als der Gewissheit, Trägerin einer Verheißung zu sein. Und ich frage einen jeden von euch: Fühlt ihr euch als Träger einer Verheißung? Welche Verheißung trage ich im Herzen, für die ich mich einsetzen muss? Maria würde zweifelsohne eine schwierige Mission haben, aber die Schwierigkeiten waren kein Grund, „Nein“ zu sagen. Es war klar, dass es Komplikationen geben würde, aber es wären nicht dieselben Komplikationen gewesen, die auftreten, wenn die Feigheit uns lähmt, weil wir nicht im Voraus schon alles geklärt oder abgesichert haben. Maria hat keine Lebensversicherung abgeschlossen! Maria ging das Risiko ein und deswegen war sie stark, deswegen ist sie eine Influencerin, ist sie die Influencerin Gottes! Das „Ja“ und der Wunsch zu dienen waren stärker als die Zweifel und Schwierigkeiten (Ansprache bei der Gebetsvigil mit den Jugendlichen beim 34. Weltjugendtag in Panama am 26. Januar 2019).

Mutiger Aufbruch

Ohne Ausflüchte oder Illusionen wusste sie „den Schmerz ihres Sohnes … zu begleiten; ihn mit dem Blick zu unterstützen und mit dem Herzen zu umhüllen. Ein Schmerz, den sie erlitt, der sie aber nicht gebeugt hat. Sie war die starke Frau des Ja, die unterstützt und begleitet, Schutz gibt und umarmt. Sie ist die große Hüterin der Hoffnung… Von ihr lernen wir, Ja zu sagen zur beharrlichen Geduld und zur Kreativität derer, die in den Situationen, in denen alles verloren scheint, nicht den Mut verlieren und wieder von vorne anfangen“ (Gebet am Ende des Kreuzwegs beim 34. Weltjugendtag in Panama am 25. Januar 2019).

Maria war das Mädchen mit einer großen Seele, das vor Freude jubelte (vgl. Lk 1,47). Sie war das Mädchen mit den vom Heiligen Geist erleuchteten Augen, das vom Glauben her das Leben betrachtete und alles in seinem Herzen bewahrte (vgl. Lk 1,19.51). Sie war jene Unruhige, stets bereit aufzubrechen, die nicht an ihre eigenen Vorhaben dachte, als sie hörte, dass ihre Verwandte sie brauchte. Sie machte sich vielmehr eilig auf den Weg durch das Bergland (vgl. Lk 1,39). Und als es darum ging, ihr Kind zu beschützen, zog sie mit Josef in ein fernes Land (vgl. Mt 2,13-14). Daher blieb sie unter den Aposteln, im Gebet vereint, in Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,14). So ist in ihrer Gegenwart die junge Kirche entstanden mit ihren Aposteln im Aufbruch, um eine neue Welt entstehen zu lassen (vgl. Apg 2,4-11).

Licht der Hoffnung

Dieses Mädchen ist heute die Mutter, die über ihre Kinder wacht, über uns, ihre Söhne und Töchter, die oft müde und bedürftig durch das Leben gehen, die aber den Wunsch haben, dass das Licht der Hoffnung nicht erlischt. Das ist, was wir wollen: dass das Licht der Hoffnung nicht erlischt. Unsere Mutter schaut auf dieses pilgernde Volk, dieses Volk von jungen Menschen, das sie liebt und welches nach ihr sucht in der Stille des eigenen Herzens, trotz des vielen Lärms, Gesprächen und Ablenkungen entlang des Weges. Aber vor den Augen der Mutter ist nur Platz für hoffnungsvolles Schweigen. Und so schenkt Maria von neuem unserer Jugend Licht.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Aufbruch der jungen Kirche im Geist Mariens

Programm der Weltjugendtage

Papst Johannes Paul II. führte 1985 die Weltjugendtage ein. Diese Treffen füllte er mit einem Programm, das er den Jugendlichen aus der ganzen Welt mit auf den Weg gab. Daraus entstand 1989 die „JUGEND 2000“. Sie setzte sich zum Ziel, das Programm des Papstes in der Jugendarbeit umzusetzen. Da für Johannes Paul II. der Blick auf die Gottesmutter eine besondere Rolle spielte, fügte die Jugend 2000 ihrem Namen die Bezeichnung hinzu: „Aufbruch der jungen Kirche im Geist Mariens“. In Panama fand diese Ausrichtung der Jugend 2000 eine einzigartige Bestätigung.  

Von Erich Maria Fink

Vom 25. März 1983 bis zum 22. April 1984, dem Ostersonntag, fand in Erinnerung an Tod und Auferstehung Christi vor 1950 Jahren ein außerordentliches Heiliges Jahr der Erlösung statt. Das Jugendtreffen am Palmsonntag, dem 15. April 1984, wurde wider Erwarten ein Höhepunkt, der mit 350.000 Teilnehmern alle anderen Veranstaltungen des Jubiläumsjahres überragte. Zum Heiligen Jahr hatte Papst Johannes Paul II. im Petersdom ein einfaches Holzkreuz aufstellen lassen. Unter dem Eindruck der begeisterten Jugendlichen vertraute er dieses symbolträchtige Kreuz nach der Schließung der Hl. Pforte am Ostersonntag der Jugend der Welt an. Es wurde zum wichtigsten Symbol der Weltjugendtage.

Das Jahr 1985 hatten die Vereinten Nationen als „Internationales Jahr der Jugend“ ausgerufen. Dies griff Johannes Paul II. auf und veranstaltete wiederum am Palmsonntag, dem 31. März 1985, eine internationale Jugendbegegnung in Rom. Zugleich richtete er an die Jugend der Welt einen wunderbaren Brief, der für die Jugendpastoral überzeitliche Bedeutung hat. Das phänomenale Echo der Jugendlichen veranlasste den Papst dazu, am 20. Dezember 1985 die Weltjugendtage zu einer festen Einrichtung zu erklären. Seitdem finden sie jedes Jahr am Palmsonntag in den Diözesen und Pfarreien statt, zusätzlich alle zwei bis drei Jahre als internationale Großveranstaltungen an ausgewählten Orten der Welt.

Zum Kreuz fügte der Papst als zweites Symbol eine Marien-Ikone hinzu. Auf den Weltjugendtagen hatte sie den Austragungsorten entsprechend jeweils eine andere Gestalt. In Tschenstochau 1991 war es beispielsweise das Gnadenbild der „Schwarzen Madonna“, in Denver 1993 die Darstellung „Maria des neuen Advents“. Am 10. April 2003 übergab der Papst den Jugendlichen jedoch eine Kopie der Ikone „Salus Populi Romani“ von Santa Maria Maggiore in Rom, die nach seinem Wunsch „von nun an – gemeinsam mit dem Kreuz – zur Vorbereitung der Weltjugendtage durch die Welt pilgern wird.“

Johannes Paul II. war von der Vision eines neuen Missionszeitalters erfüllt, eines Frühlings für die Menschheit. In den Jugendlichen sah er die „Apostel der neuen Evangelisierung“, die „Baumeister einer neuen Zivilisation der Liebe“. Die Weltjugendtage nützte er dazu, den jungen Menschen offiziell diese Sendung zu übertragen. Doch stand für ihn fest, dass der Aufbau einer neuen Zivilisation der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe ohne Maria nicht gelingen kann. So rief er die Jugendlichen auf, Maria als Mutter anzunehmen. Die „Pilgerfahrt“ zum Weltjugendtag „muss für einen jeden von uns zu einer vertrauensvollen Übergabe an Maria werden“, so sagte er 1991. Und 2003 schrieb er: „Vertraut euch ihr voll und ganz an!“ Denn „Maria ist die Mutter der göttlichen Gnade“. „So werdet ihr die Schönheit Christi widerstrahlen. Wenn ihr für den Hauch des Geistes offen seid, werdet ihr zu unerschrockenen Aposteln und fähig, um euch herum das Feuer der Liebe und das Licht der Wahrheit zu verbreiten. In der Schule Marias werdet ihr entdecken, welchen konkreten Einsatz Christus von euch erwartet. Ihr werdet lernen, ihm in eurem Leben den ersten Platz zu geben und eure Gedanken und euer Handeln auf ihn auszurichten.“

Nach dem Weltjugendtag in Santiago de Compostela gründeten wir noch 1989 die „Jugend 2000“ als Gemeinschaft von jungen Menschen, welche die Sendung des Papstes annehmen und sein Programm umsetzen wollen. Auf dem Hintergrund seiner marianischen Impulse stellten wir uns unter das programmatische Motto: „Aufbruch der jungen Kirche im Geist Mariens“. Was dieser Geist bedeuten kann, hat Papst Franziskus mit dem marianischen Zyklus der letzten drei Weltjugendtage auf unvergleichliche Weise herausgestellt. Die Reihe begann 2017 mit dem Thema „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,49), fand ihre Fortsetzung 2018 mit dem Thema „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden“ (Lk 1,30) und mündete 2019 in das Thema ein: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

So stand der Weltjugendtag in Panama ganz unter dem Zeichen Mariens. Papst Franziskus wurde nicht müde, den Jugendlichen das mutige „Ja“ Mariens vor Augen zu führen. Wie Maria sollten sie sich vollkommen für Christus entscheiden und diesen Weg mit Maria gehen. Ohne ihren Schutz und ihre zärtliche Liebe könnten sie dem Geist der Welt und der Macht des Bösen nicht widerstehen. Mit Maria aber würden sie befähigt, die Welt zum Besseren zu verändern. Die große Vigil auf dem „Campo San Juan Pablo II“ fand in Gegenwart der originalen Pilgerstatue von Fatima statt, die schließlich von Kerzen begleitet kilometerweit über das ganze Gelände durch die Reihen der Jugendlichen getragen wurde. Nachdem sie die Altarinsel wieder erreicht hatte, beteten alle gemeinsam den Rosenkranz, gestaltet mit eindrücklichen Betrachtungen. Der Papst hatte jedem Teilnehmer einen Rosenkranz geschenkt, und zwar mit Holzperlen, die von palästinensischen Christen aus Olivenholz gefertigt worden waren. Nach dem Abschlussgottesdienst weihte er die Jugendlichen der Welt ausdrücklich dem Unbefleckten Herzen Mariens, damit sie, wie es im Weihegebet heißt, unter dem Schutz Mariens, die Eucharistie lebend und den Rosenkranz meditierend, ihren Beitrag zum Aufbau des Reiches der Gerechtigkeit und der Liebe leisten können. Für die Jugend 2000 hätte es keine schönere Bestätigung ihres marianisch geprägten Weges geben können.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Marianische Akzente in der Jugendpastoral von Papst Franziskus

„Was Er euch sagt, das tut!“

Pfarrer Daniel Rietzler (geb. 1980) ist Jugendseelsorger der Diözese Augsburg und für die Jugendstelle Weißenhorn zuständig. Er begleitete die Gruppe von 160 Jugendlichen, die unter der Trägerschaft der beiden Diözesen Augsburg und Eichstätt sowie der JUGEND 2000 Deutschland am Weltjugendtag in Panama teilgenommen hat. Dabei war er Ansprechpartner für die acht Priester, welche die jungen Pilger zusammen mit Weihbischof Florian Wörner geistlich betreuten. Ausgehend von den marianischen Impulsen, die Papst Franziskus in Panama gegeben hat, stellt Rietzler einige grundsätzliche Überlegungen zum Nachsynodalen Schreiben über die Jugendpastoral von heute mit dem Titel „Christus lebt“ an.  

Von Daniel Rietzler

Der Weltjugendtag in Panama liegt schon wieder einige Wochen zurück und doch ist er auf unterschiedliche Weise nach wie vor lebendig. Er inspiriert mich weiter im alltäglichen Kontakt mit jungen Menschen und in der Arbeit mit den Pfarreien, in der Schule und in der JUGEND 2000. 

Fast drei Wochen durften wir in diesem faszinierend schönen Land mit seinen gastfreundlichen und glaubensfrohen Menschen verbringen. Im Rückblick ist mir vor allem die abendliche Vigil mit den marianischen Akzenten in Erinnerung geblieben:

die Anwesenheit der Statue der Fatima-Muttergottes auf der Altarinsel und ihre Prozession im Anschluss an das offizielle Programm durch die Reihen der ca. 500.000 Jugendlichen, die kunstvolle „Marienmonstranz“, in der Jesus in der Hl. Eucharistie angebetet wurde, das Rosenkranzgebet der Jugend der Welt mit dem schönen, von Papst Franziskus geschenkten Holzrosenkranz in der Hand. Doch den stärksten marianischen Akzent setzte Papst Franziskus selbst: zum einen sehe ich diesen in der schlichten Form der Vigil mit der Hinführung in das stille, mit Maria anbetende und hörende Gebet zum eucharistischen Herrn, zum anderen in seiner Ansprache an die Jugendlichen. Dabei ging er auf die vorausgehenden Zeugnisse junger Menschen ein und brachte sie mit dem Ja-Wort Marias in Verbindung. Am Ende des Abendgebets begab sich der Papst zur Marienstatue, betete in Stille und vertraute der Gottesmutter die Jugend der Welt an, wie er es dann am folgenden Tag mit der Weihe der Jugend an das Unbefleckte Herz Marias nochmals bekräftigte.

Auf dem Hintergrund dieser Beobachtungen stellt sich die Frage: Sind die marianischen Akzente auf dem Weltjugendtag nur der lateinamerikanischen Marienfrömmigkeit geschuldet oder ist uns da etwas geschenkt, das für unsere Arbeit mit jungen Menschen und für die Erneuerung der ganzen Kirche Bedeutung hat? Beinhalten sie nicht sogar einen prophetischen Impuls?

Petrus spricht marianisch

Die Pastoral von Papst Franziskus ist zunächst marianisch geprägt, weil er sich in unterschiedlicher Weise die Worte Marias zu Eigen macht. An erster Stelle steht das Motto des Weltjugendtags, über das er in diesen Tagen immer wieder gesprochen hat: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1, 38). Dazu sagte er: „Noch immer beeindruckt die Kraft des ‚Ja‘ der jungen Maria. Die Kraft jenes ‚Mir geschehe‘, das sie zu dem Engel sagte… Mit wenigen Worten hatte sie den Mut, ‚Ja‘ zu sagen und auf die Liebe, auf die Verheißungen Gottes zu vertrauen, die einzige Kraft, die in der Lage ist, alles zu erneuern, neu zu machen.“

Ein weiteres zentrales Wort Marias verwendete Papst Franziskus als Schlusswort seiner Ansprache bei der Vigil. Er rief der Jugend der Welt zu: „Auch in dieser Nacht sagt sie zu uns: Was er euch sagt, das tut (Joh 2, 5).“ Bei der Hochzeit zu Kana hatte Maria mit diesen Worten die Diener auf den entscheidenden Akteur verwiesen und so dem Wunder der Wandlung den Boden bereitet. In diesen Worten scheinen mir die Hauptanliegen des „Jugendseelsorgers“ Franziskus zusammengefasst zu sein, die er in den letzten Jahren mit der Jugendsynode und dem darauf bezogenen Weltjugendtag in Panama verfolgte.

Seine Pastoral ist auch dadurch marianisch geprägt, weil er wiederholt zu Haltungen ermutigt, für die Maria in besonderer Weise steht und die doch die christlichen Grundhaltungen sind: Lobpreis von Gottes Taten, ein verfügbares Ja gegenüber Gott, stilles und risikobereites Hören auf Gottes Wort, Mut zum Dienen, Annahme auch des zerbrechlichen Lebens, Stehen beim Kreuz und missionarischer Aufbruch.

Jesus spricht „Jugendsprache“

„Was Er euch sagt, das tut!“ Dieses Wort Marias richtet der Petrus unserer Tage immer wieder an die Kirche. Er fordert damit alle ihre Glieder, Bischöfe, Priester, Ordensleute, christliche Eltern, die Gläubigen in den Pfarreien, dazu auf, die Stimme Gottes im Hier und Jetzt unserer Zeit zu hören. Und Franziskus ist überzeugt, dass sich diese Stimme in besonderer Weise durch die jungen Menschen vernehmen lässt. In seinem Brief an die jungen Menschen vom Januar 2017 verweist er dabei auf die Benediktsregel, die den Abt zum Hören auf den jüngsten Bruder ermahnt, da sich nicht selten die Stimme Gottes durch ihn äußere. In diesem Sinn ist auch das unterschiedlich bewertete Instrument des Online-Fragebogens zu verstehen. Es sollte der Kirche dazu verhelfen, zunächst einmal die verschiedenen Stimmen und Anliegen der jungen Menschen zu hören, damit sich auf dieser Grundlage ein Gespräch, ein offener Austausch entwickeln kann. Papst Franziskus weist immer wieder darauf hin, dass die jungen Menschen erst einmal gehört werden müssen, und zwar im Vertrauen darauf, dass sich durch sie wichtige Fingerzeige Gottes entdecken und im Geist Gottes deuten lassen.

In diesem Zusammenhang hat sich mir ein zentrales Wort vom hl. Papst Johannes Paul II. neu erschlossen, der mit der Gründung der Weltjugendtage die Netze unter den Jugendlichen ausgeworfen und so am wunderbaren Fischfang des Petrus im 20. und 21. Jahrhundert mitgewirkt hat. Das Wort lautet: „Der Weg der Kirche ist der Mensch!“ Im Menschen, in seinem Empfinden, in seinen Sehnsüchten, Hoffnungen und Freuden, aber auch in seinen inneren Nöten und Problematiken zeigt sich der Weg, den die Kirche zu gehen hat. Im Schauen und Hören auf den Menschen erkennt sie, wie sie das Evangelium heute verkündigen und die Menschen auf ihrem Weg in die Zukunft begleiten muss.

Papst Franziskus wendet diesen Grundsatz in besonderer Weise auf die jungen Menschen an. Er ist davon überzeugt, dass sich in diesem epochalen Umbruch unserer Zeit der Weg der Kirche dadurch erschließt, dass sie auf die jungen Menschen hört und sie im Licht des Glaubens begleitet. In ihnen kann das Wirken des Geistes gesehen werden, in ihnen wird die „Vision“ Gottes für sein Volk im 21. Jahrhundert erkennbar. Selbstverständlich meint das nicht, dass die Kirche alles ungeprüft zu übernehmen hat, was von jungen Menschen an sie herangetragen wird. Es geht auch nicht darum, die doch ganz unterschiedlichen Erwartungen der heutigen Jugend einfach zu erfüllen. Neben einem echten und wohlwollenden Zuhören, das auch Mühe kostet, braucht es von allen Gliedern der Kirche die Fähigkeit, diese Rückmeldungen mit offenem Herzen „wahrzunehmen“, sie zu begleiten und aus der Mitte des Evangeliums heraus zu „deuten“. Im Vertrauen auf die Führung Gottes kann dadurch etwas Gestalt annehmen, das Gott seiner Kirche zu „wählen“ vorlegt (vgl. zu diesem „Dreischritt“ die Emmauserzählung als biblisches Leitbild im Abschlussdokument der Jugendsynode vom Oktober 2018).

Ich frage mich, wie es möglich ist, diesem Auftrag gerecht zu werden, wie sich Christen vor Ort in den „synodalen Prozess“ mit der Jugend einklinken können, der ja in erster Linie ein geistlicher Prozess ist. Ein erster und wichtiger Schritt wäre es, wenn sich Priester, Hauptamtliche und ehrenamtlich Engagierte überlegen würden, wo sie die Nähe zu jungen Menschen vor Ort leben und so mit ihnen in einen ehrlichen Austausch kommen können. Es muss ein Format gefunden werden, das eine offene Begegnung auch mit älteren Menschen ermöglicht, die aus der Kraft des Glaubens leben und auch sprechen.

Bereits in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“ hat Papst Franziskus die große Verantwortung der ganzen Gemeinde für die Evangelisierung der jungen Menschen hervorgehoben. Er regt die Gemeinden dazu an, sich ehrlich zu prüfen, inwieweit sie mit ihren äußerlichen Verharrungstendenzen und ihrem inneren Mangel an gelebter Glaubensfreude zu einer solchen herausfordernden Weggemeinschaft mit den jungen Menschen in der Lage sind.

Es ist natürlich klar, dass Papst Franziskus das Wort Marias nicht nur auf das Volk Gotts bezieht, sondern, wie er es am Ende der Vigil in Panama getan hat, direkt an die jungen Menschen selbst richtet. Sie müssen hören, was der Herr ihnen sagen möchte.

Einladung an jeden jungen Menschen

Das Wort Marias macht unmissverständlich klar, um wen es in allem kirchlichen Tun und so auch in der Jugendarbeit an erster Stelle zu gehen hat: um Jesus Christus und sein Wort, das vor allem Zuspruch und Ermutigung, aber zugleich auch herausfordernder Ruf ist. „Was Er euch sagt, das tut!“ Diese schlichten Worte lassen die Mitte der Frohbotschaft durchscheinen. Wenn wir sie an einen jungen Menschen richten, rufen wir ihm in Erinnerung: dass er selbst ein von Gott Angesprochener ist, dass Gott ihn zunächst aus Liebe ins Leben gerufen hat, dass sein heilendes und verwandelndes Wort ihm gilt, dass sich durch das Wort Gottes in seinem Leben Jesusbegegnung ereignen kann. An dieser Stelle denke ich an eine der schönsten Aussagen von Papst Benedikt XVI., die sein Nachfolger Franziskus bereits mehrmals auch gegenüber jungen Menschen zitiert hat: „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt.“ Ein ähnliches Wort des hl. Oskar Romero hat Franziskus bei der Eröffnungsfeier in Panama gebraucht: „Das Christentum ist eine Person, die mich so sehr geliebt hat und die meine Liebe ersehnt und verlangt. Das Christentum ist Christus.“

Wie es der ganzen Sendung Marias entspricht, weist ihr Wort „Was Er euch sagt, das tut!“ also ganz auf Jesus Christus hin. Auch Johannes der Täufer hat seine Jünger nicht an sich gebunden, sondern auf den verwiesen, in dem das Reich Gottes anbricht. In ihrer Haltung wird deutlich, worin der kirchliche Auftrag gerade auch im Hinblick auf die Jugendlichen besteht: sie auf Christus zu verweisen, ihnen ihren ganz persönlichen Weg mit Ihm zuzutrauen, sie in innerer Freiheit zu begleiten, so dass sie sich als freigegebene, ja freigesetzte junge Menschen erfahren können. Wie wichtig dieser Aspekt der Jugendarbeit ist, lässt sich gerade in unseren Tagen am Thema Missbrauch besonders deutlich erkennen. Dabei geht es nicht nur um den erschütternden sexuellen Missbrauch, sondern auch um geistlichen Missbrauch, der einen jungen Menschen in eine bestimmte eigene Richtung und einen selbst gewollten Weg zwängen will.

Trotz den Gefahren des Missbrauchs dürfen wir uns in der Seelsorge nicht dem Auftrag entziehen, jungen Menschen zu helfen, den konkreten Ruf Gottes zu hören und ihm zu folgen. Papst Franziskus hat auf dem Weltjugendtag und in den Dokumenten der Synode immer wieder die Notwendigkeit der Begleitung Jugendlicher betont. Es stellt sich hier die grundlegende Frage: Leben wir in unserem kirchlichen Alltag und in unseren jugendpastoralen Institutionen eine Nähe zu den jungen Menschen, die uns zu potentiellen Ansprechpartnern und Wegbegleitern macht? Sind wir als Verantwortliche für Kinder- und Jugendarbeit in der Lage, einen Weg der Unterscheidung in Freiheit zu eröffnen? Machen wir sie vertraut mit der Stimme Gottes, indem wir ihnen helfen, das Wort der Heiligen Schrift zu lesen und zu betrachten? Eröffnen wir ihnen Wege in die Stille und in das persönliche Gebet, wo sich Gottes Stimme vernehmen lässt? Verhelfen wir ihnen darin zu einer marianischen, letztlich christlichen Grundhaltung?

Papst Franziskus hat bei der Vigil darauf hingewiesen, dass Jesu Wort nicht erst im Heute an uns gerichtet ist, sondern vom Beginn unseres Lebens an: „Das Leben, das Jesus uns schenkt, ist eine Geschichte der Liebe, eine Geschichte des Lebens, die sich mit unserer eigenen Geschichte vermischen will.“ Die Geschenke der Liebe Gottes in der Vergangenheit müssten wir wie Maria in lebendiger Erinnerung behalten, damit sich uns ein Weg in der Gegenwart und in der Zukunft eröffnen könne. Franziskus hatte die Themen der drei letzten Weltjugendtage auf diese zeitlichen Dimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgestimmt und die Jugendlichen dazu aufgefordert, „den roten Faden der Liebe Gottes im eigenen Leben zu entdecken“. Dieser Gedanke findet sich auch im Vorbereitungsgebet zum Weltjugendtag in Panama:

„Hilf uns dankbar an die Vergangenheit zu denken, die Gegenwart mutig anzunehmen und die Zukunft hoffnungsvoll aufzubauen. Lass uns auf deine Stimme hören, wie sie in unserem Herzen mit der Kraft und dem Licht des Heiligen Geistes erklingt.“

Animierung zu mutigen Taten

Aus dem Hören auf Jesu Wort und die innere Stimme des Geistes muss schließlich wie bei den Dienern bei der Hochzeit zu Kana das Handeln folgen, wodurch sie an Jesu erstem Wunder mitgewirkt haben. Das fordert junge Menschen heraus, die im „Unbestimmten schweben“ und doch zu mutigen Taten gerufen sind. Der angestoßene synodale Prozess möge auch uns als Kirche vor Ort in Aufbruch versetzen und uns animieren:

1. In einen offenen Austausch mit jungen Menschen in der Pfarrei zu treten und auf ihre Anliegen zu hören („Rom“ ist unseren deutschen Diözesen und Pfarreien da weit voraus. Es ist zu hoffen, dass auch bei uns neue Formate gefunden werden).

2. In den synodalen Prozess mit der Jugend als geistliches Ereignis einzusteigen, wo Glaube zur Sprache kommt. Die Rede von Synodalität darf dabei nicht für eine bestimmte kirchenpolitische Agenda instrumentalisiert werden.

3. In die Hinführung zu einer persönlichen Gottesbeziehung zu investieren, Hilfestellung für persönliches Gebet, Schriftlesung und Unterscheidung im Alltag zu geben und sie doch für ihren (Glaubens) Weg freizugeben.

4. In unseren Pfarreien und darüber hinaus Räume zu eröffnen, wo junge Menschen ihre Überlegungen und Ideen in konkrete Taten und im Dienst an Notleidenden umsetzen können, die dann miteinander zu reflektieren und in der Perspektive Gottes einzuordnen sind.

5. In eine spirituelle Weggemeinschaft mit jungen Menschen einzutreten, so dass sie zu christlichen Persönlichkeiten heranwachsen können, die wir für unsere Kirche und unsere Gesellschaft so sehr brauchen.

Erneuerung der Kirche im Geist Marias

Gerade die Betonung der marianischen Aspekte von Glaube und Kirche durch Papst Franziskus könnte ein wirkliches Heilmittel in der heutigen Krise sein. Hans Urs von Balthasar hat die derzeitige kirchliche Situation bereits im Jahr 1972 geradezu prophetisch diagnostiziert und in Bezug zu Maria gesetzt: „Ohne Mariologie droht das Christentum unter der Hand unmenschlich zu werden. Die Kirche wird funktionalistisch, seelenlos, ein hektischer Betrieb ohne Ruhepunkt, in lauter Planung hinein verfremdet. Und weil in dieser mann-männlichen Welt nur immer neue Ideologien einander ablösen, wird alles polemisch, kritisch, bitter, humorlos und schließlich langweilig, und die Menschen laufen in Massen aus einer solchen Kirche davon“ (Klarstellungen, S. 72).

In ganz ähnlicher Weise hat sich Papst Franziskus vor kurzem bei der Kinderschutz-Konferenz zum marianisch-weiblichen Aspekt von Kirche geäußert, „die ihrerseits Frau ist, Braut ist, Mutter ist. Ein Stil. Ohne diesen Stil würden wir zwar vom Volk Gottes sprechen, aber als eine Organisation, als Vereinigung – nicht als eine Familie, die aus der Mutter Kirche geboren wurde.“

Inmitten der Krise entdecken Menschen in Gebetsgruppen, geistlichen Bewegungen, Glaubenskursen und verschiedenen pfarrlichen Angeboten das Geschenk der Taufe, die uns zu einer neuen Familie der Kinder Gottes macht und uns durch die Sakramente als Leib mit vielen Gliedern wachsen lässt. Diese Erfahrung haben zahlreiche junge Christen auf den Weltjugendtagen gemacht, auch Jugendliche aus unserer Gruppe in Panama. So erfüllt mich Hoffnung. Hoffnung auch, dass die jungen Menschen im Alltag dranbleiben und so zu Jüngern und Missionaren einer erneuerten Kirche werden, die der Welt begeistert Zeugnis von Christus geben.

Was mir von Panama bleibt, ist ein Traum. Es ist ein Traum, den ich mir auch in dieser herausfordernden Kirchenstunde nicht rauben lassen will, ein Traum, der mich in der alltäglichen Jugendarbeit inspiriert und motiviert. Es ist der Traum von einer marianischen Revolution der Kirche, einer Kirche mit dem lebendigen Christus in der Mitte, einer Kirche als lebendige Glaubensgemeinschaft, die im Miteinander von unterschiedlichsten Menschen lebt, die voneinander lernt – Jung von Alt, Alt von Jung. Und es ist schließlich der Traum von einer marianisch jugendlichen Kirche, die der Welt das bezeugt, was Papst Franziskus als erste Worte in seinem Brief „Christus vivit“ an die Jugend schreibt: „Christus lebt und er will, dass du lebendig bist!“ Oh, wie schön kann Kirche sein, Kirche im Stil Marias!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Betrachtung des Papstes zum „Salve Regina“

Königin des Friedens

In seiner Predigt am 1. Januar 2019 in der Petersbasilika lud Papst Franziskus die Kirche zu einem „grenzenlosen Staunen“ über das Geheimnis der Menschwerdung ein: „Gott hat sich an die Menschheit gebunden, für immer!“ Doch sollten wir auch über die Mutter Gottes staunen. Durch sie gieße der „Gott der Nähe“ eine „neue Zärtlichkeit über die Menschheit aus“. Maria als Mutter anzunehmen, sei nicht „optional“, sondern ein verpflichtender Auftrag. Kirche und Welt bräuchten Maria, die in der heutigen „Zersplitterung und Einsamkeit“ allein „die Einheit unter den Kindern wiederherstellen“ könne. So spannte der Papst den Bogen zwischen den beiden Festgedanken des Tages, nämlich dem Hochfest der Gottesmutter Maria und dem 52. Weltfriedenstag. Nachfolgend der zweite Teil seiner Ansprache.  

Von Papst Franziskus

Bitten wir um die Gnade des Staunens!

Die Mutter Gottes, die den Herrn geboren hat, gebiert uns für den Herrn. Sie ist Mutter und bringt die Kinder zum gläubigen Staunen, weil der Glaube eine Begegnung und nicht eine Religion ist. Das Leben ohne Staunen wird grau und eintönig, ebenso der Glaube. Und auch die Kirche muss immer neu das Staunen über die Tatsache lernen, Wohnung des lebendigen Gottes, Braut des Herrn, Kinder gebärende Mutter zu sein. Sonst gleicht sie allzu leicht einem schönen Museum der Vergangenheit. Die „Kirche als Museum“. Maria dagegen bringt eine häusliche Atmosphäre in die Kirche, die Atmosphäre von einem Haus, das der Gott des Neuen bewohnt. Nehmen wir mit Staunen das Geheimnis der Mutter Gottes auf wie die Bewohner von Ephesus zur Zeit des Konzils. Wie sie wollen auch wir sie anrufen als „heilige Mutter Gottes“. Von ihr wollen wir uns anschauen, umarmen und an der Hand nehmen lassen.

Lassen wir uns anschauen!

Besonders in Zeiten der Not, wenn wir uns in den verwickelten Knoten des Lebens verfangen haben, schauen wir zu Recht auf Maria, auf die Mutter. Vor allem ist es aber schön, sich von Maria anschauen zu lassen. Wenn sie uns ihren Blick zuwendet, sieht sie nicht die Sünder, sondern die Kinder. Man sagt, dass die Augen ein Spiegel der Seele sind. Die Augen der Gnadenvollen spiegeln die Schönheit Gottes wider und lassen über uns das Paradies aufscheinen. Jesus hat gesagt, dass das Auge „die Leuchte des Leibes“ (Mt 6,22) ist: die Augen Marias machen alle Dunkelheit hell und entfachen überall die Hoffnung. Ihr auf uns gerichteter Blick sagt: „Liebe Kinder, habt Mut; ich bin da, eure Mutter!“

Dieser mütterliche Blick, der Vertrauen einflößt, hilft zum Wachstum im Glauben. Der Glaube ist eine Verbindung mit Gott, die den ganzen Menschen einbezieht und die zu ihrem Bestand die Mutter Gottes braucht. Ihr mütterlicher Blick hilft uns, uns als geliebte Kinder im gläubigen Volk Gottes zu sehen und uns untereinander über unsere jeweiligen Grenzen und Ausrichtungen hinaus zu lieben. Maria verwurzelt uns in der Kirche, wo die Einheit mehr zählt als die Verschiedenheit, und ermahnt uns, füreinander Sorge zu tragen. Der Blick Marias erinnert daran, dass für den Glauben die Sanftmut wesentlich ist, die die Lauheit fernhält. Zärtlichkeit – die Kirche der Zärtlichkeit. Zärtlichkeit, ein Wort, das heute viele aus dem Wörterbuch tilgen wollen. Wenn im Glauben ein Platz für die Mutter Gottes ist, wird man nie die Mitte, den Herrn, verlieren; denn Maria weist nie auf sich selbst hin, sondern auf Jesus und auf die Geschwister, weil sie Mutter ist.

Der Blick der Mutter und der Blick der Mütter. Eine Welt, die ohne den mütterlichen Blick in die Zukunft schaut, ist kurzsichtig. Selbst wenn sie den Profit mehrt, wird sie es nicht verstehen, in den Menschen Söhne und Töchter zu sehen. Es wird Gewinne geben, aber sie werden nicht allen zukommen. Wir werden im selben Haus wohnen, aber nicht als Geschwister. Die menschliche Familie gründet auf den Müttern. Eine Welt, in der die mütterliche Zärtlichkeit auf ein schlichtes Gefühl beschränkt wird, mag reich an Gütern sein, aber nicht reich an Zukunft. Mutter Gottes, lehre uns deinen Blick auf das Leben und blicke auf uns und auf unser Elend. Wende deine barmherzigen Augen uns zu.

Lassen wir uns umarmen!

Neben dem Blick kommt hier das Herz ins Spiel, denn, so sagt das Evangelium, „Maria bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Maria trug also alles im Herzen und umfing alles, die guten und die schlechten Ereignisse. Und sie erwog alles, das heißt, sie brachte es zu Gott. Hier liegt ihr Geheimnis. Ebenso trägt sie das Leben eines jeden von uns im Herzen: Sie möchte alle unsere Situationen umfangen und sie vor Gott bringen.

Im aufgesplitterten Leben von heute, wo wir Gefahr laufen, den Faden zu verlieren, ist die Umarmung der Mutter wesentlich. Es ist so viel Zersplitterung und Einsamkeit vorhanden: Die Welt ist ganz vernetzt, aber scheint immer uneiniger zu werden. Da ist es nötig, dass wir uns der Mutter anvertrauen. In der Heiligen Schrift setzt sie sich in vielen konkreten Situationen ein; sie ist da, wo es nottut: Sie begibt sich zu ihrer Verwandten Elisabeth; sie kommt den Brautleuten in Kana zur Hilfe; sie ermutigt die Jünger im Abendmahlssaal… Maria ist das Heilmittel gegen die Einsamkeit und die Zersplitterung. Sie ist die Mutter des Beistands; sie steht bei; sie ist bei dem, der allein ist. Sie weiß, dass für den Beistand die Worte nicht genügen. Es bedarf der Gegenwart. Und da ist sie als Mutter zur Stelle. Gestatten wir ihr, unser Leben zu umfangen. Im Salve Regina nennen wir sie „unser Leben“: Dies scheint übertrieben, denn Christus ist das Leben (vgl. Joh 14,6). Doch Maria ist so eins mit ihm und uns so nahe, dass es nichts Besseres gibt, als unser Leben in ihre Hände zu geben und sie als „unser Leben, unsre Wonne und unsre Hoffnung“ zu bekennen.

Lassen wir uns an der Hand nehmen!

Und dann lassen wir uns auf dem Lebensweg an der Hand nehmen. Die Mütter nehmen ihre Kinder an der Hand und führen sie mit Liebe in das Leben. Doch wie viele Söhne und Töchter gehen heute eigene Wege und verlieren die Orientierung. Sie glauben, stark zu sein, und sie verirren sich. Sie wähnen sich frei und werden zu Sklaven. Wie viele, die die mütterliche Zuneigung verdrängt haben, leben zornig auf sich selbst und gleichgültig gegenüber allem! Wie viele reagieren auf alles und auf alle mit Gift und Bosheit! So ist das Leben. Sich als böse zu gebärden scheint zuweilen sogar ein Synonym für Stärke zu sein. Doch es ist nur Schwäche. Wir müssen von den Müttern lernen, dass der Heroismus in der Hingabe besteht, die Stärke im Mitleid haben, die Weisheit in der Milde.

Gott ist nicht ohne die Mutter ausgekommen: umso mehr haben wir sie nötig. Jesus selbst hat sie uns gegeben, nicht bei irgendeiner Gelegenheit, sondern vom Kreuz aus: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27), hat er zu dem Jünger gesagt und sagt er zu jedem Jünger. Maria ist kein optional: Sie ist im Leben anzunehmen. Sie ist die Königin des Friedens, die das Böse besiegt und uns auf den Wegen des Guten leitet, die die Einheit unter den Kindern wiederherstellt und zum Mitgefühl erzieht.

Nimm uns an der Hand, Maria. Wenn wir uns an dich klammern, werden wir die bedrückendsten Wechselfälle der Geschichte meistern. Führe uns an der Hand, damit wir die Verbindungen wiederentdecken, die uns zusammenhalten. Sammle uns alle unter deinem Mantel, in der Zärtlichkeit der wahren Liebe, wo sich die menschliche Familie wieder zusammenfindet: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter“. Sagen wir es alle zusammen der Gottesmutter: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter.“

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Maria, Stern der neuen Evangelisierung

Zum Abschluss des „Jahres des Glaubens“ veröffentlichte Papst Franziskus am 24. November 2013, dem Christkönigsfest, sein programmatisches Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ – „Freude des Evangeliums“. Das Dokument schließt mit einem Gebet zur Gottesmutter.  

Von Papst Franziskus

Jungfrau und Mutter Maria,

vom Heiligen Geist geführt

nahmst du das Wort des Lebens auf,

in der Tiefe deines demütigen Glaubens

ganz dem ewigen Gott hingegeben.

Hilf uns, unser „Ja“ zu sagen

angesichts der Notwendigkeit, die dringlicher ist denn je,

die Frohe Botschaft Jesu erklingen zu lassen.

Du, von der Gegenwart Christi erfüllt,

brachtest die Freude zu Johannes dem Täufer

und ließest ihn im Schoß seiner Mutter frohlocken.

Du hast, bebend vor Freude,

den Lobpreis der Wundertaten Gottes gesungen.

Du verharrtest standhaft unter dem Kreuz

in unerschütterlichem Glauben

und empfingst den freudigen Trost der Auferstehung,

du versammeltest die Jünger

in der Erwartung des Heiligen Geistes,

damit die missionarische Kirche entstehen konnte.

Erwirke uns nun einen neuen Eifer als Auferstandene,

um allen das Evangelium des Lebens zu bringen,

das den Tod besiegt.

Gib uns den heiligen Wagemut, neue Wege zu suchen,

damit das Geschenk der Schönheit, die nie erlischt,

zu allen gelange.

Du, Jungfrau des hörenden Herzens und des Betrachtens,

Mutter der Liebe, Braut der ewigen Hochzeit,

tritt für die Kirche ein, deren reinstes Urbild du bist,

damit sie sich niemals verschließt oder still steht

in ihrer Leidenschaft, das Reich Gottes aufzubauen.

Stern der neuen Evangelisierung,

hilf uns, dass wir leuchten

im Zeugnis der Gemeinschaft, des Dienstes,

des brennenden und hochherzigen Glaubens,

der Gerechtigkeit und der Liebe zu den Armen,

damit die Freude aus dem Evangelium

bis an die Grenzen der Erde gelange

und keiner Peripherie sein Licht vorenthalten werde.

Mutter des lebendigen Evangeliums,

Quelle der Freude für die Kleinen,

bitte für uns.

Amen. Halleluja!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Die „Ausstrahlung“ des Stiftes Heiligenkreuz

Evangelisierung durch moderne Medien

Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Christus vivit“ – „Christus lebt“ an die jungen Menschen und das ganze Volk Gottes geht Papst Franziskus auch direkt auf die digitale Welt ein. Einerseits warnt vor den Gefahren, die von der Digitalisierung und dem Internet ausgehen, andererseits aber hebt er die einzigartigen Möglichkeiten hervor, welche die modernen Medien gerade auch für die Evangelisierung und die positive Entwicklung des Menschen bieten. Er nennt sie „eine außerordentliche Chance für Gespräche, Begegnungen und den Austausch mit anderen Menschen“. „In vielen Ländern sind das Internet und soziale Netzwerke heute als Medium unverzichtbar, um junge Menschen zu erreichen und unter anderem auch in pastorale Initiativen und Aktivitäten einzubeziehen“, so heißt es in Nummer 87. Prof. Pater Karl Wallner zeigt am Beispiel Heiligenkreuz auf, wie man diese Chance nützen kann.

Von P. Karl Wallner OCist OCist

Um im Marketing erfolgreich zu sein, muss man eine Voraussetzung erfüllen: Man muss wollen. Das ist auch das wichtigste Prinzip der Pastoraltheologie. Doch was muss man wollen? Es ist in der ersten These des „Mission Manifest“ ausgedrückt. Dort heißt es: „Uns bewegt die Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus Christus bekehren. Es ist nicht mehr genug, katholisch sozialisiert zu sein. Die Kirche muss wieder wollen, dass Menschen ihr Leben durch eine klare Entscheidung Jesus Christus übergeben.“

Es reicht also nicht, eine Institution hochbringen zu wollen, sondern das eigentliche Wollen, um dessen willen es die Kirche überhaupt gibt, muss darauf ausgerichtet sein, dass Christus, der Erlöser der Welt (Salvator Mundi), alle Menschen erreicht, dass er, der das Licht der Völker ist, beginnen kann, durch die Kirche in vielen Herzen Helligkeit zu verbreiten. Das ist der Wille zur Mission, zum Apostolat, zur Pastoral des nachgehenden guten Hirten.

Der Segen des Internets

In Heiligenkreuz wollen wir uns nicht verstecken, sondern ausstrahlen! Das Internet hat uns dabei ungeheuer geholfen. Unter dem Stichwort „Heiligenkreuz“ spuckt Google circa eine Million Treffer aus. Dass wir heute so groß, so viele, so stark sind, das wäre etwa in den 1970er Jahren – ohne Online-Medien – nicht möglich gewesen.

Startpunkt war das Jahr 2000, als das Stift eine Homepage erhielt, die ich als Zuständiger für die Öffentlichkeitsarbeit mindestens einmal täglich mit einem Foto und einer kurzen Nachricht aus dem Klosterleben updatete. Schon im nächsten Jahr kam der erste Ordenseintritt über die Homepage. Ein Musiker war beim Surfen auf unseren „Spleen“ gestoßen, dass wir einerseits die Liturgie ganz nach dem 2. Vatikanischen Konzil feiern, andererseits das Latein und den Choral beibehalten haben. Mönch ist er – und nach ihm viele andere – nicht deshalb geworden, weil er unsere Homepage gelesen hat, sondern weil die reale Wirklichkeit, die er schließlich am Ort vorgefunden hat, die präsentierte Wirklichkeit noch bei weitem übertroffen hat.

Das heutige Heiligenkreuz würde es ohne diese Homepage nicht geben, über deren Notwendigkeit ich noch 1999 mit dem damaligen Hauptökonom heftig streiten musste. Und später kam Web 2.0 mit den Social Media hinzu, das wegen seines volatileren und interaktiveren Charakters von einem anderen Mitbruder betreut wurde und wird. Heute haben wir auf Facebook 22.000 „Freunde“. Außerdem sind wir auf Twitter vertreten.

Die Jugendseelsorger sind in WhatsApp-Gruppen organisiert und auf YouTube haben wir einen eigenen Kanal mit hunderten Produktionen, viele aus unserem eigenen Fernseh- und Radiostudio, das den Namen „Studio1133“ trägt. Das verweist auf das Gründungsjahr 1133. Als Slogan haben wir folglich gewählt: „Seit 1133 auf Sendung“.

Gott hat die Türen geöffnet

Dass das Ganze nicht unsere Marketing-Strategie war, das zeigen die Ereignisse in der jüngeren Geschichte, die unvorhergesehen und gnadenhaft waren: der Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007, auf den 2008 ein weltweiter Sensationserfolg mit einer Gregorianik-CD „Chant – Music for Paradise“ folgte. – Freilich: Gott hat die Türen geöffnet, und wir sind durchgegangen. Es gibt in der Kirche viele offene Türen, durch die niemand hindurchgeht.

Von 1999 bis 2016 war ich für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Dabei war es mir ein Anliegen, die positive Bekanntheit zu nützen, um für die Schönheit christlicher Spiritualität, wie sie sich in der Erhabenheit der Liturgie und den meditativen Gesängen des Gregorianischen Chorals ausdrückt, Werbung zu machen.

Aufbau eines modernen Hochschulcampus

Als die Hörerzahlen ab 2006 explodierten, musste die Hochschule ein umfangreiches Fundraising starten. Zwischen 2013 und 2016 fanden wir die Unterstützung von 22.000 Spendern und konnten die Hochschule und das zugehörige Priesterseminar Leopoldinum aufgrund eines Spendenvolumens von ca. 7,5 Millionen Euro zu einem modernen Hochschulcampus ausbauen.

Für das Stift Heiligenkreuz und die Hochschule war der Aufbruch in die digitale Welt ein Segen, weil wir von Anfang an die neuen Medien genützt haben. Schon den Papstbesuch 2007 konnten wir mittels der informativ und tageszeitungsartig gestalteten Homepage gut organisieren.

Dann haben wir eine moderne Adressverwaltung („Database“) aufgebaut, die ein punktgenaues Mailing ermöglicht, was für die Einladung zu liturgischen Veranstaltungen ebenso wichtig ist wie für Marketingmaßnahmen, etwa für den hochschuleigenen „Be&Be-Verlag“, in dem wir seit 2007 insgesamt 140 wissenschaftliche und geistliche Bücher herausgebracht haben.

Für die Hochschulverwaltung haben wir eine eigene Logistik entwickeln lassen. Kein System bietet eine so einfache Prüfungsanmeldung, ein so übersichtliches Stundenplanmanagement oder einen so einfachen Zugriff auf die riesige Studienbibliothek.

Film- und Fernsehapostolat

Über Facebook, Livestream und YouTube-Kanal und die übrige virtuelle Welt erreichen wir Mönche und Professoren geradezu „Massen“. Manche gestreamte Predigt wird über 40.000 Mal aufgerufen.

Da die Hochschule keinerlei staatlichen oder kirchlichen Mittel erhält, ist sie nicht nur darauf angewiesen, dass die Professoren „um Gottes Lohn“ unterrichten, sondern auch, dass die anfallenden Kosten für den laufenden Betrieb und das Stipendienwesen für Priesterstudenten, die sich das Studium nicht leisten können, durch Spenden finanziert wird. Für dieses „Fundraising“ ist die mediale Ausstrahlung ebenfalls unerlässlich.

Das „Studio1133“ überträgt wöchentlich live Gottesdienste über christliche Fernseh- und Livestream-Medien, produziert Sendungen für den eigenen YouTube-Kanal und hält Medienseminare für die Priesterstudenten. Die Inhalte reichen von Aufnahme- und Schnitttechnik bis hin zum Interviewtraining. – Die Montagsmesse über EWTN, andere Sendungen über Bibel-TV, über K-TV, über Radio Horeb in Deutschland und Radio Maria in Österreich erreichen Zehn-, ja Hunderttausende.

Die Hochschule Heiligenkreuz verwendet die Möglichkeit der Digitalisierung intensiv zum Apostolat, also zur Werbung für den christlichen Glauben.

Das Smartphone ist für die meisten Menschen zur wichtigsten alltäglichen Informationsquelle geworden. Warum sollte einem dort nicht der Glaube begegnen? Wehe uns, wenn wir das Evangelium nicht „von den Dächern“ des Internets verkündigen (Mt 10,27)!

Warum sollten wir die „Demokratisierung“ der Medien, die durch das Internet gekommen ist, nicht nützen, um über das weltweite Netz andere zu erreichen und mit ihnen zu kommunizieren?!

Heiligenkreuz hat etwas zu „vermitteln“

Doch das Ausstrahlen funktioniert nur deshalb, weil Heiligenkreuz in sich einen Campus bildet, dessen spannendster Teil die Hochschule ist. Medien sind ja eben nur „Medien“, also „Mittel“. Wenn man nichts zu vermitteln hat, dann sind auch die Mittel der Vermittlung nichts wert. Daher ist die eigentliche Stärke unseres Stiftes und unserer Hochschule die Realität: die Wirklichkeit einer bunten und um frohes Miteinander bemühten Gemeinschaft; die Wirklichkeit einer idealistischen und geerdeten Studentenschaft, die sich auch sehr bewusst dafür entschieden hat, in Heiligenkreuz zu studieren.

Im europäischen Raum kenne ich keine universitäre Einrichtung, die so sehr den Namen „Campus“ verdient wie die Hochschule Heiligenkreuz. Das drückt sich bereits im modernen und fast schon „stylischen“ Hochschulgebäude aus, das ein alter landwirtschaftlich genutzter Vierkanthof war. Hier fühlt man sich automatisch wohl. Hier findet man alles vor Ort. Und man lebt und wohnt auch hier, man nützt die Mensa im Klostergasthof, man schlüpft zum Chorgebet der Mönche in die romanische Abteikirche oder sitzt meditierend unter den alten Buchen vor der Lourdes-Grotte am Sattelbach, hundert Meter von der Hochschule entfernt. Während an anderen Fakultäten die Zahl der Studierenden der Studienrichtung „Katholische Fachtheologie“ kontinuierlich zurückgeht (im ganzen deutschen Sprachraum sind es nur ca. 2.800 Studenten der „Fachtheologie“), steigt sie bei uns. Unsere 314 Studenten sind bereits 10 Prozent aller Fachtheologiestudenten im deutschen Sprachraum. Das ist ein starker Auftrag von Gott.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Für die ganze Gemeinde unterwegs zum Weltjugendtag

Ereignis der Pfarrei

Eine Jugendliche aus Augsburg berichtet von ihrer Teilnahme am Weltjugendtag 2019. Doch geht es ihr nicht um die Schilderung ihrer Erlebnisse in Panama, sondern darum, wie die Reise einer kleinen Delegation zu einem Ereignis für die ganze Pfarrgemeinde werden konnte. Sie spricht von der „Botschaft“ des Weltjugendtags, von der sie erfüllt ist und die sie auch in ihre Gemeinde hineintragen möchte.

Von Michaela Hertl

Am Weltjugendtag in Panama nahm auch eine kleine Delegation aus unserer Pfarrei „Herz Jesu“ im Augsburger Stadtteil Pfersee teil. Sie bestand aus vier Personen. Zusammen mit unserem jetzigen Kaplan Tobias Seyfried und unserem ehemaligen Kaplan Johannes Prestele haben sich Jonathan Huber und ich auf das Abendteuer Weltjugendtag eingelassen.

Mit einer offiziellen Sendung der Pfarrei

Von Anfang an wurden wir durch unsere Pfarrei und im Besonderen durch unseren Stadtpfarrer Msgr. Franz Götz nachhaltig unterstützt. So stellte er unser Vorhaben der Kirchenverwaltung vor, die uns daraufhin einen erheblichen finanziellen Zuschuss gewährte. Eine richtig gute Sache, wenn man bedenkt, dass eine solche Reise für Schüler oder Studenten nicht unbedingt aus eigener Tasche finanzierbar ist! Ein großes Anliegen war es unserem Pfarrer, dass wir nicht als Privatpersonen zum Weltjugendtag fahren, sondern als Vertreter der Pfarrei. So nützten wir schon im Vorfeld verschiedene Möglichkeiten, um auf unsere Reise aufmerksam zu machen, etwa bei der Adventsfeier der ehrenamtlichen Mitarbeiter oder bei einer Predigt im Gottesdienst. Daneben verfassten wir einen Artikel für unseren Pfarrbrief und unsere Ministranten-Zeitschrift, um möglichst viele Pfarreimitglieder über unsere Reise zu informieren. Auch medial präsentierten wir uns durch einen Online-Blog. Seit Anfang Dezember stellten wir wöchentlich einen Artikel online, bei dem wir von unseren Vorbereitungen berichteten. Wir erklärten beispielsweise, was ein Weltjugendtag überhaupt ist, gaben einen Ausblick auf das Programm, stellten das Land Panama vor und schilderten, welche Gedanken uns vor so einem großen Event umtreiben. Ein besonderes Highlight war für uns die offizielle Aussendung durch die Pfarrei. Im Rahmen eines Gottesdienstes durften wir dazu vor den Altar treten. Viele Gemeindemitglieder versammelten sich um uns, legten uns die Hand auf die Schulter und so empfingen wir den Reisesegen. Es war ein schönes Zeichen, dass wir die ganze Pfarrei mit uns auf die Reise nach Panama nehmen dürfen.

In lebendigem Austausch mit der Gemeinde

Während des Weltjugendtags selbst führten wir den Blog weiter und stellten fast täglich einen Artikel mit Bildern online, um die Daheimgebliebenen quasi live an unseren Erfahrungen und Erlebnissen teilhaben zu lassen. Der Blog wurde wirklich sehr gut angenommen, was uns persönlich richtig gefreut hat. Daneben bedienten wir noch eine andere Online-Plattform. Wir versorgten nämlich auch die Instagram-Seite unserer Pfarrjugend mit Bildern.

Wieder zu Hause angekommen veranstalteten wir im Rahmen eines Weißwurstfrühstücks einen Rückblick auf unsere Reise. Wir zeigten Bilder und Videos und sangen ein paar Lieder, die für uns auf dem Weltjugendtag prägend waren. Das Interesse war einfach überwältigend. Unser großer Pfarrsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Aus allen Altersklassen lauschten Menschen unserem Vortrag und saßen oft mit offenem Mund da. Sie waren wirklich dankbar für unsere Erzählungen und freuten sich darüber, auf diese Weise auch ein Teil des Weltjugendtags geworden zu sein.

Die Botschaft des Weltjugendtags weitergeben

Außerdem durften wir am Sonntag in allen vier hl. Messen ein Zeugnis geben, um so die Botschaft des Weltjugendtags noch einmal zurück in die Gemeinde zu bringen. Nach dem Gottesdienst kamen Leute zu mir und bedankten sich dafür, dass ich bereit war, meine Erfahrungen mit ihnen zu teilen.

Zusätzlich werden wir in unserer Kirche eine Stellwand mit Fotos und kurzen Sätzen zum Weltjugendtag gestalten. Auch im Pfarrbrief wird ein Artikel mit einem Rückblick auf unsere Reise nach Panama erscheinen. Außerdem haben wir vor, an einem Seniorennachmittag von unseren Erlebnissen zu berichten.

Es war für uns ein großes Glück, einen solchen Rückhalt von unserer Pfarrei zu bekommen. Zu wissen, dass wir nicht allein, sondern auch für andere unterwegs sind, hat unsere Reise noch einmal intensiver gemacht. Wir wurden reich beschenkt und dürfen nun mit unseren persönlichen Erfahrungen vor allem die Botschaft des Weltjugendtags weitergeben.  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Bitte um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes

„Komm Herr Jesus“

Die Kirche braucht ein neues Pfingsten. Und die letzten Päpste haben die Gläubigen ausdrücklich dazu ermutigt, voller Zuversicht um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes zu beten. Unter den verschiedenen Initiativen, die Günther Zoppelt zur Erneuerung des Glaubenslebens ins Leben gerufen hat, findet sich auch das sog. „Große Gebet für die Kirche“, das der Bitte um eine Erneuerung im Heiligen Geist Rechnung trägt.

Von Günther Zoppelt und Br. Franziskus OFS

Am Anfang der Schöpfung der Welt schwebte Gottes Geist über der Urflut (Gen 1,2). Durch seinen Geist schuf und ordnete der Schöpfer das Geschaffene, bis es „sehr gut“ war (Gen 1, 31). Am Anfang der Kirche kam der Geist Gottes in Gestalt von Feuerzungen über die im Gebet versammelten Apostel und Jünger: der Heilige Geist erfüllte die aus der Herzenswunde des Erlösers hervorgegangene Kirche mit Feuer, Licht, Kraft und Mut. Da erhob Petrus seine Stimme und begann zu allen zu reden. Und es traf sie mitten ins Herz und sie ließen sich taufen (vgl. Apg 2,1.37.41). Die Kirche war geboren durch das Kommen des verheißenen Heiligen Geistes (Apg 1,5)!

Jesus selbst hat den Heiligen Geist vom Vater über die Kirche ausgegossen, damit er die Jünger „in die ganze Wahrheit führt“ (Joh 16,13) und sie alles lehrt und an alles erinnert, was er ihnen gesagt hat (Joh 14,26). Nur im Heiligen Geist können wir erkennen und bekennen, dass „Jesus der Herr“ ist (1 Kor 12,3). Deshalb ist auch eine wesentliche, substantielle Erneuerung der Kirche unserer Tage nur im Geist Gottes möglich. Die Kirche wird – wie in der Urgemeinde – wieder intensiv um den verheißenen „Beistand“, „Tröster“ und „Lehrer“, den Geist der Liebe und der Wahrheit, beten müssen. Und das nicht nur zu Pfingsten, wenn das Thema „Heiliger Geist“ gerade „in“ ist, sondern ausdauernd. „Sie alle verharrten einmütig im Gebet, zusammen mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14). Die Kirche wird erneuert werden, wenn sie wie damals mit der Mutter Jesu, die zugleich Braut des Heiligen Geistes (Lk 1,35) und Mutter der Kirche ist (Papst Franziskus setzte das Fest auf Pfingstmontag fest), einmütig im Gebet um ein neues Pfingsten fleht: um Einheit im Glauben, kraftvolle authentische Verkündigung, Überwindung der Irrlehren, zeugnishaftes christliches Leben, Verteidigung und Schutz des Lebens von Beginn an, dynamische, begeisterte und ehrfürchtig gefeierte Liturgie, einen neuen Aufbruch zur Mission „Ad Gentes“ und zur Neu-Evangelisierung der schon getauften, aber eingeschlafenen Christen. Der Dienst der neu erblühten Kirche wird mit 30facher, 60facher oder 100facher Frucht gesegnet sein (vgl. Mt 13,23).

Jesus selbst hat seine Kraft für die Verkündigung des Reiches Gottes immer wieder im Gebet vom Vater erlangt. Das Volk Gottes und seine Hirten sind heute gerufen, täglich innig um Gottes Heiligen Geist für eine echte Erneuerung des Glaubens und der Kirche zu beten. Vereintes ausdauerndes Gebet bringt, wie es Bibel und Kirchengeschichte bezeugen, einen Strom von Segen für Land und Kirche: „Bittet, dann wird euch gegeben“ (Mt 7,7). Jesus hat eine Kirche gegründet: „Auf diesen Felsen Petrus werde ich meine Kirche bauen!“ (vgl. Mt 16,18). Der Herr hat demnach nur eine Kirche gewollt und diese ist katholisch, das heißt weltumspannend. Jesus hat zum Vater gebetet, dass seine Jünger eins und in der Einheit vollendet seien, damit die Welt erkennt, dass Er vom Vater gesandt ist (vgl. Joh 17,22.23). Der Herr hat auch angesichts der großen Ernte eingeladen, zu beten, dass Gott „Arbeiter für die Ernte aussende“ (Mt 9,38). Jesus verspricht dem gemeinsamen Beten besondere Erhörung: „Alles, was zwei von euch gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten“ (Mt 18,19).

Jeder Katholik sollte täglich für die Kirche beten, zumindest ein Vaterunser und ein Ave Maria! Es könnte aber auch das sog. „Große Gebet für die Kirche“ sein, das wir wärmstens empfehlen. Es ist ein intensiver Ruf um das Kommen des Heiligen Geistes in die Kirche. Alle großen Anliegen sind darin enthalten: für den Heiligen Vater, die Bischöfe, Priester und Ordensleute, um geistliche Berufungen, die Einheit der Christen, für die verfolgten Christen und um Bekehrung der Feinde der Kirche, für die Jugend, die Kranken, um missionarischen Eifer für alle Christen, für Irr- und Ungläubige. Wenn Millionen Gläubige, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laienchristen, täglich vertrauensvoll und innig um ein Neues Pfingsten beten, wird Gott nicht zögern, sondern unverzüglich antworten (Lk 18,7f.), und wird den „Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13)! Das „Große Gebet für die Kirche“ endet mit dem Sehnsuchtsruf „MARANATHA – KOMM HERR JESUS!“ Eine erneuerte Kirche im Heiligen Geist wird Sauerteig und Licht für die ganze Menschheit sein.

Anmerkung: Das „Große Gebet für die Kirche“ (Faltblatt A6, 4 Seiten, 0,15 Euro) kann bezogen werden bei: Katholische Neuevangelisierung, 1180 Wien, Gentzg. 122/1. Telefon+Fax: (0043)1/4788376. E-Mail: kath.neuevangelisierung@aon.at   

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Verfälschte Geschichtsschreibung um Pius XII.

Hitlers Papst?

Papst Franziskus hat das Interesse für Pius XII. neu geweckt. Er lädt die Forscher ein, das wahre Bild seines Pontifikats während des Zweiten Weltkriegs ans Licht zu bringen. Dazu erinnert Erzbischof Dr. Karl Braun an einen Beitrag, in dem er bereits im Jahr 2000 mit einer Veröffentlichung des britischen Journalisten John Cornwell ins Gericht geht. Die deutsche Übersetzung trägt den Titel „Pius XII. – Der Papst, der geschwiegen hat“ (Verlag Beck, München 1999). Gegenüber dieser verfälschten Geschichtsschreibung um Pius XII. scheint Papst Franziskus nun zielstrebig daran zu arbeiten, den Seligsprechungsprozess voranzubringen. Am 19. Dezember 2009 hatte das Verfahren unter seinem Vorgänger bereits eine wichtige Hürde genommen. Benedikt XVI. erkannte Pius II. den heroischen Tugendgrad zu.

Von Erzbischof em. Karl Braun, Bamberg

Das Buch „Pius XII. – Der Papst, der geschwiegen hat“ von John Cornwell soll nach der Meinung seines Verfassers die erste wissenschaftliche Biografie über Papst Pius XII. sein. Die sachverständige Kritik hat die Publikation schon ziemlich zerrissen, aber denjenigen, die für ihre Kritik an der Kirche und an dem verstorbenen Papst Futter suchen, bietet es manches, wenn auch nicht viel Neues, noch weniger Richtiges. „Wer sich seine alten Vorurteile über Papst Pius XII. bestätigen möchte, wird bei Cornwells Buch bestens bedient“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.01.2000).

Die Hauptthesen Cornwells, die er unter Verschweigen zahlreicher wichtiger historischer Fakten in unwissenschaftlicher und tendenziöser Weise darlegt, lauten: Pius XII. war judenfeindlich – antisemitisch; er sah sein wichtigstes Ziel darin, das 1918 in Kraft gesetzte Kirchenrecht überall zur Geltung zu bringen; er war ein Freund der autoritären Regierungen, darum hat er die deutsche Zentrumspartei und die katholischen Verbände in Deutschland, die nach seiner Meinung Hitlers Herrschaft hätten Widerstand bieten können, geschwächt, wo er konnte. Pius XII. war also, wie es im Titel der englischen Originalausgabe heißt, „Hitler’s Pope“, der Papst, der Hitlers Zielen diente. So etwas ist natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die das vor Jahrzehnten von Rolf Hochhuth gezeichnete Zerrbild dieses Papstes – gegen alle Ergebnisse der internationalen Forschung – für lautere Wahrheit halten, und solche sitzen leider auch in den Redaktionen einflussreicher Medien.

Der aufmerksame Leser wird jedoch bald merken, was von diesem Buch zu halten ist. Zunächst: Es ist nicht, wie behauptet, eine Biografie, eine Lebensbeschreibung des Papstes, sondern es stellt nur einige Abschnitte dar. Wer die – für eine angeblich wissenschaftliche Arbeit erstaunlich wenigen – Anmerkungen liest, wird auch feststellen, dass darin nicht sehr viele Quellen benutzt worden sind, die aber jedem zugänglich wären, der sich ernsthaft für diese Materie interessiert. Neu sind im Wesentlichen die Akten, die im Zuge des Seligsprechungsprozesses für Pius XII. angelegt worden sind, und aus diesen hat der Autor so „ergreifende“ Tatsachen ermittelt wie Gewicht und Körpergröße des Papstes oder – noch interessanter – Auseinandersetzungen im päpstlichen Haushalt zwischen Elisabetta Pacelli und Schwester M. Pascalina Lehnert.

Ein Dokument, das Cornwell als Schlüsselbeweis für die angebliche Judenfeindlichkeit, den Antisemitismus des späteren Papstes betrachtet und das nach Cornwells Selbstreklame wie eine Zeitbombe in den Archiven des Vatikans verborgen gewesen sein soll, ist übrigens schon seit Jahren in voller Länge veröffentlicht und besagt für die behauptete Judenfeindlichkeit des Papstes überhaupt nichts. Es handelt sich um einen Bericht, den der spätere Papst als Nuntius Eugenio Pacelli in München während der Räteregierung über einen ihrer Führer abgegeben hat. Cornwell hat aber nicht gemerkt, dass Pacelli darin nicht seine eigene Auffassung wiedergibt (er hat den Betreffenden gar nicht gesehen), sondern die eines Mitarbeiters. Dass Cornwell dieses Aktenstück für neu und für aufschlussreich hält, disqualifiziert ihn schon als Historiker. Ein Student der Geschichte, der so vorginge wie Cornwell, käme nie durchs Examen. Was der Autor sonst als Beleg für den Antisemitismus Pacellis vorbringt, ist entweder falsch (wie seine frühkindliche Beeinflussung durch einen antisemitischen Grundschullehrer – hier hat er den Text seiner Quelle nicht verstanden!) oder an den Haaren herbeigezogen.

Falsch oder an den Haaren herbeigezogen ist auch manches andere. So seine Meinung, das Konkordat mit Serbien ebenso wie die Konkordate mit deutschen Ländern und das Reichskonkordat hätten den eigentlichen Zweck gehabt, die staatliche Anerkennung des neuen Kirchenrechts zu erreichen. Auch in diesem Zusammenhang hat man den Eindruck, Cornwell wisse weithin nicht recht, wovon er redet.

Dieser Eindruck wird noch stärker, wenn man sich der These zuwendet, nach der Pius XII. den katholischen Verbänden und der Zentrumspartei entgegengearbeitet habe. Dem Autor Cornwell ist offensichtlich nicht bekannt, dass Eugenio Pacelli als Nuntius in Deutschland mit ihnen auf den Katholikentagen guten Kontakt hielt und im Reichskonkordat versucht hat, ihre Existenz auch im nationalsozialistischen Deutschland zu schützen. Er weiß auch nichts davon, dass Pacelli ausdrücklich erklärt hat, das Zentrum sei die einzige Partei in Deutschland, auf die sich die Kirche verlassen könne.

Besonders auffällig werden die Mängel in der Arbeitsweise von Cornwell bei seiner Darstellung der päpstlichen Haltung zur Razzia der SS auf die römischen Juden im Oktober 1943. Durch die Forschungen des englischen, hochangesehenen Historikers Owen Chadwick (eines Nichkatholiken!) steht seit Jahren fest, dass Pius XII. den Abbruch dieser Razzia mit der Drohung eines öffentlichen Protestes erzwungen hat. Die Quellen dazu sind schon lange durch die große Aktenpublikation des Heiligen Stuhls über seine Politik im Zweiten Weltkrieg jedermann leicht zugänglich. Daraus geht unzweideutig hervor, dass der damalige Kardinalstaatssekretär dem herbeizitierten deutschen Botschafter einen öffentlichen Protest Pius‘ XII. angedroht hat, wenn die Razzia nicht abgebrochen werde, und dass er diese Drohung auch aufrecht hielt, als der Botschafter vor den schlimmen Folgen warnte, die ein solcher Protest für den Vatikan haben werde. Cornwell macht daraus das Gegenteil: der Botschafter habe um ei-nen solchen Protest gebeten – vergeblich natürlich. Tatsächlich ist ein Protest des Papstes auch nicht erfolgt, weil Pius XII. sein Ziel auf anderem Wege erreichte. Er hatte auch den deutschen Stadtkommandanten von Rom informieren lassen, und dieser hat die päpstliche Drohung sofort weitergemeldet; daraufhin ist die Razzia abgebrochen worden. Der Bericht des Stadtkommandanten über seine Meldung an die SS ist übrigens auch in der Aktenpublikation des Vatikans nachzulesen.

Auch in vielen Kleinigkeiten steckt das Buch voller Fehler: unter anderem z.B. beim Dankgottesdienst für das Reichskonkordat, den der Nuntius in Berlin zelebrierte, wurden die Nationalhymnen nicht mitten im Gottesdienst gesungen, sondern nach dessen Ende von der vor der Kirche versammelten Menge spontan angestimmt. Man kommt aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Hat hier jemand nur eine schnelle Mark (Dollar, Pfund, Euro) verdienen wollen, der nicht damit rechnete, dass andere Leute sich schon lange über das kundig gemacht haben, was er als neue Weisheit verkauft?

Kundig gemacht habe auch ich mich angesichts der Angriffe auf Pius XII. wegen seiner Haltung zur nationalsozialistischen Judenverfolgung, und zwar nicht erst seit Hochhuths Drama „Der Stellvertreter“ (1963), sondern bereits während meiner römischen Studienjahre (1952-1959, 1962-1966) – und dies auch in Gesprächen mit Persönlichkeiten, die zu den engsten Mitarbeitern des Papstes zählten: vor allem mit den Jesuitenpatres Robert Leiber, Augustin Bea, Paolo Dezza, Gustav Gundlach, Sebastian Tromp und Franz Hürtz.

Mein Resümee: Pius XII. wollte mit aller Entschiedenheit den Massenmord Hitlers an den Juden öffentlich verurteilen. Seinen im Sommer 1942 bereits vorbereiteten scharfen Protest gegen den Holocaust hat der Papst im Interesse der Verfolgten und aus Kenntnis der Machthaber zurückgezogen, weil er befürchten musste, dass er mit seinem Einspruch das Schicksal der Juden noch härter machen würde, bzw. dass die Nationalsozialisten als Reaktion darauf noch grausamer und schneller ihr Ziel der Vernichtung aller Juden verfolgen würden. Ich stimme dem Urteil zu: „Alle Erwägungen, was alles hätte verhindert werden können, wenn der Papst sich nur laut genug geäußert hätte, sind rein spekulativ – von Hochhuth bis zu seinen heutigen Nachbetern. Die historischen Tatsachen sprechen eine eindeutig andere Sprache“ (Otto B. Roegele).

Der Papst litt darunter, wie er sich entscheiden sollte. Das Gewissensdilemma war ihm eine schwere Last. Er wich ihm jedoch nicht feige und ängstlich aus, sondern rang um dessen beste Lösung. In der schwierigen Frage der Güterabwägung – öffentlicher Protest mit der Folge schwerster Vergeltungsmaßnahmen und noch größeren Blutvergießens oder eigene Initiativen zur Rettung der Verfolgten – entschied er sich für ein scheinbares Nichteingreifen, in Wirklichkeit jedoch tätiges Schweigen. Pius XII. ermöglichte so die Rettung von mindestens 700.000, wahrscheinlich aber 860.000 Juden vor dem sicheren Tod durch die Schergen Hitlers. Diese Zahlen stehen, wie der jüdische Historiker Pinchas Lapide erklärt, „in auffallendem Kontrast zu dem unverzeihlichen Zögern und heuchlerischen Lippendienst von Organisationen außerhalb von Hitlers Einfluss, die zweifellos über weit größere Möglichkeiten verfügten, Juden zu retten, solange dazu noch Zeit war“.

Es ist abzusehen, dass die historische Forschung anhand der vatikanischen und anderen Dokumente zu einem sachgerechten Urteil über das Verhalten des Papstes kommen und feststellen wird: Es war der schwierigen Situation angemessen. Pius XII. hat sich bis zum Äußersten bemüht, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen – nicht durch laute Worte mit schrecklichen Folgen, sondern still und zielstrebig, Schritt für Schritt durch hilfreiche Aktionen, über die eine seriöse Geschichtsschreibung zu berichten weiß.

Dem Papst angesichts seines Schweigens zum Holocaust Feigheit oder gar Sympathie für das nationalsozialistische Regime vorzuwerfen, bedeutet verfälschte Geschichtsschreibung und Manipulierung der öffentlichen Meinung. Hier wird an einer „schwarzen Legende“ um Pius XII. gestrickt und die Sensationslust befriedigt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Bei den ständig wiederkehrenden Anschuldigungen gegen Pius XII. geht es nicht nur und nicht so sehr um das Schicksal der verfolgten Juden. Es geht vielmehr zunächst um einen großen Papst, dessen Andenken in den Schmutz gezogen werden soll, letztlich aber um eine von interessierter Seite betriebene Kampagne gegen die katholische Kirche. Es wäre mehr als bedauerlich, wenn sich die Öffentlichkeit von Geschichtsklitterern in die Irre führen ließe und damit Pius XII. weiterhin Unrecht widerführe. Dieser Papst lebte den Ernst und die Milde der Heiligen. Er tat, was er realistischerweise tun konnte. Seine Gewissensentscheidung verdient Achtung.   

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)
  

Zur Entstehung einer schwarzen Legende

„Der Stellvertreter“ und Pius XII.

Der gebürtige Römer und damalige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli wurde am 2. März 1939, an seinem 63. Geburtstag, zum Papst gewählt. Er gab sich den Namen Pius XII. und stand der Kirche in den schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs vor. Aus Anlass des 80. Jahrestags seiner Wahl kündigte Papst Franziskus am 4. März 2019 an, das Vatikanische Geheimarchiv zum Pontifikat von Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs ab dem 2. März 2020 zu öffnen und die einschlägigen Dokumente ohne Einschränkung der geschichtlichen Forschung zugänglich zu machen. Prof. Dr. Wolfgang Koch und seine Frau Dorothea verbinden damit die Hoffnung, dass die über Pius XII. verbreitete „schwarze Legende“ endgültig widerlegt und überwunden werden kann. Denn noch immer prägt das unselige Drama „Der Stellvertreter“ von Ralf Hochhuth aus den 60er Jahren das Bild des Pacelli-Papstes. Das Ehepaar Koch erinnert auch an das Zeugnis von Ion Mihai Pacepa, das ihrer Meinung nach nicht einfach als Verschwörungstheorie abgetan werden sollte, sondern einen tiefen Einblick in die Hintergründe geben könnte.

Von Dorothea und Wolfgang Koch

Zum 80. Jahrestag der Wahl Papst Pius‘ XII. (1886-1958) in für Deutschland schlimmsten Zeiten verkündet Papst Franziskus eine lang ersehnte Botschaft. Binnen Jahresfrist möchte er die Akten des Weltkriegs-Papstes und Architekten des Wiederaufbaus, gerade auch unseres Landes, der Geschichtswissenschaft öffnen.[1] Warum könnte sich diese Entscheidung als segensreich erweisen?

Archive des „pastor angelicus“

„Die Kirche fürchtet die Geschichte nicht, im Gegenteil, sie liebt sie und will sie noch mehr und besser lieben, so wie Gott dies tut“, sagt Franziskus. „Daher öffne ich mit dem gleichen Vertrauen wie meine Vorgänger dieses dokumentarische Erbe und vertraue es den Forschern an“. Wie viele Katholiken hoffen, fällt nach Sichtung der Dokumente das letzte Argument gegen die Fortführung des Selig- und Heiligsprechungsprozesses für den pastor angelicus, den „engelsgleichen Hirten“, wie ihn die Malachias-Weissagung über die Päpste nennt.[2]

Sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. hatte bereits 2006 durch Einleitung der wissenschaftlichen Katalogisierung die jetzt angekündigte Öffnung vorbereitet. Aber die Historiker erwarten nicht, dass die Archive fundamental Neues bergen. Denn schon Papst Paul VI. (1897-1978) setzte eine wissenschaftliche Studiengruppe ein, die über 6000 Dokumente in mustergültiger Edition vorlegten. Erst kürzlich veröffentlichte Michael Feldkamp, renommierter Historiker am Deutschen Bundestag, eine geschichtswissenschaftlich exzellent recherchierte Biografie über Pius XII.[3]

Aber es ist wichtig, endgültig jeden Vorwurf zu entkräften, die Kirche habe etwas zu verheimlichen. Bereits am 19. Dezember 2009 erkannte Benedikt dem pastor angelicus den „heroischen Tugendgrad“ zu. Er habe die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung in einer für seine Zeit vorbildlichen Weise gelebt – ein endgültiges kirchliches Urteil, auch wenn Pius XII. damit noch nicht selig- oder heiliggesprochen ist.

Öffentliches Meinungsbild

Bis heute sieht die Öffentlichkeit Pius XII. jedoch in negativem Licht. Das Bild des großen Papstes ist durch Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter verdunkelt, das am 20. Februar 1963 in West-Berlin uraufgeführt und gleichzeitig als Buch veröffentlicht wurde. Die Regie am „Haus der Freien Volksbühne“ führte Erwin Piscator (1893-1966). Allein in deutscher Sprache erreicht Hochhuths Christliches Trauerspiel eine Auflage von über einer Million Exemplaren. Übersetzungen liegen in mehr als 20 Sprachen vor. Alle Theater des Ostblocks waren verpflichtet, das Stück jährlich aufzuführen.

„Ihr Stellvertreter ist das einzige Drama, das auch im Himmel Wirkung hatte“, eröffnet Der Spiegel 2007 ein Interview mit Hochhuth.[4] „Ihr Porträt eines kaltherzigen, zum Holocaust schweigenden Papstes Pius XII. hat sicherlich dazu beigetragen, dass er bislang nicht seliggesprochen wurde. Inzwischen ist die Geschichtsschreibung deutlich milder. Zeit, Ihr Pius-Bild zu revidieren?“ „Ich habe 1958/60 noch gar nicht gewusst, was Pius XII. für ein genuin schlechter Mensch war“, lautet die Antwort. „Sonst hätte ich das Stück gar nicht schreiben können, hätte eine solche Unfigur auf die Bühne stellen müssen, dass es unspielbar geworden wäre“.

Neben Behauptungen, die er nicht belegt, nennt Hochhuth eine „Geheimrede vor dem Kardinalskollegium“, in der Pius XII. im Jahr der Wannsee-Konferenz von „halsstarrigem Volk“ der Juden und von „Gottesmördern“ sprach. Damit weckt er die Assoziation, Pius XII. habe selbst zum Holocaust beigetragen.

Aber Der Spiegel korrigiert ihn: Es sei keine Geheimkonferenz gewesen, sondern die Weihnachts-Allokution 1942: „Der Papst sprach von den Tränen Jesu ‚beim Anblick Jerusalems, das seiner Einladung und seiner Gnade mit starrer Verblendung und hartnäckiger Verleugnung entgegentrat, die es auf dem Weg der Schuld bis hin zum Gottesmord geführt hat‘.“ Das sei doch Kritik an den gottesfernen Kriegstreibern und Gottesmördern seiner Zeit.

„Ein satanischer Feigling …“

„Pius hat nicht ‚Kriegstreiber und Mörder‘ gemeint, sondern zitiert das Neue Testament“, entgegnet Hochhuth, „ein sehr antisemitisches Werk, das die Juden Gottesmörder nennt.“ Spätestens jetzt halten Christen die Luft an. Würde der Erfolgsautor das Neue Testament verbieten, besäße er auch politische und nicht nur publizistische Macht?

Woher er seine Informationen habe, will Der Spiegel wissen. Als sein Stück entstand, seien die Archivmaterialien unzugänglich gewesen und ungeordnet wie eine Altpapierdeponie. Er habe sich mit einem Mitglied des Staatssekretariats angefreundet, antwortet Hochhuth, will aber keinen Namen nennen. „Mein Stück beruht nicht auf einem Dokument oder einer Information, sondern auf dem Schweigen des Papstes zum Holocaust“.

Aber Pius habe doch den Nationalsozialismus als „satanisches Gespenst“ bezeichnet, die Alliierten hätten die Enzyklika Summi pontificatus von 1939 über Deutschland abgeworfen, insistiert das Nachrichtenmagazin. „Doch wohl nicht, weil nichts darin gestanden hätte?“ Und warum habe der Oberrabbiner von Rom aus Dank Pacellis Vornamen Eugenio angenommen, als er sich taufen lies? Warum lobte die spätere israelische Ministerpräsidentin Golda Meïr Pius zu seinem Tod so überschwänglich? Außerdem habe doch der jüdische Theologe Pinchas Lapide dokumentiert, dass Pius durch seine Diplomatie 700.000 bis 860.000 Juden vor dem Holocaust rettete.

Doch Hochhuth bleibt dabei: „Er war ein satanischer Feigling“. Belege führt er nicht an.

General Ion Mihai Pacepa

Im Januar des Jahres, in dem dieses Interview entstand, erscheint im US-amerikanischen Nachrichtenmagazin National Review ein Artikel, der die Entstehungsgeschichte von Hochhuths Stellvertreter beleuchtet.[5] Er stammt von Ion Mihai Pacepa,[6] bis Juli 1978 Generalleutnant des rumänischen Geheimdienstes Securitate, Berater Nicolae Ceaușescus (1918-1989), Staatspräsident der Sozialistischen Republik Rumänien. Pacepa war stellvertretender Chef des Auslandsgeheimdienstes und Staatssekretär im rumänischen Innenministerium. Zwischen 1957 und 1960 diente er als Leiter der rumänischen Residentur in der Bundesrepublik Deutschland. Im Juli 1978 erbittet er auf einer Dienstreise in der US-amerikanischen Botschaft in Bonn Asyl, das ihm von Präsident Jimmy Carter gewährt wird.

Im September 1978 wird Pacepa in Rumänien zweimal zum Tode verurteilt. Ceaușescu setzt eine Belohnung in Höhe von zwei Millionen US-Dollar auf seinen Kopf aus. Jassir Arafat (1929-2004) und Muammar al-Gaddafi (1942-2011) boten jeweils eine weitere Million Dollar für seine Ergreifung. Erst zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus hebt der Oberste Gerichtshof Rumäniens die Todesurteile gegen Pacepa auf. Sein Rang und sein Besitz werden ihm zurückerstattet.

„Bis heute hat Pacepa mächtige Feinde“, resümiert die FAZ noch im Jahr 2013 und berichtet, „Pacepa ist sicher, dass der lange Arm des KGB aus Putins Russland so weit reicht wie eh und je – bis tief hinein in die Kirchen, in die Universitäten, in die Staatskanzleien“.[7]

Anschlag auf den Vatikan

Die Sowjetunion habe sich nie damit abfinden können, in der gleichen Welt wie der Vatikan zu leben, und wollte den kraftvollen Antikommunismus der katholischen Kirche unterminieren. Mit dieser Feststellung eröffnet Pacepa seinen Artikel und berichtet, wie er ab Frühjahr 1960 selbst damit beauftragt war, die Entstehung des Stellvertreters im dafür günstigen Klima der vorsichtig beginnenden vatikanischen Ostpolitik einzufädeln. Einem der später maßgeblichen Gestalter dieser Politik, dem späteren Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli (1914-1998) habe er in einem Genfer Hotel vorgespielt, Rumänien beabsichtige, die Beziehungen zum Heiligen Stuhl wiederherzustellen. Dazu wünsche es im Gegenzug neben einem finanziellen Kredit Einblick in die vatikanischen Archive, um Dokumente zu finden, die dabei helfen könnten, den Sinneswandel der rumänischen Regierung der Öffentlichkeit zu vermitteln. Tatsächlich hätten die als rumänische Priester eingeschleusten Agenten Hunderte von Aktenstücken verfilmt.

„Moskau wollte den Vatikan durch seine eigenen Priester auf seinem Heimatgebiet als ‚Bastion des Nazismus‘ diskreditieren“, erläutert Pacepa. „Eugenio Pacelli wurde als Hauptziel des KGB ausgewählt, als Inkarnation des Bösen, weil er diese Welt 1958 verlassen hatte.“ „Tote Männer können sich nicht wehren“, sei der neueste Slogan des KGB gewesen. „Die ganze schmutzige Arbeit musste von westlichen Händen unter Verwendung von Beweisen aus dem Vatikan selbst ausgeführt werden. Ich wurde mit einem ‚einflussreichen Mitglied des diplomatischen Corps‘ bekannt gemacht, das, wie mir gesagt wurde, seine Karriere im Vatikanarchiv begonnen hatte. Sein Name war Agostino Casaroli.“ Tatsächlich sei jedoch in all den heimlich fotografierten Dokumenten kein belastendes Material gegen den Pontifex aufgetaucht.

Zur Rolle Erwin Piscators

1963 erfährt Pacepa von General Ivan Agayants (1911-1968),[8] Leiter der Desinformationsabteilung des KGB, Sohn eines armenisch-apostolischen Priesters, von einem in Auftrag gegebenen, äußerst wirkungsvoll konzipierten Drama, das Papst Pius XII. angreife. Sein Titel beziehe sich auf sein Amt als Stellvertreter Christi auf Erden. Erwin Piscator sei der Autor, a devoted communist, der in langjähriger Beziehung zu Moskau stehe. 1929 hatte Piscator das ‚Proletarische Theater‘ in Berlin gegründet und war gemeinsam mit Berthold Brecht (1888-1956) Begründer einer neuen Dramenform, des ‚epischen Theaters‘. Es ist marxistisch orientiert und dient in bewusster Abgrenzung zum aristotelischen Theatergedanken als politisches Instrument zur sozialistischen Veränderung der Gesellschaft. Nach Hitlers Machtergreifung sucht Piscator Asyl in der Sowjetunion und emigriert aber 1936, ernüchtert vom Stalinismus, in die USA. 1962 kommt er nach West-Berlin, um den Stellvertreter zu produzieren.

Der Stellvertreter erblickte 1963 das Licht der Welt als Werk des unbekannten Westdeutschen Rolf Hochhuth“, schreibt Pacepa, der damit in Frage stellt, dass Hochhuth wesentlich zu dem Stück beigetragen habe, das seinen Namen trägt.

Vor dem Erfolg des Stellvertreters arbeitete Hochhuth, der kein Abitur besaß, in untergeordneten Funktionen für den Bertelsmann-Verlag. Von seiner Arbeit freigestellt, geht Hochhuth 1959 für drei Monate nach Rom und behauptet, dort einem Bischof Fragen gestellt und den ersten Entwurf des Stücks verfasst zu haben. Den Namen seines kirchlichen Informanten gibt er bis heute nicht preis. Nach einer umsichtigen Fälschung seien Pius-Akten dem in Rom recherchierenden Hochhuth zugespielt worden, die er im historischen Anhang zum Stellvertreter ausgewertet habe.

Als Der Spiegel Hochhuth im Jahr 2007 nach Pacepa fragt, antwortet Hochhuth: „Das kann sich nur ein Hochstapler ausdenken, der sich dem Westen als angeblich rumänischer Geheimdienstchef anbietet“. Ein Hochstapler ist Pacepa erwiesenermaßen nicht. Historische Gewissheit bieten die Archive des rumänischen Geheimdienstes, sobald sie der Geschichtswissenschaft offen stehen.

Vom Segen offener Archive

„Nicht erst seit dem Fall der Berliner Mauer ist die umfassende Infiltration westdeutscher Journalisten und ihrer Belieferung mit Aktenfälschungen durch KGB und die Staatssicherheit der DDR offenbar geworden“, stellt Dr. Michael Feldkamp fest. Pacepas Bericht passe wie ein fehlendes Puzzleteil in die unsägliche Geschichte der Diskreditierung der katholischen Kirche und ihres Oberhauptes durch kommunistische Propaganda und Desinformation und müsse als glaubhaft eingestuft werden.[9]

Die von Papst Franziskus angekündigte Öffnung der vatikanischen Archive für das Pontifikat des pastor angelicus kann sich für die Kirche als großer Segen erweisen. Wird sie doch letzte Zweifel an der charakterlichen und moralischen Integrität dieses großen Papstes ausräumen und den Weg zu seiner Selig- und Heiligsprechung ebnen. Ein heiliger Papst Pius XII., zu den Ehren der Altäre erhoben, wäre für jeden Gläubigen, aber auch für die Welt ein sichtbares Zeichen, dass sich die katholische Kirche, inmitten aller Stürme unserer Zeit, zu ihrer zeitlosen Identität bekennt.

Möge die Kirche aus ihren Wurzeln heraus wieder gesunden und endlich die geistigen Revolutionen der 1960er Jahre und der folgenden Jahrzehnte bis heute überwinden. „Die Kirche fürchtet die Geschichte nicht, im Gegenteil, sie liebt sie und will sie noch mehr und besser lieben, so wie Gott dies tut“, sagt Franziskus.

Und vielleicht gelten ja selbst für Leute wie Hochhuth und Piscator trotz ihres üblen Tuns Brechts Verse: „Auch der Hass gegen die Niedrigkeit, Verzerrt die Züge. / Auch der Zorn über das Unrecht / Macht die Stimme heiser. Ach, wir / Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit / Konnten selber nicht freundlich sein. // Ihr aber, wenn es soweit sein wird / Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist / Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht.[10] – Wirklich, wir leben ja auch in finsteren Zeiten!

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Papst Franziskus öffnet Archive zu Pius XII., 04.03.2019, www.katholisch.de
[2] H. TROLL (1961): Die Papstweissagung des heiligen Malachias, St. Ottilien 42005.
[3] M. F. FELDKAMP (2018): Pius XII. – Ein Papst für Deutschland, Europa und die Welt, Aachen.
[4] „Ein satanischer Feigling“, in: Der Spiegel, 26. 05.2007, www.spiegel.de
[5] I. M. PACEPA (2007): Moscow’s Assault on the Vatican. The KGB made corrupting the Church a priority, in: National Review, January 25, 2007, www.nationalreview.com
[6] Ion Mihai Pacepa: de.wikipedia.org/wiki/Ion_Mihai_Pacepa
[7] K.-P. SCHWARZ (2013): Rumänischer Offizier Pacepa – Der Kronzeuge soll verstummen, in: FAZ, 16.11.2013, www.faz.net
[8] Ivan Agayants: en.wikipedia.org wiki/Ivan_Agayants
[9] M. F. FELDKAMP (2007): Hochhuths Quellen, in: Vatikan Magazin 3|2007, 28.
[10] B. BRECHT (1934-38): An die Nachgeborenen, www.youtube.com/watch    

Der hl. Pfarrer von Ars über die Jungfrau Maria

Die allerbeste Mutter

Bereits im Jahr 1916 ist eine Sammlung von Zitaten aus den Ansprachen des hl. Pfarrers von Ars erschienen. Sie wurde von Leonz Niderberger unter dem Titel „Goldkörner aus den Reden und Katechesen des seligen Johannes Baptista Vianney, Pfarrer von Ars“ herausgegeben.[1] Zu verschiedenen Themen sind Worte des 1925 heiliggesprochenen Seelsorgers einfach hintereinandergestellt. Diese Glaubensschätze wurden nun dem heutigen Sprachgebrauch angepasst und neu verlegt. Allerdings wurden die Bibelzitate in der ursprünglichen Fassung beibehalten. Nachfolgend sind Aussagen des Heiligen über die Gottesmutter aus dem elften Kapitel wiedergegeben, jedoch in einer anderen Reihenfolge und thematisch aufgegliedert.

Von Jean-Marie Vianney (1786-1859)

Tempel der Heiligsten Dreifaltigkeit

Das schönste Lob auf Maria hat die Kirche ausgesprochen, indem sie Maria die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes, die Braut des Heiligen Geistes nennt. Wenn der ewige Vater sie zu seiner auserwählten Tochter gemacht hat, welchen Strom von Gnaden hat er dann in ihre Seele ergossen! Sie hat allein mehr Gnaden empfangen als die Engel und alle Heiligen zusammen. Er begann damit, sie vor der Erbsünde zu bewahren, ein Gnadenvorzug, der ihr allein zuteilgeworden ist. Er hat sie in dieser Gnade befestigt, sodass sie vollkommen sicher war, sie nie zu verlieren. Er bildete in ihr einen lebendigen Tempel der drei Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Er tat für sie alles, was für ein Geschöpf zu tun ihm möglich war.

Maria allein hat das Glück, die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes, die Braut des Heiligen Geistes zu sein. Durch diese unvergleichliche Würde sieht sie sich mit den drei Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit vereint, um den anbetungswürdigen Leib Jesu Christi zu bilden. Ihrer wollte Gott sich bedienen, um das Reich des Teufels zu zerstören. Sie wurde von den drei göttlichen Personen dazu verwendet, die Welt zu retten, indem sie ihr einen Erlöser gebar. Hättet ihr je gedacht, dass Maria ein solcher Abgrund der Größe, der Macht und der Liebe sei? Nach dem anbetungswürdigen Leib Jesu Christi bildet sie den schönsten Schmuck des himmlischen Hofes.

Gott der Vater hat Wohlgefallen daran, das Herz der allerseligsten Jungfrau Maria als Meisterwerk seiner Hände zu betrachten. Man liebt immer sein Werk, besonders wenn es wohlgelungen ist. Gott der Sohn sieht es, da es das Herz seiner Mutter ist, als Quelle an, aus der er das Blut, das uns erlöst, geschöpft hat. Gott der Heilige Geist betrachtet es als seinen Tempel.

Ein großer Heiliger, ein Marienverehrer, dem die Gnade öfterer Erscheinungen der allerseligsten Jungfrau Maria zuteilgeworden war, fragte sie eines Tages, wegen welches Gnadenvorzugs sie am liebsten verehrt werden wolle, und er erhielt die Antwort: „Wegen meiner makellosen Reinheit.“

Was macht die allerseligste Jungfrau Maria so angenehm in den Augen Gottes, wenn nicht die Demut und die geringe Meinung, die sie von sich selbst hatte?

Der hl. Ambrosius sagt, Maria sei zu einer so hohen Stufe der Herrlichkeit, Ehre und Macht erhoben, dass die Engel selbst es nicht begreifen können; das ist Gott allein vorbehalten.

Vermächtnis des Erlösers

Nachdem Jesus Christus uns alles gegeben hatte, was er uns geben konnte, nämlich die Verdienste seiner Werke, seiner Leiden, seines schmerzvollen Todes und auch, o Wunder, seinen anbetungswürdigen Leib und sein kostbares Blut, wollte er uns noch zu Erben dessen machen, was ihm das Teuerste ist, nämlich seiner heiligen Mutter.

Oft vergleicht man die allerseligste Jungfrau mit einer irdischen Mutter; aber Maria ist noch viel besser als die beste aller Mütter, denn die beste Mutter straft bisweilen ihr Kind, das ihr Kummer verursacht, und schlägt es sogar; sie glaubt, gut daran zu tun. Aber unsere himmlische Mutter Maria verfährt nicht so; sie ist so gut, dass sie uns immer liebevoll behandelt und uns niemals straft.

Das Herz Mariä brennt so sehr in Liebe zu uns, dass die Herzen aller Mütter zusammen nur wie ein Eisklumpen, verglichen mit dem ihrigen, sind.

Die allerseligste Jungfrau hat uns zweimal geboren, bei der Menschwerdung des ewigen Wortes und unter dem Kreuz; sie ist daher zweifach unsere Mutter.

Ich denke, dass am Ende der Welt die Muttergottes endlich Ruhe haben wird; aber solange die Welt besteht, zieht man von allen Seiten an ihr. Die allerseligste Jungfrau ist wie eine Mutter, die viele Kinder hat. Sie ist immerfort damit beschäftigt, von einem zum anderen zu gehen, um allen zu helfen. Sie ist ganz Liebe und Erbarmen, sie ist der stets nach allen Seiten hin ausgestreckte Arm der Barmherzigkeit Gottes.

Mit der Hilfe Mariens brauchen wir nur siegen zu wollen und wir sind sicher, siegreich zu sein. Wenn wir so viele Sünder sehen, die scheinbar nur gelebt haben, um Gott zu beleidigen, und doch noch gerettet werden, suchen wir keinen anderen Grund für diese auffallende Tatsache als den Schutz Mariens. O wie leicht bewirkt derjenige sein ewiges Heil, der seine Zuflucht zu Maria nimmt!

Maria hält stets ihre Augen auf uns, ihre armen Kinder, gerichtet; zu ihr müssen wir also stets unsere Zuflucht nehmen; sind wir versucht, so lasst uns unser Herz Maria zuwenden und wir können sicher sein, entweder von der Versuchung befreit zu werden oder die notwendige Gnade zu erhalten, um nicht in die Versuchung einzuwilligen.

Wollen wir gleich Maria schmerzlos sterben? Leben wir wie sie, ohne unser Herz an die geschaffenen Dinge zu hängen; tun wir wie sie, lieben wir Gott allein, verlangen wir nach ihm allein, suchen wir nur ihm zu gefallen in allem, was wir tun. Glücklich der Christ, der nichts verlässt, um alles zu gewinnen!

Mutter der Barmherzigkeit

Das Herz dieser guten Mutter ist ganz Liebe und Erbarmen; sie wünscht nichts sehnlicher, als uns glücklich zu sehen. Es genügt, sich nur an sie zu wenden, um erhört zu werden.

Die allerseligste Jungfrau stellt sich zwischen ihren göttlichen Sohn und uns arme Sünder. Je tiefer wir im Sündenelend stecken, umso mehr Zärtlichkeit und Mitleid hat sie mit uns. Das Kind, das seine Mutter die meisten Tränen gekostet hat, ist ihrem Herzen das liebste. Eilt eine Mutter nicht immer dem schwächsten ihrer Kinder und dem am meisten den Gefahren ausgesetzten zu Hilfe? Schenkt nicht ein Arzt in einem Krankenhaus den Kränksten die größte Aufmerksamkeit?

Dem Sohn ist die Gerechtigkeit eigen, der Mutter nur Liebe. Gottes Sohn hat uns geliebt bis zum Tod am Kreuz; aber in seinem Herzen wohnt die Gerechtigkeit, die eine hervorragende Eigenschaft Gottes ist; im Herzen der allerseligsten Jungfrau Maria jedoch wohnt nur das Erbarmen. Ihr Sohn war bereit, einen Sünder zu bestrafen. Doch Maria fällt ihm in den Arm, hält das Racheschwert auf und bittet um Gnade für den armen Schuldigen. „Meine Mutter“, sagte Jesus zu ihr, „ich kann dir nichts verweigern. Wenn die Verdammten in der Hölle bereuen könnten, so würdest du auch für sie Gnade erlangen.“

Vor ihrer Geburt lastete der Zorn Gottes wie eine Gewitterwolke über unseren Häuptern, wie ein Schwert, das bereit war, uns zu treffen. Doch als die allerseligste Jungfrau auf Erden erschien, war sein Zorn besänftigt.

Wenn wir uns allzu schuldig fühlen, um von Gott Verzeihung zu erbitten, so wenden wir uns an die allerseligste Jungfrau und wir sind der Vergebung sicher. Wollen wir reich an Himmelsgütern werden? Gehen wir zu Maria, wir werden bei ihr alle Gnaden finden, nach denen wir verlangen können.

Durch Maria zu Jesus

Wenn man einer hochgestellten Persönlichkeit ein Geschenk anbieten will, lässt man es durch eine ihr angenehme Person überreichen, damit das Geschenk umso bessere Aufnahme findet. Ebenso haben auch unsere Gebete ein ganz anderes Verdienst vor Gott, wenn sie durch Maria dem Herrn dargebracht werden, denn sie ist das einzige Geschöpf, das Gott niemals beleidigt hat. Nur die allerseligste Jungfrau hat das erste Gebot in seinem ganzen Umfang erfüllt. „Gott allein sollst du anbeten und ihn aus ganzem Herzen lieben.“

Wenn unsere Hände mit Wohlgerüchen in Berührung gekommen sind, teilen sie dieselben allen Dingen mit, die wir anfassen; lassen wir also unsere Gebete durch die Hände der allerseligsten Jungfrau gehen, so werden sie voll des süßen Wohlgeruches werden.

Niemals werden wir begreifen können, wie sehr Maria danach verlangt, uns zu unserem Heil zu verhelfen, wie sehr sie um uns besorgt ist. Das geringste Vertrauen, das wir auf sie setzen, bleibt niemals ohne Belohnung. Glücklich, wer unter ihrem Schutz lebt und stirbt; man kann mit gutem Grund sagen, dass sein ewiges Heil sicher ist und ihm einst der Himmel zuteilwird.

Wenn ihr von Maria geliebt werdet, so seid ihr sicher, auch von ihrem göttlichen Sohn geliebt zu werden.

Der Wert des Rosenkranzes

Das Ave-Maria ist ein Gebet, dessen man niemals überdrüssig wird. Aus vielen Aves setzt sich der Rosenkranz zusammen. Er besteht aus dem Schönsten und Rührendsten, was es gibt. Es ist eine Andachtsübung, die sich ebenso sehr auf Jesus Christus als auch auf seine Mutter bezieht. Ferner ist es unmöglich, in der Sünde zu verharren, wenn man die Geheimnisse des Rosenkranzes aufrichtigen Herzens betrachtet. Von welcher Seite wir diese Andachtsübung betrachten, überall tritt uns ihre Vortrefflichkeit und Nützlichkeit entgegen.

Seht doch, meine lieben Kinder, wie gut die allerseligste Jungfrau ist! Ihr großer Diener, der hl. Bernhard, sagte oft zu ihr: „Ich grüße dich, Maria.“ Eines Tages antwortete ihm diese gute Mutter: „Ich grüße dich, mein Sohn Bernhard.“

Wenn man von weltlichen Dingen wie Handel, Politik usw. redet, wird es auf die Dauer langweilig. Aber wenn man von der allerseligsten Jungfrau Maria redet, findet man immer neuen Stoff. Die Andacht zur Muttergottes ist ebenso mild und süß wie kräftig und nahrhaft für unsere Seele.

Mittlerin aller Gnaden

Niemals werden wir die Herrlichkeiten Mariens und die Macht, die Christus, ihr göttlicher Sohn, ihr verliehen hat, hinreichend erkennen; niemals werden wir das Verlangen ganz begreifen, das sie hat, uns glücklich zu machen. Sie liebt uns als ihre Kinder, sie freut sich über die Macht, die ihr Gott gegeben, um uns nützlicher sein zu können. Ja, Maria ist unsere Mittlerin; sie bringt ihrem göttlichen Sohn all unsere Bitten dar, unsere Tränen und Seufzer; sie vermittelt uns die für unser Heil nötigen Gnaden.

Alles, was der Sohn vom Vater verlangt, wird ihm gewährt, und alles, was die Mutter vom Sohn verlangt, wird ihr gleicherweise gewährt.

Alle Heiligen entfalteten eine große Andacht zur allerseligsten Jungfrau. Keine Gnade kommt vom Himmel, die nicht durch ihre Hände ginge. Man betritt kein herrschaftliches Haus, ohne sich erst beim Pförtner anzumelden. Nun gut, die allerseligste Jungfrau ist die Pförtnerin des Himmels.

Alle Feste der Muttergottes verkünden uns irgendeine neue große Wohltat des Himmels, aber wir können wohl sagen, dass das Rosenkranzfest wie eine Zusammenfassung aller Gnaden ist, die Gott ihr während ihres Lebens verliehen hat, und es erinnert uns daran, dass ihr göttlicher Sohn alle Gnadenschätze in ihre Hände gelegt hat.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Leonz Niderberger (Hg.): Hl. Pfarrer von Ars – Glaubensschätze aus seinen Predigten und Katechesen, geb., 176 S., 16,95 Euro (D), 17,50 Euro (A), ISBN: 978-3-9454019-8-9 – Media Maria, Tel. 07303-9523310, Fax: 07303-9523315, E-Mail: buch@ media-maria.de

Das Museum „Ars sacrale“ in Paderborn feiert 20-jähriges Bestehen

Schöner Kunst verpflichtet

In einer bedrängten Zeit steht der christliche Gold- und Silberschmid Bernd Cassau unerschütterlich zur Kirche und ihrem Sendungsauftrag. Es ist ihm ein Herzensanliegen, die Schätze der kirchlichen Kunst zu hüten und ihre geistlich-kulturelle Bedeutung auch dem heutigen Menschen zu vermitteln. Voller Idealismus pflegt er sein Museum „Ars sacrale“ in Paderborn, das er vor 20 Jahren eröffnet hat und mit dem er die Botschaft des christlichen Glaubens vor allem in ihrer Schönheit zum Leuchten bringen möchte.

Von Bernd Cassau

Zum 20jährigen Jubiläum des Museums „Ars sacrale“ am 28. Mai 2019 lade ich alle Freunde der Kunst in die Grube 7 in Paderborn ein und möchte zu diesem Anlass ein Resümee über die letzten 20 Jahre, in denen ich meinen Jugendtraum leben durfte, ziehen.

Nach über sechs Jahren Planung wurde das Museum am 28. Mai 1999 durch den damaligen Erzbischof von Paderborn, Dr. Johannes Degenhardt, feierlich eröffnet. An diesem Tag war ich am Ziel einer langen Reise angekommen, die für mich als Kind begonnen hatte. Ich sah die Kinder der Westfälischen Schule für Blinde durch die Grube gehen und nahm mir schließlich vor, irgendwann einmal ein Museum zu eröffnen und mit den Einnahmen die Schule zu unterstützen. Durch die Eröffnung war dieser Moment also gekommen.

Natürlich war dies nicht mein einziges Ansinnen. Ich wollte auch einen Raum der Ruhe und Besinnung schaffen, einen Ort kreieren, an dem es möglich ist, Menschen die Schönheit der kirchlichen Kunst zu vermitteln. Bereits Anfang der 90er Jahre fing ich damit an, viele sakrale Kunstschätze aus aller Welt und fünf Jahrhunderten zusammenzutragen. In meinem Museum habe ich für sie ein würdiges Zuhause geschaffen. Neben den Exponaten aus aller Welt finden sich dort auch besondere Stücke aus der Familienwerkstatt, die seit dem Jahr 1892 besteht. Für einen stolzen Ur-Paderborner mussten selbstverständlich auch einige wertvolle Stücke aus dem Paderborner Land einen Platz im Museum finden, womit ich meine tiefe Heimatverbundenheit zum Ausdruck bringe.

Heute ist das Museum ein fester Bestandteil der Paderborner Museumslandschaft und auch über die Grenzen unserer Domstadt hinaus bekannt. Es erfüllt mich mit Stolz, dieses kulturelle Erbe in Paderborn etabliert zu haben, und treibt mich gleichzeitig dazu an, immer neue Kostbarkeiten aus aller Welt zusammenzutragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Durch meine Arbeit als christlicher Gold- und Silberschmied in der vierten Generation fühle ich mich auch verpflichtet, die Schönheit, das Besondere und die atemberaubende Vielfalt der kirchlichen Kunst aufzuzeigen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich neben alltäglichen kirchlichen Geräten aus den vergangenen Jahrhunderten auch besondere Stücke befinden, die ich besonders hervorheben möchte.

Da ist sicherlich eine neugotische Monstranz zu nennen, die um 1890 entstanden ist und eine handwerkliche Ausführung aufweist, die ihresgleichen sucht, sowie zwei spätgotische Marienskulpturen, die im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts geschnitzt worden sind, aber auch eine Skulptur des Bildhauers Ernst R. Brockschnieder aus Heinsberg bei Aachen, die er nach einer Idee von mir im Jahr 1994 aus Alabaster geschlagen hat. Neben vielen weiteren Stücken möchte ich noch ein besonderes erwähnen, welches für mich als Sinnbild für die Verbindung von kirchlicher und weltlicher Kunst steht. Es ist ein großes Bronzekreuz, das ich zum 100-jährigen Jubiläum von Borussia Dortmund entworfen und hergestellt habe. Für mich als fußballbegeisterter Mensch war dessen Herstellung eine große Freude.

In den letzten 20 Jahren haben viele Menschen das Museum besucht. In unzähligen Führungen durfte ich den interessierten Gästen meinen Traum zeigen und ich werde dies auch hoffentlich noch viele Jahre machen können. Daher wäre es für mich ein großes Geschenk, wenn Sie diesen besonderen Tag mit mir feiern würden. Ich freue mich auf Ihren Besuch am 28. Mai 2019.  

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)

Nachlese zum Jubiläumsjahr „600 Jahre Niklaus von Flüe“ (Teil 2)

Fernnahe Liebe

Rechtzeitig zum 600. Geburtstag des hl. Niklaus von Flüe erschien im Februar 2017 eine biografische Erzählung über das familiäre Leben des Heiligen mit seiner Frau Dorothee Wyss und seinen Kindern. Das Besondere des Buchs besteht darin, dass es Dorothee sprechen lässt und die 20 glücklichen Ehejahre sowie die überraschende Lebenswende ihres Mannes aus ihrer Sicht schildert. Dabei wagen sich die Autoren über die bekannte historische Einordnung in die politischen Zusammenhänge der Schweiz und die theologische Interpretation der mystischen Erlebnisse des Heiligen hinaus. Sie arbeiten die Liebesbeziehung der beiden heraus, in der jeder auf seine Weise gewachsen und gereift ist. Das Buch trägt den Titel „Fernnahe Liebe – Niklaus und Dorothea von Flüe“ und umfasst 192 Seiten.[1] Verfasst wurde es von Dr. Niklaus Kuster ofmcap, der an der Universität Luzern Kirchengeschichte und Spiritualität doziert, und der Germanistin Nadia Rudolf von Rohr. Der Historiker Dr. Roland Gröbli nennt das Buch eine „einfühlsame und packende Lebensgeschichte“, geschrieben mit „Ein- und Weitsicht“.

Von Roland Gröbli  

Dorothees unersetzlicher Beitrag

Es ist heute breit anerkannt, dass der Obwaldner Mystiker und Einsiedler Niklaus von Flüe (1417-1487) ohne die Unterstützung seiner Frau Dorothee Wyss seinen Lebensweg nicht hätte gehen können. Eine biografische Erzählung schildert nun das Leben von Niklaus und von Dorothee aus ihrer Perspektive.

Gemeinsames Ringen

Der Schweizer Kapuziner Niklaus Kuster und die Co-Leiterin der Franziskanischen Gemeinschaft Deutsche Schweiz, Nadia Rudolf von Rohr, erzählen in den Worten von Dorothee Wyss das gemeinsame Leben. Es ist eine unerhörte Geschichte zweier starker Menschen. Dabei schälen sie sorgfältig das innere und äußere, je individuelle und doch gemeinsame Ringen heraus und betten es ein in das gesellschaftliche, politische und soziale Leben jener Zeit und in die Beziehung zu Gott.

Franziskanische Spiritualität

Den beiden Autoren gemeinsam ist ein tiefes Verständnis für Klara und Franz von Assisi und für die franziskanische Spiritualität generell. Niklaus Kuster (1962) trat 1984 in den Kapuzinerorden ein und ist heute vor allem als Dozent und Publizist zur franziskanischen Spiritualität im In- und Ausland tätig. Nadja Rudolf von Rohr (1975) leitet seit 2007 die Deutschschweizer Zentrale der Franziskanischen Gemeinschaft und ist Co-Leiterin der Deutschschweizer Gemeinschaft. Für die studierte Germanistin, die publizistisch tätig ist, ist es das erste Buch.

Einfluss der Eltern auf die Kinder

Diese Biografie wird – daran zweifle ich nicht – über das Gedenkjahr hinaus Bestand haben, denn den beiden Autoren, die sich weitgehend an die historischen Fakten halten, ist eine außerordentlich einfühlsame und packende Lebensgeschichte gelungen. Sie finden eine gelungene Balance der Vertiefung in die persönlichen Auseinandersetzungen der beiden Hauptpersonen und dem Blick auf das große Ganze. Dieser Blick erfasst gesamtschweizerische Ereignisse ebenso wie er die göttliche, die spirituelle Dimension einbezieht. Und erstmals in dieser Deutlichkeit wagen die Co-Autoren eine Annäherung an das Innenleben der Familie von Flüe und der Beziehung der Eltern zu ihren erwachsenen Kindern, namentlich den drei Söhnen Hensli, Welty und Niklaus (Sohn), die in ganz unterschiedlicher Weise dem Vorbild des Vaters folgten. Dieses Buch wird man immer wieder gern zur Hand nehmen.

Der Artikel ist veröffentlicht in der Zeitschrift Kirche heute Nr. 5/Mai 2019
© Kirche heute Verlags-gGmbH (Altötting)


[1] Niklaus Kuster/Nadia Rudolf von Rohr: Fernnahe Liebe – Niklaus und Dorothea von Flüe, HC, 192 S., 4-farb. Abbild., 19,00 Euro zzgl. Versand, ISBN: 978-3-8436-0876-3, Tel. 0711-4406-0, www.patmos.de

Neuen Kommentar schreiben

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder! Die Redaktion behält sich das Recht vor, Kommentare gegebenenfalls nicht für die Veröffentlichung freizugeben oder in Abstimmung mit den jeweiligen Autoren zu kürzen.